Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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k<strong>an</strong>n aber nur darin bestehen, dass sich<br />
das Tatbest<strong>an</strong>dsmerkmal „Herbeiführung<br />
einer Schw<strong>an</strong>gerschaft“ auf den<br />
einzelnen extrakorporal erzeugten Embryo<br />
bezieht. Die Formulierung des<br />
ESchG ist insoweit <strong>an</strong> Eindeutigkeit<br />
kaum zu überbieten. Es kommt darauf<br />
<strong>an</strong>, welcher Zweck konkret bei der Befruchtung<br />
der Eizelle hinsichtlich genau<br />
dieser Eizelle verfolgt wird. Wenn die<br />
Herbeiführung einer Schw<strong>an</strong>gerschaft<br />
beabsichtigt ist, ist die Befruchtung der<br />
Eizelle zulässig. Besteht diese Absicht<br />
nicht und erfolgt die Entscheidung über<br />
den Tr<strong>an</strong>sfer erst zu einem späteren<br />
Zeitpunkt – nach der Diagnose –, liegt<br />
eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG „missbräuchliche<br />
Anwendung von Fortpfl<strong>an</strong>zungstechniken“<br />
vor. Der zunächst<br />
ausschließlich verfolgte Zweck<br />
der künstlichen Befruchtung ist die Selektion<br />
genetisch belasteter <strong>Embryonen</strong>.<br />
Der später eventuell hinzukommende<br />
Tr<strong>an</strong>sfer auf die Frau k<strong>an</strong>n den<br />
bereits vollendeten Verstoß gegen das<br />
ESchG in seiner rechtlichen Bedeutung<br />
nicht mehr beeinflussen. Dass die Methode<br />
der IVF hier „missbraucht“ wird,<br />
ist auch dar<strong>an</strong> erkennbar, dass diejenigen<br />
Paare, für die PGD in Betracht<br />
kommt, regelmäßig in ihrer natürlichen<br />
Fortpfl<strong>an</strong>zungsfähigkeit nicht eingeschränkt<br />
sind.<br />
Der Hinweis von Schreiber, dass das<br />
Ergebnis der Diagnostik nur eine Bedingung<br />
der Entscheidung für die Herbeiführung<br />
der Schw<strong>an</strong>gerschaft sei<br />
und der Arzt auch bei regulärer IVF<br />
„den <strong>an</strong>schließenden Embryotr<strong>an</strong>sfer<br />
stets von der Bedingung abhängig<br />
macht, dass sich die Patientin auch später<br />
noch bereit erklärt, diesen vornehmen<br />
zu lassen“, geht fehl. Zum einen<br />
ändert dies nichts dar<strong>an</strong>, dass der Tatbest<strong>an</strong>d<br />
des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG bereits<br />
verwirklicht ist, wenn die „Bedingung“<br />
für den Embryotr<strong>an</strong>sfer eintritt. Zum<br />
Zweiten werden hier ersichtlich zwei Situationen<br />
verglichen, die unter völlig<br />
unterschiedlichen Voraussetzungen stehen.<br />
Voraussetzung einer „normalen“<br />
IVF-Beh<strong>an</strong>dlung ist die Einwilligung<br />
der Frau in die Befruchtung und die<br />
Übertragung der Eizellen. Damit ist die<br />
„Bedingung“, mit dem Tr<strong>an</strong>sfer der<br />
<strong>Embryonen</strong> einverst<strong>an</strong>den zu sein, bei<br />
jeder IVF-Beh<strong>an</strong>dlung von vornherein<br />
gegeben. Bei der PGD ist diese Bedin-<br />
42<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
gung jedoch im Zeitpunkt der Befruchtung<br />
von vornherein nicht gegeben. Sie<br />
kommt erst später hinzu. Damit liegt<br />
nur im Fall der PGD eine echte „bedingte<br />
Zeugung“ vor. Aus dem Ablauf<br />
der normalen IVF-Beh<strong>an</strong>dlung lässt<br />
sich kein Argument für die PGD gewinnen.<br />
Verbot der Verwendung totipotenter<br />
Zellen zur Diagnostik<br />
Weitgehende Einigkeit besteht darin,<br />
dass ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 ESchG<br />
vorliegt, wenn totipotente Zellen (bis<br />
etwa zum 8-Zell-Stadium) zum Zweck<br />
der PGD entnommen und „verbraucht“<br />
werden. Die entnommenen totipotenten<br />
Zellen sind gem. § 8 Abs. 1 ESchG<br />
einem Embryo gleichgestellt. Ihr Verbrauch<br />
im Rahmen der Diagnose dient<br />
offensichtlich nicht dem Erhalt dieser<br />
Zellen und stellt daher einen Verstoß<br />
gegen § 2 Abs. 1 ESchG dar. Sachlich<br />
könnte m<strong>an</strong> das Verfahren auch als<br />
„Klonierung“ eines Zwillings (durch<br />
Abspalten einer totipotenten Zelle) beschreiben,<br />
der für Diagnosezwecke verbraucht<br />
werden soll. Damit ist auch der<br />
Straftatbest<strong>an</strong>d von § 6 Abs. 1 i. V. m. § 8<br />
Abs. 1 ESchG erfüllt.<br />
Verwerfung des (Rest-)Embryos<br />
bei positivem Befund<br />
Wenn die PGD ergibt, dass der getestete<br />
Embryo den befürchteten Gendefekt<br />
hat, wird er nicht auf die Frau übertragen,<br />
sondern „verworfen“. Dies ist wiederum<br />
nach § 2 Abs. 1 ESchG strafbar.<br />
Denn das „Wegschütten“ oder <strong>an</strong>derweitige<br />
Abtöten des genetisch auffälligen<br />
Embryos dient „nicht seiner Erhaltung“<br />
und wird von § 2 Abs. 1 ESchG erfasst.<br />
K<strong>an</strong>n dem entgegengehalten werden,<br />
dass die einzige Möglichkeit, sich der Bestrafung<br />
zu entziehen, nämlich die Übertragung<br />
des Embryos auf eine Frau,<br />
ebenfalls strafbar wäre (§ 6 Abs. 2<br />
ESchG)? K<strong>an</strong>n das Recht jede denkbare<br />
Verhaltensalternative unterschiedslos<br />
unter Strafe stellen?<br />
Die Lösung dieses Problems liegt darin,<br />
die Geltung von § 6 Abs. 2 ESchG zu<br />
hinterfragen. Wenn das Gesetz ausdrücklich<br />
in dieser Vorschrift für geklonte<br />
<strong>Embryonen</strong> eine „Tötungspflicht“<br />
vorsieht,weil sie nicht auf eine Frau übertragen<br />
werden dürfen, liegt ein Verstoß<br />
gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 i. V. m.Art. 1 GG<br />
vor. In dem Bestreben, menschliche Klone<br />
zu verhindern, ist der Gesetzgeber offensichtlich<br />
über das Ziel hinausgeschossen.<br />
Das Verbot, genetisch identische<br />
Mehrlinge künstlich herzustellen, ist<br />
nachvollziehbar, berechtigt aber nicht<br />
dazu, einmal verbotswidrig entst<strong>an</strong>dene<br />
menschliche <strong>Embryonen</strong> per Gesetz zum<br />
Tode zu verurteilen. § 6 Abs. 2 ESchG ist<br />
daher aus verfassungsrechtlichen Gründen<br />
nicht <strong>an</strong>zuwenden. § 2 Abs. 1 ESchG<br />
bleibt damit auf den Umg<strong>an</strong>g mit denjenigen<br />
Restembryonen, die nach der Diagnostik<br />
nicht tr<strong>an</strong>sferiert werden sollen,<br />
<strong>an</strong>wendbar.<br />
Wertungswiderspruch und<br />
„PGD-Tourismus“<br />
Von den Befürwortern der PGD wird –<br />
nicht g<strong>an</strong>z zu Unrecht – <strong>an</strong>geführt, dass<br />
die Schutzbestimmungen des ESchG in<br />
einem Wertungswiderspruch zu der weitgehenden<br />
Zulässigkeit von embryopathisch<br />
motivierten Abtreibungen stünden.<br />
Ferner würden ausländische Forscherteams<br />
die Technik ohnehin <strong>an</strong>wenden.<br />
Während de facto das Problem nur<br />
ins Ausl<strong>an</strong>d verlagert werde („PGD-Tourismus“),<br />
führe ein Verbot der PGD zu<br />
einer wesentlichen Erschwerung der wissenschaftlichen<br />
Weiterentwicklung auf<br />
diesem Gebiet.<br />
Der Wertungswiderspruch zu den<br />
Abtreibungsbestimmungen ist de lege<br />
lata hinzunehmen. Er war auch dem<br />
Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Verabschiedung<br />
des ESchG bek<strong>an</strong>nt. Ob die<br />
Begründungen für die unterschiedliche<br />
Beh<strong>an</strong>dlung menschlicher <strong>Embryonen</strong><br />
im oder außerhalb des Mutterleibes<br />
tragfähig sind, k<strong>an</strong>n hier nicht erörtert<br />
werden. Differenzierungsgesichtspunkte<br />
gibt es durchaus. Jedenfalls ist es<br />
nicht zwingend, die Auflösung eines<br />
Wertungswiderspruchs in Richtung des<br />
niedrigeren Schutzniveaus zu fordern.<br />
Aus verfassungsrechtlichen Gründen,<br />
dem Benachteiligungsverbot für Behinderte<br />
(Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG), wäre vielmehr<br />
das Gegenteil <strong>an</strong>gemessen. Hinzu<br />
kommt, dass durch die PGD embryopathisch<br />
motivierte Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbrüche<br />
nicht wirklich vermieden werden<br />
können, weil „zur Absicherung“