08.12.2012 Aufrufe

Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

k<strong>an</strong>n aber nur darin bestehen, dass sich<br />

das Tatbest<strong>an</strong>dsmerkmal „Herbeiführung<br />

einer Schw<strong>an</strong>gerschaft“ auf den<br />

einzelnen extrakorporal erzeugten Embryo<br />

bezieht. Die Formulierung des<br />

ESchG ist insoweit <strong>an</strong> Eindeutigkeit<br />

kaum zu überbieten. Es kommt darauf<br />

<strong>an</strong>, welcher Zweck konkret bei der Befruchtung<br />

der Eizelle hinsichtlich genau<br />

dieser Eizelle verfolgt wird. Wenn die<br />

Herbeiführung einer Schw<strong>an</strong>gerschaft<br />

beabsichtigt ist, ist die Befruchtung der<br />

Eizelle zulässig. Besteht diese Absicht<br />

nicht und erfolgt die Entscheidung über<br />

den Tr<strong>an</strong>sfer erst zu einem späteren<br />

Zeitpunkt – nach der Diagnose –, liegt<br />

eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG „missbräuchliche<br />

Anwendung von Fortpfl<strong>an</strong>zungstechniken“<br />

vor. Der zunächst<br />

ausschließlich verfolgte Zweck<br />

der künstlichen Befruchtung ist die Selektion<br />

genetisch belasteter <strong>Embryonen</strong>.<br />

Der später eventuell hinzukommende<br />

Tr<strong>an</strong>sfer auf die Frau k<strong>an</strong>n den<br />

bereits vollendeten Verstoß gegen das<br />

ESchG in seiner rechtlichen Bedeutung<br />

nicht mehr beeinflussen. Dass die Methode<br />

der IVF hier „missbraucht“ wird,<br />

ist auch dar<strong>an</strong> erkennbar, dass diejenigen<br />

Paare, für die PGD in Betracht<br />

kommt, regelmäßig in ihrer natürlichen<br />

Fortpfl<strong>an</strong>zungsfähigkeit nicht eingeschränkt<br />

sind.<br />

Der Hinweis von Schreiber, dass das<br />

Ergebnis der Diagnostik nur eine Bedingung<br />

der Entscheidung für die Herbeiführung<br />

der Schw<strong>an</strong>gerschaft sei<br />

und der Arzt auch bei regulärer IVF<br />

„den <strong>an</strong>schließenden Embryotr<strong>an</strong>sfer<br />

stets von der Bedingung abhängig<br />

macht, dass sich die Patientin auch später<br />

noch bereit erklärt, diesen vornehmen<br />

zu lassen“, geht fehl. Zum einen<br />

ändert dies nichts dar<strong>an</strong>, dass der Tatbest<strong>an</strong>d<br />

des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG bereits<br />

verwirklicht ist, wenn die „Bedingung“<br />

für den Embryotr<strong>an</strong>sfer eintritt. Zum<br />

Zweiten werden hier ersichtlich zwei Situationen<br />

verglichen, die unter völlig<br />

unterschiedlichen Voraussetzungen stehen.<br />

Voraussetzung einer „normalen“<br />

IVF-Beh<strong>an</strong>dlung ist die Einwilligung<br />

der Frau in die Befruchtung und die<br />

Übertragung der Eizellen. Damit ist die<br />

„Bedingung“, mit dem Tr<strong>an</strong>sfer der<br />

<strong>Embryonen</strong> einverst<strong>an</strong>den zu sein, bei<br />

jeder IVF-Beh<strong>an</strong>dlung von vornherein<br />

gegeben. Bei der PGD ist diese Bedin-<br />

42<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

gung jedoch im Zeitpunkt der Befruchtung<br />

von vornherein nicht gegeben. Sie<br />

kommt erst später hinzu. Damit liegt<br />

nur im Fall der PGD eine echte „bedingte<br />

Zeugung“ vor. Aus dem Ablauf<br />

der normalen IVF-Beh<strong>an</strong>dlung lässt<br />

sich kein Argument für die PGD gewinnen.<br />

Verbot der Verwendung totipotenter<br />

Zellen zur Diagnostik<br />

Weitgehende Einigkeit besteht darin,<br />

dass ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 ESchG<br />

vorliegt, wenn totipotente Zellen (bis<br />

etwa zum 8-Zell-Stadium) zum Zweck<br />

der PGD entnommen und „verbraucht“<br />

werden. Die entnommenen totipotenten<br />

Zellen sind gem. § 8 Abs. 1 ESchG<br />

einem Embryo gleichgestellt. Ihr Verbrauch<br />

im Rahmen der Diagnose dient<br />

offensichtlich nicht dem Erhalt dieser<br />

Zellen und stellt daher einen Verstoß<br />

gegen § 2 Abs. 1 ESchG dar. Sachlich<br />

könnte m<strong>an</strong> das Verfahren auch als<br />

„Klonierung“ eines Zwillings (durch<br />

Abspalten einer totipotenten Zelle) beschreiben,<br />

der für Diagnosezwecke verbraucht<br />

werden soll. Damit ist auch der<br />

Straftatbest<strong>an</strong>d von § 6 Abs. 1 i. V. m. § 8<br />

Abs. 1 ESchG erfüllt.<br />

Verwerfung des (Rest-)Embryos<br />

bei positivem Befund<br />

Wenn die PGD ergibt, dass der getestete<br />

Embryo den befürchteten Gendefekt<br />

hat, wird er nicht auf die Frau übertragen,<br />

sondern „verworfen“. Dies ist wiederum<br />

nach § 2 Abs. 1 ESchG strafbar.<br />

Denn das „Wegschütten“ oder <strong>an</strong>derweitige<br />

Abtöten des genetisch auffälligen<br />

Embryos dient „nicht seiner Erhaltung“<br />

und wird von § 2 Abs. 1 ESchG erfasst.<br />

K<strong>an</strong>n dem entgegengehalten werden,<br />

dass die einzige Möglichkeit, sich der Bestrafung<br />

zu entziehen, nämlich die Übertragung<br />

des Embryos auf eine Frau,<br />

ebenfalls strafbar wäre (§ 6 Abs. 2<br />

ESchG)? K<strong>an</strong>n das Recht jede denkbare<br />

Verhaltensalternative unterschiedslos<br />

unter Strafe stellen?<br />

Die Lösung dieses Problems liegt darin,<br />

die Geltung von § 6 Abs. 2 ESchG zu<br />

hinterfragen. Wenn das Gesetz ausdrücklich<br />

in dieser Vorschrift für geklonte<br />

<strong>Embryonen</strong> eine „Tötungspflicht“<br />

vorsieht,weil sie nicht auf eine Frau übertragen<br />

werden dürfen, liegt ein Verstoß<br />

gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 i. V. m.Art. 1 GG<br />

vor. In dem Bestreben, menschliche Klone<br />

zu verhindern, ist der Gesetzgeber offensichtlich<br />

über das Ziel hinausgeschossen.<br />

Das Verbot, genetisch identische<br />

Mehrlinge künstlich herzustellen, ist<br />

nachvollziehbar, berechtigt aber nicht<br />

dazu, einmal verbotswidrig entst<strong>an</strong>dene<br />

menschliche <strong>Embryonen</strong> per Gesetz zum<br />

Tode zu verurteilen. § 6 Abs. 2 ESchG ist<br />

daher aus verfassungsrechtlichen Gründen<br />

nicht <strong>an</strong>zuwenden. § 2 Abs. 1 ESchG<br />

bleibt damit auf den Umg<strong>an</strong>g mit denjenigen<br />

Restembryonen, die nach der Diagnostik<br />

nicht tr<strong>an</strong>sferiert werden sollen,<br />

<strong>an</strong>wendbar.<br />

Wertungswiderspruch und<br />

„PGD-Tourismus“<br />

Von den Befürwortern der PGD wird –<br />

nicht g<strong>an</strong>z zu Unrecht – <strong>an</strong>geführt, dass<br />

die Schutzbestimmungen des ESchG in<br />

einem Wertungswiderspruch zu der weitgehenden<br />

Zulässigkeit von embryopathisch<br />

motivierten Abtreibungen stünden.<br />

Ferner würden ausländische Forscherteams<br />

die Technik ohnehin <strong>an</strong>wenden.<br />

Während de facto das Problem nur<br />

ins Ausl<strong>an</strong>d verlagert werde („PGD-Tourismus“),<br />

führe ein Verbot der PGD zu<br />

einer wesentlichen Erschwerung der wissenschaftlichen<br />

Weiterentwicklung auf<br />

diesem Gebiet.<br />

Der Wertungswiderspruch zu den<br />

Abtreibungsbestimmungen ist de lege<br />

lata hinzunehmen. Er war auch dem<br />

Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Verabschiedung<br />

des ESchG bek<strong>an</strong>nt. Ob die<br />

Begründungen für die unterschiedliche<br />

Beh<strong>an</strong>dlung menschlicher <strong>Embryonen</strong><br />

im oder außerhalb des Mutterleibes<br />

tragfähig sind, k<strong>an</strong>n hier nicht erörtert<br />

werden. Differenzierungsgesichtspunkte<br />

gibt es durchaus. Jedenfalls ist es<br />

nicht zwingend, die Auflösung eines<br />

Wertungswiderspruchs in Richtung des<br />

niedrigeren Schutzniveaus zu fordern.<br />

Aus verfassungsrechtlichen Gründen,<br />

dem Benachteiligungsverbot für Behinderte<br />

(Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG), wäre vielmehr<br />

das Gegenteil <strong>an</strong>gemessen. Hinzu<br />

kommt, dass durch die PGD embryopathisch<br />

motivierte Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbrüche<br />

nicht wirklich vermieden werden<br />

können, weil „zur Absicherung“

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!