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TOBOGGAN l DA SCHAU HER<br />

Foto: München Tourismus/B. Roemmelt<br />

Das Publikum<br />

wechselt – erst<br />

kommen Familien mit<br />

Kin<strong>de</strong>rn, später die<br />

Erwachsenen<br />

mit seinem Besitzer durch Deutschland.<br />

Doch keiner ist so original und so gut in<br />

Schuss wie seiner, sagt Konrad.<br />

Eigentlich ist <strong>de</strong>r 48-Jährige Soldat bei <strong>de</strong>r<br />

Luftwaffe in Lechfeld. Er opfert immer seinen<br />

gesamten Jahresurlaub, um <strong>de</strong>n Toboggan<br />

auf <strong>de</strong>m Oktoberfest zu betreiben.<br />

Seine Freundin Judith, die gera<strong>de</strong> in Landsberg<br />

von Soldatin auf Beamtin umschult,<br />

ist zumin<strong>de</strong>st an <strong>de</strong>n Wiesn-Wochenen<strong>de</strong>n<br />

mit dabei. Dann kann sie Claus' Mutter Astrid<br />

ablösen, die mit ihren 74 Jahren ganz<br />

selbstverständlich an <strong>de</strong>r Kasse sitzt und –<br />

sonst eher früh mü<strong>de</strong> – auf <strong>de</strong>r Wiesn nie<br />

vor zwei Uhr nachts ins Bett geht.<br />

„Rudolf Konrad“ steht noch verschnörkelt<br />

in Rot und Schwarz auf <strong>de</strong>n frisch lackierten<br />

Zaunteilen drinnen in <strong>de</strong>r Halle. Dabei<br />

ist Vater Rudolf schon 1988 verstorben.<br />

Witwe und <strong>de</strong>r einzige Sohn mussten übernehmen.<br />

„Das war schwer. Mein Vater war<br />

das Herz vom Geschäft“, sagt Claus Konrad.<br />

„Aber ich war ja damit aufgewachsen.<br />

Immer habe ich mich geärgert, dass ich<br />

beim Aufbau nur die erste Woche dabei<br />

sein konnte, weil dann die Schule wie<strong>de</strong>r<br />

losging“. So geht es heute seinem eigenen<br />

zwölfjährigen Sohn, <strong>de</strong>r das Geschäft einmal<br />

übernehmen soll.<br />

„Wenn die Wiesn läuft,<br />

dann ist je<strong>de</strong>r in seinem<br />

eigenen Fahrwasser. “<br />

Claus Konrad, Besitzer <strong>de</strong>s Toboggan<br />

Der Toboggan, <strong>de</strong>r „Bausatz für Große“<br />

mit seinen 2 000 Schrauben und seinen<br />

zwei Wochen Aufbauzeit, ist eigentlich<br />

„nicht mehr zeitgemäß“, wie Konrad sagt.<br />

Er betreibt ihn aus I<strong>de</strong>alismus und aus Lei<strong>de</strong>nschaft.<br />

Trotz Stress, Ärger und <strong>de</strong>r großen<br />

Verantwortung freue er sich je<strong>de</strong>s Jahr<br />

auf die Zeit. Er sei aber auch froh, wenn sie<br />

wie<strong>de</strong>r vorbei ist.<br />

Ist es ein einträgliches Geschäft?<br />

Die vielen Helfer, die die schwanken<strong>de</strong>n<br />

und stürzen<strong>de</strong>n Gäste auf <strong>de</strong>m Laufband<br />

betreuen o<strong>de</strong>r die kleinen Teppiche zum<br />

Rutschen immer wie<strong>de</strong>r in Stapeln auf <strong>de</strong>n<br />

Turm hinaufbringen, kosten natürlich eine<br />

Menge Geld. Doch bei vier Euro pro Fahrt<br />

(Kin<strong>de</strong>r zahlen drei Euro) bleibt schon etwas<br />

übrig, wie Konrad einräumt: „Sonst<br />

wür<strong>de</strong> ich es wahrscheinlich auch nicht<br />

machen.“ Vier Tage bevor die Wiesn startet,<br />

hat er seinen Turm aufgebaut. Früher<br />

nach <strong>de</strong>m Riesenrad das höchste Fahrgeschäfte<br />

<strong>de</strong>r Wiesn, heute ein Winzling, von<br />

Foto: Cornelia Knust<br />

<strong>de</strong>m man aber immer noch eine schöne<br />

Aussicht hat. Dann kommt <strong>de</strong>r TÜV zur<br />

Abnahme. Die letzten Tage dienen <strong>de</strong>n Details,<br />

<strong>de</strong>r Kleidung, <strong>de</strong>r Werkstatt, <strong>de</strong>n<br />

Wohnwagen, auch einem Schwatz mit <strong>de</strong>n<br />

Schaustellern in <strong>de</strong>r Nachbarschaft, die bis<br />

auf <strong>de</strong>n Bratwurststand immer wie<strong>de</strong>r<br />

wechseln. Der Toboggan dagegen, schon<br />

seit 83 Jahren auf <strong>de</strong>m Oktoberfest, steht<br />

seit 25 Jahren am selben Platz.<br />

Auch die Arbeiter am Toboggan sind je<strong>de</strong>s<br />

Jahr überwiegend dieselben, ein IT-Fachmann,<br />

ein Kfz-Mechaniker, ein Mitarbeiter<br />

<strong>de</strong>r Stadt München – sie alle nehmen Urlaub<br />

für das Bierfest, von <strong>de</strong>m sie dann,<br />

wie auch Chef Claus, meist gar nichts haben:<br />

„Wenn die Wiesn läuft, dann ist je<strong>de</strong>r<br />

in seinem eigenen Fahrwasser.“<br />

Das Publikum wechselt über <strong>de</strong>n Tag hinweg.<br />

Erst kommen Familien mit Kin<strong>de</strong>rn,<br />

später Erwachsene, unterschiedlich stark<br />

alkoholisiert, mit Lust auf eine Mutprobe<br />

– zur Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s scha<strong>de</strong>nfrohen Publikums.<br />

„Wer auf <strong>de</strong>m Laufband das Gleichgewicht<br />

verliert und sich am Gelän<strong>de</strong>r festhält,<br />

<strong>de</strong>r fällt hin. Denn das Gelän<strong>de</strong>r fährt<br />

nicht mit“, erklärt Konrad. Das von einem<br />

Elektromotor angetriebene Laufband ist<br />

damit <strong>de</strong>r Kern <strong>de</strong>s Geschäftsmo<strong>de</strong>lls.<br />

Beinahe verklärt beschreibt Konrad die alten<br />

Zeiten, die er von Fotos kennt. Wie<br />

Herren mit Zylin<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n Toboggan<br />

stehen und aus vollem Halse lachen. Wie<br />

Damen in langen Röcken das Laufband erklimmen<br />

und sich in ihren Rüschen verhed<strong>de</strong>rn.<br />

Aber auch mit mo<strong>de</strong>rner Gar<strong>de</strong>robe<br />

ist <strong>de</strong>r Spaß garantiert. Konrad selbst<br />

amüsieren vor allem die Schotten, die auf<br />

<strong>de</strong>m Laufband das Geheimnis lüften, was<br />

sie unter ihren Faltenröcken tragen. Nämlich<br />

tatsächlich: nichts. ■<br />

<strong>www</strong>.toboggan-konrad.<strong>de</strong><br />

Wirtschaft – Das IHK-Magazin für München und Oberbayern – 09/2016 71

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