Facetten November 2015
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ausgabe 29 • <strong>November</strong> <strong>2015</strong><br />
Sozialgruppe Kassel<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 1
Ihr Dienstleistungsunternehmen<br />
für die Beförderung von<br />
Menschen mit Behinderungen<br />
wünscht stets<br />
eine gute, angenehme<br />
und vor allem sichere Mitfahrt.
Gastbeitrag<br />
Ein Beispiel zum Nachahmen<br />
Gute Zusammenarbeit zwischen Sozialamt und Sozialgruppe<br />
Am 1. Februar 2014 habe ich die Nachfolge<br />
von Detlev Ruchhöft angetreten und bin<br />
als Leiterin des Kasseler Sozialamtes für die<br />
Versorgung einer Vielzahl Kasseler Menschen<br />
verantwortlich. Seit vielen Jahren besteht zwischen<br />
der Sozialgruppe Kassel e. V. und dem<br />
Sozialamt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.<br />
Das vielfältige Angebot des Vereins trägt<br />
dazu bei, die Versorgung der Bürgerinnen und<br />
Bürger im Alter sicherzustellen, aber auch<br />
Menschen mit einer Behinderung zu fördern.<br />
Aufgrund der demografischen Entwicklung<br />
nehmen die vielschichtigen Bedürfnisse der<br />
älteren Bürgerinnen und Bürger einen besonderen<br />
Stellenwert ein. Ziel ist es, optimale,<br />
aber auch finanzierbare Lebensbedingungen<br />
zu schaffen. Zum Beispiel mit der Konzeption<br />
des Seniorenzentrums Unterneustadt<br />
hat der Verein es geschafft, sich vom ,klassischen<br />
Pflegeheim’ zu verabschieden und für<br />
80 Menschen moderne Hausgemeinschaften<br />
anzubieten. Qualifizierte und engagierte<br />
Fachkräfte versorgen die Bewohnerinnen<br />
und Bewohner in angenehmer Atmosphäre.<br />
In den acht Hausgemeinschaften leben<br />
an Altersdemenz erkrankte Menschen, die<br />
dank einer besonderen Betreuung am gemeinschaftlichen<br />
Leben teilhaben können.<br />
Die große Empfangshalle, die gemütlich eingerichteten<br />
Gemeinschaftsbereiche und die<br />
lichtdurchfluteten Einzelzimmer mit eigenem<br />
Bad erinnern eher an einen Hotelbetrieb mit<br />
einem Wellnessangebot als an ein Altenheim<br />
– ein Beispiel zum Nachahmen.<br />
Die durch die UN-Behindertenrechtskonvention<br />
im Jahr 2006 geforderte gleichberechtigte<br />
Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen<br />
Leben, in Hessen 2012 durch<br />
den Aktionsplan mit Zielen und Maßnahmen<br />
konkretisiert, ist leider noch keine Realität<br />
geworden. Die Einrichtungen des Vereins<br />
Sozialgruppe Kassel, wie die Kasseler Werkstatt,<br />
tragen aber bereits seit vielen Jahren<br />
dazu bei, benachteiligte Menschen in ein<br />
Arbeitsleben einzubinden, ihr Selbstbewusstsein<br />
damit zu stärken und sie dadurch am<br />
gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.<br />
Ich wünsche mir für die Zukunft die Fortsetzung<br />
der guten Zusammenarbeit und dass<br />
die Sozialgruppe Kassel weiterhin so erfolgreich<br />
für das Wohl der von ihr betreuten<br />
Menschen eintritt!<br />
Ute Pähns (Leiterin des Sozialamtes)<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Intro<br />
wo immer Menschen miteinander sprechen, arbeiten,<br />
denken oder aktiv werden, entstehen: Beziehungen. Im<br />
Miteinander bilden sich auch soziokulturelle Wertvorstellungen.<br />
Respekt, Toleranz und Akzeptanz kommen<br />
nicht von allein, sie müssen im Beziehungsgefüge erarbeitet<br />
werden – leider manchmal sogar hart. Daran, was<br />
und wie viel man bereit ist, in Beziehungen hineinzugeben,<br />
lässt sich besonders die Wichtigkeit der Werte Qualität<br />
und Nachhaltigkeit messen. Hat eine Beziehung für<br />
mich einen hohen Wert, investiere ich Zeit, Engagement<br />
und die eigene Persönlichkeit. Den Erfolg sozialer Arbeit<br />
spürt man an der Qualität und Intensität des Gebens.<br />
Arbeite ich nur eine Zeit ab oder bewirke ich bewusst Beziehungen,<br />
Vertrauen und Verlässlichkeit? Soziale Arbeit<br />
kommt nicht aus ohne ein Bekenntnis zum Menschen<br />
und den Beziehungen auf Augenhöhe.<br />
In der Sozialgruppe Kassel e. V. spielen Beziehungen eine<br />
große Rolle. Und diese Beziehungen haben zahlreiche<br />
<strong>Facetten</strong>, manche sind offensichtlich, manche erkennt<br />
man erst, wenn man etwas genauer hinschaut.<br />
Viel Spaß beim Lesen der 29. Ausgabe der facetten wünscht<br />
Gerald Reißmann (Vorsitzender des Vorstands)<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 3
Tagespflege am Holzmarkt<br />
Demenz und Krankenhaus<br />
Qualitätsoffensive der Dienstleister Seniorenpflege Unterneustadt<br />
Vertreter der<br />
Stadt Kassel,<br />
Moderator,<br />
VortragsrednerInnen<br />
und TeilnehmerInnen<br />
der<br />
Podiumsdiskussion.<br />
Gunda Hoßbach<br />
(Leiterin<br />
Tagespflege<br />
am Holzmarkt)<br />
beim Einführungsvortrag<br />
ins Tagungsthema.<br />
„Welcher Tag ist heute? Wie alt sind Sie?<br />
Wo sind wir hier?“ Schon die Antworten auf<br />
diese wenigen und einfachen Fragen können<br />
Hinweise auf eine Demenzerkrankung beinhalten.<br />
Besonders dann, wenn ein demenzerkrankter<br />
Patient seine gewohnte Umgebung<br />
verlässt, weil eine Behandlung im Krankenhaus<br />
notwendig ist, wird das dortige Personal<br />
oft vor große Probleme gestellt. In der Regel<br />
fehlt dann vor allem die Zeit, um ihnen<br />
angemessen zu begegnen.<br />
Die Arbeitsgruppe Demenz und Krankenhaus<br />
(hervorgegangen aus einer Initiative der<br />
Dienstleister Seniorenpflege Unterneustadt)<br />
haben am 5. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> im Bürgersaal<br />
des Kasseler Rathauses anlässlich eines Fachtages<br />
den Startschuss zur Einführung des<br />
Informationsbogens Demenz gegeben. Fachvorträge<br />
zu best practice (Beispiel: Essener<br />
Standard – desorientierte und an Demenz<br />
erkrankte Patienten in Essener Krankenhäusern)<br />
und zu Qualifizierungsmaßnahmen<br />
rund um die Versorgung Demenzerkrankter<br />
gaben der gut besuchten Veranstaltung die<br />
wesentlichen fachlichen Eckpfeiler.<br />
Pflegedienst- und Krankenhaus- bzw.<br />
Klinik leitungen, die Dienstleister Seniorenpflege<br />
Unterneustadt und das Altenreferat<br />
der Stadt Kassel sind überzeugt, dass der<br />
Krankenhausaufenthalt von Menschen mit<br />
Demenz durch die Verwendung des Informationsbogens<br />
Demenz wesentlich verbessert werden<br />
kann. In aller Kürze gibt der Bogen Auskunft<br />
über Gewohnheiten, Ängste, Umgang<br />
mit Stress, zu Nähe- und Distanzbedürfnissen<br />
(z. B. eine geschlechterspezifische Pflege),<br />
Ernährungsgewohnheiten sowie über schnell<br />
erreichbare Bezugspersonen.<br />
Der Bogen kann auch von Privatpersonen<br />
oder BetreuerInnen bzw. von ambulanten<br />
Diensten verwendet werden. Er ist zu finden<br />
auf der Website des Trägerverbundes ambulante<br />
Pflege Kassel http://www-traegerverbund-kassel.de/Downloads.html<br />
Anregungen, Verbesserungsvorschläge und<br />
Fragen nimmt die Leiterin der Tagespflege<br />
am Holzmarkt, Gunda Hoßbach, entgegen.<br />
Gerald Reißmann<br />
4 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Tagespflege am Holzmarkt<br />
Wertschätzung und Gemeinschaft<br />
25 Jahre Tagespflege am Holzmarkt<br />
Ta wie Tapetenwechsel, Ges wie Geselligkeit,<br />
Pfle wie gute Pflege, Ge wie gemeinsame Generation,<br />
Am wie anregendes Ambiente, Holz<br />
wie Holzwerkstatt für die männlichen Tagespflegebesucher<br />
und Markt wie zu den Marktführern<br />
gehören – dies waren Stichworte, die<br />
die SeniorInnen der Tagespflege am Holzmarkt<br />
anlässlich des 25-jährigen Jubiläums<br />
zu ,ihrer’ Einrichtung im Rahmen eines gemeinsamen<br />
Silbenrätsels fanden.<br />
Gefeiert wurde mit den TagespflegebesucherInnen,<br />
den Angehörigen und langjährigen<br />
ehemaligen Mitarbeiterinnen am 8. Juli<br />
<strong>2015</strong> mit Tanz zu flotter Schlagermusik vom<br />
Duo Continental (Welf Kerner, Akkordeon,<br />
und Peter Zinngrebe, Saxofon). Besonderen<br />
Anklang fand die Präsentation eines Sitztanzes<br />
der SeniorInnen zu moderner Popmusik<br />
in passender Garderobe.<br />
Am Abend nahmen ca. 60 Interessierte am<br />
Vortrag von Dr. Udo Baer ( Dipl-Pädagoge,<br />
Kreativer Leibtherapeut) zum Thema Würdigende<br />
Pflege braucht Würdigung der Pflegenden<br />
teil. Im Anschluss lud die Tagespflege zu<br />
einem kleinen Sektbüffet und stand für Fragen<br />
oder für eine Führung durch die Räumlichkeiten<br />
zur Verfügung. Mit einem regen<br />
Austausch zwischen Gästen aus Fachkreisen<br />
und Ehrenamt sowie Angehörigen ging<br />
dieser Tag des Jubiläums schließlich zuende.<br />
Die Tagespflege am Holzmarkt steht für<br />
wertschätzende Pflege und Gemeinschaft –<br />
eine Verbindung, die sich in 25 Jahren bewährt<br />
hat und die es weiter tagtäglich zu gestalten<br />
gilt.<br />
Gunda Hoßbach (Einrichtungsleitung)<br />
Erika Haase und Gunda Hoßbach (Leitung, rechts)<br />
eröffnen das Jubiläumsfest zum 25-jährigen<br />
Bestehen der Tagespflege am Holzmarkt.<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 5
Kasseler Werkstatt<br />
PAUL ist ein Wasserrucksack<br />
Kasseler Werkstatt kooperiert mit der Universität Kassel<br />
Prof. Dr.-Ing.<br />
Franz-Bernd<br />
Frechen bei<br />
der offiziellen<br />
Bekanntmachung<br />
der<br />
Kooperation<br />
mit der Universität<br />
Kassel<br />
Stolz kann man darauf sein, etwas so Sinnvolles<br />
für bedürftige Menschen herzustellen<br />
und auf die Kooperation mit einer Universität.<br />
Seit Mai 2014 haben die MitarbeiterInnen<br />
im Arbeitsbereich 3 unter Leitung von Thomas<br />
Fischer und Viktor Bär über 600 Wasserrucksäcke<br />
hergestellt, die im Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft<br />
der Universität Kassel<br />
entwickelt worden sind. PAUL heißt der Wasserrucksack.<br />
Zurzeit sind annähernd 2.000<br />
dieser Wasserrucksäcke weltweit im Einsatz,<br />
dort, wo Menschen keinen Zugang zu sauberem<br />
Trinkwasser haben, wie in Nepal nach<br />
den Erdbeben im Frühjahr <strong>2015</strong> oder nach<br />
dem Taifun auf den Philippinen 2013.<br />
In den ersten Jahren sind die Wasserrucksäcke<br />
in der Universität selbst hergestellt worden,<br />
vor anderthalb Jahren übertrug man<br />
die Produktion an die KSW. „Die Kasseler<br />
Werkstatt hat ein überzeugendes Qualitätsmanagement.<br />
Das hat uns hierher gebracht“,<br />
lobte Prof. Dr.-Ing. Franz-Bernd Frechen die<br />
Zusammenarbeit. Der Leiter des Fachgebiets<br />
Siedlungswasserwirtschaft betonte bei der<br />
offiziellen Bekanntmachung der Kooperation<br />
Ende Juli <strong>2015</strong> auch die qualifizierte und<br />
schnelle Produktion.<br />
Das hörte auch Bertram Hilgen gerne,<br />
sowohl als Oberbürgermeister einer innovativen<br />
Stadt, als auch als Mitglied der Sozialgruppe<br />
Kassel e.V. So schulterte der Oberbürgermeister<br />
gleich einen Wasserrucksack<br />
und interessierte sich sehr für dessen Einsatzgebiete<br />
und -möglichkeiten.<br />
PAUL steht für Portable Aqua Unit For Lifesaving.<br />
Der Wasserrucksack ist nicht zum<br />
Transport von Wasser bestimmt, sondern<br />
zu einer mobilen Aufbereitung vor Ort von<br />
dort vorhandenem Wasser, etwa aus Flüssen<br />
oder Brunnen. Der Rucksack ist einfach<br />
zu bedienen, kann täglich bis zu 1.200 Litern<br />
Wasser aufbereiten und kommt ganz<br />
ohne Fachpersonal und sogar ohne den<br />
Einsatz von Energie und Chemikalien aus.<br />
www.waterbackpack.org Kirsten Alers<br />
6 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Kasseler Werkstatt<br />
Süße Versuchung<br />
Verpackung feinster Leckereien in der Werkstatt<br />
Tee und Süßwaren werden von MitarbeiterInnen det KSW in die dafür vorgesehenen PE-Tüten verpackt,<br />
diese werden gewogen und zugeschweißt.<br />
Es trug sich zu, dass im März <strong>2015</strong> ein tapferer<br />
Mann den langen Weg von Immenhausen<br />
nach Kassel auf sich nahm, um neue<br />
Gerüche und Geschmäcker in die Kasseler<br />
Werkstatt (KSW) zu bringen. Ein Herr Salzmann<br />
– sein Name ist alles andere als Programm<br />
– von der Firma la vida fragte an, ob<br />
die MitarbeiterInnen der KSW sich imstande<br />
sähen, feinste Leckereien ohne großen<br />
Schwund zu verpacken.<br />
Anfängliche Skepsis, hauptsächlich aus<br />
Sorge um die eigene Figur, wich schnell Begeisterung.<br />
Und so wurde mit tatkräftiger<br />
Unterstützung aller Gruppenfachkräfte ein<br />
Teil im 1. Obergeschoss der KSW 1 zu einem<br />
sogenannten Reinraum umfunktioniert. Die<br />
MitarbeiterInnen mussten nicht lange gebeten<br />
werden. Alle wollten sich an der neuen<br />
Arbeit beteiligen. Nachdem die Statik um<br />
den Reinraum neu berechnet war, begannen<br />
wir fleißig, Fruchtgummis zu verpacken. So<br />
gelang es uns, von Anfang März bis Anfang<br />
Oktober, für sage und schreibe 1,7 Millionen<br />
Gummibären ein neues Zuhause zu schaffen.<br />
Dennoch – diese Herausforderung war nicht<br />
genug für die fleißigen VerpackerInnen im<br />
1. OG. Also nahmen sie sich auch noch der<br />
Verpackung von Früchtetee an. Aufs Gramm<br />
genau wird dieser von den MitarbeiterInnen<br />
in Beutel portioniert.<br />
Mittlerweile zieht die gesamte KSW 1 einen<br />
Nutzen aus dem vorbildlichen Pioniereinsatz<br />
der FruchtgummiverpackerInnen. Eine weitere<br />
Verpackungsarbeit kam hinzu: Schokolade!<br />
Da die Tafeln schon verpackt sind, kann<br />
die weitere Umverpackung in allen Räumen<br />
der KSW geschehen. Die MitarbeiterInnen des<br />
Förderbereichs sind hierbei ebenfalls tatkräftig<br />
bei der Sache. Sollten die Arbeiten weiterhin<br />
so gut von uns erledigt werden wie bisher,<br />
steht einer langen Kooperation mit vielen<br />
weiteren Verpackungsarbeiten zwischen der<br />
Firma la vida und der KSW nichts im Wege,<br />
und die Bemühungen beider Seiten würden<br />
reife (Gummi-)Früchte tragen.<br />
Dieter Schake (Gruppenfachkraft AB 1)<br />
Silke Spindler legt Banderolen um die befüllten<br />
Tüten.<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 7
Kasseler Werkstatt<br />
Auf dem Treppchen!<br />
Kasseler SportlerInnen bei Special Olympics Hessen erfolgreich<br />
Alle waren hochzufrieden über Teilnahme und Ergebnisse bei den Special Olympics: SportlerInnen<br />
und BetreuerInnen!<br />
Was für eine Freude, Landessieger zu werden!<br />
Der Tischtennisspieler Muharrem Tarhan holte<br />
die Goldmedaille bei den Landesspielen der<br />
Special Olympics. Markus Schulz belegte in<br />
der Leistungsgruppe 2 den 1. Platz, Olaf Harbusch<br />
in der gleichen Leistungsgruppe den<br />
5. Platz. Und Andrea Fischer-Urff erkämpfte<br />
sich die Bronzemedaille bei den Damen.<br />
Organisiert von Special Olympics Hessen<br />
wurden im Juli <strong>2015</strong> zum ersten Mal Landesspiele<br />
in Hessen ausgetragen. 700 SportlerInnen<br />
aus ganz Hessen sind nach einer großen<br />
Eröffnungsfeier in Marburg im Goerg-Gaßmann<br />
Stadion zum sportlichen Wettkampf<br />
in zehn Disziplinen angetreten.<br />
Teilgenommen hat neben den vier TischtennisspielerInnen,<br />
die von Gisela Tondera<br />
und Tim Vates trainiert werden, auch die<br />
Fußballmannschaft der Kasseler Werkstatt.<br />
Sie schoss sich, unterstützt von Trainer Heiko<br />
Fischer, zur Bronzemedaille in der stärksten<br />
Leistungsgruppe. Bei der abschließenden<br />
Sportgala konnten dann alle so richtig entspannt<br />
feiern. Weitere Informationen findet<br />
man unter: www.specialolympics-hessen.de<br />
Der Eltern- und Förderverein der KSW hat<br />
die Teilnahme finanziell unterstützt.<br />
Gisela Tondera (Sportübungsleiterin)<br />
Goldmedaille für Muharrem Tarhan (Mitte).<br />
8 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Kasseler Werkstatt<br />
Atemlos schon am Mittag<br />
1. Tanzfest der Kasseler Werkstatt<br />
Jolanda Czekala-Mnich, Gisela Tondera, Sarah Ibl und die Tanzmäuse.<br />
„Atemlos durch die Nacht, bis ein neuer<br />
Tag erwacht, atemlos, schwindelfrei, großes<br />
Kino für uns zwei ...“ Als dieser Song von Helene<br />
Fischer ertönte, zu dem der Tanzkreis<br />
der Caritas Werkstatt Fulda seinen Auftritt<br />
beim 1. Tanzfest der Kasseler Werkstatt hatte,<br />
hielt es keinen der über 200 Gäste mehr auf<br />
seinem Platz. Um 12 Uhr bebte der Saal des<br />
Bürgerhauses Bergshausen und alle sangen,<br />
tanzten und klatschten begeistert mit.<br />
Und es war wirklich großes Kino, was die<br />
Teilnehmenden des Tanzfestes der Kasseler<br />
Werkstatt (KSW), in Kooperation mit der LAG<br />
Hessen im Rahmen der Special Olympics,<br />
dem Publikum boten. 13 Tanzgruppen aus<br />
zehn Werkstätten zeigten, in zum Teil sehr anspruchsvollen<br />
Choreografien, mit viel Engagement<br />
und Freude ihr Können. Monatelang<br />
hatten sie sich mit ihren TrainerInnen auf<br />
diese Veranstaltung vorbereitet und fieberten<br />
nun ihren Auftritten entgegen.<br />
Sarah Ibl und Jolanda Czekala-Mnich<br />
(Gruppenleiterinnen in der KSW und Trainerinnen<br />
der Tanzgruppen Tanzmäuse und<br />
Schlaue Füchse) sowie Gisela Tondera (Sportübungsleiterin<br />
der KSW) hatten dieses Tanzfest<br />
perfekt und bis ins kleinste Detail liebevoll<br />
organisiert und geplant – und das konnte<br />
man auf der Veranstaltung auch spüren.<br />
Gerd der Gaukler führte gekonnt durch das<br />
Programm, das keine Wünsche offen ließ.<br />
Vom volkstümlichen Reigen über Tänze zur<br />
Musik von Andreas Bourani, den Sportfreunden<br />
Stiller oder Michael Jackson – es war für<br />
jeden etwas dabei! Die Tanzmäuse entführten<br />
das Publikum zu den Klängen des Songs Habibi<br />
– I love you mit einer Darbietung auf hohem<br />
Niveau direkt in den Orient, obwohl noch keiner<br />
der TänzerInnen, wie sie dem Moderator<br />
verrieten, jemals im Orient war.<br />
Vielleicht könne man aber eine Freizeit dorthin<br />
organisieren, meinte Jolanda Czekala-<br />
Mnich mit einem Augenzwinkern zu Gerald<br />
Reißmann, dem Vorstandsvorsitzenden der<br />
Sozialgruppe Kassel e.V., der es sich nicht nehmen<br />
ließ, der Veranstaltung von Anfang bis<br />
zum Ende beizuwohnen. Er war es auch, der<br />
zum Abschluss den Teilnehmenden zur Erinnerung<br />
an das Tanzfest eine Urkunde mit<br />
einem aktuellen Foto der Tanzgruppe überreichte,<br />
außerdem gab es noch für jeden eine<br />
Medaille! Gegen 15 Uhr war das Fest beendet,<br />
für alle Mitmachenden war klar: Beim nächsten<br />
Mal sind wir wieder dabei!<br />
Heike Klöckl (Leiterin Sozialer Dienst KSW)<br />
Die Schlauen<br />
Füchse.<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 9
Kasseler Werkstatt<br />
Wohl fühlen steht über allem<br />
Konfliktbewältigung in der Kasseler Werkstatt<br />
Am sogenannten<br />
Q-Tisch finden<br />
wie hier<br />
unter den<br />
KollegInnen<br />
im Arbeitsbereich<br />
2<br />
regelmäßig<br />
Fallbesprechungen<br />
statt.<br />
Mit welchen Konflikten sind Sie befasst?<br />
Die meisten Konflikte, die hier in der Werkstatt<br />
zwischen Mitarbeitern entstehen, haben<br />
mit der eigentlichen Arbeit gar nichts zu tun.<br />
Sie entstehen aus schlechter Kommunikation<br />
oder aus Missverständnissen. Der hat<br />
gesagt ..., Die hat mich ..., Die S. hat mir erzählt,<br />
dass der V. über mich ... Oft stammen<br />
die Anfänge aus dem Privatleben, da haben<br />
sich Mitarbeiter am Wochenende gestritten,<br />
jemand hat etwas Gemeines auf Facebook<br />
gepostet oder ähnliches, und dann schwappen<br />
diese Ärgernisse und Verletzungen mit<br />
in die Werkstatt hinein. Aus Kleinigkeiten<br />
können Lawinen werden, Konflikte können<br />
eskalieren, manchmal bis zur Gewalt. Und<br />
natürlich wirkt sich diese emotionale Belastung<br />
auf die Arbeitsleistung aus.<br />
Welche Maßnahmen und Strukturen<br />
hat sich die Werkstatt zur Konfliktbewältigung<br />
geschaffen?<br />
Zunächst einmal wissen die Mitarbeiter, dass<br />
der Soziale Dienst bei Konflikten, die nicht<br />
untereinander oder in der Gruppe mit den<br />
Gruppenleitungen zu lösen sind, ansprechbar<br />
ist. Meine Tür zum Beispiel steht immer offen,<br />
wenn ich nicht gerade in einem Gespräch bin,<br />
das signalisiert dann: Ich bin da.<br />
Dann wäre der Runde Tisch zu nennen: Mitarbeiter,<br />
Gruppenleiter und jemand vom<br />
Sozialen Dienst setzen sich zusammen und<br />
versuchen, die Situation zu klären. Wenn ein<br />
massiveres Problem zu lösen ist, werden auch<br />
die gesetzlichen Betreuer und Bezugsbetreuer<br />
aus dem Wohnheim hinzugebeten. Und im<br />
Extremfall holen wir uns auch psychologische<br />
Hilfe von außen.<br />
Und nicht zuletzt haben wir auch regelmäßig<br />
diverse Bildungsangebote, die Bezug<br />
auf unterschiedlichste Konfliktsituationen<br />
nehmen: Zum Beispiel gibt es das Streitschlichtertraining,<br />
Kurse von Pro Familia<br />
zu Partnerschaftskonflikten, Vorträge zu<br />
Cybermobbing oder Angebote im Bereich<br />
Selbstbehauptung für Frauen.<br />
Gibt es auch ritualisierte Maßnahmen?<br />
In der Gruppe gibt es jede Woche die sogenannte<br />
Lerninsel. Sie dient in erster Linie<br />
dazu, über Neuerungen bezüglich der Arbeit<br />
zu informieren, aber Sorgen und Nöte haben<br />
dort auch ihren Raum.<br />
Außerdem gehen wir vom Sozialen Dienst<br />
einmal im Jahr durch alle Gruppen und<br />
besprechen während der Lerninseln immer<br />
wieder noch einmal die Hausordnung, damit<br />
sich alle an die Gebote und Verbote erinnern,<br />
wie etwa das Handy-Verbot während der<br />
Arbeit. Ebenfalls einmal im Jahr findet zu<br />
jedem Mitarbeiter ein Bildungsplanungsgespräch<br />
zwischen uns und dem Gruppenleiter<br />
statt, in dem es beispielsweise darum gehen<br />
kann, dass der Mitarbeiter selbstständiger<br />
wird oder eben auch ein sozialverträglicheres<br />
Verhalten einübt.<br />
10 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Kasseler Werkstatt<br />
Welche Konflikte gibt es denn, die aus<br />
der Arbeitssituation entstehen?<br />
Da ist eine Mitarbeiterin über- oder unterfordert,<br />
einer anderen gefällt die Arbeit nicht<br />
oder die Chemie zwischen ihr und der Gruppenleitung<br />
oder der Gruppe stimmt nicht.<br />
Dann versuchen wir – und das in fast allen<br />
Fällen mit Erfolg –, dass diese Mitarbeiterin<br />
die Gruppe wechseln oder mit jemandem<br />
tauschen kann. Unser oberstes Ziel ist ja, dass<br />
alle sich wohl fühlen, dass sie gern zur Arbeit<br />
kommen und dass die Arbeit als persönlichkeitsstärkend<br />
und sinnstiftend erlebt wird.<br />
Dafür tun wir wirklich eine ganze Menge.<br />
Gibt es für dieses oberste Ziel ein sozialpädagogisches<br />
Wort, das Ihr Konzept<br />
auf den Punkt bringt?<br />
Ja, es heißt Personenzentrierung.<br />
Gibt es auch Konflikte, die sich nicht lösen<br />
lassen?<br />
Hm ... Ganz selten gibt es Mitarbeiter, mit<br />
denen es nicht geht, auch mit noch so vielen<br />
Gesprächen nicht. Da sind dann immer<br />
starke Verhaltensauffälligkeiten im Spiel,<br />
meistens geht es um Fremd- oder Selbstgefährdung.<br />
Diese Menschen verlangen Anderen<br />
tagtäglich so viel ab, dass wir dann<br />
andere Lösungen suchen müssen. Ich erlebe<br />
das dann auch als Scheitern. Manchen Menschen<br />
werden wir nicht so gerecht, wie wir<br />
uns das wünschen. Manche machen dann<br />
zum Beispiel eine Therapie und kommen anschließend<br />
zurück.<br />
Haben starke Verhaltensauffälligkeiten,<br />
wie sicher gesamtgesellschaftlich,<br />
auch in der KSW zugenommen?<br />
Ja, das kann man sagen, das liegt aber vor<br />
allem an einer Klientelverschiebung. Hatten<br />
wir früher hauptsächlich mit Menschen<br />
mit klassischen geistigen Behinderungen zu<br />
tun, kommen in den letzten Jahren immer<br />
mehr Menschen zu uns, die wir ,junge Wilde’<br />
nennen. Sie haben oft starke Brüche in<br />
früher Kindheit erlebt, sind auf dem emotionalen<br />
Stand von Kindern und bekommen<br />
aufgrund ihrer sozialen Unzulänglichkeiten<br />
,draußen’ keinen Job. Sie brauchen ganz viel<br />
Rituale, Geborgenheit und das Andocken an<br />
eine Person.<br />
Wie bekommen denn die Gruppenleitungen<br />
das Wissen, um den Konfliktsituationen<br />
und den neuen Anforderungen<br />
gewachsen zu sein?<br />
Individuell nehmen die Kollegen an Fortbildungen<br />
teil, manchmal organisieren wir<br />
auch Inhouse-Schulungen, etwa zum Thema<br />
Nähe und Distanz.<br />
Wohin gehen Wünsche, welche Dinge<br />
wären weiterzuentwickeln?<br />
Wir sind eigentlich schon ganz gut ... Was<br />
sich immer deutlicher abzeichnet, ist, dass<br />
es immer notwendiger wird, bereits ganz am<br />
Anfang, wenn jemand in den Berufsbildungsbereich<br />
einsteigt, lange Aufnahmegespräche<br />
mit einem hohen Anteil an Biografiearbeit<br />
zu führen, dafür braucht man natürlich<br />
viel Zeit, aber ich glaube, es lohnt sich, denn<br />
dann haben wir von Anfang an die Chance,<br />
unseren Grundsatz der wertschätzenden Personenzentrierung<br />
umzusetzen. Und je mehr<br />
sich jemand gesehen fühlt, desto weniger<br />
Konflikte gibt es dann auch.<br />
Das Interview führte: Kirsten Alers<br />
Heike Klöckl ist Diplom-Sozialarbeiterin und arbeitet<br />
seit 23 Jahren im Sozialen Dienst der Kasseler<br />
Werkstatt (KSW). 2013 übernahm siedie Leitung<br />
des Sozialen Dienstes, der mit zwei Vollzeit- und<br />
vier Teilzeitkräften für derzeit rund 560 MitarbeiterInnen<br />
an drei Standorten Ansprechpartner ist<br />
– auch bei Konflikten ganz unterschiedlicher Art.<br />
Heike Klöckl<br />
und Gruppenleiterin<br />
Karin<br />
Kurnatowski<br />
im Beratungsgespräch<br />
zur<br />
Konfliktlösung<br />
mit drei Mitarbeiterern.<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 11
Kasseler Werkstatt<br />
Nach der Elternzeit ...<br />
... Wiedereinstieg in den Berufsbildungsbereich<br />
Im Jahr 2011 war ich für sechs Monate<br />
im Berufsbildungsbereich, bin dann in die<br />
Elternzeit gegangen. Im Jahr <strong>2015</strong> war der<br />
Wiedereinstieg im Berufsbildungsbereich.<br />
Ich wurde von den neuen Kollegen gut aufgenommen<br />
und habe sie kennen gelernt. Ich<br />
habe neue Waren verpackt, wie Schokolade.<br />
Im Arbeitsbereich helfen ein Kollege und ich<br />
beim Verpacken von Gummibärchen. Ich<br />
habe viele von der Schule und aus der alten<br />
Gruppe wiedergetroffen. Nach einer Woche<br />
im Bereich haben wir einen Betriebsausflug<br />
nach Melsungen gemacht, wir hatten super<br />
Wetter an dem Tag. Ich bin erfreut, dass ich<br />
wieder arbeiten kann. Daher ist es mir gut<br />
ergangen, wieder im Bereich zu sein.<br />
Angela Fischer (Mitarbeiterin im BBB)<br />
Neuland betreten ...<br />
... und weiterhin offen für Neues<br />
Wie ich in die Kasseler Werkstatt gekommen<br />
bin?<br />
Seitdem ich ehrenamtlich in der Altenpflege<br />
beschäftigt bin, liegt mein Interesse<br />
verstärkt darin, mich auf dem Gebiet von<br />
Pflegeberufen einzubringen. Von meinem<br />
Berater beim Jobcenter bekam ich dann die<br />
Möglichkeit, hier in der Kasseler Werkstatt<br />
,einzusteigen’.<br />
Es war (und ist) immer interessant, neue<br />
Leute kennen zu lernen. Außerdem macht es<br />
Spaß, nach dem Schreibtischberuf über den<br />
Tellerrand hinauszublicken.<br />
Anfangs war es etwas ungewohnt, die<br />
Zähl- und Packarbeiten, mit denen ich mich<br />
beschäftigte, aber bereits am nächsten Tag<br />
hatte ich kein Problem mehr damit. Was<br />
mir besonders Spaß machte, war das Flechten<br />
eines Korbes (der nun bei mir zuhause<br />
einen Ehrenplatz eingenommen hat). Auch<br />
die Möglichkeiten, mit Zeichenblock und verschiedenen<br />
Materialien zu experimentieren.<br />
In der zweiten Woche hatte ich die Gelegenheit,<br />
Neuland zu betreten: Der Kurs über<br />
die ,Leichte Sprache’, von der ich vorher noch<br />
nie gehört hatte. Die entsprechenden Internetseiten<br />
sind sehr zu empfehlen.<br />
Der Ausflug nach Melsungen hat mir gut<br />
gefallen (auch wenn Petrus es dabei etwas zu<br />
gut gemeint hat).<br />
Mittlerweile konnte ich mir auch pflegetechnisch<br />
im Förderbereich einen Einblick verschaffen,<br />
und ich habe den Eindruck, auch<br />
dort leicht hineinwachsen zu können. Jetzt bin<br />
ich gespannt darauf, was sich weiterhin ergibt,<br />
und bin, wie man so sagt, offen für Neues.<br />
Angela Greb (Mitarbeiterin im BBB)<br />
12 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Kasseler Werkstatt<br />
Glückliche Arbeit ...<br />
... und ein Dankeschön für die Unterstützung<br />
Ich hatte am 20. 4. <strong>2015</strong> ein Vorstellungsgespräch<br />
gehabt mit einer Frau Heerdt*.<br />
Frau Heerdt hatte mir die Kasseler Werkstatt<br />
erklärt, ich war total baff und wollte mich<br />
überraschen lassen, was alles auf mich zu<br />
kommt, Frau Heerdt hatte mich nach dem<br />
Gespräch rumgeführt und mir alle Gruppen<br />
und Räume gezeigt, die es in der Werkstatt<br />
gibt. Ich war total beeindruckt, ich finde es<br />
einfach klasse, dass man Arbeit hat für Leute<br />
mit Behinderung:<br />
Ich habe am 1. 6. <strong>2015</strong> angefangen in der<br />
Kasseler Werkstatt in der Gruppe BBB bei<br />
Jolanta und Silke**.<br />
Ich habe erst mal ein unwohles Gefühl gehabt,<br />
weil mich nicht jeder kennt, und ich<br />
kannte die Leute auch nicht. Aber seit fast<br />
zwei Monaten arbeite ich jetzt schon hier<br />
und habe viele nette Menschen kennen gelernt,<br />
die total nett und freundlich sind.<br />
Ich bin total glücklich und stolz, hier arbeiten<br />
zu können. Jeder versteht jeden, jeder<br />
lacht jeden und sie verstehen sich alle sehr<br />
gut.<br />
Ich möchte mich bei allen Gruppenleitern<br />
bedanken, die sich um uns Mitarbeiter kümmern<br />
und uns bei der Arbeit unterstützten.<br />
Ihr gebt uns die Kraft und die Unterstützung,<br />
dass wir eine Chance in unserem Leben bekommen.<br />
Ich möchte ein ganz großes Dankeschön<br />
sagen.<br />
Jennifer Lenhart (Mitarbeiterin im BBB)<br />
* Heike Heerdt, Sozialer Dienst<br />
** Gruppenleiterinnen Jolanta Reinstein und<br />
Silke Suck<br />
Filme, Kategorie sehenswert<br />
Ziemlich beste Freunde (2011)<br />
hat Schlagzeilen gemacht.<br />
Auch der Film über Stephen<br />
Hawking Die Entdeckung der<br />
Unendlichkeit (2014) hat tausende<br />
Menschen ins Kino<br />
gelockt. Diese Filme sind berührend,<br />
nachdenklich machend,<br />
vielschichtig. Aber es<br />
gibt mehr! Filme, die nicht so<br />
viel Furore gemacht, die es<br />
aber genauso verdient haben,<br />
wahrgenommen zu werden.<br />
Dasselbe Thema (extreme<br />
Abhängigkeit in Kombination<br />
mit intakten geistigen<br />
Fähigkeiten) greift der Film<br />
Schmetterling und Taucherglocke<br />
(2008) auf. In Die Sprache<br />
des Herzens (2014) schafft es<br />
eine Ordnensfrau, ein taubblindes<br />
Mädchen kommunizieren<br />
zu lehren, ein Thema,<br />
das über Helen Keller in den<br />
1960er Jahren gesellschaftlich<br />
präsent wurde: Menschen<br />
mit Behinderungen<br />
sind zu Unglaublichem fähig;<br />
ihre Lebensgeschichte<br />
ist in Helen Keller – Weg aus<br />
dem Dunkel (1998) verfilmt.<br />
Im Film Me too – Wer will<br />
schon normal sein? (2009)<br />
fordert ein junger Mann mit<br />
Down Syndrom für sich das<br />
Recht auf freie Wahl seiner<br />
Sexualpartnerinnen: wie die<br />
,Normalos’. Ebenfalls um<br />
das Recht auf Sexualität von<br />
Menschen mit Down Syndrom<br />
geht es in Liebe und so<br />
Sachen ... (2009), Spiel- und<br />
Aufklärungsfilm der Pro Familia<br />
Hessen.<br />
In Verrückt nach Paris<br />
(2002) fahren drei BewohnerInnen<br />
eines Wohnheims<br />
für Menschen mit Behinderung<br />
auf eigene Faust nach<br />
Paris – pourquoi pas?!<br />
Und das mehrfach verfilmte<br />
Leben des Kaspar Hauser<br />
zeigt, wie die Gesellschaft<br />
scheitert am Umgang mit<br />
aus der Norm herausfallenden<br />
Menschen. Bis heute.<br />
Kirsten Alers<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 13
Kasseler Werkstatt<br />
Sommerfest <strong>2015</strong><br />
In Beziehung treten<br />
<br />
Wenn es um Beziehungen geht, sind wir in der<br />
Kasseler Werkstatt absolute Vollprofis. Denn Begegnungen<br />
zwischen Menschen sind unser tägliches<br />
Brot. Das wurde bei unserem Sommerfest<br />
wieder einmal tatkräftig unter Beweis gestellt. Wir<br />
lassen die Bilder für sich sprechen. Markus Grote<br />
v<br />
w<br />
x<br />
y<br />
14 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Kasseler Werkstatt<br />
z<br />
{<br />
|<br />
}<br />
1 Mensch + Musik: mit dem Duo Madison.<br />
2 Mensch + Tanz: mit den Schlauen Füchsen.<br />
3 Mensch + Bratwurst: mit Viktor Bär und Lidija Glavaski<br />
3 Mensch + Luftballon: mit den Luftballonkünstlern.<br />
5 Mensch + Blume: mit Christian Lehnert.<br />
6 Mensch + Pferd: Leunora Krasniqi beim Ponyreiten.<br />
~<br />
7 Kind + Hammer: Gäste beim Wettnageln.<br />
8 Mensch + Preis: Paul Engel (Verwaltungsrat) und<br />
Olaf Haarbusch (Werkstattrat) bei der Verleihung des<br />
Qualitätspreises Q-Award an Carsten Ott (v.r.n.l).<br />
9 Mensch + Mikrofon: Marvin Holl singt auf der Bühne.<br />
10 Mensch + Meinung: Alles in allem war das Sommerfest ...<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 15
Kasseler Werkstatt<br />
Der erste Kontakt<br />
Neue Arbeitsplätze an der Pforte der Kasseler Werkstatt<br />
Von Werkstätten wird heute erwartet, dass<br />
sie sich mehr als bisher öffnen und vor allem<br />
eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten<br />
bieten. Angestoßen durch die technische Leitung<br />
in der KSW 1, Mike Alband-Nau, hat<br />
sich ein kleines Team gebildet um dem Arbeitsplatz<br />
in der Pforte eine neue Qualität zu<br />
geben.<br />
Da es Umbauarbeiten gab, bei denen das<br />
Geschäftszimmer in den Eingangsbereich<br />
verlegt wurde, bot sich auch eine Veränderung<br />
bei den Arbeitsplätzen für MitarbeiterInnen<br />
in der Pforte an. Die Idee war, dass<br />
sich unsere Sachbearbeiterinnen des Geschäftszimmers<br />
und die MitarbeiterInnen<br />
in der Pforte gegenseitig unterstützen, um<br />
für alle einen positiven Effekt zu erzielen.<br />
Vor allem die Arbeitsplätze der Pforte haben<br />
höhere Anforderungen bekommen. Neben<br />
dem bekannten Telefondienst – auch bisher<br />
haben ja MitarbeiterInnen der KSW in der<br />
Pforte gearbeitet und sie haben ihre Arbeit<br />
sehr gut gemacht – sind Kopier-, Scan- und<br />
PC-Tätigkeiten hinzugekommen. Außerdem<br />
wird die Post dort vorsortiert, gestempelt und<br />
eingeordnet. Eine Vielzahl weiterer Aufgaben<br />
ist vorstellbar, sie sollen soll Stück für Stück<br />
eingeführt werden.<br />
Die Auswahl der MitarbeiterInnen für<br />
diese Arbeit ist erstmalig in der KSW durch<br />
eine interne Ausschreibung mit Bewerbungsverfahren<br />
erfolgt. Interessierte konnten sich<br />
bewerben und mussten dann ein Auswahlverfahren<br />
durchlaufen, bei dem sie auf die<br />
nötigen Fähigkeiten hin getestet wurden.<br />
Wichtig war hier z. B. ein positiver Umgang<br />
mit Kunden am Telefon, die Fähigkeit, beim<br />
Telefonieren Namen und Informationen mitschreiben<br />
zu können oder den Umgang mit<br />
einem PC zu beherrschen.<br />
Die Gruppenleiterin Birgit Voigt hat mit<br />
allen MitarbeiterInnen ein Telefontraining<br />
durchgeführt. Außerdem wurde das Projekt<br />
durch Heike Heerdt und Elisabeth Ykelen<br />
vom Sozialen Dienst begleitet.<br />
Zunächst haben sich drei Zweierteams qualifiziert,<br />
die nacheinander ein mehrwöchiges<br />
Praktikum in der Pforte machen. Wenn dies<br />
gut funktioniert, stehen sie für diese Arbeitsplätze<br />
zur Verfügung. Sie können sich weiterbilden<br />
und gegenseitig vertreten.<br />
Markus Grote (Zentrales Bildungsreferat)<br />
Das sagen zwei der qualifizierten<br />
Mitarbeiterinnen<br />
Katja Hohmann und Michelle Gancarz:<br />
Wir machen in der KSW 1 ein Praktikum in<br />
der Pforte. Hierbei machen wir auch leichte<br />
Büroarbeiten, die uns auch sehr gefallen. Unsere<br />
Arbeiten sind: Telefon bedienen, Kunden<br />
empfangen und Besucherausweise austeilen.<br />
Wir arbeiten auch am Kopierer, wo wir Mails<br />
als Scan bearbeiten. Bei Krankmeldungen<br />
machen wir einen Eingangstempel sowie bei<br />
Lieferscheinen Rechnungsnummernstempel<br />
und Datumsstempel drauf. Wir öffnen auch<br />
die Post und schreiben Mails am Computer.<br />
Briefe stecken wir auch in Briefumschläge.<br />
Diese Arbeit macht uns sehr viel Spaß.<br />
Michelle Gancarz: Ich fühle mich sehr<br />
wohl an der Pforte. Die Arbeit macht mir<br />
sehr viel Spaß. Und dass ich Kontakt mit<br />
Menschen von außerhalb der Werkstatt<br />
habe. Mit den beiden Frau Müllers komme<br />
ich auch gut klar, ich bin gerne hier.<br />
Katja Hohmann: Ich fühle mich sehr wohl<br />
hier und die Arbeit macht Spaß. Nur mit<br />
dem Computer muss es noch klappen.<br />
16 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Kasseler Werkstatt<br />
Lösungen im Team entwickeln<br />
Mike Alband-Nau in der Leitung von Werkstatt und Pro Dokument<br />
Bei der täglichen Frühbesprechung, dem Come In in der KSW 1: v.l.n.r. Steffen Linnemann (Bereichsleiter),<br />
Britta Haldorn (Sozialer Dienst), Michael Vössing (Arbeitsvorbereitung), Mike Alband-Nau (Einrichtungsleitung),<br />
Alexandra Lakota (stellvertretende Bereichsleitung), Michael Löffler (Haustechnik).<br />
Wann spricht man von einem Team? In Wikipedia<br />
kann man dazu lesen: „Der Anglizismus<br />
Team (altengl.: team Familie, Gespann,<br />
Nachkommenschaft) bezeichnet einen Zusammenschluss<br />
von mehreren Personen zur<br />
Lösung einer bestimmten Aufgabe oder zur<br />
Erreichung eines bestimmten Zieles.“ Besonders<br />
wenn eine schwierige Situation zu lösen<br />
ist, kommt es auf das Team an.<br />
Die Sozialgruppe Kassel steht immer wieder<br />
vor Herausforderungen. Für die Kasseler<br />
Werkstatt (KSW) bedeutet das, die Umsetzung<br />
der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
und neue Arbeitsfelder für und mit behinderten<br />
Menschen zu entwickeln. Für den Integrationsbetrieb<br />
Pro Dokument gemeinnützige<br />
GmbH heißt das, den erfolgreichen Weg auch<br />
in den nächsten Jahren zu sichern. Ein Team<br />
ist gefragt ...<br />
Ein Team zu formen, das zielgerichtet Lösungen<br />
entwickelt, diese Aufgabe hat Mike<br />
Alband-Nau als Einrichtungsleiter der KSW<br />
und gleichzeitig als Leiter der Pro Dokument<br />
angenommen. „Arbeitsbeziehungen zielgerichtet<br />
zu gestalten, ist eine der wichtigsten<br />
Aufgaben einer (Team-)Leitung. Dabei sind<br />
die Kreativität und die individuellen Fähigkeiten<br />
der einzelnen Menschen zu stärken<br />
und zu fördern. Nur in einer gesunden Beziehung<br />
zwischen Chef und Personal ist es<br />
möglich, die Kompetenzen zu erkennen und<br />
aus verschiedenen Charakteren ein Team zu<br />
entwickeln“, so Alband-Nau.<br />
Gerald Reißmann, Vorsitzender des Vorstands,<br />
ergänzt: „Mit Blick auf die gegenwärtigen<br />
und künftigen Herausforderungen an<br />
die Pro Dokument und die Werkstatt haben<br />
sowohl die Geschäftsführung der Pro Dokument<br />
als auch der Vorstand der Sozialgruppe<br />
entschieden, die Unternehmensteile näher<br />
zusammenzuführen. Wir freuen uns, Herrn<br />
Alband-Nau als Nachfolger der Einrichtungsleiterin<br />
Frau Schramm für die Kasseler<br />
Werkstatt und für die Leitung der Pro Dokument<br />
gewonnen zu haben. Alles Gute und Erfolg<br />
für die gestellten Aufgaben!“<br />
Dabei passen die Aufgabenfelder der KSW<br />
und der Pro Dokument gut zusammen. In<br />
beiden Bereichen der Sozialgruppe werden<br />
Menschen beschäftigt, die Unterstützung benötigen.<br />
Dabei können die Möglichkeiten eines<br />
Integrationsbetriebes und einer Werkstatt<br />
für Menschen mit Behinderung sich sinnvoll<br />
in den Arbeitsangeboten ergänzen.<br />
Kirsten Alers<br />
„Wir wünschen Frau Schramm<br />
Alles Gute!“<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 17
Georg-Wündisch-Haus<br />
Emmy ist Kindergartenprofi<br />
Loslassen kann man lernen (und macht stolz)<br />
Emmy und Dunja spielen gern zusammen, vor allem im Bällebad.<br />
Die Liebe meines Lebens ist meine Tochter.<br />
Nichts hat bisher mein Herz so angerührt. Ich<br />
hatte sie das erste Jahr wohlbehütet zuhause<br />
betreut. Nun stand die erste Trennung an.<br />
Nach 14 Monaten Elternzeit startete sie mit<br />
dem halbtäglichen Besuch einer Krippe. Dort<br />
konnte Emmy mit Kindern bis drei Jahren<br />
ihre ersten Gruppenerfahrungen sammeln.<br />
Und wir als Eltern ebenso unsere ersten Erfahrungen<br />
damit, unser Kind in fremde Hände<br />
abzugeben. Es war ein echter Einschnitt,<br />
denn wie so oft geht das eigene Kind nicht jeden<br />
Morgen freudig auf die Erzieherinnen zu.<br />
Es ist viel eher so, dass die Trennung für beide<br />
Seiten oft schmerzhaft ist und Tränen nicht<br />
ausbleiben. Auch dies auf beiden Seiten.<br />
Aber trotz einiger Zweifel unsererseits ging<br />
die Eingewöhnung relativ schnell und Emmy<br />
fühlte sich dort sehr wohl.<br />
Mit zweieinhalb Jahren verließ Emmy die<br />
Krippe und wechselte in die Kindertagesstätte<br />
Georg-Wündisch-Haus. Nächster Schock!<br />
Hier waren nun Kinder bis zum Grundschulalter.<br />
Ist unser kleiner Schatz hier richtig? So<br />
viele Kinder! In der Krippe gab es nur eine<br />
Gruppe von bis zu 14 Kindern und meist drei<br />
oder vier Erzieherinnen und Praktikantinnen<br />
in einem großen Raum. Für so ein kleines<br />
Kind sehr überschaubar. Hier waren nun<br />
viel mehr Kinder in einer Gruppe. Dazu fünf<br />
verschiedene Gruppen in vielen Räumen,<br />
große Flure und die entsprechende Zahl an<br />
Erzieherinnen. Die ersten Tage in Begleitung<br />
ihrer Mama gingen schnell vorbei und gaben<br />
Emmy noch ein wenig Rückhalt. Wenn<br />
es nötig gewesen wäre, hätte sie zu ihr laufen<br />
können – sie war ja in der Nähe, auch<br />
wenn sie so langsam aus dem Gruppenraum<br />
in den Flur verschwand. Aber Emmy hielt<br />
tapfer durch und machte alles mit. Auch die<br />
Mama hielt sich an die Regeln und blieb im<br />
Hintergrund. Nur zu beobachten und nicht<br />
hinzueilen, wenn Emmy mal orientierungslos<br />
zwischen den spielenden Kleingruppen<br />
stand, war nicht leicht. Zum Glück wurde<br />
sie dann ziemlich schnell wieder von einer<br />
18 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Georg-Wündisch-Haus<br />
aufmerksamen Erzieherin eingefangen und<br />
integriert.<br />
Und dann die zweite Woche – nun hieß<br />
es ganz loszulassen, denn der Arbeitsalltag<br />
beider Elternteile zollte seinen Tribut. Emmy<br />
ging schon recht routiniert morgens mit aus<br />
dem Haus, und auch der Schritt über die<br />
Schwelle zum Gruppenraum fiel ihr von Tag<br />
zu Tag leichter.<br />
Unerwartet (zumindest für uns) waren die<br />
kleinen ,Rückschläge’. Nach vier Wochen<br />
sollte Emmy nun erstmals für eine Woche die<br />
,Frühschicht’ ab 7 Uhr im Kindergarten mitmachen,<br />
da beide Mamas etwas früher zur<br />
Arbeit mussten. Früher aufstehen war nicht<br />
das Problem. Aber schon das Hausschuhe-<br />
Anziehen vor dem anderen Gruppenraum,<br />
in dem die Frühdienstgruppe untergebracht<br />
war, irritierte Emmy. Und der Schritt über<br />
die Schwelle war schier unmöglich – unter<br />
Protest blieb unser Kind beharrlich stehen.<br />
„Das ist nicht meine Gruppe – das ist nicht die<br />
Nilpferdgruppe!“ Emmy blieb stehen. Auch<br />
sanftes Schieben in Richtung der ihr bekannten<br />
Kinder an einem Tisch half nicht. Dicke<br />
Tränen kullerten ihr und mir übers Gesicht.<br />
Das hatte ich nicht erwartet und überforderte<br />
mein Mutterherz. Auch wenn es vielleicht<br />
nicht ganz richtig war – ich gab nach und<br />
wartete, bis um 8 Uhr Emmys Gruppe öffnete.<br />
Wir hatten beide etwas Zeit gewonnen,<br />
unsere Tränen zu trocknen.<br />
Nun ist ein Jahr vorüber, und wir sind so<br />
stolz auf unser Kind (und auf uns). Emmy<br />
ist jetzt ein Kindergartenprofi und hat so<br />
viel gelernt und manches sicher schneller als<br />
zuhause. Und wir auch – Loslassen und Vertrauen<br />
gehört dazu. Vertrauen in unser Kind<br />
und die Erzieherinnen. Und wir werden belohnt<br />
mit einem mittlerweile in vielen Dingen<br />
sehr selbstständigen Kind, das sich anund<br />
ausziehen kann, Zähne putzt und einem<br />
dabei erklärt, warum das so wichtig ist. Das<br />
zum Nachmittagstee nicht nur „Süßes“ mitnehmen<br />
will, „weil das nicht so gesund ist“,<br />
sondern auch mal Obst einfordert, und das<br />
einen an die Hand nimmt und erklärt, welche<br />
Gruppe in welchem Raum ist und welche<br />
Kinder sie aus den anderen Gruppen schon<br />
kennt. Frühdienst wäre jetzt wohl auch kein<br />
Problem mehr.<br />
Ein neues kleines Problem ist mittlerweile<br />
aufgetaucht. Wenn ich Emmy jetzt nachmittags<br />
abhole, kommt immer öfter: „Oh,<br />
schon – wir spielen gerade so schön!“ Aber<br />
meistens schlingen sich schnell zwei Ärmchen<br />
um meinen Hals und ich höre: „Mami,<br />
ich hab dich sooooo lieb.“ Und wieder hüpft<br />
mein Mutterherz, und ich freue mich auf den<br />
Nachmittag mit unserer Tochter, den ich nun<br />
in vollen Zügen genießen kann ...<br />
Astrid Herber-Löffler (Mutter)<br />
Emmy ist<br />
dreieinhalb<br />
Jahre alt,<br />
lebt mit<br />
ihren beiden<br />
Müttern in<br />
Kassel und<br />
besucht seit<br />
August 2014<br />
den Kindergarten<br />
im<br />
Georg-Wündisch-Haus.<br />
Emmy<br />
und Astrid<br />
Herber-Löffler<br />
bei einem<br />
herbstlichen<br />
Ausflug.<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 19
Seniorenzentrum Unterneustadt<br />
Täglich, wichtig, beliebt<br />
Jeden Morgen findet die Zeitungsleserunde statt<br />
Zuhören, Kommentieren, Erinnerungen austauschen:<br />
Die tägliche Zeitungsvorleserunde ist ein<br />
beliebtes Ritual im Seniorenzentrum.<br />
„Guten Morgen!“ Die Betreuungskraft<br />
kommt mit der aktuellen HNA. Die ist heute<br />
besonders dick, es ist die Wochenendausgabe.<br />
Die BewohnerInnen der Hausgemeinschaft<br />
sitzen noch am Frühstückstisch und warten<br />
gespannt auf die ,News’ aus der Region und<br />
aus der Welt.<br />
Wollen wir doch erst mal lesen, wie das<br />
Wetter heute werden soll, das steht auf der<br />
ersten Seite oben links. Ein gemeinsamer<br />
Blick aus dem Fenster – scheint zu stimmen.<br />
Wir blättern durch die Zeitung. Interessante<br />
Schlagzeilen werden vorgelesen. Zeigen die<br />
Zuhörenden Interesse, wird der gesamte Artikel<br />
vorgelesen. Autounfälle, Gerichtsurteile,<br />
wohin gehen die Steuergelder, Todesanzeigen,<br />
Wetter – Themen, die interessieren.<br />
Die gemeinsame Zeitungsrunde ist ein tägliches<br />
Ritual in den Hausgemeinschaften<br />
des Seniorenzentrums Unterneustadt. Meist<br />
beginnen wir die Runde mit der Frage, ob es<br />
allen gut geht. So hat jeder die Möglichkeit,<br />
mitzuteilen, was ihn gerade bewegt.<br />
Meist entstehen schon beim Vorlesen Fragen,<br />
die wir dann versuchen, gemeinsam zu<br />
beantworten. Auch eigene Beiträge sind willkommen.<br />
Eine interessante Gesprächsrunde<br />
kann entstehen, wenn alle das Gefühl haben,<br />
Teil dieser Runde zu sein.<br />
Beim Vorlesen der Horoskope wird gelacht,<br />
Bekanntschaftsanzeigen lassen Erinnerungen<br />
aufkommen. „Wie haben Sie Ihren Partner,<br />
Ihre Partnerin kennen gelernt?“ Da gibt<br />
es viel zu erzählen, die schönen Erinnerungen<br />
bringen ein Lächeln auf die Gesichter.<br />
Warum gibt es die tägliche Zeitungsrunde?<br />
Stichwörter, die für das Betreuungskonzept<br />
stehen, sind: Erinnerungsarbeit im Gegenüberstellen<br />
des aktuellen Zeitgeschehens und<br />
der persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen;<br />
Teilhabe am sozialen und am gesellschaftlichen<br />
Geschehen; Aktivierung im<br />
Austausch; Ressourcen wie Konzentration<br />
und Gedächtnis erhalten und fördern; Tagesstrukturierung<br />
durch Beständigkeit.<br />
Und da steht noch ein Bericht über die Roseninsel<br />
in Wilhelmshöhe. Wie interessant!<br />
Die erste Zuchtrose Deutschlands – die Perle<br />
von Weißenstein – wurde 1773 in Wilhelmshöhe<br />
gezüchtet. Wäre es nicht schön, die<br />
wunderschöne rosarote Rose auf unserer Terrasse<br />
zu pflanzen?<br />
Eine unterhaltsame Zeitungsrunde findet<br />
ihr Ende, wir haben viel gelacht und Spaß<br />
gehabt.<br />
Ursula Jahn, Anton Wurm, Michaela Becker<br />
(AlltagsbegleiterInnen)<br />
20 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
Seniorenzentrum Unterneustadt<br />
Buchempfehlungen<br />
Udo Baer,<br />
Gabi Schott-Lange<br />
Das Herz wird nicht<br />
dement<br />
Beltz Verlag 2009<br />
ISBN 9783934933293<br />
Die AutorInnen, TherapeutInnen in einer<br />
geronto-psychiatrischen Einrichtung,<br />
schildern sehr anschaulich anhand vieler<br />
Beispiele, dass Menschen, die an Demenz<br />
leiden, zwar vieles verstandesmäßig vergessen,<br />
dass in ihnen aber eine Fülle von<br />
Gefühlen vorhanden Ist, die angesprochen<br />
werden können.<br />
Sie verweisen darauf, dass Demenz das Gefühlsleben<br />
der Erkrankten weitgehend und<br />
anhaltend beeinflusst. Scham, Angst, Hilflosigkeit<br />
und daraus resultierend auch Aggression<br />
und Depression sind Begleiterinnen<br />
der Demenz. Scheinbar unbegründete und<br />
oft auch unerklärliche Gefühlsausbrüche<br />
sind ein Indiz dafür. Angehörige und Pflegekräfte<br />
wissen dann oft nicht mehr weiter.<br />
Aber es ist möglich und wichtig, an das,<br />
was die AutorInnen „Leibgedächtnis“ nennen,<br />
also an das Gedächtnis der Sinne anzuknüpfen<br />
und so Zugang zu dem Erkrankten<br />
zu finden.<br />
Das Buch ermöglicht Einblicke in die Innenwelten<br />
von Demenzerkrankten, zeigt auf,<br />
wie wichtig es ist, Menschen mit Demenz<br />
wertschätzend und unterstützend zu begleiten.<br />
Es gibt zudem umsetzbare Hilfen<br />
für Angehörige und Pflegende und unterstützt<br />
so einen stressfreieren und angenehmeren<br />
Alltag für alle Beteiligten.<br />
Hajo Schuhmacher<br />
Restlaufzeit<br />
Eichborn Verlag 2014<br />
ISBN 9783847905721<br />
Älter werden macht Angst! Altersarmut, Demenz,<br />
Einsamkeit, Hilflosigkeit und damit<br />
die Abhängigkeit von anderen, unter Umständen<br />
fremden Menschen – keine schönen<br />
Aussichten! Das fand auch der Journalist<br />
Hajo Schuhmacher, obwohl er, wie wohl<br />
nahezu jeder, der die 50 erreicht hat, das<br />
Thema am liebsten verdrängen würde.<br />
Keine gute Idee, denn Entkommen ist nicht<br />
möglich. Dann doch lieber umfassend informiert<br />
sein, um so die beste Möglichkeit<br />
für ein, wie Schuhmacher es nennt, „lustiges<br />
und bezahlbares Leben im Alter“ zu<br />
finden. Schuhmacher fand viele Möglichkeiten:<br />
Mehrgenerationenhaus, Rentner-WG,<br />
,Durchschnittsaltenheim’, Luxusseniorenresidenz<br />
– um nur einige zu nennen. Oder<br />
doch lieber ins preisgünstige Ausland?<br />
Der Autor sammelte Zahlen und Fakten auf<br />
die unterschiedlichste Art und Weise, dies<br />
ging vom Probewohnen bis zum Einsatz als<br />
Pflegepraktikant im ,Durchschnittsaltenheim’.<br />
Das Erfahrene und Erlebte wird genau<br />
beschrieben, Kosten, Risiken und Bequemlichkeit<br />
werden akribisch bewertet.<br />
Die Ergebnisse sind in seinem unterhaltsam<br />
geschriebenen Buch aufgelistet und überaus<br />
geeignet, zumindest Denkanstöße und<br />
Entscheidungshilfen zu geben.<br />
Birgit Pöppler (Altenpflegerin)<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong> | <strong>Facetten</strong> 29 21
Seniorenzentrum Unterneustadt<br />
Die Jagd nach der Steckrübe<br />
2. Preis beim Suppenstar <strong>2015</strong><br />
Anni Foos aus der Hausgemeinschaft 4 gewann<br />
mit ihrer Steckrübensuppe den 2. Preis beim<br />
Suppenstar <strong>2015</strong>.<br />
Im Postfach des Seniorenzentrums liegt<br />
eine Mitteilung, „Unterneustadt sucht den<br />
Suppenstar“, jeder kann mitmachen. Ich bin<br />
sofort begeistert , spreche Anni Foos aus der<br />
Hausgemeinschaft 4 an. Die 86-Jährige entscheidet<br />
sich spontan: „Da kochen wir eine<br />
Steckrübensuppe!“<br />
Sechs Liter sollen mindestens gekocht werden,<br />
das ist eine andere Menge als früher,<br />
als für die kleine Familie gekocht wurde. Gemeinsam<br />
setzen wir uns hin und schreiben<br />
die nötigen Zutaten auf.<br />
Ich bin für die Beschaffung der Zutaten<br />
zuständig, bis auf die Rübe ist das kein Problem.<br />
Verschiedene Lebensmittelmärkte werden<br />
angefahren, keine Steckrübe in Sicht.<br />
Samstag Vormittag, nun muss aber eine<br />
Rübe gefunden werden, die Fahrt zu einem<br />
Hofladen auf dem Dorf ist auch nicht von Erfolg<br />
gekrönt. „Nein, die Nachfrage ist nicht<br />
mehr da.“ Nun wird es brenzlig, ohne Rübe<br />
keine Steckrübensuppe ... Zum Glück gibt es<br />
noch einen kleinen Bauernmarkt in Vellmar.<br />
Endlich! Fünf Steckrüben sind noch da. Riesenrüben,<br />
die kleinste wiegt über vier Kilo,<br />
die wird mitgenommen.<br />
Anni Foos schlägt die Hände lachend über<br />
den Kopf zusammen. „So eine Riesenrübe<br />
habe ich noch nie gesehen!“ Gut, dass ein<br />
Kollege das gute Stück erst einmal grob zerteilt.<br />
Dann geht es ans Schnippeln, Kochen,<br />
mmmh ... ein guter Duft macht sich breit.<br />
Nach fast drei Stunden ist die Suppe fertig.<br />
Abschmecken, probieren ... Besser könnte sie<br />
nicht sein. Über Nacht wird die Suppe kühl<br />
gestellt. Anderntags schmeckt sie aufgewärmt<br />
noch besser.<br />
Bei der Verkostung ist der Andrang groß, gespannt<br />
warten wir auf die Entscheidung der<br />
Jury, der u. a. Christoph Brand von den Fliegenden<br />
Köchen angehört. Und: Die Steckrübensuppe<br />
nach Anni Foos’ 100 Jahre altem Rezept<br />
gewinnt den 2. Preis beim Suppenstar <strong>2015</strong>.<br />
Ursula Jahn (Alltagsbegleiterin)<br />
22 <strong>Facetten</strong> 29 | <strong>November</strong> <strong>2015</strong>
12 Monate fahren,<br />
10 Monate bezahlen:<br />
nur 56 € im Monat!<br />
Mobilität für<br />
Fortgeschrittene<br />
Die Nordhessenkarte 60plus im<br />
Abonnement für alle ab 60.<br />
Beratung und Bestellung unter: www.kvg.de und www.nvv.de,<br />
am NVV-ServiceTelefon unter 0800-939-0800 oder im Kundenzentrum<br />
in der Kurfürsten Galerie.<br />
Gemeinsam mehr bewegen.<br />
Beratung · Planung · Kundendienst · Ausführung<br />
● Industrie-Anlagen<br />
Rauch- und Feuermelder ●<br />
● Alt- und Neubauten<br />
Elektroheizungen ●<br />
● Überwachungsanlagen Antennenbau – Sat-Anlagen ●<br />
● Telefon-/Kommunikationsanlagen<br />
Beleuchtungen ●<br />
● Einbruchmeldeanlagen<br />
Netzwerktechnik ●<br />
seit 1957<br />
Internet: www.elektrobaron.com<br />
eMail: elektro-baron@t-online.de<br />
Leipziger Straße 472 • 34260 Kaufungen • Tel. (0 56 05) 27 60, Fax 71 43
Nikolausmarkt<br />
im Seniorenzentrum Unterneustadt<br />
4. 12. | 17 Uhr Kinderschminken<br />
Tanzgruppe Zaubersterne<br />
5. 12. | 16 Uhr Kasseler Mandolinenorchester<br />
6. 12. | 16 Uhr Chariot Gospel Singers<br />
… und immer Glühwein, Bratwurst, Lebkuchen ...<br />
4.–6. Dezember | jeweils 14–19 Uhr<br />
Herzlichen Glückwunsch<br />
25-jährige Werkstattzugehörigkeit<br />
Markus Bohnes 1. 9.<br />
Corinna Schwarz 1. 9.<br />
Helga Vollgraf 1. 9.<br />
Thorsten Weinert 1. 9.<br />
Manfred Ulloth 1. 10.<br />
40-jährige Werkstattzugehörigkeit<br />
Ralf Hampel 18. 6.<br />
HOFLADEN<br />
des Fachbereichs Gartenbau der Kasseler Werkstatt<br />
Oberzwehrener Straße 105, Kassel<br />
Öffnungszeiten: dienstags + freitags 9–14 Uhr<br />
Adressen<br />
Einrichtungen der Sozialgruppe Kassel e. V.<br />
n Kasseler Werkstatt 1<br />
Mündener Straße 45, 34123 Kassel<br />
Tel. (05 61) 9 52 34-0, Fax 9 52 34-34<br />
email: info@kasseler-werkstatt.de<br />
www.kasseler-werkstatt.de<br />
n Kasseler Werkstatt 2<br />
Werner-Heisenberg-Straße 18, 34123 Kassel<br />
Tel. (05 61) 58 06-0, Fax 58 06-100<br />
n Kasseler Werkstatt Gartenbau<br />
Oberzwehrener Straße 105, 34132 Kassel<br />
Tel. (05 61) 51 22 21, Fax 51 71 00<br />
n Georg-Wündisch-Haus<br />
Kinder tagesstätte mit Integrationsplätzen<br />
Bei den vier Äckern 11, 34125 Kassel<br />
Tel. (05 61) 87 77 84<br />
n Seniorenzentrum Unterneustadt<br />
Unterneustädter Kirchplatz 4, 34123 Kassel<br />
Tel. (05 61) 7 09 93-16, Fax 7 09 93-28<br />
Internet: www.renthof.de<br />
n Tagespflege am Holzmarkt<br />
Holzmarkt 1, 34125 Kassel<br />
Tel. (05 61) 97 01 00-25/26, Fax 97 01 00-23<br />
n Pro Dokument gGmbH<br />
Mündener Str. 45, 34123 Kassel<br />
Tel. (05 61) 22 07 99-00, Fax 52 99 07-41<br />
email: info@pro-dokument.de<br />
www.pro-dokument.de<br />
Impressum <strong>Facetten</strong><br />
n Zeitung für MitarbeiterInnen, Personal,<br />
Eltern, Vereinsmitglieder, FreundInnen und<br />
in teressierte Öffentlichkeit von: Kasseler<br />
Werk statt, Georg-Wündisch-Haus, Seniorenzentrum<br />
Renthof, Tagespflege am Holzmarkt<br />
und ProDokument<br />
n Nummer 2, <strong>November</strong> <strong>2015</strong>, Auflage: 2000<br />
Herausgeber: Sozialgruppe Kassel e. V.,<br />
Holzmarkt 1, 34125 Kassel,<br />
Tel. (05 61) 97 01 00-0, Fax 97 01 00-21<br />
www.sozialgruppe-kassel.de<br />
n Redaktion/Lektorat: Kirsten Alers/Wortwechsel,<br />
Gestaltung/Gesamtherstellung:<br />
Ulrich Ahrend/Satzmanufaktur<br />
Raiffeisenstraße 15, 34260 Kaufungen,<br />
Tel. (0 56 05) 92 62 71, Fax 92 62 73,<br />
www.satzmanufaktur.net<br />
n AnsprechpartnerInnen in den Einrichtungen:<br />
Christian Lehnert, Mike Alband-Nau<br />
(Kasseler Werkstatt), Regina Loh (Georg-Wündisch-Haus),<br />
Martina Dittel (Seniorenzentrum<br />
Unterneustadt), Gunda Hoßbach (Tagespflege),<br />
Mike Alband-Nau (Pro Dokument)<br />
n V.i.S.d.P.: Detlev Ruchhöft, Gerald Reißmann<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />
nicht unbedingt die Meinung des Vereins oder<br />
der Redaktion wieder.<br />
SPENDENKONTO<br />
Sozialgruppe Kassel e. V.<br />
IBAN DE13 5205 0353 0002 0628 97