Facetten Mai 2012
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Ausgabe 22 • <strong>Mai</strong> <strong>2012</strong><br />
Kasseler Werkstatt · Kindertagesstätte Georg-Wündisch-Haus<br />
Seniorenzentrum Renthof · Tagespflege am Holzmarkt · Pro Dokument
Ihr Dienstleistungsunternehmen<br />
für die Beförderung von<br />
Menschen mit Behinderungen<br />
wünscht stets<br />
eine gute, angenehme<br />
und vor allem sichere Mitfahrt.
Gastbeitrag<br />
Uwe Brückmann, Landesdirektor LWV Hessen<br />
Menschen mit Behinderung in ihrem<br />
Recht auf Teilhabe in der Gesellschaft zu<br />
unterstützen, hierbei ist die Sozialgruppe<br />
Kassel seit Jahren ein kompetenter und<br />
verlässlicher Partner des Landeswohlfahrtsverbandes<br />
(LWV). Der Verein ist einer<br />
der wichtigsten Leistungsanbieter im<br />
Bereich der beruflichen Teilhabe in der<br />
Region Kassel. Im Berufsbildungs- und<br />
Arbeitsbereich der Kasseler Werkstatt gibt<br />
es 500 Arbeitsplätze und 30 Tagesförderstättenplätze<br />
für Menschen mit geistiger<br />
und mehrfacher Behinderung. Durch<br />
die Vielfalt der Tätigkeitsfelder können<br />
sie nach ihren jeweiligen Fähigkeiten beschäftigt<br />
werden.<br />
Für mehr als 450 Männer und Frauen<br />
finanziert der LWV Hessen als überörtlicher<br />
Sozialhilfeträger die erforderliche<br />
Unterstützung. Er schafft damit die Rahmenbedingungen<br />
für eine individuelle<br />
Förderung. Ziel ist, die Werkstattbeschäftigten<br />
intern zu qualifizieren, sie auch auf<br />
eine Beschäftigung außerhalb der Werkstatt<br />
vorzubereiten und ihnen eine berufliche<br />
Perspektive zu eröffnen.<br />
Dank einer Fachkraft für berufliche Integration<br />
(FBI) in der Kasseler Werkstatt,<br />
die der LWV finanziert, wuchsen in den<br />
vergangenen Jahren kontinuierlich Beschäftigungsplätze<br />
außerhalb der Werkstatt.<br />
Durch Kontakte der Sozialgruppe zu<br />
Firmen in der Region können Menschen<br />
mit Behinderung ihr berufliches Spektrum,<br />
etwa durch außerbetriebliche Praktika,<br />
erweitern.<br />
Mit dem Integrationsunternehmen Pro<br />
Dokument hat die Sozialgruppe Kassel<br />
ein neues innovatives Aufgabenfeld erschlossen<br />
und Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
für Menschen mit seelischen Behinderungen<br />
auf dem ersten Arbeitmarkt<br />
geschaffen.<br />
Unsere gemeinsame Aufgabe bleibt,<br />
Beschäftigungsangebote zukunftsorientiert<br />
weiterzuentwickeln und Übergänge<br />
auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu gestalten.<br />
Menschen mit Behinderung sollen<br />
dabei aktiv in ihre Teilhabeplanung<br />
einbezogen werden. Diesen Prozess im<br />
Bereich der beruflichen Inklusion gilt<br />
es konsequent fortzusetzen: Menschen<br />
mit Behinderung müssen ganz selbstverständlich<br />
zusammen mit Menschen<br />
ohne Behinderung arbeiten können.<br />
Intro<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
jeder Mensch hat Fähigkeiten, Kompetenzen und Leidenschaften.<br />
Deren Wert ist in gesellschaftlichen Beziehungen<br />
sichtbar und nützlich. Ich bin in meinem<br />
Leben ständig angewiesen auf die Fähigkeiten, Kompetenzen<br />
und Leidenschaften Anderer. Das Bewusstsein,<br />
Menschen neben sich zu haben und sie dringend<br />
zu brauchen, ist für jede Selbsteinschätzung wichtig.<br />
Diese Erkenntnis bringt das Logo des PARITÄTISCHEN,<br />
unseres Spitzenverbands, zum Ausdruck: Das Gleichheitszeichen,<br />
das für die gleiche Augenhöhe steht, für<br />
die wir alle verantwortlich zeichnen, in unserer Arbeit,<br />
von der die neue Ausgabe <strong>Facetten</strong> wieder vielfältig berichtet,<br />
wie auch im Privaten.<br />
Viel Spaß beim Lesen wünscht<br />
Gerald Reißmann<br />
(Vorsitzender des Vorstands Sozialgruppe Kassel e.V.)<br />
Foto:<br />
CDU Kreisverband<br />
Werra-Meißner<br />
FACETTEN 3
v.l.n.r:<br />
Alfred Hochmuth,<br />
Gerald Reißmann,<br />
Ernst-Ludwig Schnare,<br />
Claudia Benz,<br />
Paul Engel<br />
(1. bis 3. Generation<br />
der Geschäftsführung)<br />
100 Jahre Vereinsgeschichte<br />
Sozialgruppe Kassel e. V.: Eine etwas andere Ausstellung<br />
Anfang 2009 wurde vom Jobcenter der<br />
Stadt Kassel sowie der Firmenkooperation<br />
IWM GmbH und RE-CON GmbH ein interessantes<br />
Projekt mit dem Ziel ins Leben<br />
gerufen, für die Sozialgruppe Kassel mit<br />
einer Chronik Bilanz zu ziehen. Und diese<br />
Bilanz sollte nicht allein in der konventionellen<br />
Form eines „Wir über uns“ gezogen<br />
werden, sondern als Wanderausstellung<br />
den Dialog mit einer größeren Öffentlichkeit<br />
suchen. Drei Jahre später, am<br />
31. 1. <strong>2012</strong>, wurde sie im Bürgersaal des<br />
Rathauses vom Oberbürgermeister der<br />
Stadt Kassel Bertram Hilgen eröffnet.<br />
Unter dem Titel „Soziale Verantwortung<br />
und Solidarität“ hält sie der Sozialgruppe<br />
einen Spiegel vor. Sie misst die von ihr<br />
geleistete soziale Arbeit an ihren eigenen<br />
Ansprüchen und dokumentiert die unterschiedlichen<br />
Antworten des Verein auf die<br />
Frage, wie hilfsbedürftigen, alten, kranken,<br />
behinderten und sozial benachteiligten<br />
Menschen am besten zu helfen ist.<br />
Der Gang durch die 100-jährige Vereinsgeschichte<br />
spart kein problematisches Kapitel<br />
aus. Denn nicht immer trug der Verein<br />
wie heute völlig unabhängig und eigenständig<br />
soziale Verantwortung in der und<br />
für die Stadt Kassel. Nicht immer gehörte<br />
seine Solidarität und Aufmerksamkeit den<br />
Menschen um ihrer selbst willen – so wie<br />
heute in allen seinen Einrichtungen.<br />
Was ist nun das Besondere an diesem<br />
Ausstellungsprojekt? Hier arbeiten Menschen,<br />
die in der Gesellschaft aufgrund<br />
ihrer längeren Arbeitslosigkeit oft vorschnell<br />
als leistungsschwach eingestuft<br />
werden. In diesem Projekt hingegen wird<br />
an ihren Stärken und Kompetenzen,<br />
Potenzialen und Talenten angeknüpft<br />
– ganz im Sinne des Leitbildes der Sozialgruppe.<br />
Alle anfallenden Arbeiten<br />
konnten so ausschließlich aus eigener<br />
Kraft erledigt werden, von der Planung<br />
über die thematische Gliederung bis hin<br />
zur textlichen und grafischen Gestaltung.<br />
Am 23. Juni ist die Ausstellung auf dem<br />
Sommerfest der Kasseler Werkstatt und ab<br />
Ende September in der Schaustelle des Stadtmuseums<br />
in der Wilhelmsstraße zu sehen.<br />
Horst-Dieter Iske (Projektleitung)<br />
4 FACETTEN
Führungen ins Musterzimmer<br />
Neues vom Neubau in der Kasseler Unterneustadt<br />
Auf der Baustelle für eine neues Seniorenzentrum<br />
wächst nicht nur das Gebäude,<br />
sondern auch die Vorstellung,<br />
wie es wohl nach der Fertigstellung<br />
aussehen wird. Nach dem Einbringen<br />
der Bodenplatte nimmt nun das 2. und<br />
3. Obergeschoss Form und Gestalt an.<br />
Auch die große Terrasse auf dem Erdgeschoss<br />
vermittelt schon jetzt den fühlbaren<br />
Eindruck, wie gemütlich man<br />
sich hier einrichten kann.<br />
Durch das Einrücken des Baukörpers<br />
ab dem 1. Obergeschoss bleibt auch den<br />
unmittelbaren Nachbarn der unverbaute<br />
Blick zum Himmel. Zur Leipziger<br />
Straße folgt die Attika der vorgegebenen<br />
Gebäudelinie, mit der das Oval des Un-<br />
terneustädter Kirchplatzes betont wird.<br />
Mit der Fertigstellung des Rohbaus rechnen<br />
wir im August <strong>2012</strong>.<br />
Im Frühsommer wird im 1. Obergeschoss<br />
ein Musterzimmer ausgestattet.<br />
Vornehmlich dient es dazu, die Funktionalität<br />
auf dem Papier mit der Realität<br />
abzugleichen. Das Besondere: Interessierte<br />
können sich dieses Musterzimmer<br />
ansehen. Wir bieten Führungen an, die<br />
in der Tageszeitung angekündigt werden<br />
bzw. im Seniorenzentrum Renthof<br />
– (05 61) 70 99 30 – oder der Geschäftsstelle<br />
– (05 61) 970 100-0 – erfragt werden<br />
können.<br />
Gerald Reißmann (Vorsitzender des Vorstands)<br />
FACETTEN 5
ferhündin hat alle Geduld der Welt. Sie<br />
kennt sich aus, hat in neun Jahren reiche<br />
Erfahrungen im Zusammentreffen mit<br />
alten und kranken Menschen gesammelt<br />
und ist der noch jungen Schäferhündin<br />
Isis ein echtes Vorbild. Isis, altersbedingt<br />
noch wild und voller Energie, weiß trotzdem<br />
schon genau, was sie zu tun hat und<br />
reagiert bei der ,Arbeit’ schon ganz professionell,<br />
sei es beim Stillhalten beim<br />
Gestreichelt-Werden oder beim Erhalten<br />
von Leckerlis, wenn der Gebende Unterstützung<br />
braucht.<br />
Die beruhigende Wirkung, die der ausgebildete<br />
Schutz- und Begleithund Luna<br />
Glück auf acht Pfoten<br />
Schutz- und Begleithunde im Kontakt mit demenziell Erkrankten<br />
„Luna ist der allerschönste Hund der<br />
Welt!“ Frau B., langjährige Bewohnerin<br />
des Seniorenzentrums Renthof ist sich<br />
da ganz sicher und sagt es Besuchshund<br />
Luna immer wieder, wenn sie ihn freudestrahlend<br />
begrüßt. Auch Isis wird mit<br />
einem Kompliment bedacht, auch völlig<br />
zu Recht, und die Lobende weiß sich im<br />
völligen Einvernehmen mit allen anderen<br />
BewohnerInnen, die die Freude haben,<br />
von den beiden Schäferhunden regelmäßig<br />
besucht zu werden.<br />
Da das Seniorenzentrum Renthof momentan<br />
nicht über eigene Hunde und<br />
Katzen verfügt, begleiten beide Hunde<br />
häufig ihre Besitzerin, eine unserer examinierten<br />
Altenpflegekräfte, zur Arbeit<br />
in den Renthof, in dem vor allem viele an<br />
Demenz erkrankte alte Menschen leben.<br />
Da erstrahlt ein glückliches Lächeln<br />
auf Gesichtern, von denen man sonst den<br />
Eindruck hat, dass ein Lächeln gar nicht<br />
mehr möglich ist. Da zeigt sich auf einmal,<br />
dass Hände, die sonst unkontrolliert<br />
und grobmotorisch zupacken, zielgerichtet<br />
und vor allen Dingen sanft berühren können<br />
und dass auch Menschen mit einer demenzbedingten<br />
eingeschränkten Sprachfähigkeit<br />
Worte finden, um den Tieren zu<br />
sagen, wie glücklich sie über ihren Besuch<br />
sind und wie gern sie sie doch streicheln.<br />
Und wenn es doch etwas gröber oder<br />
lauter wird – Luna, die zehnjährige Schä-<br />
gerade auf demenziell und körperlich<br />
eingeschränkte Menschen hat, wurde<br />
schon früh erkannt und genutzt. Luna<br />
wurde mit großem Erfolg in der Betreuung<br />
von an Multipler Sklerose Erkrankten<br />
und Menschen im Wachkoma eingesetzt.<br />
Fernsehsender wie VOX, WDR und<br />
Schweizer Fernsehen berichteten darüber.<br />
Isis scheint über vergleichbare Eigenschaften<br />
zu verfügen, sodass Luna einmal<br />
eine würdige Nachfolgerin haben<br />
wird. Beide sind ein ,Glück auf acht Pfoten’,<br />
auf das im Seniorenzentrum Renthof<br />
niemand mehr verzichten möchte.<br />
Birgit Pöppler (Altenpflegerin)<br />
6 FACETTEN Renthof
Ein – fast – unglaubliches Leben<br />
Will Williams malte die Plakate der heutigen Filmklassiker<br />
„Zeichnen ist wie Radfahren, das verlernt<br />
man nicht“, sagt Will Williams<br />
schmunzelnd. Der 90-Jährige wohnt seit<br />
etwa einem Jahr im Seniorenzentrum<br />
Renthof und erinnert sich gerne an sein<br />
unglaubliches Leben: Denn ob Marilyn<br />
Monroe, Charlie Chaplin oder John<br />
Wayne – Williams malte sie alle. In den<br />
1950er und 60er Jahren, als die Filmplakate<br />
noch von Hand gemalt wurden, war<br />
Will Williams für viele Plakate der heutigen<br />
Filmklassiker verantwortlich.<br />
Gelernt hatte er sein Handwerk in Italien.<br />
„Die Italiener waren damals die berühmtesten<br />
Filmplakatmaler der Welt“,<br />
ist sich Williams heute noch sicher. Er<br />
blättert in dem Buch, in dem seine Lebenserinnerungen<br />
festgehalten sind. Mein<br />
unglaubliches Leben erschien 2007 im Herbig-Verlag.<br />
„John Wayne war eifersüchtig auf<br />
mich.“ Ein schalkhaftes Lächeln zieht<br />
sich über das Gesicht des alten Herrn,<br />
der wirklich Unglaubliches zu berichten<br />
hat. Der Westernregisseur John Ford zum<br />
Beispiel sei sehr diktatorisch mit seinen<br />
Schauspielern umgegangen, also auch<br />
mit John Wayne. Und Wayne war nicht<br />
begeistert über die Freundlichkeit, mit der<br />
Ford seinen Illustrator Will Williams behandelte,<br />
erinnert sich Williams.<br />
Schon als Kind war Williams von der<br />
Welt des Films begeistert. In Wuppertal,<br />
wo er aufwuchs, nahm ihn die Mutter regelmäßig<br />
mit ins Kino. Williams besuchte<br />
die Kunsthochschule und wurde 1941 zur<br />
Marine eingezogen. An der Frontbühne<br />
zeichnete er Heinz Rühmann und Hans<br />
Albers. „Aufgrund der Zeichnerei war<br />
ich in der Lage, den Krieg zu überleben“,<br />
konstatiert Williams. Er geriet in amerikanische<br />
Gefangenschaft und zeichnete<br />
dort Anti-Nazi-Propaganda für die OSS,<br />
die Vorgängerin der CIA.<br />
1959 wurde Will Williams amerikanischer<br />
Staatsbürger und lebte 30 Jahre<br />
lang in Hollywood. Der gebürtige<br />
Deutsche war der Liebling der Stars und<br />
konnte sich vor Aufträgen kaum retten.<br />
Er lernte Rosita Serrano, die „chilenische<br />
Nachtigall“ kennen und lebte einige Zeit<br />
in Chile, wo er auch den Diktator Augusto<br />
Pinochet malte.<br />
Immer wieder sinniert Williams über<br />
Namen und Orte nach: „Wie hießen sie<br />
alle noch? – Ach, weiß der Himmel!“ Er<br />
blättert in seinem Buch über sein – fast –<br />
unglaubliches Leben.<br />
Sylvia Hubele<br />
Renthof FACETTEN 7
Zeigen, wie Fett explodieren kann<br />
Andreas Wagner: Brandschutzbeauftragter der Sozialgruppe Kassel<br />
Spannend wird es für das Personal<br />
und die MitarbeiterInnen, wenn Andreas<br />
Wagner zeigt, wie Fett in einer Pfanne explodiert.<br />
Und wenn er anhand eines Modellhauses<br />
die Nützlichkeit von Rauchmeldern<br />
demonstriert. Denn die Schulungen,<br />
die der Brandschutzbeauftragte für die<br />
Beschäftigten der gesamten Sozialgruppe<br />
Kassel durchführt, sind nicht immer nur<br />
trockene Theorie. „Wenn es brennt, dann<br />
steht auch niemand dabei, der erst einmal<br />
erklärt, wie ein Feuerlöscher funktioniert.“<br />
Seit über 16 Jahren ist Andreas Wagner<br />
in der Kasseler Werkstatt (KSW) beschäftigt,<br />
neben seiner Tätigkeit als Gruppenleiter<br />
in der Aktenvernichtung erfüllt er<br />
seit 2007 die Funktion des Brandschutzbeauftragten<br />
für die KSW, seit Sommer 2011<br />
für alle Einrichtungen der Sozialgruppe.<br />
Er ist somit für die Festlegung und Umsetzung<br />
von organisatorischen, vorbeugenden<br />
und abwehrenden Brandschutzmaßnahmen<br />
zuständig. Er unterstützt<br />
die Leitung in Fragen des Brandschutzes<br />
und hält Kontakt zu den Brandschutzbehörden<br />
und der Feuerwehr.<br />
Andreas Wagner ist selbst aktives Mitglied<br />
einer Freiwilligen Feuerwehr und<br />
kann somit viele Dinge bei Unterweisungen<br />
mit dem nötigen Praxisbezug<br />
vermitteln. Bei den MitarbeiterInnen sehr<br />
beliebt ist bei der Bildungsmaßnahme<br />
Feuerwehr der Besuch der Wehr vor Ort.<br />
Hier haben die MitarbeiterInnen Gelegenheit,<br />
die Fahrzeuge und die Gerätschaften<br />
live zu erleben und auszuprobieren.<br />
In der nächsten Zeit wird der Brandschutzbeauftragte<br />
die Einrichtungen<br />
besuchen, die erst seit Kurzem in seine<br />
Zuständigkeit fallen, um die örtlichen Gegebenheiten<br />
aufzunehmen, Maßnahmepläne<br />
für den Ernstfall zu erstellen und<br />
Schulungen durchzuführen.<br />
Ja, Zeit, Zeit hätte Andreas Wagner<br />
gerne mehr für den Bereich Brandschutz,<br />
der doch wesentlich umfangreicher geworden<br />
ist, bedingt durch ständig neue<br />
Gesetze und Verordnungen sowie durch<br />
die Gegebenheiten der verschiedenen<br />
Liegenschaften. Denn auch in seinem<br />
eigentlichen Arbeitsbereich, der Aktenvernichtung,<br />
gibt es Jahr für Jahr einen<br />
enormen Zuwachs, und technisch sowie<br />
organisatorisch muss man ,am Ball’ bleiben,<br />
um die Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes<br />
zu erfüllen. Dankbar ist er<br />
seinen KollegInnen, die ihm den nötigen<br />
Raum für die zusätzliche Tätigkeit als<br />
Brandschutzbeauftragter freihalten.<br />
Sylvia Hubele<br />
8 FACETTEN Kasseler Werkstatt
Verbesserte Arbeitsbedingungen<br />
Ein neues Gewächshaus in Oberzwehren<br />
Die Idee, ein neues Gewächshaus zu bauen,<br />
wurde schon 2008 geboren, da nach<br />
dem Umzug aus Kaufungen in Oberzwehren<br />
nur noch eine Gewächshausfläche<br />
von ca. 1.500 qm zur Verfügung stand<br />
(in Kaufungen waren es 3.000 qm). Die<br />
Standortwahl für das geplante Gewächshaus<br />
mit einer Grundfläche von 2.000 qm<br />
gestaltete sich schwierig, da Grundstücksnutzungsfragen<br />
zu klären waren.<br />
Es wurde eine kostengünstige sowie<br />
hochwertige und dauerhaft zu nutzende<br />
Variante gewählt: Anstelle eines klassischen<br />
Gewächshauses mit Glasscheiben<br />
entschied sich das Gartenbauteam für ein<br />
Thermohaus der Firma Götsch & Fälschle.<br />
Dieser Gewächshaustyp hat mehrere Vorteile:<br />
Die Konstruktion besteht aus vier<br />
miteinander verbundenen ,Schiffen’, welche<br />
jeweils 10 mal 50 m messen. Über eine<br />
Tragkonstruktion wurde auf jedes Schiff<br />
eine doppelte Folie aufgezogen und befestigt.<br />
Das klingt nicht sehr spannend, aber<br />
der Clou ist, dass zwischen diese beiden Folien<br />
mittels kleiner Gebläse permanent Außenluft<br />
geblasen wird. Dadurch entsteht<br />
zwischen den beiden Folien ein ca. 40 cm<br />
dickes Luftpolster, welches sehr gut isoliert.<br />
Durch die spezielle Folienkonstruktion<br />
erfolgt eine Ernteverfrühung, und<br />
im Herbst können die Kulturen länger<br />
beerntet werden. Ein weiterer Vorteil: Einzelne<br />
Kulturen (z. B. Kräuter für Grüne<br />
Soße) können länger stehen bleiben. Bevor<br />
es das neue Gewächshaus gab, mussten<br />
solche Kulturen vorzeitig ,raus’, weil<br />
Folgekulturen wie z. B. Tomaten gepflanzt<br />
werden mussten.<br />
Das Gewächshaus ist mit acht gro ßen<br />
Schiebetüren ausgestattet, so kann man<br />
auch bequem mit einem Kleintraktor<br />
zum Bearbeiten des Bodens hineingelangen.<br />
Insgesamt bietet das Gewächshaus<br />
bessere Arbeitsbedingungen, da Ernteund<br />
Pflegearbeiten in der Regel wetterunabhängig<br />
sind.<br />
Beim Bau des Gewächshauses wurde<br />
auch nachhaltig gedacht: Es wurde eine<br />
zweite Zisterne zum Auffangen des Re-<br />
genwassers von den 2.000 qm Dachflächen<br />
neben die bereits vorhandene Zisterne<br />
im Boden eingelassen und mit dieser<br />
verbunden. Dadurch hat sich die Regenwasser-Speicherkapazität<br />
auf 100.000 Liter<br />
verdoppelt. Insgesamt hat die Sozialgruppe<br />
Kassel knapp 200.000 Euro<br />
investiert, auf die Zisterne entfielen dabei<br />
ein Viertel der Gesamtsumme.<br />
MitarbeiterInnen und Personal des<br />
Gartenbaus haben bereits in Eigenregie<br />
Abwasserrohre installiert und Erdarbeiten<br />
bewältigt. Pflasterarbeiten für die Zugänge<br />
werden in diesem Jahr ebenfalls in<br />
Eigenleistung erbracht. Die Erträge werden<br />
durch das neue Gewächshaus steigen,<br />
aber vorrangig sollten die Vorteile<br />
für ein besseres Arbeitsumfeld der MitarbeiterInnen<br />
gesehen werden.<br />
Heinz-Richard Klose (Leitung Gartenbau)<br />
Kasseler Werkstatt FACETTEN 9
Ausbildung und Bildung<br />
Der Berufsbildungsbereich besteht seit elf Jahren<br />
Seit wann gibt es den Berufsbildungsbereich<br />
in der Kasseler Werkstatt?<br />
Den Berufsbildungsbereich (BBB), wie wir<br />
ihn heute kennen, gibt es schon einige<br />
Jahre. Bevor er 2001 gegründet wurde,<br />
hieß er Arbeitstrainingsbereich. Fast alle<br />
MitarbeiterInnen der Kasseler Werkstatt<br />
waren einmal dort und haben sich zwei<br />
Jahre lang auf ihren Arbeitsplatz innerhalb<br />
oder außerhalb der Werkstatt vorbereitet.<br />
Die zwei Jahre sind also eine Art<br />
Lehrzeit.<br />
Was hat sich verändert in den elf Jahren<br />
seit der Gründung?<br />
Einige Dinge haben sich geändert. Manche<br />
für die MitarbeiterInnen, manche für<br />
das Personal. Früher gab es keine Begleitakte<br />
mit allen Infos, und alles musste einzeln<br />
abgesprochen werden. Wenn jemand<br />
vom Personal z. B. eine Telefonnummer<br />
von Eltern brauchte, musste man da erst<br />
nachfragen. Heute gibt es einen genau dokumentierten<br />
Bildungsplan, in dem steht,<br />
was unsere MitarbeiterInnen schon gelernt<br />
und welche Ziele wir uns gemeinsam<br />
gesteckt haben. Das können ganz unterschiedliche<br />
Ziele sein. Eine möchte gerne<br />
außerhalb der Werkstatt arbeiten und ein<br />
Anderer will unbedingt den Hubwagenführerschein<br />
machen. Die Menschen sind<br />
alle verschieden und deswegen gibt es<br />
auch ganz verschiedene Bildungsziele.<br />
Wie viele MitarbeiterInnen werden bei Ihnen<br />
betreut?<br />
Bis etwa 1997 gab es im Arbeitstrainingsbereich<br />
nur zwei Gruppen mit jeweils<br />
sechs MitarbeiterInnen. Also nur zwölf<br />
Leute. Heute haben wir im BBB 65 MitarbeiterInnen<br />
in neun Gruppen. Innerhalb<br />
von 15 Jahren haben wir uns von der<br />
Größe mehr als verfünffacht.<br />
Und was tun oder lernen die MitarbeiterInnen<br />
in den zwei Jahren?<br />
Damals wie heute waren es hauptsächlich<br />
Verpackungsarbeiten, die wir für<br />
unsere Kunden durchgeführt haben. Wir<br />
machen aber auch Unterricht zu verschiedenen<br />
Themen oder stellen in kreativen<br />
Kursen schöne Dinge her. Zum Beispiel<br />
bauen wir Weihnachtliches aus Holz<br />
für den Adventsbasar. Wir haben auch<br />
Skulpturen oder Spiele hergestellt. Für den<br />
Naturerlebnispfad und den Sinnesgarten<br />
bauen wir Insektenhotels, Klangspiele<br />
10 FACETTEN Kasseler Werkstatt
und andere Dinge. Aber schon immer<br />
gab es auch andere Schwerpunkte, die im<br />
BBB auch heute noch wichtig sind: Gruppenfähigkeit,<br />
Zuverlässigkeit, Freundlichkeit.<br />
Schließlich arbeiten in einer Gruppe<br />
viele Menschen zusammen, und da ist<br />
es wichtig, dass ich nicht nur auf mich<br />
selbst, sondern auch auf Andere achte.<br />
Hat sich außer der Förderplanung und der<br />
MitarbeiterInnenzahl noch mehr verändert?<br />
Heute sind die beruflichen Anforderungen<br />
deutlich höher. Unsere Kunden<br />
verlangen einwandfreie Arbeit. Schiefe<br />
Etiketten oder ungenau gepackte Beutel<br />
oder Kartons können wir nicht abliefern.<br />
Unsere MitarbeiterInnen drucken heute<br />
sogar die Etiketten am Computer selber.<br />
Außerdem sollen die MitarbeiterInnen<br />
unterschiedliche Werkzeuge und Materialien<br />
kennen lernen, an Maschinen arbeiten,<br />
Betriebe in Kassel besichtigen und<br />
vieles mehr.<br />
Da wir uns als Menschen aber auch immer<br />
weiter entwickeln wollen, gibt es<br />
ebenfalls Lerneinheiten zu anderen Themen<br />
wie den Umgang mit Ämtern und<br />
Behörden, Lebensplanung oder Wohnen.<br />
Auch für die Allgemeinbildung wird gesorgt.<br />
Dazu lesen wir zum Beispiel regelmäßig<br />
in der Zeitung.<br />
Markus Grote arbeitet<br />
als Gruppenbetreuer<br />
seit 2001 in<br />
der Kasseler Werkstatt,<br />
letztes Jahr<br />
hat er die Leitung<br />
des Berufsbildungsbereichs<br />
von Volker<br />
Alberding übernommen.<br />
Herzlichen Glückwunsch<br />
Wohin geht es in den nächsten Jahren, wo<br />
sehen Sie neue Herausforderungen, denen<br />
sich der Berufsbildungsbereich stellen<br />
muss?<br />
Der Berufsbildungsbereich muss seine<br />
Art der beruflichen Bildung noch besser<br />
machen, damit wir für die Zukunft gut<br />
gerüstet sind. Wir sind gerade dabei Bildungsmodule<br />
zu entwickeln. Das sind<br />
kleine thematische Lerneinheiten zu ganz<br />
verschiedenen Themen. Das kann eine<br />
Einheit zum Thema Händewaschen sein<br />
oder zur Arbeitssicherheit, um nur zwei<br />
Beispiele zu nennen. Gelehrt haben wir<br />
das bisher auch schon, nur eben ohne ein<br />
schriftliches Modul. Alle Lerneinheiten<br />
müssen in Zukunft dokumentiert und<br />
nachvollziehbar sein.<br />
Die Fragen stellte Kirsten Alers<br />
zum 50. Geburtstag:<br />
Nonna Tinterewa 23. 1.<br />
Rudolf Winterland 4. 3.<br />
Claudia Kenzler 3. 5.<br />
Baldur Hecht 17. 5.<br />
zum 25-jährigen<br />
Werkstattjubiläum<br />
Brigitte Baczewski 2. 3<br />
Michael Rippe 14. 4.<br />
zum 65. Geburtstag:<br />
zum 40-jährigen<br />
Werkstattjubiläum<br />
Martin Götte 1. 3.<br />
Jürgen Kempcke 19. 4.<br />
Kasseler Werkstatt FACETTEN 11
Helau – und alles gegeben<br />
„Helau!“, hieß es am Sonntag, den<br />
5. Februar, in der Erich-Freudenthal-Halle<br />
in Kassel-Wolfsanger. Wie jedes Jahr hatte<br />
der Eltern- und Förderverein der Kasseler<br />
Werkstatt zur Karnevalsveranstaltung<br />
geladen. Schon vor Beginn strömten die<br />
Närrinnen und Narren in die toll geschmückte<br />
Halle, fest entschlossen, alles<br />
zu geben.<br />
Das fiel nicht schwer bei der klasse<br />
Musik der GHW-Combo und dem mitreißenden<br />
Programm der Pääreschwänze,<br />
die eine Zugabe nach der anderen geben<br />
mussten. Natürlich durfte getanzt werden,<br />
bis die Puste ausging. Sogar zwei<br />
Prinzenpaare gaben sich die Ehre. Zum<br />
Durchhalten halfen der ausgelassenen<br />
Feiergesellschaft leckere Krebbeln, Würstchen<br />
und bunte Getränke. Ein Super-<br />
Nachmittag, der mit Sicherheit viele am<br />
Abend erschöpft, aber glücklich in die<br />
Betten fallen ließ.<br />
Elfi Büchner (Eltern- und Förderverein<br />
der Kasseler Werkstatt)<br />
Der Elternund<br />
Förderverein<br />
lädt ein<br />
23. Juni Sommerfest<br />
in der KSW 2 ab 12 Uhr<br />
15. September Tanznachmittag<br />
14–17 Uhr in der KSW 2<br />
30. November Adventsbazar<br />
in der KSW 1 ab 14 Uhr<br />
Eislaufen <strong>2012</strong><br />
In diesem Jahr wurde das Schlittschuhlaufen<br />
wegen der verschobenen Eiszeiten<br />
in der Eissporthalle nach langen Jahren<br />
wieder einmal in der Arbeitszeit durchgeführt.<br />
Dadurch konnten auch viele MitarbeiterInnen,<br />
die sonst keine Gelegenheit<br />
hatten, an der begleitenden Maßnahme<br />
teilnehmen. Dreimal rutschten, schlidderten<br />
und glitten wir über das Eis, alle<br />
waren mit viel Elan und Freude beim<br />
Schlittschuhspaß dabei.<br />
Marco Möller, Jürgen Ramdohr<br />
12 FACETTEN Kasseler Werkstatt
Die Winterwanderung<br />
SozialgrupplerInnen beweisen Hang zu Tradition und Extremsport<br />
Wir schreiben das Jahr eins nach dem<br />
Umzug von Teilen der Kasseler Werkstatt<br />
in die Werner-Heisenberg-Straße. Nach<br />
einer harten Arbeitswoche machen sich<br />
ein paar Unerschrockene auf, um zum<br />
einen die Umgebung ihrer neuen Wirkungsstätte<br />
näher kennen zu lernen und<br />
zum anderen die Kameradschaft zu festigen.<br />
Eine Handvoll Männer mit Bärten<br />
trotzen bei Schnee und Eis der klirrenden<br />
Kälte. Stundenlang irren sie durch die Gegend.<br />
Vorbei an Häuserschluchten, über<br />
reißende Gewässer und viel befahrene<br />
Straßen. Selbst wilde Tiere im Wald können<br />
sie nicht schrecken. Dann werden sie<br />
von der Dunkelheit überrascht. Am Ende<br />
ihrer Kräfte, völlig orientierungslos, sehen<br />
sie am Horizont einen Lichtschein.<br />
Spielt ihnen der Fieberwahn einen Streich<br />
oder ist es Wirklichkeit? Ein Wirtshaus in<br />
Dörnhagen gewährt den Entdeckern Obdach.<br />
Dort kehrt bei Speis und Trank das<br />
Leben in ihre erschöpften Körper zurück.<br />
Fridtjof „Fischer“ Nansen, Roald „Orschulok“<br />
Amundsen, Arved „Ohnheiser“<br />
Fuchs, um nur ein paar Namen der tapferen<br />
Kerle zu nennen, waren dabei, damals<br />
1997.<br />
Noch heute halten wir an der Tradition<br />
fest und wandern einmal im Winter von<br />
der KSW 2 zu einem Ziel in der Umgebung.<br />
Angefangen hatte es mit eben jenen acht<br />
Bärtigen, zwischenzeitlich war es eine Völkerwanderung<br />
mit fast 60 Personen, mittlerweile<br />
hat sich die TeilnehmerInnenzahl<br />
auf rund 40 eingependelt. Ob Produktionshelferin<br />
oder Vorstandsvorsitzender, ob<br />
Azubi oder Ruheständlerin, hier sind wir<br />
ein ,Volk‘. Und obwohl dies eigentlich eine<br />
rein private Veranstaltung ist, wird sie<br />
trotzdem gern von vielen Angestellten der<br />
Sozialgruppe Kassel wahrgenommen.<br />
Ein ganz herzlicher Dank geht an die<br />
HelferInnen und SponsorInnen, die uns<br />
jedes Jahr unterstützen und die Strapazen<br />
durch ihre Hilfe angenehmer gestalten.<br />
Im kommenden Winter findet die<br />
15. Wanderung statt.<br />
Dieter Schake (Gruppenfachkraft AB 1)<br />
Winterwanderung 2004<br />
Auf dem ersten Arbeitsmarkt<br />
Kai Reichelt hat einen Außenarbeitsplatz im Gartenbau<br />
Langsam nimmt er das Gas weg, bevor<br />
er den Radbagger ausschaltet und flink<br />
aus der Fahrerkabine klettert: Kai Reichelt.<br />
Seit gut drei Jahren ist er bei einer<br />
Gartenbaufirma in Kaufungen auf einem<br />
Außenarbeitsplatz der Kasseler Werkstatt<br />
tätig. „Das ist hier klasse, hier darf ich<br />
auch die Maschinen benutzen“, berichtet<br />
Kai Reichelt strahlend. „In der Werkstatt<br />
darf man das nicht.“ Gerade hat er<br />
auf der Baustelle eines Privatgrundstücks<br />
Erde verschoben, bevor er mit seinem<br />
Chef Reinhold Liphardt den Beton prüft,<br />
den sie am Vortag für ein Fundament gegossen<br />
haben. Er berichtet stolz von vielen<br />
Schubkarren, die er dafür gefüllt und<br />
geschoben hat. Schwere Arbeit macht<br />
ihm nichts aus.<br />
Genauso wenig, wie es ihn stört, dass<br />
er morgens sehr früh aufstehen muss, um<br />
die Straßenbahn um 6.30 Uhr zu erreichen,<br />
mit der er jeden Tag von Kassel nach<br />
Kasseler Werkstatt FACETTEN 13
Kaufungen fährt. Und auch gelegentliche<br />
Wochenendarbeit ist für ihn okay. „Ich<br />
hab hier nichts zu meckern“, sagt Kai Reichelt<br />
zufrieden. Das mag daran liegen,<br />
dass es ein sehr persönliches Miteinander<br />
in dem kleinen Familienbetrieb gibt.<br />
„Das ist hier für Kai wie eine zweite Familie“,<br />
sagt Andreas Schuller, Fachkraft<br />
für berufliche Integration bei der Sozialgruppe<br />
Kassel. Er hat den Arbeitsplatz<br />
vermittelt und unterstützt Kai Reichelt<br />
und seinen Chef im Alltag. Und das nicht<br />
nur im Konfliktfall. Reinhold Liphardt<br />
und Andreas Schuller halten engen telefonischen<br />
Kontakt und zweimal im Monat<br />
macht sich Schuller vor Ort ein Bild. Daher<br />
weiß er, dass Kai Reichelt hier sowohl<br />
von seinem Chef, als auch von seinen<br />
beiden Kollegen außergewöhnlich unterstützt<br />
wird. Sie vermitteln ihm Anerkennung<br />
und Respekt. Dinge, die er in seiner<br />
Kindheit und Jugend oft vermisst hat.<br />
Pflastern, Radbagger fahren? „Nein, das<br />
kann ich nicht“, hieß es von Kai Reichelt<br />
vor noch nicht allzu langer Zeit. „Los, rauf<br />
auf den Bock“, so erinnert sich Andreas<br />
Schuller, hätten die Kollegen mit sanftem<br />
Druck nachgeholfen. Und dann hat der<br />
zurückhaltende 22-Jährige beides nicht<br />
nur gelernt, sondern auch gezeigt, dass<br />
er es gut kann. Stolz berichtet er von der<br />
großen Menge Holzhackschnitzeln, die er<br />
bei einer öffentlichen Baustelle mit dem<br />
Fahrzeug auf den Wegen verteilen durfte.<br />
Kollegen und Chef fordern Kai Reichelt<br />
und unterstützen ihn über den Job hinaus.<br />
So hat er jetzt begonnen, den Führerschein<br />
zu machen. Ein großes Projekt<br />
für den schüchternen, jungen Mann mit<br />
geistiger Behinderung. Die Kollegen, beide<br />
etwa in seinem Alter, stehen ihm mit<br />
guten Tipps zur Seite. Der Führerschein<br />
würde seine Möglichkeiten sehr erweitern.<br />
Dann könnte er kleinere Aufgaben<br />
wie die Pflege von Außenanlagen auch<br />
allein machen. Das ist für seinen Arbeitgeber<br />
ein wichtiger Aspekt. Bei allem Verständnis<br />
für Kais Situation muss Reinhold<br />
Liphardt wirtschaftlich kalkulieren und<br />
kann nicht ,drauflegen’.<br />
Der „Kleine“, so bezeichnen manche<br />
Kunden Kai Reichelt, weil er sich körperlich<br />
von seinen Kollegen unterscheidet,<br />
sei ausgesprochen freundlich. „Da stellen<br />
die Kunden ihm Bestnoten aus und seinen<br />
Fleiß loben sie auch.“ Das schätzt Reinhold<br />
Liphardt an seinem Mitarbeiter. „Und“, so<br />
fährt er fort, „im Rahmen seiner Möglichkeiten<br />
ist Kai in höchstem Maß zuverlässig<br />
und pünktlich. Er ruft an, wenn etwas<br />
mal nicht klappt. Zudem identifiziert er<br />
sich mit unserem Betrieb. Kai klopft keine<br />
Sprüche!“ Den Gärtnermeister freut das<br />
sichtlich. In den Jahren, in denen er ausbildet,<br />
hat er ganz Anderes erlebt und war<br />
schon ziemlich desillusioniert.<br />
Man merkt ihm den Stolz an, dass seine<br />
drei Mitarbeiter so gut miteinander<br />
auskommen. „Mein A-Team“ nennt er sie<br />
augenzwinkernd mit Blick auf eine erfolgreiche<br />
amerikanische Action-Serie der<br />
1980er Jahre. Damit Kai bei ihm einen<br />
festen Arbeitsplatz bekommt, so macht<br />
Reinhold Liphardt deutlich, muss er sich<br />
einen Arbeitsschwerpunkt suchen und<br />
sich dort beweisen. Kai Reichelt und Andreas<br />
Schuller wissen, dass er noch nicht<br />
soweit ist. Aber er hat die Chance, es zu<br />
schaffen. Denn so erklärt Kai Reichelt: „Es<br />
ist toll, dass sie mir hier alles so gut erklären,<br />
auch während der Arbeit.“<br />
LWVkonkret (Rose-Marie von Krauss)<br />
Außenarbeitsplätze<br />
Derzeit arbeiten 18 MitarbeiterInnen<br />
außerhalb der Kasseler Werkstatt, z. B.<br />
auf Bauhöfen von Gemeinden, in Bäckereien,<br />
auf Reiterhöfen usw. In diesem<br />
Jahr haben bereits zehn MitarbeiterInnen<br />
ein Praktikum außerhalb<br />
der Werkstatt absolviert. Alle werden<br />
auf ihren individuellen Wegen von<br />
Andreas Schuller (Fachkraft für berufliche<br />
Integration in der Kasseler Werkstatt,<br />
finanziert vom LWV) begleitet.<br />
14 FACETTEN Kasseler Werkstatt
„... das Beste daraus machen“<br />
Wie Gabi Bernhardt ihr Leben meistert<br />
Der 14. <strong>Mai</strong> 2011 sollte ein richtig schöner<br />
Tag werden! Der Ausflug in den Freizeit-<br />
und Safaripark Stukenbrock war vom<br />
Eltern- und Förderverein perfekt organisiert,<br />
die Teilnehmenden allesamt guter<br />
Laune, und die Sonne lachte vom Himmel.<br />
Dieser vielversprechende Anfang nahm<br />
eine tragische Wende, am Nachmittag ereignete<br />
sich an einem Fahrgeschäft ein<br />
schwerer Unfall, in dessen Folge unsere<br />
Mitarbeiterin Gabriele Bernhardt ihr<br />
rechtes Bein verlor. Die OrganisatorInnen,<br />
MitarbeiterInnen und ihre Angehörigen<br />
waren tief betroffen, für Gabriele Bernhardt<br />
selbst folgten Monate im Krankenhaus<br />
mit anschließender Reha, in denen sie<br />
sich nie unterkriegen ließ. Ihr Ziel hieß von<br />
Anfang an: so schnell wie möglich wieder<br />
zur Arbeit und „das Beste daraus machen“.<br />
Im ausführlichen Gespräch beeindruckte<br />
mich Gabi (wir kennen uns seit<br />
vielen Jahren und duzen uns) durch ihre<br />
positive Grundhaltung und fröhliche<br />
Ausstrahlung. Mit ihrem Gruppenleiter<br />
Jürgen Ramdohr war ich einer Meinung:<br />
„Da kann sich manch einer eine Scheibe<br />
von abschneiden!“<br />
Gabi, was hat sich für dich und dein Leben<br />
durch den Unfall verändert?<br />
Nicht viel, ich habe früher alles selber gemacht<br />
und mache auch heute alles selber!<br />
Mit der Prothese ist es etwas kompliziert,<br />
die will nicht so, wie ich will! Zuerst hatte<br />
ich eine andere Prothese, die hat ständig<br />
gescheuert, das war eine Quälerei. Die<br />
neue Prothese ist viel besser, muss aber<br />
auch immer wieder angepasst werden,<br />
daher benutze ich meistens den Rollstuhl.<br />
Du klingst sehr positiv, bist du nicht zunächst<br />
in ein Loch gefallen, nachdem du erfahren<br />
hast, dass du dein Bein verloren hast?<br />
Eigentlich nur kurz, mein Ziel war: Ich<br />
will aus dem Bett raus. Ich habe dann<br />
sehr schnell Energie aufgetankt. Ich bin<br />
so eingestellt: Was ich will, das will ich<br />
und das schaffe ich auch!<br />
Gabis Lebensgefährte Jörg Schreiber ergänzt:<br />
Die Gabi war recht schnell wieder<br />
gut drauf!<br />
Wer hat dir dabei geholfen?<br />
Alle waren da, meine Familie und ganz<br />
besonders Jörg! Er war jeden Tag da, ob<br />
es geregnet hat oder was auch immer, er<br />
war immer da, das hat mich unheimlich<br />
aufgebaut! Alleine hätte ich das nicht geschafft.<br />
Was ist jetzt anders als früher?<br />
Nicht viel, man muss den Alltag natürlich<br />
jetzt anders planen. Ich bin halt nicht<br />
mehr einfach schnell mal wohin gelaufen.<br />
Jeder Einkauf, jedes Vorhaben muss<br />
nun einfach besser geplant und eingeplant<br />
werden. Wenn wir heute spazieren<br />
gehen, achten wir darauf, dass alles flach<br />
und eben ist, damit es auch für Jörg nicht<br />
zu anstrengend ist, mich zu schieben.<br />
Und in der Werkstatt? Haben sich die<br />
Freundschaften verändert?<br />
Nein, das ist alles geblieben, wie es war.<br />
Ich konnte ja zum Glück wieder in meine<br />
alte Gruppe, dort wurde ich wieder<br />
gut aufgenommen und alles war ganz<br />
normal. Ich habe keine schlechten Erfahrungen<br />
gemacht! Seit ein paar Tagen haben<br />
wir auch einen neuen Arbeitstisch in<br />
der Gruppe, extra für Rollstuhlfahrer, die<br />
Tischplatten sind höhenverstellbar, das<br />
erleichtert die Arbeit!<br />
Jörg, was ist für dich durch den Unfall anders<br />
geworden?<br />
Na ja, ich muss Gabi schon ein bisschen<br />
mehr helfen, aber das mache ich gerne.<br />
Früher war ich gern gesehener Gast<br />
in ihrer Wohnung in der Geibelstraße,<br />
am 1. März bin ich dort eingezogen und<br />
wir fühlen uns sehr wohl in der gemeinsamen<br />
Wohnung.<br />
Kasseler Werkstatt FACETTEN 15
Gabi, gibt es was, was du jetzt machst und<br />
früher nicht gemacht hast?<br />
Ich habe früher schon gerne gemalt, aber<br />
jetzt habe ich das Ganze noch vertieft,<br />
jetzt zeichne ich auch, wir gehen regelmäßig<br />
zu Amos und nehmen dort an den Angeboten<br />
teil, das macht mir sehr viel Spaß<br />
und Herr Bieda leitet uns richtig gut an!<br />
Jörg Schreiber ergänzt: Ja, das stimmt,<br />
das tut unheimlich gut, beim Malen<br />
kann ich richtig gut abschalten und wunderbar<br />
entspannen!<br />
Gabi, du sprachst vorhin von deiner Familie?<br />
Ja, mein Bruder und meine Schwägerin<br />
haben mich sehr unterstützt, sie<br />
waren immer für mich da, haben mir<br />
viel geholfen und machen auch jetzt<br />
noch viel für mich! Gerade hat meine<br />
Schwägerin mir neue Gardinen aufgehängt<br />
und die habe ich mir angeguckt<br />
und gedacht: Hier ist es schön, hier<br />
ist es wohnlich, hier will ich bleiben!<br />
Die Fragen stellte Heike Klöckl<br />
Mathe und Apfelsaft<br />
MitarbeiterInnen berichten über Bildungsangebote<br />
Kurs Apfelsaft mit Klaus: Wir<br />
haben Äpfel gepflückt, aufgesammelt<br />
und gewaschen.<br />
Dann haben wir die Äpfel klein<br />
gemacht, in die Presse gemacht<br />
und anschließend gekocht.<br />
Dann in Flaschen gefüllt, wir<br />
hatten viel Spaß dabei und Apfelsaft.<br />
Würden es gern noch<br />
mal machen.<br />
Sandra Dilorenzo,<br />
Franziska Meissner<br />
Der Computerkurs gefällt<br />
mir sehr gut, weil ich da mit<br />
dem Computer Texte verfassen<br />
kann. Wir müssen da Interviews<br />
von einzelnen Mitarbeitern<br />
auf den Computer überschreiben,<br />
so dass sie später<br />
in der Jubiläums-Zeitung von<br />
der Kasseler Werkstatt erscheinen.<br />
Christian Prahl<br />
Ich habe letztes Jahr mehrere<br />
Bildungsangebote besucht.<br />
Das sind folgende Kurse:<br />
Filmprojekt – Arbeit und<br />
Bildung in der Kasseler Werkstatt,<br />
Computerkurs für Fortgeschrittene,<br />
Arbeiten mit Peddigrohr.<br />
Das Filmprojekt macht die<br />
Frau Ykelen und es macht sehr<br />
viel Spaß. Ich wurde als Sprecherin<br />
von der Frau Ykelen ausgewählt,<br />
und das ist eine sehr<br />
große Verantwortung. In der<br />
Pforte haben die Anderen das<br />
mit den Interviews gemacht. Ich<br />
habe von der Frau Ykelen einen<br />
Text gekriegt zur Einleitung und<br />
den habe ich vorgelesen und<br />
wurde dabei aufgenommen am<br />
Haupteingang. Ich war sehr<br />
aufgeregt. Lidija Glavaski<br />
Ich habe bei Frau Suck den<br />
Kurs Arbeiten mit Peddigrohr gemacht.<br />
Dabei habe ich gelernt,<br />
dass das Peddigrohr immer eingeweicht<br />
werden muss, damit<br />
es beim Flechten nicht bricht.<br />
Man darf auch nicht zu fest<br />
flechten, weil sonst die Stäbe<br />
abbrechen können. Ich habe<br />
einen Korb in Herzform geflochten,<br />
den ich meiner Mutter<br />
geschenkt habe. Der Kurs hat<br />
Spaß gemacht. Carola Berndt<br />
Mir hat der Mathe-Kurs viel<br />
Spaß gemacht. Ich finde es sehr<br />
schade, dass ich keinen Mathe-Kurs<br />
mehr machen kann.<br />
Hochachtungsvoll Pianke Hecht<br />
Ich habe am Computerkurs<br />
für Fortgeschrittene bei Herrn<br />
Wünsche teilgenommen. Dort<br />
haben wir das Programm Word<br />
kennen gelernt. Wir haben kurze<br />
Texte und einfache Tabellen<br />
erstellt. Des Weiteren haben wir<br />
erste Schritte mit dem Internet<br />
Explorer gezeigt bekommen.<br />
Zum Abschluss haben wir das<br />
Computermuseum in Paderborn<br />
besucht, das fand ich sehr<br />
interessant.<br />
Tim Lerch<br />
Mir gefällt der Sport ziemlich<br />
gut, besonders das Rollstuhlfahren.<br />
Marlen Fross<br />
Der Männersport gefällt mir<br />
gut. Der Mittwoch gefällt mir<br />
auch gut (Frauensport). Besonders<br />
mag ich meine Aufgabe<br />
als DJ.<br />
Marcel Müller<br />
Liebe Leser und Leserinnen,<br />
ich finde es super, dass so viele<br />
Angebote gemacht werden.<br />
Habe schon viel gelernt, macht<br />
mal mit. Eure Petra Groß<br />
16 FACETTEN Kasseler Werkstatt
Viel diskutiert: Inklusion<br />
... und die Kasseler Werkstatt<br />
Die Frage für uns und für die fast 50 Jahre<br />
alte Kasseler Werkstatt lautet: Wie und<br />
in welcher Form werden unsere Dienste<br />
und Einrichtungen weiter bestehen? Mit<br />
welcher Zielsetzung werden wir arbeiten?<br />
Dass Veränderungen anstehen, ist unstrittig.<br />
Eine kritische Betrachtung unserer<br />
täglichen Arbeit ermöglicht, neue Wege<br />
u. a. in Richtung Inklusion zu finden.<br />
Inklusion<br />
Im Zusammenhang mit der UN-Konvention<br />
zur Inklusion (s. Kasten Seite 19)<br />
ist beim Thema Werkstätten eine Schieflage<br />
in der Diskussion entstanden. Es<br />
wurden bereits Stimmen laut, die die<br />
Abschaffung aller Sondereinrichtungen<br />
forderten. Die Konvention drückt sich an<br />
dieser Stelle differenzierter aus: Grundsätzlich<br />
ist das Ziel ein inklusives System.<br />
Allerdings erwächst dem Staat auch die<br />
Aufgabe, jeweils ein Umfeld zu schaffen,<br />
in dem die besonderen Bedürfnisse von<br />
Menschen mit Behinderungen Berücksichtigung<br />
finden. Dies schließt Sondereinrichtungen<br />
nicht prinzipiell aus. Es<br />
gilt vor allem, dem Wahlrecht des Individuums<br />
Geltung zu verschaffen.<br />
Was bedeutet nun Inklusion genau?<br />
Zur Einstimmung ein Märchen der Brüder<br />
Grimm, die Geschichte vom alten<br />
Großvater und seinem Enkel:<br />
Es war einmal ein steinalter Mann, dem<br />
waren die Augen trüb geworden, die Ohren<br />
taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun<br />
bei Tische saß und den Löffel kaum halten<br />
konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch,<br />
und es floss ihm auch etwas wieder aus dem<br />
Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten<br />
sich davor, und deswegen musste sich der alte<br />
Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke<br />
setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein<br />
irdenes Schüsselchen und noch dazu wurde<br />
er nicht einmal satt; da sah er betrübt nach<br />
dem Tisch, und die Augen wurden ihm nass.<br />
Einmal auch konnten seine zitterigen Hände<br />
das Schüsselchen nicht fest halten, es fiel zur<br />
Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er<br />
sagte aber nichts und seufzte nur. Da kauften<br />
sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für<br />
ein paar Heller, daraus musste er nun essen.<br />
Wie sie da so saßen, so trug der kleine Enkel<br />
von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein<br />
Extinktion Keinerlei Rechte für bestimmte Personen<br />
Exklusion Ausschluss von Personen<br />
Separation Trennung/Aussonderung von Individuen<br />
bzw. Gruppen<br />
Integration Einbezug von spezifisch definierten<br />
Menschen<br />
Inklusion Volle Akzeptanz und Teilhabe<br />
in der Gesellschaft für alle<br />
Kasseler Werkstatt FACETTEN 17
zusammen. „Was machst du da?“, fragte der<br />
Vater. „Ich mache ein Tröglein“, antwortete<br />
das Kind, „daraus sollen Vater und Mutter essen,<br />
wenn ich groß bin.“ Da sahen sich Mann<br />
und Frau eine Weile an, fingen endlich an zu<br />
weinen, holten sofort den alten Großvater an<br />
den Tisch und ließen ihn von nun an immer<br />
mitessen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig<br />
verschüttete.<br />
Ist das Modell Werkstatt als Sondereinrichtung<br />
überholt? Diese zentrale<br />
Frage wurde am Werkstättentag (2004)<br />
in Erfurt erörtert. Alle waren sich einig:<br />
Ja und nein! Überholt ist die Werkstatt,<br />
wenn sie sich nicht als lernende Organisation<br />
erweist. Notwendig ist die Werkstatt,<br />
weil sich die Erwerbswirtschaft immer<br />
mehr Bevölkerungsteilen verschließt,<br />
erst recht denen, die aus körperlichen,<br />
mentalen oder psychischen Gründen den<br />
Anforderungen nicht standhalten können.<br />
Einig war man sich darüber, dass es<br />
hinsichtlich des Bildes der Werkstatt in<br />
der Öffentlichkeit Korrekturbedarf gibt.<br />
Einigkeit herrschte auch darüber, dass<br />
neue Personengruppen mit fehlender sozialer,<br />
sprachlicher oder fachlicher Kompetenz<br />
auf die Werkstätten zukommen.<br />
Das Firmenschild ,Werkstatt für Menschen<br />
mit Behinderung’ mit der Botschaft<br />
„Hier arbeiten ausschließlich behinderte<br />
Menschen“ wird überall fallen. Bei Alsterarbeit<br />
in Hamburg wurde dieses Firmenschild<br />
vor fünf Jahren auf Initiative der<br />
Beschäftigten abmontiert.<br />
Der vollzogene Paradigmenwechsel<br />
in der Behindertenhilfe zwingt zu einer<br />
konzeptionellen Antwort, insbesondere<br />
im Bereich der Angebote zur Teilhabe<br />
am Arbeitsleben. Werkstätten werden ihren<br />
besonderen Charakter zu Gunsten<br />
weitgehend einbeziehender Teilhabemöglichkeiten<br />
an Arbeit, Beschäftigung und<br />
beruflicher Bildung für Menschen mit Behinderung<br />
grundlegend verändern müssen.<br />
Junge Menschen mit Behinderung,<br />
insbesondere die in integrativer Beschulung<br />
sozialisierten Kinder, wollen immer<br />
weniger in die klassische Werkstatt. Sie<br />
wollen möglichst auch an der ,wirklichen’<br />
Arbeitswelt teilhaben.<br />
Meinung der<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
In der Broschüre Maßarbeit der<br />
BAG:WfbM, ein Strategie-Konzept des<br />
Vorstandes, heißt es: „Inklusion braucht<br />
die Werkstätten.“ Damit mehr Menschen<br />
mit Beeinträchtigung die Teilhabe am<br />
und damit die Eingliederung ins Arbeitsleben<br />
möglich wird, müssen Werkstätten<br />
und ihr vorhandenes Fachwissen effektiv<br />
in der Entwicklung des Arbeitsmarktes<br />
eingesetzt werden. Werkstätten sind mit<br />
ihren Angeboten ein wichtiger Teil der<br />
Beschäftigungsvielfalt der Arbeitswelt.<br />
Inklusion kann nur gemeinsam mit den<br />
18 FACETTEN Kasseler Werkstatt
Werkstätten gelingen, da sie zur Vielfalt<br />
der Angebote beitragen.<br />
Der Vorstand der BAG:WfbM stellt fest:<br />
„Erfolg braucht Vielfalt.“ Um die Inklusion<br />
der Werkstätten im offenen Arbeitsmarkt<br />
noch weiter voran zu treiben, ist es<br />
nur konsequent, die Angebote der Werkstätten<br />
nicht auf nur einen exklusiven<br />
Personenkreis zu beschränken. Deshalb<br />
tritt der Vorstand der BAG:WfbM dafür<br />
ein, dass die Werkstattträger als vollwertige<br />
Teilnehmer am Wettbewerb anerkannt<br />
werden. Das bedeutet auch, dass<br />
Werkstattträger Angebote für Personengruppen<br />
entwickeln können, die keine<br />
,klassischen’ Werkstattbeschäftigten sind.<br />
Die Kasseler Werkstatt<br />
Die Kasseler Werkstatt (KSW) ist zunächst<br />
einmal eine Reha-Einrichtung mit<br />
dem gesetzlichen Auftrag, den MitarbeiterInnen<br />
die Teilhabe am Arbeitsleben zu<br />
ermöglichen. Die Teilhabe am Arbeitsleben<br />
bedeutet, dass wir vom 1. 1. bis zum<br />
31. 12. jeden Jahres im harten Wettbewerb<br />
stehen, Aufträge zu akquirieren und<br />
sie qualitätsbewusst auszuliefern.<br />
Wir verfolgen ein zeitgemäßes modernes,<br />
arbeitspädagogisches Konzept, unterstützt<br />
durch eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung,<br />
bei dem im Mittelpunkt<br />
der Mensch steht, mit seinen individuellen<br />
Fähigkeiten die Arbeit umzusetzen.<br />
Die Kasseler Werkstatt ermöglicht wertvolle<br />
Berufs- und Arbeitserfahrungen<br />
ohne den hohen Druck des allgemeinen<br />
Arbeitsmarktes. Unsere MitarbeiterInnen<br />
brauchen Stabilität und vertrauensvolle<br />
kompetente Begleitung bei der täglichen<br />
Arbeit und bei der Vermittlung auf den<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt, das ist fast<br />
immer ein langer Weg.<br />
„Arbeit gibt den Menschen Würde und<br />
Sinnhaftigkeit“, sagte einmal US-Präsident<br />
Obama – und genau dies erhalten<br />
unsere MitarbeiterInnen bei uns. Nur wenige<br />
Betriebe würden einen Menschen mit<br />
geistiger Behinderung aufnehmen können,<br />
dazu fehlen fast überall die Voraussetzungen,<br />
die da lauten: Geduld, Wiederholung<br />
und noch mal Wiederholung<br />
und Zeit – Qualitäten, die in der Arbeitswelt<br />
,draußen’ eher selten zu finden sind.<br />
UN-Konvention über die Rechte<br />
von Menschen mit Behinderungen<br />
Das 2006 bei der UNO-Generalversammlung in New<br />
York verabschiedete und 2008 in Kraft getretene Übereinkommen<br />
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />
ist ein bis 2010 von 97 Staaten und der EU<br />
ratifizierter völkerrechtlicher Vertrag, der Menschenrechte<br />
für die Lebenssituation behinderter Menschen<br />
konkretisiert, um ihnen die gleichberechtigte Teilhabe<br />
an der Gesellschaft zu ermöglichen. Im Übereinkommen<br />
finden sich neben grundlegenden Teilen der allgemeinen<br />
Menschenrechte, wie z. B. dem Recht auf Leben<br />
oder dem Recht auf Freizügigkeit, viele spezielle Bestimmungen,<br />
die auf die Lebenssituation behinderter Menschen<br />
eingehen.<br />
Die Konvention unternimmt es, die bei Behinderung<br />
grundsätzlich drohende rechtliche und gesellschaftliche<br />
Benachteiligung durch den Anspruch behinderter<br />
Menschen auf positive Rechte zu vermeiden. In vielen<br />
Staaten wurden bisher behinderten Menschen zwar<br />
grundsätzlich die gleichen Rechte eingeräumt wie nicht<br />
behinderten – auf die erforderlichen Voraussetzungen,<br />
damit behinderte Menschen ihre Rechte auch tatsächlich<br />
wahrnehmen können, wurde staatlicherseits aber<br />
oft nicht eingegangen. Das Übereinkommen wurde daher<br />
unter der Mitwirkung von Betroffenen erarbeitet.<br />
Die Vertragsstaaten der Konvention haben sich unter<br />
anderem verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen,<br />
um Menschen mit Behinderungen einen angemessenen<br />
Lebensstandard und sozialen Schutz zu sichern.<br />
Unterstützt werden sollen sie dabei von gemeindenahen<br />
Diensten oder auch persönlichen Assistenzen. Die<br />
Umsetzung des Übereinkommens durch die Vertragsstaaten<br />
wird von einem Vertragsorgan der Vereinten<br />
Nationen begleitet, dem UN-Ausschuss zum Schutz der<br />
Rechte von Menschen mit Behinderungen.<br />
Das deutsche Institut für Menschenrechte hat den<br />
entsprechenden (ersten) Bericht zum Monitoring der<br />
Umsetzung der Konvention in der Bundesrepublik<br />
Deutschland am 31. März 2011 veröffentlicht.<br />
de.wikipedia.org/wiki/UN-Behindertenrechtskonvention,3.5.11<br />
In der KSW findet Inklusion in diesen<br />
Bereichen statt:<br />
– Weiterbildung aller Beschäftigten im<br />
zentralen Bildungsreferat<br />
– Karriereberatung<br />
– Qualifizierung am Arbeitsplatz<br />
– Individuelle Bildungs- und Förderpläne<br />
– Individuelle Arbeitsvermittlung<br />
– Erstellung eines Fähigkeitsprofils<br />
– Suche und Begleitung von Praktika<br />
Kasseler Werkstatt FACETTEN 19
– Umsetzung der täglichen Arbeit auf<br />
Augenhöhe (ProduktionshelferInnen,<br />
GruppenleiterInnen, GruppenhelferInnen,<br />
MitarbeiterInnen)<br />
– Ausbildung zum Gabelstaplerfahrer<br />
– Einbeziehung in Gremien sowie Fachgespräche<br />
zur Entwicklung der Werkstatt<br />
und der Arbeitsbereiche<br />
– Gemeinsamer Sport (u. a. Fußballmannschaft<br />
und individueller Sport)<br />
– Gemeinsame Tagungen innerhalb und<br />
außerhalb des Hauses<br />
– Verbesserungsvorschläge, Meinungsfreiheit<br />
– Gemeinsam Essen aller im Speisesaal<br />
– Eine Vertrauensperson für den Werkstattrat<br />
– Arbeitsanweisungen in ,leichter Sprache‘<br />
– der Förderbereich, u. a. für mehrfach<br />
Schwerst behinderte, ist Arbeitsbereich<br />
(keine Ausgliederung aus der Werkstatt)<br />
– Eingebettet in den Arbeitsalltag Maßnahmen<br />
zur beruflichen Bildung<br />
– Mit beruflichem Konzept Öffnung von<br />
Türen zum allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
In der KSW fühlen sich die MitarbeiterInnen<br />
integriert, verstanden und zugehörig,<br />
haben ihre Freundschaften, haben<br />
passgenau ihre Arbeit, die sie nicht unter-,<br />
nicht überfordert. Die KSW ist nicht die<br />
Sackgasse, die gerne gesehen wird, sondern<br />
ein Platz zur beruflichen Integration,<br />
Teilhabe am Arbeitsleben und Vorbereitung<br />
auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.<br />
Inklusion beginnt im Kopf. Sie beginnt<br />
damit, dass wir Möglichkeiten suchen<br />
und dann entsprechend handeln. Das<br />
war auch in der Geschichte vom Großvater<br />
und seinem Enkel so.<br />
Nachwort<br />
Es ist natürlich auch eine Form von<br />
Inklusion, wenn sich Menschen mit Behinderung<br />
in das ,Heer der Arbeitslosen’<br />
einreihen dürfen. Auch ohne Werkstätten<br />
wird es keine neuen und passenden<br />
Arbeitsstellen auf dem nicht subventionierten<br />
Arbeitsmarkt geben.<br />
Unser Tun hat Sinn – und unsere Arbeit<br />
ist einfach notwendig. Wir handeln, weil<br />
wir davon überzeugt sind, dass die Welt<br />
im Großen und Kleinen verbesserungsfähig<br />
ist und dass es unser Auftrag ist,<br />
unsere Gesellschaft zu verbessern. Jeder<br />
noch so lange Weg beginnt mit kleinen<br />
Schritten. Vielleicht auch mit Umwegen.<br />
„Wir sind jetzt verantwortlich für das,<br />
was in der Zukunft geschieht.“ (Karl Reimund<br />
Potter)<br />
Ergo ist das Verständnis von Inklusion<br />
Vielfalt und Einbeziehung. Mit der Inklusion<br />
ist es wie mit der Diversity: Wenn<br />
dich keiner fragt, woher du kommst, was<br />
du kannst, wie du aussiehst, ob du arm<br />
oder reich bist, welcher Religion du angehörst,<br />
wenn es stattdessen heißt, wir heißen<br />
dich herzlich willkommen – dann ist<br />
Inklusion erreicht. In diesem Sinne ist die<br />
KSW ein praktisch orientiertes, gelebtes<br />
Inklusionsmodell.<br />
Peter Liesert (Werkstattleiter)<br />
20 FACETTEN Kasseler Werkstatt
Andreas Schuller<br />
(Integrationsfachkraft),<br />
Martina Klose<br />
(Verwaltung),<br />
Britta Haldorn<br />
(Leitung Sozialer<br />
Dienst)<br />
Entlastung des Sozialen Dienstes<br />
Neue Verwaltungsstelle im sozialen Dienst<br />
Umfangreicher sind die Aufgaben des<br />
Sozialen Dienstes der Kasseler Werkstatt<br />
geworden, u. a. wegen gestiegener MitarbeiterInnenzahlen.<br />
Die Entlastung des<br />
Sozialen Dienstes im Bereich der Verwaltungsarbeiten<br />
ist seit dem 1. Februar <strong>2012</strong><br />
meine Aufgabe und mein Ziel. Ich heiße<br />
Martina Klose, bin 40 Jahre alt, verheiratet<br />
und habe zwei Kinder.<br />
Meine Arbeit ist im Wesentlichen geprägt<br />
vom Werkstattprogramm Micos Bevia,<br />
mit dem Dokumente und Daten der<br />
MitarbeiterInnen bearbeitet und zugeordnet<br />
werden. Ich bin befasst mit Formalien<br />
rund um Neuaufnahmen, Abmeldungen,<br />
Gruppenwechsel und Änderungen, mit<br />
der Vorbereitung und Mitarbeit bei Fachausschusssitzungen<br />
sowie der Unterstützung<br />
bei der Organisation des Sommerfestes<br />
und des Adventsbazars.<br />
Mein erster Arbeitstag war geprägt vom<br />
Kennenlernen der Werke 1 und 2, sowie<br />
des zuständigen Personals und hat mir<br />
sogleich vor Augen geführt, wie komplex<br />
und umfangreich die Angebote für die<br />
MitarbeiterInnen in den Bereichen Bildung<br />
und Arbeit sind. Nach einem guten<br />
Start in die neue Tätigkeit und die freundliche<br />
Aufnahme durch die KollegInnen<br />
und MitarbeiterInnen freue ich mich auf<br />
die neue Herausforderung.<br />
Martina Klose<br />
Wir trauern<br />
um<br />
Norbert Urff<br />
*14. 6. 1957 † 3. 3. <strong>2012</strong><br />
Kasseler Werkstatt FACETTEN 21
Mann sein<br />
Besondere Aktivitäten für demenzkranke Männer<br />
Wir werden immer älter! Das ist keine<br />
Neuigkeit. Wohl aber, dass mit steigender<br />
Lebenserwartung der Anteil der Männer<br />
im hohen Alter stark zunimmt. Einer Vorausberechnung<br />
der Bertelsmann-Stiftung<br />
zur Folge wird sich der Anteil der<br />
über 80-jährigen Männer bis zum Jahr<br />
2030 verdoppeln. Damit steigt auch die<br />
Nachfrage nach geeigneten Angeboten<br />
für Senioren, die z. B. durch eine Demenz<br />
oder Depression tagsüber Betreuung und<br />
Pflege brauchen.<br />
In der Tagespflege am Holzmarkt wird<br />
diese gesellschaftliche Entwicklung schon<br />
seit ein paar Jahren beobachtet: Die<br />
Nachfrage steigt an und der früher sehr<br />
kleine Anteil an männlichen Besuchern<br />
nimmt stetig zu, sodass derzeit ein knappes<br />
Drittel der Besucher männlich ist.<br />
„Wir haben unser Betreuungskonzept<br />
mit der Zunahme der Männer in unserer<br />
Tagespflege überarbeiten müssen. Heute<br />
bieten wir auch gezielte Gruppen- und<br />
Einzelaktivitäten an, die Männer im Besonderen<br />
ansprechen. So gibt es z. B. einen<br />
Männerstammtisch und eine Holzwerkstatt“,<br />
so Gunda Hoßbach, Leiterin<br />
der Tagespflege. Hier setzt die Betreuung<br />
an den spezifischen Bedürfnissen und Interessen<br />
der Männer an. Auch wenn sie<br />
an Demenz erkrankt oder durch seelische<br />
oder körperliche Gebrechen nicht mehr<br />
,die Alten’ sind, so werden durch diese<br />
speziellen Angebote Erinnerungen geweckt,<br />
Fähigkeiten zu Tage gefördert, die<br />
Identität und das Selbstwertgefühl deutlich<br />
gestärkt.<br />
„Männer unter sich können sich mal<br />
wieder als Männer fühlen! Sie reden offener<br />
miteinander, können sich auch mal<br />
Luft machen und sich gegenseitig bestärken,<br />
z. B. darüber, dass in der Regel die<br />
Frauen um sie herum die Oberhand haben.<br />
Denn die meisten werden ja von ihren<br />
Ehefrauen, Töchtern und Schwiegertöchtern<br />
gepflegt und können ihre alten<br />
22 FACETTEN Tagespflege
traditionellen Rollen als Versorger und<br />
Familienoberhaupt nicht mehr ausfüllen“,<br />
erklärt Bernd Böhm, der als Praktikant<br />
die Männergruppen anleitet. Es sei<br />
erfrischend zu sehen, wie die Männer bei<br />
diesen Angeboten aufblühen. Wie sie bei<br />
den Laubsägearbeiten trotz ihrer Erkrankungen<br />
mit Eifer und hoher Konzentration<br />
dabei sind, fachsimpeln und mit Stolz<br />
ihre Ergebnisse präsentieren.<br />
Und hier gilt wie bei allen Aktivitäten<br />
für die Besucher der Tagespflege am Holzmarkt<br />
nicht das Ergebnis ist das Ziel sondern<br />
das Erlebnis!<br />
Der gestiegene Anteil der Männer hat<br />
auch positiven Einfluss auf das Miteinander<br />
in der Tagesgruppe. Männer wirken<br />
oft ausgleichend, wenn es um die Lösung<br />
eines Konfliktes geht. Sich als Mann zu<br />
fühlen oder sich mal wieder als Frau attraktiv<br />
zu fühlen – auch das wird durch<br />
das Miteinander der Geschlechter gefördert<br />
und stärkt das Selbstbewusstsein.<br />
Buchempfehlung<br />
Tagespflege am Holzmarkt<br />
Die Tagespflege betreut montags bis<br />
samstags bis zu 20 SeniorInnen. Die BesucherInnen<br />
werden mit einem Fahrdienst<br />
von Zuhause abgeholt und nach einem<br />
ausgefüllten Tag in der Gemeinschaft gegen<br />
17 Uhr wieder zurück gebracht. Ein<br />
breites Angebot an Gruppenaktivitäten<br />
wie z. B. Sitzgymnastik und -tanz, musikalische<br />
Unterhaltung, Kochen, Backen<br />
und kreatives Gestalten ist auf die Interessen<br />
und Fähigkeiten von SeniorInnen mit<br />
Demenz oder Depression abgestimmt. Die<br />
pflegerischen Hilfen während des Aufenthaltes<br />
sind gesichert. Ein Team aus Pflegefachkräften<br />
und -schülerInnen, einer<br />
Sozialpädagogin und PraktikantInnen<br />
steht zur Verfügung. Finanzierungsmöglichkeiten<br />
bestehen über Pflegekasse und<br />
Sozialhilfeträger.<br />
Wir bieten gern eine Beratung und einen<br />
kostenlosen Probetag an.<br />
Kontakt: Mo–Sa 8.30–17.00 Uhr<br />
Tel. (05 61) 970 100 25/26<br />
e-<strong>Mai</strong>l info@tagespflege-holzmarkt.de<br />
„Ich bin ein älterer Knabe und liebe verzwickte Sachen<br />
nicht.“<br />
Nicht mehr erkennen können, aber vieles wissen: Die<br />
Demenz nimmt bei Arno Geigers Vater einen sehr<br />
langsamen Verlauf. Der Vater war Gemeindeschreiber<br />
in Vorarlberg. Als sich die Krankheit erstmals zeigt,<br />
wird sie nicht erkannt, wie so häufig. Doch bald werden<br />
Parallelen gezogen zur Alzheimer-Diagnose des<br />
Großvaters von Arno, und die Familie (welch Glück)<br />
schafft die besten Voraussetzungen für ein Verbleiben<br />
des Vaters im eigenen Haus. Arno zieht zum Vater,<br />
beginnt dieses Buch zu schreiben, und erst nach über<br />
zehn Jahren gibt es keine Alternative mehr für den mit<br />
der „Krankheit des Jahrhunderts“ als einen Heimplatz.<br />
Und auch dort geht es ihm gut – er fügt sich klarsichtig<br />
drein: „... aber meine Federn, die sind fort.“<br />
Der Verlust und der Neuerwerb von Fähigkeiten, das<br />
ab und an so klare Bewusstsein des Vaters, dass sich<br />
seine Persönlichkeit verändert hat, der schmerzliche<br />
Prozess des Fremdwerdens – Arno Geiger erzählt ruhig,<br />
introspektiv, manchmal witzig von seiner Liebe zum<br />
Vater, von ihrer beider Berührungen, von unverminderter<br />
Würde des Kranken.<br />
Ulrike Müller<br />
Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil<br />
Hanser Verlag 2011, ISBN 978-3-446-236349, 17,90 Euro<br />
Tagespflege FACETTEN 23
Gebärde des Monats<br />
Mit den Händen sprechen<br />
Im Georg-Wündisch-Haus lernen alle die Gebärdensprache<br />
„Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist,<br />
wenn sie ihr in den Magen fährt.<br />
Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist,<br />
wenn der Boden unter den Füßen bebt.<br />
Dann vergisst sie, dass sie taub ist ...“<br />
„Ihre Hände wissen nicht, mit wem sie<br />
reden solln, es ist niemand da, der mit<br />
ihr spricht ...“, singt Herbert Grönemeyer<br />
in Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist! Die<br />
Hände sind für den gehörlosen Menschen<br />
das Kommunikationsmedium. Sie ermöglichen,<br />
am Leben teilzuhaben, in Kontakt<br />
mit Menschen zu sein, Beziehungen zu gestalten,<br />
die Gesellschaft zu bereichern ...<br />
Sarah, sechs Jahre alt, besucht die Kindertagesstätte<br />
Georg-Wündisch-Haus seit<br />
zwei Jahren. Sie ist gehörlos und kann<br />
von den Geräuschen und Klängen um<br />
sie herum nichts als deren Vibrationen<br />
wahrnehmen. Sie lebt zurzeit in einer stillen<br />
Welt. Sarahs Kommunikationsmittel<br />
sind Mimik, Gesten und aufgrund ihrer<br />
Spastik mühsam gelernte Gebärden.<br />
Wenn man sich für eine kurze Zeit die<br />
Ohren zuhält, kann man einen kleinen<br />
Eindruck der gehörlosen Welt gewinnen.<br />
Doch im Gegensatz zu uns kann Sarah<br />
nicht einfach die Hände wieder von den<br />
Ohren nehmen und hören. Sie kann nicht<br />
Hase<br />
Licht<br />
24 FACETTEN Georg-Wündisch-Haus
Nase<br />
März<br />
mit Worten am Gespräch teilnehmen,<br />
Fragen beantworten, Bedürfnisse, Wünsche<br />
äußern.<br />
Im Kindergarten nutzen wir die verbale<br />
und nonverbale Sprache. Einzelne Gebärden<br />
werden aktiv im alltäglichen Umgang<br />
angewendet. Sie ermöglichen Sarah<br />
– aber auch den Kindern unter drei – aktiv<br />
in Kontakt mit anderen Kindern zu<br />
kommen und zu kommunizieren. So zeigt<br />
Sarah zum Beispiel durch die Puppen-<br />
Gebärde, dass sie mit der Puppe spielen<br />
möchte. Der hörende Tom-Luis (ein Jahr),<br />
benutzt die Ess-Gebärde um mitzuteilen,<br />
dass er Hunger hat.<br />
Das Team des Georg-Wündisch-Hauses<br />
konnte durch einen Gebärdenkurs den<br />
Wortschatz der schon vorher erarbeiteten<br />
Gebärden erweitern. Immer wieder eignen<br />
sich Kinder und Erwachsene neue Gebärden<br />
an, zusätzlich gibt es im Haus die<br />
Gebärde des Monats, im März zum Beispiel<br />
die Frühlingsgebärde.<br />
Die Gebärdensprache begleitet uns nun<br />
im gesamten Tagesablauf. So begrüßt<br />
uns Sarah mit der Guten-Morgen-Gebärde,<br />
und alle Kinder setzen gern auch<br />
Gebärden wie Zähneputzen, Essen und<br />
Trinken im Alltag ein. Lieder, Spiele und<br />
Geschichten werden im Stuhlkreis mit Gebärden<br />
begleitet usw.<br />
Herz<br />
Die Gebärdensprache ist neben dem<br />
Sprechen ein international bekanntes<br />
Kommunikationsmedium und somit die<br />
Basis, damit hörende und nichthörende<br />
Menschen kommunizieren können – im<br />
Georg-Wündisch-Haus ist das gepflegter<br />
und natürlich ausbaufähiger Alltag!<br />
Marlen Burkhardt, Kirstin Hausotter<br />
(Erzieherinnen)<br />
Buchempfehlungen<br />
Für Kinder:<br />
Marina Ribeaud, Patrick Lautenschlager:<br />
Maga und die verzauberten Ohren, Verlag<br />
fingershop.ch, 2007<br />
Für Eltern:<br />
Charlotte Peter, Stephanie Raith-Kaudelka,<br />
Herbert Scheithauer: Gemeinsam in<br />
zwei Welten leben. Ratgeber für gehörlose<br />
Eltern, Beltz Psychologie Verlags Union,<br />
2010<br />
Carla Vogel: Und jetzt ...? Unser Kind ist<br />
gehörlos! Unterstützungsmöglichkeiten für<br />
Eltern mit hörgeschädigtem Kind, Kestner,<br />
2006<br />
still/leise<br />
Georg-Wündisch-Haus FACETTEN 25
200.000 Scans pro Tag<br />
Neue Hochleistungs-Sscanner im Dokumenten-Management-Service<br />
Der Dokumenten-Management-Service<br />
(DMS) – ein Geschäftsbereich der Pro Dokument<br />
gGmbH – macht aus papiernen<br />
Dokumenten digitale Akten. Für alle Arten<br />
von Unternehmen – vom Handwerksbetrieb<br />
mit fünf bis zum Unternehmen<br />
mit 3.000 MitarbeiterInnen. Mit den<br />
beiden neuen, automatisierten Hochleistungs-Scannern<br />
digitalisieren nun vier<br />
Scanner bis zu 240.000 Seiten pro Tag.<br />
Diese müssen allerdings vorher per Hand<br />
aus dem Ordnungssystem entnommen,<br />
entklammert und mit einem Barcode<br />
versehen werden. Des Weiteren können<br />
auf zwei Spezial-Scannern Pläne, Zeichnungen<br />
etc. bis zur Größe DIN A0 digitalisiert<br />
werden.<br />
Angefangen hat es vor knapp zehn Jahren<br />
mit zwei Scannern und 8.000 Seiten<br />
am Tag. Die Anforderungen sind gestiegen,<br />
vor allem aber die Masse. Die Kunden<br />
fragen aus der ganzen Bundesrepublik<br />
an, bereits heute kommen 80 Prozent<br />
der Kundschaft von außerhalb der Region.<br />
„Sie wählen die Pro Dokument, weil wir<br />
ein hochflexibles Unternehmen sind, das<br />
jegliche Sonderheiten eines Unternehmens<br />
abbilden kann“, sagt Betriebsleiter Roland<br />
Müller. So ist die Pro Dokument mit<br />
ihrem Dokumenten-Management-Center<br />
in Kassel. einer von nur wenigen Scan-<br />
Dienstleistern, die DMS-Dienstleistungen<br />
als Cloud-Lösung anbieten: Unternehmen,<br />
die keine eigene DMS-Software in ihrem<br />
Unternehmen installieren wollen, haben<br />
hier die Möglichkeit, sich diese online<br />
zu mieten (SaaS – Software as a Service).<br />
„Des Weiteren können Firmen bei sich<br />
scannen und ihre Daten bei uns revisionssicher<br />
digital aufgewahren und sie online<br />
nutzen“, ergänzt Roland Müller.<br />
Über 30 MitarbeiterInnen arbeiten im<br />
DMS. In allen vier Geschäftsbereichen der<br />
Pro Dokument sind es 75, davon sind fast<br />
70 Prozent schwerstbehindert.<br />
Kirsten Alers<br />
26 FACETTEN Pro Dokument
Beratung · Planung · Kundendienst · Ausführung<br />
● Industrie-Anlagen<br />
Rauch- und Feuermelder ●<br />
● Alt- und Neubauten<br />
Elektroheizungen ●<br />
● Überwachungsanlagen Antennenbau – Sat-Anlagen ●<br />
● Telefon-/Kommunikationsanlagen<br />
Beleuchtungen ●<br />
● Einbruchmeldeanlagen<br />
Netzwerktechnik ●<br />
seit 1957<br />
Internet: www.elektrobaron.com<br />
e<strong>Mai</strong>l: elektro-baron@t-online.de<br />
Leipziger Straße 472 • 34260 Kaufungen • Tel. (0 56 05) 27 60, Fax 71 43
Chance Bildung<br />
Kasseler Kompetenz-Analyse auf der<br />
Werkstätten:Messe in Nürnberg<br />
Die Kasseler Kompetenzanalyse (KKA) präsentierte sich<br />
erstmalig auf der Werkstätten:Messe, die in diesem Jahr vom<br />
8. bis 11. März in Nürnberg stattfand. Auf Einladung der<br />
BAG:WfbM (Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte<br />
Menschen) fand die KKA Platz am Gemeinschaftsstand<br />
chance:bildung chance:kunst. Sehr viele der 18.500 Besucher<br />
der Werkstätten:Messe <strong>2012</strong> zeigten reges Interesse.<br />
Den Messestand haben Thomas Adelsberger (Programmierer,<br />
Pro Dokument), Volker Alberding (Ideengeber, Kasseler<br />
Werkstatt) und Ralf Wollny (Anwender, Lebenshilfe<br />
Hamm) betreut und viele Gespräche mit potenziellen Kunden<br />
bzw. Anwendern geführt. Auch konnten sich Dagmar<br />
Lorrè-Krupp (BA, Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen)<br />
und Christiane Rotta (BA, Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen)<br />
vom Konzept ableitbarer, passgenauer beruflicher<br />
Bildungsleistung und der KKA im Allgemeinen<br />
überzeugen. Zudem wurden Kontakte zu Anbietern anderer<br />
Analyse- und Testverfahren geknüpft, sodass in der Zukunft<br />
gemeinsame Konzepte entwickelt werden können.<br />
Unterstützt haben den Messestand u. a. Wolfgang Klammer<br />
sowie die Firma Micos mit 500 Euro. Volker Alberding<br />
Kasseler Kompetenz-Analyse<br />
Die KKA ist eine Software zur Erhebung des Leistungs-Ist-<br />
Stands von Menschen mit geistiger und/oder psychischer<br />
Behinderung. Das Leistungspotenzial wird in Kategorien<br />
klassifiziert und individuellen Maßnahmen zur Weiterentwicklung<br />
zugeordnet: tätigkeitsorientiert, arbeitsplatzorientiert,<br />
berufsfeldorientiert, berufsbildorientiert.<br />
Nach einer Bewertung ergeben sich u. a. ein Bericht<br />
sowie ein Eingliederungs-, ein Bildungs- und ein Vertretungsplan.<br />
Die aus Bericht und Eingliederungsplan resultierenden<br />
Ergebnisse benötigen die Leistungsträger zur<br />
Kostenzusage.<br />
Demnächst wird die Möglichkeit bestehen, Qualifizierungsmaßnahmen<br />
zu hinterlegen.<br />
Adressen<br />
Einrichtungen der Sozialgruppe Kassel e. V.<br />
n Kasseler Werkstatt 1<br />
Mündener Straße 45, 34123 Kassel<br />
Telefon (05 61) 9 52 34-0, Fax 9 52 34-34<br />
email: info@kasseler-werkstatt.de<br />
www.kasseler-werkstatt.de<br />
n Kasseler Werkstatt 2<br />
Werner-Heisenberg-Straße 18, 34123 Kassel<br />
Telefon (05 61) 58 06-0, Fax 58 06-100<br />
n Kasseler Werkstatt Gartenbau<br />
Oberzwehrener Straße 105, 34132 Kassel<br />
Telefon (05 61) 51 22 21, Fax 51 71 00<br />
n Georg-Wündisch-Haus –<br />
Kindertagesstätte mit Integrationsplätzen<br />
Bei den vier Äckern 11, 34125 Kassel<br />
Telefon (05 61) 87 77 84<br />
n Seniorenzentrum Renthof<br />
Renthof 3, 34117 Kassel<br />
Telefon (05 61) 7 09 93-16, Fax 7 09 93-28<br />
Internet: www.renthof.de<br />
n Tagespflege am Holzmarkt<br />
Holzmarkt 1, 34125 Kassel<br />
Tel. (05 61) 97 01 00-25/26, Fax 97 01 00-23<br />
n Pro Dokument gGmbH,<br />
Mündener Str. 45, 34123 Kassel<br />
Telefon (05 61) 22 07 99-00,<br />
Fax (05 61) 52 99 07-41<br />
email: info@pro-dokument.de<br />
www.pro-dokument.de<br />
Impressum<br />
<strong>Facetten</strong><br />
n Zeitung für MitarbeiterInnen, Personal,<br />
Eltern, Vereinsmitglieder, FreundInnen und<br />
interessierte Öffentlichkeit von: Kasseler<br />
Werkstatt, Georg-Wündisch-Haus, Seniorenzentrum<br />
Renthof, Tagespflege am<br />
Holzmarkt und ProDokument<br />
n Nummer 22, <strong>Mai</strong> <strong>2012</strong>, Auflage: 2000<br />
Herausgeber: Sozialgruppe Kassel e. V.,<br />
Holzmarkt 1, 34125 Kassel,<br />
Telefon (05 61) 97 01 00-0, Fax 97 01 00-21<br />
www.sozialgruppe-kassel.de<br />
n Redaktion/Lektorat: Kirsten Alers/Wortwechsel,<br />
Gestaltung/Gesamtherstellung:<br />
Ulrich Ahrend/Satzmanufaktur<br />
Raiffeisenstraße 15, 34260 Kaufungen,<br />
Tel. (0 56 05) 92 62 71, Fax 92 62 73,<br />
email: satzmanufaktur@t-online.de<br />
n AnsprechpartnerInnen in den Einrichtungen:<br />
Peter Liesert (Kasseler Werkstatt),<br />
Regina Loh (Georg-Wündisch-Haus),<br />
Martina Dittel (Seniorenzentrum Renthof),<br />
Gunda Hoßbach (Tagespflege),<br />
Roland Müller (Pro Dokument)<br />
n V.i.S.d.P.: Ilona Caroli, Gerald Reißmann<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />
geben nicht unbedingt die Meinung des<br />
Vereins oder der Redaktion wieder.<br />
Spendenkonto Sozialgruppe Kassel e. V.<br />
Konto 2062 897<br />
Kasseler Sparkasse (BLZ 520 503 53)<br />
28 FACETTEN