Facetten Mai 2013
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Ein anderes Leben<br />
Margit Peter zu ihren ersten Wochen im Renthof<br />
Geht es Ihnen auch so, dass Sie sich<br />
nicht vorstellen können, dass sich Ihr<br />
Leben plötzlich vollständig verändert?<br />
Bei mir war das so und jetzt lebe ich ein<br />
anderes Leben. Wie es dazu gekommen<br />
ist?<br />
Ich heiße Margit, bin 80 Jahre alt und<br />
wohne seit Dezember 2012 im Seniorenzentrum<br />
Renthof. Ich komme ja ursprünglich<br />
aus dem Sudetenland und bin nach<br />
dem Krieg nach Nieste hier im Landkreis<br />
Kassel gekommen. In Kassel heiratete ich<br />
auch meinen leider schon verstorbenen<br />
Mann und zog meine vier Mädchen und<br />
meinen Jungen groß. Eine schwere Zeit,<br />
denn mein Mann musste viel arbeiten,<br />
so dass ich die Kinder eigentlich allein<br />
aufziehen musste. Da musste man streng<br />
sein. Umso schöner war es dann für mich,<br />
meinen Enkeln und Urenkeln eine liebevolle<br />
und nachgiebige Großmutter sein zu<br />
können.<br />
2007 dann die erste unerwartete Veränderung<br />
– ich erkrankte an Darmkrebs.<br />
Ich kämpfte und siegte, aber irgendwie<br />
kam ich nie wieder richtig auf die Beine.<br />
Alles war plötzlich so anders … Familienfeiern,<br />
Feste, Geburtstage … alles sooo<br />
anstrengend. Auf der einen Seite wollte<br />
ich nicht alleine sein, an Festen und Feiern<br />
teilnehmen, andererseits konnte ich<br />
viele Menschen und das Laute auf einmal<br />
gar nicht mehr ertragen.<br />
Und auch sonst änderte sich was –<br />
Selbstverständliches fiel plötzlich schwer.<br />
Zum Beispiel habe ich mal die Wohnung<br />
unter Wasser gesetzt, weil ich einen Stecker<br />
nicht in die richtige Steckdose gesteckt<br />
habe. So – da bin ich im Dunkeln,<br />
warum auch immer, ins Bad und an die<br />
Dusche gekommen … mmh … Sie können<br />
sich denken, wie es weiterging. Meine<br />
Tochter wohnt, Gott sei Dank, gleich um<br />
die Ecke und stand auch recht schnell mit<br />
meiner Enkelin vor der Tür.<br />
Am 2. Weihnachtsfeiertag wurde wieder<br />
meine Tochter gerufen, weil ich in<br />
Socken und auch nur leicht bekleidet vor<br />
dem Haus hin und her irrte, früh morgens<br />
im Dunkeln. Später erzählten die<br />
Nachbarn meinen Kindern, dass ich das<br />
öfter mache, auch im Hausflur um Hilfe<br />
rufe und so weiter. Und ich lasse alle<br />
Menschen, egal ob ich sie kenne oder<br />
28 FACETTEN Renthof