AUSGABE NR. 40 | 2016 | 6 €
ESSEN, TRINKEN & LEBENSART
SCHWEIN | SCHWILIKO | CHRISTA LUTUM | THOMAS SYRING | JAPANISCHES TAGEBUCH
Think
BIGTour 2016
Besonders wenn es klein sein muss.
NEU
Die neuen SelfCookingCenter ® – jetzt auch in XS.
Die echte Profiklasse im kleinen Format.
Termine unter: rational-online.com
MISE EN PLACE
Liebe Freunde,
Berlin ist die Hauptstadt der Sterne und die der kulinarischen Nischen. Neben den bekannten
Luxusrestaurants reüssieren immer mehr coole Bars, kultige Cafés und exotische
Läden, die vom Mut zum Experiment auf dem Teller jenseits des Mainstreams leben.
Jüngstes Beispiel: die CODA Dessert Bar in Berlin-Neukölln (www.coda-berlin.de), in
der Meisterpatissier René Frank, der zuletzt immerhin sechs Jahre lang im Osnabrücker
Drei-Sterne-Restaurant La Vie mit seinen subtilen Aromenkombinationen Furore machte,
die Dessertwelt neu definiert.
Die Eröffnung des Panama in der Potsdamer Straße (www.oh-panama.com) liegt zwar
schon ein paar Tage länger zurück, aber das, was hier gastronomisch abgeht, ist nicht
minder meisterlich. Küchenchefin Sophia Rudolph, gebürtige Berlinerin, die ihre Ausbildung
in Frankreich absolvierte und später bei Daniel Achilles im Restaurant Reinstoff und
als Souschefin bei Marco Müller tätig war,
serviert mit ihrem Team echtes Soulfood: geschmacksstark,
beschwingt und von Gang zu
Gang ungemein anregend.
Komplettiert wird das Bild von der kleinen
Brasserie Le Bon Mori, die – ebenfalls im August
– in Berlin-Kreuzberg an den Start ging
(www. lebonmori.de). Moritz Borowski, Kochlehre
im Alten Zollhaus, Stationen in den Hotels
Hubertushöhe und Estrel sowie in der Schweiz,
bietet französische Bistroküche von Feinsten
und beweist: Erfolg hat, wer sich was traut. Panama-Küchenchefin Sophia Rudolph.
Das alles sind gute Nachrichten. Weniger gut klingt eine Zahl, die ich dieser Tage las:
1.300. Soviele freie Lehrstellen gab es zum Beginn des Ausbildungsjahres am 1. August
in Berlin. Vor allem dem Hotel- und Gaststättengewerbe sowie dem Lebensmittelhandwerk
fehlen Bewerber: Restaurantfachleute, Bäcker, Fleischer und Köche. Ausgerechnet
Köche. Ich frage mich, wer da was falsch gemacht hat. An den Perspektiven, die der Beruf
bietet, kann es wohl kaum liegen.
Ihre Yvonne Weinlich
weinlich@bildart-verlag.de
GARÇON
5
INHALT
MISE EN PLACE
Schwein:
49 Neue Genuss-Gleichung.
Gute Adressen:
08 Wo Berliner Köche einkaufen.
TITEL
Gute Adressen 8
Wo Berliner Köche einkaufen
Eine Auswahl:
Acht Spitzenköche und ihre Spitzenlieferanten
Micha Schäfer 13
und Gärtner Olaf Schnelle
Michael Kempf 20
und Wollschwein-Züchter Michael Beuthe
Benjamin Rüdiger 24
und der Forellenhof Rottstock
Daniel Achilles 28
und Bio-Bäuerin Margarete Peschken
Alexander Koppe 32
und Bauer Torsten Rahlf
Kolja Kleeberg 36
und Ölmüller Dr. Frank Besinger
Blaues Wunder:
79 Plädoyer für die Kulturheidelbeere.
Matthias Gleiß 40
und Wildhändler Guido Richard
Hendrik Otto 44
und Gemüse-Bauer Carlo Polland
LOKALTERMIN
Schwein 49
Neue Genuss-Gleichung
Schwiliko 56
Gastlichkeit auf Georgisch
Waldschenke Stendenitz 62
Bunte Hütte
KOPFSALAT
Mamma Angela 66
Der gute Geist der Trattoria A'Muntagnola
Christa Lutum 70
Bei uns ist gut Brot essen
6 GARÇON
Japanisches Tagebuch:
90 Bei den Ama-Taucherinnen von Toba.
GESCHMACKSSACHEN
Des Kürbis´ Kern 76
Grünes Gold aus Zauchwitz
Blaues Wunder 79
Plädoyer für die Kulturheidelbeere
Gusto Sicilia 82
Entdeckungen auf dem Karl-August-Platz
BOUQUET GARNI
Angela Matarrese:
66 La Mamma.
Nachrichten und Neuigkeiten 85
Meisterköche 2016
Küchen-Fuchs
KULINARISCHE EXKURSION
Tour nach Toba 90
Japanisches Tagebuch
RUBRIKEN
Fuhrmanns Früchtekorb 120
Mangostane
Garcon-Quiz 122
Impressum 123
Christa Lutum:
70 Bei uns ist gut Brot essen.
biologisch, nachhaltig & genussvoll
Kokosnussprodukte, Meeresalgen und mehr
info@kulau.de • www.kulau.de
WOLFRAM SIEBECK
WOLFRAM SIEBECK
19. September 1928 – 7. Juli 2016
Geborener Satiriker. Kulinarischer Aufklärer. Biograf unseres Geschmacks.
8 GARÇON
WOLFRAM SIEBECK
KÜCHENRADIO
Im Gegensatz zum Rauchen ist Musik in der Küche gestattet. Deshalb gehört zur kompletten
Küchenausrüstung ein Radio.
Ich nehme an, dass eine Hausfrau, die in der Lage ist, ihren halbautomatischen
Backofen mit seinen verschiedenen Knöpfen und Einstellungsmöglichkeiten zu bedienen,
auch mit einem Küchenradio fertig wird. Im Zweifelsfall bittet sie ihren Vater
oder Schwiegervater um diese Gefälligkeit. Ältere Männer wissen meistens, wie man
die Mittelwelle von der Ultrakurzwelle (FM) unterscheidet. Ein Radio in der Küche
dient aber nicht nur zur musikalischen Unterhaltung der dort werkelnden Hausfrau.
Es sendet auch Nachrichten. Auch diese können für das Gelingen des Sonntagsessens
ausschlaggebend sein!
Zum Beispiel wenn bekannt gegeben wird, dass im nahe gelegenen Atomkraftwerk
ein größerer Störfall eingetreten ist, weshalb die Bevölkerung gebeten wird, das Küchenfenster
zu schließen. Damit wird mit Sicherheit das Soufflé gerettet, welches bei
Durchzug – also geöffnetem Küchenfenster – sofort zusammenfallen würde.
Hingegen keinen Einfluss auf das in der Küche hergestellte Essen haben die Werbespots
der Nahrungsmittelfirmen. Was immer dabei versprochen wird – das beste
Aroma, die gesündere Puddingsorte, der kinderleicht zu kochende Reis, die vorteilhafte
Babynahrung, das kinderverträgliche Hundefutter, Schonbezüge für Treppengeländer,
Hochglanzpolitur für Fußmatten, Pizza ohne Zucker, Kaffee ohne Coffein,
Blutwurst ohne Blut, Knackwurst ohne Wurst, Tafelbutter mit dem Faktor T, Buchstabennudeln
für Analphabeten – kurzum, so wenig dem Wetterbericht zu trauen ist, so
wenig sollte man den Werbesendungen glauben, die vor oder nach dem Wetterbericht
vom Radio verbreitet werden. Nirgends wird so viel gelogen wie auf Pressekonferenzen
und in der Lebensmittelwerbung.
Die Kolumne entnahmen wir mit freundlicher Genehmigung von Barbara Siebeck dem Band „Siebecks Küchenknigge“.
Erschienen 2010 im Verlag Edition Braus Berlin.
GARÇON
9
10 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Gute Adressen
WO BERLINER KÖCHE EINKAUFEN
VON JÖRG TEUSCHER
Bei Joachim Wissler ist es das Schönmoorer Freilandhuhn aus dem
Norden Schleswig-Holsteins, das den Vergleich mit seinen Cousinen
aus der Bresse nicht zu scheuen braucht; bei Sven Elverfeld
sind es die Saiblinge und deren nur mit etwas Karpatensalz konservierter
Kaviar aus der Zucht von Michael und Wolfgang Sicher
in Tainach im österreichischen Bundesland Kärnten; bei Harald
Wohlfahrt der delikate Marron-Krebs, der eigentlich australischen
Ursprungs ist, inzwischen aber auch auf der Schwäbischen Alb gezüchtet
wird und bei Christian Bau der herausragend geschmacksstarke
grüne Spargel von Roger Blanc aus der Provence – die Beispiele
ließen sich fortsetzten.
Sie belegen, dass Deutschlands beste Köche ihre Viktualien
nicht nur von den bekannten Großhändlern beziehen, sondern zunehmend
auch von kleinen, vertrauenswürdigen Produzenten im
In- und Ausland, die sie meist selbst ausfindig gemacht haben und
natürlich auch persönlich kennen.
Der Grund für solcherart Foodscouting liegt auf der Hand. Die Küchenkünstler
von Bau bis Wissler sind unerbittliche Produkt- wie
Qualitätsfanatiker, denen jedes anonyme Lebensmittel zutiefst
suspekt ist, von wem auch immer es geliefert wird.
Sie wollen – wie ihre Gäste – wissen, was wahr, echt und ursprünglich
ist. Keine Talmiprodukte, sondern möglichst Natur pur,
authentisch und geschmacklich erstklassig.
Und wie ist das in Berlin? Woher beziehen die hauptstädtischen
Spitzenköche ihre Zutaten? Wir baten die kochenden Damen und
Herren um einige ihrer „besonderen“ Lieferantenadressen.
Das Ergebnis der Umfrage: Von 20 Küchenchefs, denen wir unsere
Fragen stellten, antworteten 19, lediglich von Christian Lohse hörten
wir nichts. Chef Tim Raue schrieb, dass er keine regionalen Lieferanten
habe, die nennenswert seien, und auch Markus Semmler ließ
mitteilen, dass er ohne kleine Lieferanten auskomme. Ansonsten:
viele Namen, viele Adressen, von denen wir einige besuchten.
GARÇON
11
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
AXEL SZILLEWEIT
Bio-Bauer, Teltow/Ruhlsdorf
FRITZ LLOYD BLOMEYER
Käsehändler, Berlin-Charlottenburg
JOACHIM LECHLER
Binnenfischer, Caputh
Ohne seine Hartnäckigkeit und sein gärtnerisches
Vermögen wären die kleinen,
haarigen, grau-weißen Wurzeln wohl schon
längst in der Versenkung verschwunden.
Der Gartenbauingenieur bewahrte das Teltower
Rübchen davor und sorgte mit dafür,
dass es Slow Food 2008 in seine Arche des
Geschmacks aufnahm.
www.teltower-ruebchen.com
Blomeyer, geboren 1984 in Berlin, hätte
wahrscheinlich auch als Rechtsanwalt eine
ziemlich gute Figur gemacht. Doch er
schmiss das Jurastudium, lernte Käser
und machte sich 2009 mit dem erworbenen
Wissen und dem Willen selbstständig,
dem faden Industriekäse beste Handwerksprodukte
entgegenzusetzen. Das gelang
ihm schnell.
„Wenn alle Fische, die in Berlin als Havelzander
verkauft werden, welche wären,
müsste die Havel mindestens so lang wie
die Donau sein“, sagt Joachim Lechler. Der
67-Jährige muss es wissen, denn er ist Havelfischer
mit familiärem Fischerei-Recht
seit immerhin 1492. Neben dem Zander
aus der Havel liefert er auch Aale, Barsche
und Hechte.
ALFREDO SIRONI
Bäcker, Berlin-Kreuzberg
MARKO SEIBOLD
Bio-Bauer, Syke
ERWIN GEGENBAUER
Essigbrauer, Wien
Er kam nach Kreuzberg, sah die Nische
und eröffnete Berlins erste Markthallen-
Bäckerei – Alfredo Sironi, 35, Italiener vom
Comer See, Historiker mit Diplom und
Bäcker aus Passion. Sein Pane di Milano,
das Ciabatta und die Focacce gelten inzwischen
als das Maß aller Italo-Backwaren
in Berlin.
www.facebook.com/sironi.de
Marko Seibold aus Syke im niedersächsischen
Landkreis Diepholz ist nicht nur
unter den Berliner Spitzenköchen eine
ge schätzte Größe. Seibold, 44, Demeter-
Land wirt, Fein gemüsegärtner und Fachmann
für alte Gemüsesorten, bietet ein
beachtliches Sortiment außergewöhnlicher
Pflanzen: Baumspinat, Eiskraut und
Haferwurzel sind nur drei Beispiele.
Erwin Gegenbauer, 55, Wiener mit allem
Drum und Dran, spricht und schreibt nicht
nur über die moderne Gleichschaltung
des Geschmacks, er tut auch was dagegen.
Seit 20 Jahren braut er in seiner Manufaktur
im Bezirk Favoriten Essige, deren
Stärke ihre Natürlichkeit ist. Und er
plädiert für mehr Mut zum Sauren.
www.gegenbauer.at
12 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
GEORG RIXMANN
Landwirt und Gärtner, Linum
ALEXANDER LEHMANN
Olivenbauer, Massarosa/Italien
PAUL SCHULZE
Bio-Bauer, Havelsee
Der 62-jährige Gemüsespezialist stammt
aus einer jahrhundertealten niedersächsischen
Bauerndynastie. Er kam 1996 nach
Linum, gründete mit seiner Partnerin Sabine
Schwalm Rixmanns Hof und fokussierte
sich auf den Bohnen-, Gurken-, Erdbeer-
und Speisekürbisanbau (in diesem
Jahr immerhin 115 Sorten!)
www.gemuese-und-obst.de
Alexander Lehmann, 24, Absolvent der
Slow-Food-Universität in Pollenzo/Piemont,
ist Geschäftsführer des Agroturismo
Il Casone 1729 und Produzent eines
der bes ten Olivenöle der Toskana. „Wie
ein Parfum“, lobte beispielsweise Drei-
Sterne-Koch Joachim Wissler das reintönige
Extra Vergine.
www.ilcasone1729.com
Der 75-jährige Paul Schulze, Diplom-Agraringenieur,
gehörte 1992 in Branden burg
zu den Demeter-Gründungsmitglie dern.
Seit dem baut er auf über zehn Hektar die
alte Spargelsorte Eros ohne Folien-Verfrühung
an und hält sogenannte Heckrinder,
eine Au er ochsen-Rückzüchtung. Anfang
des Jahres übertrug er den Hof an
seine Tochter Kirstin.
DIRK LUDWIG
Fleischermeister, Schlüchtern
PETER KUNZE
Kräutergärtner, Roth
HELMA HAMADER
Bio-Bäuerin, St. Bernhard/Österreich
Er ist Inhaber eines der innovativsten
Handwerksbetriebe der Fleischbranche –
Metzgermeister Dirk Ludwig. Der 42-Jährige
aus dem nordhessischen Schlüchtern
macht mit Spezialitäten Furore, etwa
seinem Aqua Aged Beef, dem Asche Aged
Beef oder dem Grand Mu Steak, Ludwigs
Antwort auf das spanische Txogitxu.
www.der-ludwig.de
Der 52-jährige Diplom-Biologe, geboren
in Bagdad, lebt in der Nähe von Nürnberg
und hasst jede Art von Öffentlichkeit. Er
liebt die grüne Welt der vergessenen oder
versteckten Kräuter und die alten, samenfesten
Gemüsesorten. Er zieht Persische
Kresse, Blattsenf und Co., kultiviert seltene
Tomaten- und Paprikasorten – Peter
Kunze, ein echter Geschmacksscout.
Die 50-Jährige bewirtschaftet im niederösterreichischen
Waldviertel einen De meterhof
und kultiviert auf rund 70 Hektar
30 alte Getreidesorten, darunter Bergweizen,
Einkorn, Emmer, Johannisroggen,
Nacktgerste und Nackthafer. Neben dem
puren Korn vermarktet sie auch Getreidereis
und -flocken.
www.meierhof.at
GARÇON
13
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
JOHANNES PINTERITS
Gewürzbauer, Klingenbach/Österreich
RUDOLF H. BÜHLER
Bio-Bauer, Wolpertshausen
MARTIN STIMMER
Haselnuss-Bauer, Moosinning
Obwohl in Wien geboren, betont Pinterits:
„Ich bin Burgenländer!“ Er stu dierte
Wirtschaft, war Devisenhändler und Chefredakteur
der ORF-Volksgruppenre daktion
in Eisenstadt. Seit 2005 macht Pinterits
in Gewürzen. Er baut Pan nonischen Safran
und Neusiedler Ma joran an, vermarktet
Wild fenchelpollen und presst nach einem
uralten Verfahren feine Würzöle.
www.neusiedler-majoran.at
Rudolf H. Bühler, 64, gelernter Landwirt,
dip lomierter Agrarsoziologe und praktizie
render Bio-Bauer gründete vor rund
30 Jahren mit einigen Gleichgesinnten die
Bäuerliche Erzeu ger ge meinschaft Schwäbisch
Hall. Damit ret te te er eine der ältesten
deutschen Haustierrassen, das
Schwäbisch-Hällische Schwein, vor dem
Aussterben – zur Freude aller Karnivoren.
www.besh.de
Nördlich von München liegt Erding. Hier
schlägt das Herz des Weißbieres, das weiß
man. Die Wenigsten wissen allerdings,
dass es im nahen Städtchen Moosinning
die besten Haselnüsse des Landes gibt.
Martin Stimmer bewirtschaftet seit Jahrzehnten
mit seiner Familie die stattliche
Plantage – rund 7.000 Sträucher, alte Sorten
mit feinem Geschmack.
www.haselnuss24.de
KARIN SCHLEGEL
Geflügelzüchterin, Klein Gottschow
JENS-PETER SCHAFFRAN
Binnenfischer, Waren/Müritz
FRANK VAN DER HULST
Bio-Bauer, Weggun
Karin Schlegel, 55, stammt aus Osterode/Harz,
unterrichtete in Hamburg und
Berlin jahrelang geistig Behinderte, zog
1996 nach Klein Gottschow im nördlichsten
Winkel Brandenburgs und übernahm
den Prignitzer Landhof. Hier züchtet sie
das beste Geflügel der Region – Gänse, Enten,
Hühner, Puten, Tauben – selbstverständlich
in Freilandhaltung.
www.prignitzer-landhof.de
Der 51-jährige Diplom-Fischerei-Ingenieur
führt seit 2004 die Geschäfte der Fischerei
Müritz-Plau GmbH, im Branchen jargon
„Die Müritzfischer“. Das Un ter nehmen
nutzt 27.000 Hektar Seen, Flüs se und Kanäle
für die Fischerei – Aal, Barsch, Forelle,
Hecht, Maräne, Rotauge, Saibling,
Wels, Zander – kann den Bedarf aber dennoch
nicht decken.
www.mueritzfischer.de
Frank van der Hulst lebt mit seiner Fami -
lie seit sieben Jahren in der nordwest lichen
Uckermark. Weggun, 475 Einwohner. Ihr
Demeterhof ist eine Bilderbuchwirtschaft:
Schafe, Hühner, Ge müsefelder, Streu obstwiesen
und vier Hektar Beeren obst, die
Spezialität des Bio-Bauern: Brom beeren,
Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren,
ein wahres Beerenparadies.
www.weggun.de
14 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Im Nobelhart & Schmutzig: Küchenchef Micha Schäfer und Souschefin Katrin Engelen.
Das Speiselokal Nobelhart & Schmutzig reagierte auf unsere Umfrage
mit einer zweiseitigen Lieferantenliste – 30 Adressen von
Landwirten, Fischern, Gärtnern, Essigbrauern, Ölmüllern und Kräutersammlern.
Absender: Micha Schäfer, Küchenchef des Restaurants.
Wir besuchten den 28-Jährigen in seinem Domizil in der
Friedrichstraße.
Micha Schäfer, geboren in Interlaken im Mittelschweizer Kanton
Bern und aufgewachsen in Ostwestfalen, studierte Theologie, bevor
er über einen Job als Spüler zum Kochen fand. Er absolvierte eine
Lehre im Gießener Hotel Tandreas, der einzigen nennenswerten kulinarischen
Adressen in der hessischen Universitätsstadt. Was dort
auf die Teller kam, war ordentlich, aber wenig ambitioniert, kein
Vergleich mit Schäfers folgender Station, der Villa Merton im Frankfurter
Diplomatenviertel Bockenheim.
Hier kochte er zwei Jahre lang an der Seite von Matthias Schmidt,
der in dem noblen Haus eine kreative Naturküche entwickelte, die
dem Guide Michelin zwar zwei Sterne wert war, dem eher konservativen
Eigner der Villa, dem Union International Club, allerdings
nicht schmeckte. In Salzteig gebackener Kohlrabi, Löwenzahnkapern
und Öl vom Bärenklau, einem einheimischen Doldengewächs,
oder Müritzaal im Holunderblüten-Weinsud mit gefrorenem Meerrettich
und Erbsencreme – nein danke.
Man trennte sich, Schmidt blieb in der Rhein-Main-Region und
heuerte bei einem Unternehmen an, das gehobene Betriebsrestaurants
betreibt, Schäfer zog es nach Berlin.
Als Küchenchef in Billy Wagners Speiselokal Nobelhart & Schmutzig
steht er für eins der spannendsten kulinarischen Konzepte, die
es derzeit in der Hauptstadt gibt.
Wagner, Schäfer und ihre Mannschaft servieren unbeirrt eine
radikale Regionalküche, aromatisch dicht, geschmacksstark, modern,
nachhaltig und fernab jeglicher Orthodoxien global aufgeblasener
Edelgastronomie.
GARÇON
15
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
Micha Schäfer, was haben Sie eigentlich gegen Paul Bocuse?
Komische Frage, was sollte ausgerechnet ich gegen einen Großmeister
haben, der seit 1965 alljährlich mit drei Michelin-Sternen
ausgezeichnet wird, seit 1989 den Gault-Millau-Titel ‚Koch des
Jahrhunderts‘ trägt und für eine bodenständige Küche steht, die
ausschließlich auf frische saisonale und regionale Produkte setzt?
Das T-Shirt im Fenster des Nobelhart & Schmutzig sagt aber etwas
anderes...
Vielleicht hätten Sie mal genauer hingucken sollen. Da gibt es nämlich
noch einen Zettel, auf dem wir denen, die solche Vermutungen
wie Sie anstellen, mitteilen, was Sache ist.
Keith Richards trug bei einer Tour der Rolling Stones 1975 ein T-
Shirt mit der Aufschrift ‚Who the fuck is Mick Jagger?‘ Damit wollte
er seinem Bandkollegen Respekt zollen. Wir tun es ihm einfach nur
gleich.
Danke, verstanden. Also eine Verbeugung vor Paul Bocuse.
Was dachten Sie denn?
Ich dachte zurerst: ziemlich anmaßend – aber Sie haben mir ja
jetzt erklärt, wie es sich verhält. Lassen Sie uns mal bei Kleidungsstücken
bleiben, Sie werben auf Ihrer Kochjacke für die
Markthalle Neun. Weshalb?
Für mich ist auch das eine Verbeugung, diesmal vor einem wichtigen
Partner. Die Macher der Markthalle Neun in Kreuzberg haben
ein Netzwerk von kleinen regionalen Produzenten aufgebaut, von
dem wir im Norbelhart & Schmutzig unwahrscheinlich profitieren.
Und es gibt dort auch die entsprechende Logistik. Deshalb beziehen
wir über die Markthalle Neun einen Teil dessen, was wir hier
verarbeiten.
Und der Rest?
Der kommt ebenfalls von kleinen Produzenten, mit denen wir direkt
zusammenarbeiten.
Wieviele Lieferanten haben Sie denn?
Rund 40.
Alle aus der Region?
Die meisten haben ihre Höfe in der Nähe, also in Berlin und Brandenburg,
einige sind in Mecklenburg-Vorpommern ansässig. Nüsse
bekommen wir aus Bayern, Essige aus Rheinland-Pfalz, Öle aus
Baden-Württemberg.
Die Produzenten kennen Sie alle persönlich?
Absolut, das ist die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit. Einmal
im Monat bin ich am Wochenende beispielsweise in Brandenburg
unterwegs und besuche Bauern, Gärtner, Fischer. Wir reden,
sie erfahren, was ich will; ich, was sie können. In einigen Fällen
machen wir inzwischen auch eine gemeinsame Anbauplanung, die
natürlich beiden Seiten eine größere Sicherheit gibt. Und ich merke
dann auch, wieviel es noch zu entdecken gibt.
Produkte, die Sie noch nicht kennen?
Ja, auch, vor allem aber, dass zum Beispiel das gleiche Gemüse,
wenn es auf unterschiedlichen Böden wächst, verschieden
schmeckt. Wir nennen das Mikroregionalität, da wollen wir noch
viel stärker ´reinsteigen.
Und daraus entstehen dann neue Gerichte?
Ja, das ist dann noch ein ziemlich langer Prozess. Aber der beginnt
immer mit einem unverfälschten Produkt. Natürlich müssen wir
auch wissen ob es immer in der gleichen Qualität zur Verfügung
steht und wie verfügbar es überhaupt ist.
16 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Stichwort Verfügbarkeit, bekommen Sie von Ihren kleinen Produzenten
denn immer die Mengen, die Sie brauchen?
Ein Beispiel. Unsere Geflügel- und Eierlieferantin Karin Schlegel
aus der Prignitz hat uns kürzlich 20 Lachshühner angeboten.
Lachshühner?
Ja, das ist eine alte Rasse mit hervorragendem Fleisch, deren ursprüngliche
Heimat Frankreich ist.
Also 20 Hühner, das ist nicht viel.
Gemessen an anderen Sachen, die wir manchmal bekommen, geht
das eigentlich, aber Sie haben ja nach der Verfügbarkeit gefragt.
Und da sage ich, dass wir in der Lage sein müssen, ein Gericht auch
mal nur zwei, drei Tage auf der Karte zu haben.
Welcher Monat ist eigentlich für Sie, was die Verfügbarkeit von
Produkten betrifft, der schwierigste?
Der April. Gemüsetechnisch auf jeden Fall. Deshalb sind wir auch
das ganze Jahr damit beschäftigt, einzuwecken, zu fermentieren.
Bis vor kurzem haben wir beispielsweise Erdbeeren getrocknet.
Vielen Dank für das Gespräch und herzlichen Glückwunsch an das
gesamte Team zur Auszeichnung ‚Restaurant des Jahres‘ durch
die Redaktion des FEINSCHMECKER!
GARÇON
17
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
MICHA SCHÄFER, 28, KÜCHENCHEF
SPEISELOKAL NOBELHART & SCHMUTZIG
Junges Gemüse/Quark, nach Michel Bras, Laguiole.
1986, Nobelhart-&-Schmutzig-Küchenchef Micha Schäfer war
noch nicht auf der Welt, da richtete der damalige Gault-Millau-
Chefredakteur einen Appell an die Gäste deutscher Spitzenrestaurants:
„Übergehen wir die Patrons“, notierte Manfred Kohnke,
„die uns landauf, landab die ewig gleichen, nur ständig teureren
Gänselebern mit Sauternesgelee, Steinbutte an Champagnersauce
und schottischen Lämmer an Rosmarinjus vorsetzen. Ermutigen
wir statt dessen die Küchenchefs, die uns überraschende
Geschmacks erlebnisse aus veredelten Viktualien der heimischen
Flora und Fauna vermitteln.“
Kohnkes Philippika vor 30 Jahren gegen die preistreibenden
Luxusprodukte lag allerdings der Irrtum zugrunde, dass es regionale
Waren jenseits von Kaviar und Co. spottbillig gäbe. Nein, wer
einmal gesehen hat, wie vieler Anstrengungen es bedarf, eine alte
18 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Diplom-Gartenbauingenieur Olaf Schnelle.
Gemüsesorte zu kultivieren und dabei auf Pestizide und anderen
Chemiekram zu verzichten, der weiß auch, dass Kardy & Co. nicht
für ein paar Cent zu kriegen sind.
Im Nobelhart & Schmutzig ist das keine Frage. „Wir möchten,
dass unsere Produzenten für ihre Arbeit ordentlich bezahlt werden
(...) Landwirtschaft muss sich lohnen!“, posteten Billy Wagner und
Micha Schäfer Mitte August und erklärten, weshalb ab 16. September
das 10-Gänge-Menü in ihrem Restaurant nicht mehr mit 80,
sondern mit 95 Euro zu Buche schlägt. Gut so.
Olaf Schnelle, ihren Mann für Ackerveilchen, Magentamelde,
Schildampfer und anderes Grünzeug, wird’s freuen. (Und auch mit
dem neuen Menüpreis liegt das Nobelhart & Schmutzig, verglichen
mit den Preisen in anderen Berliner Sternerestaurants, immer noch
im letzten Drittel.)
GARÇON
19
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
Olaf Schnelle war mal eine ziemliche Berühmtheit – Unternehmer
des Jahres, Mitmacher der Nation, mit wichtigen Preisen überhäuft,
von renommierten Zeitschriften empfohlen.
Schnelle, Jahrgang 1966, stammt aus Erfurt, studierte an der Berliner
Humboldt Universität Gartenbau, Abschluss Diplom-Ingenieur,
und zog 1996 aus der lauten Hauptstadt ins stille Vorpommern.
Dorow, ein Dörfchen irgendwo im Nirgendwo, 20 Kilometer bis
Grimmen, 40 bis Greifswald. Weil er mit seinem Projekt, biologische
Kläranlagen zu bauen, nicht punkten konnte, gründete er zwei Jahre
später die Essbaren Landschaften, ein Unternehmen, das sich
wilden Kräutern und alten Gemüsesorten und deren Vermarktung
widmete.
Im Jahr 2000 kam Ralf Hiener dazu, ein gebürtiger Badener, der
zuvor als Küchenchef im Weißen Hirsch auf dem Darß bewiesen
hatte, dass es ein kulinarisches Leben neben Bressetaube, Steinbutt
und Stopfleber gibt.
Der schier unaufhaltsame Aufstieg der Essbaren Landschaften begann,
der Koch und der Gärtner schrieben eine Erfolgsgeschichte,
die ihresgleichen suchte. Sie waren zur rechten Zeit am richtigen
Ort. Immer mehr Köche verzichteten auf exotische Attitüden und
entdeckten dermaßen viele regionale Tugenden, dass der Gault Millau
schon mal über die „jetzt überall üblichen Wildkräuter“ moserte.
Olaf Schnelle und Ralf Hiener ackerten und sammelten und erhielten
den CMA-Spezialitätenpreis, den Lebensmittel-In no vations
preis, einen Existenzgründerpreis, wurden im Rahmen der
Aktion „Land der Ideen“ geehrt und vom FEINSCHMECKER als
„Helden des guten Geschmacks“ gefeiert.
Als allerdings Witterungsunbilden immer öfter Ernteausfälle
nach sich zogen, kamen die Essbaren Landschaften ins Trudeln.
Der nordrhein-westfälische Unternehmer Thomas Hoof, der mit dem
Verkauf des von ihm gegründeten Manufactum-Versandhandels
Millionen gemacht hatte, bot ihnen eine neue Chance, und tat-
20 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Erntehelferin Sybille Langschwager-Spring.
sächlich schien es, dass Schnelle und Hiener unter dem Dach der
Hoof-Gruppe an frühere Erfolge anknüpfen könnten. Im Mai 2013
erschien immerhin ein 28-seitiger Katalog: Essbare Landschaften
– Die einfachen Genüsse. Das klang gut und hätte ein Scoop
werden können, doch Hoofs Renditeerwartungen lagen wohl in anderen
Dimensionen. Im Juni 2014 trennte man sich wieder.
Olaf Schnelle postete: „Die Essbare Landschaften GmbH & Co. KG
befinden sich nun vollständig im Besitz der Thomas-Hoof-Beteiligungsgesellschaft.
Sie wendet sich anderen Aktivitäten zu“.
Er kehrte zurück zu seinen Wurzeln, Hiener zog nach Dresden und
übernahm dort das Restaurant Raskolnikoff. „Eine zweijährige Lebenskrise
ging endlich zu Ende“, resümiert der 50-jährige Schnelle.
Heute ist er wieder ein glücklicher Gärtner, der das tut, was er
am besten kann und nicht mehr getrieben ist vom Drang, um jeden
Preis Kohle zu machen. Auf einem halben Hektar Pachtland
kultiviert er Kräuter und Gemüse: Bronzefenchel, Eisbegonie, Gemüsemalve,
Süßdolde, Knollenfenchel, Pa tisson. Er hat portable
Ge wächshäuser gebaut, eine Wasserversorgung installiert und vier
Mit arbeiterinnen eingestellt, die ernten und sammeln und Pakete
packen: für Joachim Wissler in Bergisch Gladbach, Harald Wohlfahrt
in Baiersbronn und Christian Jürgens in Rottach-Egern etwa.
Neben seinem Grundstück entsteht eine Halle. „Meine Fermentationsmanufaktur“,
sagt er. Die Spitzenköche in der Hauptstadt
wie Micha Schäfer beliefert Olaf Schnelle übrigens höchstpersönlich.
„Dann höre ich, was so los ist in der Branche...“
OLAF SCHNELLE GARTENBAU
Dorow Nr. 9
18513 Grammendorf OT Dorow
Tel. 038334 — 28 30 60
www.schnelles-gruenzeug.de
GARÇON
21
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
MICHAEL KEMPF, 39, KÜCHENCHEF
RESTAURANT FACIL, THE MANDALA HOTEL BERLIN
Nacken von Bauer Beuthes Wollschwein, Kopfsalat, Erbsen, Minze.
„Seine Küche ist regional, wo es hilft, und saisonal, wo es Spaß
macht, bedient sich ansonsten jedoch freimütig im Orient genauso
wie in Oberbayern, am Mittelmeer wie an der Müritz“, so brachte es
Harriet Köhler von der Süddeutschen Zeitung jüngst auf den Punkt.
Für Michael Kempf gibt es keine Schublade.
Im März 2003 kam der gebürtige Sigmaringer nach Berlin, Souschef
bei René Conrad im Restaurant Facil, ein paar Monate später
Küchenchef, inzwischen mit zwei Michelin-Sternen und 18 Gault-
Millau-Punkten geehrt, ein Großer seiner Zunft und ein sympathischer
Typ, der sich nach mehr als zwanzig Berufsjahren immer
noch darüber begeistern kann, „wie schön die Jus geworden ist“.
Überhaupt: Michael Kempf strahlt eine Lust am Kochen und am
Genuss aus wie nur wenige seiner Generation. Und er schafft es,
diese Lebensfreude an Lebensmitteln bunt, fröhlich und appetit-
22 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Wollschwein-Züchter Michael Beuthe.
anregend an die Tische zu bringen. Kein Wunder, dass es die hedonistische
Karawane immer wieder in die fünfte Etage des Mandala
Hotels am Potsdamer Platz zieht.
Eins von Kempfs Lieblingsprodukten ist das Wollschwein. Das
kräftige und saftige Fleisch der aus der ungarischen Puszta stammenden
Uralt-Rasse steht schon seit ein paar Jahren regelmäßig
auf der Facil-Karte: der geräucherte Rücken zur Suppe von Steckrübe,
Grünkohl und Amalfi-Zitrone, der Bauch mit Pastinake, Quitte
und Arabica, das Eisbein nebst Fenchel, die Schulter mit Berliner
Löffelerbsen und Liebstöckel oder der Nacken, begleitet von Kopfsalat,
Erbsen und Minze.
Und die Facil-Speisekarte nennt in diesem Fall, wie in anderen
Fällen übrigens auch, natürlich den Lieferanten des Fleisches: Bauer
Beuthe. Michael Beuthe.
GARÇON
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TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
„Natürlich macht es mich stolz, wenn, wie jüngst geschehen, Freunde
im Facil essen waren und dann anrufen und sagen: ‚Alle Achtung,
ihr beliefert sogar ein Zwei-Sterne-Restaurant.‘ Für Branchenriesen
wie Otto Gourmet ist das die Normalität, für einen kleinen
Schweinezüchter wie mich aber längst nicht, obwohl wir uns, was
die Qualität unserer Ware betrifft, durchaus mit solchen Leuten
messen können.“
Michael Beuthe ist Wollschwein-Züchter in Schwante, ein paar
Kilometer westlich von Oranienburg. Wir machen uns auf den Weg
in Richtung Norden. Beuthe empfängt uns am Hoftor, ruft seinen
Hund zur Ordnung und fragt: „Erst die Schweine, dann Kaffee und
Kuchen oder andersrum?“
Wir entscheiden uns für die Schweine, deswegen sind wir
schließlich gekommen. Hätten wir gewusst, dass daraus ein anderthalbstündiger
Rundgang mit agrarwissenschaftlichem Vortrag
werden würde, wir hätten uns wahrscheinlich zuerst gestärkt.
Beuthe, Jahrgang 1940, kam in Dresden zur Welt, studierte in Berlin
Garten- und Landschaftsbau, arbeitete einige Jahre als Architekt
in Kanada, kehrte zurück nach West-Berlin und richtete sich in der
eingemauerten Stadt ein. Eigene Firma, eigenes Haus in Frohnau,
Familie, Freunde, keine Not.
In den Wendewirren kam der Unternehmer zum ersten Mal nach
Schwante, ein paar Jahre später kaufte er hier 90.000 Quadratmeter
märkisches Land. Er kultivierte und rekultivierte und im Laufe
der Zeit entstand ein beeindruckender Schaugarten: Duftrosenbeete,
Lavendelflächen, Lotosteiche, Rhododendronanlagen, ein
Gartenparadies gleich hinter der Berliner Stadtgrenze.
Und weil Beuthe immer noch ungenutztes Land hatte, kam der
Mann 2006 aufs Schwein. Nicht auf ein x-beliebiges Hausschwein,
sondern auf das robuste und wetterharte Wollschwein, dessen
Haut von einem dichten, ringellockigen Haarkleid gegen Kälte und
Sonnenbrand geschützt ist – das so genannte Mangalitza.
24 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Psychostress liegt dieser Rasse fern, die Tiere wachsen langsamer,
werden größer, ihr Fleisch ist dunkler und, ja, auch fetter. Die
feine Marmorierung in den Muskeln und eine ordentliche Schicht
Rückenspeck sorgen aber dann auch für den grandios kräftigen
Geschmack des Fleisches – kein Vergleich zu dem blassen, wässrigen,
faden Fleisch der modernen Hochleistungsrassen, die im
Mainstream des Magerwahns gezüchtet wurden.
Beuthe kennt einen Vergleich: „Während ein 1950 geschlachtetes
Schwein im Durchschnitt noch 15 Kilogramm Fett lieferte, waren
es 1990 nur noch gut 4,5 Kilogramm.“
Ein Opfer dieser Entwicklung war das Mangalitza. Noch heute
gehört es – trotz des bescheidenen Revivals einiger alter Rassen –
noch immer zur Gruppe der gefährdeten Haustiere, weil es sich
auch der industriellen Mast beharrlich widersetzt.
„Die intensive Haltung wirkt sich bei Wollschweinen negativ
auf die Fruchtbarkeit aus“, erklärt Michael Beuthe. Doch das ist
für den 76-jährigen Wollschwein-Züchter ohnehin kein Thema. 80
der geselligen und sozialen Tiere leben derzeit auf seinem Hof in
Schwante und fühlen sich auch ohne Stall sauwohl.
In großzügigen Freigehegen durchpflügen sie die Erde nach
Wurzeln, Würmern und Pflanzenresten oder stampfen einfach nur
im Matsch herum.
Das sind wirklich richtig gute Schweinezeiten in Michael Beuthes
Schweine paradies – bis der Metzger kommt. Dann freuen
sich Kempf & Co. und deren Gäste.
SCHAUGARTEN SCHWANTE
Gartenweg 56
16727 Oberkrämer OT Schwante
Tel. 0177 — 274 29 34
www.schaugarten-schwante.de
GARÇON
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TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
BENJAMIN RÜDIGER, 35, KÜCHENCHEF
RESTAURANT LANSK
Gebratener Stör, Erbsencreme, rote Zwiebeln, Speckschaum.
Benjamin Rüdiger, der junge Inhaber und Küchenchef des im August
2014 eröffneten Restaurants Lansk in der Wilmersdorfer Meier
ottostraße, gibt Gas.
Noch immer in der Berliner Spitzengastronomie eher die Ausnahme
denn die Regel, serviert er bereits mittags Kalbstafelspitz
mit Fenchelgemüse, Lachsforelle mit Bärlauchgraupen oder Wiener
Schnitzel mit Bratkartoffeln. Abends dann kommt eine ebenfalls
an regionalen Produkten ausgerichtete, aber vielschichtigere
Küche auf die Teller. Rüdigers Portfolio: kein spartanisches, von
un gewürztem Brot zur Geschmacksneutralisierung begleitetes Verkostungsritual,
sondern eher was in der Kategorie wahrer Genuss.
Matjes aus Glückstadt zum Beispiel gibt es als Tatar mit Pumpernickelcreme,
Gurkengelee, Apfel-Gurken-Vinaigrette und Schmorgurkeneis;
Büffelmozzarella aus Kremmen mit Senferdbeeren und
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Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Küchenchef Benjamin Rüdiger mit Susanne und Matthias Engels vom Forellenhof Rottstock, v.li.
Estragon; Störfilet aus Rottstock mit Erbsencreme, roten Zwiebeln
und Speckschaum.
„Das ist noch keine Kochkunst, aber es schmeckt“, sagt der
Gault Millau. Besser als Kochkunst, die nicht schmeckt, sagen wir.
Benjamin Rüdiger ist einer der jüngeren Küchenchefs, die mit
Franz Raneburger, Horst Petermann, Johannes King und Harald
Wohlfahrt klassische Lehrmeister hatten und damit auf einem festeren
Fundament stehen als manche Shootingstars, die auf ihren Tellern
lediglich billige Imitate der nordischen Trendküche hinterlassen.
Und natürlich pflegt auch Rüdiger seine Lieferanten – die Jäger
auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog zum Beispiel, die ihm
Wildfasane und Wildhasen schicken oder die Fischzüchter vom Forellenhof
Rottstock im Hohen Fläming, von denen er Forelle, Saibling,
Stör & Co. bezieht.
GARÇON
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TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
787 Brandenburger Betriebe, so teilte es kürzlich das Landwirtschaftsministerium
in Potsdam mit, erzeugen oder verarbeiten Bio-
Produkte. Der Forellenhof Rottstock gehört nicht dazu, weil seinen
Betreibern die Bio-Zertifizierung zu teuer ist.
Wer allerdings genau hinschaut und bei Susanne und Matthias
Engels vielleicht auch mal nachfragt, weiß schnell: Mehr Bio als
hier geht in einer Fischzucht nicht.
Rottstock im Landkreis Potsdam-Mittelmark, ein Dorf mit Kirche,
Kneipe, Spritzenhaus und viel, viel Gegend.
Im Frühjahr 2013 übernahmen Matthias Engels und Susanne
Finsterer – inzwischen haben die beiden geheiratet und sie heißt
auch Engels – hier eine traditionelle Teichwirtschaft, 24 Teiche,
insgesamt rund sechs Hektar, durchflossen vom Wasser der Gesundbrunnenquelle.
Seit 1910, dem Gründungsjahr der Anlage, wird sie damit zum
ersten Mal von Seiteneinsteigern bewirtschaft. Der Mann aus Wilhelmshaven,
51 und Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik, und die
Frau aus Bamberg, 47 und diplomiert in Politikwissenschaften,
hatten beim Privatfernsehen Karriere gemacht, er als Techniker,
sie als Reporterin, Redakteurin und Produzentin.
„Billig, billiger, am billigsten, das war am Ende nicht mehr unser
Fernsehen“, erzählt Susanne Engels. Sie planten den Ausstieg,
suchten eine neue Herausforderung – Beratung, Werbung, das
wäre nahe liegend gewesen – und entschieden sich schließlich
für das Fernste. Fischwirtschaft, hallo, die Freunde fassten sich
an den Kopf.
Inzwischen ist die Welt dreieinhalb Jahre älter und die beiden
Ex-TV-Menschen sprechen über Fütterung, Hälterung, Teichpflege
und Abfischung als hätten sie ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht
als Fische zu züchten. „Crashkurs beim Vorgänger, einem
ausgebildeten Fischwirt, Bücher und learning by doing“, beschreibt
Matthias Engels die Methode der Kenntnisaneignung.
Früher Fernsehen, heute Fisch: Susanne und Matthias Engels.
28 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Gut anderthalb Jahre braucht es in Rottstock, bis Forellen, Lachsforellen
und Saiblinge schlachtreif sind. Andersorts geht das schneller.
Auch die so genannte Besatzdichte ist dort größer, mehr Fische
also pro Teich.
„Was wir hier machen, hat mit Intensivzucht nicht die Bohne zu
tun“, erklären die beiden Neu-Rottstocker unisono. Nachhaltige
Teichwirtschaft anstelle intensiver Fischmästerei, „die letztlich“,
so Susanne Engels“, auch nur eine Form der grausamen Massentierhaltung
darstellt.“
Wenn Fische viel Platz und reichlich Zeit zum Wachsen haben,
wenn Antibiotika und andere diverse Medikamente tabu sind, dann
schmeckt man das schließlich auch – eine Erkenntnis, die inzwischen
viele Berliner und Brandenburger Küchenchefs gemacht haben
und deshalb den Engels-Offerten den Vorzug geben gegenüber
anderen Angeboten. Für Daniel Deglow, Florian Glauert, Robert
Kettner, Dennis Liermann, Hendrik Otto, Benjamin Rüdiger und etliche
andere sind Forelle, Saibling, Stör und Co. inzwischen gesetzte
Größen in ihren Küchen.
Spitzenreiter ist der Stör, dessen festes Fleisch einen charakteristischen
Geschmack besitzt und auf der Zunge zergeht. Im Rottstocker
Hofladen bietet Susanne Engels Stör als Räucherfisch an,
bald auch Rottstocker Kaviar mit mildem, nicht zu salzigem Aroma
und eine feine Störcreme – Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem
Lansk-Küchenchef Benjamin Rüdiger, der das Rezept für den geschmacksstarken
Brotaufstrich entwickelte.
FORELLENHOF ROTTSTOCK
Dorfstraße 26a
14793 Gräben/Rottstock
Tel. 033847 — 402 41
www.forellenhof-rottstock.de
GARÇON
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TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
DANIEL ACHILLES, 40, INHABER UND KÜCHENCHEF
RESTAURANT REINSTOFF
Geschmortes Rippchen mit Gemüsebündel der Saison.
Schlagzeilen? Überschaubar. Fernsehauftritte? Irgendwann war da
mal was. Kochbücher? Fehlanzeige. Nein, Daniel Achilles gehört
weder zu den Großmeistern medialer Selbstdarstellung noch spielt
er Genie in der Erwartung, als solches angesehen zu werden.
Der 40-Jährige ist einer der stillsten Köche in der Stadt und zugleich
einer der besten. Sein Restaurant Reinstoff – derzeit zwei Michelinsterne
und 18 Gault-Millau-Punkte – ein Glücksfall für Berlin.
Gäste, die das noch nicht wussten, merkten es spätestens im August
dieses Jahres, als Achilles auf dem Hof und in den Räumen
der ehemaligen AEG-Betriebsfeuerwehr High Class Street Food
zelebrierte – zwei Wochen lang Asien, weitere zwei Wochen Südamerika.
Unbeirrt geht der Mann aus dem sächsischen Engelsdorf in
der Nähe von Leipzig seinen Weg, auf dem er beste Produkte mit
30 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Bio-Bäuerin Margarete Peschken.
einem immer ausgeprägteren Gespür kombiniert. Auf die radikale
Regionalität der nordischen Gegenwartsküche und ihrer Anhänger
auch in Deutschland will sich Achilles dabei nicht beschränken.
Es gibt Ananas, Kombu, Lavendel, Shiitake, Bottarga und Kaisergranat.
Einen Wildschwein-Burger serviert er mit Mais aus
Deutschland und Peru; Hamachi, die japanische Gelbschwanzmakrele,
mit Sojasaucen-Eis.
Fisch, Fleisch und Gemüse aber stammen zumeist aus dem Netz
kleiner heimischer Produzenten, das der Reinstoff-Küchenchef
zwischen Bodensee, Oberlausitz und Mecklenburg geflochten hat.
In unserer Umfrage nannte Daniel Achilles beispielsweise den Geflügelzüchter
Frank Zelyk vom Berghäuserhof in Bernstadt, den
Biologen und Kräuterkundigen Peter Kunze aus dem fränkischen
Roth sowie Margarete Peschken, Bio-Bäuerin aus Stierow.
GARÇON
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TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
Wir fuhren von Berlin in Richtung Ostsee und sahen eine Menge
Landschaft. Die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel, wir
strahlten mit und ahnten nicht, dass diese himmlische Bläue der
Vorbote eines fürchterlichen Unglücks war. Das Navi gab seinen
Geist auf.
Nun gehören wir zwar nicht zu den Digital Natives, die nicht mehr
wissen, wozu eine Landkarte gut ist und wie man sie liest, aber was
hilft das schon, wenn man keine dabei hat. Irgendwann fanden wir
dann auch ohne elektronische Hilfe noch zum Ziel.
Willkommen in Stierow, dem entlegensten Nest Mecklenburgs.
Das nächste Städtchen heißt Gnoien, rund zehn Kilometer Landstraße,
die Küste ist noch 50 Kilometer weiter. Stierow also, Landkreis
Rostock.
Am Ende des Dorfes liegt ein stattliches Anwesen, ein bisschen
vom Jugendstil angehaucht, aber keine architektonische Schönheit:
die 100 Jahre alten Zweckbauten eines ehemaligen Zuckerrübengutes.
Nach dem Kriegsende kamen hier Flüchtlinge unter,
später war es LPG-Büro und dörflicher Versammlungsraum.
Hier leben Margarete Peschken und ihr Partner Jörg Schlinke,
Margaretes Mutter und Grischa, ein 27-jähriger Gartenbaulehrling,
der nach Germanistik-und Linguistikstudium eine Selbstfindungsphase
durchmacht.
Peschken und Schlinke sind Künstler, Lebenskünstler sicher
auch, aber das ist nicht gemeint. Nein, Margarete Peschken hat an
der Berliner Hochschule der Künste Malerei studiert, Jörg Schlinke
an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee Bildhauerei. Beide
waren mit anderen Partnern einst ins Mecklenburgische gezogen,
hatten sich vor zehn Jahren kennengelernt und beschlossen, in
Stierow gemeinsame Sache zu machen.
2005 gründete Margarete Peschken ihren Landwirtschaftsbetrieb
„Gutes aus Gretes Garten“. Längst ist die 52-jährige Seiteneinsteigerin
im agrarischen Business angekommen – das Wort
Margarete Peschken und ihr Partner Jörg Schlinke.
Gartenbaulehrling Grischa.
32 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
wird sie nicht mögen – und hat sich einen guten Ruf bei Kunden
und Kollegen erarbeitet.
Der Grund liegt auf der Hand: Sie gehört zur bundesweit wachsenden
Gruppe von Bauern und Gärtnern, die abseits der Produktion
genormter Massenware alte Gemüsesorten kultiviert, die eine
besondere Qualität auf die Teller bringen: Geschmack.
Da wachsen Bohnen, Erbsen, Paprika, Salate, Tomaten, rote, gelbe,
grüne, braune, schwarze, sogar gestreifte. Da ist zum Beispiel
Black Cherry, die die Würze der schwarzen Sorten mit der Süße von
Kirschtomaten vereint. Oder Yellow Submarine, eine gelbe, feste
Sorte mit wenig Säure.
In einem anderen Gewächshaus stehen Paprikapflanzen: Ballito,
Barka, Californian Wonder, Swat Dreams, Turuncu Spiral. Sorten,
die auch in unseren Breiten ohne Chemie und künstliche Wärme
gedeihen. „Und die schmecken alle nach was“, so Margarete
Peschken im Brustton der Überzeugung.
Weil das so ist, produziert sie für den Dreschflegel-Verein, einer
Gemeinschaft von Biohöfen in verschiedenen Regionen Deutschlands,
auch Saatgut von ihren alten, samenfesten Sorten und trägt
damit dazu bei, die Biodiversität, die Vielfalt auf den Feldern, zu
erhalten. „Und die Vielfalt des Geschmacks“, ergänzt sie. Mainstream,
das ist nicht Magarete Peschkens Ding.
Berliner Spitzenköche danken ihr das ebenso wie die hobbykochenden
Kunden auf dem donnerstäglichen Öko-Markt am Kollwitzplatz,
denen Genuss wichtiger ist als optische Makellosigkeit.
GUTES AUS GRETES GARTEN
Stierow Nr. 15
17168 Schwasdorf OT Stierow
Tel. 039977 — 396 81
www.grete-peschken.de
GARÇON
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TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
EDELTRAUD KOPPE, 65, BRUNCH-GASTGEBERIN
RESTAURANT SKYKITCHEN, ANDEL´S HOTEL BERLIN
Schlachteplatte vom Berliner Landhof Rahlf.
Futtern wie bei Muttern im Sternerestaurant – Mettigel, Nudelsalat,
Königsberger Klopse, Kalter Hund – ja geht denn sowas? Es
geht. Und wie!
Die Idee hatte Sternekoch Alexander Koppe, ohnehin ein ziemlich
bodenständiger Typ, völlig frei von den branchenüblichen Allüren.
Die Leitung des Designhotels andel´s by Vienna House Berlin
an der Landsberger Allee war Feuer und Flamme, und Koppes Mutter
Edeltraud brauchte auch kein langes Bitten. Seit Ende Januar
2016 lädt die 65-jährige frühere Diplom-Wirtschaftlerin mit Hang
zur Hausmannskost nun jeden Sonntag von 11.00 bis 15.00 Uhr
zum Brunch ins Restaurant Skykitchen. Motto: Koppes Mutti
macht Mittag.
Es gibt Deftiges von Bulette bis Zander, Käse aus dem Allgäu,
Schlachteplatte aus Brandenburg, Räucherfisch aus Mecklenburg-
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Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Skykitchen-Küchenchef Alexander Koppe, li. und Bauer Torsten Rahlf.
Vorpommern, Quarkbällchen mit Vanillesauce und Berliner Luft
mit Himbeeren. 39 Euro sind pro Person dafür fällig, ein Glas Prosecco,
Kaffee, Tee und Fassbrause sind inklusive, den grandiosen
Blick über die Stadt gibt es gratis.
Und Edeltraud Koppe, geboren im Ostseebad Boltenhagen in der
Nähe von Wismar, serviert und zelebriert die Küchenklassiker ohne
jegliches norddeutsches Phlegma, sondern dermaßen charmant,
eloquent und kompetent, dass wir sie zur Berliner Gastgeberin des
Jahres ehrenhalber wählen. Chapeau, Edeltraud Koppe!
Den Einkauf fürs sonntägliche Brunch-Buffet managt übrigens
ihr Sohn höchstpersönlich und mit gleicher Akribie wie für seine
abendliche Sterneküche im Skykitchen.
Devise: Für die Gäste nur das Beste. Da steht zum Beispiel Koppes
Schinken-, Wurst- und Schmalzfavorit Torsten Rahlf.
GARÇON
35
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
In alten Filmen sieht man zuweilen dieses Bild: ein barocker Schreibtisch,
ein ebensolcher Stuhl, ein reich verzierter Bücherschrank, ein
Gemälde mit Sehnsuchtslandschaft. Mittendrin ein Mann – Joppe,
Breeches, Schaftstiefel. Seine Majestät, der Großbauer.
Im Büro von Torsten Rahlf stimmen fast alle dieser Klischees,
der Schreibtisch, der Stuhl, der Bücherschrank, das Gemälde zeigt
das Rhonetal bei Sion, selbst der Mann passt irgendwie ins Bild.
Kräftig, untersetzt, breiter Scheitel, selbstbewusster Blick. Ich bin
Bauer, wer ist mehr?
In Wirklichkeit ist Torsten Rahlf Brunnen-Bauer. Den Beruf hat
er gelernt und jahrelang auch ausgeübt. Nach dem Ende der DDR
gründete er im heimatlichen Mehrow, einem 500-Einwohner-Ort
gleich hinter der nordöstlichen Berliner Stadtgrenze, einen kommunalen
Dienstleistungsbetrieb, den heute seine Söhne Steven und
Toni führen und in dem auch seine Frau Karin und Schwiegertochter
Tina tätig sind. Garten- und Landschaftsbau, Pflege von Grünanlagen,
Winterdienst. 60 Mitarbeiter, ein respektabler Fuhrpark, eine
Unternehmung, die die Familie ernährt. Weshalb dann noch der
Einstieg ins Agrarische?
„Wir wollten uns anders ernähren“, erklärt der 54-Jährige, „mit
diesem Entschluss fing alles an.“ Wurst von eigenen Schweinen, Eier
von eigenen Hühnern, Gemüse vom eigenen Acker. Das war 2009.
Rahlf, ein Mann schneller Entscheidungen, fackelte nicht lange,
traf sich auf der Brandenburger Landwirtschaftsausstellung mit
einem Züchter, kaufte drei Schweine und freute sich auf die erste
Hausschlachtung. „Irgendwie kam dann eins zum anderen“, grinst er.
Das Ergebnis ist eine Landwirtschaft, die sich sehen lassen
kann. „Rasse statt Masse“, sagt Rahlf und zeigt stolz seine Deutschen
Sattelschweine, eine alte Rasse, gesund, robust und wetterresistent,
die irgendwann aus der Mode kam – der Fettanteil war zu
hoch, die Kunden wollten mageres Fleisch, das Todesurteil für das
Sattelschwein schien nur noch eine Frage der Zeit.
Fleischerin Anja Steffen.
36 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Landwirt Torsten Rahlf.
„Hätte es damals“, so Rahlf, „nicht engagierte Züchter in der Gesellschaft
zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen gegeben,
es wäre auch vollstreckt worden.“
Braucht die Welt eigentlich das Deutsche Sattelschwein? Rahlf
überlegt: „Eigentlich nicht.“ Dann fügt er hin zu: „Aber was wäre die
Welt, wenn es nur noch wenige Hochleistungsrassen gäbe wie das
Pietrain mit angezüchtetem Kotelettstrang, bei dem die Hälfte
aus Fleisch besteht, dessen Gewicht der Körper nicht mehr tragen
kann, weil der Knochenbau dafür nicht ausgelegt ist?“
Seine rund 200 Schweine werden artgerecht gehalten, haben genügend
Platz und stehen auf Stroh statt auf Spaltböden. Kastenstände,
in denen Muttersauen als Gebärmaschinen vegetieren, lehnt Torsten
Rahlf kategorisch ab. „Das Schwein soll Schwein sein und keine arme
Sau.“ Trotzdem wird natürlich geschlachtet, immer montags.
In der hofeigenen Wurstküche ist Anja Steffen, Brandenburgerin
aus dem Oderbruch und gelernte Metzgerin mit dafür zuständig,
dass die Wurst die richtige Würze bekommt. Der tägliche Andrang
im Hofladen beweist, dass die 39-Jährige ein gutes Händchen fürs
Hausgemachte hat.
Übrigens: Neben den Schweinen hält Torsten Rahlf auch 50 Jersey-Rinder,
400 Hühner, außerdem Gänse und Enten. Auf fast 40 Hektar
Ackerland wächst Futter für die Tiere, und inzwischen hat der
Landwirt aus Leidenschaft auch seine Liebe zur Kartoffel entdeckt
und baut zum Beispiel die extrem frühe Sorte Solist an, auch so ein
Hofladen-Renner.
LANDHOF RAHLF
Mehrower Dorfstraße 1
16356 Ahrensfelde OT Mehrow
Tel. 033394 — 577 75
www.landhof-rahlf.de
GARÇON
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TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
KOLJA KLEEBERG, 52, KÜCHENCHEF UND INHABER
RESTAURANT VAU
Saibling, Kopfsalat, Haselnussöl, Beurre noisette.
Zuzutrauen wär´s ihm, aber das folgende Gedicht stammt nicht aus
Kolja Kleebergs Feder, sondern ist von Theodor Fontane. Der Küchenchef
hat es uns als Antwort auf unsere Umfrage geschickt –
neben einer Reihe guter Adressen seiner kleinen, regionalen
Lieferanten – möglicherweise auch als Hinweis darauf, welches
kulinarische Potential die Region mal hatte und eigentlich auch
wieder haben könnte.
Fontane also, 1892: „Oft hör´ ich: Unsre gute Stadt / Augenscheinlich
eine Verheißung hat. / Der Himmel, der uns so hegt und pflegt /
Hat uns alles wie vor die Tür gelegt... / Im Grunewald Schwarzwild,
Hirsch und Reh / Spargel en masse bei Halensee. / Dill und
Morcheln und Teltower Rüben / Oderkrebse hüben und drüben... /
Königshorster Butter, in Sperenberg Salz / im Warthebruch Gerste,
Graupen und Malz...“
38 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Ölmüller Dr. Frank Besinger.
Morcheln aus Brandenburger Wäldern und Flusskrebse aus der
Oder, na ja, das war einmal. Aber sonst?
Kleeberg, der seit ein paar Wochen einen eigenen YouTube- Kanal
betreibt und nicht nur in Lyrik, sondern auch in Landwirtschaft einigermaßen
beschlagen ist, nennt ohne langes Nachdenken gleich
ein halbes Dutzend kleiner Produzenten, die vielen Gerichten des
Längstgedienten unter den 19 Sterneköchen der Hauptstadt – manche
bezeichnen ihn jetzt schon als Altmeister – erst den ultimativen
Kick geben.
Wärmstens lobt er Carlo Polland (s. S. 46), der dem VAU-Gastgeber
diverse Kräuterraritäten liefert, Margarete Peschken (s. S.
30/31), die im vorigen Jahr eigens für ihn eine alte Sonnenblumensorte
angepflanzt hat, deren Blütenboden der Meister verarbeitete
und – last but not least – den Ölmüller Frank Besinger.
GARÇON
39
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
Geschäft in der Kreuzberger Bergmannstraße.
Die Ess-Avantgarde jubelt: Hanfsamen, Hanföl und Brot, gebacken
aus dem Trester, der als Pressrückstand bleibt. Haselnussöl zum
Kopfsalat, Fenchelöl zum Käsegang. Kresseöl zum schwarzen
Schwein, vom Service effektvoll am Tisch angegossen. „Köstlich“,
so selbst der des Überschwangs eher unverdächtige Gault Millau.
Kleebergs köstliche Öle kommen aus der Ölmühle an der Havel
in Kladow. Dr. Frank Besinger und seine Partnerin Sabine Stempfhuber
begannen dort vor vier Jahren, Ölsaaten zu pressen.
Die Branche lächelte damals milde über die Seiteneinsteiger, die
angetreten waren, einen ziemlich satten Markt aufzumischen. Heute
nickt sie nur noch anerkennend.
Der winzige Markthallenstand in der Markthalle Neun in der
Kreuzberger Eisenbahnstraße gehörte zum Gründer-Lehrgeld, inzwischen
betreiben Besinger und Stempfhuber zwei stylische Läden
in bester Lage – einen in der Kreuzberger Bergmannstraße, den
anderen im Potsdamer Holländerviertel.
Besinger 49, stammt aus Dresden, seine Eltern flüchteten mit ihm
aus der DDR nach Hamburg. Er studierte in London Maschinenbau,
promovierte zum Dr.-Ing. und machte beim Beratungsgiganten
McKinsey Karriere. Über die Gründe seines Ausstiegs hört man
von Besinger nur Andeutungen. „Mehr Lebensqualität“, sagt er.
Und: „Es ist etwas viel Kraftvolleres, ein gutes Öl zu pressen als
beispielsweise die Kompetenzfelder eines Unternehmens mit den
Interessenfeldern seiner Kunden abzugleichen.“
Gemeinsam mit Partnerin Sabine Stempfhuber, gebürtige Aschaffenburgerin
und gelernte Restaurantfachfrau, baut er im Keller des
Kladower Einfamilienhauses eine Ölmühle auf und richtet eine Manufaktur
ein.
Der Suche nach geeigneten Lieferanten von regionalen Ölsaaten
– „samenfeste Sorten, biologisch angebaut“ – folgen Dutzende
Tests und Verkostungen. Dass letztendlich Geschmack und
Qualität entscheiden, beweist die Tatsache, dass neben Deutsch-
Dr. Frank Besinger und Partnerin Sabine Stempfhuber.
40 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
lands Delikatessen-Guru Ralf Bos auch die Hamburger Mutterland-
Feinkosthändler und der Waltroper Manufactum-Versand Öle aus
Kladow schnell in ihr Sortiment aufnehmen.
Ausgewählte Bio-Geschäfte und Berliner Food Assemblies ziehen
nach, eine Reihe von Berliner Spitzenköchen beliefern Frank
Besinger und Sabine Stempfhuber direkt.
„Unser Hauptaugenmerk gilt nativen Pflanzenölen“, erklärt der
Ölmüller, „kalt gepresst, ungefiltert, absolut in Rohkostqualität.“ In
den Regalen der Geschäfte in Berlin und Potsdam stehen neben
den so genannten Basisölen aus Sonnenblumenkernen sowie Hanf-,
Lein-, Mohn-, Raps-, Senf- und Leindottersaaten auch Kräuteröle
mit hoher Aromadichte und geschmacksintensive Nussöle.
Star des Angebots ist das Drachenkopföl, das aus den winzigen
Samenkörnern des Iberischen Drachenkopfs Lallemantia iberica
gewonnen wird. „Sein extrem hoher Anteil an der ernährungsphysiologisch
so wertvollen Alpha-Linolensäure sowie der feine, grasig-nussige
Geschmack machen das Drachenkopföl in jeder Küche zu etwas
Besonderem“, so Besinger. Was der bescheidene Mann mit dem
breiten Scheitel nicht sagt: Er ist der einzige Ölmüller im Land, der
das seltenste unter den einheimischen Pflanzenölen noch presst.
Übrigens: Längst haben die beiden Genusshandwerker ihre Offerte
komplettiert. Es gibt hausgemachte Pestos, handgeschöpfte
Schokoladen, glutenfreie Mehle, Grün-, Schwarz- und Kräutertees
sowie das wahrscheinlich umfangreichste Angebot an Gewürzen
weit und breit...
ÖLMÜHLE AN DER HAVEL
Bergmannstraße 104
10961 Berlin-Kreuzberg
Tel. 030 — 50 56 71 15
www.oelgenuss.de
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TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
MATTHIAS GLEISS, 44, KÜCHENCHEF UND GESCHÄFTSFÜHRER
RESTAURANT VOLT
Rehkeule, Tomate, Topinambur, Holunder.
„Das ist ein heißer Kandidat für die nächste dritte Kochmütze in
der Stadt“, schrieben die Gault-Millau-Tester im vorigen Jahr. Und
auch die Michelin-Inspektoren haben ihn, wie zu hören ist, auf ihrer
Rechnung der Anwärter für den ersten Stern.
Während manche seiner Kollegen schon jetzt, Wochen bevor die
beiden wichtigsten Guides erscheinen, die Welt verrückt machen,
bleibt Matthias Gleiß gelassen.
Diese Gelassenheit ist Ausdruck seiner Souveränität. Es gibt selbst
im Leben eines Kochs noch eine paar klitzekleine Dinge, die mindestens
genauso wichtig sind wie die kulinarischen Meriten.
Das hat er wahrscheinlich bei seinem Mentor gelernt, dem Kärntner
Sternekoch a.D. Kurt Jäger, der jetzt in Schweden lebt.
Wäre Matthias Gleiß Musiker geworden, dann garantiert für die
leisen Instrumente. Aber auch als Koch meidet er Pauke und Trom-
42 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Wildhändler Guido Richard.
pete. Gleiß ist ein Mann, des wohltuenden Understatements, kein
Küchenkasper und kein Klamaukkoch.
Für ein Foto-Shooting packt er sich dann allerdings doch schon
mal einen Zanderkopf auf die Schulter – seht her, was die Region
uns Köchen alles bietet!
Und damit meint er nicht nur den Fisch aus der Havel. Die Molkereiprodukte
für seine Küche bezieht Gleiß beispielsweise vom
Erdhof Seewalde im mecklenburgischen Wustrow, junges Gemüse
liefert eine Gärtnerei in Waldesruh, Sprossen und Kresse kommen
von einem Züchter im benachtbarten Bezirk Neukölln und manche
kulinarische Inspiration steuert Kräuterhändler Reinhard Zülz bei,
der auf dem Wochenmarkt am Maybachufer, gleich vor der Volt-
Haustür also, seinen Stand hat. Und dann ist da noch Guido Richard,
der Mann für alles Wilde.
GARÇON
43
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
Hoffest am neuen Standort von Guido Richards Wildhandel.
Die Reiseführer des Berliner Trescher Verlags sind wirklich unbezahlbar,
wenn man sich ins Umland auf den Weg macht: exakte Karten,
genau Angaben zu Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten,
zusätzliche Ausflugstipps.
Das Bändchen „Wanderungen durch Brandenburg“ beispielsweise.
Nehmen wir mal die Tour Nummer 16, es geht von Zehdenick
nach Dannenwalde. Für PS-Ritter, denen der Weg der Weg und das
Ziel das Ziel ist, kein Ding: Berlin, Autobahnausfahrt Mühlenbeck,
Schmachtenhagen, Liebenwalde, Zehdenick, in Gransee auf die B96,
Dannenwalde. Gute Stunde, wenn´s nicht staut.
Mit der Regionalbahn und per pedes dauert es zwar sechs mal so
lange, aber es ist stressfrei, tut dem Körper gut und zu Sehen gibt’s
auch noch die Menge: das Schifffahrtsmuseum Zehdenick, den Ziegeleipark
Mildenberg, Schloss Tornow und viel, viel Natur. Gut, mit
den Einkehrmöglichkeiten ist es brandenburgtypisch nicht weit her,
aber auch da wird sich zumindest in einem Fall bald was ändern.
Guido Richard baut linker Hand gleich hinterm Ortseingang von
Dannenwalde das Anwesen einer ehemaligen LPG zum neuen Standort
seiner Wildmetzgerei um – natürlich mit Hofladen und Imbiss.
Noch im Herbst 2016 will er hier Eröffnung feiern.
Anfang Juli gab´s schon mal ein Hoffest, auf dem sich seine Kunden
informieren konnten, was in Dannenwalde so abgehen wird.
Und die kamen ziemlich zahlreich, vor allem aus der Hauptstadt,
denn Guido Richard ist in Berlin ein bekannter Mann.
Über 100 Restaurants und Hotels beliefert er regelmäßig mit Wildbret,
darunter auch etliche Sterneläden und solche, die es sicher
bald werden. Die Küchenchefs ver trauen ihm, weil er selbst Koch
ist und um die Qualität der Produkte weiß.
Guido Richard, 44, geboren in Zehdenick, begleitete schon als
Kind seine Eltern auf ihren Pirschgängen in den Brandenburger Wäldern,
beobachtete mit Vaters Fernglas Hirsche und Rehe und wäre
vielleicht auch ein guter Förster geworden. Doch wie das Leben
44 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Guido Richard und Sternekoch Eberhard Lange, Restaurant Hugos.
so spielt, der Junge wurde Koch. Der Lehre im benachbarten Gransee
folgten Stationen in Berlin – bei Uwe Popall im Maxwell und
bei Konstantin Kovac im Borchardt. Dann ging´s nach München ins
Tantris zu Hans Haas. Einem Zwischenstopp im Hotel Molskroen in
Dänemark folgte die Rückkehr nach Berlin – fünf Jahre Küchenchef
im Chalet Suisse bei Josef Diekmann.
2005 gründete er die Firma Richard´s Wild, die guten Kontakte
zu seinen Kollegen erleichterten ihm den Start. „Mein Ziel war und
ist es, den Trend des bewussten Genießens von hochwertigen Lebensmittel
aufzugreifen“, sagt er. Und frisches Wild gehört für Guido
Richard unbedingt dazu – nicht, weil er selbst ein passionierter
Jäger und leidenschaftlicher Wildesser ist, sondern schlicht wegen
der Fakten. „Der Name sagt es doch schon“, erklärt er, „Wild ist das
vom Mensch am wenigsten geformte tierische Lebensmittel, mehr
Bio geht nicht. Weiter Auslauf, natürliches Futter, freie Liebe, wenn
Fleisch, dann dieses.“
Der Mann ist in seinem Element, spricht darüber, wieviel B-Vitamin
Wildfleisch enthält und dass dessen Fettsäurezusammensetzung
um ein Vielfaches günstiger ist als bei Haustieren und selbst bei
Gatterwild. „Es ist fettarm, kurzfaserig und – entsprechend geschnitten
und zubereitet – auch besonders zart.“
Für den Cut bürgen Guido Richard und seine Wildmetzger, für die
Zartheit und den Geschmack die Küchenprofis. Matthias Gleiß zum
Beispiel: Rehkeule mit Tomate, Topinambur und Holunder oder, ein
bisschen abgefahrener, mit Selleriekohl, Apfel und Nougat.
RICHARD`S WILD
Bahnhofstraße 24
16798 Fürstenberg/Havel
Tel. 033093 — 60 08 71
www.richards-wild.de
Freund, Kunde und Waidgenosse: Markus Herbicht.
Jagdhornbläsergruppe „Schnelle Havel“.
GARÇON
45
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
HENDRIK OTTO, 42, KÜCHENCHEF
LORENZ ADLON ESSZIMMER
Käsebrot mit Wildkräutern, Salat und getrockneten Zwiebeln.
Detailverliebte Kompositionen, akribisch inszenierte Teller, Kleinigkeiten,
die nur mit Hilfe einer Pinzette ihren Platz auf dem edlen
Porzellan gefunden haben können, das ist die Küche von Hendrik
Otto im Lorenz Adlon Esszimmer, dem Flaggschiff der Berliner
Sternegastronomie.
Und so kommen auch die Gerichte der neuen Menükarte des
freundlichen Meisters daher, die er anlässlich der Vorstellung des
neuen Maîtres im Esszimmer präsentierte (Oliver Kraft, vormals
Gastgeber im Leipziger Falco, wechselte ins Adlon). Das ist geschmacksstark,
harmonisch und proportionsstimmig und hoffentlich
ist es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis der Guide Michelin
dafür den dritten Stern herausrückt. Verdient hätte ihn Otto.
Übrigens: Gäbe es eine Auszeichnung für kochende Sympathieträger,
auch da wäre der Mann, der aus dem kulinarischen Nie-
46 GARÇON
Wo Berliner Köche einkaufen TITEL
Gemüse-Bauer Carlo Polland.
mandsland Sachsen-Anhalt stammt und seit sechs Jahren in der
Lorenz-Adlon-Küche Regie führt, erster Kandidat.
Kürzlich in der RBB-Gesprächssendung „Thadeusz“ zum Beispiel
machte er eine dermaßen gute Figur, dass man sich ihn öfter im
Fernsehen wünschte. Kein blasiertes Getue, kein Geil-geil-geil-Gequatsche,
sondern kulinarische Kompetenz und verbale Reverenz
an seine ehemaligen Lehrer Albert Keller, Michael Hoffmann und
Harald Wohlfahrt, die ihm die Richtung wiesen sowie an seine heutigen
Lieferanten, ohne die – so Otto – seine Küche nicht mal die
Hälfte wert wäre.
Das Produkt ist der Star, nicht der Koch. Hendrik Otto lebt die
Witzigmann-Weisheit. Mit Hochachtung spricht er beispielsweise
über Susanne Engels (s. S.26), Guido Richard (s. S.42), Marko Seibold
und Carlo Polland. „Was sie machen, ist einfach super.“
GARÇON
47
TITEL Wo Berliner Köche einkaufen
Trebenow im Landkreis Uckermark, rund 160 Einwohner. Hinterm
Ortseingang rechts, den Plattenweg bis es nicht mehr weiter geht.
Zum Glück regnet es nicht. Hier also lebt Carlo Polland. Ein stattliches
Bauernhaus, eine riesige Scheune und viel, viel Land.
Polland, Jahrgang 1956, stammt aus Rommerskirchen. „Rommerskirchen-Gill“,
sagt er, das ist ihm wichtig. Rommerskirchen-
Gill also, 20 Kilometer bis Düsseldorf, 25 bis Mönchengladbach.
Als junger Mann zog er jahrelang um die Welt. „82 Länder habe ich
gesehen.“ 1997 kam er in die Uckermark und blieb. Aus dem rastlosen
Globetrotter wurde ein sesshafter Gemüsegärtner. „Kolja Kleeberg
war der erste Berliner Spitzenkoch, der sich für meine Sachen
interessierte“, erinnert sich Polland, „dann kamen alle anderen.“
Bronzefenchel, Cherrytomaten, Erdmandeln, Flügelerbsen, Knollenziest,
Lakritztagetes, Wasabirauke, Zitronenverbene – sein Angebot
überzeugt. „Mein Ding ist es, Geschmack zu produzieren“,
sagt er. Und was er selbst nicht kultiviert, findet er in den Gärten
der Nachbarn. Kartoffel-Raritäten etwa – alte, ausgefallene und geschmacklich
herausragende Sorten wie die französische Trüffelkartoffel
Vitelotte oder die Rote Emmalie, eine würzige Neuzüchtung,
die sich besonders gut für die Herstellung von Gnocchi eignet.
Zweimal in der Woche fährt Carlo Polland nach Berlin, 140 Kilometer
hin, Adlon, Schloss Bellevue, de Rome, Katz Orange, VAU
zum Beispiel, 140 Kilometer zurück. „Wir müssten eine Genossenschaft
gründen, mit Büro und Fahrer“, sinniert er, „Uckermark-Raritäten
oder so.“
CARLO POLLAND
OBST UND GEMÜSE
Trebenow Nr. 20
17337 Uckerland OT Trebenow
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DT-Collection steht für eine Buchkollektion
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Die Zusammenstellung der Kollektionen erfolgt
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Schwein LOKALTERMIN
Die Schweinsche
Genuss-Gleichung
ANGESAGT IN MITTE: DAS SCHWEIN
VON JÖRG TEUSCHER
GARÇON
51
LOKALTERMIN Schwein
Wir haben die Erfahrung gemacht,
dass Gäste ihren Restaurantbesuch
ganzheitlich bewerten.
Also nicht nur das Essen und den
Wein, sondern auch das Am biente
und den Service. Wenn alles
tipptopp ist, gibt’s die lobenden
Attribute. Klingt simpel, ist es aber
nicht, sondern jeden Tag eine neu e
Herausforderung, dem Gast das
Beste als Gegenleistung für sein
Geld zu bieten.
David Monnie
42, geboren in Berlin
Gastgeber
Ich stehe mit meinem Team für
eine entspannte, entschlackte und
verantwortungsvolle Küche. Für
eine lässige kulinarische Moderne.
Wir kochen so, wie wir persön lich
auch gern essen würden.
Christopher Kümper
29, geboren in Menden
Küchenchef
Mein Ego ist nicht, die größten,
die meisten oder gar die teuersten
Weine auf der Karte zu haben. Die
spannendsten, das ja. Und die, die
zu Unrecht im Schatten stehen, der
Elbling vom Mosel-Weingut Steffens-Keß
zum Beispiel.
Christian Gebranzig
41, geboren in Berlin
Sommelier
52 GARÇON
Schwein LOKALTERMIN
„Man sieht sich“, sagte Christian Gebranzig, bevor er sein Restaurant
Svevo für immer schloss. Drei Jahre lang hatten er und Küchenchef
Claudio Andreatta in der Lausitzer Straße in Kreuzberg
eine italienische Heimwehküche serviert. Auch die Weinkarte, Gebranzigs
Werk, war ein Liebhaberverzeichnis sui generis. 2003 war
Schluss im Svevo.
Man sah sich sieben Jahre später, zufällig, in der Lorenz Adlon
Weinhandlung. Christian Gebranzig, inzwischen Weinhändler in Hamburg
und – gemeinsam mit dem Berliner Unternehmer Harald Christ –
Besitzer eines kleinen Weingutes im rheinhessischen Bechtheim,
präsentierte den ersten Riesling der Neuwinzer. „Zum Wohl, man
sieht sich.“
Wieder sah man sich jahrelang nicht, dann kam Mitte Juli eine
Mail: „Seit gut zwei Jahren bin ich wieder in Berlin und seit Ende
Januar Sommelier on duty.“ Es folgte eine Einladung zur Premiere
der Aktion Rind & Riesling an der neuen Wirkungsstätte.
Sie heißt Schwein, ist nicht eben klein und setzt auf Wein – allerdings
nicht nur, doch dazu später.
Bleiben wir also erstmal beim Wein. „Unser Schwein ist, wenn
Sie eine Schublade wollen, eine Weinbar“, sagt David Monnie, gebürtiger
Berliner – Mutter Deutsche, Vater Ghanaer – nach dem
Abi Selfmade-Gastronom und nach Stationen in der Karibik jahrelang
Chef der legendären Bar am Lützowplatz. Nun ist er der
Gastgeber im Schwein, einem höchst erfreulichen Zugang an der
Weinbar-Front, einem Laden total im Trend.
Auch wenn das Bier in Menge und Umsatz die Riege der alkoholischen
Konsumartikel noch immer anführt, so hat der Wein – trotz
des Aufblühens der Craftbeer-Kultur – das weitaus bessere Image.
Er ist mehr denn je Gesprächsgegenstand und Genussthema. Kein
Wunder, dass Weinbars Konjunktur haben und dass die Bespielung
dieses gastronomischen Genres nicht mehr nur eine Sache von Vätern
der urbanen Weinkultur ist.
GARÇON
53
LOKALTERMIN Schwein
Gastgeber David Monnie, Küchenchef Christopher Kümper, Sommelier
Christian Gebranzig und der Rest der Schwein-Crew jedenfalls
sind junge, sympathische und charismatische Typen, die mit
frischen Ideen ihren Gästen Freude machen.
Rind & Riesling ist so eine Sache. Es gibt also ein feines Tatar:
geschabtes Rindfleisch von der Hüfte mit einem wachsweich gekochten
Eidotter, Gewürzgurken, Kapern, Ketchup, Senf, Tabasco,
Worchestersauce, Kräutersalz und Pfeffer.
Als Matchpartner für dieses geschmacksintensive Gericht empfiehlt
Sommelier Gebranzig uns einen Leitz-Riesling, der mit seinem
Aromenspiel die prägenden Noten des Gerichts perfekt aufnimmt.
„Überhaupt, das vinologische Schubladendenken – erlaubt ist, was
schmeckt“, so Christian Gebranzig.
Dazu gehört auch, dass er einigen Kellerkindern unter den deutschen
Rebsorten eine Chance gibt. So stehen auf seiner Karte
beispielsweise ein Elbling von der Mosel und eine Scheurebe aus
Rheinhessen. Zwei Rebsorten, die beide eher als Oma-Opa-Weine
gelten und denen Gebranzig zu neuen Renommee verhelfen will.
Motto: Sauvignon blanc kann jeder.
„Außerdem“, ergänzt er, „begeht die Scheurebe in diesem Jahr
ihren hundertsten Geburtstag, und irgendwo muss das doch gefeiert
werden!“
Wir feiern mit und ordern zur trockenen Scheurebe ein Ceviche
von der Gelbflossenmakrele mit wildem Spargel und Urkarotte.
Fein, wie die Karottensüße die Limettensäure auffängt und ein Löffelchen
Forellenkaviar dem Gericht zusätzlich Würze gibt. Ähnlich
aromatisch ausbalanciert sind auch ein warmer Kalbssalat und die
Landhuhnkeule mit Brokkoli.
Verantwortlich für die schweinischen Geschmackserlebnisse
ist der Sauerländer Christopher Kümper, der die Kochlehre bei einem
Partyservice seiner Heimatstadt Menden absolvierte und als
bester Azubi seines Jahrgangs abschloss – Türöffner in die Ster-
54 GARÇON
Schwein LOKALTERMIN
Gin ist trendy, deshalb legen
wir besonderes Augenmerk auf eine
vielfältige Gin‐Offerte. Derzeit
bieten wir 84 Sorten an, dazu über
zehn Tonics. Die für mich perfekte
Mischung? Colonel Fox's London
Dry Gin mit Fever-Tee Premium
Indian Tonic Water.
Oliver Gwinner
44, geboren in Stuttgart
Barchef
Leger, entspannt, unprätentiös –
einige Kritiker haben für solcherart
Service schon wieder ein Etikett:
Neue Lässigkeit. Meinetwegen. Die
Gäste sol len jedenfalls bei uns eine
gute Zeit haben.
Jonathan Staneker
31, geboren in Reutlingen
Service
Nicht, dass Sie jetzt denken, ich
sei dem Palace Hotel untreu geworden.
Nein, aber ich finde das
Schwein-Konzept dermaßen spannend,
dass ich an meinen freien
Ta gen hier gerne mal den Gastsommelier
gebe.
Hagen Hoppenstedt
44, geboren in Celle
Gastsommelier, sonst Maître im first floor
GARÇON
55
LOKALTERMIN Schwein
Küchenchef Christopher Kümper und Souschef Roland Nüsser.
negastronomie. Dem Hamburger Landhaus Scherrer – Küchenchef
Heinz Otto Wehmann – folgte das Gourmetrestaurant Lerbach in
Bergisch Gladbach, in dem Nils Henkel am Herd Regie führte.
Dann drei Jahre New York City – Daniel Bouluds Restaurant Daniel,
drei Sterne, eins der besten Restaurants der Welt und schließlich
Singapur, Restaurant Andre, gleiche Liga.
Chef André Chiangs mediterrane Küche mit dosierten asiatischen
Einflüssen kombiniert, beeinflussten Kümper wohl am meisten.
Ein bisschen davon lässt er jedenfalls jetzt auch in Berlin gucken,
beispielsweise, wenn er Schwein mit Artischocke und Dashi
zusammenbringt.
Intensive Aromen, kreative Arrangements, mutiges Würzen, klares
und einfaches Erscheinungsbild, Kümper bereichert ohne Zweifel
die kulinarische Hauptstadt-Szene.
Bleibt nur die Frage, weshalb einer wie er ins Schwein geht und
nicht – sagen wir mal – zu Massimo Bottura oder Sergio Herman.
Kümpers Antwort klingt, na ja, ein bisschen sehr allgemein: „Ich
wollte zurück nach Deutschland, und Berlin ist schon was Besonderes.“
Okay, hoffentlich bleibt er. Doch ob so oder so, hören werden
wir von dem jungen Küchenchef Christopher Kümper auf jeden
Fall noch.
Loben wir also das Schwein und seine Mannschaft noch einmal
ausdrücklich – für ein total stimmiges Konzept, ein nicht nur zeitgeistiges
Weinangebot, eine beschwingte Küche und – last but not
least – für eine ziemlich abgefahrene Gin-Offerte.
SCHWEIN
Elisabethkirchstraße 2
10115 Berlin-Mitte
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56 GARÇON
Ostseeurlaub – Zeit zum Genießen
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LOKALTERMIN Schwiliko
Gastlichkeit
AUF GEORGISCH
NEU IN KREUZBERG: RESTAURANT UND KHACHAPURIA SCHWILIKO
VON JÖRG TEUSCHER
Die georgische Küche kennt eine Unmenge von Gerichten
und ist, gemessen an der Vielfalt der Auswahl,
die abwechslungsreichste im ganzen Kaukasus. Der
Ruhm, den sich die Georgier zuschreiben, fußt nicht
auf nationaler Eitelkeit auf dem Gebiet kulinarischer
Kreativität – erfinderische Köche gibt es überall – sondern
hat vor allem mit dem Klima zu tun, das es neun
Monate des Jahres erlaubt, frisches Obst, Gemüse,
Kräuter und Gewürze auf den Tisch zu bringen.
Georgien – Unterwegs zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer
Trescher Verlag, Berlin 2012
58 GARÇON
Schwiliko LOKALTERMIN
Georgier sind gastfreundliche Menschen, das liegt in Ihrer Natur.
Und ihre Küche ist die abwechslungsreichste im ganzen Kaukasus,
das liegt am vielen Gemüse und den Kräutern. Umso erstaunlicher
ist es, dass die Zahl georgischer Restaurants in Berlin im tiefen einstelligen
Bereich angesiedelt ist.
Deshalb war der Jubel der Gemeinde groß, als Mitte November 2015
in Kreuzberg das Schwiliko an den Start ging, ein Familien be trieb mit
bekannten Gesichtern. Da ist Rusudan Gorgiladze, 59, Psycho login,
Beraterin des ersten Präsidenten Georgiens, Eduard Schewardnadse,
vier Jahre lang stellvertretende Ministerin für Bildung und Wissenschaft
des kaukasischen Landes und Autorin des Buches „Savoring
Georgia“, eines Geschmacksführers durch Georgien.
Dann ihre Tochter Inga Akhvlediani, 33, die nach ihrem Tourismusmanagement-Studium
in den USA ebenfalls in Berlin lebt und,
als Dritter im Bunde, deren Mann Tosh Dirschka, gebürtiger Hildesheimer,
bekannter DJ und Betreiber der Homes-Bar gleich nebenan.
Rusudan Gorgiladze.
Inga Akhvlediani.
Torsten „Tosh“ Dirschka.
GARÇON
59
LOKALTERMIN Schwiliko
Die georgischen Hähnchen Tapaka sind Brathähnchen,
die in einer breiten Bratpfanne zubereitet werden,
der sogenannten Tapa, deren Deckel während des Bratens
geschlossen und zusätzlich beschwert wird. (...) Dazu
gehören gestoßener Knoblauch und Küchenkräuter: Koriander,
Basilikum, Estragon, Zwiebeln oder Porree.
W.W. Pochljobkin, Nationale Küchen
Verlag Mir, Moskau 1978
60 GARÇON
Schwiliko LOKALTERMIN
Die Optik führt natürlich nach Georgien – ein bisschen Lokalkolorit
kann ja nicht schaden, zumal das Gros der Schwiliko-Gäste – das
behaupten wir einfach mal – mit Sicherheit nicht weiß, wo Georgien
liegt, wie dessen Hauptstadt heißt oder in welcher Währung dort
bezahlt wird.
In der Küche werkeln Rusudan und Inga mit einigen Helfern an
kaukasischen Delikatessen wie einem mittlerweile kreuzbergweit
gerühmten Brathähnchen, das im Tontopf zubereitet und mit drei
verschiedenen Saucen serviert wird oder an der unvermeidlichen
Khachapuri, der das Schwiliko auch seinen Beinamen „Khachapuria“
verdankt. „Wären genauso viele Georgier wie Italiener nach
Amerika emigriert, dann wäre Khachapuri heute genauso populär
wie Pizza Margherita“, sagt Inga Akhvlediani. Soll heißen: Khachapuri
ist etwas ähnliches wie Pizza, die georgische Antwort auf das
italienische Nationalgericht halt. Für uns war es einfach ein fantastisch
schmeckendes Käsebrot.
GARÇON
61
LOKALTERMIN Schwiliko
Die Aubergine gehört in Georgien zu den populärsten
Gemüsen und ist dort bereits seit dem 12. Jahrhundert
bekannt. Prinz Vakhushti Bagrationi (1696-1757)
räumte ihr in seiner berühmten Beschreibung der Gemüsesorten
Georgiens sogar den ersten Platz ein. Den
typisch georgischen Geschmack bekommen die gebratenen
Auberginenscheiben durch eine Walnusspaste –
die Walnuss ist die Königin der georgischen Küche – zu
der unbedingt Gewürze und Kräuter gehören. Das Gericht
heißt übrigens Nigvziani Badrijani und zählt zu
den klassischen georgischen Vorspeisen.
Rusudan Gorgiladze
Savoring Georgia, Tbilissi 2013
62 GARÇON
Schwiliko LOKALTERMIN
Apropos Geschmack: In der georgischen Küche kommt er durch die
Gewürzmischungen zustande und wird durch Kräuter und Walnüsse
noch verstärkt. „Chmeli Suneli“ heißt das Zauberwort der besonderen
Aromatik. Übrigens – noch ein Tipp für Georgien-Einsteiger: Nach
zwei Glä sern Saperavi Nikola gelingt es sogar, solche Zungenbrecher
wie „Kvavilovani Kombosto Bajeshi“ ohne Stocken auszusprechen.
Und weil Trinksprüche zu Georgien gehören wie Salz zum Brot,
sagen wir: „Zum Wohl, auf das Schwiliko und auf das deutsch-georgische
Freundschaftsjahr 2017!“
SCHWILIKO
Schlesische Straße 29
10997 Berlin-Kreuzberg
Tel. 030 — 61 62 35 88
www.schwiliko-berlin.de
© Werner Heiber
Oktoberfest im Maximilians.
16. und 17. September 2016.
Und zusätzlich
am 30. September und 1. Oktober 2016.
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LOKALTERMIN Waldschenke Stendenitz
Bunte Hütte
DIE WALDSCHENKE IN STENDENITZ
VON UWE AHRENS
64 GARÇON
Waldschenke Stendenitz LOKALTERMIN
Die Waldschenke ist ein traditionelles
Ausflugsziel am Zermützelsee,
gegründet immerhin schon
1913. Hier konnten Familien Kaffee
kochen. Nun wird es Zeit für
etwas frischen Wind.
Juliane Kaatzsch
„Delectat variatio, das steht schon im Horatio“, pflegte mein alter
Lateinlehrer zu reimen. Historisch stimmt das zwar nicht, und
auch mit der Übersetzung nahm es der Herr Oberstudienrat nicht
so ganz genau. Statt „Abwechslung erfreut“ formulierte er gerne
blumiger: „Buntheit ergötzt“.
Obwohl schon eine Ewigkeit her, kam mir der Spruch in den Sinn,
als es mich in die Waldschenke von Stendenitz verschlug. Außen
bunt, innen bunt, alles bunt.
Die Schenke liegt in der Ruppiner Schweiz, direkt am Westufer
des Zermützelsees, auf halber Strecke zwischen Neuruppin und
Rheinsberg. Viel Gegend und Idylle pur. Theodor Fontane schrieb
in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“: „An jeder
Stelle gleichen Reiz / Erschließt dir die Ruppiner Schweiz.“
GARÇON
65
LOKALTERMIN Waldschenke Stendenitz
Mein Ziel ist es, aus der Waldschenke
ein Kunsthaus zu machen.
Kulinarik und Kunst. Ausstellungen
von jungen Malern und
Fotografen, Modenschauen junger
Designer, Lesungen, Musik, Theater,
Workshops.
Juliane Kaatzsch
Die Wirtin der Waldschenke heißt Juliane Kaatzsch, 29, geboren in
Moskau, aufgewachsen in Neuruppin, Modedesign-Studium an der
Burg Giebichenstein in Halle/Saale. Im Saal der Waldschenke hat
sie ihre erste eigene Kollektion ausgestellt. „Meine Masterarbeit.“
Bunte Mode, die sie entworfen und gemeinsam mit Frauenkooperativen
in Südamerika produziert hat. „Nachhaltigkeit war mir dabei
das wichtigste Anliegen.“ Das honorierte sogar die Fashion Week
mit einem Preis. Und wie wird man nun Wirtin? Juliane Kaatzsch hat
die Frage erwartet, wir sind nicht die Ersten, die sie stellen.
Ihre Eltern, die in der Region zwei Hotels betreiben, hatten vor
16 Jahren das Anwesen gekauft, wurden damit aber nicht so recht
glücklich und planten, es wieder abzugeben. „Da habe ich gesagt,
okay, ich kümmere mich mal darum.“ Das war vor zwei Jahren, und
Modedesignerin und Wirtin: Juliane Kaatzsch.
66 GARÇON
Waldschenke Stendenitz LOKALTERMIN
Küchenchef Denny Schulz und Souschefin Sarah Mahlkow.
Kulinarisch sind wir auf Kurs
und servieren die unaufgeregte Regionalküche
eines Landgasthofs.
Fisch, Wild, Bio-Fleisch, Gemüse
und Kräuter aus dem eigenen Garten
und Kuchen von Heike.
Juliane Kaatzsch
seitdem probiert Juliane Kaatzsch den Spagat zwischen Mode und
Schenke. „Weil ich gute Mitarbeiter habe, klappt es immer besser“,
sagt sie. Deshalb hat sie mit dem beliebten Ausflugsziel – nebenan
gibt es übrigens Deutschlands einziges Waldmuseum – auch
noch einiges vor, kulturell wie kulinarisch. Und bunt genug ist ihr
die Waldschenke auch noch nicht.
WALDSCHENKE STENDENITZ
Stendenitz 13
16827 Molchow
Tel. 03391 — 77 51 19
www.waldschenke-stendenitz.de
Fischtopf Waldschenke.
Wildgulasch mit Spitzkohl und Serviettenknödel.
GARÇON
67
KOPFSALAT Angela Matarrese
La
Mamma
DER GUTE GEIST DER TRATTORIA Á MUNTAGNOLA
VON JÖRG TEUSCHER
68 GARÇON
Angela Matarrese KOPFSALAT
Kurt Tucholsky
Mutterns Hände
1931
Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm –
un jewischt und jenäht
un jemacht und jedreht...
alles mit deine Hände.
Hast de Milch zujedeckt,
uns Bobongs zujesteckt
un Zeitungen ausjetragen –
hast die Hemden jezählt
und Kartoffeln jeschält...
alles mit deine Hände.
Da stehn wa nu hier,
und denn komm wir bei dir
und streicheln deine Hände.
Ich habe versucht, dieses Gedicht ins Italienische zu übersetzen,
aber es ist mir nicht gelungen. Schade, gerne hätte ich es Angela
Matarrese vorgelesen. Seit ich sie kenne, gehört zu Tucholskys
Versen für mich dieses Bild – Mamma Angelas Hände.
Es war vor 22 Jahren in der Küche der Trattoria á Muntagnola,
dem Reich von Angela Matarrese. Ich schrieb einen Bericht über
hausgemachte Nudeln und sie hatte mir erlaubt, ihr beim Pastamachen
zuzusehen. Ich erinnere mich, wie sie mit einem einfachen
Rundholz und fast meditativer Konzentration den Teig ausrollte,
immer dünner und immer dünner, ihn in lange Streifen schnitt und
mit Hilfe eines Holzstäbchens und ungemeiner Fingerfertigkeit
spiralige Fusilli formte. Zum Schluss ein Lächeln und eine wortlose
Geste. So geht Pasta.
Aus sieben Kilo Teig hat sie täglich Gnocchi oder Orecchiette
gemacht. Oder Fusilli. Mit den Jahren sind da viele Tonnen zusammengekommen.
Bestes Pastahandwerk, das Werk ihrer Hände.
GARÇON
69
KOPFSALAT Angela Matarrese
Museum Europäischer Kulturen: Ausstellung „Italienerinnen in Berlin“.
Mamma Angela und Enkelin Francesca.
Treffpunkt Museum. Angela Matarrese hat mich eingeladen. Es ist
der erste Sonntag im Juli und für die 81-Jährige ein besonderer Tag.
Im Museum Europäischer Kulturen in Berlin-Dahlem findet eine Ausstellung
statt – „Erfüllbare Träume? Italienerinnen in Berlin“ – und
sie, Mamma Angela, soll aus ihrem Leben erzählen, darüber berichten,
wie es einer Migrantin aus der Basilikata in Berlin ergangen ist.
„Weshalb ausgerechnet ich?“, fragt sie, „weshalb nicht junge
Frauen, die in der Ausstellung zu Wort kommen, die hier studieren
wie Marta Tirabassi oder Karriere gemacht haben wie Caterina Lizzano?“
„Vielleicht, weil Du so viel erlebt hast“, antworte ich ausweichend,
ich kenne ihre Scheu vor jeder Art Selbstdarstellung.
Schließlich sitzt sie dann doch auf dem Podium, versucht sich
noch kleiner zu machen als sie ohnehin schon ist, schaut ängstlich
auf das Mikrofon, das man ihr reicht, sucht die Blicke ihrer Söhne
Pino und Mimmo, versucht zu übersehen, dass da noch fünfzig andere
Zuhörer sitzen und beginnt zu erzählen, leise, stockend.
Über ihre Kindheit in Cirigliano, einem winzigen Dorf in den lukanischen
Bergen ohne fließendes Wasser und Kanalisation und nur
mit dem Maulesel zu erreichen; über ihre Jugend in Scanzano, einem
Städtchen an der Küste; über ihre Arbeit als Bahnwärterin und
über das Ristorante, das sie gemeinsam mit ihrem Mann später
eröffnete. Über dessen plötzlichen Tod und die Entscheidung der
Söhne, das bettelarme Süditalien zu verlassen.
Sie spricht über die heimatliche Küche, über deren geschmackliche
Vielfalt auch ohne raffinierte Zutaten und ausgeklügelte Zubereitungen
und merkt gar nicht, wie still es im Saal geworden ist.
Anfang der 1990er kam Angela Matarrese nach Berlin, um ihren
Sohn Pino zu unterstützen. Der hatte in Schöneberg eine Trattoria
eröffnet und nach seiner Mutter benannt, die, daheim in der Basilikata,
immer nur „Muntagnola“ genannt wurde, „Frau aus den Bergen“.
Sie kam, sah und übernahm das Regiment in der Küche. Mamma
Angela verbannte alles Falsche von der Karte, die Allerweltsnudeln
Mamma Angela mit ihren Söhnen Pino, re. und Mimmo.
70 GARÇON
Angela Matarrese KOPFSALAT
Großer Trubel: Geburtstagsfeier in der Trattoria á Muntagnola.
aus der Tüte ebenso wie die industriell gefertigten Teigplatten, mit
denen man vielleicht Fenster kitten, aber keine ordentliche Lasagne
zubereiten konnte und machte die bodenständige lukanische
Küche in Berlin hoffähig.
Fortan gab es in der Trattoria ihres Sohnes „beste Heimwehküche
für kulinarisch heimatlose Stadtneurotiker“, wie es ein aufgedrehter
Gault-Millau-Mensch mal formulierte: Pane cotto, die lukanische
Brotsuppe; gefüllte Zucchini; das klassische Filetto al sale, ein Rinderfilet
in der Salzkruste; Schweinekoteletts mit gebratenen Orangen;
Forelle mit Trauben; Lachs mit Pesto und natürlich jede Menge
hausgemachter Nudeln – Cavatelli, Fusilli, Orecchiette (s. S.67).
Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, sie beendet ihren Bericht.
„Finito“, sagt sie jetzt ziemlich resolut und lädt ein, auf der Wiese
vor dem Museum die lukanische Küche zu verkosten. Dort steht
sie dann, gemeinsam mit ihren Söhnen Pino und Mimmo, der übrigens
in Mitte das „Al Contadino Sotto le Stelle“ betreibt, serviert
die Kostproben ihrer Küche und sagt so ganz beiläufig einen Satz,
der ihr noch einmal Beifall beschert: „Wo auch immer auf der Welt
man lebt, es ist wichtig, die Traditionen zu pflegen, Überliefertes
nicht zu vergessen und den Enkeln Respekt vor den Lebensmitteln
zu vermitteln.“
Am 2. Juli 2016 feierte die Trattoria á Muntagnola ihren 25. Geburtstag.
„Ein Klassiker, der sich über die Jahre keinen Zentimeter
bewegt hat“, so das Urteil eines berühmten Kollegen. Wir hoffen
mal, dass das ein Kompliment sein sollte.
TRATTORIA Á MUNTAGNOLA
Fuggerstraße 27
10777 Berlin-Schöneberg
Tel. 030 — 211 66 42
www.muntagnola.de
Mamma Angela und Koch Riccardo Calabrese
GARÇON
71
KOPFSALAT Christa Lutum
„BEI UNS IST
GUT BROT ESSEN“
BÄCKERMEISTERIN CHRISTA LUTUM IN CHARLOTTENBURG
VON JÖRG TEUSCHER
72 GARÇON
Christa Lutum KOPFSALAT
Christa Lutum – Bäckermeisterin, so steht es über ihrem Geschäft.
Hier bin ich, das bin ich. Content is king.
Christa Lutum, 54, wuchs im Münsterland auf, lernte Bäckerin
und kam 1982 nach Berlin. „Die einzige Stadt in Deutschland, die
spannend war.“ Sie arbeitete bei Mehlwurm und anderen Vollkornbäckereien
und machte 1986 ihren Meister. „Als eine von vier Frauen
unter 75 Männern.“ 1993 gründete sie gemeinsam mit Tony Beumer
die Beumer & Lutum GmbH. Der Bio-Bäckerei in der Cuvrystraße
folgten weitere Verkaufsstellen in Kreuzberg und Prenzlauer Berg
und die Übernahme der ehemaligen Karstadt-Bäckerei in Neukölln.
Ein Hammer. Bald beschäftigte Beumer & Lutum 130 Mitarbeiter,
die rund 50 Bio-Brotsorten backen und jede Menge Feingebäck fertigen.
Es gibt Imbissangebote und Feinkostverkauf und Anfang Oktober
2013 eine Jubiläumsfeier, bei der kein Auge trocken bleibt.
Umso überraschender eine Nachricht im Februar 2016: „Nach 22
Jahren gemeinsamer Arbeit haben wir, Antonius Beumer und Christa
Lutum, uns getrennt. Christa Lutum wird sich in Zukunft neuen Projekten
widmen.“ Kurz und schmerzlos? Sicher nicht.
GARÇON
73
KOPFSALAT Christa Lutum
Nicht von der Stange: Christa Lutums Baguette nach
französischem Vorbild, 100 Prozent Dinkel.
Sieben Uhr morgens wirkt die Giesebrechtstraße im gutbürgerlichen
Charlottenburg wie ausgestorben, lediglich ein paar Frühjogger
und Gassigänger sind unterwegs.
Und in Christa Lutums Backstube ist Betrieb. Jayne Goss macht
Kaffee, Steven Schmeling Frühstück, Stefan Bürger Franzbrötchen.
Die Meisterin macht Pause.
Sprechen wir über ihren Neustart mit 54. „Mir geht es blendend“,
sagt sie und man glaubt ihr das, so entspannt wie sie wirkt.
Klein und fein wollte sie es haben. Klein und fein ist es geworden.
Taubenblau und kastanienbraun. Wohlfühlatmosphäre. Eine Backstube
mit Café, ein Treffpunkt im Kiez.
Das Angebot ist überschaubar: keine fünfzig Brotsorten, keine
Kuchenorgie, keine Tortenschlacht. Ein bisschen wie früher, als ein
Brot auch ohne Werbebotschaft ein Brot war.
Wir probieren das Baguette, 100 Prozent Dinkelmehl, 100 Prozent
Bio, natürlich. Knusprig, nicht spröde, der Gaumen meldet
Bäcker Stefan Bürger.
74 GARÇON
Christa Lutum KOPFSALAT
intensives Brotaroma, fast schon Brotessenz. „Auf das Kneten des
Teiges kommt es an“, erklärt Christa Lutum, „auf die Ruhezeit, die
man ihm gönnt, auf die Backtemperatur und darauf, dass die Brotstange
direkt auf der Herdplatte gebacken wird.“
Mehl aus kontrolliert biologischem Anbau, hauseigene Rezepte,
die auf jegliche künstliche Backhilfen verzichten, lange Teigführung,
optimale Backzeit, das sind die wichtigsten Zutaten des Bio-
Handwerksbetriebs. Slow baking.
Allgäuer, Almkruste, Hürlimann, Paderborner und Südtiroler, ein
durch seinen milden Sauerteig besonders bekömmliches Roggenmischbrot
– 70 Prozent Roggen-, 30 Prozent Dinkelmehl – das ist
das Brotprogramm.
„Außerdem backen wir Sachen, die aus der Mode gekommen
sind – Karlsbader, Knauzen, Knüppel und Seelen“, so die Meisterin.
Noch sind sie zu zweit in der Backstube. „Im Februar 2017 kommt
aber ein Bäckerlehrling.“
Helle Freude: Hürlimann, eine Schweizer Spezia li tät,
ebenfalls aus 100 Prozent Dinkel.
GARÇON
75
KOPFSALAT Christa Lutum
Assistentin Anna Thiessen.
Das Beste zum Frühstück: Karlsbader Hörnchen aus
100 Prozent Dinkel.
Christa Lutum ist Lehrlingswartin der Berliner Bäckerinnung und
kümmert sich auch im Berufsbildungsausschuss des Deutschen
Bäckerhandwerks um den Nachwuchs.
„Während der Konditor zum Modeberuf geworden ist – jährlich
haben wir hunderte Bewerbungen – entscheiden sich pro Jahr in
Berlin nur noch 40, bestenfalls 50 junge Leute, Bäcker zu werden“,
fasst Christa Lutum die Entwicklung der letzten Zeit zusammen
und fügt hinzu: „Es reicht eben nicht mehr, nur ein ‚Wir-bilden-aus-
Schild‘ ins Schaufenster zu hängen.“
CHRISTA LUTUM BÄCKERMEISTERIN
Giesebrechtstraße 22
10629 Berlin-Charlottenburg
Tel. 030 — 23 39 67 23
backstube@christa-lutum.de
Mitarbeiterin Jayne Goss.
Mitarbeiter Steven Schmeling.
76 GARÇON
Um aus einem Stück glühendem Chrom-Molybdän-Vanadium Stahl
bei 1.200° C ein WÜSTHOF Messer zu schmieden und es dann zu perfekter
Schärfe zu schleifen, gilt die gleiche Philosophie wie für die Zubereitung
raffinierter Gerichte:
www.wuesthof.com
GESCHMACKSSACHEN Kürbiskernöl
Des Kürbis’ Kern
GRÜNES GOLD AUS ZAUCHWITZ
VON PETRA LEONHARDT
Landwirt und Kürbiskernölproduzent Thomas Syring.
78 GARÇON
Kürbiskernöl GESCHMACKSSACHEN
Ende September rund um Zauchwitz:
Die Ölkürbisernte beginnt.
Dass Kartoffeln in Österreich Erdäpfel heißen, das hat sich längst in
Deutschland herumgesprochen. Häufige Alpenland-Urlauber wissen
natürlich auch, was faschierte Laberln sind, wie man Powidl
richtig zubereitet und dass Beinfleisch trotz seines Namens nicht
vom Bein stammt. Schwieriger wird’s schon beim Begriff Pluzer –
und was es bedeutet, wenn ein Pluzer ausgepaztlt wird. Da passen
die meisten Piefkes garantiert.
Nicht so der Brandenburger Thomas Syring. Für den 36-Jährigen,
gebürtig aus Potsdam, sind diese Ösi-Vokabeln keine Hürden,
weil er erstens während seines Landwirtschaftsstudiums ein längeres
Praktikum in Österreich absolvierte und weil sie zweitens zu
seinem beruflichen Alltag dort gehörten.
Also, wir klären auf: „Pluzer“ heißen die gelb-grünen steirischen
Ölkürbisse (auch andere große Kürbisse werden in Österreich übrigens
so bezeichnet) und „auspaztln“ beschreibt die Tätigkeit des
Herauslösens der Kerne aus dem Fruchtfleisch.
Ein waschechter Preuße mit Austria-Hang, das ist zwar ganz nett,
berichtenswert aber wird es erst durch die Tatsache, dass sich
Thomas Syring nach besagtem Praktikum entschied, den steirischen
Ölkürbis im heimischen Beelitzer Land anzubauen.
Das Experiment gelang, und Syring startete mit seinem Bio-
Projekt 2004 in die Selbstständigkeit. Steirische Ölkürbisse – eine
seit rund 150 Jahren bekannte Sorte mit dunkelgrünen, nackten,
also schalenlosen Kernen – wachsen inzwischen rund um Zauchwitz
auf rund 45 Hektar, und Syrings daraus ohne jegliche chemische
Zusätze gepresstes Kernöl kann es locker mit den besten
Produkten steirischer Provenienz aufnehmen.
2,3 Kilogramm Kerne, also die Samen von rund 20 Kürbissen,
braucht man übrigens für einen Liter naturbelassenes Öl, das mit
nussigem Aroma, einem besonders hohen Anteil an den Vitaminen
A, B, D und E, wertvollen Fettsäuren, vielen Mineralstoffen und seiner
antioxidanten Kapazität punktet.
GARÇON
79
ADVERTORIAL
100.000 Kürbisse:
Zum Abheben schön!
Im Herbst begeistert auf dem Spargel- und Erlebnishof Klaistow
alljährlich die größte Kürbisausstellung Berlin-Brandenburgs - in
diesem Jahr unter dem Motto "Flieger.Flügel.Flugobjekte“.
Täglich bis zum 6. November beflügelt der Anblick eines riesigen
Weißkopfseeadlers und eines herrlich bunten Schmetterlings.
Zu den weiteren Überfliegern zählen unter anderem eine Rakete, ein
Doppeldecker und ein Ufo – alle übermannshoch und mit farbenfrohen
Kürbissen geschmückt. Außerdem wird eine Sortenschau mit
mehr als 600 Kürbissen aus aller Welt präsentiert.
Das gemeinsame Kürbisschnitzen am Wochenende, feiertags
und täglich in den Herbstferien gehört ebenso zur Kürbiszeit in
Klaistow wie die leckere Kürbisküche und das leuchtend orange
Kürbis-Eis. Weitere saisonale Spezialitäten wie Kürbis-Brot, -Stuten
und -Kuchen bietet die hofeigene Bäckerei an. Noch mehr Hausgemachtes
wie Kürbis-Marmelade, -Chutney und sogar Kürbis-Nudeln
füllt die Holzregale im Hofladen.
Auf einem großen Kürbismarkt können die Besucher aus 30 Sorten
Zier- und Speisekürbissen aus eigenem Anbau wählen. Und die
Kürbis-Showküche lädt zum Probieren ein. Hier gibt es auch Tipps
zur Auswahl, Lagerung und vor allem zur Zubereitung von Hokkaido,
Butternut & Co..
Rund um die beliebte Herbstfrucht finden auf dem Hof der Familien
Buschmann und Winkelmann zudem viele Veranstaltungen
statt, unter anderem die Offene GPC-Kürbiswiegemeisterschaft,
bei der am 25. September stattliche Exemplare von etlichen hundert
Kilo auf die Waage kommen und anschließend bis zum Kürbisschlachtefest
am 30. Oktober präsentiert werden.
Ein weiterer Höhepunkt im September ist der Gastauftritt des
Star-Kürbisschnitzers Ray Villafane aus Arizona/USA. Vom 22. bis
24. September lässt das Ausnahmetalent in Klaistow eine erstaunlich
detailgetreue und skurrile Kürbis-Szenerie entstehen.
Kürbisschnitzen ist auch beim beliebten Halloween-Fest unter
dem Motto Vampire am 29. Oktober angesagt. Schaurig-schön
geht es nicht nur bei der Kinder-Kostümdisko, dem Laternenumzug
und Lagerfeuer mit anschließendem Feuerwerk zu, sondern
den gesamten Oktober hindurch, während der erstmals in Klaistow
stattfindenden Halloween-Wochen.
● Täglich 8-18 Uhr geöffnet
● Direkt an der A10, 1 km ab Abfahrt Glindow/Klaistow
● Eintritt Hof frei
● Eintritt Ausstellungsbereich: Erw. 2 €, Kinder bis 12 Jahre frei, Dauerkarte 5 €
● Ausreichend kostenlose Parkplätze und Toiletten
● barrierefrei
● Bayerische Wochen im Scheunenrestaurant täglich im September und Oktober
● Oktoberfest mit neuer Band „Bertls Buben“ am 24. September, 19-24 Uhr (Eintritt 7 €)
SPARGEL- UND ERLEBNISHOF KLAISTOW ● Glindower Straße 28 ● 14547 Klaistow ● Tel. 033 206 – 610 70 ● www.spargelhof-klaistow.de
Kulturheidelbeere GESCHMACKSSACHEN
Blaues Wunder
PLÄDOYER FÜR DIE KULTURHEIDELBEERE
EIN GESPRÄCH MIT DEM LANDWIRT ERNST-AUGUST WINKELMANN
GARÇON
81
GESCHMACKSSACHEN Kulturheidelbeere
Ernst-August Winkelmann, Jahrgang 1964, stammt aus Rahden in
Nordrhein-Westfalen und absolvierte eine Ausbildung zum Großund
Einzelhandelskaufmann. 1990 gehörte er, ebenso wie der
Gärtnermeister Jörg Buschmann, zu einer Städtepartnerschafts-
Delegation, die dem brandenburgischen Glindow einen Besuch
abstattete. Die beiden Männer erfuhren dort von der Tradition des
Spargelanbaus im Beelitzer Revier, von dessen Blütezeit in den
1930er Jahren und seinem Niedergang nach dem Krieg. Sie sahen
eine Chance und hatten eine Idee. Ein Jahr später begann in Klaistow
die Karriere des bäuerlichen Familienbetriebes. Buschmann
und Winkelmann pflanzten auf 11 Hektar ihren ersten Spargel.
Heute bewirtschaften sie insgesamt knapp 800 Hektar. Auf rund
einem Sechstel dieser Fläche wachsen Kulturheidelbeeren, deren
Saisonstart in Klaistow jedes Jahr kräftig gefeiert wird.
Party, Presse, Funk, Fernsehen, Politprominenz – ziemlich viel
Tamtam um die Kulturheidelbeere.
Ich finde, die Frucht hat jede nur erdenkliche Aufmerksamkeit verdient.
Weshalb, Herr Winkelmann, leidet die Beere etwa an fehlendem
Renommee?
Ein bisschen schon, zumindest hierzulande. Ich war beispielsweise
vor einiger Zeit in den USA, dort gehört die Kulturheidelbeere zu
den Top Ten der so genannten Superfruits.
Kein Wunder, dort wird sie ja auch schon seit über 100 Jahren
kultiviert.
Das ist doch kein Argument. Auch in Deutschland gibt es seit Anfang
der 1920er Jahre Kulturheidelbeerplantagen.
Was spricht denn nun besonders für die Frucht?
Zwei Dinge. Zuerst ihr hervorragender Geschmack und zweitens
das, was sie gesundheitlich zu bieten hat.
Bleiben wir mal bei der Gesundheit.
Gerne. Die Kulturheidelbeere ist kalorienarm, reich an den Vitaminen
A, B1, B2 und C, sie enthält erhebliche Mengen an Calcium,
Kalium, Magnesium und Eisen, weit mehr übrigens als die Waldheidelbeere.
Ihr hoher Gehalt an Anthozyanen lässt sie doppelt
so gut wie Erdbeeren und dreimal so gut wie Pflaumen schädliche
Radikale im Körper entschärfen. Der Genuss der Früchte stärkt das
Immunsystem, kann die Wände der Blutgefäße festigen und den
Alterungsprozess von Körperzellen verzögern. Und das ist längst
noch nicht alles.
Eine wahre Wunderbeere.
Sie sagen es, und das ist übrigens keine neue Erkenntnis. Bereits
die Mönche des Mittelalters wussten: Je blauer Beeren sind, desto
gesünder sind sie.
Sie haben den Anbau in Klaistow erheblich gesteigert.
Ja, weil wir gemerkt haben, dass sich die Kulturheidelbeere wachsender
Beliebtheit erfreut, obwohl, wie ich schon sagte, da noch
einige Luft nach oben ist. 2003 sind wir mit 1,5 Hektar gestartet,
aktuell wachsen die Beeren auf 125 Hektar, und das soll noch
längst nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Sondern?
Wir planen, die jetzige Anbaufläche im Verlauf der nächsten drei
Jahre zu verdoppeln.
Weshalb diese Expansion?
Weil wir um das Potential der Frucht wissen, weil wir den Markt
beobachten und weil das Heidekrautgewächs – zu dieser Familie
gehört die Kulturheidelbeere – in den sauren, humosen und luftdurchlässigen
Böden hier in der Gegend optimale Bedingungen
vorfindet.
Aber von allein wächst wahrscheinlich auch die Heidelbeere
nicht.
Natürlich nicht. Pro Hektar rechnen wir mit einem finanziellen Aufwand
von rund 60.000 Euro bis sich nach etwa acht Jahren der
Vollertrag einstellt.
Auf welche Sorten setzen Sie?
Auf zwei frühe Sorten, Duke und Reka, die bereits im Juli zum Saisonstart
gepflückt werden, auf die Sorte Bluecrop, die etwas später
trägt und auf die spät reifende Sorte Elizabeth, die von Mitte
August bis Anfang Oktober Beeren liefert.
Und wie bewerten Sie das kulinarische Potential der Beere?
Als noch nicht ausgeschöpft. Heidelbeereis, Heidelbeersauce, Heidelbeerkuchen,
-muffins, -marmeldade, das sind sicher gute Beispiele
der Veredlung, aber ich frage mich, ob die Kulturheidelbeere
nicht auch zu Fleischgerichten passt. Oder zu Gemüse. Kreative
Köche haben da sicher noch Einiges zu entdecken.
Vielen Dank für das Gespräch.
ERLEBNISHOF KLAISTOW
Glindower Straße 28
14547 Beelitz OT Klaistow
Tel. 033206 — 610 70
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82 GARÇON
GTS
Großküchentechnik &
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Großer Bahnhof: Eröffnung der Brandenburger Heidelbeersaison 2016 in Klaistow.
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Bratplatten, Kochkessel, Friteusen u.v.m.
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Geschmackstest: Ernst-August Winkelmann und
Landrat Potsdam-Mittelmark, Wolfgang Blasig, li.
GTS-Großküchentechnik- &
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Schwedter Str. 45-46
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Tel: 030 / 285 95 03
Fax: 030 / 440 541 58
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GESCHMACKSSACHEN Sizilianische Spezialitäten
PESTO DI SICILIA
Sizilianisches Pesto aus wildem Fenchel, der in den Bergen
rund um das Städtchen Buccheri wächst.
CAPONATA DI SICILIA
Süßsaure Würzcreme aus püriertem Bio-Gemüse: Aubergine,
Paprika, Knoblauch. Dazu Olivenöl, Zitrone, Gewürze.
Gusto Sicilia
ENTDECKT AUF DEM WOCHENMARKT AM KARL-AUGUST-PLATZ
VON JÖRG TEUSCHER
Das sizilianische Städtchen Buccheri in der Provinz Syrakus.
84 GARÇON
Sizilianische Spezialitäten GESCHMACKSSACHEN
Pietro Nicotra an seinem Wochenmarktstand auf dem Karl-August-Platz.
Der junge Mann hinter dem kleinen Stand auf dem Wochenmarkt am
Karl-August-Platz in Charlottenburg wirkt wie das ganze Gegenteil
eines Händlers – eher still und zurückhaltend, ohne die Attitüden
vieler seiner Kollegen.
Wenn sich allerdings jemand für seine Offerten interessiert, blüht
er förmlich auf, erläutert gestenreich die geschmacklichen Besonderheiten
der Olivensorten Biancolilla, Cerasuola und Nocellara, erklärt
geduldig die Verwendung von Fenchelpesto, erzählt von Pino
Puglisi, einem sizilianischen Priester, der sich in Modica um junge
Mütter kümmerte, gemeinsam mit ihnen eine Schokoladenproduktion
aufzog und wegen seines sozialen Engagements 1993 von der
Mafia ermordet wurde.
Der junge Mann heißt Pietro Nicotra, ist 26 und Sizilianer. Er absolvierte
an der Universität Catania ein BWL-Studium und kam gemeinsam mit
seinem Freund Vincenco Costanza nach Berlin, beide wollen hier ihren
Master machen. Um das zu finanzieren, gründeten sie eine Importfirma,
mit deren Hilfe sie heimische Spezialitäten nach Berlin holen – erstklassige
Olivenöle, naturell und mit Basilikum, Chili, Knoblauch oder
Limone aromatisiert, eingelegte Oliven, Konfitüren, Pestos. Die meisten
Delikatessen stammen aus einer Kooperative, die Pietros Eltern
gemeinsam mit einer zweiten Familie gründeten, sind manufakturell
hergestellt und leben von der Qualität ihrer Grundprodukte.
„Á mio gusto“, urteilt eine Kundin, „ganz nach meinem Geschmack.“
Lob, das Pietro Nicotra häufig hört.
CIOCCOLATA MODICANA
Manufakturell hergestellte Schokolade aus dem Caritas-
Haus in der 55.000-Einwohner-Stadt Modica.
OREGANO BIOLOGICO
Typisch italienisches Würzkraut, von Bio-Bauern in der Sonnenprovinz
Syrakus angebaut und luftgetrocknet.
GARÇON
85
Getränke Preuss Münchhagen GmbH
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Tel.: +49 30 68 89 01- 0
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Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI
MEISTER-KÖCHE
Stolze Truppe: Preisträger „Berliner Meisterköche 2016“.
Es war eine gute Idee, den Jubiläumsjahrgang Berliner Meisterköche
im Restaurant Altes Zollhaus vorzustellen und damit einer Aktion
Reverenz zu erweisen, die vor 20 Jahren mit der Auszeichnung
von sechs Berliner Spitzenköchen begann und inzwischen sogar
international von sich reden macht.
Zollhaus-Inhaber Herbert Beltle, 1997 gemeinsam mit Manfred
Heissig, Johannes King, Franz Raneburger, Rolf Schmidt und Karl
Wannemacher als Berliner Meisterkoch geehrt, erinnerte dann auch
daran, dass damals die sprachliche Verknüpfung von Berlin und guter
Küche noch als Paradoxon galt und der Gault Millau lästerte, die
Berliner Edelgastronomie habe den Vorteil, ungemein übersichtlich
zu sein. „Und heute“, so Beltle, „heute sind wir die Trendsetter.“
Dazwischen lagen neben Höhen auch etliche Tiefen – Semmler
kann das sicher nicht mehr hören, aber es gehört nun mal zu seiner
Geschichte. Er hat alles überstanden, nicht wegen des vergesslichen
Feinschmeckervolkes, sondern aus eigener Kraft und Kreativität.
Der Michelin-Stern 2015 und der Berliner Meisterkoch 2016
belegen das. Chapeau, Markus Semmler!
Aufsteiger 2016: Max Strohe.
Meisterköche 1997 und 2016: Herbert Beltle und Markus Semmler.
Berliner Meisterkoch 2016 – fünf Nominierte, sechs Sterne. And
the winner is – Markus Semmler!
Der Zwei-Meter-Mann bedankt sich artig und ist sogar ein bisschen
gerührt. 1998 holte er den Titel schon einmal, damals als Küchenchef
im Schlosshotel Vier Jahreszeiten im Grunewald.
Hut ab und Tusch auch für Max Strohe, den Aufsteiger 2016! Eine
der sympathischsten Neugründungen der letzten Zeit, urteilten
die meisten Kritiker über das Tulus Lotrek in der Kreuzberger Fichtestraße.
Nicht nur der Name ist aufmerksamkeitsheischend, auch sonst
gibt’s hier kein Andante moderato, sondern kräftige Paukenschläge
– sowohl beim Ambiente als auch auf den Tellern. Nur Strohes
Koch-Vita kennt keine lauten Aha-Stationen.
Vor üppiger Urwald-Tapete an den Wänden des Tulus Lotrek ein
Hirschtatar mit gehobelter Leber und Liebstöckelpulver zum Beispiel
– ein echter Kracher.
GARÇON
87
BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten
Lisa Meyer, Robert Havemann und ihre Mannschaft sind Rosa
Lisbert, und Rosa Lisbert ist das Berliner Szenerestaurant 2016!
Toutes mes félicitations! Und merci – für eine Markthallengastronomie,
die beweist, dass in einer solchen Location mehr als
Streetfood möglich ist, für Flammkuchen der Extraklasse, für eine
Elsassküche, die in Berlin ihresgleichen sucht und für eine großartige
Gastgeberschaft.
Meisterkoch der Region 2016: Daniel Schmidthaler, re. im Gespräch
mit Thomas Struck, Leiter des Kulinarischen Kinos der Berlinale.
Dann wird’s rot-weiß-rot und nicht nur die Ösi-Community jubelt.
Meisterkoch der Region 2016: Daniel Schmidthaler aus Oberösterreich,
der seit sechs Jahren in der Alten Schule Fürstenhagen am
Herd steht! Berliner Gastgeber 2016: Viktoria Kniely aus der Steiermark,
die seit 2014 im Restaurant Herz&Niere in Kreuzberg den
Service managt! Felix Austria!
Eine weise Entscheidung der Jury übrigens, den Titel Brandenburger
Meisterkoch ad acta zu legen und sich der Region zuzu wen den.
Jetzt traf es eben Mecklenburg, im nächsten Jahr ist es vielleicht
Sachsen, na und? Lieber einen Spitzenmann wie Schmidthaler aus
MeckPom ehren, als in Ermangelung geeigneter Kandidaten einen
zweitklassigen Brandenburger Suppenschmied küren. Und man
muss ja, was die Kulinarik im Nachbarland betrifft, die Hoffnung
nicht gleich gänzlich aufgeben.
Die Inhaber des Berliner Szenerestaurants 2016: Lisa Meyer
und Robert Havemann im Gespräch mit Viktoria Kniely, re.
Ein dreifach Hoch auf das Team Boris Radczun und Stephan Landwehr:
Gastronomischer Innovator 2016! Der eine war Türsteher, der
andere Bilderrahmenhändler, bevor sie eine atemberaubende gastronomische
Karriere starteten, die ein bemerkenswertes Gespür
für Berlin, für die Sehnsüchte der Bewohner und die Wünsche der
Besucher beweist: Grill Royal, Pauly Saal, Dóttir, Le Petit Royal, Café
Einstein Unter den Linden und bald auch das erste eigene Hotel.
Last but not least geht aus gegebenem Anlass ein Dank an die
Jury: 13 Food-Journalisten, kompetent, unabhängig, die Créme de
la créme ihrer Zunft, dazu Prof. Dieter Großklaus von der Chaîne
des Rôtisseurs und Willy Weiland von der DEHOGA Berlin tagten
insgesamt fast 20 Stunden bis 72 Kandidaten benannt, 25 Nominierungen
ausgesprochen und schließlich die Meister gewählt waren.
Vorsitzender Dr. Stefen Elfenbein: „Jurymitglied ist ein Ehrenamt!“
Berliner Gastgeberin 2016: Viktoria Kniely im Gespräch mit Prof. Dr.
Dr. Dieter Großklaus, Jury-Ehrenpräsident.
„Ich habe nie, nie, nie damit gerechnet“, sagt Viktoria Kniely. Wir
sagen herzlichen Glückwunsch! So jung und schon so gut!
Und noch etwas: Die Knielysche Service-Herzlichkeit liegt sicher
in den Genen, ihre Professionalität aber ist Ergebnis einer Ausbildung,
von der Deutschland nur träumen kann. Ein Besuch in der
steirischen Tourismusschule Bad Gleichenberg zum Beispiel könnte
den Verantwortlichen hierzulande sicher auf die Sprünge helfen.
Gastronomischer Innovator 2016: Boris Radczun (gemeinsam mit
Stephan Landwehr), Mi. im Gespräch mit Daniel Schmidthaler.
88 GARÇON
TRADITION | HANDWERK | ÖKOLOGIE
Beste
ökologische
Rohstoffe
Bester
bayerischer
Brotgenuss
Einzigartiger
Geschmack
Eigene Mühle
Tradition & Moderne
Handwerkliche
Herstellung
Zeit zum Reifen
Frei von
Zusatzstoffen
Lange
Frischhaltung
Himmlische Kruste
Frei von
Gentechnik
Bayerische Brotkultur seit 1331
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Tempelhof, Manfred von Richthofen Straße 10 | Wilmersdorf, Westfälische Straße 55
Wilmersdorfer Straße 32 | Zehlendorf, Teltower Damm 25|
Spandau, Carl-Schurz-Straße 33
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Ludwig Stocker Hofpfisterei GmbH • Kreittmayrstr. 5 • 80335 München
BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten
KÜCHEN-FUCHS
Niederlassungsleiter Gerold Christian Bauer.
Gerold Christian Bauer, 53, stammt aus dem Moselstädtchen Traben-Trarbach,
studierte in Mainz Innenarchitektur, kam 2006 zur
Unternehmensgruppe Edgar Fuchs und leitet seit 2011 die Berliner
Niederlassung des bundesweiten Marktführers im Bereich
Küchen- und Objektausstattung.
Ein ziemlich spröder Begriff, Herr Bauer.
Sie mögen das so sehen, aber unsere Kunden wissen schon genau,
was sich dahinter verbirgt.
Erklären Sie es doch bitte mal einem Laien.
Wir sind Dienstleister für die Gastronomie und Hotellerie, aber wir
statten nicht nur aus, sondern unsere Arbeit geht weit über die Einrichtung
von Küchen oder Gasträumen hinaus.
Wir erarbeiten beispielsweise komplette Restaurantkonzepte – wenn
der Kunde es wünscht, einschließlich des Farb-, Licht- und neuerdings
sogar des Foodkonzeptes bis hin zur Speisenkartengestaltung.
Wir planen den Neu- und Umbau sowohl finanziell als auch zeitlich,
und wir übernehmen mit Hilfe spezialisierter Baufirmen dann die
Realisierung – natürlich immer in partnerschaftlicher Zusammenarbeit
mit unseren Kunden.
Und, lassen sie mich das noch sagen, wir legen dabei sehr hohe
Qualitätsmaßstäbe an – gleich übrigens, ob es sich um das Mitarbeiterrestaurant
einer großen Versicherung handelt, in dem täglich
2.500 Menschen versorgt werden, um ein metropoles Restaurant
mit besonderen Ansprüchen auch an das Interior Design bis hin
zum maßgefertigten Weinkühlschrank beispielsweise oder um ein
kleines Café mit 16 Sitzplätzen.
Seit fünf Jahren leiten Sie die Niederlassung der Fuchs-Gruppe in
Berlin. Wie sieht denn Ihre Bilanz aus?
Erstmal: Die Edgar Fuchs GmbH wurde vor 50 Jahren vom Namensgeber
des mittelständischen Unternehmens in Aschaffenburg gegründet
und wird heute bereits in zweiter Generation von seinen
Söhnen Harald und Michael Fuchs geführt. Inzwischen haben wir insgesamt
130 Mitarbeiter, und es gibt neben der Firmenzentrale sechs
weitere Standorte. Die jüngste Niederlassung ist in der Schweiz, in
Rottenschwil im Kanton Aargau, die bisher nördlichste in Berlin.
Auf der Haben-Seite unseres Teams in der Hauptstadt stehen bisher
solche Restaurants wie das Nobelhart & Schmutzig, das Einsunternull,
das Pasta Maria, das Two Buddhas am Nordbahnhof, das
Greenhouse in Glienicke oder die Patisserie Jubel in Prenzlauer
Berg, eine erfolgreiche Start-up-Unternehmung.
Unser erstes Projekt hier war übrigens ein neues Küchenkonzept
für die Weinbar Rutz und natürlich die Realisierung dieses Konzepts.
Aktuell hat unsere Mannschaft die Unternehmenszentrale
der 50Hertz-Transmission GmbH in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofes
fertiggestellt.
Neuerdings sieht man Sie häufig auch im Estrel Hotel.
Das ist richtig. Die Zusammenarbeit mit dem 1.125-Zimmer-Haus
in Neukölln mit seinem Congress- und Festival-Center und dessen
Küchendirektor Peter Griebel ist aber nicht neueren Datums, wir
sind schon seit sieben, acht Jahren Partner. Die Dimension des
derzeitigen Projektes allerdings übertrifft alles, was wir bisher gemeinsam
realisiert haben.
Partner im Estrel: Geschäftsführer Harald Fuchs, Niederlassungsleiter
Gerold Christian Bauer und Küchendirektor Peter Griebel, v.re.
Worum geht es?
Kurz gesagt, um eine komplett neue Küchenstruktur. Das betrifft
nicht nur die Technik, sondern auch die Optimierung von Arbeitsabläufen,
die Einsparung von Ressourcen, die Senkung von Betriebskosten,
die Ergonomie, Hygiene und viele andere Faktoren.
Das ist also ein ziemlich großes Rad, das wir da gemeinsam drehen,
übrigens bei laufendem Betrieb.
Wann werden die neuen Küchen im Estrel startklar sein?
Wir sind im Plan, also im September.
Vielen Dank für das Gespräch
90 GARÇON
VIA Werkstätten
einsunternull
Michelberger Hotel
Jubel - feine pâtisserie
Berlin oder Los Angeles.
10 oder 1000 m².
Wir statten jede Küche aus.
Seit mehr als 50 Jahren planen, konzipieren und statten wir Gastronomie-Objekte aus.
Und keines ist wie das andere. Von großer System-Gastronomie bis hin zum kleinen,
feinen Sterne-Restaurant, von funktional-sachlich bis luxuriös-extravagant. Aber
immer zugeschnitten auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Wir kennen den Markt,
wir kennen die Zukunfts-Trends und wir wissen, was ein erfolgversprechendes Projekt
zu einem langfristig erfolgreichen Objekt macht.
Immer auf Augenhöhe.
Und immer auf dem neuesten Stand.
Edgar Fuchs GmbH, Niederlassung Berlin
Gabriele-Tergit-Promenade 11-15, 10963 Berlin
Tel.: +49 30 8562178-0, www.edgarfuchs.de
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Tour nach Toba
EIN JAPANISCHES TAGEBUCH
VON JÖRG TEUSCHER
92 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Osaka
Tokio
Toba
Ach Berlin, du kleine große Stadt. Von hier aus in eine der fernen
Metropolen dieser Welt zu fliegen – ohne zeitraubendes und nervtötendes
Umsteigen – das bleibt wohl noch lange ein frommer
Wunsch, trotz des neuen Milliardenkredits und der Blanko garantie
der Länder Berlin und Brandenburg sowie des Bundes, die BER-
Finanzierung auch künftig sicherzustellen, egal was passiert.
1.570 Tage immerhin sind seit der Nichteröffnung des Airports am
3. Juni 2012 vergangen...
Wer also nach Japan will, fliegt mit Air Berlin von Tegel beispielsweise
nach Helsinki und steigt dort um. Das hat zumindest den
Vorteil, dass man auf dem Airport der finnischen Hauptstadt ein ordentliches
Mittagessen bekommt – Lachs mit Sternanis und Zimt,
Kartoffeln, Brokkoli, Salat, Kaffee, Mineralwasser – und das zum
gleichen Preis, wie er im Tegel-Terminal für ein Paar Laggner-Weißwürstl
mit Laggner-Brezn aufgerufen wird. Dazu gibt’s eine Werbung
gratis: „Berlin – not a city, but a life style“. Alles klar?
Helsinki übrigens ist eine Art Drehkreuz für Asien-Flüge: Bangkok,
Fukuoka, Guangzhou, Nagoya, Peking, Seoul, Shanghai, Singapur,
Tokyo. Unser Ziel ist Osaka, Japans drittgrößte Stadt. Zwanzig
Journalisten aus zwölf Ländern sind zu einer Tour nach Toba
eingeladen, rund 200 Kilometer von Osaka entfernt: Gregoire aus
Belgien, Zachi aus England, Stephané aus Frankreich, Natalie aus
Israel, Deepti aus Indien, Amy aus Kanada, Andras aus Ungarn, Kollegen
aus Italien, Hongkong, Taiwan und Thailand.
Die meisten aus der Gruppe haben schon Reportererfahrungen
in Japan gemacht – in Tokyo, in den alten Kaiserstädten Kyoto und
Nara, auf Hokkaido, der Insel am Eismeer und Okinawa mit ihrem
gelassenen Südseecharme – Toba jedoch ist für alle eine Premiere,
und wir freuen uns auf die Begegnung mit den berühmten Ama-
Taucherinnen von Toba.
Doriana, Autorin eines Mailänder Online-Magazins, erzählt, dass
sie diese Frauen aus dem Fernsehen kennt. James Bond. Man lebt
nur zweimal. Mister 007 heiratet Kissy Suzuki, eine japanische Ama-
Taucherin, dunkelhaarig, gertenschlank, die im Film mit schneeweißem
Bikini auftritt. Und wie sieht nun die Wirklichkeit aus? Wir sind
jedenfalls gespannt.
GARÇON
93
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Mittwoch, 18. Mai 2016
BANKETT IN TOBA-CITY
Wir freuen uns, dass Sie nach
Toba City gekommen sind, und
ich begrüße Sie herzlich an einem
kulinarischen Ort mit jahrtausendealter
Seafood-Tradition, in der
Hauptstadt der Ama-Fischerei.
Sadakatsu Matsuura
Präsident des Vereins der Küchenchefs
Toba
94 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
11.00 Uhr Treff in der Ankunftshalle des Kansai International Airports
Osaka, 11.15 Uhr Abfahrt des Busses nach Toba City, 14.45 Uhr
Check-in im dortigen Hotel Todaya, 16.00 Uhr Dinner-Party im Restaurant
Toba Marché – so hieß es im Zeitplan, den uns Delegationsleiter
Justin Yip in die Hand gedrückt hatte.
Die erste Erkenntnis: Wer hier 14.45 Uhr sagt, meint 14.30 Uhr,
und wenn es 16.00 Uhr heißt, ist 15.45 Uhr gerade richtig. Japan ist
das Land der Überpünktlichkeit. Lediglich in einem Bereich nehmen
es die Japaner mit der Uhrzeit nicht so genau: Der Feierabend beginnt,
wenn die Arbeit erledigt ist und der Chef nach Hause geht.
Toba City also, 20.000-Einwohner-Stadt in der Präfektur Mie, einer
von 47 Verwaltungseinheiten Japans, etwa vergleichbar mit den
deutschen Bundesländern. Toba liegt auf der Halbinsel Ise Shima
direkt am Pazifik, findet zwar nur in wenigen Reiseführern Erwähnung,
hat es aber dennoch zu einiger Bekanntheit gebracht. Da ist
die Perleninsel Mikimoto, auf der Kokichi Mikimoto 1893 eine noch
heute angewandte Methode entwickelte, Perlen zu züchten. Da ist
die uralte Tradition der Ama-Taucherinnen – der eigentliche Grund
unseres Toba-Trips – und da ist eine regionale Seafood-Küche, die
selbst im fischverrückten Japan ihresgleichen sucht.
GARÇON
95
KULINARISCHE EXKURSION Toba
平 成 28 年 5 月 18 日 ( 水 )
鳥
羽
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魚
貝
バ
ン
ケ
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ト
96 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Food-Journalisten aus zwölf Ländern in Toba: ein Medienereignis.
Gastfreundschaft gehört zu den wichtigsten japanischen Tugenden,
ebenso wie Bildungsdrang, Hilfsbereitschaft, Höflichkeit und Traditionsbewusstsein.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Stadt
Toba eine Gruppe Journalisten zum Auftakt ihres Besuches zu einer
Welcome Dinner Party einlädt.
Selbst Kusuichi Kida, der Bürgermeister von Toba und sein Vize,
Kenichi Kinoshita, haben sich diesen Abend frei gehalten, um uns
zu begrüßen – dazu ein gutes Dutzend weiterer Repräsentanten
aus Wirtschaft und Tourismus der Region. Und sie haben es sogar
geschafft, die zwölf Fahnen der Länder aufzutreiben, aus denen
wir Reporter kommen. Das ist auch deshalb erwähnenswert, weil
Toba nicht Tokyo ist, wo die Organisation eines solchen Aktes der
Freundlichkeit natürlich keine Hürde darstellt.
Der Ort des Geschehens heißt Toba Marché, ein rund 750 Quadratmeter
großer Flachbau in Hafennähe – normalerweise eine Markthalle
mit Restaurant, in der regionale landwirtschaftliche Produkte
– Obst, Gemüse und Reis – sowie Fisch und Fleisch angeboten
werden, ebenfalls ausschließlich aus der Gegend.
Bürgermeister Kusuichi Kida informiert uns darüber, dass über
zehn Prozent der Einwohner der Stadt vom Fischfang und von der
Fischverarbeitung leben. Rund 2.500 Menschen sind das.
Hinzu kommt der Tourismus. Toba zählt jedes Jahr rund vier Millionen
Gäste, 60 Prozent davon kommen aus den nahe liegenden
Großstädten. „Für Osaka zum Beispiel sind wir eine Art Naherholungsgebiet“,
so Bürgermeister Kusuichi Kida.
Unzufrieden ist das Stadtoberhaupt damit, dass jährlich nur
40.000 ausländische Besucher den Weg nach Toba finden. „Bis
spätestens 2020 soll sich diese Zahl verdoppeln.“
Dabei setzt er nicht zuletzt auf das kulinarische Potential, das
nicht nur Toba, sondern die gesamte Halbinsel Ise Shima bietet.
Stichwort und Startschuss für Chef Sadakatsu Matsuura und seine
Mannschaft.
GARÇON
97
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Die Arbeit der Männer in Weiß beginnt mit einer Kulthandlung. Andächtig
prüfen sie ihre Messer. Chef Sadakatsu Matsuura ent nimmt
einem Zedernholzkasten eine Scheide aus Zeitungspapier, darin ein
Schneidwerkzeug mit geschätzten 80 Zentimetern Klingen länge.
Das so genannte Yanagiba, ein handgeschmiedetes, extrem scharfes
Filetiermesser mit einem rutschfesten Griff aus Graumagnolie,
der von einer Zwinge aus Büffelhorn gehalten wird, stammt aus
Sakai, einer traditionellen Messerstadt in der Nähe von Osaka und
kostet wahrscheinlich ein kleines Vermögen.
Die übrigen Köche benutzen für ihre Arbeit beidseitig geschliffene
Santokus. „Messer der drei Tugenden“ nennen sie ihre Werkzeuge,
weil sich damit sowohl Fisch als auch Fleisch und Gemüse
schneiden lassen.
Der Klingen-Kult fernöstlicher Küchenmeister ist kein Spleen und
bestimmte Schnitttechniken sind kein Selbstzweck, sondern eine
Art mechanische Geschmacksverstärkung.
98 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Traditioneller Service: Mitglieder der Toba Ryokan Association.
Chef Sadakatsu Matsuura, übrigens auch Präsident des Regional-
Instituts für kulinarische Studien, zerlegt mit seinem schwertähnlichen
Werkzeug einen Thunfisch dermaßen geschickt, dass selbst
die zahlreich angereisten Kollegen japanischer Fernseh- und Rundfunkstationen
staunen. Kommentar von Shiori Shimizu von Fuji
Television Network: „Das können auch die Leute auf dem Tsukiji-
Fischmarkt in Tokyo nicht besser“.
Der Ise-Tuna wird roh als Sushi und Sashimi serviert, außerdem
gibt es alles, was der Pazifik im Frühsommer in dieser Region
sonst noch bietet: die Spanische Makrele, den delikaten Japanischen
Hum mer, der in Wirklichkeit eine Langustenart ist und hier Ise-Ebi
heißt, die winzigen Lanzettfische, Felsenaustern, Kammmuscheln,
Turbanschnecken. Der Star des Abends ist jedoch die Abalone, zu
deutsch Seeohr, eine sündhaft teure Delikatesse. Und hier kommen
die Ama-Taucherinnen ins Spiel, Frauen, die diese Schnecken vom
Meeresboden der Toba Bay holen.
Sehen zwar wie Muscheln aus, sind aber Schnecken: Abalonen.
Internationales Medieninteresse...
...für zwei junge Ama-Taucherinnen und Chef Sadakatsu Matsuura.
GARÇON
99
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Donnerstag, 19. Mai 2016
IM TOBA SEA-FOLK MUSEUM
Bitte unterstützen Sie mit Ihren
Möglichkeiten unseren Antrag, die
über 3.000 alte Kultur der Ama-
Fischerinnen und ihres Brauchtums
in die Liste des UNESCO-
Welt kulturerbes aufzu nehmen.
Yoshikata Ishihara
Direktor
Toba Sea-Folk Museum
100 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Der freundliche ältere Herr, der uns am Eingang des Toba Sea-Folk
Museums mit vollendeter japanischer Höflichkeit begrüßt, heißt
Yoshikata Ishihara, ist der Direktor dieses weit über die Region hinaus
bekannten Museums, Historiker, Buchautor und ein auch international
geschätzter Kenner der jahrtausendealten Geschichte der
Ama-Fischerei.
Natürlich verweist er in einer wohltuend kurzen Rede auf die über
60.000 Fischerei-Exponate seines Hauses, auf die beeindruckende
Sammlung hölzerner Fischerboote und vergisst auch nicht zu erwähnen,
dass sein vom japanischen Stararchitekten Hiroshi Naito
entworfenes Museum mit Design-Preisen förmlich überschüttet
wurde – um dann jedoch schnell zu einem Thema zu kommen, dem
seine ganze Leidenschaft gehört: der Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft der Ama-Fischerinnen.
Wie sehr ihm die Traditionen der Ama, ihr Brauchtum und dessen
Bewahrung am Herzen liegen, merkt man auch an Yashikata
Ishiharas Formulierungen. „Die wahren Königinnen der Küste“,
nennt der sonst so sachliche Wissenschaftler die Taucherinnen
und fügt hinzu: „Sie kennen die Unterwasserwelt genauso gut wie
die Straßen ihrer Dörfer.“
GARÇON
101
KULINARISCHE EXKURSION Toba
平 成 28 年 5 月 19 日 ( 木 )
鳥
羽
の
海
の
博
物
館
に
て
102 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit
ist lang. Die indonesische Batik gehört dazu, die chinesische Kalligrafie
und die traditionelle Geigenbaukunst im norditalienischen
Cremona. Auch Kulinarisches fand in den letzten Jahren Aufnahme:
die Mittelmeerküche beispielsweise, das Krabbenfischen zu
Pferde in Belgien, der Weinausbau in Amphoren in Georgien.
Bereits 2007 stellten Japan und Südkorea den Antrag, die Ama-
Fischerei ihrer Länder in diese Liste aufzunehmen, doch bislang
ohne Erfolg. Deshalb nutzt Museumsdirektor Yoshikata Ishihara
jede Möglichkeit, dafür zu werben. „Ama bedeutet ‚Frau des Meeres‘,
und seit rund 3.000 Jahren sind es tatsächlich ausschließlich
Frauen, die diese Art der Fischerei betreiben“, erläutert er und zeigt
Bilder – Taucherinnen, früher lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet,
seit Beginn des 20. Jahrhunderts in weißem Leinendress
und seit etwa 1960 im Neoprenanzug, allerdings ohne Schnorchel
und ohne Sauerstoffgerät.
Die Frauen können bis zu einer Minute unter Wasser bleiben und
erreichen Tauchtiefen von fünf bis maximal 20 Meter. Mit Hilfe
meißelartiger Werkzeuge lösen sie Seeigel, Schnecken und die
kostbaren Abalonen vom Meeresboden, außerdem bringen sie Algen,
Hummer und Oktopusse mit nach oben.
Warum Männer diese Arbeit nicht machen, wird unterschiedlich
erklärt. Sie haben weniger Körperfett, sagt man, da könnten sie die
Kälte schlechter vertragen. Oder sie sind beim Fischfang auf hoher
See. Vielleicht sind sie aber einfach auch nur das schwächere Geschlecht,
heißt es bei den Ama-Taucherinnen.
Was sie fangen und sammeln dürfen, ist inzwischen streng reg
lementiert. Eine Abalone beispielsweise muss mindestens 50 Monate
Wachstum hinter sich haben, dann ist sie 10,6 Zentimeter lang,
das Mindestmaß. Die Ama-Taucherinnen kontrollieren es mit einfachen
Hilfsmitteln aus Holz. Abalonen, die das Maß nicht erreichen,
kommen zurück ins Meer.
GARÇON
103
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Freitag, 20. Mai 2016
BEI DEN AMA-TAUCHERINNEN
VON TOBA
Natürlich gibt es in Toba noch
ältere Taucherinnen als mich. Ich
bin 69 Jahre alt und tauche seit
meinem 24. Lebensjahr nach Muscheln,
Schnecken und Algen. Und
ich denke noch nicht ans Aufhören,
weil es meinem Rücken guttut.
Kanzuyo Murayama
Ama-Taucherin
Toba
104 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
In den Straßen von Toba sind die Ama allgegenwärtig. Überall Plakate
und Poster, in den Schaufenstern vieler Geschäfte Essentials
der Ama-Tätigkeit, uralte Taucherbrillen, rostige, messerartige Werkzeuge
und Netze, die die Taucherinnen um den Hals tragen.
Zwei Ama-Symbole zieren auch die meisten Souvenirs: Seiman,
ein fünfzackiger Stern, und Doman, ein Gitterraster. Beide sollen
die Frauen vor Gefahren schützen, wenn sie in den felsigen Küstengewässern
nach Seafood tauchen.
Auch an einigen Häusern finden wir diese traditionellen Zeichen,
einfach an die Tür gemalt oder in rund geschliffene Steine geritzt:
Hinweis darauf, dass hier aktive Ama wohnen. Allzu viele Häuser
mit Stern und Gitter gibt es in Toba jedoch nicht mehr. Während
An fang der 1950er in der Stadt über 3.000 Frauen dem Ama-Handwerk
nachgingen, sind es heute gerade mal noch knapp 600. Ähnlich
drastisch ist der Rückgang in der benachbarten Stadt Shima.
Hinzu kommt, dass die aktiven Taucherinnen immer älter werden.
Die jüngsten in Toba sind um die 30, die älteste über 80, das
Durchschnittsalter liegt bei 63 Jahren. Einige der Gründe dafür
liegen auf der Hand, andere erfahren wir beim Besuch in einem so
genannten Ama goya.
GARÇON
105
KULINARISCHE EXKURSION Toba
平 成 28 年 5 月 20 日 ( 金 )
海
女
さ
ん
達
と
一
緒
に
106 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Die Ama-Grundausstattung.
Ama goya heißen die Hütten (Fotos unten), in denen sich die Taucherinnen
nach der Arbeit erholen. Außen Parkplätze für ihre Motorroller
und Kleiderständer, um die Neoprenanzüge zu trocknen,
innen eine offene Feuerstelle, drumherum Bänke zum Ausruhen.
Wir treffen vier Ama, die zwar mit uns reden, aber mit ihren dicken
Pullovern und wärmenden Decken nicht fotografiert werden wollen.
„Nur in Neoprenanzügen“, bitten sie. Ama haben ihren Stolz.
Sawako Nomura, die Älteste, ist 70 und taucht seit 45 Jahren;
Sayuri Nakamura, 65, ist seit 43 Jahren dabei; die 62-jährige Yoshino
Uemura kam erst mit 40 zu den Ama-Taucherinnen ebenso wie
Mie Nakazero, die 52-jährige Wortführerin der Gruppe.
Sie spricht über den fehlenden Nachwuchs, über die zunehmende
Verschmutzung der Meere und darüber, dass dadurch immer
weniger Abalonen wachsen.
„Früher“, sagt sie, „sind wir so lange getaucht, wie es möglich
war“, heute hat die Fischereigenossenschaft die Arbeitszeit geregelt,
um die Abalonen vor Raubbau zu schützen.“ Von März bis Mai
tauchen die Frauen vormittags und nachmittags je eine Stunde
lang, bis zum 14. September dann je anderthalb Stunden.
Ohnehin stammen vier Fünftel aller in Japan verzehrten Abalonen
inzwischen aus Zuchtbetrieben. Sie sind allerdings ziemlich
klein und auch ihr Geschmack kommt nicht entfernt an den der
Awabi, der „wilden“ Seeohren aus dem Pazifik heran.
„Und was den Nachwuchs betrifft“, so Mie Nakazero, „der fehlt
nicht nur uns, er ist ein Problem in der gesamten Land- und Fischwirtschaft
Japans.“ Sawako Nomura fügt hinzu: „Die Zeiten, in denen
die gut verdienenden Taucherinnen bei den Männern selbst ein
‚guter Fang‘ waren, sind leider vorbei.“
Noch arbeiten in 18 der 47 japanischen Präfekturen rund 1.800
Ama-Taucherinnen, pflegen ihre Traditionen und hoffen, dass mit
einer Aufnahme in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes ihr uralter
Frauenberuf vor dem Aussterben bewahrt werden kann.
GARÇON
107
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Ready for diving...
Sawako Nomura, Sayuri Nakamura, Yoshino Uemura und Mie Nakazero
machen sich auf den Weg zu ihrem nachmittäglichen Tauchgang.
Sie zeigen uns ihre Ausrüstung: Taucherbrille, Schwimmflossen,
Bleigürtel, ein Sammelnetz, das an einem Schwimmring
befestigt ist, eine Reihe von verschieden langen Meißeln, mit deren
Hilfe sie die Abalonen von den schroffen Felsen unter dem Meeresspiegel
lösen ohne dabei deren Nachkommenschaft zu zerstören.
Zehn bis fünfzehn Abalonen können erfahrene Taucherinnen in
einer Stunde nach oben bringen, rund 60 mal müssen sie dafür abund
wieder auftauchen. Anfängerinnen sind froh, wenn sie in den
Tiefen des Ozeans eine einzige der Seeschnecken entdecken.
„Erfahrung und Geschick entscheiden über den Erfolg“, sagt Mie
Nakazero. Wir finden, dass Ausdauer, Kraft und Mut genauso zu
diesem Job gehören, dessen häufig beschworene Romantik mit
der Wirklichkeit allerdings wohl so viel zu tun hat wie eine Hummermit
einer Heckenschere. Das Meer als Ort täglicher Arbeit birgt
...und ab in zehn Meter Tiefe – ohne Pressluft.
Kein Geheimnis: Auktionspreise für Ama-Seafood.
108 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Verkauf der „Beute“...
...an die Fischereigenossenschaft.
Risiken, die Allianz der Taucherinnen mit dem Pazifik ist trügerisch,
Ama ist ein harter und gefährlicher Beruf. Dennoch sind die Frauen
gut gelaunt und erzählen selbstbewusst und mit dem Stolz von
Menschen, die den Ozean nicht fürchten, über ihre Gemeinschaft,
deren jahrtausendealte Traditionen, aber auch darüber, dass das
Abalone-Tauchen noch immer eine lukrative Angelegenheit ist.
Im Fischereihafen von Toba – hierher bringen die Ama ihr Seafood
zum genossenschaftlich organisierten Verkauf – hängen Preislisten.
Rund 8.700 Yen pro Kilogramm haben die größten Abalonen
bei den letzten Auktionen erzielt. Das sind immerhin 70 Euro. In
den Sternerestaurants von Kyoto oder Tokyo kosten die handtellergroßen
Exemplare dann allerdings locker ein paar hundert Euro.
Preiswerter ist es da allemal in den rustikalen Gasthäusern, die
die Taucherinnen inzwischen selbst betreiben, den so genannten
Ama huts. Eine Abalone frisch vom Grill, fachgerecht vor- und zubereitet,
das ist schon ein Genuss.
Ama-Gasthaus: Touristenattraktion in Toba.
Seafood frisch vom Grill...
...ein kulinarisches Schlüsselerlebnis.
GARÇON
109
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Samstag, 21. Mai 2016
AUF DER INSEL TOSHIJIMA
Wie ich die Zukunft unserer Insel
sehe? Die Kinder sind unsere
Zukunft, aber sie gehen weg, wenn
sie erwachsen sind. Irgendwann
wird Toshijima eine Insel der alten
Leute sein.
Hamazaki Yasumichi
Bürgermeister
Toshijima Island
110 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Kurs Toshijima: Bootsführer Yasutaka Matsuo.
„Hello Captain!“ Yasutaka Matsuo lächelt ein bisschen verlegen. Er
spricht zwar kein Englisch, aber Captain, das ist international, das
versteht er.
Nein, übersetzt die Dolmetscherin, er sei kein Kapitän, sondern
lediglich Bootsmann. Petty officer. Japanisches Understatement,
das kennen wir schon.
Sicher steuert Yasutaka Matsuo seine Barkasse aus dem Fährhafen
von Toba und dann in Richtung Nordosten. Mit an Bord ist
Akifumi Seko, Chef der Toba Tourism Association. „In der Bucht
von Toba gibt es vier Inseln“, erklärt er. „Sakatejima, Sugashima,
Kamishima und schließlich Toshijima, das ist die größte und bevölkerungsreichste
dieser Inseln.“ Auf die Frage, was es denn außerdem
Besonderes auf Toshijima gebe, antwortet der Tourismus-
Manager mit einem Lächeln. Nach fünf, sechs Sekunden Pause
sagt er: „The unpretentious charm.“ Dann wieder dieses Lächeln
und der Satz: „There time passes slowly.“
Nach einer knappen Stunde Seefahrt legt Yasutaka Matsuos Barkasse
in Toshi Port, einem der drei kleinen Inselhäfen an, und wir
machen uns auf den Weg, den schlichten Charme von Toshijima zu
entdecken und zu erfahren, was es heißt, wenn die Zeit schleicht.
GARÇON
111
KULINARISCHE EXKURSION Toba
平 成 28 年 5 月 21 日 ( 土 )
答
志
島
に
渡
っ
て
112 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Fischerdorfidylle auf Toshijima.
Erster Eindruck: Toshi Port ist eine Bilderbuchidylle. Sanft glitzert
der Pazifik unter der Morgensonne, grüne Hügel, kleine Häuser, Fischerboote
schaukeln in den Wellen. Hier scheint die Welt in Ordnung,
die Menschen im Einklang mit der Natur.
Lediglich die selbst im kleinsten Dorf allgegenwärtigen Automaten
stören dieses Bild. Gewaltige bunte Kisten, gefüllt mit Zigaretten,
Getränken, Snacks, selbst solche mit eingebauter Mikrowelle gibt es.
Und da ist dieses riesige, leuchtend gelbe Schild: Tsunami Warning!
„Wenn ein Erdbeben länger als eine Minute dauert, begeben
Sie sich augenblicklich in höher gelegenes Gebiet!“, heißt es.
Sicher, Fukushima liegt rund 500 Kilometer weiter nördlich, und
auf der Halbinsel Ise Shima gibt es auch kein Atomkraftwerk, aber
die Bilder der verheerenden Katastrophe sind schnell wieder gegenwärtig.
„Nicht nur diese Region, sondern die gesamte japanische
Pazifikküste ist gefährdet“, erklärt Tourismus-Manager Akifumi
Seko, „Erdbeben, in deren Folge auftretende Tsunami, Taifune.“
Die Chronik nennt an erster Stelle den gewaltigen Ise-Bucht-Taifun
„Vera“, der 1959 die Präfektur Mie und die Stadt Nagoya heimsuchte.
Die heutigen ausgeklügelten Frühwarnsysteme gab es damals noch
nicht, und so forderte die Katastrophe vor 57 Jahren über 10.000
Opfer. 1.5 Millionen Japaner wurden obdachlos.
An vielen Häusern des Fischerdörfchens, aber auch an Schuppen
und Booten, entdecken wir ein mystisches Zeichen (s. Seite
110). Die Insulaner nennen es Maruhachi und Akifumi Seko weiß
natürlich, was es damit auf sich hat.
„Das eigenartige Zeichen zeigt die Zahl Acht – auf japanisch
hachi – und es ist der populären Gottheit Hachiman gewidmet, die
sowohl in der Shinto-Religion als auch im japanischen Buddhismus
verehrt wird.“
Und was bedeutet nun dieses Symbol? „Damit wird die Hoffnung
der Fischer auf gute Fänge und die Sicherheit ihrer Häuser
ausgedrückt.“ Hierzulande würden wir Glückszahl sagen.
GARÇON
113
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Japan ist das Land der Lautsprecher und natürlich entsprechender
Durchsagen. Immer und überall ertönen Ankündigungen, Hinweise
und Warnungen. In Toshi Port beginnt es um 6.00 Uhr morgens.
Tüt-tüüt, tüt-tüüt, tüt-tüüt. Dann eine Stimme, weiblich und freundlich,
aber irgendwie auch bestimmt. Minuten später herrscht Betriebsamkeit
in den engen Gassen. Knatternde Motorroller, lautes
Lachen, Stimmengewirr.
Frauen und Männer treffen sich am Hafen, die meisten tragen
Gummistiefel, manche Südwester, alle haben irgendwelche Geräte
– Besen, Harken, Schaufeln, Spaten. Sie beginnen, den Strand
zu säubern, stopfen Plastikmüll, der über Nacht angeschwemmt
wurde, in Säcke – sechs, acht davon sind schnell gefüllt. Später
erfahren wir, dass sie das, außer an Sonn- und Feiertagen, täglich
tun. Wir rechnen: Acht solcher Säcke bei jeder Strandkosmetikaktion,
das sind im Jahr rund 2.400, ein gigantischer Müllberg, allein
an die sem Strand.
Treffpunkt Hafen...
...zur morgendlichen Strandkosmetik.
114 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Ariko Hashimoto...
...und ihr Mann Yasoji.
Bis zu 13 Millionen Tonnen Plastik werden weltweit jedes Jahr in
die Meere gespült oder geworfen. Nur ein Bruchteil davon gelangt
wieder an Land. Der Rest sammelt sich auf dem Meeresboden und
verrottet erst in Jahrhunderten. Das Meer als riesige Müllkippe.
Irgendwie scheint das, was dann Punkt 12.00 Uhr aus den Lautsprechern
des Dorfes schallt, nicht zu dieser deprimierenden Vorstellung
zu passen: Ludwig van Beethoven, 9. Sinfonie, der Schlusschor,
das Jubelthema. Freude, schöner Götterfunken.
Die Bekanntschaft mit Ariko und Yasoji Hashimoto bestätigt unsere
Vermutung. Der 82-Jährige und seine Frau, 77, sind auf Toshijima
geboren und kennen das Meer. „Der Kampf gegen den Müll ist ein
Kampf gegen Windmühlen“, sagt uns die alte Fischersfrau.
Um 13.00 Uhr ist Fischauktion. Was die Kutter am Morgen in
Küs tennähe gefangen haben, wird versteigert. Große Vielfalt, kleine
Mengen, dementsprechend hoch die Gebote. Fisch ist teuer in
Japan, weit teurer als in Deutschland.
Fischauktion ist Männersache...
...mit einer Ausnahme: Chiharu Hashimoto.
GARÇON
115
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Sonntag, 22. Mai 2016
IM INSELHOTEL SUZUNAMI
Unsere idyllische Insel hat eine
Chance, wenn wir mehr Angebote
für einen sanften Tourismus machen.
Die herrlichen Landschaften,
die stillen Wanderwege und
Strände, der weite Blick auf den
Pazifik sind für gestresste Stadtmenschen
wie gute Medizin.
Chiharu Hashimoto
Hotelbetreiberin
Toshijima Island
116 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Eben noch mit T-Shirt und Basecap auf der Fischauktion, treffen
wir Chiharu Hashimoto ein paar Stunden später dezent geschminkt
und straff eingeschnürt in einen leichten Baumwollkimono, den sogenannten
Yukata, die Arbeitskleidung im Hotel Suzunami.
Die 47-Jährige und ihr Mann Kiyohiro, 49, betreiben das Haus
seit 1996, dreißig Zimmer und Suiten, ein Bankettsaal, Räume für
Tagungen und natürlich das unvermeidliche Gemeinschaftsbad,
das aus natürlichen heißen Quellen, den Onsen, gespeist wird.
Kiyohiro Hashimotos Großvater hat das Suzunami 1958 als winzige
Herberge eröffnet, seine Mutter baute sie dann zum Hotel um,
Kiyohiro und seine Frau Chiharu führen es in dritter Generation.
Beide sind hier geboren und, was die Zukunft der Insel betrifft,
weniger pessimistisch als ihr Bürgermeister. Kiyohiro Hashimoto,
ausgebildeter Hotelfachmann und vor Jahren einige Zeit in der
Schweiz tätig, verweist auf die Ruhe, die Naturschönheiten und
die Wandermöglichkeiten der Insel. „Natürlich ist Toshijima nicht
Tokyo Disneyland, aber Vergnügen muss ja nicht notwendigerweise
laut und schrill sein“, ergänzt seine Frau. Die beiden Hoteliers
haben vier Kinder und sind sich sicher, dass auch die vierte Generation
im Suzunami-Hotel ein Hashimoto sein wird.
Insel-Hoteliers: Chiharu und Kiyohiro Hashimoto.
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KULINARISCHE EXKURSION Toba
平 成 28 年 5 月 22 日 ( 日 )
答
志
島
の
寿
々
波
旅
館
に
て
118 GARÇON
Toba KULINARISCHE EXKURSION
Das Hotel Suzunami, ein so genanntes Ryokan.
Natürlich sind auch in Japan die internationalen Hotel-Companies
mit ihren Luxusherbergen vertreten, in Tokyo ist mit dem Mandarin
Oriental sogar das weltweit erste Sechs-Sterne-Hotel am Start.
Geschäftsleute übernachten häufig in Business Hotels, karo einfach,
aber preiswert und meist in Bahnhofsnähe.
Noch eine Preisklasse tiefer sind die Mishuku, Familienpensionen.
Man teilt sich das Badezimmer auf dem Gang, die Fernseher in
den winzigen Schlafräumen sind Baujahr 1990.
Einen regelrechten Boom erleben seit über 30 Jahren die sogenannten
Kapselhotels – ein Bett für die Nacht. Fernseher, Schließfach.
Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, in einem Tempel zu
übernachten und mit den Mönchen um 3.30 Uhr aufzustehen, zu
meditieren und zu beten.
Die Klassiker schlechthin allerdings heißen Ryokan, wörtlich übersetzt:
Reisegasthäuser. Das Suzunami ist ein Ryokan, ein typisch japanisches
Traditionshotel mit eigenen Gebräuchen.
Kiyohiro Hashimoto, der Chef des Hauses hält seine erste Lektion.
Thema: Wie verhalte ich mich in einem Ryokan richtig. „Nachdem
Sie das Haus betreten haben, ziehen Sie bitte Ihre Straßenschuhe
aus und benutzen die bereitgestellten Hausslipper. Beim Betreten
des Zimmers lassen Sie diese am Eingang stehen. In den Badezimmern
gibt es extra Badezimmerslipper.“
Schuhe aus, Schlappen an, auch Hashimoto und seine Mitarbeiter
tragen im Haus zu Anzug, Hemd und Krawatte ihre Hausschlurfer
– das ist für Ausländer gewöhnungsbedürftig, wirkt aber
irgendwie familiär.
Ohnehin sind es zum größten Teil Gruppen, die in einem Ryokan
absteigen und die dann meist auch zu viert oder fünft in einem
Zimmer untergebracht werden – das ist bei Firmenausflügen ebenso
üblich wie bei Familienreisen. Wer gemeinsam auf Reisen geht,
übernachtet auch gemeinsam in einem Zimmer. „Es lebe die Jugendherberge“,
kommentiert unser ungarischer Kollege Andras trocken.
Suzunami-Empfangshalle: Betreten bitte nur in Hausschuhen!
Suzunami-Zimmer: Betreten bitte nur auf Socken!
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119
KULINARISCHE EXKURSION Toba
Dinner im Hotel Suzunami.
Bei der Arbeit: Reporterin Deepti Dadlani aus Indien.
Die Ryokan-Köchinnen.
Entscheidend dafür, welche Note die Gäste einem Ryokan geben,
ist die Güte des Essens. Traditionell, reichhaltig und vielfältig sollte
es sein, das erwartet der Japaner.
Zum Abendessen trifft man sich – natürlich in Hausschuhen –
im Speisesaal. Der ist, wie die Zimmer, mit den obligatorischen Tatamis,
Schilfmatten mit Reisstrohfüllung und einer Einfassung aus
Brokatstoff ausgelegt, man nimmt im Schneidersitz oder auf Knien
vor den niedrigen Tischchen Platz, und los geht’s.
Das Suzunami-Hotel gilt, was die Qualität seiner Dinner- Offerten
betrifft, als eins der besten Häuser in der gesamten Präfektur.
Dem ausgedehnten Essen folgt an den meisten Abenden das unvermeidliche
Karaoke, bei dem selbst der Hotelchef zum Mikrofon
greift und die Stimmbänder vibrieren lässt. Zum Glück hört kaum
jemand zu, alle warten nur auf den eigenen Einsatz. Zumindest bei
mir wird der beim nächsten Mal besser klappen, versprochen. Also
dann – Sayonara, auf Wiedersehen Japan.
Nach der Arbeit: Toba-Tourismusdirektor Akifumi Seko.
120 GARÇON
Echt. Gut.
Warum zahlt mir meine Molkerei
Berchtesgadener Land einen
fairen Milchpreis?
» Ich bin eine von 1.800 Bäuerinnen
der Molkerei-Genossenschaft. Als
Genossenschaft planen wir stets
nachhaltig für Mensch und Natur.
Und alles was erwirtschaftet wird,
kommt uns Bauern und unserer
Kulturlandschaft zugute.
Ich bin Sandra Hörterer,
Bergbäuerin aus Schleching.
www.bergbauernmilch.de
RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb
Dieter und Marcus Fuhrmann.
Wenn in Berlin oder Brandenburg die weißen
7,5-Tonnen- Kühltransporter mit dem
Zeichen der Kirsche Hotels, Krankenhäuser,
Kantinen oder Res taurants ansteuern,
heißt es bei den Küchenchefs dort
meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.
Dieter Fuhrmann, Chef des gleichnamigen
Fruchtgroßhandels und der Grand
Old Man seines Berufsstandes in Berlin,
gehört zu den kenntnisreichsten Männern
seiner Branche. Lieber klein, dafür fein —
mit diesem Motto startete er 1977 auf einem
Charlottenburger Hinterhof ins Obstund
Gemüsegeschäft.
1980 Umzug auf den Fruchthof an der
Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes
Marcus in die Firma, 2007 Übernahme
einer neuen Kühlhalle.
Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner
28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern
rund 500 Produkte ausliefern,
pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität.
Von A wie Artischocke bis Z wie Zitronengras.
Für unser Magazin Garcon stellen die
beiden Großhändler Dieter und Marcus
Fuhrmann im Wechsel ihre Früchte vor.
Heute: Mangostane
FUHRMANNS FRÜCHTEKORB
DIE KÖNIGIN DER FRÜCHTE
VON MARCUS FUHRMANN
Kaum einer kennt sie – selbst Spitzenköche
müssen Mister Google bemühen – und
dennoch gilt sie als Königin der Früchte. Ich
meine die Mangostane, mit der Mango übrigens
weder verwandt noch verschwägert.
Äußerlich ist die kugelrunde Frucht –
Durchmesser vier bis sieben Zentimeter –
aus der Familie der Johanniskrautgewäch se
alles andere als eine Schönheit. Wenn man
allerdings die ziemlich dicke, dunkel violett
gefärbte, lederartige Schale, die auch noch
einen harzigen Saft enthält, der hartnäckige
Flecken auf der Kleidung ver ursacht, entfernt
hat, dann wird´s superlecker. Das Fruchtfleisch
schimmert weiß, ist weich und saftig
und schmeckt einfach köst lich. Angenehm
süß-sauer, tropisch er frischend, an Ananas,
Aprikose und Orange erinnernd – so war
je denfalls mein Eindruck, als ich vor vielen
Jahren zum ersten Mal eine Mangostane
probiert hatte. Noch feinere Zungen wollen
auch Birnen-, Trauben- und Grapefruitnoten
122 GARÇON
Fuhrmanns Früchtekorb RUBRIKEN
entdeckt haben. Wie auch immer, geschmacklich ist die Mangostane
jedenfalls nicht vergleichbar mit dem Obst, das wir normalerweise
auf dem Tisch haben.
Mangostanen wachsen an immergrünen Bäumen, die nur in den
Tropen gedeihen. Die wichtigsten Anbaugebiete liegen in Malaysia,
Thailand, Indonesien und Brasilien. Insektizide und Pestizide sind
übrigens zum Schutz der Früchte nicht nötig, der Baum hat genügend
eigene Widerstandskräfte, um Schädlinge abzuwehren. Mangostanen
sind also von Haus aus Bio-Früchte, die auch er nährungsphysiologisch
einiges zu bieten haben – neben Vitaminen und
Spu renelementen vor allem so genannte Antioxidantien, denen eine
ganze Reihe positiver Wirkungen zugeschrieben wird – von entzündungshemmend
bis immunsystemstärkend.
Den Beinamen „Königin der Früchte“ soll die Mangostane übrigens
von der englischen Königin Viktoria (1837-1901) erhalten haben. Die
Queen war angeblich dermaßen vernarrt in die feinen Früchte, dass
sie jedem Kaufmann, der ihr von einer Seereise Mangostanen mitbrachte,
eine königliche Belohnung versprach, einigen soll sie als
Gegenleistung sogar den Ritterschlag in Aussicht gestellt haben.
www.dieter-fuhrmann.de
THE KING OF MA MUANG
VORGESTELLT: RAFAEL NEITZSCH, EXOTEN-EXPORTEUR
Koch und Exoten-Spezialist: Rafael Neitzsch, Bangkok.
Wo auch immer Rafael Neitzsch in Thailand auftaucht, erregt er Aufsehen
– einerseits wegen seiner Körpergröße, der Mann misst 1,90
Meter und das ist in einem Land kleiner Leute schon was – zum zweiten,
weil er perfekt Thai spricht und drittens wegen seiner immensen
Kenntnisse der thailändischen Küche und ihrer Zutaten. Das ist auch
der Grund, weshalb sie ihn den „Mangokönig“ nennen, The King of Ma
Muang. An sonsten sagen die Einheimischen Mister Rafa, Rafa von
Rafael. Neitzsch, das kann in Thailand keiner aussprechen.
Rafael Neitzsch, Jahrgang 1963, stammt aus Lauf, einer Stadt in
Mittelfranken in der Nähe von Nürnberg. Dort absolvierte er eine
Kochlehre, zog dann ins Restaurant Gala nach Aachen zu Gerhard
Gartner, damals einer der kreativsten und originellsten deutschen
Köche und einer der ersten im Land, die von einer imitierten französischen
Nouvelle Cuisine zu einer originären neuen deutschen
Küche umschwenkten. Es folgten Stationen im Münchner Tantris,
in Los Angeles und 1991 zum ersten Mal in Bangkok. Danach Kuala
Lumpur, London und wieder Bangkok, Küchendirektor im Hotel
Mansion Kempinski. Im Gourmetrestaurant des Hauses, dem
luxuriösen Kempinski Terrace, kreierte Rafael Neitzsch eine feine
Eats-meets-West-Küche, die in Südostasien ihresgleichen suchte.
Im Jahr 2000 schließlich machte er sich selbstständig, gründete
seinen Thai Fresh Express und begann, exotisches Obst und
ebensolches Gemüse nach Deutschland zu exportieren. Neben
Ana nas, Mango, Pitahaya und Papaya auch Mangostane, Longane,
Rambutane und Tamarillo, neben frischem Ingwer auch Galgant,
Guave, Korella, Nashi, Okra und Salak, neben essbaren Blüten auch
Bananenblätter, Neitzschs ultimativer Geheimtipp für schonendes
Garen etwa von Fisch.
Rund 200 verschiedene Produkte hat er im Angebot, viele davon
aus biologischem Anbau, aber nicht alle ganzjährig verfügbar. 30
Mit arbeiter in seiner Unternehmung mit Sitz am Airport Bangkok-
Suvaruabhumi sorgen dafür, dass die Ware frisch und schnell nach
Europa kommt.
„Du kannst dich nicht Thai Fresh Express nennen und dann das
Gegenteil davon tun“, sagt er in breitestem Fränkisch. Rafael Neitzsch
weiß, was Köche wünschen.
www.thaifreshexpress.com
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SO TICKT BERLIN ...
GARCON-QUIZ
BREMEN · CHRONOGRAPH
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BERLIN WIE ES SCHREIBT UND ISST:
Der Band erschien Mitte der 1960er im
Münchner Verlag Georg von Hatzfeld.
61 prominente Berliner, darunter Curth
Flatow, Dieter Hildebrandt und Joachim
Seyppel (die „Voll-schön“-Generation kann
bei Interesse ja googeln), verrieten ihre
Stammlokale und schrieben, was es dort
so an Besonderem gab.
Günter Pfitzmann (1924-2003) zum Beispiel
no tierte über sein Lieblingsrestaurant:
„Martin Berliner (ebenfalls Schauspieler,
1896-1966, d. Red.) teilte mit mir
die Leidenschaft zum deliziösen Jung-
Die Gewinne, drei wertvolle Kochbücher, werden
unter den Teilnehmern verlost, die die Frage richtig
beantwortet haben.
schweinrücken mit Klö ßen... Und da zu natürlich:
ein echtes Pilsner Urquell vom Faß –
un ter dessen Schirmherrschaft das Lokal
auch steht! Unter Pilsner Urquell findet man
es auch im Telefonbuch verzeichnet...“
Wir wollen wissen, wie dieses legendäre
Charlottenburger Restaurant hieß.
A Alexander
B Hardtke
C Zlata Praha
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Redaktion GARÇON
Marzahner Promenade 26
12679 Berlin
E-Mail: info@bildart-verlag.de
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HERAUSGEBER
Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.)
FAMILIENTRADITION SEIT 1846
RASPELSTIX
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Meerrettich mit Raspeln,
schmeckt wie hausgemacht.
REDAKTION
Petra Leonhardt (Leitung)
Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Corinna Hängele, Marc Steyer,
Wolf-Dietrich Strobel
Katarzyna Kasprowicz, Patrick Fiedler, Odette Mettendorf (Praktikanten)
AUTOREN UND KOLUMNISTEN
Uwe Ahrens, Philipp Besinger, Fritz Lloyd Blomeyer, Stephan Falke,
Peter Frühsammer, Dieter Fuhrmann, Marcus Fuhrmann, Shoko Kono,
Renate Peiler, Ulrike Piecha, Jörg Teuscher, Marion Wiese
GRAFIK UND LAYOUT
Melanie Budinger
mail@melanie-budinger.de
www.melanie-budinger.de
TITEL UND ILLUSTRATIONEN
Karin Clauß
www.karindrawings.de
FOTOS
Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Archiv Garcon, Fields Corporate Responsability
(1/S.10 u. Mitte), foodhunter (1/S.11 u. Mitte), Bettina Letz (1/S.12 o. links),
besh.de (1/S.12 o. Mitte), Martin Stimmer (1/S.12 o. rechts), Anja Lehmann
(1/S.12 u. rechts), reinstoff (2/S.28), Frank Besinger (1/S.38 o. links), Adlon
Kempinski Berlin (1/S.44 gr. Foto), Schwein (3/S.54), Thomas Syring (3/S.77),
Joe Ripa (1/S.82 unten), Toba Sea-Folk Museum (3/S.101), Kenji Yoshida (1/S.104),
Craig Au Yeung (1/S.108), Rafael Neitsch (1/S.121 u. rechts)
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