Cruiser im Oktober 2016
Queere Sprache oder vom Versuch, politisch korrekt zu sein. Neu kochen wir im Cruiser! Uhuuuhnd: Gelebte Toleranz in Zug.
Queere Sprache oder vom Versuch, politisch korrekt zu sein. Neu kochen wir im Cruiser! Uhuuuhnd: Gelebte Toleranz in Zug.
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12<br />
KOLUMNE<br />
Bötschi klatscht<br />
Als mir George Michael auf<br />
die Füsse stand<br />
Mike Oldfield wollte mich mit einem Blick töten.<br />
George Michael stand mir auf die Füsse. Und<br />
Fidel Castro? Den traf ich zwe<strong>im</strong>al in Havanna.<br />
Genau, heute mache ich Namedropping.<br />
VON BRUNO BÖTSCHI<br />
S<br />
eit vier Tagen versuche ich, diese Kolumne<br />
hinzukriegen. Bis jetzt vergeblich.<br />
Morgen fliege ich in die Ferien<br />
(nach Spanien). Und gestern mailte auch<br />
noch Haymo Empl, der «<strong>Cruiser</strong>»-Chefredaktor,<br />
und fragte, wann er meinen Text erwarten<br />
könne.<br />
Gopferdorri, bisher konnte ich das<br />
<strong>im</strong>mer verhindern. Diesmal aber scheint<br />
es meine allerletzte Chance zu sein. In Folge<br />
anhaltender Ideenlosigkeit bleibt mir<br />
nichts anderes übrig: Namedropping!<br />
Namen von Promis <strong>im</strong> Dutzend abrufen –<br />
leichte Kost also.<br />
Momoll, ich könnte von Melanie<br />
Winiger erzählen und wie sie mich während<br />
des Zürcher Film Festivals aus ihrem<br />
Glas Prosecco trinken liess (und Stress, ihr<br />
damaliger Mann, grantig guckte). Oder davon,<br />
wie ich mit dem US-amerikanischen<br />
Schauspieler George Hamilton <strong>im</strong> VW<br />
Beatle durch Köln rollte.<br />
Oder von Philipp Tingler. Genau, dieser<br />
schreibende Muskelbulle. Er schnaubte<br />
<strong>im</strong> Fitnesscenter vor mir auf dem Stepper.<br />
Ich werde nie vergessen, wie er dabei seinen<br />
Mund weit geöffnet hielt – die Zufuhr von<br />
Frischluft war auf jeden Fall garantiert.<br />
Während Tingler schwitzte, seckelte<br />
ich hinter ihm auf dem Laufband. Es war<br />
also unvermeidbar, dass ich irgendwann<br />
auch seine Rückseite ansehen musste. Ich erschrak:<br />
Dort, wo sich bei normal gebauten<br />
Menschen der Hals befindet, bewegten sich<br />
CRUISER <strong>Oktober</strong> <strong>2016</strong><br />
bei Tingler quer übereinanderliegende,<br />
schwitzende Würste (in der Grösse von drei<br />
St. Galler Bratwürsten).<br />
Nur: Den Tingler meine ich nicht. Und<br />
den Hamilton und die Winiger auch nicht.<br />
Wenn schon Namedropping, dann richtig<br />
deftig-heftig - mit very international and <strong>im</strong>portant<br />
people. Triple-AAA-Promis bitte!<br />
«Könnten Blicke töten, wäre<br />
ich mit 19 ermordet worden.»<br />
Könnten Blicke töten, wäre ich mit 19<br />
ermordet worden. Der englische Multiinstrumentalist<br />
Mike Oldfield flog <strong>im</strong> gleichen<br />
Flugzeug nach London. Ohne viel Aufsehen<br />
erregen zu wollen, schlich ich am Gate zu<br />
ihm hin und fragte, ob er mir eine Unterschrift<br />
geben könne, eine Freundin sei ein<br />
riesengrosser Fan seiner Musik. Resultat:<br />
siehe oben.<br />
Jahre später war ich zu einem Galadiner<br />
<strong>im</strong> Openair-Klub Tropicana in Havanna<br />
geladen. Fidel Castro hielt eine Rede. Ich<br />
sass ganz vorne bei der Bühne, keine zwei<br />
Meter vom Máx<strong>im</strong>o líder entfernt. Zum<br />
Glück hatte ich meine Kamera dabei. Ich<br />
knipste und knipste. Als Fidel von der Bühne<br />
ging, realisierte ich, dass ich ein grosser<br />
Dummkopf bin: Ich hatte vergessen einen<br />
Film einzulegen. Immerhin: Drei Jahre später<br />
traf ich Fidel ein zweites Mal in Havanna<br />
(mit Film).<br />
In Sydney lief mir in einem kleinen,<br />
verschrobenen Club morgens um fünf Uhr<br />
George Michael über den Weg. Er kam mit<br />
zwei Freunden gerade aus der Damentoilette.<br />
Nein, ich habe ihn nicht nach einem<br />
Autogramm gefragt. Ich habe gar nichts<br />
gesagt und auch nicht gestarrt (wie alle anderen<br />
<strong>im</strong> Club). Vielleicht hat er mich deshalb<br />
danach angemacht. Oder wieso stand<br />
er mir sonst während des Tanzens ständig<br />
auf die Füsse?<br />
Meine allererste Autogrammkarte<br />
bekam ich von einem Schweizer Triple-<br />
AAA-Promi. Nein, nicht von Roger Federer.<br />
Der war damals noch gar nicht auf der Welt.<br />
Ich rede von Heidi Abel. Sie war der Star des<br />
Schweizer Fernsehen in den 1970er und<br />
1980er Jahren. Es sind jetzt genau 30 Jahren<br />
her, dass die charismatische Fernsehfrau gestorben<br />
ist (wie schnell die Zeit vergeht).<br />
Abel gab in der Waro <strong>im</strong> St. Gallischen<br />
Wil eine Autogrammstunde, erzählten mir<br />
meine Eltern später. Wirklich daran erinnern<br />
kann ich mich nicht. Ich war drei. Aber<br />
in meinem Kinderz<strong>im</strong>mer hing jahrelang<br />
eine weisse Karte über dem Bett. Mit grüner<br />
Farbe war darauf notiert: «Für Bruno, in Liebe<br />
Heidi Abel.»<br />
In diesem Sinne wünsche ich einen liebevollen<br />
Herbst.<br />
www.brunoboetschi.ch