FinanzBusinessMagazin 03-2016
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Folgen des Brexit:
Was leitende Bank-
Manager sagen
Preisboom auf den
Wohnungsmärkten
Mobile-Banking
verdrängt Online-
Banking
ETF-Markt dürfte sich bis 2021 abermals
verdoppeln
Versicherungsbranche in Deutschland:
Gewinnerstrategien für das Jahr 2025
Weckruf der InsurTechs:
Viel Lärm um Nichts?
Ausgabe 3/2016
www.FinanzBusinessMagazin.de
1
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LV - eJournal 2015/16
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EDITORIAL I FinanzBusinessMagazin
EDITORIAL
Die aktuelle Studie von Oliver Wyman „Versicherung 2025 – Ein Zukunftsszenario für die Gewinner
von morgen“ analysiert die Treiber des Wandels im Versicherungsmarkt bis zum Jahr 2025,
schätzt Folgen ab und zeigt neue Perspektiven auf. Von Wachstum ist nur in selektiven Feldern
auszugehen, während das alte Stammgeschäft bröckelt: So könnte das Beitragsvolumen in der
Lebensversicherung je nach Politikvorgaben um vier Milliarden Euro sinken, in der Schadenund
Unfallversicherung herrscht nahezu Stagnation. Von 245.000 traditionellen Vermittlern und
Maklern werden im Szenario der Studie rund 100.000 aus dem Markt ausscheiden. Chancen hingegen
bietet eine konsequente Digitalisierung: Sie ermöglicht Versicherern, bis zum Jahr 2025
ihre Kostenquote um ein Viertel zu senken und zugleich besseren Service anzubieten.
InsurTechs werden die Versicherungswirtschaft umkrempeln: Etablierte Versicherer sind gut
beraten, diesen Trend nicht kleinzureden. Doch wie laut ist der Weckruf der InsurTechs wirklich?
Denn obwohl sie längst mehr als ein Phänomen sind, nutzen InsurTechs ihr Potenzial
noch nicht auf allen Ebenen aus. Das zeigt der InsurTech-Radar von Oliver Wyman und Policen
Direkt. Darin wurden die Start-ups der Versicherungswirtschaft erstmals einem umfassenden
Check unterzogen und entlang der Versicherungswertschöpfungskette systematisch analysiert
– von der Angebotsseite über den Vertrieb bis hin zum Betrieb.
Leitende Bank-Manager spielen durch, welche Alternativen es nach dem Brexit zum Standort
London für sie geben kann. Das geht aus einer Umfrage der Boston Consulting Group (BCG) zu
den möglichen Folgen des Brexit hervor, an der rund 360 leitende Banker aus Großbritannien,
Frankreich, den USA und Deutschland teilgenommen haben. Die Analyse wurde im Juni 2016,
kurz vor dem Referendum zum EU-Austritt Großbritanniens erhoben. Rund 20 Prozent der
Finanzdienstleistungs-Jobs in London könnten an andere globale Finanzplätze verlagert werden,
wie aus der Studie hervorgeht.
Mobile-Banking entwickelt sich weltweit zum entscheidenden Kanal für Bankgeschäfte und
trägt wesentlich zu einer hohen Kundenloyalität bei. Über keinen anderen Kanal äußern sich
Privatkunden nach Interaktionen so positiv wie über eine App oder eine mobile Webseite. Das
ergab die weltweite Befragung von rund 115.000 Privatkunden in 17 Ländern, darunter 9.800
in Deutschland, die die internationale Managementberatung Bain & Company im Rahmen ihrer
Studie „Loyalität im Privatkundengeschäft: Banken machen mobil“ durchgeführt hat.
Das Redaktionsteam
Ausgabe 2/2016
3
FinanzBusinessMagazin I INHALTSVERZEICHNIS
BANKEN
6 Folgen des Brexit: Was leitende Bank-Manager sagen
8 Stresstest zeigt stärkere Widerstandsfähigkeit des Bankensystems im Eurogebiet
10 Globale Studie zur Kundenloyalität im Privatkundengeschäft: Mobile-Banking verdrängt Online-Banking
12 Digitales CRM im Retail Banking erlaubt Umsatzwachstum von 40 Mrd. Euro
14 A.T. Kearney: Kein Ende des Umbaus bei deutschen Privatkundenbanken in Sicht
16 Zahlungsverkehr kostet Banken eine Milliarde Euro bis 2018
17 Corporate-Banking-Index: Erträge mit Firmenkunden fallen auf tiefsten Stand seit 2009
19 Die nächste Bankenkrise kommt bestimmt:
Banken müssen Risiken vor Kreditvergabe umfassender analysieren
21 Private Banking: Erträge der Vermögenden steigen, die der Banken nicht
22 Bankkunden fordern digitalen Service
24 Stresstest 2016: EZB erhöht den Druck auf Bankengeschäftsmodelle - Europäischen Banken drohen im
Stressfall Kapitallücken von bis zu 20 Mrd. Euro
26 Studie: So digital sind Banken im Firmenkundengeschäft
28 BaFin plant Verbot des Retailvertriebs von Bonitätsanleihen
INVESTMENTS
30 Coller Capital Global Private Equity Barometer - Summer 2016:
Wachstum des Schattenkapitals wird die Renditen von Private Equity-Fonds reduzieren
32 Studie:
Boom bei Beteiligungskäufen im Mittelstand / Private Equity-Häuser erwarten auch 2016 starke Zuwächse
31 2015 zeigte: Wenig Angebot für Anleger Geschlossener Beteiligungen
33 Aktienrenditen: Stärkster Wertzuwachs seit der Finanzkrise
34 ETF-Markt dürfte sich bis 2021 abermals verdoppeln
IMMOBILIEN
37 Preisboom auf den Wohnungsmärkten
39 Brexit: Immobilienbranche rechnet mit Verstärkung des Immobilienbooms in Deutschland
41 Nachfrage nach Büroflächen europaweit höher als das Angebot
42 Weiterhin hohe Transaktionsaktivitäten bei Offenen Immobilienfonds
44 Baufinanzierung: Banken hadern mit der Vergabe von Immobilienkrediten
4 Ausgabe 2/2016
INHALTSVERZEICHNIS I FinanzBusinessMagazin
VERTRIEB / MARKETING
45 Lieber persönlich als virtuell: Für deutsche Verbraucher macht der Faktor Mensch den Unterschied
46 Call Center vor dem Abstieg? Banken sollten ihre Kontaktkanäle ganzheitlich überdenken
48 Nachwuchsmangel aufgrund mangelhafter Stellenanzeigen?
VERSICHERUNGEN
49 Versicherungsbranche in Deutschland: Gewinnerstrategien für das Jahr 2025
52 Das große Warten: deutsche Versicherer zu zögerlich bei Innovationen
54 Weckruf der InsurTechs: Viel Lärm um Nichts?
56 InsurTechs werden als innovativ, aber nicht unbedingt seriös wahrgenommen
57 Betriebsrente und Produktinnovationen könnten den schwächelnden Markt beleben
58 Aktuelle Studie von Aon Hewitt zur betrieblichen Altersversorgung:
Fast die Hälfte der befragten Unternehmen hält Überprüfung ihres Versorgungswerkes für erforderlich
59 Zielrente – Mogelpackung zulasten der Arbeitnehmer?
61 Outsourcing in der Assekuranzwirtschaft: Wachsender Kostendruck setzt Umdenken in Gang
62 67rockwell Consulting:
Digitalisierungsstrategien deutscher Versicherungsunternehmen greifen nicht weit genug
63 So investieren Versicherer
64 Nach dem Garantiezinsschock: „Klassik hat endgültig ausgedient“
65 Niedrigzins treibt Pensionsverpflichtungen in die Höhe
67 Assekuranz im Social-Media-Aufwind
IMPRESSUM
23 Impressum
Ausgabe 2/2016
5
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
Folgen des Brexit:
Was leitende Bank-Manager sagen
BCG-Studie: Entscheider denken nach über Alternativen
zum Standort London - Hohes Maß an Unsicherheit über
weitere Entwicklungen
Leitende Bank-Manager spielen
durch, welche Alternativen es nach
dem Brexit zum Standort London für
sie geben kann. Das geht aus einer Umfrage
der Boston Consulting Group (BCG)
zu den möglichen Folgen des Brexit hervor,
an der rund 360 leitende Banker aus
Großbritannien, Frankreich, den USA und
Deutschland teilgenommen haben. Die
Analyse wurde im Juni 2016, kurz vor
dem Referendum zum EU-Austritt Großbritanniens
erhoben. Rund 20 Prozent
der Finanzdienstleistungs-Jobs in London
könnten an andere globale Finanzplätze
verlagert werden, wie aus der Studie hervorgeht.
Das beträfe alle Unternehmensbereiche
von Banken, insbesondere den grenzüberschreitenden
Zahlungsverkehr, das
Investmentbanking und das Handelsgeschäft.
Frankfurt gehört zu den attraktivsten
Standorten für in London vertretene
Finanzdienstleister, die aufgrund
des anstehenden britischen EU-Austritts
erwägen, ihre Geschäftsaktivitäten ins
Ausland zu verlagern. "Insbesondere die
ökonomische und politische Stabilität in
Deutschland, kombiniert mit der Verfügbarkeit
qualifizierter Arbeitskräfte,
macht den Standort Frankfurt am Main
zur Top-Adresse, wie aus dieser Umfrage
kurz vor dem Brexit hervorgeht", sagt
Bankenspezialist Dr. Wolfgang Dörner,
Senior Partner und Leiter des Frankfurter
BCG-Büros.
14 Kriterien als Maßstab
für die Attraktivität von Standorten
Die Banker bewerten Frankfurt unter
neun globalen Finanzzentren als Alternative
zur britischen Finanzmetropole
am besten, gefolgt von New York und
Dublin. Insgesamt wurde die Attraktivität
von neun Standorten abgefragt. Neben
Frankfurt, New York und Dublin sind
diese: Amsterdam, Hong Kong, Luxemburg,
Madrid, Paris und Singapur. Jede
Stadt hat nach Ansicht der Bank-Manager
unterschiedliche Stärken. Paris etwa
schneidet sehr gut ab, wenn es um die
Lebensqualität geht. New York wiederum
kommt dann ins Spiel, wenn einige amerikanische
Banken sich dazu entschieden,
dem EU-Markt den Rücken zuzukehren.
Die Standortattraktivität für Banken wurde
anhand von 14 Kriterien erhoben – u.
a. Infrastruktur, Geschäftsumfeld, Stabilität,
Lifestyle-Faktoren sowie Zugang zu
Märkten und Institutionen.
Was Frankfurt tun muss
für noch höhere Anziehungskraft
Bei einem spontanen Ranking der Finanzzentren
ohne vorgegebene Bewertungskriterien
sehen die befragten Banker
Frankfurt hinter New York und Dublin
auf Platz drei. Vor allem die Briten bevorzugen
dann Dublin und New York.
Doch Frankfurt ist besser als sein Ruf:
Werden objektive Standortkriterien herangezogen,
gibt es eine Präferenz für
das Finanzzentrum am Main – vor allen
Alternativen. Um auch bei weichen Faktoren
besser zu punkten, müssen Stadt
und Region vor allem ihre Internationalität,
zum Beispiel bezogen auf vermeintliche
Sprachbarrieren, sowie die
vergleichsweise günstige Wohnungssituation
besser vermarkten und die kulturelle
Attraktivität für ein breiteres internationales
Publikum erhöhen. "Zwei
6 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
Quelle: © pixabay.com
Drittel der Finanzunternehmen haben
noch keine genauen Pläne für eine mögliche
Standortverlagerung nach dem
Brexit. Die meisten rechnen mit einer
Verlagerung innerhalb der nächsten ein
bis zwei Jahre", erklärt Bankenspezialist
Dr. Wolfgang Dörner.
Jobverlagerungen
auch in anderen Branchen
Bankenvertreter erwarten nach dem britischen
"Nein" zur fortgesetzten EU-Mitgliedschaft
nicht nur Jobverlagerungen
in ihrer eigenen Branche, sie sehen insbesondere
das Dienstleistungsgewerbe
und Versicherungen, aber beispielsweise
auch die Pharmabranche und die Biotechnologie
in Großbritannien vor tiefergreifenden
Umbrüchen. "Nicht nur Frankfurt,
sondern auch andere Wirtschaftszentren
in Deutschland sollten sich auf Jobverlagerungen
aus verschiedenen Branchen
vorbereiten und die Chance des Zuzugs
von qualifizierten Talenten aktiv nutzen",
sagt Dr. Wolfgang Dörner.
Unklarheit über Konsequenzen
und langfristige Auswirkungen
Fast 60 Prozent rechnen mit dauerhaften
Einschränkungen beim Zugang zum
EU-Markt oder lang anhaltender Unsicherheit,
bis die EU und Großbritannien
entsprechende Vereinbarungen als Konsequenz
aus dem Brexit treffen werden.
Dennoch sehen, auf Grundlage dieser
Umfrage vor der Brexit-Abstimmung, die
meisten Finanzdienstleister den Folgen
des Brexit für die Finanzindustrie insgesamt
eher gelassen entgegen. "Die Zeit
wird uns zeigen, ob sie richtig liegen",
sagt Dr. Wolfgang Dörner.
Autor: www.bcg.de
Ausgabe 2/2016
7
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
Stresstest zeigt stärkere Widerstandsfähigkeit
des Bankensystems
im Eurogebiet
Banken können heute
besser mit wirtschaftlichen
Schocks
umgehen als im Stresstest
von 2014. 37 von der EZB
beaufsichtigte Banken nahmen
mit einer robusten
harten Kernkapitalquote
(Common Equity Tier 1 –
CET1) von durchschnittlich
13 % am EU-weiten Stresstest
teil. Durchschnittlicher
Rückgang des CET1-Kapitals
im adversen Szenario
um 3,9 Prozentpunkte;
durchschnittliche CET1-
Quote mit 9,1 % dennoch
höher als im Stresstest von
2014. Beim Stresstest geht
es nicht um das Bestehen
oder Durchfallen; Ergebnisse
werden auf nicht mechanistische
Weise in den
Beschlüssen des diesjährigen auf sichtlichen
Überprüfungs- und Bewertungsprozess
(Supervisory Review and Evaluation
Process – SREP) berücksichtigt. Erwartungen
der Aufsicht an die Kapitalausstattung
der Banken im Euroraum insgesamt
gegenüber 2015 weitgehend unverändert.
Wie die Europäische Zentralbank (EZB)
bekannt gab, zeigen die Ergebnisse des
EU-weiten Bankenstresstests, dass die
Banken im Euro-Währungsgebiet ihre
Widerstandsfähigkeit erhöht haben. Die
Erwartungen der Aufsicht an die Kapitalausstattung
der Banken insgesamt
bleiben gegenüber 2015 weitgehend unverändert.
Der von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde
(European Banking
Authority – EBA) koordinierte Stresstest
umfasste 51 Banken in der Europäischen
Union, darunter 37 bedeutende Institute,
die direkt von der EZB beaufsichtigt werden
und rund 70 % der Bankaktiva im Euroraum
repräsentieren. Die Ergebnisse des
Quelle: © Sergey Nivens - Fotolia.com
Stresstests wurden heute auf der Website
der EBA veröffentlicht. Die 37 von der EZB
beaufsichtigten Banken nahmen mit einer
durchschnittlichen harten Kernkapitalquote
(Common Equity Tier 1 – CET1) von 13
% am Test teil, was eine Verbesserung gegenüber
den 11,2 % im letzten EU-weiten
Stresstest von 2014 darstellt. Im adversen
Szenario belief sich der durchschnittliche
Kapitalrückgang auf 3,9 Prozentpunkte
und lag damit über den 2,6 Prozentpunkten
im Stresstest von 2014. Grund hierfür
waren unter anderem eine strengere
Stresstestmethodik und ein härteres adverses
Szenario, das sich erneut über einen
Dreijahreszeitraum erstreckte und bei
dem statische Bilanzen zugrunde gelegt
wurden. Dank der großzügigeren Kapitalausstattung
und weiterer Verbesserungen
seit 2014 fiel die endgültige durchschnittliche
CET1-Quote im adversen Szenario
mit 9,1 % dennoch höher aus als 2014 (8,6
%). Von einer Ausnahme abgesehen, belief
sich das CET1-Kapital aller Banken auf
8 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
einen Wert deutlich über der Benchmark
von 5,5 %, die 2014 im hypothetischen
adversen Szenario galt. Hierin spiegelt
sich die insgesamt solide Kapitalausstattung
der Banken, die Gegenstand des von
der EBA initiierten Stresstests waren.
„In dem Ergebnis des Stresstests kommen
die beträchtliche Kapitalaufnahme und die
zusätzlichen Maßnahmen zum Ausdruck,
welche die Banken in den vergangenen
zwei Jahren zur Sanierung ihrer Bilanzen
durchgeführt haben“, so Danièle Nouy,
Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der
EZB. „Der Bankensektor ist heute widerstandsfähiger
und kann deutlich besser
mit wirtschaftlichen Schocks umgehen als
noch vor zwei Jahren.“ Der Kapitalrückgang
von durchschnittlich 3,9 Prozentpunkten
im adversen Stresstestszenario
war auf eine Reihe von Risikofaktoren zurückzuführen.
Hierzu zählen unter anderem:
• das Kreditrisiko, das im Schnitt mit 3,8
Prozentpunkten zum gesamten CET1-
Rückgang beitrug,
• das Marktrisiko, dessen Beitrag bei
durchschnittlich 1,1 Prozentpunkten
lag, vor allem infolge von Neubewertungsverlusten
aus zum Zeitwert ausgewiesenen
Vermögenswerten, und
• das operationelle Risiko, das im Mittel
mit 0,9 Prozentpunkten zu Buche
schlug, wofür Verlustprojektionen im
Zusammenhang mit Verhaltensrisiken
verantwortlich waren; dieses Element
kam erstmals im Stresstest 2016 zum
Einsatz.
Darüber hinaus beeinflussten einige weitere
Faktoren den Kapitalrückgang positiv
bzw. negativ. Hier ist unter anderem das
Nettozinseinkommen, Erträge aus Gebühren
und Provisionen sowie der Verwaltungsaufwand
zu nennen. Es wurde auch
untersucht, wie sich Einkommensfaktoren
unter Stressbedingungen verhalten. So
wurde das Nettozinseinkommen im adversen
Szenario einem erheblichen Stress
ausgesetzt. Verglichen mit dem Basisszenario
beliefen sich die Auswirkungen auf
1,3 Prozentpunkte. Beim Stresstest geht
es zwar nicht um das Bestehen oder Durchfallen,
doch werden die Ergebnisse auf
nicht mechanistische Weise als einer von
mehreren Inputfaktoren bei der Festlegung
des Säule-2-Kapitals im Rahmen des
allgemeinen auf sichtlicher Überprüfungsund
Bewertungsprozess (Supervisory Review
and Evaluation Process – SREP) der
EZB berücksichtigt. Das Säule-2-Kapital
setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:
Säule-2-Anforderungen und Säule-
2-Empfehlungen.
Die Ergebnisse des Stresstests werden
von der EZB für die Säule-2-Empfehlungen
verwendet, wobei unter anderem
auch den Auswirkungen Rechnung getragen
wird, die sich aus der Annahme einer
statischen Bilanz und aus Gegenmaßnahmen
der Banken ergeben. Weitere Einzelheiten
hierzu finden sich in den Fragen
und Antworten zum EU-weiten Stresstest
2016. Daher lassen sich aus den Ergebnissen
des Stresstests keine Säule-2-Empfehlungen
ableiten. Die SREP-Beschlüsse
werden Ende 2016 abgeschlossen und
gelten ab Anfang 2017.
Die EZB erwartet von den Banken, dass sie
die Vorgaben der Säule-2-Empfehlungen
jederzeit erfüllen. Bei Nichterfüllen dieser
Vorgaben ergreift die EZB nicht automatisch
Maßnahmen, sondern analysiert die
Gründe und Umstände hierfür eingehend
und legt gegebenenfalls spezifische aufsichtliche
Maßnahmen fest. Die Säule-
2-Empfehlungen sind für die Begrenzung
des ausschüttungsfähigen Höchstbetrags
(Maximum Distributable Amount – MDA)
der Gewinne irrelevant.
Autor: www.bundesbank.de
Ausgabe 2/2016
9
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
Globale Studie zur Kundenloyalität im
Privatkundengeschäft: Mobile-Banking
verdrängt Online-Banking
Mobile-Banking entwickelt sich
weltweit zum entscheidenden Kanal
für Bankgeschäfte und trägt
wesentlich zu einer hohen Kundenloyalität
bei. Über keinen anderen Kanal äußern
sich Privatkunden nach Interaktionen so
positiv wie über eine App oder eine mobile
Webseite. Das ergab die
weltweite Befragung von
rund 115.000 Privatkunden
in 17 Ländern, darunter
9.800 in Deutschland,
die die internationale Managementberatung
Bain &
Company im Rahmen ihrer
Studie „Loyalität im Privatkundengeschäft:
Banken
machen mobil“ durchgeführt
hat. In Deutschland
ist der Anteil mobiler Interaktionen
zwischen Kunde
und Bank zwischen 2012
und 2015 von nahezu null
auf rund 20 Prozent gestiegen.
Im Gegenzug ging
vor allem der Anteil des
Online-Bankings zurück.
Insbesondere die junge Generation nutzt
ihr Smartphone zunehmend für Bankgeschäfte.
In Deutschland setzen inzwischen
mehr als 60 Prozent der 18- bis 24-Jährigen
auf Mobile-Banking. Doch auch bei
den Älteren erfreut es sich immer größerer
Beliebtheit, Bankgeschäfte mobil zu
tätigen.
„Mobile-Banking ist im Alltag angekommen“,
betont Bain-Partner und Studienautor
Dr. Markus Bergmann. „Während
Deutsche es vor allem für Routinetransaktionen
nutzen, funktioniert es in Vorreiternationen
wie den Niederlanden
bereits als Vertriebskanal.“ Dort kaufen
Kunden selbst komplexe Produkte wie einen
Kredit per App oder mobiler Webseite.
Welchen Stellenwert das Mobiltelefon
im Alltag der Bankkunden mittlerweile
hat, unterstreicht ein weiteres Ergebnis
der Studie: Danach könnten sich in vielen
Ländern vor allem Jüngere eher mit dem
Verlust ihres Portemonnaies als mit dem
ihres Smartphones abfinden. „Noch aber
sind Bankprodukte wie EC- oder Kreditkarte
analog im Geldbeutel und nicht in
Quelle: © Sergey Nivens - Fotolia.com
digitaler Form auf dem Mobiltelefon“, erklärt
Bergmann. „Auf Dauer drohen die
Banken so ins Abseits zu geraten.“
Gut 40 Prozent der Bankkunden in
Deutschland sind Omnikanal-Nutzer
Ein überzeugender mobiler Auftritt allein
bewegt die Kunden jedoch nicht dazu,
mehr Bankprodukte zu kaufen oder ihre
Bank weiterzuempfehlen. Im Gegenteil:
Rein digital agierende Kontoinhaber stehen
ihrer Bank sogar eher kritisch gegenüber.
Eine mit dem Net Promoter®
Score (NPS®) messbar hohe Loyalität
weisen der Bain-Studie zufolge vor allem
Omnikanal-Nutzer aus. In Deutschland
erledigen bereits gut 40 Prozent der Kunden
ihre Bankgeschäfte sowohl in den Filialen
und Callcentern als auch über digi-
10 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
tale Kanäle. Ihre Zufriedenheit zahlt sich
aus. Über alle Nutzerprofile und Altersgruppen
hinweg hängen hohe NPS-Werte
eng mit der Zahl der erworbenen Produkte
und der Kundenbindung zusammen. Bei
den NPS-Werten in Deutschland hat die
ING-DiBa die Nase vorn, auf den Plätzen
zwei und drei liegen mit der DKB und mit
comdirect zwei weitere Direktbanken vor
dem ersten Filialisten, der Sparda-Bank.
Die Lücke beim NPS zwischen Direkt- und
Filialbanken beginnt sich allerdings in vielen
Ländern zu schließen. Traditionellen
Kreditinstituten gelingt es mit Omnikanal-
Konzepten zunehmend, ihre Kunden in
den Filialen, am Telefon, online und mobil
gleichermaßen zu begeistern.
Für einen überzeugenden Auftritt in allen
Kanälen und für zügige Fortschritte auf
dem Weg hin zum Omnikanal sind vier
Stellhebel entscheidend:
1. Besserer Kundenservice. Je intuitiver
und einfacher Online- und Mobile-
Banking funktionieren, desto eher
kommt es zu der gewünschten Verlagerung
von Routinetransaktionen in
digitale Kanäle. Insbesondere die Filialen
erhalten so mehr Raum, um im
persönlichen Gespräch und bei komplexen
Produkten zu überzeugen.
2. Digitalisierung von Vertrieb und Beratung.
Das Ziel ist eine durchgängig digitalisierte
Kundenreise im Vertriebsund
Beratungsprozess. Dazu müssen
neue Technologien wie die Videoauthentifizierung
eingesetzt und interne
Prozesse umgestaltet werden.
3. Schärfere Positionierung der Filialen.
In einem Hub-and-Spoke-Netz haben
Filialen fünf Funktionen: Branding,
Beratung bei komplexen Produkten,
Mobilisierung für die digitale Welt,
persönliche Unterstützung vor Ort
und Pflege der Kundenbeziehung.
4. Innovative Methoden für die Transformation.
Mit dem sogenannten
Hot-House-Ansatz können Banken in
ausgewählten Filialen innovative Konzepte
entwickeln und deren Anwendbarkeit
direkt testen. Für den anstehenden
Transformationsprozess sind
zudem der Einsatz agiler Methoden
und ein breit angelegtes, konsequent
gemanagtes Change-Management-
Programm erforderlich.
Kostenreduzierung
um bis zu 50 Prozent möglich
Werden die Hebel richtig angesetzt, kann
der Anteil mobiler Kanäle an den Produktabschlüssen
auf 30 bis 50 Prozent
gesteigert werden. Die Kosten für Filialen
und Callcenter wiederum lassen sich
um 30 bis 50 Prozent senken. Auch wenn
die Zahl der Filialen deutlich zurückgehen
wird, bleiben sie ein integraler Bestandteil
eines jeden Omnikanal-Konzepts.
Sie tragen zur Kundenloyalität bei und
erlauben es den Banken, sich sichtbar
vom Wettbewerb abzuheben. Bain-Partner
Dr. Dirk Vater, Co-Autor der Studie
und Leiter der Praxisgruppe Banken im
deutschsprachigen Raum, ist überzeugt:
„Mit Mobile-Banking allein können Kreditinstitute
im digitalen Zeitalter nicht
gewinnen, mit intelligenten Omnikanal-
Konzepten dagegen schon.“
Autor: www.bain.de
Quelle: © pab_map - Fotolia.com
Ausgabe 2/2016
11
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
Digitales CRM im Retail Banking erlaubt
Umsatzwachstum von 40 Mrd. Euro
Studie deckt brach liegende Potentiale
bei Privatkundenbanken auf und zeigt,
wie die Champions Customer Relationship Management
(CRM) ertragssteigernd nutzen.
„Europas Banken haben in den letzten
zwei Jahrzehnten 20 Mrd. Euro in Technologien
für Customer Relationship Management
investiert, schöpfen deren Potentiale
aber nicht aus. Würden sie, wie
die Vorreiter, konsequent den Kunden in
den Mittelpunkt rücken und die technologischen
Möglichkeiten umfassend in ihr
Geschäftsmodell integrieren, könnten sie
insgesamt 30 bis 40 Mrd. Euro mehr Umsatz
machen“, kommentiert Dr. Torsten
Eistert, Partner bei A.T. Kearney die Studie
der Managementberatung.
In ihrer aktuellen Studie „Cultivating the
Customer Relationship in Banking“ haben
die Finanzexperten von A.T. Kearney die
Auswirkungen von Customer Relationship
Management auf die Umsatzentwicklung
bei mehr als 100 Privatkundenbanken in
Europa untersucht und qualitative Interviews
mit einem Dutzend Vertreter führender
CRM-Lösungsanbietern geführt. Das
Ergebnis: Die meisten europäischen Retailbanken
lassen die Wettbewerbsvorteile,
die in einem datenbasierten Customer Relationship
Management liegen, ungenutzt.
Damit verspielen sie in Summe bis zu 40
Mrd. Euro: 10 bis 14 Mrd. Euro können sie
allein durch eine optimierte Preisbildung
erzielen, 8 bis 11 Mrd. Euro durch Cross-
Selling, hinzu kommen noch weitere Umsatzquellen
durch Reduzierung von Kundenabwanderung,
Neukundengewinnung
z.B. via social media und Upselling.
Was zeichnet Customer Relationship
Management der Besten laut den Ergebnissen
der Studie aus? Konzentrieren
sich die Vorreiter auf Mitarbeiter,
Daten oder auf beides?
Die Studie zeigt, dass die erfolgreichsten
Banken, die auf Kundenbindung durch Mitarbeiter
setzen, zwar mit 1.000 bis 1.700
Euro Umsatz pro Kunden ein Vielfaches
des europäischen Durchschnitts erzielen,
zugleich aber mit einem Mitarbeiter
nur rund 400 Kunden abdecken können.
Laufend steigende Personalkosten üben
Druck auf dieses Geschäftsmodell aus.
Nur wenige europäische Retailbanken
(die deutsche ING Diba, mBank und Nationwide)
decken eine breite Kundschaft
mit nur wenigen Angestellten ab – 1.800
bis 2.400 Kunden pro Mitarbeiter – und
weisen deutlich niedrigere Cost-Income
Ratios aus als der Wettbewerb.
Diese Banken, die ihr CRM vor allem auf
Digitalisierung und datengestützte Produkt-
und Serviceangebote stützen, haben
ein Geschäftsmodell, das sich leichter
skalieren lässt als das der Wettbewerber –
ihr Geschäftsmodell wächst also bei steigender
Kundenzahl mit, ohne dass hohe
neue Investitionen vonnöten wäre. So
können sie ihre Konkurrenten in punkto
Kosten und Profitabilität weit hinter sich
lassen. Polens mBank zum Beispiel erzielt
322.000 Euro Umsatz pro Mitarbeiter:
263 Prozent mehr als der Durchschnitt
des osteuropäischen Landes. Vor allem
aber überzeugt die mBank ihre Kunden
durch nutzerfreundliche Services, die zu
ihren individuellen Bedürfnissen passen:
12 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
Quelle: © pixabay.com
proaktiv angebotene kurzfristige Kleinkredite,
wenn die Kunden beim Einkaufen
höheren Finanzbedarf haben, oder location-based
Couponing.
Die Vorreiter zeigen, dass die Potentiale
von CRM zur Kundengewinnung und
-bindung nur dann vollends ausgeschöpft
werden, wenn CRM organisationsweit zur
Anwendung kommt und fester Bestandteil
der Bankkultur und der täglichen Routine
wird. Aus der Studie geht zugleich hervor,
dass bei vielen Retailbanken Silodenken
und dezentralisiertes Kundenmanagement
die Prozesse bestimmen und sie mit
historisch gewachsenen IT-Plattformen
über die Komplexität multipler Systeme
und individueller Schnittstellen stolpern,
obwohl die Zukunft in offenen Architekturen
und Schnittstellen liegt, die es erlauben,
gezielt mit Ökosystempartnern
(z.B. FinTechs) zusammenzuarbeiten.
„Das Ergebnis der Studie“, so Achim Kaucic,
Co-Autor der Studie, „ist umso überraschender,
als europäische Retailbanken
es sich nicht leisten können, Umsatzpotenziale
zu verschenken“: Zwischen 2007
und 2014 hätten sie inflationsbereini-
gt mehr als 10 Prozent an Umsatz verloren
Das entspreche einem Rückgang
von jährlich zwei Prozent, während das
Bruttoinlandsprodukt im europäischen
Durchschnitt im gleichen Zeitraum real
um 3,4 Prozent gewachsen sei. Die Institute
seien, so ergänzt Eistert, durch den
historischen niedrigen Zins, ein Marktumfeld,
das den Wettbewerb anfache, und
Geschäftsmodelle, die kaum Differenzierungsmöglichkeiten
über klassische
Bankprodukte böten, enorm unter Druck
– der sich durch zunehmende Regulierung
und Niedrigzinspolitik weiter verstärke.
Digitales CRM böte die große Chance, sich
jenseits der Kostenloskultur vom Wettbewerb
abzusetzen: „Die Retailbanken
brauchen offene IT-Architekturen und einen
Kulturwandel weg vom Anbieter klassischer
Produkte hin zu einem Lösungsanbieter
mit überragenden Services. Der
beste Weg: Sie tun sich mit neuen Partnern
zusammen, um die digitalen Möglichkeiten
auszuschöpfen. Arbeiten sie
zum Beispiel mit den Fintechs zusammen
statt gegen sie, können beide Seiten profitieren.“
Autor: www.atkearney.de
Ausgabe 2/2016
13
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
A.T. Kearney:
Kein Ende des Umbaus bei deutschen
Privatkundenbanken in Sicht
Aktuelles Ranking unter Europas Privatbankkunden
zeigt einen leichten Aufschwung
nach der Finanzkrise. Sorgen
bereitet immer noch die Kostensituation:
vor allem in Deutschland und Österreich.
„Die Situation der europäischen Banken
für Privatkunden entspannt sich langsam,
wenngleich die meisten Institute, besonders
die deutschen, ihre Ausgaben nicht
in den Griff bekommen haben“ fasst Andreas
Pratz, Leiter des A.T. Kearney Beratungsbereiches
Financial Services in
Deutschland, Österreich und der Schweiz
die Ergebnisse
des aktuellen „Retail
Banking Radar“
zusammen:
Mit einem leichten
Ertragswachstum,
kombiniert mit
rückläufiger Risikovorsorge,
konnten
europäische Institute
insgesamt ihre
Gewinne steigern,
hätten es aber
nicht geschafft,
ihre Kosten zu reduzieren.
Besonders
dramatisch, so
Pratz: Deutschlands
Banken hätten
vor Österreich die
zweitschlechteste
Cost-Income Ratio – diese Kennziffer bemisst
das Verhältnis zwischen Aufwand
und Ertrag und gibt Auskunft über die Effizienz
eines Instituts.
Der seit 2007 jährlich erscheinende Retail
Banking Radar der Mangementberatung
untersucht die Performance europäischer
Retailbanken und erlaubt damit
einen umfassenden und einzigartigen
Einblick in die Stärken und Schwächen
der Privatkundenbanken und zeigt, wo
sich deutsche Institute im europäischen
Wettbewerb befinden. Für die aktuelle
Studie wurden die Daten von fast 100
Privatkundenbanken und Bankengruppen
in 22 europäischen Ländern hinsichtlich
der Kriterien Ertrag pro Kunde und Mitarbeiter,
Gewinn pro Kunde, Cost-Income-
Ratio und Kreditrisikovorsorgequote untersucht.
Zum ersten Mal wurden in der
Studie auch Champions unter den europäischen
Privatkundenbanken identifiziert:
jene Institute, die sich besonders
deutlich bei Kosten, Ertrag und Digitalisierung
vom Wettbewerb absetzen.
Das Privatkundensegment
ist seit der Finanzkrise,
so die diesjährigen
Ergebnisse,
weiterhin stark unter
Druck, befindet sich
nun aber nachweisbar
auf dem Weg der Erholung.
Zwar stagniert
wegen der historisch
niedrigen Zinsen der
durchschnittliche jährliche
Ertrag pro Kunde
(666 Euro) – doch
konnte dies durch weitere
Senkungen der
Risikovorsorge (um
32 Prozent) ausgeglichen
werden, so dass
ein deutliches Gewinnwachstum
je Kunde zu verzeichnen ist
(18 Prozent). Keine Verbesserung dagegen
ist bei der Kostensituation zu vermerken,
die sich sogar leicht verschlechtert
(61 Prozent Cost-Income-Ratio).
Die Studie zeigt starke Unterschiede
zwischen den Regionen: Die skandinavischen
Länder und die Schweiz verteidigen
ihre Spitzenposition beim Ertrag
pro Kunde – nicht nur dank ihrer stabilen
Wirtschaft, sondern auch, weil sie
14 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
die ausgeprägte digitale Affinität ihrer
Kunden für sich zu nutzen wissen. Die
südeuropäischen Banken haben kraft
drastischer Kostenkürzungen, Abbau
von Filialen und Digitalisierung von Geschäftsprozessen
den Sprung zurück in
die Gewinnzone geschafft. Die osteuropäischen
Privatkundenbanken kämpfen
dagegen weiterhin mit Risikovorsorge-
Ausgaben auf hohem Niveau. In Westeuropa
hat z. B. ein kleines Land wie die
Niederlande, Deutschland und Frankreich
überholt. Grund dafür ist die positive Ertragsentwicklung,
deutlich gestiegener
Ertrag je Mitarbeiter und verbesserter
Cost-Income-Ratio. Österreich und
Deutschland schneiden bei der Effizienz-
Kennziffer Cost-Income-Ratio wiederum
am schlechtesten ab.
kann den Status Kosten-Champion für
sich beanspruchen. Die italienische Intesa
Sanpaolo, die schwedische Nordea und
die spanische Bankia zeigen sich vorbildlich
mit Kostenreduktion zwischen 11 und
43 Prozent gegenüber 2010, die durch
Filialbereinigung und Vereinfachung der
gesamten Organisation erreicht wurde.
Das Ergebnis der deutschen Retailbanken
ist durchaus gemischt: Während die Ertragsentwicklung
leicht positiv ist und die
Risiken im europäischen Vergleich am
stärksten minimiert haben, konnten sie
beim Thema Effizienz keinen Fortschritt
erzielen – mit der Konsequenz sinkender
Gewinne (- 3 Prozent).
Gleichzeitig sind zwei deutsche Direktbanken
unter den Ertrags-Champions
vertreten: Die ING-DiBa und die Deutsche
Kreditbank konnten, wie auch die polnische
mBank und die britische Nationwide,
durchgängig im zweistelligen Bereich
von 2010 bis 2015 wachsen. Diese Spitzenreiter
haben sich in ihren Angeboten
und Prozessen konsequent auf den Kundenbedarf
konzentriert und sind Pioniere
beim sogenannten „frictionless Banking“:
Sie bieten nicht nur neue Services, sondern
auch eklatant vereinfachte Abläufe
z. B. für Kontoeröffnung oder Kreditantrag.
Die ING in den Niederlanden oder die
Commerzbank-Tochter mBank beweisen
überdurchschnittliche Leistung bei der
Digitalisierung. Keine deutsche Filialbank
„Die deutschen Banken drohen im europäischen
Wettbewerb zurückzufallen“,
kommentiert Pratz, Co-Autor und Initiator
der Studienreihe, das Abschneiden
heimischer Institute: Der Abstand bei Effizienz
vergrößere sich weiter, während
Champions bei Wachstum, Kosten und
digitaler Transformation die Geschwindigkeit
erhöhten. „Wenn die Deutschen den
europäischen Anschluss nicht verpassen
wollen, müssen sie ihre Cost-Income-
Ratio um 10 Prozentpunkte verbessern
– das entspricht pro Kunde ca. 50 Euro
mehr Ertrag oder weniger Kosten.“ Pratz
schätzt, dass sich die Optimierung der
Effizienz gleichermaßen aus Kostenreduktion
wie auch aus Umsatzsteigerung
schöpfen muss: „Neben Abbau der Filialen,
Digitalisierung des Vertriebs und des
Betriebs und Ausbau von frictionless banking
werden die deutschen Institute auch
ihre Preispolitik überdenken müssen:
Gratiskonten sind ein Auslaufmodell.“
Autor: www.atkearney.de
Ausgabe 2/2016
15
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
Zahlungsverkehr kostet Banken
eine Milliarde Euro bis 2018
Eine Milliarde Euro allein an Projektkosten
für Personal kommen auf
die rund 2.000 Kreditinstitute in
Deutschland nur in den kommenden zwei
bis drei Jahren zu – und nur im Bereich
Zahlungsverkehr. Regularien wie SEPA,
PSD II oder ein gesetzliches Basiskonto,
aber auch neue Bezahlverfahren wie Instant
Payments, paydirekt und Big Data
sorgen bei deutschen Geldhäusern für
diese Zusatzausgaben. Es gilt parallel an
diversen Stellschrauben zu drehen. Das
bedarf vieler Fachkräfte und damit zusätzlichem
Geld. Das zeigt eine aktuelle
Markteinschätzung der Unternehmensberatung
PPI, für die vor dem Hintergrund
langjähriger Projekterfahrung die relevanten
Themen sowie die Kosten für die
benötigten Manntage addiert wurden. Allein
die Vereinheitlichung des Euro-Zahlungsverkehrs,
kurz SEPA, war eine große
Investition, die Banken bewältigen mussten.
Seit dem 1. Februar 2016 sind alle
Euro Überweisungen und Lastschriften
vollständig auf das einheitliche System
umgestellt. Nun folgt noch die analoge
Umstellung für Nicht-Euro-Länder – ein
Kostenaufwand in Höhe von etwa zwölf
Millionen Euro für deutsche Geldhäuser.
Das Update der SEPA-und SWIFT Regelwerke
schlagen mit weiteren 15 Millionen
Euro zu Buche. Noch weitaus massiver
werden die Aufwände für die Erfüllung der
PSD-II-Vorschriften. Die Zahlungsdiensterichtlinie
verursacht nach Einschätzung
der PPI-Experten 250 Millionen Euro allein
für die Umsetzung. Insgesamt verursachen
allein die aufgezählten Standardisierungen
und Regulierungen Kosten in Höhe
von 354 Millionen Euro.
Neben den zwingend umzusetzenden Regularien
beeinflussen aber auch 15 neue
Zahlungsverkehrsprodukte und allgemeine
Trends die Banken in den kommenden
zwei bis drei Jahren. „Die Implementierung
neuer Systeme und Aufrüstung bestehender
Systeme im Rahmen von Big
Data wird voraussichtlich allein 65 Millionen
Euro an Personalkosten verbrauchen.
Auch wenn es sich um keine regulatorische
Vorgabe handelt, wird daran keine Bank
vorbeikommen“, erklärt Dr. Hubertus von
Poser, Partner und Zahlungsverkehrsexperte
bei der Unternehmensberatung PPI.
Berechnung einer Mammutaufgabe
Er hat ausgerechnet, welche enormen
Investitionen die deutschen Kreditinstitute
bis 2018 allein im Zahlungsverkehr
stemmen müssen. Für die Rechnung hat
PPI alle Themen, die auf Banken in Sachen
Zahlungsverkehr zukommen, in einer
Themenlandkarte zusammengefasst.
Dabei handelt es sich um Regularien und
Gesetze wie die PSD II, die zwingend umzusetzen
sind sowie um Trends und allgemeine
Themen. Hochgerechnet auf den
Gesamtmarkt ergeben sich für alle 33
Themenfelder somit Kosten von rund einer
Milliarde Euro. „Gravierend ist, dass
den Kosten kaum zusätzliche Erträge gegenüberstehen“,
sagt von Poser. Es handelt
sich somit um weitere Kosten für die
bereits in Effizienzprogrammen feststeckenden
Banken.
Begeisterung für den Zahlungsverkehr
wecken
Neben den Kosten müssen die Kreditinstitute
auch den erhöhten Bedarf an Fachkräften
stemmen. „Immer mehr Banken
in Deutschland stellen fest, dass die Zahlungsverkehrsexperten
in den eigenen
Reihen ausgelastet sind und die Rekrutierung
auf dem Arbeitsmarkt schwierig
ist“, berichtet der PPI-Experte. Neben
der Möglichkeit, externe Mitarbeiter auf
Projektbasis zu beauftragen, kommt vor
allem der internen Talentsuche eine große
Bedeutung zu. „Aufgabe der Führungskräfte
und Personaler ist es, die zentra-
16 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
le strategische Relevanz und Attraktivität
des Zahlungsverkehrs aufzuzeigen. Zahlungsverkehrsexperten
müssen weg vom
Nerd-Vorurteil“, sagt von Poser. Banken,
denen dieser Schachzug gelingt, profitieren
später von günstigeren Umsetzungskosten,
weil sie nicht teuer einkaufen
müssen. Auch für Mitarbeiter lohnt sich
die Qualifikation zu langfristig gefragten
Spezialisten.
Autor: www.ppi.de
Corporate-Banking-Index: Erträge
mit Firmenkunden fallen auf tiefsten
Stand seit 2009
Profitabilität des Corporate-Banking in
Deutschland sinkt im zweiten Halbjahr
2015 deutlich. Zins- wie Provisionsüberschuss
der Banken stehen unter
Druck. Kreditmarge bewegt sich nahe historischen
Tiefstständen. Verschärfte Regulierung
führt zu weiter steigenden Verwaltungskosten.
Nach einem traditionell
stärkeren ersten Halbjahr 2015 und der
damit verbundenen temporären Entspannung
hat sich die Lage im Firmenkundengeschäft
der deutschen Banken wieder
verschärft. Der Bain-Corporate-Banking-
Index fiel in den beiden Dimensionen Ertrag
und Profitabilität in der zweiten Jahreshälfte
2015 und liegt nun beim Ertrag
nahe des Indexwerts der ersten sechs
Monate des Jahres 2009, als die Banken
weltweit mit den Folgen der Finanzkrise
zu kämpfen hatten (Abbildung 1). Anders
als noch im ersten Halbjahr 2015 konnten
die Banken ihr schwaches Zinsergebnis bis
zum Jahresende nicht mehr durch höhere
Provisionseinnahmen kompensieren.
Die Nachfrage nach Krediten ist seit 2011
stabil, das Kreditvolumen liegt bei rund
1 Billion Euro. Doch die durchschnittliche
Kreditmarge schrumpft seitdem kontinuierlich:
von 1,9 auf zuletzt 1,4 Prozent.
Damit liegt sie nur noch 0,1 Prozentpunkte
über den historischen Tiefstständen von
2008. Dr. Jan-Alexander Huber, Partner
bei Bain & Company und Corporate-Banking-Experte,
weist auf erhebliche Unterschiede
innerhalb der Branche hin: „Einzelne
Institute erzielen mit Kernkunden
im Kreditgeschäft weiterhin durchaus attraktive
Renditen. Ihr effizienter und fokussierter
Vertrieb zahlt sich hier sichtbar
aus.“ Höhere Effizienz ist umso wichtiger,
da die Verwaltungskosten im Firmenkundengeschäft
unverändert steigen. Das
liegt vor allem an der Anpassung der Tarifgehälter
sowie der Umsetzung neuer regulatorischer
Anforderungen. In der Folge
steigt die Cost-Income-Ratio auf 43 Prozent
und ist damit so hoch wie noch nie
seit der Jahreswende 2008/2009.
Ausgabe 2/2016
17
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
Eigenkapitalrendite sinkt
auf 14 Prozent vor Steuern
Entlastet wurde das Ergebnis auch im
zweiten Halbjahr 2015 durch eine Kreditrisikovorsorge
weit unter dem langjährigen
Durchschnitt. Die Banken profitieren nach
wie vor von der robusten Konjunktur und
den rückläufigen Firmeninsolvenzen. Das
reicht allerdings nicht aus, um den Profitabilitätsverfall
zu stoppen. Besonders
augenscheinlich wird dieser bei der Eigenkapitalrendite
vor Steuern: Mit 14 Prozent
ist sie im zweiten Halbjahr 2015 auf
das niedrigste Niveau seit Überwindung
der Finanzkrise gesunken. „Die Banken
kämpfen im Firmenkundengeschäft nicht
nur mit schwindenden Erträgen und steigenden
Kosten“, stellt Dr. Christian Graf
fest, Principal bei Bain & Company und
Co-Autor der Studie. „Sie müssen auch ihr
Eigenkapital stärken, was die Rendite zusätzlich
belastet.“
Ertragssituation stabilisieren und
neue Potenziale erschließen
Die deutschen Banken durchlaufen derzeit
eine weitere Runde von Kostensenkungen.
Werden diese konsequent und
nachhaltig umgesetzt, können sie die
nötige Entlastung verschaffen. Mittelund
langfristig aber müssen die Institute
Wege finden, ihre Ertragssituation zu
stabilisieren und neue Gewinnpotenziale
zu erschließen. Mit einer konsequenten,
vom Kunden her gedachten Digitalisierung
kann es gelingen, sich vom Wettbewerb
abzusetzen. „Corporate-Banking
bleibt attraktiv“, so Bain-Partner Huber.
„Dafür sprechen die immer noch zweistelligen
Eigenkapitalrenditen. Doch nur
mit neuen strategischen Ansätzen und
höchster Effizienz können die Banken in
diesem Markt auf Dauer bestehen.“
Autor: www.bain.de
18 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
Die nächste Bankenkrise kommt
bestimmt:
Banken müssen Risiken vor Kreditvergabe
umfassender analysieren
Bankenkrisen laufen meistens nach
dem gleichen Muster ab: Bei guter
Konjunktur sind die Banken großzügig
in ihrer Kreditvergabe. Folgt dann
aber der wirtschaftliche Abschwung
und Kredite geraten
unter Druck, sind sie
auf Zahlungsausfälle meist
nicht ausreichend vorbereitet.
Das passierte 2008
durch die Subprime-Krise
in den USA und während
der europäischen Bankenkrise
2010. Trotzdem wachsen
die Kreditvolumina
seit Jahren stärker als das
Bruttoinlandsprodukt (BIP)
oder bleiben auf hohem
Niveau. So lag das Kreditvolumen
deutscher Banken
Ende 2015 bei 80,6 Prozent
vom BIP gegenüber 81,8
Prozent Ende 2014. Damit
steigt auch das Ausfallrisiko,
nicht zuletzt wegen der anhaltenden
Niedrigzinspolitik in Europa und der Konsumfreude
der Deutschen. Ein ähnliches
Bild zeigt sich in den Emerging Markets:
Dort wuchs der Anteil ausgegebener Kredite
am BIP von 77 Prozent in 2007 auf
128 Prozent im Jahr 2015. Entsprechend
nahmen auch die Risiken zu.
Um diesen Risiken besser zu begegnen,
faule Kredite früh zu erkennen und so Zahlungsausfälle
zu vermeiden sollten Banken
ihre Kreditrisiken professioneller verwalten,
sagen die Roland Berger-Experten in
ihrer neuen Studie "Better safe than sorry
– Mastering hidden risk in the loan portfolio".
"Durch die großzügige Kreditvergabepolitik
der vergangenen Jahre können
Banken schnell wieder in unruhiges Fahrwasser
kommen, sollte sich die Konjunktur
eintrüben", erklärt Markus Strietzel, Partner
von Roland Berger. "Außerdem kann
noch niemand absehen, ob der Brexit Auswirkungen
auf die Rückzahlung von Unternehmens-
oder Immobilienkrediten haben
wird." Einige Emerging Markets kämpfen
heute schon mit Konjunkturproblemen
oder schwachen Zukunftsaussichten. Ist
die Rezession erst einmal in vollem Gange,
sind Banken doppelt betroffen: Einerseits
führt die rückläufige Kreditnachfrage
zu sinkenden Zinseinnahmen und andererseits
verlangen Kreditausfälle mehr Risikovorsorge
und höhere Rückstellungen.
Umfassende Analyse der Kreditportfolien
nötig
Kreditinstitute sollten sich daher frühzeitig
auf diese Szenarien vorbereiten und
eine umfassende Analyse ihrer gesamten
Kreditengagements vornehmen. Denn ein
tiefgreifendes Verständnis jedes einzelnen
Kredits bietet große Vorteile: Neben der hö-
Ausgabe 2/2016
19
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
heren Transparenz in Bezug auf bestehende
Risiken, können auch potenzielle Ausfallkandidaten
früher identifiziert werden. Zudem
helfen diese Informationen, Prozesse
und Richtlinien weiterzuentwickeln und so
mögliche Marktveränderungen besser zu
antizipieren. "Kreditinstitute sollten auch
nicht-finanzielle Indikatoren stärker unter
die Lupe nehmen", rät Roland Berger-
Partner Kai-Stefan Schober. "Umfangreiche
Daten und Risikoprofile von Kunden haben
die Banken ohnehin." Allerdings wurden
Kreditrisiken bisher nur anhand einiger,
meist vergangenheitsbezogener, Finanzindikatoren
analysiert, anstatt alle verfügbaren
Informationen einfließen zu lassen.
"Die Folge sind Auswertungen, die nicht
das tatsächliche Risikopotenzial widerspiegeln
und zu falschen Entscheidungen bei
der Kreditvergabe führen können", sagt
Schober.
Sechs Schritte für einen erfolgreichen
Bewertungsprozess
Für eine umfassende Bewertung von Kreditportfolien
sind nach Ansicht der Experten
von Roland Berger sechs Schritte erforderlich:
1. Erstellung einer Liste von Risikoindikatoren:
Kreditinstitute sollten hier
auch zukunftsbezogene finanzielle und
nicht-finanzielle Indikatoren sowie individuelle
Verhaltensmuster von Kunden
berücksichtigen. Hat ein Kunde in
der Vergangenheit seine Kredite immer
vollständig zurückgezahlt, ist davon
auszugehen, dass dies auch in Zukunft
der Fall sein wird.
2. Abgleich der Liste: In der Datenbank
vorhandene Risikodaten werden mit
weiteren externen Informationen,
etwa aus Unternehmensregistern oder
Bonitätsdatenbanken, abgeglichen und
fehlende Informationen ergänzt.
3. Bewertung jedes einzelnen Risikoindikators
unter Berücksichtigung von
bank- und länderspezifischen Regularien,
wie etwa unterschiedliche Steueroder
Insolvenzgesetze.
4. Quantitative Analyse: Die ausgewählten
Risikoindikatoren müssen unter
Berücksichtigung historischer Daten
anhand von Kennzahlen wie beispielsweise
Verzugstage bei Zinszahlungen
analysiert werden.
5. Automatisierung des Bewertungsprozesses:
Mithilfe des eigenen IT-Systems
sollte das Kreditinstitut die erhobenen
Daten genau auswerten und so
drohende Kreditausfälle schnell erkennen.
6. Überprüfung von Prozessen und Systemen:
Regelmäßige Tests sollten dabei
helfen, Prozesse und Risikoindikatoren
permanent zu aktualisieren.
Die Überprüfung von Kreditportfolien ist
für Banken sehr aufwändig und kann je
nach den individuellen Voraussetzungen
zwischen acht und zwölf Wochen dauern.
"Doch der Aufwand lohnt sich, denn er
ermöglicht den Banken, vor der Kreditvergabe
genauer zu wissen, mit welchem
Schuldner sie es zu tun haben", rät Markus
Strietzel. "Spätestens wenn die nächste
Bankenkrise droht, zahlt sich diese
Mühe auf jeden Fall aus."
Autor: www.rolandberger.com
20 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
Private Banking:
Erträge der Vermögenden steigen,
die der Banken nicht
Die im Private Banking verwalteten
Vermögen (Assets under Management,
AuM) sind im vergangenen
Jahr in Deutschland um 9% und in Europa
insgesamt um 7% gestiegen. Dazu
trug die positive Entwicklung an den Kapitalmärkten
bei: In Deutschland kamen
5 %-Punkte der Aufwärtsbewegung von
Kursgewinnen, nur 4 %-Punkte durch
zusätzlich angelegte Kundengelder (Nettomittelzuflüsse).
In Europa stammten 3
%-Punkte der insgesamt 7% aus Kursgewinnen
und 4 %-Punkte aus Mittelzuflüssen.
Dies sind Ergebnisse aus dem neuen
Private Banking Survey von McKinsey &
Company. Die Unternehmensberatung befragte
dafür fast 200 Banken in Europa,
Nordamerika, Asien, Lateinamerika und
dem Mittleren Osten.
Die deutschen Anleger erzielten im Vergleich
zu den Kunden im restlichen Europa
höhere Erträge, da sie mehr Mut zum Risiko
zeigten. 33% der AuM stecken hierzulande
in Aktien gegenüber 29% in Europa;
die Barbestände sind gleichzeitig mit 26
statt 31% Anteil in Deutschland geringer.
Ein Fünftel der verwalteten Vermögen in
Deutschland sind in festverzinsliche Papiere
angelegt. „Angesichts schrumpfender
Umsatzmargen müssen die Banken Antworten
auf die verschärfte Regulierung, die
Digitalisierung und die steigenden Ansprüche
der Kunden finden“, sagte McKinsey-
Seniorpartner Philipp Koch als Co-Autor zur
Vorstellung der Analyse. Die Umsatzmarge
der deutschen Anbieter ist im vergangenen
Jahr von 70 auf 68 Basispunkte (0,68 Prozent
des verwalteten Vermögens) gefallen.
Die Gewinnmarge stagnierte hierzulande
bei 17 Basispunkten, während sie im europäischen
Schnitt 26 Basispunkte erreicht.
Koch: „Europaweit sind die absoluten Erträge
der Institute im Private Banking seit
sechs Jahren jeweils gestiegen und erreichen
jetzt wieder das Vorkrisenniveau von
2007.“
Tiefgreifende
absehbar
Marktveränderungen
Dass die Volumina im Private Banking
auch in den kommenden Jahren kontinuierlich
steigen, ist keineswegs ausgemacht.
Im Gegenteil: „Den Anbietern
bleibt nicht viel Zeit, sich auf die schon
heute absehbaren Veränderungen einzustellen“,
so Experte Philipp Koch. Er
nennt vier entscheidende Trends: Kunden
nehmen die Vermögensverwaltung
zunehmend selbst in die Hand. „Gebühren
und Kosten sind heute transparenter
denn je, daher sollten die Banken ihr
Wertversprechen sehr klar machen können
und sich vom Markt differenzieren“,
so Koch.
Kunden setzen mehr auf digitale Angebote.
Auch im gehobenen Segment sind
Online- und Multichannel-Angebote salonfähig
geworden; die Anbieter müssen
ansprechende Konzepte hierfür bereithalten.
Die Kosten bleiben unter Druck. Regulatorische
Vorschriften, Wettbewerb und
steigende Kundenansprüche erzwingen
eine schlanke und agile Struktur. Koch:
„Die Kostenbasis weiter zu verschmälern,
gehört zu den wichtigsten Themen
der Branche.“
Private Banking erfordert neue Talente.
Anspruchsvollere und digitalaffine Kunden
auf der einen Seite, neue Formate
und Produkte auf der anderen – das verändert
auch die Rollen der Mitarbeiter
im Private Banking. „Die richtigen Mitarbeiter
für das Banking von morgen zu
gewinnen, gehört zu den Kernaufgaben
des Topmanagements“, berichtet Koch.
Weltweit ist eine Verschiebung der Gewichte
im Private Banking zu beobachten.
Das Vermögen der wohlhabenden
Kundenschicht (high net worth, HNW)
Ausgabe 2/2016
21
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
ist in den vergangenen fünf Jahren um
40% auf zuletzt umgerechnet 53 Billionen
Euro gestiegen. Dabei sind aber
deutliche Unterschiede im Wachstum zu
verzeichnen: Ein Drittel des Zuwachses
stammt aus Asien. Dort stieg das Vermögen
um 13,4% jährlich im Vergleich
zu 5,8% in Nordamerika und nur 2,8%
in Westeuropa.
Autor: www.mckinsey.de
Bankkunden fordern digitalen Service
Immer mehr Bankkunden wünschen
sich ein komplett digitalisiertes und
auf ihre individuellen Bedürfnisse
zugeschnittenes Angebot ihrer Bank. Wie
die Umfrage „Privatkundengeschäft der
Zukunft“ der Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsgesellschaft PwC ergab, stehen
für die Mehrzahl der deutschen Kunden der
persönliche Bankberater (77 Prozent), individuelle
Beratung (68 Prozent), ein rund
um die Uhr erreichbarer Kundenservice
(66 Prozent), Mobile Banking-Angebote
(59 Prozent) und sichere Finanz-Apps (52
Prozent), etwa zur Verwaltung von Bankkonten,
ganz oben auf der Prioritätenliste.
Die Banken sind indes stark auf ihren Produktvertrieb
fokussiert. Die Hälfte der Befragten
erklärte, ihre Bank melde sich nur,
wenn sie ein Produkt – und dabei häufig
ihr eigenes – verkaufen will. Rund 44 Prozent
besuchen keine Bankfiliale mehr. Lediglich
19 Prozent sagten, ihre Bank weise
sie regelmäßig auf günstige Angebote von
anderen Instituten hin. Dabei interessieren
sich 44 Prozent der Befragten durchaus
für Angebote von Wettbewerbern –
gut 57 Prozent wären sogar bereit, dafür
etwas zu zahlen. An der repräsentativen
Online-Befragung nahmen 1.048 Bundesbürger,
die älter als 18 Jahre sind, teil.
Hohe Bereitschaft zur Datenanalyse
für individuellen Service
Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung
wird Mobile Banking immer beliebter.
Gut ein Drittel der Deutschen erledigt Bankgeschäfte
bereits über Smartphone, Tablet
oder Smartwatch, ein weiteres Viertel würde
es gerne ausprobieren. Darüber hinaus
sind knapp 60 Prozent der Befragten mit
einer Analyse ihrer persönlichen Daten einverstanden,
um individuelle Angebote zu
erhalten. Knapp 40 Prozent würden ihrer
Bank sogar für eine umfassende Finanzberatung
ihr gesamtes Vermögen offenlegen.
Rund ein Drittel von ihnen würde ihrer
Bank auch nicht-finanzielle Daten etwa
über Beruf, Hobbys oder persönliche Ziele
zur Verfügung stellen. „Die überwältigende
Mehrheit der Bankkunden vertraut ihrer
Bank. Die Bereitschaft, persönliche Daten
offenzulegen, ist durchaus vorhanden. Die
Banken sollten viel stärker in den Dialog
22 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
mit ihren Kunden treten, um deren Produkt-
und Servicewünsche herauszufinden.
Eine fortschrittliche Datenanalyse kann dabei
immens helfen“, sagt Dr. Holger Kern,
Partner bei PwC und Bankenexperte. Als
wichtigste Funktion einer Banking-App
nennen 76 Prozent der Befragten Tipps
zum Steuersparen. Etwa 70 Prozent der
Umfrageteilnehmer erwarten von Finanz-
Apps außerdem Geldspartipps wie aktuelle
Rabattangebote und Hilfe beim Erreichen
der eigenen Sparziele. „Die Banken sollten
sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren und
innovative digitale Serviceleistungen entwickeln,
statt Produkte und Services anzubieten,
die nicht zum Kunden passen.
Eine ‚Kaffee-App‘ benötigt der Kunde nicht
von seiner Bank“, erläutert Daniel Wildhirt,
Bankenexperte bei PwC, der die Befragung
federführend begleitet hat.
Robo Advice wird kein Selbstläufer
Digitale Innovationen wie Robo Advice
können im Privatkundengeschäft bald
eine zunehmend wichtige Rolle spielen.
Zwar haben bislang lediglich vier Prozent
einen Robo Advisor ausprobiert, gut
zwölf Prozent möchten dies aber in den
nächsten Monaten tun. Rund 45 Prozent
nennen eingesparte Beratungsgebühren
als Grund, sich automatisiert online beraten
zu lassen, und ein Drittel der Befragten
wünscht sich, dass ihre Bank
Robo Advice einführt – auch in Kooperation
mit einem anderen Anbieter. Rund 32
Prozent der Befragten würden den Empfehlungen
eines Robo Advisors eher vertrauen
als denen eines Anlageberaters,
da diese auf mathematischen Berechnungen
basieren. „Der Kunde wünscht
sich günstige, rentable und leicht verständliche
Anlageprodukte. Daher wird
der Trend weiter hin zur automatisierten
Anlageberatung gehen. Jedoch wird
Robo Advice kein Selbstläufer: Banken
sollten den Kunden diese Ergänzung zur
Beratung aktiv anbieten und erklären“,
empfiehlt Wildhirt.
Autor: www.pwc.de
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Ausgabe 2/2016
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FinanzBusinessMagazin I BANKEN
Stresstest 2016: EZB erhöht den Druck
auf Bankengeschäftsmodelle -
Europäischen Banken drohen im
Stressfall Kapitallücken
von bis zu 20 Mrd. Euro
Bis zu neun der 51 untersuchten Banken müssten sich
voraussichtlich zusätzliches Kapital beschaffen /
Auch deutsche Banken leiden unter fallenden
Nettozinserträgen bei steigenden Risiken und
regulatorischem Druck
Am 29. Juli hat die European Banking
Authority (EBA) die Ergebnisse des
aktuellen Bankenstresstests veröffentlicht,
in dem 51 der größten europäischen
Banken - davon neun aus Deutschland
- auf ihre Widerstandfähigkeit bei
nachteiligen ökonomischen Bedingungen
wie einer substantiellen Konjunkturabkühlung
oder deutlich sinkenden Immobilienpreisen
getestet wurden. Die Ergebnisse
zeigen, dass Banken unter solchen Stressbedingungen
damit rechnen müssen, im
Schnitt 30% ihres Kapitals im adversen
Szenario zu verlieren. Dadurch fällt die
durchschnittliche harte Kernkapitalquote
(CET1 Ratio) von 14,8% auf 9,5%. Anders
als bei früheren Stresstests haben sich
die Europäische Zentralbank (EZB) und
die EBA jedoch dafür entschieden, keine
allgemeine Mindestkapitalquote vorzugeben.
Stattdessen werden die Ergebnisse
vom Bankenaufseher für den jährlichen
Beurteilungsprozess verwendet, um den
individuell angemessenen Kapitalbedarf
je Bank zu ermitteln. Dr. Philipp Wackerbeck,
Leiter der Financial Services Practice
bei Strategy&, der Strategieberatung von
PwC, erklärt zu den heute veröffentlichten
Ergebnissen und deren Auswirkungen
für Finanzinstitute: "Unsere Analyse der
Stresstestergebnisse deutet darauf hin,
dass sich voraussichtlich bis zu neun von
51 Banken zusätzliches Kapital beschaffen
müssen. Auf europaweit aggregierter Basis
kann bei Eintreten des adversen Szenarios
ein Kapitalbedarf von 16 bis 20 Mrd. Euro
auftreten. Das entspricht einem notwendigen
Anstieg der aktuellen Kapitalausstattung
um ca. 1%." Eine interessante
Beobachtung ist, dass die Ergebnisse der
beteiligten Länder durchaus vergleichbar
sind und es keine Konzentration in Südeuropa
gibt. Italienische Banken haben
beispielsweise im Durchschnitt besser abgeschnitten
als erwartet. Da die Rendite
der europäischen Banken 2015 mit 6,5%
signifikant unter dem Vorkrisenniveau von
15 bis 20% bleibt, ist zu erwarten, dass
die Kapitalmärkte den betroffenen Banken
nur zögerlich zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten
anbieten werden. Das impliziert,
dass höchstwahrscheinlich die bestehenden
Eigenkapitalgeber die Last der
Rekapitalisierung tragen müssen.
Eigenkapitalausstattung
nicht ausreichend
Mit einem durchschnittlichen Rückgang der
harten Kernkapitalquote unter negativen
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen um
3,8 Prozentpunkte ist die Auswirkung des
aktuellen Stresstests noch einmal höher
als der Rückgang um 3,3 Prozentpunkte
in 2014. Trotz der daraufhin veranlassten
Stärkung der Kapitalausstattung der Banken,
die über die letzten Jahre in einem
Anstieg der harten Kernkapitalquote von
24 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
11,1% in 2014 auf 13,2% in 2016 resultierte,
wird die bei Eintreten des adversen
Szenarios zu erwartende Kapitallücke mit
16 bis 20 Mrd. Euro signifikant höher ausfallen
als 2014. Damals mussten Banken
lediglich 4,7 Mrd. Euro zusätzliches Kapital
aufnehmen. Erwartungsgemäß stellen
Verluste aus Kreditrisiken, die aus Kreditausfällen
und fallenden Bewertungen
von Sicherheiten bei schwierigen ökonomischen
Rahmenbedingungen resultieren,
den größten Treiber bei den Kapitalauswirkungen
für Banken dar. Die Verluste aus
Kreditrisiken belaufen sich 2016 jedoch
auf ähnliche Werte wie beim vorherigen
Stresstest. Daraus lässt sich ableiten,
dass Banken ihr Risikoprofil im Kreditgeschäft
nicht wesentlich verändert haben.
Tatsächlich ist der durchschnittliche Anteil
notleidender Kredite am gesamten Kreditvolumen
seit dem letzten Stresstest
bei europäischen Banken sogar von 4,8%
auf 4,1% gesunken. Hierbei bilden italienische
Banken die Ausnahme, da diese
immer noch mit der Reduktion ihrer enormen
Anzahl notleidender Kredite in den
Bankbilanzen zu kämpfen haben.
Fallende Nettozinserträge
bei steigenden Marktrisiken
und regulatorischem Druck
"Nach unserer Analyse stammen die erhöhten
Auswirkungen unter Stressbedingungen
neben den Verlusten aus Kreditrisiken
auch von einem sich verschärfenden
Rückgang der Nettozinserträge, einem
stärkeren Einfluss von Marktrisiken sowie
einer fortschreitenden Einführung der
Basel-III-Regularien. Dies spiegelt weitestgehend
die Durchsetzung einer stringenteren
und konservativeren Methodik
für diese Elemente durch die europäischen
Aufseher im diesjährigen Stresstest wider",
sagt Burkhard Eckes, Leiter Banking
& Capital Markets bei PwC. "Auch Banken
in Irland und Spanien haben die Basel-
III-Anforderungen noch nicht ausreichend
in ihren Kapitalpositionen reflektiert, was
zum Teil zu deutlichen Kapitalrückgängen
im Stresstest führt." Die Finanzkrise hat
das Geschäftsumfeld für Banken grundlegend
verändert und stellt noch immer
eine fundamentale strategische Herausforderung
für traditionelle, bilanzintensive
Bankengeschäftsmodelle dar, die stark
von Nettozinserträgen abhängig sind. Angesichts
des aktuellen Niedrigzinsumfelds
und des daraus resultierenden hohen
Drucks auf Nettozinsmargen sind Banken
gezwungen, ihre Geschäftsmodelle zu
überdenken und andere Ertragsquellen zu
erschließen. Dies wird auch in den Stresstestergebnissen
zum Nettozinsertrag
deutlich, die im Durchschnitt mit einem
Einbruch um 6% im Baseline-Szenario
und um 17% im adversen Szenario einen
signifikanten Anstieg der Auswirkung im
Vergleich zu 2014 aufzeigen.
Regulatorischer Druck auf Banken steigt
Laut Wackerbeck enthalten diese Ergebnisse
eine klare Nachricht: "Mit dem
diesjährigen Stresstest erhöhen die europäischen
Aufseher den Druck auf die Banken,
sich zu reformieren. Wir beobachten
in Italien Banken mit einem hohen Anteil
notleidender Kredite in den Bilanzen oder
in Irland und Spanien Geldhäuser mit Ka-
Ausgabe 2/2016
25
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
pitalelementen, die durch Basel III gerade
stufenweise außer Kraft gesetzt werden.
Gleichzeitig erwirtschaften diese Banken
jedoch nur geringe, nichtnachhaltige
Überschüsse - Letzteres gilt insbesondere
auch in Deutschland. Zusätzliches Kapital
aufzunehmen ist schlussendlich aber
nicht ausreichend, um die strukturellen
Probleme der Branche zu lösen, da dieser
Schritt die Kapitalkosten steigert, ohne
zu höheren Einnahmen oder Wachstumsraten
zu führen." Jenseits der Kapitalanforderungen
unterstreicht der Stresstest,
dass Banken ihre Strategie mit Blick auf
das aktuelle ökonomische und regulatorische
Umfeld sowie die zunehmende Konkurrenz
durch Start-ups aus dem FinTech-
Bereich neu bewerten müssen. Banken
sollten ihre Geschäftsmodelle daher konsequent
weiterentwickeln und gezielt in
Innovationen, Produktion und Marketing
investieren, um die Chancen der Digitalisierung
zur Transformation des bisherigen
Geschäftsmodells zu nutzen. Sie sollten
sich darauf fokussieren, ihre Erträge zu
verbessern und gleichzeitig ihre Abhängigkeit
von Zinserträgen zu reduzieren.
Damit würde auch die Widerstandsfähigkeit
gegenüber Stressbedingungen erhöht.
"Reine Kostensenkungsprogramme
reichen wohl nicht aus, um den im Stresstest
zu Tage getretenen strategischen Herausforderungen
zu begegnen. Die europäische
Bankenindustrie muss vielmehr
ihre gesamte Wertschöpfungskette hinterfragen
und wo nötig neu ausrichten.
Wenn die Banken diesen steinigen Weg
nicht konsequent weiter beschreiten, wird
der nächste Stresstest deutlich schlechter
ausfallen", so das Fazit von Wackerbeck.
Autor: www.pwc.de
Studie: So digital sind Banken
im Firmenkundengeschäft
43 Prozent der Institute haben keine Digitalkanäle
abseits von E-Mail
Für 64 Prozent der Unternehmen in
Deutschland gehören moderne Kommunikations-
und Vertriebswege zu
den wichtigsten Kriterien bei der Auswahl
von Dienstleistern. In der Geschäftsbeziehung
mit ihrer Hausbank müssen die Firmen
bisher jedoch Abstriche machen. Ein
sehr gutes Digitalangebot bescheinigt aktuell
weniger als jede zehnte Firma ihrer
Hausbank. Der Grund: Bisher bietet nur
etwas mehr als jedes zweite Institut ihren
Firmenkunden Services über digitale Kanäle
abseits von E-Mail an (57 Prozent).
Eine App hat gerade einmal eine von fünf
Banken im Programm, Videotelefonie weniger
als jede zehnte. Dies sind Ergebnisse
der Studie "Geschäftsbeziehungen
von Firmenkunden zu Banken" der Unternehmensberatung
Kampmann, Berg &
Partner. Für die Studie befragte das Institut
Forsa 200 Geschäftsführer, Vorstände
und Entscheider aus mittelständischen
Unternehmen. Deutsche Firmen treiben
derzeit die Digitalisierung ihres Geschäfts
voran. Der Vertrieb läuft in 46 Prozent der
Unternehmen bereits überwiegend digital
26 Ausgabe 2/2016
BANKEN I FinanzBusinessMagazin
ab, der Kundenservice in 38 Prozent der
Betriebe. Doch nicht nur im eigenen Haus
haben Unternehmen die Bedeutung der
Digitalisierung erkannt: Fast zwei Drittel
der Firmen achten bei der Wahl ihrer
Dienstleister darauf, ob dieser moderne
Kommunikations- und Vertriebswege anbietet.
Bei großen Unternehmen mit 100
bis 250 Millionen Euro Umsatz legen neun
von zehn auf diesen Aspekt wert.
Kein Anschluss unter diesem
Digitalkanal
Ein sehr gutes Digitalangebot bescheinigt
aktuell jedoch weniger als jede zehnte
Firma ihrer Hausbank. Digitale Services
für Firmenkunden sind abseits von E-Mail
bei 43 Prozent der Banken Fehlanzeige.
Selbst über ein Kontaktformular im Online-Banking-Bereich,
seit Jahren Standard
im Privat-kundengeschäft, kann weniger
als jedes zweite Unternehmen ihre
Bank erreichen (43 Prozent). Eine App für
die mobile Kommunikation
bietet gerade einmal jede
fünfte Bank an (19 Prozent),
Chatfunktionen sind ähnlich
rar gesät (17 Prozent).
Über soziale Medien ist nur
jede zehnte Bank für ihre
Geschäftskunden erreichbar
- und auch die viel beworbene
Videoberatung ist mit
sechs Prozent Verbreitung
alles andere als ein etablierter
Kanal. Nach Banktyp differenziert
zeigt sich: Kunden
von Großbanken haben in
Bezug auf das Digitalangebot
besonders hohe Ansprüche,
die aus ihrer Sicht von
den Instituten noch nicht
erfüllt werden. So hat beispielsweise weniger
als jeder zehnte Privatbankkunde
bisher eine Service-App von seiner Hausbank
registriert. Bei den Kunden von Genossenschaftsbanken
gibt jeder Dritte an,
von einer solchen App zu wissen. Überdurchschnittlich
hohe Werte zeigen die
genossenschaftlichen Banken auch beim
Chat (13% im Vergleich zu 6% bei Privatbanken),
Social Media Kanälen (15% zu
9%) und sogar beim klassischen Kontaktformular
(50% zu 41%). "Anwendungen,
die Kunden von genossenschaftlichen
Banken als innovativ wahrnehmen, sind
für Kunden von Großbanken oft nicht mehr
als Standard", sagt Dr. Marc Jochims, Executive
Partner der Unternehmensberatung
Kampmann, Berg & Partner.
Onlinekontakt als wichtiges
Ergänzungsangebot
"Banken mit ausgefeilten digitalen Serviceangeboten
sind ihrer Zeit ein Stück
weit voraus", so Jochims weiter. "Bei
freier Wahl bevorzugen die meisten Entscheider
für Servicefragen noch die klassischen
Kanäle - Telefon, E-Mail und persönlichen
Kontakt, wie die Studie zeigt."
Demnach ist für eine große Mehrheit das
Telefon Kontaktmittel Nummer Eins. E-
Mail und persönlicher Kontakt sind mit
Ausgabe 2/2016
27
FinanzBusinessMagazin I BANKEN
20 beziehungsweise 19 Prozent gleichauf.
Ein Kontaktformular nutzt nur einer von
100 Geschäftskunden, wenn er die Wahl
hat. Jochims begründet diese Zurückhaltung
mit den hohen Ansprüchen, die Geschäftskunden
an Bankdienstleistungen
haben. Sicherheit und individuelle Betreuung
seien dabei das A und O, wie auch die
Studie zeigt. Als Ergänzungsangebot sind
die digitalen Kontaktmöglichkeiten dem
Experten zufolge für Banken aber wichtig,
um vor allem junge Entscheider sowie
Dienstleistungsunternehmen von der
Zukunftsfähigkeit zu überzeugen. Diese
Zielgruppen zeigen sich besonders aufgeschlossen
gegenüber digitalen Kommunikationswegen.
Hier äußerten überdurchschnittlich
viele Teilnehmer in der Studie
den expliziten Wunsch, ihre Hausbank
möge sowohl für Servicefragen als auch
für die Abwicklung von Bankgeschäften
weitere Kommunikationskanäle zur Verfügung
stellen, die sie aktuell noch nicht
bietet. "Beim Aufbau digitaler Servicekanäle
geht Qualität vor Quantität", so Firmenkundenexperte
Jochims von Kampmann,
Berg und Partner. "Besonderes
Augenmerk sollte auf Datenschutzaspekte
und individuelle Betreuung gelegt werden,
so werden digitale Services zum Kontaktangebot
mit echtem Mehrwert."
Autor: www.kampmann-berg.de.
BaFin plant Verbot des Retailvertriebs
von Bonitätsanleihen
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beabsichtigt aus Gründen des
Anlegerschutzes, die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Bonitätsanleihen an
Privatkunden zu verbieten. Dazu hat sie die beabsichtigte Allgemeinverfügung im Entwurf
veröffentlicht. Bis zum 2. September 2016 besteht Gelegenheit, dazu schriftlich Stellung
zu nehmen.
Die BaFin plant, den Retailvertrieb
von Zertifikaten zu verbieten, die
sich auf Bonitätsrisiken von Referenzunternehmen
beziehen. „Strukturierte
Produkte, die sich auf Kreditrisiken
beziehen, können für institutionelle Investoren
eine sinnvolle Anlagealternative
sein. In die Hände von Privatkunden gehören
sie aus unserer Sicht aber nicht“,
begründet Exekutivdirektorin Elisabeth
Roegele den Schritt der Aufsicht. „Uns ist
bewusst, dass wir die Zertifikateindustrie
damit vor Herausforderungen stellen“,
sagt Roegele. „Aber gerade weil der Zertifikatemarkt
bei uns in Deutschland einen
hohen Stellenwert hat, dessen Ruf und
Glaubwürdigkeit von zentraler Bedeutung
sind, müssen wir bei einzelnen Produkten
intervenieren.“ Die BaFin habe bei den Bonitätsanleihen
vor allem wegen der hohen
Produktkomplexität erhebliche Bedenken
für den Anlegerschutz. Bei Bonitätsanleihen
sind Kreditrisiken von Referenzunternehmen
ausschlaggebend für Verzinsung
und Rückzahlung des investierten Geldbetrags.
Von besonderer Relevanz ist da-
28 Ausgabe 2/2016
INVESTMENTS I FinanzBusinessMagazin
bei, ob ein Kreditereignis in Bezug auf die
zugrundeliegende Referenzverbindlichkeit
eintreten wird. Privatkunden können
dies in der Regel nicht bewerten. Für sie
ist nicht erkennbar, wie groß die Wahrscheinlichkeit
für die Rückzahlung des
Anlagebetrags ist und ob die Übernahme
des Kreditrisikos durch die Höhe des Zinsversprechens
adäquat vergütet wird. Als
problematisch sieht die BaFin auch das
in der Produktstruktur angelegte Risiko
eines Interessenkonflikts an. Emittenten
sind einerseits Produzenten der Bonitätsanleihen,
die an Privatkunden abgesetzt
werden. Andererseits unterhalten sie aber
auch Geschäftsbeziehungen zu den Unternehmen,
deren Bonitätsrisiken sie in
ihren Produkten zugrunde legen, und treten
etwa selbst als Kreditgeber auf. Die
gängigen Vertragsbedingungen für Bonitätsanleihen
räumen den Emittenten
in diesem Zusammenhang erheblichen
Spielraum ein. Anlegerschutzbedenken
bestehen aber auch darin, dass bereits die
Produktbezeichnung „Bonitätsanleihe“ irreführend
ist. Anders als der Name nahelegt,
handelt es sich dabei nicht um Anleihen
im klassischen Sinne. Der Anleger ist
bei wirtschaftlicher Betrachtung nämlich
gerade nicht (Anleihe-) Darlehensgeber,
sondern übernimmt vielmehr eine ähnliche
Rolle wie ein Versicherungsgeber und
damit das Risiko des Kreditereignisses.
Diese „Rollenverwirrung“ lässt Bonitätsanleihen
bei Privatanlegern fälschlicherweise
als Zinspapiere erscheinen.
Die BaFin hatte in den letzten Monaten untersucht,
inwieweit Bonitätsanleihen aktiv
auch an Privatkunden vertrieben werden
und ob diese ausreichend über die Risiken
aufgeklärt werden. Dabei zeigte sich, dass
Emittenten Bonitätsanleihen gezielt für
den Absatz an Privatkunden produzieren.
Die Auswertung der Beratungsdokumentation
machte deutlich, dass diesen Kunden
die Funktionsweise der Produkte in der
Regel nicht adäquat erklärt wird. Mit dem
Verbot macht die BaFin von ihrer Möglichkeit
zur Produktintervention Gebrauch.
Das Kleinanlegerschutzgesetz führte diese
im Juli 2015 ein. Die Aufsicht kann seitdem
die Vermarktung, den Vertrieb und
den Verkauf bestimmter Finanzprodukte
beschränken oder verbieten, etwa um Anleger
zu schützen (§ 4b Wertpapierhandelsgesetz).
Autor: www.bafin.de
Ausgabe 2/2016
29
FinanzBusinessMagazin I INVESTMENTS
Coller Capital Global Private Equity
Barometer - Summer 2016:
Wachstum des Schattenkapitals wird die Renditen von
Private Equity-Fonds reduzieren
Mittelgroße Limited Partner (LPs)
finden es schwer mit ausreichend
Volumen in ihre ausgewählten
General Partner zu investieren. Anleger
glauben, dass sich der Ruf von Private
Equity allmählich verbessert. In Private
Equity (PE) investierende Limited Partner
hinterfragen den begrenzten Einsatz
von leistungsorientierter Bezahlung in
ihren Einrichtungen. Nach
dem aktuellen von Coller
Capital herausgegebenen
Global Private Equity Barometer
glauben zwei Drittel
der LPs, dass das schnelle
Wachstum von Private
Equity „Schattenkapital“
- direkte Investitionen von
LPs, Co-Investments und
Separate Accounts - die
Renditen von Private Equity-Fonds
verringern wird.
Das Barometer beschreibt
darüber hinaus die Popularität
von Co-Investments,
einer Form des Schattenkapitals,
welches von ungefähr
der Hälfte von Private
Equity-Investoren genutzt
wird: fast zwei Drittel der
LPs berichten, dass ihre Co-
Investments in den vergangenen Jahren
höhere Renditen erzielt haben als ihre Private
Equity-Portfolios im Allgemeinen.
Anleger glauben, dass das aktuelle Investitionsumfeld
schwieriger geworden
ist - fast 70 % der LPs sagen, dass die
Unberechenbarkeit der heutigen globalen
Wirtschaft Investitionsentscheidungen
grundsätzlich schwieriger gestaltet. Dies
hat ihre Begeisterung für Private Equity
jedoch nicht geschmälert - 88 % der LPs
beabsichtigen in den nächsten Jahren ihre
Kapitalzusagen beizubehalten oder zu erhöhen.
„Anleger sehen dabei nicht nur die
kurzfristigen Marktschwankungen“, sagt
Jeremy Coller, CIO von Coller Capital. „In
einer Welt, in der viele Asset-Klassen unvorhersehbar
oder in Schwierigkeiten sind,
glauben sie, dass Private Equity weiterhin
gute langfristige risikoadjustierte Rendite
bringen wird. “Es ist gut zu sehen, dass
Investoren ihre Allokation zu Private Equity
Fonds erhöhen”, sagt Michael Schad,
Partner bei Coller Capital. „Dies ist aber
keine Überraschung, da Private Equity Investoren
langfristig jährlich Nettorenditen
im zweistelligen Bereich erzielt haben.“
Limited Partner sind in den vergangenen
Jahren kritischer geworden - 70 % der LPs
sagen, dass Private Equity-Investoren einzelnen
GPs gegenüber weniger loyal sind
als früher - und dies hat den Wettbewerb
zwischen LPs für die gefragtesten Fonds
30 Ausgabe 2/2016
INVESTMENTS I FinanzBusinessMagazin
verstärkt. Ein verstärkter Wettbewerb erwies
sich für einige Anleger als Herausforderung,
insbesondere für mittelgroße Anleger
- fast 90 % der mittelgroßen Limited
Partner geben an, dass es für sie schwierig
ist, in dem von ihnen gewünschten
Umfang mit ihren ausgewählten Managern
zu investieren. Private Equity-Investoren
glauben das talentierte Investoren innerhalb
ihres Sektors immer mobiler werden;
zwei Drittel der LPs geben an, dass Individuen
eher zu einem anderen LP wechseln
als noch vor fünf Jahren. In diesem
Zusammenhang sind die Ansichten von
Anlegern über die Art und Weise ihrer Bezahlung
interessant. Über die Hälfte der
LPs glauben, dass ein leistungsbezogenes
Element hinzugefügt werden oder einen
größeren Teil ihrer Vergütung ausmachen
sollte.
Der Ruf von Private Equity
Nach Aussagen von Anlegern verbessert
sich der Ruf der Asset-Klasse allmählich.
Im Vergleich zu 55 % der LPs im Barometer
von 2012 glauben zwei Drittel der
LPs, dass der Ruf von private Equity nun
neutral bzw. gut ist. Ermutigend ist, dass
44 % der Anleger, die Private Equity einsetzen
der Meinung sind, dass die Industrie
einen besseren Ruf verdient, als sie es
derzeit hat.
Anlagen und Renditen
Ein Viertel der LPs plant ihre Zielzuweisungen
an Hedge-Fonds zu reduzieren.
Sie planen jedoch, alles in allem, ihre Allokation
zu anderen alternativen Assetklassen
zu steigern - rund ein Drittel der
LPs plant ihre Allokation zu Private Equity,
Infrastruktur und Immobilien zu steigern.
LPs erzielen weiterhin attraktive Renditen
aus Private Equity - 87 % der LPs erzielten
jährliche Nettorenditen von über
11 % über die gesamte Lebensdauer ihrer
Private Equity-Portfolios, und ein Fünftel
erzielte Nettorenditen von über 16 %. Ein
Drittel der LPs erzielte Nettorenditen von
über 16 % aus nordamerikanischen Übernahmen
und über ein Viertel der LPs erzielte
ähnliche Renditen aus europäischen
Übernahmen. Anleger sagen, dass sie erwarten,
dass die von Private Debt Fonds
erzielten Renditen in den nächsten 3 - 5
Jahren zurückgehen werden.
Die Aussichten für Private
Equity-Märkte in Industrie- und
Entwicklungsländern
LPs erwarten, dass sich die Bedingungen
für Private Equity in den nächsten Jahren
allmählich verbessern werden und dass in
Nordamerika und Europa 2017 ein stärkeres
Jahr sein wird als 2016. Dieses Jahr
wird allgemein angenommen, dass die
Bedingungen in Nordamerika schwieriger
sind als in Europa - zwei Fünftel der Anleger
geben an, dass sie 2016 in Nordamerika
als schwächer als durchschnittliche
Jahre ansehen. Anleger verfolgen ähnliche
Strategien für nordamerikanisches und
europäisches privates Beteiligungskapital.
Als Gruppe planen sie ihre Allokation gegenüber
großen Buyouts etwas zu verringern
und ihr Exposure in kleine und mittelständische
Buyouts, Wachstumskapital
und Private Debt zu erhöhen. In Private
Equity-Märkten ist Asien ein beliebtes Ziel
für Anleger. Über die Hälfte von LPs haben
eine Exposition gegenüber chinesischem
Private Equity und ein Viertel dieser Gruppe
plant seine Anlagen zu erhöhen. Zwei
Fünftel der LPs haben eine Allokation zu
Südostasien und Indien und 17 % dieser
LPs planen ihre Zusagen in diesen Regionen
aufzustocken. Obwohl nur knapp
über ein Zehntel der Limited Partner derzeit
eine Private Equity-Allokation zu Afrika
hat, plant ein Drittel dieser Gruppe seine
Anlagen zu erhöhen.
Autor: www.collercapital.com
Ausgabe 2/2016
31
FinanzBusinessMagazin I INVESTMENTS
Studie: Boom bei Beteiligungskäufen
im Mittelstand / Private Equity-Häuser
erwarten auch 2016 starke Zuwächse
Die Beteiligungsbranche plant umfassende
Investitionen in mittelständische
Unternehmen in
Deutschland. Während sich die Marktentwicklung
bei großen Deals eingetrübt hat,
sind die PE-Häuser optimistisch, auch im
laufenden Jahr 2016 bei Mid-Cap-Deals
mit einem Volumen von etwa 20 Millionen
Euro auf hohem Niveau zuzulegen. Dabei
hält der Trend zur Buy- and Build-Strategie
an: Neben Eigenkapital
bringen die PE-
Gesellschaften Branchenexpertise
und
unternehmerisches
Know-how ein, um
ihre Beteiligungen
zum Erfolg zu führen.
Das ergibt die
bereits zum 10. Mal
durchgeführte Studie
zur deutschen Beteiligungsbranche
von
Rödl & Partner. Im
Branchenfokus liegen
Unternehmen aus den Bereichen Automotive
sowie Maschinen- und Anlagenbau
vor der IT- und Gesundheitsbranche.
„Der Private Equity-Markt boomt. Einziges
Handicap für die Investoren ist die niedrige
Zahl verkaufswilliger Unternehmen",
erklärt Partner Jochen Reis von Rödl &
Partner Eschborn, der die Studie durchgeführt
hat. „Deutsche Mittelständler sind
weltweit begehrt. Wer sein Unternehmen
verkaufen will, ist in der komfortablen
Lage, sich den Käufer auszusuchen. Dabei
fällt die Wahl vor allem auf PE-Häuser, die
eine klare Perspektive aufzeigen, das Unternehmen
fortzuführen und in künftiges
Wachstum zu investieren." Entscheidend
für die Verkaufsentscheidung an eine Beteiligungsgesellschaft
ist immer häufiger
deren unternehmerisches Engagement.
„Der eindeutige Trend geht zur Buy- and
Build-Strategie. Mit ihr können PE-Häuser
auch bei hohen Kaufpreisen noch eine gute
Rendite erzielen", betont Björn Stübiger,
Leiter des Bereichs Corporate Finance und
M&A bei Rödl & Partner. „Das gilt besonders
beim Verkauf zur Lösung der Nachfolge.
Die Unternehmer suchen Käufer
ihres Lebenswerks gezielt danach aus, ob
sie neben Kapital auch Branchenexpertise
und operative Erfahrung einbringen."
Gebremst wird die
Entwicklung des PE-
Marktes durch die
Preisspirale und die
niedrigen Zinsen.
„Viele Beteiligungskäufe
scheitern auch
im Mittelstand an den
zu hohen Kaufpreisvorstellungen.
Die
Unternehmen haben
keinen Druck zu verkaufen.
Denn eine
Unternehmensbeteiligung
erzielt aktuell
eine weitaus höhere Rendite als die Anlage
des Verkaufserlöses", so Stübiger.
„Es erweist sich auch nicht als hilfreich,
dass so viel Kapital bereit steht. Das hat
die Begehrlichkeiten auf Verkäuferseite
wachsen lassen." Wichtiger Treiber bei
der Aufnahme von Beteiligungskapital ist
die internationale Expansion deutscher
Unternehmen. Hier haben global aufgestellte
PE-Häuser die Nase vorn. „Kapitalgeber
aus dem anglo-amerikanischen
Raum erleichtern mit ihrem Netzwerk den
Einstieg in ausländische Märkte", betont
Reis. „Zwar ist die Konkurrenz durch strategische
Investoren, insbesondere aus
Asien, sehr stark. Aber die USA sind außerhalb
der Europäischen Union nach wie
vor der wichtigste Markt für deutsche Unternehmen.
Zur Finanzierung der Expansion
in den Vereinigten Staaten sind amerikanische
PE-Investoren die erste Wahl."
Autor: www.roedl.de
32 Ausgabe 2/2016
INVESTMENTS I FinanzBusinessMagazin
Aktienrenditen:
Stärkster Wertzuwachs seit der
Finanzkrise
BCG-Studie ermittelt durchschnittliches
Wachstum von 12 Prozent
pro Jahr - Hauptgewinner am Aktienmarkt
sind US-Firmen und die Pharma-
und Medienbranche - Continental
beste deutsche Aktie mit 33 Prozent
durchschnittlicher Aktienrendite pro Jahr
Die globalen Top-Unternehmen haben in
den vergangenen fünf Jahren überdurchschnittlich
viel Wert für ihre Aktionäre
geschaffen – trotz hoher Volatilität der
Märkte und schwacher Weltkonjunktur.
Zwischen 2011 und 2015 legten die weltweit
führenden börsennotierten Unternehmen
im Durchschnitt um 12 Prozent
Aktienrendite pro Jahr zu. Die zehn Bestplatzierten
unter den Unternehmen mit
der höchsten Marktkapitalisierung (sogenannte
Large-Caps) erreichten sogar eine
durchschnittliche Aktienrendite zwischen
35 Prozent und 75 Prozent pro Jahr. Zu
diesem Ergebnis kommt der Value Creators
Report 2016 der Boston Consulting
Group (BCG). Die seit 1999 jährlich veröffentlichte
Studie weist eine Rangliste der
global führenden wertschaffenden Unternehmen
aus. "Diese Entwicklung der Aktienrenditen
ist ein historischer Rekord",
sagt Frank Plaschke, Partner bei BCG und
Experte für Corporate-Development. "Angesichts
der Turbulenzen an den Aktienmärkten
und der zunehmenden weltwirtschaftlichen
Unsicherheit entspricht das
Ergebnis nicht den gängigen Erwartungen.
Es zeigt vielmehr: Unternehmen, die
nachhaltig gut wirtschaften, können auch
in einem schwierigen Marktumfeld einen
überdurchschnittlichen Wertzuwachs erzielen."
Die BCG-Rangliste 2016 basiert
auf einer Analyse von rund 2000 führenden
globalen Unternehmen aus 28 Branchen.
Die Wertsteigerung wurde anhand
der durchschnittlichen Aktienrendite im
Zeitraum von 2011 bis 2015 gemessen;
die Aktienrendite setzt sich zusammen
aus dem Dividendenertrag und dem Kursgewinn
einer Aktie. Die 200 Unternehmen
mit einer Marktkapitalisierung von jeweils
mindestens 44 Milliarden US-Dollar, die
den größten Wert schufen, fassten die
BCG-Experten in einer Rangliste der globalen
Large-Caps zusammen.
Pharma-/Biotechnologie- und Medienbranche
gewinnen
US-Unternehmen belegen 7 der Top-
10-Plätze unter den Large-Caps. Die Gewinnerbranchen
sind Pharma- und Biotechnologie
sowie Medien. Am meisten
Grund zur Freude hatten Anleger beim
US-Konzern Regeneron Pharmaceuticals:
Der Erstplatzierte brachte seinen Anlegern
seit 2011 rund 75 Prozent Aktienrendite
pro Jahr ein. Der Zweitplatzierte, Allergan,
brachte es immerhin auf rund 43 Prozent
durchschnittliche Wertschaffung. Ähnlich
zufrieden dürften die Anteilseigner von
Medienunternehmen sein. Das südafrikanische
Medien- und Verlagshaus Naspers
(Platz 4), der chinesische Social-Media-
Spezialist Tencent (Platz 7) und das Internet-TV-Netzwerk
Netflix (Platz 8) glänzten
ebenfalls mit Spitzenwerten. "Viele Unternehmen
aus Pharma und Medien haben
in den vergangenen Jahren ihre Portfolios
bereinigt, innovative Entwicklungen vorangetrieben
und vor allem frühzeitig in
die Digitalisierung von Prozessen und Produkten
investiert. Das zahlt sich bereits
jetzt durch eine überdurchschnittliche
Umsatz- und Gewinnentwicklung aus", erläutert
Frank Plaschke.
Continental ist beste deutsche Aktie
Die beste Aktienentwicklung in Deutschland
hat die Continental AG erreicht. Der
Autozulieferer schaffte es mit 33 Prozent
Aktienrendite pro anno auf Rang 12 der
Large-Caps. Im branchen- und größenübergreifenden
Vergleich deutscher Bör-
Ausgabe 2/2016
33
FinanzBusinessMagazin I INVESTMENTS
senunternehmen führt mit Abstand der
Pharma- und Laborausrüster Sartorius,
der eine mittlere Aktienrendite von 64
Prozent pro Jahr erwirtschaftet hat.
Umsatzwachstum als entscheidender
Faktor nachhaltiger Aktienrendite
Die BCG-Experten ermittelten sechs fundamentale
Werttreiber für die Aktienrendite:
Umsatzwachstum, Gewinnmarge,
Dividende, reduziertes Aktienvolumen,
Schuldenabbau und gestiegene Börsenbewertung.
Als entscheidender Faktor
für nachhaltig steigende Gewinne kristallisiert
sich das Umsatzwachstum immer
stärker heraus, wenn dieses profitabel
ist. Bei einigen Unternehmen lässt sich
die Aktienrendite allerdings vor allem auf
gestiegene Börsenbewertungen zurückführen.
"Steigende Bewertungen bedeuten,
dass Anleger weiter steigende Erträge
erwarten. Die Gefahr einer künftigen
Aktienblase darf man dabei nicht außer
Acht lassen", so Frank Plaschke. "Langfristige
Anleger sollten immer die verschiedenen
Werttreiber im Auge behalten. Sich
in seiner Anlagestrategie nur auf ein oder
zwei Faktoren zu konzentrieren, kann zu
ungewollten Überraschungen führen."
Autor: www.bcg.de
ETF-Markt dürfte sich bis 2021
abermals verdoppeln
Allein in Europa könnten die verwalteten
Vermögen von derzeit
500 Milliarden Euro auf rund 1,6
Billionen Euro steigen, zeigte eine PwC-
Studie / Robo-Advisor gelten unter inzwischen
als zweitwichtigster Wachstumstreiber
/ Der steigende Druck der
Regulierer auf das Provisionsmodell
dürfte den Anbietern weiteren Zulauf
bescheren / PwC-Experte Hammer:
„Der Triumphzug des ETFs ist nicht aufzuhalten.“
Der Triumphzug börsengehandelter Indexfonds
(ETFs) ist nicht aufzuhalten.
Befeuert von neuen Investmenttrends
wie Robo-Advisory und dem tendenziell
günstigen regulatorischen Umfeld dürfte
sich der 3,2 Billionen Dollar schwere globale
ETF-Markt in den kommenden fünf
Jahren abermals verdoppeln, zeigt eine
Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft
PwC.
Ein besonders starkes Wachstum erwarten
Fachleute für Europa. Hier könnte
das verwaltete Vermögen von rund 500
Millionen Dollar bis 2021 auf 1,6 Billionen
Dollar steigen. Für die Studie sprach PwC
mit Managern von 60 der größten ETF-
Emittenten weltweit. Die befragten Unternehmen
decken mehr als 80 Prozent
des globalen Marktvolumens ab.
Warum „Robo-Advisory“
den ETF-Anbietern nutzt
„Sowohl unter Privatanlegern als auch
unter institutionellen Investoren ist
die Nachfrage nach ETFs ungebrochen
– und alles spricht dafür, dass dieser
34 Ausgabe 2/2016
INVESTMENTS I FinanzBusinessMagazin
Trend in den nächsten Jahren anhalten
oder sich sogar noch einmal verstärken
wird“, sagt Markus Hammer, Leiter der
Bereichs Asset and Wealth Management
bei PwC in Deutschland. „Eine Schlüsselrolle
könnte dabei unserer Studie zufolge
den sogenannten Robo-Advisorn
zufallen.“ Diese neuartigen Tools, die
aus der Fintech-Szene stammen, aber
inzwischen auch bei vielen Banken zum
Einsatz kommen, stellen Anlegern in automatisierter
Form das für sie passende
Portfolio zusammen. Die meisten Robo-
Advisor greifen dabei auf ETFs zurück.
Laut Studie könnten die Anlageroboter
zumindest im europäischen Retailmarkt
schon bald zum zweitwichtigsten
Wachstumstreiber avancieren. Lediglich
ein Thema sieht die Branche momentan
als noch relevanter an – nämlich die allgemeine
Finanzbildung.
Smart-Beta-Fonds sind erst
der Anfang
Eine entscheidende Rolle spielt der Umfrage
zufolge auch die weitere Ausdifferenzierung
der Produktpalette. Ursprünglich
dienten ETFs in erster Linie
dazu, bestimmte Aktienindizes wie den
Dax, den EuroStoxx 50 oder den MSCI
World abzubilden. Längst lassen sich mit
Exchange Traded Funds aber auch komplexere
Investmentstrategien verfolgen.
Ein Beispiel sind ETFs, die beispielsweise
gezielt in Aktien von Unternehmen investieren,
die hohe Dividenden ausschütten
oder ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum
ausweisen.
„Diese sogenannten Smart-Beta-Fonds
bescheren vielen Anbietern momentan
hohe Zuflüsse“, sagt Hammer. „Unsere
Studie allerdings zeigt, dass die
Produktentwicklung damit noch lange
nicht am Ende ist. Das größte Wachstumspotenzial
in Europa dürften in den
kommenden Jahren ETFs haben, die in
festverzinsliche Anlagen investieren. Ein
anderes großes Thema werden aktiv gemanagte
Indexfonds. Diese relativ neue
Produktkategorie soll die Brücke schlagen
zwischen ETFs einerseits und klassischen
Investmentfonds andererseits.“
Eine starke Marke ist wichtiger als
der „Track Record“
Am stärksten vom ETF-Boom dürften
auch in den kommenden Jahren jene Anbieter
profitieren, die schon seit Jahren
am Markt sind und über einen entsprechenden
Bekanntheitsgrad verfügen. So
meinten 60 Prozent der Umfrageteilnehmer,
zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren
in der Branche gehöre ein eingeführter
Markenname. Dahinter folgte mit 42
Prozent der Zugang zu institutionellen
Investoren – während „Track Record“
(38 Prozent) und „niedrige Kosten“ (35
Prozent) lediglich im Mittelfeld landeten.
Spannend wird zu beobachten sein, wie
sich die zunehmende Regulierung der Finanzbranche
in den kommenden Jahren
auf die ETF-Anbieter auswirken wird.
Ein Beispiel ist die europäische „MiFID II“-
Richtlinie, die Anfang 2018 in Kraft treten
soll. Durch sie dürfte sich der Druck
auf provisionsgestützte Vertriebsmodelle
weiter erhöhen – was ETFs aufgrund ihrer
vergleichsweise niedrigen Gebühren zupass
kommen könnte. Immerhin 50 Prozent
der befragten Branchenmanager gaben
an, dass „MIFID II“ beziehungsweise
der parallel in Großbritannien durchgeführte
„Retail Distribution Review“ (RDR)
„tendenziell positive Folgen“ auf die ETF-
Branche hätten. 13 Prozent sprachen sogar
von „signifikant positiven Folgen“,
während die übrigen Teilnehmer meinten,
für eine abschließende Bewertung sei es
noch zu früh.
Autor: www.pwc.de
Ausgabe 2/2016
35
IMMOBILIEN I FinanzBusinessMagazin
Preisboom auf den Wohnungsmärkten
Der Mietpreisanstieg auf dem Wohnungsmarkt
in den acht von JLL
untersuchten Städten*, Berlin,
Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln,
Leipzig, München und Stuttgart hat sich
im ersten Halbjahr 2016 weiter beschleunigt.
Über alle Städte hinweg ist in diesen
ersten sechs Monaten (gegenüber H1
2015) mit einem Plus von 6 % der stärkste
Mietpreiszuwachs in einem Jahresvergleich
seit Beginn der Untersuchung
in 2004 zu notieren, er reicht in den einzelnen
Städten von 4 % bis 7 %. Seit
2004 beträgt der Mietpreisanstieg in den
Städten damit insgesamt zwischen 21 %
(Köln) und 59 % (Berlin). Die Dynamik bei
den Kaufpreisen für Eigentumswohnungen
hält ebenfalls an: die hohen Wachstumsraten
der vorherigen Halbjahre wurden in
sechs Städten übertroffen. Nur Berlin und
Leipzig blieben hier außen vor. Der Kaufpreisanstieg
in den ersten sechs Monaten
gegenüber 2004 erreicht damit eine Spanne
von 54 % (Köln) bis 104 % (Berlin)
– ohne Leipzig, das lediglich um 2 % zulegte.
Dort hatte nach dem ersten Boom
infolge der Wiedervereinigung die Nachfrage
wieder deutlich nachgelassen.
Den höchsten Anstieg bei den angebotenen
Mietpreisen** im ersten Halbjahr
2016 gegenüber dem Vergleichszeitraum
des Vorjahres verzeichnete mit einem
Plus von rund 8 % Düsseldorf, gefolgt
von Leipzig (7 %). In Köln, Hamburg,
München, Berlin und Stuttgart bewegte
sich der Anstieg auf Jahressicht zwischen
5 und 6 %. Frankfurt bildet das Schlusslicht
mit + 4 %. „In allen Städten außer
Frankfurt und Stuttgart liegen den aktuellen
Entwicklungen stark steigende Preise
im Neubauangebot zugrunde, die in
der Regel hochwertiger und damit teurer
als Wohnungen aus dem Bestand sind“,
so Roman Heidrich, bei JLL Team Leader
Residential Valuation Advisory Berlin.
Und weiter: „Die Steigerungsraten für Bestandsmieten
liegen in den untersuchten
Städten zwischen 1 und 3 Prozentpunkten
niedriger, aber mit 3 bis 7 % auf Jahressicht
immer noch deutlich über dem
Trendverlauf der Vorjahre. Damit lässt
sich zugleich in keinem der untersuchten
Wohnungsmärkte die Wirksamkeit der
Mietpreisbremse beobachten. Unbeeindruckt
vom verfehlten Regulierungsinstrument
steigen die Mieten aufgrund des
deutlichen Nachfrageüberhangs weiter.“
Stärker als im letzten Halbjahr zugelegt
haben auch die Angebots-Kaufpreise für
Eigentumswohnungen**. Bis zur Jahresmitte
verteuerten sie sich in Leipzig mit
über 20 % im Jahresvergleich am stärksten.
Nicht viel weniger sind es in Stuttgart;
die schwäbische Landeshauptstadt
kommt auf 17 %. Zweistellig im Plus bewegen
sich die Angebotspreise auch noch
in München (13%) und Köln (10 %).
Durchaus kräftig ist die Zunahme in Berlin
(9%), Frankfurt (6 %) und Düsseldorf
(5 %), moderat in Hamburg mit einem
Plus von 2%. „Gegenläufig zum Mietmarkt
sind bei den Eigentumswohnungen
in sechs der untersuchten Städte höhere
Preissteigerungsraten für Bestandswohnungen
als im Neubausegment zu beobachten“,
so Sebastian Grimm, bei JLL
Team Leader Residential Valuation Advisory
Frankfurt. Grimm weiter: „Die preisliche
Schere zwischen Bestands- und
stark zunehmenden Neubauangeboten
hatte sich über die letzten Jahre immer
Ausgabe 2/2016
37
FinanzBusinessMagazin I IMMOBILIEN
weiter geöffnet. Teilweise erreicht der Anteil
des Neubaus schon 40 % aller Angebote.
Deren Preise haben ein Niveau erreicht,
das potentielle Käufer sich wieder
vermehrt Bestandswohnungen zuwenden
lässt. Die Folge: mittlerweile haben auch
hier die Preise stark zugelegt.“
Untersuchungsergebnisse
für die einzelnen Städte im Überblick:
Alle untersuchten Städte zeigen hohe
Mietpreisanstiege im 1.Halbjahr 2016
München bleibt die mit Abstand teuerste
Stadt: die Angebotsmieten legten auf
Jahressicht um 6,2 % auf 16,90 Euro/
m²/Monat zu. Günstiger wird es für Hessens
Wohnungssuchende: Frankfurt verzeichnete
trotz des spürbaren Anstiegs
von 4,3 % auf 13,30 Euro/m²/Monat die
schwächste Dynamik der untersuchten
Städte, liegt im Angebotspreis aber nach
wie vor vor Stuttgart (12,55 Euro/m²/
Monat). Dessen Zuwachs (5,2%) wird
getoppt von Hamburg, wo sich die Mieten
nach sieben Halbjahren der Stagnation
zum ersten Mal wieder kräftig nach oben
bewegt haben. Sie verteuerten sich auf
Jahressicht um +6,3 % auf 11,50 Euro/
m²/Monat.
Mit dem gleichen Plus erfuhr Köln seinen
stärksten Anstieg seit Beginn der Zeitreihe
in 2004. Mit einer Angebotsmiete von
10,55 Euro/m²/Monat wird Düsseldorf
beim Angebotsmietpreis (10,35 Euro/m²/
Monat) übertroffen – dies trotz dessen
kräftigsten Steigerung unter den untersuchten
Städten von 7,6 %. Vergleichsweise
günstig bleibt die Hauptstadt.
Nachdem 2015 der Aufwärtstrend etwas
nachgelassen hatte, zeigen die Auswertungen
für das erste Halbjahr auf Jahressicht
eine Wachstumsrate von 5,4 % auf
9,55 Euro/m²/Monat. In Leipzig setzte
sich der Anstieg der Mieten der letzten
Halbjahre fort: mit einem deutlichen Plus
von 6,9 % gegenüber dem Vergleichszeitraum
des Vorjahres liegen die Medianmieten
mittlerweile bei 6,20 Euro/m²/Monat.
„Die Nachfrage bleibt der wesentliche Treiber
der Mietpreise. Der Neubau hat sich in
den Großstädten erhöht, droht nun aber
vielerorts zu stagnieren, wie aktuelle Baugenehmigungszahlen
belegen. Nur eine
Angebotsausweitung hilft gegen weitere
Mietpreisanstiege, auch wenn dadurch das
Angebot teurerer Mietwohnungen an sich
ansteigt. Durch Umzug aus Bestandwohnungen
in einen Neubau machen darüber
hinaus Wohnungen im mittleren Preissegment
im Wohnungsbestand verfügbar“, so
Heidrich.
Eigentumswohnungen in München
viermal so teuer wie in Leipzig
In allen untersuchten Märkten geht die
Preisspirale weiter nach oben. Dabei verzeichneten
Leipzig, Stuttgart und München
im ersten Halbjahr die höchsten
Preisanstiege. „Der Aufwärtstrend auf den
Märkten für Eigentumswohnungen ist ungebrochen.
Weiter angetrieben von den
günstigen Finanzierungsmöglichkeiten
und einem Angebot in den Großstädten
unterhalb der Nachfrage steigen die Preise
wieder wie in den Boomjahren 2012
und 2013. Der zunehmend preisbedingten
Umlandwanderung stehen genügend zahlungskräftige
Kaufinteressenten gegenüber,
die die Preisentwicklung antreiben“,
so Sebastian Grimm.
Wer eine Wohnung kaufen will, muss in
München am tiefsten in die Tasche greifen.
6.490 Euro/m² werden im Mittel für
einen Quadratmeter aufgerufen und damit
auf Jahressicht 12,5 % mehr. Alle
anderen Städte liegen weit unter den
Angeboten der Isarmetropole. Nach einer
kurzen Stagnation sind die Preise in
Frankfurt um 5,5 % auf 4.210 Euro/m²
38 Ausgabe 2/2016
IMMOBILIEN I FinanzBusinessMagazin
gestiegen. Weiter kräftig zulegt haben
sie in Stuttgart: dort betrug der Zuwachs
16,8 % auf 3.900 Euro/m². „In den letzten
Jahren führte ein überproportional
zunehmender Zuwachs an Einwohnern
bei viel zu geringem Neubau zu einer
Preiserhöhung von durchschnittlich 15 %
pro Jahr. Auch im Bestand haben sich
die Preise deutlich verteuert“, so Grimm.
3.880 Euro/m² kostet im Durchschnitt
eine Eigentumswohnung in Hamburg. Es
ist unter den acht Städten mit 2,4 % der
moderateste Anstieg. Mit einem Plus von
5,2 % auf Jahressicht setzte sich der Aufwärtstrend
des letzten Jahres in Düsseldorf
fort. In der nordrhein-westfälischen
Landeshauptstadt muss im Mittel mit
Kaufpreisen von 3.320 Euro/m² gerechnet
werden. Düsseldorfs Kaufpreisniveau hat
zum ersten Mal die Hauptstadt erreicht,
bei 9,9 % lag die Steigerung in Berlin. Köln
blieb, im Gegensatz zum Mietwohnungsmarkt,
bei den Kaufpreisen hinter Düsseldorf
– dies trotz eines Plus von 9,3% auf
3.100 Euro/m². Den mit knapp über 20 %
höchsten Anstieg aller acht von JLL untersuchten
Städte verzeichnete der nach wie
vor mit Abstand preiswerteste Markt: In
Leipzig konnten sich Kaufwillige im Mittel
für 1.620 Euro/m² eine Eigentumswohnung
zulegen.
Autor: www.jll.de
Brexit: Immobilienbranche
rechnet mit Verstärkung
des Immobilienbooms in Deutschland
Zu den Hauptprofiteuren des Brexit-
Votums der britischen Wähler werden
nach Ansicht der Immobilienbranche
der deutsche Immobilienmarkt
und der Finanzplatz Frankfurt zählen: In
einer aktuellen Befragung von Immobilienmarktakteuren
gaben 57 Prozent an,
dass sie mit positiven Folgen für den Immobilienmarkt
in Deutschland rechnen.
Sowohl die Transaktionsvolumina als auch
die Kauf- bzw. Mietpreise werden nach
Meinung der Mehrheit der Befragten steigen.
Das betrifft insbesondere den Standort
Frankfurt, wo sogar nach Ansicht von
86 Prozent der Befragten die Preise für
Wohnimmobilien weiter steigen werden.
79 Prozent rechnen mit steigenden Preisen
für Büroimmobilien. Grund für diese Einschätzung
dürfte die zukünftig steigende
Bedeutung Frankfurts als Finanzplatz
sein: 72 Prozent der Befragten erwarten,
dass der Finanzplatz Frankfurt am meisten
von einem Austritt des Vereinigten
Königreiches aus der EU profitieren wird.
Ausgabe 2/2016
39
FinanzBusinessMagazin I IMMOBILIEN
Dublin liegt mit 13 Prozent auf dem zweiten
Platz, Paris wird nur von sechs Prozent
als Profiteur eines Brexits gesehen.
Das sind die Ergebnisse einer Online-
Befragung von 555 deutschen Immobilienmarktteilnehmern,
die von EY Real
Estate durchgeführt wurde.
Die Folgen eines Brexits für das eigene Unternehmen
sind für die Branche allerdings
noch weitgehend unklar: Jeweils etwa ein
Fünftel der Befragten sehen vor allem positive
bzw. negative Auswirkungen, ein
weiteres Fünftel sieht keine Relevanz für
das eigene Geschäft. Immerhin 40 Prozent
sehen sich hingegen derzeit außerstande,
die Auswirkungen zu bewerten.
Insbesondere die befragten Finanzierer
(52 %) können die Folgen für ihr Unternehmen
noch nicht einschätzen. Insgesamt
wird aber das zukünftige Geschäft
im Vereinigten Königreich (UK) – unabhängig
vom Sitz des Unternehmens – derzeit
neubewertet. Nur ca. ein Drittel der
Unternehmen ohne Hauptsitz in UK plant
eine Fortführung ihrer Aktivitäten in UK
auf bisherigem Niveau. „Bei einem großen
Teil der Befragten scheint die zukünftige
Geschäftsausrichtung zum gegenwärtigen
Zeitpunkt noch nicht absehbar zu sein“,
sagt Christian Schulz-Wulkow. Er ist Partner
und Leiter des Immobiliensektors bei
EY Real Estate in Deutschland, Österreich
und der Schweiz und verantwortet die
Studie.
Deutscher Immobilienmarkt
wird positiv gesehen
Immobilieneigentümer in Deutschland
dürften in weiten Teilen vom Brexit profitieren.
Jeder zweite Befragte ist demnach
überzeugt, dass Mieten und Kaufpreise
in Deutschland steigen werden. Negative
Brexit-Effekte auf Mieten, Kaufpreise,
Transaktionsvolumina und Finanzierungskosten
in Deutschland erwarten im Durchschnitt
aller Befragten nur 10 bis 15 Prozent.
Auch die Finanzierungskonditionen
in Deutschland bleiben nach
Ansicht von etwa 70 Prozent
der Befragten stabil. „Es
deutet sich an, dass internationale
Investoren, die vorerst
nicht mehr in London
investieren möchten, noch
stärker auf den deutschen
Immobilienmarkt drängen
werden“, kommentiert
Schulz-Wulkow. Die Ergebnisse
der Umfrage deuten
darauf hin, dass Frankfurt in
den kommenden Jahren davon
profitieren könnte. Die
ohnehin sehr hohe Bankenpräsenz,
der Sitz der Europäischen
Zentralbank und
die sehr gute Verkehrsanbindung
dürften dabei eine
Rolle spielen.
Autor: www.ey.com
40 Ausgabe 2/2016
IMMOBILIEN I FinanzBusinessMagazin
Nachfrage nach Büroflächen
europaweit höher als das Angebot
Dem aktuellen European Offices
Market Report des internationalen
Immobiliendienstleistungs-Unternehmens
Savills zufolge wurde die Büroflächennachfrage
in Europa im 1. Quartal
2016 durch den Mangel an hochwertigem
Angebot beeinträchtigt. Dabei wird sich
auch der prognostizierte Anstieg der Neubautätigkeit
um 22 % in den meisten Städten
kaum auswirken.
Der Büroflächenumsatz in Europa summierte
sich im 1. Quartal 2016 auf insgesamt
1,75 Mio. m² und liegt damit annähernd
auf Vorjahresniveau. Geringe
Neubautätigkeit bei gleichzeitig hohem Flächenumsatz
haben in den meisten Städten
das Angebot zum Erliegen gebracht. Lediglich
Warschau (+ 180 Bp. ggü Q1 2015),
Kopenhagen (+ 20 Bp.) und London West
End (+ 10 Bp.) verzeichneten einen Anstieg
des Flächenangebots. Der Büroflächenumsatz
des 1. Quartals 2016 ist vor allem auf
Unternehmensexpansionen zurückzuführen,
womit sich der Nachfragezuwachs im
kleinteiligen bzw. mittleren Flächensegment
in diversen Städten erklären lässt.
Durch einen Rückgang des Flächenfertigstellungsvolumens
um 16 % in 2015 bei
gleichzeitig dynamischer Vermietungstätigkeit
in den vergangenen 12 Monaten ging
der verfügbare Flächenbestand drastisch
zurück. Auf Basis der aktuellen Projektentwicklungspipeline
wird bis Jahresende ein
Büroflächenzuwachs von 22 % bzw. 2,7
Mio. m² prognostiziert. Dieses Volumen
entspricht etwa 42 % des durchschnittlichen
5-Jahres-Umsatzes in Europa, wird
sich jedoch auf die meisten Märkte kaum
spürbar auswirken. Außer in Warschau und
Brüssel sind viele Projekte bereits vorvermietet
– in Berlin liegt dieser Anteil sogar
bei 63 %. Es wird davon ausgegangen,
dass die Leerstandsraten weiter zurückgehen
bzw. stabil bleiben. Die durchschnittliche
Leerstandsrate ging von 8,4 % in Q4
2015 auf 8,1 % in Q1 2016 zurück und
liegt damit auf dem niedrigsten Niveau seit
7 Jahren.
In 92 % der europäischen Märkte wird ein
Anstieg der Mieten prognostiziert. Durch
den Neubauflächenzuwachs wird der Aufwärtsdruck
auf die Spitzenmieten nachlassen.
Nach einem Plus von 3 % im Vorjahreszeitraum
stiegen die Spitzenmieten in
CBD-Lagen im 1. Quartal 2016 um durchschnittlich
4,9 %. Die Mieterincentives gingen
in den vergangenen 12 Monaten signifikant
zurück. Aktuell belaufen sie sich auf
7,7 % der Gesamtmiete gegenüber 10 %
im vergangenen Jahr. Aufgrund der Angebotsknappheit
sind einige Mieter zwischenzeitlich
bereit, längerfristige Mietverträge
abzuschließen, wenn es ihnen dadurch gelingt,
günstigere Mietkonditionen zu verhandeln.
Auch in Lagen außerhalb des CBD zogen
die Spitzenmieten an. Allerdings fiel der
Anstieg mit durchschnittlich 2,9 % geringer
aus als in CBD-Lagen und ebenso geringer
als im Vorjahr. Savills zufolge überrascht
diese Entwicklung etwas angesichts
der Nachfrage nach City-Lagen. Für B-Lagen
gibt es jedoch kaum Beweggründe, so
dass die Nutzer nicht bereit sind, dort hohe
Mieten zu zahlen.
Lydia Brissy, Director European Research
bei Savills, merkt an: „Trotz des für 2016
erwarteten hohen Flächenfertigstellungsvolumens
gehen wir davon aus, dass die
durchschnittlichen Leerstandsraten in 71
% der in unserer Analyse beleuchteten europäischen
Märkte zurückgehen oder stabil
bleiben werden. Der geplante Neubauflächenzuwachs
wird aufgrund der anhaltend
hohen Nachfrage zügig absorbiert sein. Das
für 2017 projektierte Büroflächenfertigstellungsvolumen
liegt 9 % unter dem Niveau
von 2016, so dass die Angebotsknappheit
auf absehbare Zeit anhalten wird.“
Autor: www.savills.de
Ausgabe 2/2016
41
FinanzBusinessMagazin I IMMOBILIEN
Weiterhin hohe Transaktionsaktivitäten
bei Offenen Immobilienfonds
Offene Immobilienfonds haben sich
im Zeitraum 1. Oktober 2015 bis
31. März 2016 weiterhin positiv
entwickelt. Dies ist ein Ergebnis des aktuellen
Ratings der Offenen Immobilienfonds
durch die FERI EuroRating Services
AG. Sämtliche der zwölf bewerteten Fonds
erhielten eine Ratingnote zwischen A- und
A+, was dem Rating-Kommentar „sehr
gut“ entspricht. „UniImmo: Europa“ und
„UniImmo: Deutschland“ erhielten die
Note A+, die beste im aktuellen Rating
vergebene Note. Acht Fonds wurden mit
der Note A bewertet, zwei Fonds mit der
Note A-. Von den untersuchten Fonds wurden
elf quantitativ auf Basis der öffentlich
verfügbaren Informationen bewertet.
Der „LEADING CITIES INVEST“, der sich
auf ausgewählte europäische Metropolen
konzentriert, wurde hingegen aufgrund
seiner jungen Historie anhand einer qualitativen
Analyse bewertet. „UniImmo:
Europa“, „Deka-ImmobilienEuropa“ und
„WestInvest InterSelect“ konnten sich im
Vergleich zum vorherigen Rating für das
dritte Quartal 2015 um eine Ratingklasse
verbessern. Lediglich „grundbesitz Europa
RC“ ist als einziger der untersuchten Fonds
eine Ratingklasse heruntergestuft worden.
„Mittlerweile bewegen sich alle Ratings innerhalb
des Bereichs von A- bis A+ und
befinden sich somit auf einem sehr hohen
Niveau“, sagt Wolfgang Kubatzki, Leiter
Real Estate der FERI EuroRating Services
Quelle: © denisismagilov - Fotolia.com
AG. „Die Offenen Immobilienfonds profitieren
von dem hohen Interesse an Immobilien.
Dabei weisen die Offenen Immobilienfonds
einen deutlichen Renditespread
zu deutschen Staatsanleihen auf, deren
Renditen sich auf einem historischen Tiefstand
befinden“, so Kubatzki weiter.
7 Milliarden Euro Transaktionsvolumen
in sechs Monaten realisiert
Gemäß den der FERI EuroRating vorliegenden
Daten für die elf quantitativ
bewerteten Fonds wurden im Zeitraum
4. Quartal 2015 bis 1. Quartal 2016 für
rund 1,5 Milliarden Euro (ca. 21 Prozent)
Objekte in Frankreich ver- und gekauft,
dicht gefolgt von Deutschland mit 1,3 Milliarden
Euro (rund 20 Prozent) und Großbritannien
mit rund 1,1 Milliarden Euro
(rund 16 Prozent), jeweils gemessen am
gesamten Transaktionsvolumen (An- und
Verkäufe) in Höhe von rund 7 Milliarden
Euro. Die restlichen 43 Prozent verteilen
sich auf weitere 13 Länder, wobei sich
Niederlande und die USA mit jeweils rund
550 Millionen Euro Transaktionsvolumen
(jeweils rund 8 Prozent) nochmals abheben.
Der Trend geht zu größeren Objekten
Bei den elf quantitativ bewerteten Fonds
wurden im Zeitraum 4. Quartal 2015 bis
1. Quartal 2016 in Summe 60 Immobilien
für insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro
verkauft. Das entspricht einem Durchschnitt
von rund 58 Millionen Euro pro Immobilie.
Im selben Zeitraum wurden für
diese Fonds Ankäufe von 27 Immobilien
im Wert von ebenfalls rund 3,5 Milliarden
Euro getätigt. Das entspricht einem
Durchschnittswert von rund 130 Millionen
Euro pro Immobilie. „Viele Fondsgesellschaften
haben das aktuelle Marktumfeld
für Verkäufe genutzt und haben gleichzeitig
ihre Portfolien bereinigt. Es zeigt sich
ein Trend in Richtung größerer Objekte
42 Ausgabe 2/2016
IMMOBILIEN I FinanzBusinessMagazin
Quelle: © Kzenon - Fotolia.com
und ungebrochener Marktaktivität“, kommentiert
Kubatzki.
Über die Hälfte aller Objektverkäufe
fanden in Deutschland statt
Betrachtet man die reine Anzahl der insgesamt
60 Objektverkäufe isoliert vom Transaktionsvolumen,
so entfallen alleine auf
Deutschland 31 Immobilienverkäufe (rund
52 Prozent) im Betrachtungszeitraum. „Einige
Fondsgesellschaften haben sich von
kleineren und älteren Immobilien mit vorwiegender
Büronutzung in Deutschland
getrennt“, kommentiert Kubatzki. Von den
insgesamt 27 Immobilienankäufen entfallen
acht Immobilenankäufe auf Deutschland
(rund 30 Prozent) bei einem dazugehörigen
Ankaufs-Transaktionsvolumen von rund 630
Millionen Euro. Demgegenüber stehen die
31 Immobilienverkäufe in Deutschland mit
einem dazugehörigen Verkaufs-Transaktionsvolumen
von rund 710 Millionen Euro.
Dies entspricht einem Ankaufs-Durchschnittswert
von rund 79 Millionen Euro
pro Immobilie und einem Verkaufs-Durchschnittswert
von rund 23 Millionen Euro pro
Immobilie, jeweils in Deutschland.
Möglicher Brexit fand keine Beachtung,
Frankreich der große Verlierer
Während sich die Immobilienwerte in den
Portfolios für Großbritannien noch erhöht
haben – dem Verkaufsvolumen von rund
490 Millionen Euro steht ein Einkaufsvolumen
von rund 610 Millionen Euro gegenüber,
ist die größte Veränderung bei den
Frankreich-Immobilien zu verzeichnen:
rund 1,2 Milliarden Euro Verkaufswerte
standen Ankaufswerten von lediglich rund
300 Millionen Euro gegenüber.
Fonds mit hoher Liquiditätsquote
stehen vor Herausforderungen
Die Spanne der im Untersuchungszeitraum
zuletzt gemeldeten freien Liquiditätsquoten
der elf quantitativ untersuchten Fonds
liegt zwischen 8,5 Prozent und 22 Prozent.
„Die Anlage der Liquidität stellt die
Fondsmanager im Niedrigzinsumfeld vor
große Herausforderungen. Viele werden
es schwer haben, noch eine positive Rendite
für ihre freie Liquidität zu erzielen“, so
Kubatzki. Im Detail gibt es bei den drei in
die Bewertung einfließenden Kriterien Performance
(25 Prozent), Immobilienportfolio
(50 Prozent) und Finanzstrukturen (25
Prozent) deutliche Unterschiede zwischen
den einzelnen Fonds. So erreichen „Uni-
Immo: Europa“ und „UniImmo: Deutschland“
die Ratingklasse A+, beide Fonds
werden aber in der Kategorie Performance
sowohl von „grundbesitz europa RC“ als
auch von „hausinvest“ leicht übertroffen.
Autor: www.feri.de
Ausgabe 2/2016
43
FinanzBusinessMagazin I FINANZIERUNGEN
Baufinanzierung: Banken hadern mit
der Vergabe von Immobilienkrediten
Deutschlands Kreditinstitute gehen
bei der Immobilienfinanzierung
derzeit unterschiedliche Wege:
Während sich viele Institute seit Inkrafttreten
einer neuen EU-Richtlinie im März
bei der Kreditvergabe deutlich restriktiver
verhalten, weiten andere Institute die Immobilienfinanzierung
noch aus, wie Analysen
der auf Finanzdienstleister spezialisierten
Unternehmensberatung Cofinpro
zeigen. Insgesamt herrscht derzeit bei der
Immobilienkreditvergabe auf dem Markt
eine große Unsicherheit, zumal der Branche
eine weitere Regulierung mit strengeren
Richtlinien für Baufinanzierungen
droht. Neue Modelle zur Risikobewertung
würden treffsichere Aussagen zur künftigen
Tilgungsfähigkeit ermöglichen und
Transparenz schaffen – für Banken und
ihre Kunden gleichermaßen.
Derzeit blicken Banken bei der Risikobewertung
eines Immobilienkredits noch
überwiegend in die Vergangenheit oder die
Gegenwart. Bei der Analyse der drei zentralen
Faktoren einer Kreditentscheidung,
nämlich Rating, Kapitaldienstfähigkeit und
Sicherheiten werden lediglich in geringem
Maße Prognosen hinsichtlich zukünftiger
Entwicklungen herangezogen. „Es ist von
zentraler Bedeutung für die Banken, bessere
Modelle zu entwickeln, die die Daten
in die Zukunft fortschreiben und verschiedene
Szenarien simulieren. Bisher häufig
genutzte Excel-Berechnungen reichen
hierfür nicht aus – eine systemgestützte
Datenbasis ist für diese Bewertungen essentiell“,
sagt Melanie Purgar, Senior Expert
Consultant bei Cofinpro. „Auf dieser
Grundlage ist es noch präziser möglich,
die richtigen Kredite zu vergeben und die
richtigen abzulehnen.“
So müssten in die Analyse beispielsweise
verstärkt die künftige Entwicklung der
Immobilienpreise und Einkünfte, inkl.
der Mietpreisentwicklung bei vermieteten
Immobilien oder die Zinsentwicklung für
die Prognose künftiger Belastungen des
Kunden einfließen. Mit Hilfe von Simulationsmodellen
kann die Bank dann eine
exaktere Kreditentscheidung treffen. „Für
den Kunden ist es wichtig, dass diese in
einer individuellen Beratung transparent
und verständlich kommuniziert wird – anhand
mehrerer Szenarien. Wird dabei beispielsweise
deutlich, dass die gewünschte
Kredithöhe für beide Seiten ein Risiko
darstellt, kann die Bank den Kunden unterstützen,
mit einer kleineren Immobilie
doch noch den Traum vom Eigenheim zu
realisieren“, so Purgar. Fintechs wie z.B.
auxmoney gehen bereits diesen Weg und
überprüfen mit Hilfe von innovativen Simulationsmodellen
die Kreditwürdigkeit
ihrer Kunden. Teilweise fließen Hunderte
von Daten in die Entscheidung über eine
Kreditvergabe mit ein. Szenarioanalysen
bei der Immobilienkreditvergabe minimieren
auch die Risiken für Banken gerade
im derzeitigen unsicheren Markt- und Zinsumfeld.
Steigen die Zinsen oder sinken
die Immobilienpreise wieder, drohen in
einigen Jahren bei der Anschlussfinanzierung
Kreditausfälle. „Es gilt für die Institute
gerade auch bei Immobilienkrediten,
langfristig zu denken und ihren Kunden
heute Kredite zu vermitteln, die auch in
zehn Jahren noch getilgt werden können“,
so die Immobilienkreditexpertin von Cofinpro.
Autor: www.cofinpro.de
44 Ausgabe 2/2016
VERTRIEB / MARKETING I FinanzBusinessMagazin
Lieber persönlich als virtuell:
Für deutsche Verbraucher macht der
Faktor Mensch den Unterschied
Deutsche Verbraucher wollen lieber
mit echten Menschen sprechen
statt digitale Kanäle zu nutzen,
wenn sie den Kundenservice für Beratung
oder bei Problemen in Anspruch nehmen.
Laut einer Studie des Dienstleistungsunternehmens
Accenture gaben drei Viertel
(74%) der Befragten an, dass sie die
menschliche Interaktion bevorzugen. Digitale
Kanäle werden vor allem für Standardanfragen
in Anspruch genommen. Die
Konsumenten erhoffen sich auf diesem
Weg schnellere Antworten und eine bessere
Verfügbarkeit. Allerdings finden nur
sechs Prozent, dass digitale und physische
Kanäle gut aufeinander abgestimmt sind.
„Zu glauben, dass mit den neuen digitalen
Möglichkeiten die Servicequalität und damit
die Kundenzufriedenheit automatisch
steigen, ist ein Trugschluss“, sagt Sven
Drinkuth, Geschäftsführer bei Accenture
Strategy und Leiter des Bereichs Advanced
Customer Strategy. „Die Unternehmen
dürfen den Faktor Mensch nicht aus
den Augen verlieren. Mitarbeiter im Kundenservice
werden zu oft als Kostenfaktor
gesehen. Dabei sind sie es, die den Ausschlag
geben, ob ein Kunde bei seinem
Anbieter bleibt oder enttäuscht zur Konkurrenz
wechselt.“
Guter Rat darf teuer sein
Die Studie ‘Digital Disconnect in Customer
Engagement’ von Accenture Strategy basiert
auf der jährlichen durchgeführten Verbraucherumfrage
Global Consumer Pulse
Research. Dafür wurden weltweit mehr
als 24.000 Konsumenten hinsichtlich ihrer
Zufriedenheit mit Marketing-, Vertriebsund
Servicekanälen sowie ihrer Loyalität
befragt, darunter 1.240 aus Deutschland.
Die Studie zeigt, wie sich das Verhalten
und die Einstellungen von Kunden in Bezug
auf digitale und analoge Kundenerlebnisse
verändern. Drei von vier deutschen
Verbrauchern bevorzugen demnach den
persönlichen Kontakt bei Beratung (78%)
und bei Problemen (74%). Jeder Dritte
(31%) wäre sogar bereit, für ein Produkt
oder eine Dienstleistung einen höheren
Preis zu zahlen, wenn damit ein besserer
Kundenservice verbunden wäre. Insbesondere
beim Besuch eines Geschäfts
schätzen die Kunden in Deutschland eine
gute Beratung (70%) sowie die Möglichkeit,
Produkte anzufassen und auszuprobieren
(66%). Das sind deutlich höhere
Werte als in vergleichbaren europäischen
Ländern oder in den USA. Schlechte Erfahrungen
bei der Beratung oder mit dem
Kundenservice haben zudem Folgen. Mehr
als die Hälfte der Befragten (52%) hat daraufhin
im vergangenen Jahr mindestens
einen Anbieter gewechselt. Am häufigsten
haben Kunden Einzelhändlern (17%),
Mobilfunkanbietern (13%) sowie Banken
(11%) den Rücken gekehrt.
Markentreue war gestern
Grund zur Sorge haben die Unternehmen
auch wegen der abnehmenden Bindungskraft
von Marken. So empfindet nur ein
Viertel (26%) der Befragten eine besondere
Loyalität gegenüber ihren aktuellen
Anbietern und jeder Vierte (40%) gab an,
häufiger über einen Wechsel nachzudenken,
als noch vor zwei Jahren. Auch bei
der Suche nach einem neuen Anbieter
spielt die Reputation nur eine untergeordnete
Rolle (23%). Viel wichtiger sind
Kriterien wie der Preis (64%), der Service
Ausgabe 2/2016
45
FinanzBusinessMagazin I VERTRIEB / MARKETING
(61%) und das Produkt (47%). „Die Loyalität
gehört heute nicht mehr der Marke
sondern dem Erlebnis“, sagt Sven Drinkuth.
„Was zählt, ist der Moment. Diesen
müssen die Unternehmen erkennen und
mit maßgeschneiderten Serviceangeboten
und persönlicher Beratung reagieren.
Dafür braucht es das passgenaue Zusammenspiel
des Mitarbeiters im Kundenservice
und der digitalen Servicekanäle, so
dass ein einheitliches Kundenerlebnis entsteht.“
Einmal weg, immer weg
Für die Unternehmen steht viel auf dem
Spiel. Das Umsatzvolumen, das durch
abgewanderte Kunden verloren geht,
beträgt allein für Deutschland hochgerechnet
rund 330 Milliarden Euro. Sich
um bestehende Kunden zu kümmern,
zahlt sich also aus. Immerhin sagen drei
Viertel (77%) der Wechsler, dass sie bei
ihrem Anbieter geblieben wären, wenn
dieser sich mehr Mühe gegeben hätte.
Diese Kunden zurück zu gewinnen, ist
sehr aufwändig und teuer. So erklärten
knapp zwei Drittel (63%), dass sie sich
nicht vorstellen können, wieder zu ihrem
alten Anbieter zurück zu gehen. Und die,
die zurückkommen, tun das nur, wenn
sie Preisvorteile sehen. „Die Digitalisierung
ist hilfreich, aber kein Allheilmittel“,
sagt Sven Drinkuth. „Digitale Servicekanäle
erhöhen die Möglichkeiten für Kunden,
den Kontakt aufzunehmen und das
funktioniert auch wesentlich einfacher
und schneller als früher. Aber echte Kundenbindung
entsteht erst durch den Menschen.
Das ist umso wichtiger, weil Unternehmen
oft nur eine Chance haben,
wenn es wirklich drauf ankommt. Geht
das schief, sagt der Kunde ade.“
Autor: www.accenture.com
Call Center vor dem Abstieg?
Banken sollten ihre Kontaktkanäle
ganzheitlich überdenken
Die Akzeptanz konventioneller Call
Center geht bei Bankkunden rapide
zurück. So hat sich zum Beispiel
die Abschlussbereitschaft über diesen
Kontaktkanal innerhalb von vier Jahren
von 28 auf 14 Prozent halbiert. Mit diesem
Ergebnis untermauert die Studie
„Kundenberatung der Zukunft“ von Sopra
Steria Consulting, dass eine konkurrenzfähige
Customer Journey mit isoliertem
Kanaldenken im digitalen Zeitalter unmöglich
geworden ist. Banken stehen so-
46 Ausgabe 2/2016
VERTRIEB / MARKETING I FinanzBusinessMagazin
mit vor der Herausforderung, die telefonische
Kundeninteraktion als weiterhin
notwendiges Element nahtlos in die Omni-
Channel-Betreuung zu integrieren. Trotz
häufig hoher Anrufaufkommen in den Call
Centern deutscher Banken sinkt die Akzeptanz
der Kunden, zu telefonieren – und
zwar substanziell. Wie ein Vergleich zweier
Kundenbefragungen von Sopra Steria
Consulting zeigt, ist die Bereitschaft, telefonische
Auskünfte eines Call Centers in
Anspruch zu nehmen, zwischen 2011 und
2015 von 38 auf 22 Prozent zurückgegangen.
Ebenfalls um 16 Prozentpunkte sank
im gleichen Zeitraum die Zustimmung zu
telefonischer Call-Center-Beratung von 37
auf 21 Prozent. Am wenigsten sind Bankkunden
derzeit zu Abschlüssen über diesen
Vertriebskanal bereit – hier liegt die
Akzeptanz nur noch bei 14 Prozent. Lediglich
für Serviceaktivitäten wie die Durchgabe
von Kontodatenänderungen steht
das Call Center mit 36 Prozent noch relativ
hoch im Kurs; 2011 jedoch betrug die
Zustimmung noch 53 Prozent.
„Die Umfrageergebnisse zeigen, dass es
nicht damit getan ist, das traditionelle
Call Center einfach nur umzubenennen.
Auch unter einem neuen Namen wie Kundenservicecenter
muss seine Rolle im
Omni-Channel-Mix völlig neu definiert
werden“, kommentiert Simon Oberle,
Manager Digital Banking bei Sopra Steria
Consulting. Dazu gehöre in erster Linie
eine durchgängige Integration der Datenbasis
mit allen digitalen und nicht-digitalen
Kontaktkanälen. Auf diese Weise
wissen Agenten im Servicecenter sofort,
an welcher Stelle ein anrufender Kunde
mit seiner Informationssuche auf anderen
Kanälen nicht fündig geworden ist.
Idealerweise liegen den Servicecenter-
Agenten sämtliche Kontaktinformationen
einschließlich begonnener Beratungen
und aktueller Kampagnen in Echtzeit vor.
Unter dieser Prämisse können Banken
das, was früher Call Center hieß, zu einer
Drehscheibe der Kundeninteraktion im
Omni-Channel weiterentwickeln. Diese
müssten auch auf Ergebnisse aus Chats
mit Bankkunden zugreifen können und
neue Serviceangebote wie beispielsweise
eine Videoberatung liefern – Angebote,
die sich gerade an jüngere Kundensegmente
wenden. Diese informieren sich
stärker digital und kommunizieren häufig
lieber per Chat als per Telefon. Die kurzen
Responsezeiten eines solchen Informationsangebots
könnten einen wichtigen
Beitrag leisten, die generelle Akzeptanz
gegenüber einem Kundenservicecenter
zu steigern. Zumindest ein Teil der deutschen
Kreditinstitute hat diese Herausforderung
offenbar erkannt: Laut dem
Branchekompass Banken 2014 von Sopra
Steria Consulting will rund ein Drittel von
ihnen bis 2017 in den Ausbau ihres Kundenservicecenters
investieren.
Autor: www.soprasteria.de
Quelle: © Kurhan - Fotolia.com
Ausgabe 2/2016
47
FinanzBusinessMagazin I VERTRIEB / MARKETING
Nachwuchsmangel aufgrund
mangelhafter Stellenanzeigen?
Stellenanzeigen für den Versicherungsvertrieb
sind nicht aussagekräftig
genug, um die angebotene
Stelle beurteilen zu können. Dies ist ein
zentrales Ergebnis einer Untersuchung
der FH Dortmund und der Versicherungsforen
Leipzig. Ein funktionierendes Vertriebsmanagement
ist der Schlüssel zum
Unternehmenserfolg und damit weit oben
immer auf der Agenda von Versicherern
und Maklern. Ein schlechtes Image sowie
die deutliche Überalterung der Vermittlerschaft
führen zu einem spürbaren Nachwuchsmangel
in der Branche. Die offenen
Stellen attraktiv darzustellen, ist Aufgabe
der Versicherungsunternehmen. Ob
sie das wirklich tun, untersuchte Prof. Dr.
Matthias Beenken von der Fachhochschule
Dortmund gemeinsam mit den Versicherungsforen
Leipzig. Anhand zweier zentraler
Hypothesen wurde untersucht, ob
die Personalwerbung für Vertriebspositionen
noch mit den heutigen Anforderungen
an die Stelle des Versicherungsvermittlers
kompatibel ist, und ob Versicherer
ihre Personalwerbung im Vergleich auch
zu anderen Dienstleistungsbranchen attraktiv
genug gestalten.
Für die Studie wurde eine Zufallsstichprobe
von 85 Stellenanzeigen für Vertriebspositionen
aus Versicherungs-, Finanzdienstleistungs-
und sonstigen Dienstleistungsunternehmen
untersucht. Dabei handelte es
sich überwiegend um selbstständige Vertriebspositionen
auf Basis eines Handelsvertretervertrags
nach § 84 HGB, teilweise
auch um angestellte Positionen. Es zeigte
sich, dass Stellenausschreibungen von
Versicherern häufig nicht aussagekräftig
genug sind, um die Stellen angemessen
bewerten zu können. Fast nie wird die Perspektive
einer abwechslungsreichen Tätigkeit
hervorgehoben. Auch die Selbstständigkeit
und andere Karrieremotive werden
eher selten in den Fokus gerückt. In der
Regel werben Versicherungsunternehmen
hingegen mit dem attraktiven Einkommen,
das Bewerber erwartet. „Das steht
in einem gewissen Widerspruch zur empirischen
Wirklichkeit, nach der jeder zweite
selbstständige Versicherungsvermittler
kein Einkommen erzielt, das gemessen an
vergleichbaren Angestelltentätigkeiten,
zum Beispiel im Versicherungsinnendienst,
zufriedenstellend ist“, so Studieninitiator
Beenken. „Außerdem spricht das Motiv
‚viel Geld verdienen‘ die jüngeren Generationen
kaum noch an, denen das Einkommen
zwar nicht unwichtig, aber eine
erfüllende und sinnstiftende Tätigkeit viel
wichtiger ist.“ Die von der Tätigkeit geforderten
Kompetenzen sowie Informationen
über die Arbeitsbedingungen werden jedoch
nicht immer ausgewiesen. Auffällig
ist zudem, dass Anzeigen von Versicherern
typischerweise keine oder nur sehr
vage Anforderungen an die fachlichen,
methodischen und sozialen Kompetenzen
der Bewerber formulieren.
„Es entsteht der Eindruck, dass der Versicherungsverkauf
keine besonderen Anforderungen
stellt und für Jedermann
leicht erlernbar ist“, so Sascha Noack,
Kompetenzfeldleiter Versicherungsvertrieb
bei den Versicherungsforen Leipzig.
„Dabei sind Beratung und Vermittlung
beispielsweise durch die Vermittlerregulierung,
die enorme Angebotsvielfalt, sich
ständig ändernde rechtliche Vorgaben,
Niedrigzins-bedingte Veränderungen von
Vorsorgestrategien oder eine komplexe
Besteuerung von Altersvorsorgeprodukten
eine hoch anspruchsvolle Tätigkeit.“
Im Vergleich zu den untersuchten
Stellenanzeigen der anderen Branchen
zeigt sich, dass Anzeigen sehr viel konkreter
formuliert werden können und dadurch
eher dazu anregen, sich mit der angebotenen
Position zu beschäftigen. „Bei
Versichereranzeigen entsteht teilweise
der Eindruck, dass gar keine konkret frei
gewordene Agentur beworben wird, son-
48 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
dern die Anzeige nur eine Art unverbindlicher
Aufforderung zur Kontaktaufnahme
darstellt und erst später geprüft wird, für
welche Aufgabe ein Bewerber gebracht
wird“, so Noack weiter. „So lustlos würde
kein Personalmanager auf die Suche
gehen, wenn er eine qualifizierte Stelle
im Innendienst auszuschreiben hat“, ergänzt
Beenken. „Damit verfestigen Versicherer
ohne Not das Klischee, dass Außendiensttätigkeiten
einen geringeren
Stellenwert aufweisen als solche im Innendienst,
wundern sich dann aber über
massive Nachwuchsprobleme.“ Aus der
Untersuchung ergeben sich einige Handlungsempfehlungen,
wie Versicherer ihre
Stellenanzeigen für Vertriebsmitarbeiter
attraktiver gestalten können. Perspektiven,
die die Arbeit als Vermittler bietet,
sollten konkreter, inhaltlich gehaltvoller
sowie zielgruppenfokussierter sein. Weiter
sollten Karrieremöglichkeiten eher in
den Vordergrund gestellt werden, als das
Einkommen. Die Selbstständigkeit und
die Abwechslung, die die Arbeit als Versicherungsvermittler
bietet, könnten betont
werden. Insgesamt gilt es, die Stelle
anspruchsvoller darzustellen und Soft
Skills wie Teamfähigkeit hervorzuheben,
die gerade bei der jüngeren Generation
einen hohen Stellenwert haben.
Autor: www.versicherungsforen.net
Versicherungsbranche
in Deutschland:
Gewinnerstrategien für das Jahr 2025
Die aktuelle Studie von Oliver Wyman
„Versicherung 2025 – Ein Zukunftsszenario
für die Gewinner von morgen“
analysiert die Treiber des Wandels im
Versicherungsmarkt bis zum Jahr 2025,
schätzt Folgen ab und zeigt neue Perspektiven
auf. Von Wachstum ist nur in selektiven
Feldern auszugehen, während das
alte Stammgeschäft bröckelt: So könnte
das Beitragsvolumen in der Lebensversicherung
je nach Politikvorgaben um vier
Milliarden Euro sinken, in der Schadenund
Unfallversicherung herrscht nahezu
Stagnation. Von 245.000 traditionellen
Vermittlern und Maklern werden im Szenario
der Studie rund 100.000 aus dem
Markt ausscheiden. Chancen hingegen
bietet eine konsequente Digitalisierung:
Sie ermöglicht Versicherern, bis zum Jahr
2025 ihre Kostenquote um ein Viertel zu
senken und zugleich besseren Service anzubieten.
Wer heute sein Kern-Geschäftsmodell
klar definiert, strategische Schwerpunkte
setzt und eine agile Firmenkultur
etabliert, ist auch gegen steigenden Wettbewerbs-
und Kostendruck gewappnet.
Die Oliver Wyman-Studie gibt einen klaren
Orientierungsrahmen mit Erfolgsbausteinen
und archetypischen Geschäftsmodellen
für Gewinnerstrategien im Jahr 2025.
Kennen Sie Klaus Könner? Er ist Vorstandsvorsitzender
der „Solide Leben AG“
– und lebt im Jahr 2025. Ebenso wie seine
Branchenkollegen Nicola Netz, Sven
Slim und Henri Hipp hat er eine Zeitreise
Ausgabe 2/2016
49
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
unternommen und berichtet rückblickend
über den absolvierten Erfolgspfad seines
Unternehmens. Die vier fiktiven Entscheider
aus der aktuellen Oliver-Wyman-
Studie „Versicherung 2025“ haben es alle
geschafft: Sie unterzogen ihr Unternehmen
im Jahr 2016 mit genauem Zielbild
und ausgewählten Handlungsbausteinen
einem kräftigen Veränderungsprozess –
und führten es so in sicheres Fahrwasser.
Dabei positionierten sich die Versicherer
höchst unterschiedlich: mal klassisch generalistisch,
mal hocheffizient und pfeilschnell.
„Anhand der Fallbeispiele skizzieren
wir vier Transformationspfade, die aus
unserer Sicht als Gewinnerstrategien gelten
dürfen“, sagt Markus
Zimmermann, Partner bei
Oliver Wyman und Leiter
des Versicherungsbereichs
Deutschland,
Österreich und Schweiz.
„Wandel ist in der Versicherungsindustrie
bei jedem
Unternehmen Programm.
Es kommt jetzt
darauf an, die strategische
Stoßrichtung zu definieren
und dann den Umbau
konsequent voranzutreiben“, so Zimmermann.
„Klar ist: Nur noch einige große
Marktteilnehmer werden 2025 das komplette
Spektrum an Produkten, Services
und Vertriebskanälen bieten können.“
Differenzierte Wertversprechen und
strikte Kundenorientierung
Von den vier charakteristischen Erfolgsunternehmen
ist in Zukunft nur ein Typus ein
wirklicher Allrounder: der Blue-Chip-Komfortpartner.
Er agiert omnipräsent, markenstark
und kooperiert dabei im Hintergrund
auch mit „White Label“-Anbietern
für Spezial- und Nischenprodukte. Dagegen
stellt sich der vertriebsstarke Stammgeschäfts-Modernisierer
so auf, dass
er häufig in bestimmten Regionen oder
Kernsegmenten verankert ist und damit
nah, vertrauenswürdig und durchgängig
kundenorientiert agiert. Einige Versicherer
behaupten sich laut Analyse auch als
leistungsstarke Risiko- oder Produktspezialisten,
wobei sie je nach Ausprägung ihrer
Risikoexpertise und Spezialisierung als
innovative Qualitätsanbieter oder plattformorientierte
Produktfabriken auftreten
können. Der agile Preis- und Kostenführer
punktet mit einem Konzept, das besonders
zu Online- und Direktversicherern passt:
einfach, günstig und schnell – dank maximaler
Digitalisierung sowie hoch agiler
analytischer Fähigkeiten. So unterschiedlich
die strategische Ausrichtung
auch sein mag:
Alle Marktteilnehmer
stehen gemeinsam vor
drei großen Herausforderungen.
Sie müssen
eine stets kundenzentrierte
Unternehmenskultur
schaffen, die Agilität
ihrer Organisation stärken
und über neue Anreize
und Denkmuster ihr
Talentmanagement neu
ausrichten. „Nötig ist ein Denken und Arbeiten
über Bereichsgrenzen hinweg mit
offener Feedback-Kultur. Erst wenn dies
gelingt, entstehen neue Geschäftsmodellbausteine
und eine wahrnehmbare
Kundenorientierung“, sagt Zimmermann.
Gute Nachrichten für Kunden: Sie erwarten
auch dank Digitalisierung ganz neue
Interaktionsmöglichkeiten, flexiblere Produkte
sowie mehr Service und Transparenz.
„Auf der für den Kunden erlebbaren
Schaden- und Serviceseite werden Versicherer
in zahlreiche neue Leistungsfelder
und Mehrwertdienste investieren, die sie
auch mithilfe externer Partner erbringen.
Versicherung 2025 ist geprägt von ‚erlebter
Sicherheit‘ und einfacher Kommunikation
entlang aller Kanäle“, sagt Rouget
Quelle: © Gee - Fotolia.com
50 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
Pletziger, Principal im Bereich Versicherungen
bei Oliver Wyman. Dabei besetzt
nicht mehr jedes Versicherungsunternehmen
die Kundenschnittstellen selbst. Mancher
Anbieter wird zum reinen Risikoträger
im Hintergrund – also bewusst ohne
strategische Kontrolle der Kunden- und
Vertriebsschnittstelle.
Omnikanal ist Trumpf, Provisionen
schrumpfen, Effizienz wächst
Gerade für den Vertrieb erwartet Zimmermann
einschneidende Veränderungen:
„Alte Fürstentümer innerhalb von Versicherungsunternehmen
bröckeln – und
Kunden gehören in Zukunft in der Regel
dem Unternehmen, und nicht einem Vertriebsweg
oder Vermittler.“ Dominieren
werden sogenannte Omnikanalmodelle,
wobei die Bedeutung von digitalen Medien,
Aggregatoren sowie unabhängigen
Drittvertrieben wächst. In traditionellen
Vermittlerorganisatioen muss ein nahtloses
Zusammenspiel zwischen Mensch
und Online-Unterstützungsinstrumenten
erfolgen. Den klassischen Versicherungsvermittlern
und -beratern stehen schwere
Zeiten bevor: Verändertes Kundenverhalten
und verschärfte regulatorische Vorgaben
zur Vertriebsvergütung sorgen laut
Oliver Wyman-Analyse dafür, dass von
den rund 245.000 traditionellen Vermittlern
und Maklern im Jahr 2014 bis 2025
rund 100.000 aus dem Markt ausscheiden.
Für viele ist das eine wirtschaftliche
Notwendigkeit, denn das erzielbare Provisionsvolumen
im Markt sinkt ebenfalls
drastisch um 40 bis 50 Prozent. Das Kostenmanagement
behält in der Versicherungswirtschaft
überragende Bedeutung.
„Die Branche wird ihre mittlere Kostenquote
ohne Provisionen im Schnitt um 20
bis 25 Prozent senken können und müssen“,
prognostiziert Pletziger. Besonders
hohe Effizienzgewinne seien bei den Abschlussgemeinkosten
sowie bei hoch automatisierbaren
internen Betriebs-, Schaden-
und Servicefunktionen realisierbar.
In der IT hingegen bleiben die künftigen
Effizienzgewinne im Branchenschnitt bis
2025 noch ohne Wirkung, da im Gegenzug
erhebliche Investitionen in Digitalisierungs-
und Data Management-Themen
nötig sind. Die verschärfte Regulierung
und niedrige Zinsen lassen das Risiko- und
Kapitalmanagement stärker in den Mittelpunkt
rücken. Versicherer werden diesen
Bereich enger in strategische Planungen
und Investitionsentscheidungen einbinden.
In der Produktentwicklung werden
zudem viele Unternehmen aufgrund der
Solvency-II-Vorgaben bis 2025 deutlich
schärfere interne Transparenzanforderungen
festgelegt haben.
Autor: www.oliverwyman.de
Quelle: © yexela - Fotolia.com
Ausgabe 2/2016
51
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
Das große Warten:
deutsche Versicherer zu zögerlich bei
Innovationen
InsurTech-Trend wird als Chance erkannt, aber eigene
Geschäftsmodelle werden kaum weiterentwickelt
Die deutschen Versicherungsunternehmen
fokussieren zu stark auf
interne Themen wie Infrastrukturen
und Prozesse und zeigen sich zögerlich,
wenn es darum geht, Innovationen zu entwickeln.
Sie drohen dadurch zunehmend
den Anschluss an neue InsurTech-Trends
zu verpassen. Zwar wird in der Branche
allgemein anerkannt, dass Versicherungs-
Start-ups große Chancen bieten. Dennoch
haben die wenigsten Unternehmen bisher
Prozesse und Maßnahmen angestoßen,
um neue digitale Produkte und Dienstleistungen
am Versicherungsmarkt durchzusetzen.
Sie erwarten zudem, dass die
klassischen Vermittler zu den Verlierern
der InsurTech-Innovationswelle gehören
werden, und hoffen darauf, ihr Geschäft
künftig über andere Vertriebskanäle generieren
zu können. Dies sind zentrale Ergebnisse
der aktuellen InsurTech-Studie
von zeb. Die Strategie- und Managementberatung
– führend in der Beratung von
Unternehmen im europäischen Finanzsektor
– hat untersucht, wie deutsche Versicherungsunternehmen
aktuelle Insur-
Tech-Trends bewerten und beabsichtigen,
darauf zu reagieren. Insgesamt haben
sich über 120 Vorstände, Führungskräfte
und Experten aus der Versicherungsbranche
an der zeb-Studie beteiligt, was gemessen
am Beitragsvolumen mehr als 80
% des deutschen Versicherungsmarktes
entspricht. Dr. Matthias Uebing, verantwortlicher
zeb-Partner für das Versicherungsgeschäft,
erläutert: „Die deutsche
Assekuranz öffnet sich Schritt für Schritt
neuen Geschäftsideen und Innovationen.
Das geschieht aus unserer Sicht jedoch zu
langsam. Die Branche muss lernen, wesentlich
schneller und konsequenter auf
die Bedürfnisse ihrer digital verwöhnten
Kunden einzugehen.“
Quelle: © DragonImages - Fotolia.com
Sehr großes Interesse – aber geringe
Kenntnis des InsurTech-Marktes
Die InsurTech-Studie von zeb ist auf sehr
großes Interesse der Branche gestoßen.
Angesichts dessen überrascht es, dass nur
die Hälfte der Versicherer (52 %) angibt,
den InsurTech-Markt genauer zu beobachten.
So besteht bei der Bekanntheit von
InsurTechs großer Nachholbedarf. Fast
alle Versicherer kennen Vergleichsportale
und digitale Makler. Andere innovative Geschäftsmodelle,
die zudem die Versicherer/
Vermittler unterstützen, statt zu konkurrieren,
fristen dagegen ein „Schattendasein“
(zum Beispiel White-Label-Apps für
Vermittler, Prozessunterstützungstools,
Schadenmanagement). Unterm Strich:
Von zurzeit über 50 InsurTechs in Deutschland
sind den Versicherern nur eine Handvoll
Unternehmen bekannt.
52 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
Quelle: © yurolaitsalbert - Fotolia.com
Versicherer sehen hohes Potenzial –
setzen aber keine Maßnahmen um
Im Detail ergab die zeb-Studie, dass die
deutschen Versicherer mehrheitlich vom
Potenzial der InsurTechs als Innovationstreiber
überzeugt sind. So bewerten
74 % der Befragten den InsurTech-Trend
als relevant bzw. sehr relevant. 73 %
der Befragten erwarten zudem, dass sich
durch deren Geschäftsmodelle Chancen
für die etablierte Branche ergeben. Den
Vermittlern hingegen werden schwere
Zeiten vorhergesagt. 56 % der Versicherer
denken, dass hier die Risiken überwiegen.
Jakob Baron, Manager bei zeb
und Autor der Studie, ergänzt: „Versicherer
gehen offenbar davon aus, dass
klassische Vermittler gegenüber Aggregatoren
und digitalen Maklern Kunden
verlieren werden. Aus unserer Sicht
sollten die Versicherer jedoch nicht zu
sehr darauf vertrauen, dass das Geschäft
künftig im selben Umfang über
andere Kanäle kommt. Es gilt vielmehr,
vor allem den eigenen Vertrieb zukunftsfest
aufzustellen.“ Die Unternehmen haben
bislang kaum Maßnahmen umgesetzt,
um diese Chancen zu realisieren
oder den Risiken zu begegnen. Nur 19
% der Studienteilnehmer geben an, InsurTech-Ideen
adaptiert zu haben. 17 %
der Befragten bejahen, mit InsurTechs
zu kooperieren, und 3 % haben Abwehrmaßnahmen
umgesetzt.
Versicherer überlassen Innovationen
den InsurTechs – und warten ab
Stattdessen verlassen sich Versicherer auf
Altbewährtes. 91 % geben an, auf ihre bestehenden
Geschäftsmodelle zu vertrauen
und Innovationen nur dann zu übernehmen,
wenn diese sich am Markt durchgesetzt
haben. Nur 9 % der Versicherer
sehen sich als Innovationsführer. Das ist
aus Sicht von zeb ein zu zögerliches Vorgehen.
„Die Versicherer sind zu stark mit
ihren internen Themen beschäftigt. Die
Verbesserung des Kundenerlebnisses wird
dabei fast kampflos den InsurTechs überlassen“,
bilanziert Jakob Baron. „Es wird
aktuell oft geschrieben, dass Versicherer
sich neu erfinden und innovative Lösungen
erarbeiten. Die Studie beweist jetzt das
Gegenteil“, so abschließend Dr. Matthias
Uebing. „Bis auf sehr wenige, große Versicherungskonzerne
ist die Branche passiv
und abwartend.“
Autor: www.zeb.de
Ausgabe 2/2016
53
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
Weckruf der InsurTechs:
Viel Lärm um Nichts?
Studie zu Gewinnern und Verlierern unter Start-ups in
der Versicherungswirtschaft von Oliver Wyman und
Policen Direkt
InsurTechs werden die Versicherungswirtschaft
umkrempeln: Etablierte Versicherer
sind gut beraten, diesen Trend
nicht kleinzureden. Doch wie laut ist der
Weckruf der InsurTechs wirklich? Denn obwohl
sie längst mehr als ein Phänomen sind,
nutzen InsurTechs ihr Potenzial noch nicht
auf allen Ebenen aus. Das zeigt der Insur-
Tech-Radar von Oliver Wyman und Policen
Direkt. Darin wurden die Start-ups der Versicherungswirtschaft
erstmals einem umfassenden
Check unterzogen und entlang
der Versicherungswertschöpfungskette systematisch
analysiert – von der Angebotsseite
über den Vertrieb bis hin zum Betrieb.
„Wir zeigen in 19 Branchenfeldern, welche
Newcomer und welche Geschäftsmodelle
man zwingend auf dem Radarschirm haben
muss“, sagt Dietmar Kottmann, Insurance-
Partner bei Oliver Wyman und Co-Autor der
Studie. Zentrale Ergebnisse des InsurTech-
Radars sind:
• Bei Versicherungsangeboten liegen die
besten Chancen der InsurTechs nur in
Nischenbereichen wie situativen oder
Community-basierten (P2P)-Ansätzen.
Traditionelle Versicherer können sich
dagegen mit echten Angebotsinnovationen
auch in der digitalen Welt behaupten.
• Aktuell findet der Hauptangriff der InsurTechs
im Versicherungsvertrieb statt
– mit guten Erfolgsaussichten.
• Der Versicherungsbetrieb wird von InsurTechs
in Deutschland im internationalen
Vergleich bisher vernachlässigt,
obwohl dort viel zu holen wäre.
Die Industrie ist aufgewacht. „Der Weckruf
der InsurTechs ist unüberhörbar“, sagt Nikolai
Dördrechter, Geschäftsführer von Policen
Direkt als Co-Autor der Studie. „Die
digital agierenden InsurTechs, befeuert von
kühnen Wachstumsphantasien, frischem
Wagniskapital und einer Menge Gründergeist,
haben einen längst überfälligen
Strukturwandel in der Versicherungswirtschaft
ausgelöst.“
Zwischen Hype und Hysterie
Naht also das Ende der etablierten Versicherer
oder ist der Weckruf der InsurTechs
nur viel Lärm um Nichts? Fakt ist: Die InsurTechs,
im Jahr 2015 weltweit gefüttert
mit 2,7 Milliarden US-Dollar Risikokapital,
könnten selbst Versicherungsriesen in arge
Bedrängnis bringen. Der InsurTech-Radar
zeigt: Die Schwergewichte der Branche
wirken verunsichert und reagieren teils hyperaktiv.
Die Folge: Unternehmen setzten
oft rasch eine Digitalagenda auf. „Bisher
schwankt die Branche zwischen Hype und
Hysterie. Es ist an der Zeit, das Thema
nüchtern und analytisch zu betrachten“,
sagt Dietmar Kottmann, Partner und Digital
Insurance Lead Europa bei Oliver Wyman.
Angebote: Hier punkten etablierte
Versicherer
Die Analyse demonstriert: Nicht auf allen
Gebieten sind die von InsurTechs in den
Markt getragenen Technologien und Prozesse
so unwiderstehlich, dass sie die herrschende
Ordnung vollständig in Frage stellen.
So tun sich die InsurTechs vor allem im
traditionellen Kerngeschäft der Versicherer
schwer – nämlich beim Kreieren neuer Angebote.
Zwar existieren innovative Konzepte,
wenn es zum Beispiel darum geht,
situativ per Smartphone einen Versicherungsschutz
abzuschließen oder Policen
aufzusetzen, die enge Communitys adressieren.
„Das allerdings sind Nischenthemen,
in denen geringes wirtschaftliches Potenzial
steckt“, sagt Versicherungsexperte
54 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
Kottmann. „Im Klartext: Nur weil Peer-to-
Peer draufsteht, muss es sich noch lange
nicht um ein überlegenes Geschäftsmodell
handeln.“
Viel mehr Erfolg trauen die Studienautoren
jenen Traditionsanbietern zu, die es
schaffen, Angebote zur Absicherung neuer
digitaler Risiken im Markt zu platzieren.
Wachsendes Gewicht bekommen auch innovative
Versicherungsprodukte rund um
das Internet der Dinge, Produkte, die neben
reinem Versicherungsschutz „erlebbare
Sicherheit“ bieten sowie Produkte, die
Big-Data-Technologien nutzen – allerdings
müssen Versicherer hier Quereinsteiger
aus vorgelagerten Industrien fürchten. So
könnten beispielsweise Automobilhersteller
ihre Wertschöpfung verlängern, indem sie
im Bereich der Telematik eigene Versicherungsangebote
auflegen. Trotz Preisdrucks
und erhöhter Transparenz können auch
etablierte Versicherer erfolgreich Low-Cost-
Angebote auf den Markt bringen. Hier bekommen
sie allerdings die Konkurrenz von
InsurTechs besonders zu spüren, so ein
Studienergebnis.
Die mit Abstand größte InsurTech-Aktivität
in Deutschland herrscht im Versicherungsvertrieb.
„Hier ist ein harter Wettbewerb
zwischen Alt und Neu entbrannt“, so Nikolai
Dördrechter. „Auch wenn die InsurTechs
den Etablierten erst einen relativ kleinen
Teil der Kunden abspenstig machen konnten,
ist es den Start-ups dennoch gelungen,
enormen Druck auf die gewachsenen
Vertriebsstrukturen auszuüben.“ Der InsurTech-Radar
zeigt: Versicherer fürchten,
dass im Vertrieb Oligopole der Onlinemakler
entstehen, wie es Preisvergleichern wie
Check24 bereits gelungen ist. Bislang machen
die Kundenbedürfnisse und das mangelnde
Interesse an Versicherungen den
InsurTechs einen Strich durch die Rechnung.
So haben auch traditionelle Vertriebe
eine Chance zu bestehen, wenn sie sich
über hochwertige Kundenberatung und digitale
Omnikanal-Modelle positionieren.
Signifikante Geschäftschancen werden in
Deutschland noch liegengelassen, wenn es
um Digitalstrategien im Versicherungsbetrieb
geht. Das gilt laut InsurTech-Radar für
Start-ups wie für Etablierte gleichermaßen.
„Im Betrieb gibt es vor allem im Schadenbereich
viel Potenzial, das in Deutschland im
Gegensatz zum Ausland noch wenig adressiert
wird“, sagt Nikolai Dördrechter. Seine
Überzeugung: InsurTechs in Deutschland
sollten verstärkt auf Segmente zielen, die
ein höheres wirtschaftliches Potenzial versprechen.
Viel Aktivität, wenig Disruption
Fegen die Start-ups bald über alles Bestehende
radikal hinweg? Davon sei noch nicht
auszugehen, sagt Oliver Wyman-Partner
Kottmann: „Es gibt viel InsurTech-Aktivität,
aber noch wenig echte Disruption in
Deutschland.“ Zwar sind nach den USA hierzulande
die meisten dieser Gründungen zu
beobachten. „Aber nicht hinter jeder hippen
Webseite steckt ein gutes Geschäftsmodell.
Längst nicht alle InsurTechs werden überleben.
Es besteht viel Potenzial zur Partnerschaft
zwischen Alt und Neu.“ Dennoch
seien Versicherer gut beraten, sich genauer
mit den Start-ups zu befassen. Zumal die
Geschäftsmodelle der InsurTechs oft eine
Zusammenarbeit mit etablierten Versicherern
vorsehen. Der InsurTech-Radar zeigt:
Deutschland kann international eine führende
Rolle bei der Digitalisierung der Assekuranz
einnehmen. Die starke Position
der deutschen Versicherungswirtschaft mit
führenden Unternehmen wie Allianz oder
Munich Re sei eine gute Startrampe. Viel
Arbeit und erhebliche Investitionen seien
freilich nötig. „Einige der deutschen Insur-
Techs wie Schutzklick zeigen heute schon
ihr Potenzial, sich auch international erfolgreich
zu etablieren“, sagt Kottmann.
Autor: www.oliverwyman.de
Ausgabe 2/2016
55
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
InsurTechs werden als innovativ, aber
nicht unbedingt seriös wahrgenommen
InsurTechs versuchen mit frischen
Ideen, modernen Technologien und
lockerer Kundenansprache den Markt
für Versicherungsprodukte umzukrempeln
sowie etablierten Versicherern und Versicherungsmaklern
Marktanteile streitig zu
machen. Zwei Drittel (69 Prozent) der Finanzenentscheider
und -mitentscheider in
Deutschland sind der Ansicht, dass Verbraucher
von den alternativen Anbietern
profitieren können. Dies geht allerdings
einher mit einer wahrgenommenen Überforderung.
Fast vier von fünf (78 Prozent)
der Versicherungskunden sind der Ansicht,
dass der Finanz- und Versicherungsmarkt
durch die Angebote von InsurTechs unübersichtlicher
wird. Dies zeigt die dritte
Befragungswelle des YouGov FinTech Tracker
des internationalen Marktforschungsund
Beratungsinstituts YouGov, für den
rund 1.000 private Finanzentscheider
und -mitentscheider vom 02.05.2016 bis
09.05.2016 internetrepräsentativ befragt
wurden. Dabei besteht die Stärke der InsurTechs
gegenüber klassischen Angeboten
aus Konsumentensicht in der klaren,
einfachen Darstellung der Produkte sowie
dem schnellen, einfachen Abschlussprozess
online oder per App. Auch profitieren
die neuen Anbieter gegenüber klassischen
Anbietern von einer weniger förmlichen
Ansprache, wodurch die Produkte besonders
für jüngere Verbraucher an Attraktivität
gewinnen. Dies zeigt die qualitative
Studie „Produktinnovationen in der Assekuranz“,
die Kundenerlebnisse und -erwartungen
unter anderem zu InsurTechs
tiefergehend analysiert.
Verbrauchervertrauen
bei klassischen Anbietern höher
„Ein klarer Vorteil klassischer Versicherer
gegenüber den relativ neuen InsurTechs
ist das Vertrauen, dass Verbraucher diesen
entgegenbringen. Gerade bei Versicherungen
orientieren sich Versicherungsnehmer
stärker an großen Gesellschaften mit
Tradition und gutem Ruf“, sagt Jutta Rothmund,
Senior Consultant bei YouGov und
Leiterin der qualitativen Studie. „So werden
die Angebote der InsurTechs zwar als innovativ,
aber nicht unbedingt als seriös angesehen.
“Beispielsweise ist das Konzept von
friendsurance für die Verbraucher auf den
ersten Blick durchaus interessant, dabei
zieht vor allem das Versprechen von Schadenfreiheitsboni.
Bei näherer Betrachtung
ist den Konsumenten aber nicht klar, wo
genau der Vorteil zum klassischen Versicherungsprinzip
besteht. Dementsprechend ist
die Abschlussbereitschaft hier auch eher
gering. So können sich im YouGov FinTech
Tracker nur 13 Prozent der Markenkenner
von friendsurance vorstellen, dort Kunde zu
werden“, so Rothmund weiter.
„Auch situative Kleinversicherungen, wie sie
unter anderem AppSichern anbietet, stellen
aus Sicht der Konsumenten durchaus eine
sinnvolle Ergänzung des Versicherungsschutzes
dar. Das Angebot auf der Plattform
löste bei den Befragten jedoch auch Skepsis
aus. Wenngleich die günstigen Preise
attraktiv waren, hatten viele den Eindruck,
hier sollen unnötige Versicherungen vermarktet
werden.“ „Die Ergebnisse unserer
Studien zeigen, dass InsurTechs frischen
Wind in die Branche bringen, indem sie
Konsumentenwünsche aufgreifen und Versicherungen
eine gewisse Leichtigkeit und
Einfachheit geben. Damit reduzieren sie die
Barrieren gerade jüngerer Konsumenten,
sich mit dem Thema Versicherungen zu
beschäftigen. In Punkto Vertrauenswürdigkeit
und Beratungskompetenz können und
müssen sie aber von den etablierten Anbietern
einiges lernen. Versicherungen sind
und bleiben ein ernsthaftes Thema, das
auch Jüngere nicht auf die leichte Schulter
nehmen. Letztlich können InsurTechs und
klassische Anbieter gegenseitig voneinander
lernen und profitieren“, so Rothmund.
Autor: www.yougov.de
56 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
Betriebsrente und
Produktinnovationen könnten den
schwächelnden Markt beleben
Wie sich der Gesamtmarkt bis 2025
entwickeln wird, hängt auch vom
politischen Rahmen ab – dies gilt
insbesondere für die Lebensversicherung.
Das Beitragsvolumen könnte bei einer gesetzlich
verordneten Stärkung der betrieblichen
Altersversorgung von rund 94 Milliarden
Euro im Jahr 2014 bis 2025 auf 98
Milliarden Euro steigen. Bleiben Vorgaben
der Politik aus, droht laut Analyse ein Absinken
auf 90 Milliarden Euro. Die Niedrigzinsen
belasten weiterhin das Ergebnis und
die Attraktivität der privaten Altersvorsorgeprodukte.
In der Schaden- und Unfallversicherung
erwarten die Experten von Oliver Wyman
nahezu Stagnation. Von 2014 bis 2025
werde das Prämienvolumen um nur sieben
Prozent von rund 63 auf 67 Milliarden
Euro zulegen. Während die Kraftfahrtsparte
deutlich schrumpft, erhöhen sich die
Beitragseinnahmen in der gewerblichen
Sach- und Haftpflichtversicherung. Neue
Wachstumschancen und Innovationsimpulse
bestehen insbesondere in den Feldern
„Neue Mobilität“, „Internet der Dinge“
und im „Mid-Corp“-Firmensegment.
Entwarnung gibt Zimmermann für ein bereits
diskutiertes Szenario, wonach „Online-
Riesen“ als unmittelbare Wettbewerber auf
den Plan treten könnten. Dazu werde es
nicht kommen: „Wir erwarten nicht, dass
Internetkonzerne wie Google oder Amazon
selbst als Risikoträger in das direkte
Versicherungsgeschäft einsteigen werden.
Gleichwohl kommen sie – neben einer Vielzahl
neuer Plattformpartner – dank ihres
Kundenzugangs und ihrer Kundenkenntnis
als wichtige und verhandlungsstarke Kooperationspartner
für die Versicherungsindustrie
in Frage“, so der Oliver Wyman-
Experte. Zusätzlichen Wettbewerbsdruck
und verstärkte Innovationskraft bringen
darüber hinaus zahlreiche InsurTech-Unternehmen
in den Markt. Dies betrifft neue
Formen der Kundeninteraktionen ebenso
wie die Prozesse „hinter dem Vorhang“.
Versicherer müssen dauerhafte Innovation
als Teil ihrer eigenen DNA begreifen. Häufig
braucht es dafür zu Beginn spezifische
Innovations- und Digitalisierungsteams,
die jedoch sukzessive wieder Teil der Organisation
werden müssen. Daneben wird
es neue Formen der Kooperation mit jungen
innovativen Unternehmen geben, um
vielversprechende Geschäftsmodelle unabhängig
von eigenen Prozessen und Systemen
zu testen. „Nur wer frühzeitig und
mutig Neues ausprobiert, wird sich auch
2025 erfolgreich im deutschen Versicherungsmarkt
positionieren können“, so Zimmermann.
Autor: www.oliverwyman.de
Quelle: © Kurhan - Fotolia.com
Ausgabe 2/2016
57
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
Aktuelle Studie von Aon Hewitt
zur betrieblichen Altersversorgung:
Fast die Hälfte der befragten Unternehmen hält
Überprüfung ihres Versorgungswerkes für erforderlich
Der anhaltende Niedrigzins und die
damit einhergehenden Veränderungen
im deutschen Lebensversicherungsmarkt
wirken sich zunehmend
auch auf die betriebliche Altersversorgung
(bAV) aus: Fast die Hälfte der Unternehmen
hält es für erforderlich, ihr Versorgungswerk
grundsätzlich zu überprüfen.
Mehr als 20 Prozent von ihnen haben
bereits Veränderungen vorgenommen,
indem sie beispielsweise die zugesagte
Verzinsung reduziert oder aber von leistungs-
auf beitragsorientierte Zusagen
umgestellt haben. Dies ist das Ergebnis
der aktuellen Studie „Insurance Survey
2016: Rethink Insured Pensions“, die Aon
Hewitt, der weltweit führende Anbieter
von Services im Bereich Human Resources,
durchgeführt hat. Dazu wurden mehr
als 70 – sowohl im DAX geführte als auch
mittelständische – Unternehmen aus den
unterschiedlichsten Branchen befragt.
Die Lebensversicherer reagieren mit neuen
Produkten und eingeschränkten Garantieversprechen
auf das Niedrigzinsumfeld
und den sich aus der europäischen Richtlinie
Solvency II ergebenen Anforderungen.
„Unternehmen, die ihren Mitarbeitern eine
betriebliche Altersversorgung mit Versicherungsbezug
anbieten, müssen handeln“,
erläutert Thorsten Teichmann, Geschäftsführer
der Aon Pensions Insurance
Broker GmbH in Hamburg und Partner bei
Aon Hewitt. Betroffen seien Vertragsverhältnisse
mit zahlreichen Versicherern, sei
es aufgrund der Schließung bestehender
Tarife oder der eingeschränkten Zugangsmöglichkeit
zu noch vorhandenen Garantieprodukten
für Versorgungszusagen für
neue Mitarbeiter. Das habe der Großteil
der Unternehmen auch erkannt.
Statt nur zu einem anderen Lebensversicherer
zu wechseln, der das zur Versorgung
passende Produkt noch anbietet,
empfiehlt bAV-Experte Teichmann den Unternehmen
zu prüfen, ob nicht eine grundsätzliche
Modernisierung der Versorgung
sinnvoller ist. Die Aon Hewitt-Studie ergab,
dass es für 45 Prozent der Befragten
sogar denkbar wäre, ihre Versorgungsregelung
komplett neu zu gestalten, wenn
Handlungsdruck entstehen sollte. Bei der
Wahl eines neuen Versicherungsproduktes
ist 88 Prozent der Befragten die finanzielle
Stabilität des Anbieters sehr wichtig –
gefolgt von Transparenz (48 Prozent) und
Flexibilität (37 Prozent). Für 65 Prozent
der Arbeitgeber sind außerdem die Möglichkeit,
Hinterbliebene im Todesfall und
Mitarbeiter im Fall der Berufsunfähigkeit
(55 Prozent) abzusichern, wichtige Bestandteile
des bAV-Angebotes. Mehr als
60 Prozent der befragten Unternehmen
wünschen sich daher, die Leistungen bei
Alter, Tod und Invalidität in einem Versicherungsvertrag
zu bündeln. „Hier sind
die Lebensversicherer aufgefordert, die
Produkte der neuen Generation dahingehend
weiterzuentwickeln, dass sie sich
auch für die Abbildung komplexer Versorgungsordnungen
eignen, um sie uneingeschränkt
für die bAV tauglich zu machen“,
macht Teichmann deutlich.
Große Unsicherheiten bestehen noch bei
den Handlungsoptionen und deren Vorund
Nachteilen. „Das Angebot an neuen
Produkten ist nicht mehr so homogen und
selbst für Fachleute nicht immer transparent“,
berichtet der Aon Hewitt-Manager.
Bei den Produkten der neuen Generation
könne sowohl die garantierte als auch die
zum Rentenbeginn hochgerechnete Leistungshöhe
nur sehr eingeschränkt als
Entscheidungsgrundlage herangezogen
werden. Um das passende Produkt zu finden,
seien – anders als bei klassischen
58 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
Tarifen – Produktmerkmale, wie beispielsweise
Gestaltungsrechte bei der Kapitalanlage
oder die Einschlussmöglichkeit von
Zusatzversicherungen, ausschlaggebend.
Die Versicherer lenken ihren Fokus im Bereich
der bAV auf die Direktversicherung.
Bei der Nutzung als Rückdeckungsversicherung
haben die neuen Produkte noch
Schwächen. „Hier ist darauf zu achten,
dass die Versorgungsregelung sehr sorgfältig
ausgestaltet wird, damit es nicht
zu unerwünschten bilanziellen Effekten
kommt“, mahnt Teichmann.
Die Studie ergab auch, dass die Unternehmen
an der arbeitgeberfinanzierten
Versorgung festhalten wollen: Unverändert
gegenüber dem Vorjahresergebnis
ist der überwiegende Teil der Befragten
(87 Prozent) davon überzeugt, dass die
bAV auch zukünftig eine wichtige Rolle
spielen wird, um neue Mitarbeiter zu gewinnen
und Arbeitnehmer zu binden. Nur
11 Prozent der Unternehmen überprüfen
derzeit, ob sie ihr Angebot einstellen.
Autor: www.aonhewitt.com
Zielrente – Mogelpackung zulasten
der Arbeitnehmer?
Wege aus der Zinsfalle mit Defined Ambition
In der andauernden Niedrigzinsphase
suchen Unternehmen nach alternativen
Betriebsrentenkonzepten. Immer
häufiger taucht in diesem Zusammenhang
der Begriff „Defined Ambition“
oder „Zielrente“ in der Öffentlichkeit auf.
Gemeint ist damit, dass lediglich eine
dauerhafte Betriebsrentenhöhe (Zielrente)
angestrebt wird, der Arbeitnehmer
jedoch kein garantiertes Leistungsniveau
erhält. Dieses kann je nach Ertragslage
schwanken, also auch geringer ausfallen.
Der Arbeitgeber ist somit nicht in
der Pflicht, für die in Aussicht gestellten
Leistungen einzustehen, da im Falle ungünstiger
Entwicklungen das Leistungsniveau
– auch während des Rentenbezugs
– korrigiert werden darf. Handelt es sich
also um ein Konzept, das die Arbeitgeber
aus der Haftung nimmt – zulasten der Arbeitnehmer?
„Der Arbeitgeber kann nicht
gezwungen werden, hohe Betriebsrenten
zuzusagen und zu garantieren und damit
verbundene langfristige finanzielle Risiken,
die sich gerade in der seit Jahren
andauernden Niedrigzinsphase zeigen,
einzugehen“, erklärt Dr. Rafael Krönung,
Aktuar und Principal bei Aon Hewitt. „Das
Konzept der Defined Ambition oder Zielrenten
unterstützt vielmehr das Bestreben,
Arbeitnehmern auch zukünftig eine
attraktive Versorgung zu ermöglichen“,
führt Krönung weiter aus. So zeigen realistische
Beispielrechnungen, dass im
Vergleich zu klassischen Modellen – auch
ohne erhöhtes Risiko in den Kapitalanlagen
– eine Erhöhung des Leistungsniveaus
um mehr als 50 Prozent zugunsten
der Arbeitnehmer möglich wäre. Der Preis
hierfür: Die Rentenhöhe ist nicht garantiert
und könnte bei Bedarf auch nach unten
angepasst werden.
Ausgabe 2/2016
59
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
Quelle: © contrastwerkstatt - Fotolia.com
Defined Ambition oder Zielrenten stellen
für Krönung im aktuellen Marktumfeld
eine Chance dar, weiterhin auskömmliche
Betriebsrenten zu ermöglichen. Erwartet
beispielsweise eine Pensionskasse derzeit,
dauerhaft 2,75 Prozent an Kapitalverzinsung
zu erzielen, könnte den Versicherten
bei einem Renteneintritt mit 65 Jahren für
ein Versorgungskapital von 100.000 Euro
eine lebenslange Altersrente von rund
5.500 Euro jährlich gewährt werden. Bei
dieser Summe handelt es sich um das Leistungsniveau,
das man glaubt, dauerhaft
erreichen zu können – also die Zielrente.
Stellen sich die ursprünglichen Annahmen
im Nachhinein als unzutreffend heraus,
müsste die Zielrente nach oben oder unten
angepasst werden.
Dazu Krönung: „Die derzeitige Realität
bei den klassischen Zusagekonzepten ist
hingegen, dass aufgrund der vorsichtig
zu wählenden Rechnungsgrundlagen in
aktuellen Tarifen für das gleiche Versorgungskapital
eher eine garantierte Rente
in Höhe von ca. 3.000 Euro p.a. resultieren
würde.“ Selbst wenn die Rentenleistung
jährlich durch erwirtschaftete
Überschüsse um 1,5 Prozent erhöht würde,
erreicht diese klassische garantierte
Rente das Niveau des Zielrentensystems
erst, wenn der Versicherte 96 Jahre alt
ist. Eine Gegenrechnung zeigt auf, dass
sich die Zielrente selbst bei einer Kürzung
der Leistungen um 45 Prozent noch
auf dem Niveau der garantierten Rente
befinden würde. Gerade im Hinblick auf
die Senkung des aufsichtsrechtlichen
zulässigen Höchstrechnungszinses für
Neuzusagen auf lediglich 0,9 Prozent ab
dem 1. Januar 2017 ist klar: Ohne Änderungen
an den traditionellen Betriebsrentenkonzepten
werden sich Arbeitnehmer
darauf einstellen müssen, dass die
zugesagten Garantieleistungen weiter
sinken werden. Selbst Überschussbeteiligungen
können diese Verminderungen
des Leistungsniveaus bei Weitem nicht
kompensieren. Ein Verzicht auf Garantien
zugunsten einer deutlich höheren
Zielrente ist somit keine Mogelpackung,
sondern vor allem auch im Interesse der
Arbeitnehmer.
Autor: www.aonhewitt.com
60 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
Outsourcing in der
Assekuranzwirtschaft: Wachsender
Kostendruck setzt Umdenken in Gang
Noch halten sich deutsche Versicherer
mit Outsourcing-Investitionen
zurück. Doch das dürfte sich in Zukunft
ändern: Laut einer aktuellen Untersuchung
von Sopra Steria Consulting sehen
35 Prozent der befragten Unternehmen in
der Auslagerung von Geschäftsprozessen
hohe Potenziale zur Realisierung von Kostensenkungen.
Die Untersuchung zeigt
aber auch, dass Outsourcing-Erfolge in
dieser Branche nur mit einer veränderten
Unternehmenskultur und verstärkter Prozessstandardisierung
möglich sind.
Die Auslagerung von IT-Anwendungen und
Querschnittsfunktionen bietet in der Versicherungsbranche
ein besonders hohes
Kosteneinsparpotenzial. Zu diesem Ergebnis
kommt die empirische Untersuchung
„Outsourcing-Potenziale in der deutschen
Versicherungswirtschaft“
von
Sopra Steria Consulting.
Ebenfalls
lohnenswert nennen
86 Prozent
der befragten Unternehmen
die –
in Teilen bereits
praktizierte – Auslagerung
ihres
Output-Managements.
Das ist insofern
nicht überraschend, als das interne
Output-Management nicht dem Kerngeschäft
eines Versicherers zugerechnet
wird und somit keinen direkten Beitrag
zur Wertschöpfung leistet. Als klassische
Outsourcing-Kandidaten gelten insbesondere
die unterstützenden Funktionen, weil
sie zumeist stärker standardisiert sind,
eine geringere Komplexität aufweisen und
sich durch eine Auslagerung somit höhere
Skaleneffekte erzielen lassen. Zudem
ist das Outsourcing-Risiko bei unterstützenden
Querschnittsfunktionen in der
Regel deutlich geringer und die Transaktionshäufigkeit
größer als bei strategisch
bedeutsamen Prozessen.
„Versicherungsgesellschaften sollten den
Wertschöpfungsbeitrag ihrer Prozesse
zum eigenen Kerngeschäft konsequent
analysieren, da sich nur so das unternehmensindividuelle
Outsourcing-Potenzial
unter Berücksichtigung der strategischen
Ausrichtung valide abschätzen lässt“,
empfiehlt Studienautor Harry Schumacher.
Eine Überprüfung der eigenen Wertschöpfungskette
sei auch deshalb angeraten,
weil auf diese Weise am schnellsten
erkennbar wird, welche Prozessbereiche
beim Outsourcing die größten Kostenvorteile
versprechen. Allerdings streut
die derzeitige Unternehmensorganisation
vieler Versicherungen beim Outsourcing
oftmals Sand ins Getriebe. Schuld daran
sind zumeist spartenund
produktorientierte
Organisationstrukturen,
die zudem für den vergleichsweise
geringen
Standardisierungsgrad
in der Versicherungsbranche
verantwortlich
sind. „Höhere Kosteneffizienz
durch Prozess-
Outsourcing setzt folglich
organisatorische Veränderungen
voraus, die ihrerseits
nur mit einer gewandelten Unternehmenskultur
gelingen können“, so Harry
Schumacher. Wie hoch der Kostendruck in
der Assekuranzwirtschaft heute ist, belegt
nicht zuletzt der „Branchenkompass Insurance
2015“ von Sopra Steria Consulting:
Sieben von zehn der dafür Befragten bezeichneten
die Kostenlage ihres Unternehmens
als eine zentrale Herausforderung.
90 Prozent gaben sinkende Prozesskosten
und steigende Prozesseffizienz als eine ihrer
strategischen Prioritäten für die nächsten
Jahre an.
Autor: www.soprasteria.de
Ausgabe 2/2016
61
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
67rockwell Consulting:
Digitalisierungsstrategien deutscher
Versicherungsunternehmen greifen
nicht weit genug
Die Digitalisierungsstrategien deutscher
Versicherungsunternehmen
schöpfen nach wie vor die
Potentiale der Digitalisierung nicht aus.
Zu diesem Ergebnis kommt 67rockwell
Consulting bei ihrer Analyse der Digitalisierungsaktivitäten
im Versicherungsbetrieb.
Die aktuelle Studie zeigt, dass die
Strategie- und Projektansätze im Wesentlichen
der Optimierung tradierter Strukturen
folgen – die notwendige nachhaltige
Änderung der Geschäftsmodelle der
Versicherungsunternehmen entlang der
Möglichkeiten digitaler Transformation ist
nicht erkennbar. „Im Vordergrund stehen
aktuell Kosteneinsparpotentiale, die durch
die Verbesserung von Prozessen gehoben
werden sollen. Die Herausforderungen der
Digitalisierung greifen jedoch sehr viel
weiter. Vielen Unternehmen
fehlt noch immer das klare
Zielbild ihrer Digitalisierungsaktivitäten
und damit
auch die Vorstellung, was
zukünftig möglich sein wird“,
sagt Marcus Laakmann, Geschäftsführender
Gesellschafter
bei 67rockwell Consulting.
Die aktuell durchgeführte
Studie zur Digitalisierung im Versicherungsbetrieb
zeigt, dass die Erhöhung der
Prozessgeschwindigkeit (71 %), die Verbesserung
der Kommunikationswege (71
%), die Verbesserung des Kundenservice
(65 %) und die Hebung von Kosteneinsparpotentialen
(65 %) als die wesentlichen
Ziele der Digitalisierung angesehen
werden. Veränderungen auf der Produktseite
und die sich ergebenden Herausforderungen
im Kundenumgang bekommen
laut der Studie erst langsam Priorität:
Projekte wie Self-Service-Portale und Onlineberatungen
sind in Planung, deren
Umsetzung steht noch aus. Die Integration
detaillierten Untersuchungen zum digitalen
Verhalten der Kunden bei der Entwicklung
der Digitalisierungsmaßnahmen
ist dabei nur mittelbar erkennbar. „Die
Entwicklung der digitalen Transformation
rund um die deutschen Versicherungsunternehmen
zeigt, dass die Kundenschnittstelle
noch deutlicher in den Fokus der Digitalisierungsaktivitäten
gerückt werden
muss. Den Segmentierungsstrategien der
Insure-Techs gelingt es inzwischen zunehmend
erfolgreich, die ertragsstarken Kunden
aus bestehenden Vertragsmodellen
zu lösen“, führt Laakmann aus. „Um hier
die richtigen Schwerpunkte bei den Maßnahmen
zur Kundenbindung zu setzen,
empfiehlt sich eine detaillierte Analyse der
Kundenkontaktpunkte auf
Basis des Customer-Journey-Ansatzes“,
führt Laakmann
aus. „Unsere Auftraggeber
konnten so ihre
Budgets in für den Kunden
nutzenstiftende Maßnahmen
lenken und Fehlinvestitionen
vermeiden. Es ist essentiell,
die Kundenerwartungen und
das digitale Verhalten der
Kunden zu kennen, denn
nicht alles, was technisch möglich ist, wird
auch vom Kunden angenommen.“
Die Ergebnisse zeigen, dass bei 50 % der
Unternehmen veraltete IT-Systeme sowie
eingeschränkte IT-Kapazitäten bei einer
gleichzeitig sehr hohen Zahl laufender
IT-Projekte stark limitierende Faktoren
der Digitalisierung sind. Zusätzlich werden
die Möglichkeiten der Digitalisierung
in den Gesellschaften und Sparten der
Unternehmen unterschiedlich bewertet;
bei knapp 50 % der befragten Unterneh-
62 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
men sind verschiedene Organisationseinheiten
mit der Digitalisierung befasst.
Der Schritt, die Gesamtverantwortung
der Steuerung der digitalen Transformation
der oft neu geschaffenen Position
des CDO (Chief Digital Officer) zu
übertragen, ist ein konsequenter Schritt
in Richtung Stabilisierung der Geschäftsmodelle.
„Die nachhaltige Anpassung der
Geschäftsmodelle aufgrund der digitalen
Transformation ist zwingend notwendig.
Nur wer ein klares Zielbild seiner Digitalisierungsstrategie
hat, wird im Wettbewerb
bestehen können. Die feste Verankerung
der Kundensicht ist dabei der
wesentliche Erfolgsparameter, “ fasst
Laakmann zusammen.
Autor: www.67rockwell.de
So investieren Versicherer
Kapitalanlagen übersteigen erstmals 1,5 Billionen Euro
Die Kapitalanlagen der deutschen
Versicherer haben 2015 erstmals
die Marke von 1,5 Billionen Euro
überschritten. Rund 80 Prozent des Investitionsvolumens
entfallen auf Zinsanlagen
– beispielsweise Pfandbriefe, Rentenfonds
oder auch Darlehen. In Staatsanleihen
investieren die Versicherer weniger als
häufig angenommen – sie machen in der
Direktanlage weniger als 6 Prozent der
gesamten Kapitalanlagen aus. Die deutschen
Erst- und Rückversicherer hielten
zum Jahresende 2015 Kapitalanlagen im
Volumen von 1,509 Milliarden Euro. Im
Vergleich zu 2014 ist dies ein Anstieg um
fast 60 Milliarden Euro bzw. rund 4 Prozent.
Festverzinsliche Kapitalanlage dominiert
Damit Versicherer jederzeit ihre zugesagten
Verpflichtungen erfüllen können,
investieren sie überwiegend in sichere
Kapitalanlagen mit langfristig planbaren
Zinserträgen. Diese Rentenanlagen machen
vier Fünftel des gesamten Anlagevolumens
aus. Lediglich 20 Prozent entfallen
auf Investitionen mit höheren Risiken
bzw. weniger gut kalkulierbaren Erträgen.
Der Aktienanteil beispielsweise lag zum
Jahresende 2015 nur bei gut 4 Prozent,
auf Immobilien und Unternehmensbeteiligungen
entfallen zusammengenommen
rund 13 Prozent. Das Verhältnis von Renten-
zu anderen Kapitalanlagen ist seit
einigen Jahren weitgehend stabil. Unter
den Rentenanlagen dominieren Anleihen:
Rentenfonds machen 22 Prozent der gesamten
Kapitalanlagen aus, Unternehmensanleihen
7,2 Prozent und Staatsanleihen
sowie Anleihen anderer öffentlicher
Schuldner 5,7 Prozent.
56 Milliarden Euro für Häuslebauer
Auch als Kreditgeber spielt die Versicherungswirtschaft
eine bedeutende Rolle.
Gut 18 Prozent der Kapitalanlagen fließen
in Darlehen – überwiegend an Kreditinstitute
und die öffentliche Hand. Aber auch
für Privathaushalte sind Versicherer wichtige
Kapitalgeber. In Hypotheken zur Immobilienfinanzierung
stecken 3,7 Prozent
der Kapitalanlagen – das entspricht rund
56 Milliarden Euro.
Autor: www.gdv.de
Ausgabe 2/2016
63
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
Nach dem Garantiezinsschock:
„Klassik hat endgültig ausgedient“
Laut einer Kurzbefragung erwarten
Versicherer Stückeverluste im deutlichen
zweistelligen Bereich. Die
Branche muss nun Maßnahmen ergreifen,
um auf dem Damm zu bleiben. Die Absenkung
des Garantiezinses auf 0,9 Prozent ist
insgesamt schlecht für die Branche, aber
dennoch erforderlich. Das gestehen sich
die Versicherer selbst
ein. Simon-Kucher &
Partners hat mit einer
Kurzbefragung
unter Versicherungsmanagern
ein Stimmungsbild
der Branche
eingefangen.
Dass die Absenkung
schlecht für die Branche
ist, geben demnach
über die Hälfte
der Befragten zu.
Gleichzeitig sind drei
Viertel der Meinung,
dass diese Regelung
zwingend ist. Die gute Nachricht: Fast
jeder Zweite sieht in dem notwendigen
Übel eine Chance. „Richtig so, Klassik hat
endgültig ausgedient. Versicherer sollten
nun das Beste daraus machen und die
Senkung vielleicht sogar positiv für sich
nutzen“, erklärt Dr. Dirk Schmidt-Gallas,
Member of the Board bei Simon-Kucher.
Stückeverluste und
Gegenmaßnahmen
Das Ganze klingt zunächst nach einer
Katastophe: Die Hälfte der Befragten ist
sich bereits sicher, dass die Absenkung
des Garantiezinses zu massiven Stückeverlusten
führen wird. Demnach erwarten
acht von zehn einen Stückeverlust
im zweistelligen Bereich für das kommende
Jahr. Über die Hälfte schätzt den
Rückgang auf 10-25 Prozent ein. Mehr
als jeder Zehnte glaubt, dass es Stückeverluste
in Höhe von 35 Prozent oder
mehr geben wird. „Das ist eine beachtliche
Menge – aber überrascht nicht“, so
Studienleiter Frank Gehrig, Director bei
Simon-Kucher. „Man wird den Beitrag
nicht halten könnten. Die Versicherer
haben nun handeln, um langfristig wieder
auf einen grünen Zweig im Neugeschäft
zu kommen.“ Das glauben auch
die Befragten, die
konkrete Maßnahmen
ergreifen
wollen. So planen
fast drei Viertel
der Befragten,
neue Produkte
Quelle: © vege - Fotolia.com
mit alternativen
Garantieformen
und mehr als die
Hälfte neue Produkte
ohne Garantien
auf den
Markt zu bringen.
„In die Offensive
zu gehen ist jetzt
genau der richtige Weg“, so Gehrig. Eine
weitere Reduktion von Verwaltungs- und
Abschlusskosten – die mehr als die Hälfte
planen – sieht Gehrig hingegen nicht als
Lösung des Kernproblems. Die Begeisterung
in der Branche hält sich also allgemein
in Grenzen. Auch, da ein Großteil
den Zeitdruck und verlorene Kapazitäten
aufgrund der Garantiezinssenkung als
lästig empfindet. Denn mehr als die Hälfte
der Befragten findet, dass sie durch
die notwendigen Reaktionen auf den abgesenkten
Garantiezins daran gehindert
wird, sich mit volumen- und ertragsrelevanten
Themen zu beschäftigen. Und für
rund ein Drittel wird die Überschussbeteiligung
durch die Absenkung des Garantiezinses
wichtiger. „Um in Zukunft
wieder zu punkten muss die Assekuranz
anpacken: nämlich jetzt neue Produkte
entwickeln, die bei Endkunden und Vertrieb
ankommen“, so Schmidt-Gallas.
Autor: www.simon-kucher.com
64 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
Niedrigzins treibt
Pensionsverpflichtungen in die Höhe
Willis-Towers-Watson-Analyse “German Pension Finance
Watch / 2. Quartal 2016”
Die aktuellen Marktturbulenzen hinterlassen
ihre Spuren auch in der
Bilanzierung betrieblicher Pensionspläne.
Im zweiten Quartal 2016 stiegen
die Pensionsverpflichtungen der DAX-
Konzerne um 7,0 Prozent auf 428,8 Mrd.
Euro, nachdem der Rechnungszins auf
1,7 Prozent gefallen war. Hingegen stieg
das Planvermögen leicht um 0,4 Prozent
auf 237,0 Mrd. Euro. Zu diesem Ergebnis
kommen Modellberechnungen von Willis
Towers Watson. Die „German Pension
Finance Watch“ (GPFW) stellt die Auswirkungen
der Kapitalmarktentwicklungen
auf deutsche Benchmark-Pensionspläne
dar. Verglichen wird ein Musterplan, der
Ende 2003 vollständig ausfinanziert war
(100-Prozent-Plan) und laufend in Höhe
der neu verdienten Ansprüche dotiert wird
mit einem für ein DAX- beziehungsweise
MDAX-Unternehmen typischen Pensionsplan.
Rechnungszins unter Druck
Von April bis Juni kletterten die Pensionsverpflichtungen
der DAX-Konzerne um
7,0 Prozent auf 428,8 Mrd. EUR, zeigt die
Hochrechnung des DAX-Musterplans. Auch
die Pensionsverpflichtungen
der MDAX-Unternehmen
verzeichneten
ein Plus von
6,9 Prozent auf 67,1
Mrd. EUR. Grund für
diesen deutlichen Anstieg
war der Verfall
des Rechnungszinses. Dieser war im zweiten
Quartal um 42 Basispunkte auf 1,70
Prozent eingebrochen, nachdem schon im
ersten Quartal ein Rückgang um 38 Basispunkte
auf 2,12 Prozent zu verzeichnen
war. „Diese Talfahrt lässt sich zum einen
auf die Leitzinspolitik der Europäischen
Zentralbank (EZB) und der US Federal Reserve
(US Fed) und zum anderen auf eine
gestiegene Nachfrage nach sicheren Anlagen
zurückführen. So wurden im März die
Leitzinsen im Euroraum gesenkt und in den
USA – anders als erwartet – nicht erhöht.
Die Ausweitung des Quantitative Easing-
Programms der EZB sowie die Marktturbulenzen
in Folge des Brexit ließen die Nachfrage
nach den für die Zinsfestsetzung
maßgeblichen AA-Anleihen steigen. In der
Folge reduzierten sich ihre Renditen und
damit der anzusetzende Rechnungszins
weiter“, erklärt Dr. Thomas Jasper, Leader
Retirement Western Europe von Willis Towers
Watson, die aktuelle Entwicklung. Er
betont: „Dadurch stieg der in den Bilanzen
anzusetzende Verpflichtungsumfang für
die betriebliche Altersversorgung – erfolgt
gemäß der Rechnungslegungsvorschriften
unmittelbar der Volatilität des Zinsumfelds.“
Planvermögen stabil,
Verpflichtungsumfang gestiegen
Trotz des turbulenten Marktumfelds wuchsen
die Planvermögen im DAX um 0,7 Prozent
auf 237,0 Mrd. Euro; im MDAX blieben
sie stabil bei 27,8 Mrd. Euro. Hingegen
waren aufgrund des Niedrigzinsumfelds
deutlich höhere Pensionsverpflichtungen
in den Bilanzen anzusetzen – im
DAX 428,8 Mrd. Euro (+7 Prozent)
und im MDAX 67,1 Mrd. Euro (+
6,9 Prozent). Dies hat im zweiten
Quartal zu einem deutlich geringeren
Ausfinanzierungsgrad von
Pensionsplänen geführt. Der Ausfinanzierungsgrad
zeigt das Verhältnis
von Pensionsverpflichtungen und
den Finanzmitteln, die zu ihrer Erfüllung
zurückgestellt werden. Die GPFW kommt
zu dem Schluss, dass die Planvermögen
im DAX Ende Juni einen Ausfinanzierungsgrad
von nur 55,3 Prozent erreichten – ein
Rückgang um weitere 3,5 Prozentpunkte
gegenüber Ende März. Bei den MDAX-
Planvermögen fiel das Minus mit 2,7 Prozentpunkten
auf 41,5 Prozent etwas mo-
Ausgabe 2/2016
65
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
derater aus. „Da es sich bei den Pensionen
um langfristige Verpflichtungen handelt,
hat der aktuelle Druck auf das Bilanzbild
keinen unmittelbaren Einfluss auf den
Cashflow. Die Zahlung der Betriebsrenten
ist weiterhin gewährleistet“, erklärt Jasper.
Dennoch sollten
seiner Meinung nach
sowohl Unternehmen
als auch die Politik
nicht untätig bleiben:
„Eine flächendeckende
Verbreitung
der betrieblichen Altersversorgung
(bAV)
ist immer noch nicht
erreicht. Daher gilt
es, die gesetzlichen
Rahmenbedingungen
für die bAV weiter zu verbessern, damit es
den Unternehmen erleichtert wird, ihren
Mitarbeitern ein werthaltige bAV anzubieten“,
fordert der Altersversorgungsexperte.
bAV-Verantwortlichen in Unternehmen
empfiehlt er, die Marktturbulenzen zum
Anlass zu nehmen, um den angebotenen
Pensionsplan noch einmal zu prüfen: „Ist
das bAV-Angebot zeitgemäß? Kann die
Finanzierungsstrategie weiter ausgefeilt
werden? Sind Risikomanagement und Reporting
auf dem aktuellen Stand?“ Jasper
führt aus: „In den letzten Jahren haben
zahlreiche Unternehmen ihre bAV überarbeitet
und ihre Finanzierungsstrategien an
das Niedrigzinsumfeld angepasst. Damit
ist die bAV ‚wetterfest‘ aufgestellt – ganz
im Sinne von Unternehmen und Mitarbeitern.“
bAV: aus Mitarbeitersicht der
wichtigste Weg für die ergänzende
Altersvorsorge
Bei Arbeitnehmern steht die bAV weiterhin
hoch im Kurs, wie eine aktuelle Studie,
der „Global Benefits Attitudes Survey“
von Willis Towers Watson, belegt. Knapp
70 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland
geben an, hauptsächlich über die bAV für
ihre Rente vorzusorgen. Über 90 Prozent
meinen, dass die bAV ein gleichwertiges
oder sogar besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis
bietet als die private Altersvorsorge.
Mehr als vier Fünftel
(83 Prozent) wünschen sich,
dass ihr Arbeitgeber eine aktive
Rolle bei der Bereitstellung
einer Altersversorgung
spielt. „Gerade hier kann die
Politik ansetzen, wenn sie
eine weitere Verbreitung der
ergänzenden Altersvorsorge
erreichen will. Mitarbeiter
wollen die bAV und für Unternehmen
ist es im Hinblick
auf die Mitarbeitergewinnung
und -bindung mehr als sinnvoll, auf
diesen Wunsch einzugehen. Wenn nun die
Politik bürokratische Hürden und unnötige
Komplexität ausräumt, steht einer weiteren
Verbreitung nichts im Weg“, kommentiert
Jasper.
Quelle: © denphumi - Fotolia.com
Hohes Interesse an
Wahlmöglichkeiten –
Beratung erforderlich
Drei Viertel der Mitarbeiter wünschen sich
eine flexible bAV, um die Höhe ihrer Eigenbeiträge,
Auszahlungsoptionen und z.B.
eine Hinterbliebenenversorgung an ihre
individuelle Lebenssituation anzupassen.
Jasper betont: „Wenn Unternehmen entsprechende
Wahloptionen anbieten und
Mitarbeitern beispielsweise durch eine individuelle
Beratung helfen, aus dem angebotenen
Pensionsplan das Beste für sich
herauszuholen, stärkt das die Mitarbeiterbindung
erheblich.“ So sagen fast drei
Viertel der Mitarbeiter, die mit ihrer bAV
zufrieden sind, dass sie gern bis zur Rente
bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber arbeiten
möchten.
Autor: www.willistowerswatson.com
66 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
Assekuranz im Social-Media-Aufwind
Aktuelle Trendstudie von HEUTE UND MORGEN
untersucht Mediennutzung und Kommunikation der
Bundesbürger sowie aktuelle Social-Media-Aktivitäten
der Versicherer und Krankenkassen
Der Lebensalltag der meisten Bundesbürger
– und damit auch der
Versicherungskunden – wir immer
digitaler und vernetzter. Angetrieben
wird diese Entwicklung durch das mobile
Internet und die wachsende Zahl an Social-Media-Kanälen.
Aktuell verbringen
die 18-65-Jährigen durchschnittlich bereits
fünf Stunden täglich im Internet und
in den sozialen Netzwerken; klassische
Medien und Kommunikationskanäle verlieren
demgegenüber an Bedeutung. Auf
diesen rasanten Wandel müssen sich auch
die Versicherer und Krankenkassen in ihren
Kommunikationsangeboten und Geschäftsprozessen
einstellen. Sie tun dies
im Social-Media-Bereich
bereits aktiver
und erfolgreicher als
oft angenommen –
zugleich fällt es jedoch
noch schwer
mit den rasanten
Veränderungen im
Kundenverhalten
schrittzuhalten,
echte Strategien
zu entwickeln und
eigene digitale Aktivitäten
auf Markenebene wirksam zu
integrieren. Dies zeigt die aktuelle Trendstudie
«Mediennutzung und Kommunikation
in Deutschland 2016» des Marktforschungsinstituts
HEUTE UND MORGEN in
Kooperation mit dem Kommunikationsberater
„As im Ärmel“. 2.000 Bundesbürger
im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, die
über Internetanschluss verfügen, wurden
im April 2016 repräsentativ zu ihrer Mediennutzung
und ihrem Kommunikationsverhalten
im Alltag befragt. Zugleich wurden
die aktuellen Social-Media-Aktivitäten
und Strategien von 210 deutschsprachigen
Versicherern und Krankenkassen
aus der DACH-Region differenziert nach
unterschiedlichen Medienkanälen analysiert
(Stand: Juni 2016).
Der moderne Kunde: mobil und digital
vernetzt
Der normale digitale Alltag verteilt sich
aktuell auf zwei Stunden stationäres Surfen
am PC, eine Stunde mobiles Surfen
via Smartphone oder Tablet, eine Stunde
E-Mails lesen und schreiben, und jeweils
eine halbe Stunde Aktivität mit „Whats-
App“ und in den – so genannten – „sozialen
Medien“. Als besonders wirksam in
der Ausbreitung der Digitalisierung im Alltag
erweist sich das Smartphone:
2010 nutzten dieses
erst 36 Prozent der bis
65-jährigen erwachsenen
Bundesbürger, heute sind es
über 80 Prozent.
Zu den bevorzugten Aktivitäten
zählen dabei das
Lesen und Schreiben von
„WhatsApp“-Nachrichten sowie
von klassischen E-Mails,
das Checken sozialer Netzwerke
sowie das Lesen von
News aus aller Welt. 42 Prozent nutzen ihr
Smartphone nicht nur tagsüber, sondern
auch noch abends im Bett vor dem Einschlafen
und jeder Dritte (33%) auch bereits
wieder vor dem Aufstehen. Mit dem
Smartphone als „zweiter Haut“ mutieren
die Deutschen zunehmend zum „Homo Digitalis“.
Gewinner und Verlierer der veränderten
Mediennutzung im Alltag
Im Entwicklungsvergleich der letzten fünf
Jahre zeigen sich bei der Mediennutzung
der Bundesbürger deutliche Gewinner und
Ausgabe 2/2016
67
FinanzBusinessMagazin I VERSICHERUNGEN
Verlierer: so hat beispielsweise die tägliche
Nutzung des Messenger-Dienstes «Whats-
App» seit 2010 besonders stark von 20
Prozent auf aktuell über 65 Prozent zugenommen,
während sich die Verwendung
´normaler´ SMS-Dienste im gleichen Zeitraum
mehr als halbierte (2010: 51%, 2016:
23%). Ebenfalls zugenommen, wenn auch
weniger stark, haben die täglichen Aktivitäten
auf «Facebook» (2010: 32%, 2016:
49%). «Twitter» und «Instagram» werden
aktuell erst von sieben Prozent der erwachsenen
Bundesbürger täglich genutzt.
Zu den Verlieren zählt - wie zu erwarten -
weiterhin das klassische TV. Insbesondere
bei den jüngeren Bundesbürgern: 54 Prozent
der erwachsenen Schüler, Azubis und
Studenten würden - vor die Wahl gestellt
– heute bereits lieber auf das klassische
Fernsehen als auf «YouTube» verzichten
(Bevölkerungsdurchschnitt: 19%). Generell
nutzen weiterhin vier Fünftel (79%) der
Bundesbürger das ´Echtzeit-TV´ (2010:
84%); allerdings verbringen sie im Vergleich
zu anderen Medienkanälen deutlich
weniger Zeit vor dem Fernseher als früher.
Die unter 40-Jährigen würden zudem mittlerweile
eher auf das Telefonieren als auf
das Chatten verzichten; nur bei den älteren
verhält es sich umgekehrt. Zudem lassen
sich unterschiedliche „digitale Typen“ ausmachen,
die immer weniger vom Alter der
Nutzer als von deren Medienkompetenz
und Bildungsbiographie abhängen; die tradierte
Unterscheidung in „Digital Natives“
und „Digital Immigrants“ verwischt zunehmend
- trotz weiterhin bestehender Unterschiede.
„Der fortschreitende Wandel des
Alltagsverhaltens in puncto Mediennutzung
und Kommunikation hat für die Assekuranz
erhebliche Auswirkungen auf die Erreichbarkeit
und Markenwahrnehmung der
Kunden und nicht zuletzt für die Gestaltung
der unmittelbaren Kundenbeziehungen“,
sagt Tanja Höllger, Geschäftsführerin beim
Marktforscher und Unternehmensberater
HEUTE UND MORGEN.
„Die Potenziale des mobilen Internets und
der sozialen Netzwerke im Hinblick auf
Reichweiten und Nutzungskontexte ist
enorm. Um diese wirksam zu nutzen und
den Anschluss an den Wettbewerb nicht
zu verlieren, müssen alte Denkmuster in
Frage gestellt und der Spagat zwischen
Strategie und nachlaufendem Aktionismus
gelingen. Einfach nur irgendwie dabei zu
sein, reicht nicht aus.“
Assekuranz im Social-Media-Aufwind –
zugleich noch deutliche
Entwicklungs- und Innovationspotentiale
Von den 210 im Rahmen der Studie untersuchten
deutschsprachigen Versicherern
und Krankenkassen verzichten aktuell lediglich
16 Gesellschaften gänzlich auf den
Einsatz von Social-Media-Kanälen in ihrer
Marken- und Kundenkommunikation. Die
in den sozialen Netzwerken aktiven 194
Gesellschaften sind in 25 verschiedenen
Plattformen und Diensten mit insgesamt
933 Social-Media-Profilen vertreten. Die
meisten Versicherer nutzen bereits durchschnittlich
sechs bis acht Social-Media-
Kanäle, rund jedes fünfte Unternehmen
allerdings auch erst ein oder zwei. Besonders
aktiv sind hier Provinzial, Allianz
und Techniker Krankenkasse. Allgemein
ist es für die Kunden noch schwer ein
zusammenhängendes, einheitliches Bild
der Social-Media-Aktivitäten der Anbieter
zu gewinnen. Zugleich decken sich die
Schwerpunkte der Aktivitäten der Assekuranz
im Social Web nicht automatisch mit
den aktuellen Nutzungsschwerpunkten
der Bundesbürger: so sind bspw. 57 Prozent
der Versicherungen auf „Twitter“ aktiv,
während nur sieben Prozent der Deutschen
den Kurznachrichtendienst täglich
nutzen. Hingegen bieten nur zwei Prozent
der Versicherungen „WhatsApp“ als Kommunikationskanal
an, obwohl zwei Drittel
(65%) der Bundesbürger diesen Messenger
täglich nutzen. Zugleich erscheinen
68 Ausgabe 2/2016
VERSICHERUNGEN I FinanzBusinessMagazin
die Social-Media-Aktivitäten häufig eher
noch als „Anhängsel“ denn als Bestandteil
einer integrierten digitalen Kommunikationsstrategie.
„Social Web und digitaler
Markenaufbau sind für die Versicherungsbranche
teils immer noch Neuland“, sagt
Marko Petersohn von dem auf die Assekuranz
spezialisierten Kommunikationsberater
„As im Ärmel“. „Die professionelle und
zielgerichtete Nutzung der neuen Kommunikationskanäle
nimmt aktuell allerdings
deutlich zu.“
Aktuelle Social-Media-Reichweiten
der Assekuranz
Auf „Facebook“ hat sich die Reichweite der
gesamten Versicherungsbranche seit Januar
2013 kontinuierlich um über 300 Prozentpunkte
auf aktuell 3,5 Millionen „Fans“
gesteigert. Spitzenreiter sind hier die Allianz,
Zurich und Techniker Krankenkasse.
Keinem Unternehmen gelingt es allerdings
bisher mehr als drei Prozent seiner Kunden
auf Facebook zu erreichen bzw. zu
aktivieren. Die Abonnentenzahl der Versicherer-Seiten
auf „Xing“ hat sich seit 2013
recht kontinuierlich auf mittlerweile über
170.000 entwickelt. Zahlenmäßig führen
hier Ergo, R+V und Axa. Die Follower-Entwicklung
auf der aufstrebenden Plattform
„Instagram“ - auf der immerhin bereits
37 Versicherer und Krankenkassen aktiv
sind - steigerte sich in den vergangenen
12 Monaten um etwa 650 Prozentpunkte.
Die absolute Zahl der Follower ist mit rund
33.500 Personen allerdings noch gering.
Die Reichweite unterschiedlicher Versicherungskanäle
auf „YouTube“ hat sich
seit Anfang 2013 kontinuierlich auf aktuell
über 76.000 Abonnenten entwickelt; eine
absolute Steigerung von über 1.100 Prozentpunkten.
Deutlicher Spitzenreiter ist
hier die AOK Rheinland/Hamburg, gefolgt
von der HUK 24. Während die YouTube-
Abonnentenzahl absolut betrachtet noch
gering ausfällt, kann die Zahl von aktuell
1,58 Mio. Video-Aufrufen bei einer Steigerung
von über 900 Prozent in den letzten
drei Jahren bereits stärker beeindrucken.
Eher noch zu verschlafen scheinen viele
Versicherer hingegen den – insbesondere
durch den Messenger-Dienst „Whats-
App“ in der Breite ausgelösten – Eintritt
in das „Messenger-Zeitalter“: Versicherer
bieten ihren Kunden bisher erst selten die
Möglichkeit, per „WhatsApp“ oder anderen
Messenger-Diensten mit ihnen in Kontakt
aufzunehmen. Gerade mit der unmittelbaren
digitalen Kommunikation via Chat,
Skype und Messenger zeigen sich viele
Versicherer noch sehr zurückhaltend, bzw.
tun sich schwer mit aktuellen Entwicklungen
im Medien- und Kommunikationsverhalten
Schritt zu halten.
Assekuranz bei Akzeptanz der
Social-Media-Aktivitäten
im Branchenmittelfeld
Fragt man die Bundesbürger selbst, welche
Unternehmen und Branchen mit ihren
Social-Media-Auftritten in den verschiedenen
Kanälen am meisten geschätzt
werden, ergibt sich für Versicherer und
Krankenkassen ein gemischtes Bild: Viele
Bundesbürger können sich beispielsweise
vorstellen, mit Versicherern zu „Skypen“
oder per „Messenger“ Kontakt aufzunehmen,
während Aktivitäten auf „Twitter“
von den Kunden nur wenig erwartet werden.
Besonderes Potenzial sehen diese auf
„YouTube“.
Am stärksten wertschätzen die Bundesbürger
Social-Media-Aktivitäten der Branchen
Automobil und Konsumgüter, die Assekuranz
landet im Branchenranking hier
im Mittelfeld; vor Banken und Sparkassen.
Wichtig zudem: unterschiedliche Social-Media-Kanäle
erfordern differenzierte
Strategien und müssen sich zugleich in ein
übergeordnetes digitales Gesamtgerüst
einfügen.
Autor: www.heuteundmorgen.de
Ausgabe 2/2016
69
+ Substanzkraft + Produktqualität + Service +
DFSI-STUDIE
2015/16
Qualitätsrating der
Privaten Krankenversicherung
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