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2015 Predigt 17.nach Trinitatis Brot für die Hunde

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<strong>Predigt</strong> 17. Nach <strong>Trinitatis</strong> – <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Hunde</strong><br />

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und seinem Sohn Jesus Christus.<br />

Liebe Gemeinde,<br />

manche von Ihnen wissen das sicher schon – wir haben seit einiger Zeit einen Hund. Die<br />

Paula.<br />

Im Prinzip wird <strong>die</strong>ser Hund behandelt wie ein Familienmitglied. Sie bekommt alles was sie<br />

zum Leben braucht – sicher, <strong>die</strong> Bedürfnisse von einem Hund unterscheiden sich manchmal<br />

von den Bedürfnissen von uns Menschen – ich zum Beispiel grabe nur sehr selten nach<br />

Mäusen und auch mein Verlangen nach Auslauf ist nicht so groß – aber vieles was ein Hund<br />

braucht, brauchen wir Menschen auch. Streicheleinheiten, Körperpflege, ab und zu mal zum<br />

Arzt – impfen. Und, natürlich, was zu Essen.<br />

Der Hund an sich ist kein Genießer – unsre Paula auch nicht. Es gibt nur wenig, was ihr nicht<br />

schmeckt – und alles was ihr schmeckt, schlingt sie in kürzester Zeit hinunter. Ob das eine<br />

halb verweste Maus am Straßenrand ist oder das gute Dosenfutter, das sie jeden Abend<br />

bekommt – meistens sind es nur ein oder zwei Bissen und weg ist das. Man könnte da<br />

durchaus das Wort: Gierig verwenden.<br />

Es war viel Erziehungsarbeit, vor allem von meiner Frau, nötig, um ihr Tischmanieren<br />

beizubringen. Also, dass sie nicht ständig bettelt, wenn wir miteinander am Tisch sitzen.<br />

Mittlerweile liegt sie in ihrem Körbchen in der Nähe des Esstischs und sieht auch ganz<br />

entspannt aus – aber wehe es fällt jemand was vom Tisch – dann kommt es schon mal vor,<br />

dass sie sich nicht mehr bremsen kann und losrennt.<br />

Wenn man dann nicht schnell genug ist, hat sies schon verschlungen. Gott sei Dank sind <strong>die</strong><br />

Kinder mittlerweile groß und es fällt nicht mehr so viel vom Tisch – sonst würde unser Hund<br />

wahrscheinlich platzen.<br />

Und ganz manchmal, wenn noch ein bisschen Reis oder Nudeln übrig sind – da ist ein Festtag<br />

<strong>für</strong> unseren Hund, da bekommt sie, wenn alle fertig sind, so eine Handvoll von unserem<br />

Essen – ohne dass sie betteln muss – einfach nur, weil sie das so gerne frisst – und sie so<br />

wunderbar <strong>die</strong> Augen verdrehen kann, wenn sie von unserem Essen was bekommt.<br />

Die Brosamen, <strong>die</strong> vom Tisch des Herren fallen – darum geht es heute auch in unserem<br />

<strong>Predigt</strong>text Ich lese bei Matthäus im 15. Kapitel:<br />

Jesus ging weg von Genezareth und zog sich zurück in <strong>die</strong> Gegend von Tyrus und Sidon. Und<br />

siehe, eine kanaanäische Frau kam aus <strong>die</strong>sem Gebiet und schrie: „Ach Herr, du Sohn<br />

Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt.“<br />

Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und sprachen:<br />

„Laß sie doch gehen, denn sie schreit uns nach.“<br />

Er antwortete aber und sprach: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses<br />

Israel.“<br />

Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: „Herr, hilf mir!“<br />

Aber er antwortete und sprach: „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr <strong>Brot</strong> nehme und<br />

werfe es vor <strong>die</strong> <strong>Hunde</strong>.“<br />

Sie sprach: „Ja, Herr; aber doch fressen <strong>die</strong> <strong>Hunde</strong> von den Brosamen, <strong>die</strong> vom Tisch ihrer<br />

Herren fallen.“ Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: „Frau, dein Glaube ist groß. Dir<br />

geschehe, wie du willst!“<br />

Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.


Liebe Gemeinde,<br />

Jesus war schon bekannt zu der Zeit, da unsere Geschichte spielt. Er hatte erzählt von der<br />

Liebe und Fürsorge Gottes <strong>für</strong> sein Volk. Im Gleichnis vom Sämann hatte er kurz vorher im<br />

13. Kapitel erklärt, wie verschwenderisch Gott seine geliebten Kinder versorgt – ohne immer<br />

gleich auf den Ertrag zu schielen, teilt er aus. Die Speisung der 5000 dann im 14. Kapitel –<br />

<strong>die</strong> Einlösung des Versprechens – Gott versorgt seine Kinder; er speist sie nicht nur mit<br />

Worten ab, sondern er schenkt ihnen alles, was sie zum Leben brauchen. Im Überfluss. 12<br />

Körbe voller <strong>Brot</strong> bleiben übrig. Jesus heilt viele Kranke, er gibt den Menschen zu Essen und<br />

spricht ihnen Mut zu.<br />

Dann <strong>die</strong> Ernüchterung: Pharisäer und Schriftgelehrte kommen zu Jesus – nicht etwa um sich<br />

zu bedanken, sondern um ihm zu sagen: Jesus, deine Jünger waschen sich <strong>die</strong> Hände nicht,<br />

bevor sie essen – das verstößt gegen das Gebot Gottes.<br />

Jesus muss wirklich verzweifelt gewesen sein angesichts von so großer Ignoranz. Gott<br />

schenkt so großzügig her – und was machen wir Menschen draus? Kleinlich und ängstlich<br />

sitzen wir sogar noch auf dem größten Geschenk und <strong>für</strong>chten, dass Gott ärgerlich wird,<br />

wenn wir nicht richtig damit umgehen.<br />

Soweit geht der Streit, dass Jesus sich sogar zurückzieht in <strong>die</strong> Gegend von Tyrus und Sidon.<br />

Beides Küstenstädte im Libanon, also außerhalb von Israel. Es sieht fast so aus, als wollte<br />

Jesus nur noch weg – zumindest suchte er ein wenig Abstand von den Streitereien im<br />

eigenen Volk. Wer wollte es ihm verdenken – stellen Sie sich vor, sie wollten Geld<br />

verschenken – sagen wir mal 100.000 EUR – und statt Dankbarkeit hören Sie, dass nur<br />

darüber diskutiert wird, wie <strong>die</strong>ses Geld jetzt zu versteuern ist – und wem welcher Anteil<br />

zusteht – Haarspalterei statt Dankbarkeit.<br />

Und genau in <strong>die</strong>ser Situation läuft Jesus eine kanaanäische Frau nach – nicht um <strong>für</strong> sich,<br />

sondern um <strong>für</strong> ihre Tochter zu bitten.<br />

Woher sie Jesus kennt, erfahren wir nicht – auch <strong>die</strong> Vorgeschichte wird nicht erzählt. Bei<br />

wie vielen Ärzten sie vielleicht schon war und keiner konnte helfen. Klar ist: Kanaaniter – das<br />

sind <strong>die</strong>, <strong>die</strong> von Gott nichts wissen wollen. Sie verehren alle möglichen<br />

Fruchtbarkeitsgötter, halten sich nicht an <strong>die</strong> Gebote Gottes sondern beten das goldene Kalb<br />

an, das aus dem alten Testament noch gut bekannt ist. Ausländer halt, <strong>die</strong> anders leben und<br />

anders glauben. Falsche und schlechte Menschen aus der Sicht des Volkes Israel.<br />

Auch Jesus ist abweisend. Er reagiert überhaupt nicht auf <strong>die</strong> Frau – heißt es im <strong>Predigt</strong>text.<br />

Bis heute eine der schlimmsten Formen der Abweisung. Nicht einmal eine Antwort gönnt er<br />

ihr – gar nichts. Er behandelt sie, als ob sie Luft wäre.<br />

Aber <strong>die</strong> Frau ist hartnäckig – so hartnäckig, dass es seinen Jüngern offensichtlich peinlich<br />

wird. Jesus, sagen sie, mach doch was. „Lass sie gehen“ übersetzt Luther – „jag sie weg“<br />

könnte man auch übersetzen; oder auch „stell sie zufrieden“ – gib ihr doch, was sie will –<br />

nur: mach was, damit endlich wieder Ruhe ist.<br />

Zumindest seinen Jüngern gibt Jesus jetzt eine Antwort: Ich bin nur gesandt zu den<br />

verlorenen Schafen des Hauses Israel.<br />

Recht hat er – wo kämen wir denn hin, wenn wir uns um alle Menschen kümmern wollten.<br />

Gott liebt seine Kinder – aber halt nur seine Kinder. Die, <strong>die</strong> seine Gebote halten, <strong>die</strong>


Israeliten damals – heute hauptsächlich uns Christen. Sogar <strong>die</strong> Liebe Gottes hat Grenzen.<br />

Das ist doch nur vernünftig. Bis heute.<br />

Wie oft höre ich zur Zeit in den Me<strong>die</strong>n, dass wir uns nicht um alle Flüchtlinge kümmern<br />

können. Und das ist doch vernünftig. Bilder von Deutschen Obdachlosen werden gezeigt –<br />

immer mit der Frage: Sollten wir uns nicht zuerst um <strong>die</strong> verlorenen Schafe unseres Volkes<br />

kümmern, bevor wir auch noch Ausländer ins Land holen – und den Kinder das <strong>Brot</strong><br />

wegnehmen und es den <strong>Hunde</strong>n verfüttern.<br />

Genauso drastisch sagt es Jesus zu der Frau. Erst <strong>die</strong> Kinder, dann <strong>die</strong> <strong>Hunde</strong>.<br />

So kennen wir Jesus eigentlich nicht – dass er von Menschen redet, als von Tieren.<br />

Aber <strong>die</strong> Frau lässt sich sogar von den Beleidigungen von Jesus nicht abschrecken – zu groß<br />

ist <strong>die</strong> Sehnsucht danach, ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen.<br />

Ja, Jesus, du hast Recht – zuerst <strong>die</strong> Kinder – aber denk mal nach, was du immer gepredigt<br />

hast. Die Liebe Gottes ist so groß und verschwenderisch, dass immer was am Tisch<br />

übrigbleibt. Und wir <strong>Hunde</strong> sind nicht wählerisch - wir fressen alles. Hauptsache wir<br />

überleben. Das was unter den Tisch fällt – was eh keiner mehr braucht um satt zu werden –<br />

wir nehmen niemand was weg – wir wollen nur das, was übrig ist. Eine Handvoll Reis; das<br />

was <strong>die</strong> Kinder nicht mehr schaffen – da<strong>für</strong> würden wir <strong>die</strong> Augen verdrehen.<br />

Und endlich gibt Jesus nach: Dir geschehe, wie du willst. Dein Vertrauen ist groß.<br />

Es ist, als ob Jesus selbst überrascht ist, dass er ausgerechnet bei der Ausländerin das findet,<br />

was er beim eigenen Volk so schmerzlich vermisst – Dankbarkeit, Vertrauen und Hoffnung.<br />

Was können wir mitnehmen von <strong>die</strong>ser Geschichte?<br />

Direkt im Anschluss berichtet Matthäus noch einmal von einer Speisung. Diesmal werden<br />

nur noch 4000 Menschen satt – und es sind nicht mehr nur 5 <strong>Brot</strong>e sondern 7 <strong>Brot</strong>e nötig –<br />

und es bleiben nicht mehr 12 Körbe, sondern nur noch 7 Körbe übrig.<br />

Es wird wirklich weniger. Aber alle, <strong>die</strong> kommen, werden auch satt. Kein Kind muss bei uns<br />

hungern, wenn der Hund ein paar Brocken bekommt. Wir müssen uns buchstäblich nichts<br />

vom Munde absparen – sondern nur von unserem Überfluss geben. Es wird weniger – aber<br />

immer noch genug.<br />

Ich bin deshalb sehr dankbar <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erklärung unserer Bischöfe zur Flüchtlingssituation –<br />

dort heißt es im Punkt 3: Unsere Gesellschaft steht vor einer großen Herausforderung, aber<br />

auch unsere Kräfte sind groß.<br />

Nicht einmal 10% von dem, was unsere Banken in der Krise bekommen haben, sind nötig um<br />

800.000 Menschen in Deutschland aufzunehmen – und mal Hand aufs Herz: Wem von uns ist<br />

es in der Bankenkrise wirklich schlechter gegangen?<br />

Mag sein, dass <strong>die</strong>se Ausländer nie so richtig zu geliebten Kindern unseres Volkes werden.<br />

Dass sie nie zu unserer Familie gehören, wie unsere Kinder. Mag sein, dass sie gierig sind und<br />

nach jedem Happen schnappen, den sie ergattern können. Aber schlechter als unsere<br />

Haustiere sollten wir sie nicht behandeln. Denn egal wie seltsam sich unsere Paula auch<br />

manchmal aufführt, wie gierig sie nach jedem Happen schnappt und wie eklig sie sich<br />

manchmal im Misthaufen suhlt. Wir haben sie ins Herz geschlossen und sie gehört zur<br />

Familie. Und eine Handvoll Reis bleibt sicher bei jedem Essen übrig. Amen<br />

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus<br />

Jesus. Amen

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