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return Ausgabe 03-2016

Schwerpunktthema: Zukunft managen Gezielter Blick auf das Geschäft von morgen

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MENSCH & UNTERNEHMEN<br />

MENSCH & UNTERNEHMEN<br />

Mittelstand nur im Mittelfeld<br />

Engpässe bei Fachkräften und Innovationsfinanzierung<br />

Mittelstand ist innovativ<br />

Inhaber treiben als Motor neue Projekte in Unternehmen<br />

Dietmar Harhoff, Direktor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb:<br />

Nikolaus Franke, Professor der Wirtschaftsuniversität Wien:<br />

Der Mittelstand wird gemeinhin als eine der besonderen<br />

Stärken der deutschen Volkswirtschaft charakterisiert.<br />

Dabei wird vor allem auf seine große Bedeutung für Beschäftigung<br />

und Innovation verwiesen. Besonders hervorgehoben<br />

wird regelmäßig die Rolle der sogenannten Hidden Champions.<br />

Diese machen jedoch nur einen kleinen Teil des Mittelstands<br />

aus. Die Gesamtgruppe des Mittelstands ist in ihrer<br />

Innovationsleistung heterogen.<br />

Im Vergleich zum Ausland zeigt sich, dass die durchschnittlichen<br />

Innovationsausgaben von kleinen und mittleren Unternehmen<br />

(KMU) in Deutschland geringer sind als in wichtigen<br />

europäischen Vergleichsländern. Patentaktivitäten und<br />

Innovationserfolge weisen im europäischen Vergleich ein gemischtes<br />

Bild auf: Während deutsche KMU bei der Häufigkeit<br />

der Produkt- oder Prozessinnovationen führen, erreichen<br />

sie bezüglich der Patentintensität und des Umsatzanteils mit<br />

neuen Produkten nur einen Platz im Mittelfeld.<br />

Die Expertenkommission Forschung und Innovation ist in<br />

Sorge, dass ein großer Teil des Mittelstands die Relevanz des<br />

digitalen Wandels unterschätzt. Die Bedeutung innovativer<br />

Geschäftsmodelle, die auf software- und internetbasierten<br />

Technologien aufbauen, hat sehr stark zugenommen und<br />

wird weiter deutlich zunehmen. Bei Unternehmen, die diese<br />

Entwicklung nicht aufgreifen, besteht die Gefahr, dass sie<br />

ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Besonders wichtige digitale<br />

Technologien sind Big Data und Cloud Computing,<br />

da beide Technologien die bestehenden Technologien, Produkte<br />

oder Dienstleistungen verdrängen. KMU nutzen Big<br />

Data und Cloud Computing seltener als große Unterneh-<br />

Foto: David Ausserhofer<br />

men. Deutsche Unternehmen zählen hier im internationalen<br />

Vergleich ohnehin nicht zur Spitzengruppe. Daher sollte die<br />

Innovationspolitik unterstützen, neue Wertschöpfungspotenziale<br />

in der internetbasierten Wirtschaft zu erschließen und<br />

hier Schwächen auszugleichen. Des Weiteren sollte die Innovationspolitik<br />

an weit verbreiteten Innovationshemmnissen<br />

ansetzen. Hierzu zählen der zunehmende Mangel an Fachkräften<br />

und der Mangel an internen Finanzierungsquellen.<br />

Durch diese Innovationshemmnisse liegt vorhandenes Innovationspotenzial<br />

von KMU in Deutschland brach.<br />

Innovationshemmnisse<br />

abbauen<br />

Der zunehmende Fachkräftemangel hat seine Ursache in der<br />

demografischen Entwicklung und der Wissensintensivierung<br />

der Wirtschaft. Er stellt mittlerweile für rund ein Drittel der<br />

innovationsaktiven KMU ein Innovationshemmnis dar. Politik,<br />

Kammern und Verbände sollten ihre Unterstützungsmaßnahmen<br />

für KMU, die ausländische Fachkräfte rekrutieren,<br />

intensivieren und eine Informationskampagne starten.<br />

Auch der Mangel an internen Finanzierungsquellen behindert<br />

die Innovationsaktivitäten von fast einem Drittel der innovationsaktiven<br />

KMU. Hierzulande werden nur 14 Prozent<br />

der <strong>Ausgabe</strong>n für Forschung und Entwicklung (FuE) von<br />

KMU aus staatlichen Quellen finanziert. In den meisten Vergleichsländern,<br />

die neben der direkten Förderung auch über<br />

eine steuerliche FuE-Förderung verfügen, ist dieser Anteil<br />

mehr als doppelt so hoch. Bei dieser Förderung wird den Unternehmen<br />

eine Steuergutschrift proportional zur Höhe ihrer<br />

FuE-<strong>Ausgabe</strong>n gewährt. Das Instrument steht Unternehmen<br />

in den meisten OECD-Ländern zur Verfügung, Deutschland<br />

jedoch macht noch keinen Gebrauch. Die Förderinstrumente<br />

sollten durch die Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung<br />

unter besonderer Beachtung der KMU-Belange ergänzt<br />

werden. Zudem sollte die Politik die Rahmenbedingungen<br />

für Wagniskapitel und damit die Finanzierungsmöglichkeiten<br />

für innovative Unternehmensgründungen verbessern. ~<br />

Der Autor ist Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation<br />

(EFI), die für die Bundesregierung wissenschaftliche Politikberatung<br />

zu Fragen der Forschungs- und Innovationspolitik leistet. Er ist<br />

Direktor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb.<br />

Die ideologischen Antipoden Joseph Schumpeter und<br />

Karl Marx eint eine historische Fehlprognose: beide<br />

glaubten an das baldige Ende des Mittelstands. „The capitalist<br />

process unavoidably attacks the economic standing<br />

ground of the small producer“, schrieb der Entdecker des<br />

Prinzips der schöpferischen Zerstörung. Und „Die Konkurrenz<br />

(…) endet stets mit Untergang vieler kleinerer Kapitalisten”,<br />

ergänzte der Urvater des Kommunismus.<br />

Heute, Jahrzehnte nach diesen düsteren Prognosen, ist ihr<br />

Irrtum evident. Der Mittelstand existiert nicht nur weiterhin,<br />

sondern ist kerngesund und nimmt an Bedeutung<br />

sogar weiter zu. Für den Erfolg des Mittelstands gibt es<br />

zahlreiche Gründe. Einer der wichtigsten ist, dass kleine<br />

und wendige Unternehmen im heute besonders wichtigen<br />

Wettbewerbsfaktor Innovation entscheidende Vorteile gegenüber<br />

Großunternehmen haben. Ihre geringere Unternehmensgröße<br />

begünstigt schnelle Reaktionen auf neue<br />

Trends und disruptive Veränderungen. In einer flachen<br />

Organisationstruktur ist die Kommunikation direkt und<br />

informell. Und für Innovationserfolge ist entscheidend,<br />

dass man eine sich bietende Gelegenheit schnell nutzt und<br />

nicht in endlosen Gremiensitzungen, Strategiemeetings<br />

und Lenkungsausschüssen zu einem faulen Kompromiss<br />

zerredet – Alltag in Großunternehmen. Eine entscheidende<br />

Rolle im mittelständischen Innovationsmanagement<br />

nimmt aber die Unternehmerpersönlichkeit ein. Der Unternehmer<br />

hat im Mittelstand einen weitaus größeren Einfluss<br />

auf das tatsächliche Unternehmensgeschehen als Manager<br />

in Großunternehmen. Er kennt Prozesse, Personen,<br />

Foto: Stephan Huger<br />

Technologie und Markt. Glaubt er an ein Innovationsprojekt,<br />

dann kann er als „Machtpromotor“ innerbetriebliche<br />

Widerstände schnell und effektiv überwinden.<br />

Beeindruckende Energie<br />

und Kreativität<br />

Als wissenschaftlicher Leiter des größten deutschen Innovationswettbewerbs<br />

im Mittelstand (TOP 100) habe ich seit<br />

15 Jahren genaue Einblicke in deren Strukturen, Strategien<br />

und Leistungen. Und Jahr für Jahr bin ich beeindruckt, mit<br />

welcher Energie und welcher Kreativität sich diese Unternehmen<br />

permanent neu erfinden. Es ist keine Seltenheit,<br />

wenn hier 30 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung<br />

fließen und 80 Prozent des Umsatzes und Gewinns<br />

mit Innovationen der letzten drei Jahre gemacht werden. Die<br />

innovativsten Großunternehmen der Welt wären stolz, wenn<br />

sie diese Werte auch nur annähernd erreichen würden. Viele<br />

der TOP 100 Unternehmen treiben die Entwicklung von<br />

Spitzentechnologien, sind Weltmarktführer in ihren Bereichen,<br />

führen disruptive Innovationen ein und schaffen mit<br />

ihrer konsequenten Innovationsorientierung Arbeitsplätze<br />

und Wohlstand.<br />

Trotzdem unterschätzen viele Menschen die Innovationsleistung<br />

des Mittelstands. Dies hat systematische Gründe.<br />

Zunächst bieten Mittelständler häufig Investitionsgüter an.<br />

Man kann sie nicht im Supermarkt kaufen, vielen Menschen<br />

sind ihre Produkte fremd und abstrakt. Auch in den Medien<br />

spielen sie eine weitaus kleinere Rolle, als ihrer Bedeutung<br />

entspricht. Und schließlich ist die klassische Tugend der<br />

Bescheidenheit hier noch sehr stark verankert. Vielleicht zu<br />

sehr? Der typische Mittelständler schätzt Understatement<br />

und konzentriert sich auf die „eigentliche“ Arbeit. Die Konsequenz<br />

ist, dass seine Innovationsleistungen und -potenziale<br />

oft nicht bekannt sind. Aus meiner Sicht ist das bedauerlich.<br />

Dürfte ich mir etwas wünschen, dann wäre dies, dass der innovative<br />

Mittelstand seine Innovationskraft auch auf seine<br />

Unternehmenskommunikation ausdehnt. Nur dann wird er<br />

die Anerkennung bekommen, die er verdient. ~<br />

Der Autor forscht und lehrt in Österreich am Institut für Entrepreneurship<br />

und Innovation. Er fungiert in Deutschland als wissenschaftlicher Leiter<br />

des Wettbewerbs „Top 100“.<br />

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