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return Ausgabe 03-2016

Schwerpunktthema: Zukunft managen Gezielter Blick auf das Geschäft von morgen

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HINTERGRUND & WISSEN<br />

HINTERGRUND & WISSEN<br />

Nancy McKinstry gelang als CEO die Transformation von Wolters Kluwer.<br />

standzeiten seines Kunden. Gemeinsam mehr Produktivität<br />

bei höherem Kundennutzen zu schaffen, verspricht für alle<br />

Beteiligten große Chancen.<br />

Industrie 4.0 vernetzt nicht nur Produktion, sondern<br />

schafft Geschäftsmodelle und prägt Organisationen.<br />

Welche Anforderungen stellt dies an die Unternehmensführung?<br />

Die Abkehr von Durchführungs- und Durchsetzungsorganisationen<br />

zählt zu den großen Herausforderungen der neuen<br />

Unternehmensführung. Es geht nicht mehr darum, allein<br />

zu liefern wie bestellt. In heutigen Industriebetrieben klappt<br />

die Arbeitsteilung nach vorgedachten Prozessen – stets weiter<br />

optimiert in Qualität, Zeit, Kosten. Häufig hierarchische<br />

Strukturen mit klaren Zuständigkeiten zählen in diesen<br />

Leistungsorganisationen. Nach der digitalen Transformation<br />

funktionieren Organisationen aber anders. Nicht die eigene<br />

Produktproduktion sondern der Produkteinsatz beim<br />

Kunden ist maßgeblich. Der Unternehmer hat mit Blick auf<br />

Kundenprozesse das Unternehmen zu optimieren. Entwicklungen<br />

finden nicht mehr linear, sondern exponentiell statt.<br />

Planungen werden kurzfristiger, die Organisation flexibler,<br />

die Dynamik stärker, die Lernfähigkeit ausgeprägter, die<br />

Fehlertoleranz höher.<br />

Steigt damit auch die Risikobereitschaft?<br />

Ja. Unternehmensführer müssen mehr Risikobereitschaft in<br />

ihrer Belegschaft zulassen und lernen, anders mit Risiken<br />

umzugehen. Lange Kommunikationswege und starre Hierarchien<br />

sind dann hinderlich. Denn für Neuentwicklungen<br />

steht weniger Zeit zur Verfügung. Verhalten und Kultur<br />

müssen sich ändern. Im Kern wird man Wertvorstellungen<br />

erkennen, analysieren und anpassen müssen. Das wird elementar.<br />

Oder wie Management-Vordenker Peter Drucker<br />

formulierte: „Culture eats strategy for breakfast.“<br />

Sinnvoll in Arbeitsprozessen integriert sind Anwendungen bei Addison.<br />

Komplexität sei der Hauptgrund für die wachsende Zahl<br />

von Krisen, warnt Management-Experte Fredmund<br />

Malik, aber das Wissen um Komplexität und wie man sie<br />

meistert, sei die wichtigste Ressource für funktionierende<br />

Organisationen. Stimmen Sie ihm zu?<br />

Absolut. Mit Internettechnologien ist uns der echte Produktivitätssprung<br />

doch noch gar nicht gelungen. Komplexität<br />

scheint erst Fehlfunktionen zu verursachen, bevor wir sie<br />

richtig zu nutzen wissen.<br />

Wie empfehlen Sie, sinnvoll mit Komplexität als Rohstoff<br />

für Intelligenz, Innovation und Evolution umzugehen?<br />

Komplexität gilt es zu beherrschen. Dazu muss man in der<br />

Wertschöpfung den Nutzen verstehen. Priorisieren lernen,<br />

Relevanz schaffen, Standards setzen. Oder Fertigungen modularisieren.<br />

Fahrzeug-Plattformen in der Automobilindustrie<br />

sind bewährte Beispiele für Wiederverwertbarkeit. Aus<br />

Big Data die relevanten Führungsinformationen zur Verfügung<br />

zu stellen, schafft ebenfalls Lösungen aus Komplexität.<br />

Im Vorteil ist, wer nicht in Komplexität versinkt. Man kann<br />

übrigens auch in kleinen Etappen zum Ziel kommen.<br />

„Data Analytics“ beschreibt den nächsten Schritt für<br />

Wolters Kluwer. Worin wird dafür verstärkt investiert?<br />

Heute arbeiten die Mitarbeiter von Wolters Kluwer mehrheitlich<br />

als Softwareingenieure, im Produktmanagement, im<br />

Vertrieb und im Marketing. Ein Merkmal früher war, dass<br />

der Kundenkontakt vollständig fehlte. Der lag beim Handel.<br />

Heute ist der Kunde allgegenwärtig. Jetzt wird in der dritten<br />

Phase unserer Transformation geschaut, was der Nutzer<br />

mit WK-Anwendungen erarbeitet. Die Daten, die daraus zu<br />

ziehen sind, werden in neue Anwendungen übersetzt. Aus<br />

der WK-Produktwelt eignet sich ein Beispiel in den USA,<br />

um den nächsten Schritt zu zeigen: Tymetrix und Passport<br />

sind Plattformen für Rechtsabteilungen. Eine Anwendung<br />

ermöglicht, Rechnungen von Anwaltskanzleien auszuwerten<br />

hinsichtlich der aufgeführten Arbeitsstunden und Vergütungen.<br />

Nach einem Auftrag ist jede Transaktion, die etwa in<br />

New York angefallen ist, USA-weit nach Stundensätzen zu<br />

vergleichen. Mit diesem Datenstamm sind Ausschreibungen<br />

zu steuern. Kurzum: Hier entstehen neue Lösungen.<br />

Statt Verfügbarkeit ist Produktivität entscheidend. Gibt<br />

es hierfür modellhaft ein Beispiel?<br />

Nehmen wir das ehemalige Inhalte-Angebot in klassischen<br />

Loseblatt-Sammlungen zu aktuellen Rechtsprechungen.<br />

Das Geschäftsmodell adressierte den Wert der Verfügbarkeit<br />

solcher Inhalte. Der Kunde zahlt nicht für Inhalte, sondern<br />

für einen produktiven Arbeitsvorgang, in dem solche Inhalte<br />

verarbeitet werden. Zum Arbeitsvorgang gehören zudem die<br />

Einbindung von Mitarbeitern, Dokumentations- und Freigabeprozesse.<br />

Neu für die Wertschöpfung ist die Unterstützung<br />

über die gesteigerte Produktivität, indem jetzt etwa für<br />

einen Fall Informationen direkt im Schriftsatz eingebunden<br />

werden können – inklusive Kommentierungen durch geöffnete<br />

Fenster am Rand. Anwender sparen Zeit und gewinnen<br />

an Effektivität.<br />

Für die Klientel aus Wirtschaft, Recht und Steuern – worin<br />

wandeln sich Arbeitswelten wesentlich?<br />

Die Möglichkeiten des Workflows erlauben, über neue IT-<br />

Lösungen für weniger Geld etwa Cloud-Dienste zu nutzen.<br />

Zweitens gibt es hohe Anforderungen an diese Berufe nach<br />

der Devise „More for less“, also mehr mit weniger Aufwand<br />

zu liefern, wodurch etwa jede Anwaltsstunde spitz kalkuliert<br />

sein muss, um die Wertschöpfung aufrechtzuerhalten. Drittens<br />

hält die Liberalisierung auch in Recht und Steuern verstärkt<br />

Einzug, wie das von neuen digitalen Lösungsanbietern<br />

etwa aus der Mobilität oder in der Hotellerie bekannt ist.<br />

Neue Player ohne Lizenz kommen auf, die ihre Rechtsdienste<br />

im Internet am Anwalt vorbei anbieten. Bewertungsportale<br />

übernehmen verstärkt die Qualitätssicherung, was sie zu<br />

einem attraktiven Vertriebskanal macht.<br />

Brauchen wir grundsätzlich mehr Gründergeist?<br />

Ja, da kann ich nur zustimmen. Allerdings sehe ich den<br />

Wunsch nach Selbstständigkeit in der neuen Generation<br />

stark ausgeprägt. Die Hochschulabsolventen sind förmlich<br />

angefixt, ihr eigenes Geschäftsmodell zu entwickeln und<br />

auszuprobieren. Ganze Gründerszenen entwickeln sich<br />

hierfür und stehen bereit mit Finanzierung und Know-how.<br />

Eine Maschinenbau-Fabrik ist bekanntlich schwieriger zu<br />

gründen als ein Internet-Start-up im E-Commerce oder<br />

Dienstleistungsbereich. Ehemalige Existenzgründer in traditionellen<br />

Industriebetrieben aufzunehmen, kann übrigens<br />

ein Segen sein. Engpässe für neues Unternehmertum sehe<br />

ich in puncto Führung und Kommunikation. Reine Spezialisten<br />

sind damit überfordert, weil das in den allermeisten<br />

Ausbildungen noch ausgebaut gehört.<br />

Ist eine neue Haltung nötig, die ein Scheitern und eine<br />

zweite Chance zulässt?<br />

Ja, aber ich unterscheide zwei Seiten. Zum einen Familienunternehmen,<br />

die über Generationen hinweg auch für<br />

Sicherheit in einer sozialen Marktwirtschaft stehen. Mit<br />

dieser Kultur dürfen Inhaber nicht leichtfertig umgehen.<br />

Zum anderen von Spezialisten gegründete Start-ups, denen<br />

diese Sozialisation fremd ist und denen Führungsfähigkeiten<br />

häufig noch fehlen. Sie investieren Risiko-Kapital und<br />

sehen Scheitern als Teil ihres Geschäftsmodells. Ich persönlich<br />

schätze vor allem aber die Familienunternehmer,<br />

die Risiken vor dem Hintergrund ihrer Unternehmenstradition<br />

und der damit verbundenen sozialen Verantwortung<br />

eingehen; sie sollten wir weiter unterstützen – und der<br />

Staat sie nicht melken.<br />

Welche Unternehmer inspirieren Sie?<br />

Ich sympathisiere mit einem konservativen Unternehmerbild<br />

im Mittelstand, denn sie übernehmen Verantwortung<br />

und stehen für eine wichtige Säule unserer Gesellschaft.<br />

Dieser Typ führt seine Firma glaubwürdig meist als Inhaber<br />

erfolgreich fort. Letztlich sind daraus über Generationen<br />

auch große Konzerne entstanden wie unsere Top-Autobauer<br />

Mercedes, Porsche, BMW und VW, die alle auch in Zukunft<br />

ihre Position verteidigen werden. An amerikanischen Unternehmern<br />

schätze ich diejenigen, die es gegen jeden Widerstand<br />

schaffen, Neues zu etablieren. Wie Elon Musk mit<br />

PayPal, SpaceX und Tesla Motors.<br />

Was genau finden Sie an ihm faszinierend?<br />

Musk zeigt mit Tesla vor allem, dass es heute nicht alleine<br />

ausreicht, fachlich oder technisch gut zu sein, um als Unternehmen<br />

Bestand zu haben. Unternehmen müssen beantworten<br />

können, warum sie handeln. Musk will nicht nur<br />

Elektroautos bauen, er will die Welt retten. Deshalb hat er so<br />

einen Zulauf auf sein unausgereiftes Produkt.<br />

Gute Unternehmer sind diejenigen, die nicht nur erklären,<br />

was sie tun und wie sie es tun, sondern warum sie es tun.<br />

Musk kann Letzteres überzeugend. (lächelnd). Ich halte übrigens<br />

auch die CEO des globalen Konzerns Wolters Kluwer,<br />

Nancy McKinstry, für vorbildlich. Sie hat früh klargemacht,<br />

dass wir angetreten sind, um die digitale Transformation<br />

für unsere Kunden umzusetzen. Ohne sie an der Spitze mit<br />

den von ihr gewährten Freiräumen wäre mir als Unternehmer<br />

zum Teil gegen das Establishment diese tiefgreifende<br />

digitale Transformation eines juristischen Verlagshauses in<br />

Deutschland kaum gelungen. ~<br />

u Mehr unter www.<strong>return</strong>-online.de<br />

Wissen weltweit<br />

an Profis vermitteln<br />

Der Multimediakonzern Wolters Kluwer mit Hauptsitz<br />

in den Niederlanden erzielte zuletzt mit weltweit rund<br />

19.000 Mitarbeitern 4,2 Milliarden Euro Jahresumsatz<br />

in 170 Ländern. Inhalte und Services in den vier Sparten<br />

„Legal & Regulatory“, „Governance, Risk & Compliance“,<br />

„Tax & Accounting“ und „Health“ unterstützen<br />

Anwender wie Ärzte, Anwälte, Steuerberater oder Unternehmensführer;<br />

davon 70 Prozent als digitale Lösung. In<br />

Deutschland steht das Unternehmen für Marken wie Addison,<br />

Carl Heymanns, Jurion oder Luchterhand.<br />

www.wolterskluwer.de<br />

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