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Lasertagung 2016<br />

Photonische Lösungen für die Mensch-Maschine-Interaktion in der digitalen Produktion<br />

Tünnermann, A.<br />

Friedrich Schiller Universität Jena, Institut für Angewandte Physik, Jena<br />

Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik, Jena<br />

In der Produktionstechnik sind wir heute Zeugen eines revolutionären Wandels – wir beobachten eine<br />

rapide Verdichtung in der Organisation und Vernetzung der Wertschöpfungskette über die gesamte Produktlebensdauer.<br />

Der Begriff Industrie 4.0 steht für diesen Wandel, in dessen Rahmen wesentliche Voraussetzungen<br />

für die kosteneffiziente Fertigung von individualisierten Produkten geschaffen werden. Die<br />

Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung von Mensch, Umwelt, Maschine<br />

und Produkt ist ein Kernelement dieser Entwicklung in der Arbeitswelt, mit starken Auswirkungen auf<br />

unseren Lebensalltag. Die Kooperation von Mensch und Maschine erfordert dabei eine neue Generation<br />

von interaktiven Sensoren. Insbesondere photonischen Sensorprinzipien zur latenzfreien Erfassung von<br />

räumlichen Szenen kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung zu. Diese neuartigen Sensoren, gepaart<br />

mit intelligenten Analyseverfahren, werden unsere Interaktion mit Maschinen radikal verändern und<br />

erstmals eine synergetische Zusammenarbeit ermöglichen.<br />

Der Beitrag diskutiert Herausforderungen und neue Trends in der Mensch-Maschine-Interaktion in der<br />

Produktion von morgen. Ein Fokus des Beitrags betrifft die Möglichkeit der Erfassung von räumlichen<br />

Szenen, unter Einsatz ultrakompakter Multiaperturkamerasysteme, nach dem Vorbild der Insektenaugen.<br />

©Fraunhofer IOF<br />

Abb. 1: Sichere Produktionsabläufe durch hochdynamische 3D-Vermessungssysteme<br />

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Lasertagung 2016<br />

Photonik – ein integraler Bestandteil der Industrie 4.0<br />

Löffler, K.; Hengesbach, S.<br />

TRUMPF Lasertechnik GmbH, Ditzingen<br />

Kurzfassung<br />

Industrie 4.0 bezeichnet die vertikale 1 und horizontale digitale Vernetzung der Produktion mit dem Ziel,<br />

Gesamtproduktivität, Flexibilität und Prozess-Stabilität zu steigern und unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke<br />

zu schaffen. Industrie 4.0 forciert und kanalisiert die Interaktion zwischen Produkten,<br />

Maschinen, Prozessen und Menschen in „intelligenten Fabriken“. Grundsätzlich erfordert I 4.0 nicht<br />

notwendigerweise photonische Prozessketten und vice versa.<br />

Die subtraktiven und generativen Laserprozesse ermöglichen jedoch erst einen Großteil der individualisierten,<br />

flexiblen Produktion. Mit einer Laserstrahlquelle können Schneid-, Schweiß-, Abtrags-, Markier-,<br />

Reinigungs-, und generative Fertigungsprozesse durchgeführt werden, ohne dass Formen und Werkzeuge<br />

hergestellt oder geändert werden müssen. Laserprozesse bieten neben dieser Flexibilität auch online-<br />

Prozesskontrollen und eine Vielzahl an integrierter Sensorik zur Überwachung der Quelle und der optischen<br />

Komponenten sowie die Möglichkeit der Optimierung auf Basis der Verfügbarkeit von Echtzeitdaten<br />

und Datenanalyse. In Summe werden also durch vernetzte Maschinen zur Laser-Materialbearbeitung der<br />

Produktion vor- und nachgelagerte Prozessschritte sowie Durchlaufzeiten und Individualisierungskosten<br />

signifikant reduziert: ein integraler Bestandteil der Industrie 4.0.<br />

1. Warum Industrie 4.0?<br />

Die Anforderungen an Fertigungsbetriebe wandeln sich derzeit grundlegend. Die Stückzahlen identischer<br />

Produkte nehmen ab, die Variantenvielfalt steigt [1,2]. Kunden erwarten – inspiriert durch die im Privatleben<br />

bereits akzeptierten Online-Versandhändler – auch im industriellen Umfeld online-Bestellung, kurze<br />

Lieferzeiten und Services wie das Abrufen des Bearbeitungsstatus. Daraus leiten sich einige grundlegende<br />

Herausforderungen und Chancen sowohl für kleine und mittelständische Unternehmen wie auch für<br />

Konzerne ab:<br />

1. Sinkende Losgrößen aufgrund zunehmend individualisierter Kundenwünsche.<br />

2. Kurze Reaktionszeiten in der Größenordnung von Tagen (Angebot, Fertigung & Lieferung).<br />

3. Echtzeit-Transparenz im Bezug auf den Fertigungsstatus der bestellten Produkte.<br />

4. Ortsunabhängige, globale Bestellung über Online-Portale.<br />

5. Hohe Teile-Qualität forciert durch eine bessere Vergleichbarkeit von Produkten und Kosten.<br />

6. Wettbewerbsverschärfung durch beschleunigte technische Neuerungen.<br />

7. Verbesserte Methoden, um aus Prozessdaten Erkenntnis und Wissen zu generieren:<br />

»Smart Data aus Big Data«.<br />

Aus diesen Anforderungen leitet sich die Definition von Industrie 4.0 (I 4.0) bei TRUMPF ab:<br />

»Industrie 4.0 bezeichnet die digitale Vernetzung der Produktion mit dem Ziel, Gesamtproduktivität, Flexibilität<br />

und Prozess-Stabilität zu steigern und unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke zu<br />

schaffen.«<br />

Aus einer in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IPA erstellten Studie konnten nach detaillierter Analyse<br />

folgende Aussagen aus den Prozessdaten von 25 deutschen Kunden abgeleitet werden:<br />

Fazit 1: Wertschöpfende Tätigkeiten stellen den kleinsten Anteil am Produktionsprozess dar: der Zeitaufwand<br />

für indirekte Tätigkeiten ist im Mittel um den Faktor fünf größer, als die Maschinenlaufzeit. Auf eine<br />

Stunde Bearbeitungszeit entfallen etwa vier Stunden indirekte Tätigkeiten. 80 Prozent des Optimierungspotenzials<br />

in der Fertigung entfallen folglich auf die indirekten Prozesse.<br />

1 Horizontale Vernetzung bezeichnet die Netzwerke einer Ebene der I 4.0 (siehe „Industrie 4.0 auf vier Ebenen“), vertikale Vernetzung verbindet die Ebenen der I 4.0<br />

von der Sensorik bis hin zu den Ökosystemen untereinander.<br />

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Fazit 2: Der Alltag ist geprägt durch Variantenvielfalt und Änderungen. Kleine Losgrößen sind weit verbreitet<br />

und kurze Reaktionszeiten werden regelmäßig gefordert. Der Anteil an Wiederholteilen (Reproduktion<br />

der gleichen Produkte ohne Variation) ist kleiner als 50 Prozent.<br />

Fazit 3: Die Komplexität der Marktanforderungen nimmt zu. Die Fertigung muss konkurrierende Ziele wie<br />

Qualität, Termintreue, Materialeffizienz und Kapazitätsauslastung beherrschen (Polylemma der Produktion).<br />

Fazit 4: Fertigungssteuerung und Intralogistik bieten große Potenziale; fehlende Transparenz wird als ein<br />

Hauptproblem wahrgenommen.<br />

Der Vorschub bei 2D-Schneid- und Schweißmaschinen ist bereits so groß, dass das Optimierungspotential<br />

der Prozesszeiten (Bearbeitungszeit) in Relation zur Veränderung des Gesamtwirkungsgrades des<br />

kumulierten Auftrags-, Herstellungs- und Vertriebsprozesses verhältnismäßig klein ist. Entscheidend für<br />

die Gesamtproduktivität sind die vor- und nachgelagerten Prozesse vom Bestellvorgang über die Materialbeschaffung<br />

bis zur Rechnungsstellung und Auslieferung. An dieser Stelle bietet die vernetzte Produktion<br />

Vorteile. Mit ihrer Hilfe lassen sich auch die indirekten Prozesse synchronisieren und vereinfachen sowie<br />

Durchlauf- und Reaktionszeiten verkürzen.<br />

Im Gegensatz zur 3. industriellen Revolution, der Digitalisierung und der Automatisierung, ist das Ziel<br />

von I 4.0 nicht nur die Ansteuerung (Laserbasierter) Werkzeugmaschinen mit Daten aus einer CAD/CAM<br />

Schnittstelle, wie es derzeit bei der „Digitalen Photonischen Produktion“ [3] mit dem Slogan »from bits to<br />

photons to atoms« [3] im Vordergrund steht, sondern das Installieren »dynamischer, in Echtzeit optimierter<br />

und selbstorganisierender Wertschöpfungsnetzwerke, die mehrere Unternehmen und Unternehmensebenen<br />

umspannen.«<br />

2. Industrie 4.0 auf vier Ebenen<br />

Die Umsetzung der technischen Maßnahmen zum Bilden der Wertschöpfungsnetzwerke findet auf vier<br />

Ebenen statt (Bild 1): (1) den Sensoren und Aktoren, (2) den Maschinen, (3) Fabriken und (4) den Industriesektoren<br />

(oft auch als Ökosysteme bezeichnet).<br />

Sensoren und Aktoren (Ebene 1)<br />

generieren und erfassen eine Vielzahl<br />

von Daten für den optimalen Maschinenbetrieb<br />

und bilden die Grundlage<br />

für die I 4.0. Prozess- und Echtzeitqualitätskontrolle<br />

werden im Bereich der<br />

Laser-Materialbearbeitung durch Einschweißtiefenregelung,<br />

Nahtlageregelung,<br />

Bildverarbeitung, Werkstück- und<br />

Merkmalserkennung, Temperaturregelungen<br />

(zum Härten, Enthärten, Löten,<br />

Kunststoffschweißen) sowie Fokus- und<br />

Bild 1: Industrie 4.0 auf vier Ebenen<br />

Leistungskalibrierung sichergestellt.<br />

Eine offene und modulare Architektur<br />

der Sensorik-Plattform ist Voraussetzung<br />

für die Öffnung der Schnittstellen<br />

zu Drittanbietern und eine Einbettung<br />

in das Konzept I 4.0. Prozessdaten<br />

können so in übergeordneten Systemen<br />

verarbeitet werden. Zusätzlich zur<br />

Prozess-Sensorik werden auch Daten von Laserstrahlquelle und Optik permanent aufgezeichnet. Während<br />

z.B. die Laser-Leistungsüberwachung oder die Detektion von Streulicht im Laserresonator in vielen<br />

Produkten bereits integriert sind, zielen aktuelle Entwicklungsprojekte auf die konsequente Nachverfolgbarkeit<br />

und Charakterisierung aller verbauten Schlüsselkomponenten ab. Eine Fokussierlinse mit RFID-<br />

Etikett und Streulichtsensor versehen, kann einerseits zur Identifizierung dienen und dem Monteur beim<br />

Auslesen des Etiketts wichtige Einbaukriterien wie die korrekte Linsenposition im Tubus übermitteln, andererseits<br />

kann auch der Grad der Verschmutzung ausgelesen werden, so dass die Maschinensteuerung<br />

durch Ermittlung des Transmissionsgradienten über der Zeit den Austauschzeitpunkt der Komponente<br />

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bestimmen kann und einen Bestellvorgang frühzeitig auslöst. Zentrales Merkmal aller Sensordaten ist<br />

der IEEE 1588 Zeitstempel, der die Verknüpfung aller Daten sicherstellt.Neben den Sensorik-Daten kann<br />

das Werkstück selber ebenfalls als Informationsträger dienen. Mit nahezu jeder Laser-Konfiguration lässt<br />

sich ein Data-Matrix-Code auf dem Werkstück aufbringen. Beim Black-Marking wird dabei nicht einmal<br />

die Oberflächenform und Rauheit sondern lediglich die Art der Kohlenstoffverbindungen verändert. Diese<br />

Markierungen sind abriebfest und stellen zudem eine Rückverfolgbarkeit sicher.<br />

Die Sensoren kommunizieren auf der Ebene der Systeme und<br />

Maschinen (Ebene 2) mit der Maschinensteuerung über den<br />

Feldbus. Als Stand-Alone Lösung speichert die Maschinensteuerung<br />

zur Qualitätssicherung alle Zielwerte und die Messwerte<br />

der Prozessparameter in einer Datenbank und transferiert<br />

diese bei Bedarf in das Manufacturing Execution System<br />

(MES). Die Rückverfolgbarkeit der Prozessdaten ist so über<br />

Jahre gewährleistet. Die Ansteuerung auf Maschinenebene erfolgt<br />

durch Feldbusse (ProfiNet, EthnerIP, DeviceNet, ProfiBus,<br />

EtherCAT, PowerLink, InterBus ,OPC), Parallel I/O, Echtzeitschnittstellen,<br />

analoge Ansteuerung oder OPC UA.<br />

Die Maschinensteuerung lässt sich durch eine App auf einem<br />

mobilen Tablet-PC (Bild 2) darstellen, so dass die Maschine<br />

innerhalb der Produktionshalle fernsteuern lässt (Direktverbindung<br />

Maschine ↔ Tablet-PC). Prozessbilder und Videoübertragung<br />

aus der Kabine gehören derzeit genauso zur Ausstattung<br />

wie Statistiken zur Auslastung und automatische e-mail Benachrichtigung. Zu den Funktionalitäten der<br />

direkten Maschinenkommunikation gehören unter anderem die Übersicht von Kunden- und Produktionsaufträgen<br />

und Produktionsplänen, MDE-Meldungen und -Auswertungen (MDE: Maschinendatenerfassungssystem),<br />

Überblick von Kundenaufträgen, sowie Code Scanner. Auf Maschinenebene ist neben der<br />

lokalen Fernsteuerung und Überwachung ebenfalls die Fernwartung bzw. TelePräsenz eine Schnittstelle<br />

und Kundenanforderung.<br />

Ein erstes Netzwerk kann bereits auf der Maschinenebene (Ebene 2) erzeugt und Daten im Sinn der I 4.0<br />

zu einem effizienten Wertschöpfungsnetzwerk kombiniert werden. Die Auslastung und Wirtschaftlichkeit<br />

einer Strahlquelle kann durch ein Lasernetzwerk (Bild 3) deutlich gesteigert werden, in dem eine Strahlquelle<br />

im Time-Sharing-Verfahren mehrere Bearbeitungsstationen<br />

abwechselnd mit Laserstrahlung<br />

versorgt. Das Umschalten zwischen den einzelnen<br />

Bearbeitungsstationen erfolgt in wenigen Millisekunden.<br />

Je nach Laseraggregat können bis zu<br />

sechs Bearbeitungsstationen parallel an ein Aggregat<br />

angeschlossen werden. Mit dem Laserlichtkabel<br />

wird ein Datenkabel verlegt, das die Informationen<br />

über Herkunft des Strahles sowie die Sicherheitsund<br />

Steuerungsdaten überträgt. Die Kommunikation<br />

der vernetzten Komponenten erfolgt über Feldbussysteme.<br />

Bei Bedarf können jederzeit weitere<br />

Bearbeitungsstationen in das Netzwerk integriert<br />

werden. Dies ist bereits ein Grund dafür, warum<br />

Laserstrahlquellen integraler Bestandteil der I 4.0<br />

sind: sie liefern „on demand“ Prozessenergie mit<br />

den erforderlichen räumlichen und zeitlichen Eigenschaften<br />

an die Bearbeitungsstationen. Dabei<br />

ist die Laserstrahlung auch das Werkzeug selbst,<br />

das mit dem Werkstück interagiert.<br />

Auf der Ebene der Unternehmen und Fabriken<br />

(Ebene 3) wird das Netzwerk der Produktionsmaschinen<br />

nun über ein Factory Gate (Bild 4, weiße<br />

Quader) direkt mit der Fertigungssteuerung verbunden.<br />

Hier werden Zustandsüberwachung, Produktionssteuerung,<br />

kaufmännische Abwicklung,<br />

Lagerverwaltung, sowie die integrierte Werkzeug-<br />

Bild 3: Beispiele für Laser-Netzwerke<br />

Bild 2: TruTops Fab App<br />

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und Maschinenverwaltung ganzheitlich angebunden.<br />

Kostentransparenz wird beispielsweise durch<br />

auftragsbezogene automatische Rückmeldungen<br />

des Materialverbrauchs und der Bearbeitungszeiten<br />

erzielt. Auftragsstand und Auslastung sind immer<br />

aktuell. Dies erleichtert die Verwaltung und die<br />

Übersicht der Produktionsaufträge. Die Visualisierung<br />

der Maschinenzustände und Auslastungen<br />

über „Dashboards“ ermöglichen die Kontrolle der<br />

Prozesse und die gezielte Analyse der individuellen<br />

Produktionszellen durch Vergleich von Durchlaufzeiten<br />

und Maschinenauslastungen. Auch können<br />

über dieses Gate Fernwartungen durchgeführt<br />

werden oder Datenübertragungen – wie die Ersatzteilbestellung<br />

und Serviceanfragen von Maschinen<br />

– ermöglicht werden. Insgesamt gewährleisten<br />

„Device Gate“, „Machine Gate“ und „Factory Gate“<br />

die erforderliche Datensicherheit.<br />

Auf der vierten Ebene können nun Industrie- und<br />

Sektorenübergreifend nicht nur online-Geschäftsmodelle<br />

wie ein Webshop direkt an die Produk-<br />

Bild 4: Aufbau einer Smart Factory<br />

tion gekoppelt werden, sondern auch produktionsrelevante<br />

Dienstleistungen eingekauft werden. AXOOM ist eine digitale Geschäftsprozessplattform<br />

mit Programmen für die Fertigungswelt. Die offene, herstellerunabhängige Plattform stellt Infrastruktur<br />

bereit wie Rechenleistung, sicheren Datentransport, Speicherung und Analyse von Daten oder Abrechnungssysteme.<br />

Gleichzeitig bietet sie Lösungsmodule für die durchgängige Auftragsbearbeitung in einem<br />

Produktionsbetrieb – inklusive Produktionsplanung und Fertigungssteuerung sowie Kennzahlen-cockpits<br />

für maximale Transparenz. Bei speziellen Optimierungsaufgaben kann ein Dienst z.B. für einen Monat<br />

genutzt werden, ohne dass diese Software dauerhaft gekauft werden muss. Dies bezieht sich nicht nur<br />

auf die kaufmännische Ebene oder die Optimierung der Produktion z.B. durch Shop-Floor Management,<br />

sondern kann auch auf Produktionsprozesse ausgeweitet werden. Parametersätze zur Materialbearbeitung<br />

neuer Werkstoffe oder besondere Prozessregelstrategien können online eingekauft werden. In die<br />

Cloud-Speicher übertragene Maschinendaten können vom Werkzeugmaschinenhersteller analysiert und<br />

Wartungsintervalle so besser geplant werden. Ist der Transmissionsgrad einer Optik zur Materialbearbeitung<br />

noch nahezu unverändert, muss kein Schutzglas gewechselt werden (siehe Sensoren und Aktoren,<br />

Ebene 1). Kündigt sich der Ausfall einer Pumpdiodeneinheit an, kann der Servicetechniker den Austausch<br />

der Einheit zum nächsten Wartungstermin einplanen. Die Daten können auch genutzt werden, durch das<br />

Nutzungsverhalten das geeignete Produkt zu wählen. Zwei Festkörperlaser können beispielsweise durch<br />

einen Laser mit zwei Abgängen ersetzt werden, wenn sich nach Analyse der Produktionsdaten herausstellt,<br />

dass die Einzelauslastung der Laser gering ist und die Prozesse Laserleistung zyklisch abrufen.<br />

3. Photonische Prozesse als Katalysator der I 4.0<br />

Warum ist nun gerade die Photonik ein Katalysator der I 4.0 und nicht z.B. die Kunststoff- und die Textiltechnik<br />

oder andere ur- und umformende Fertigungsverfahren? Laserbasierte Prozesse erzielen in Abhängigkeit<br />

der eingestellten Strahl- und Prozessparameter unterschiedliche Bearbeitungsergebnisse. Dieselbe<br />

Hochleistungs-Laserstrahlquelle 2 kann eingesetzt werden für:<br />

1. Additive (Generative) Fertigung: Pulverbettbasiertes Laserschmelzen (LMF, Laser Metal Fusion),<br />

Laserauftragschweißen (LMD, Laser Metal Deposition)<br />

2. Subtraktive Fertigungsverfahren: Bohren, Schneiden, Markieren, Abtragen, Reinigen, etc.<br />

3. Fügeverfahren: Löten, Schweißen, Bonden, Formschlüssiges Fügen<br />

4. Oberflächenmodifikation: Polieren, Strukturieren, Härten, Entfestigen, Umschmelzen<br />

2 Die optische Kommunikationstechnik nutzt Strahlquellen mit geringer Ausgangsleistung < 1 W und trägt neben den Laserbasierten Fertigungsverfahren natürlich<br />

auch zum Erfolg von I 4.0 bei. Die Telekommunikationstechnik wird im Rahmen dieses Beitrags jedoch nicht thematisiert.<br />

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Neben individualisierten Produkten<br />

ermöglicht die Kombination aus unterschiedlichen<br />

Laserbasierten Verfahren<br />

eine große Flexibilität, welche<br />

von TRUMPF exemplarisch an<br />

Hand eines Demonstrators aufgezeigt<br />

wird (Bild 5). Auf ein geeignetes,<br />

kostengünstiges Halbzeug (hier<br />

ein Stahlrohr) werden generativ eine<br />

Extruderwelle (Bild 5, unten 2.v.r.)<br />

und ein Flansch (Bild 5, unten 1.v.l.)<br />

aufgebracht. Zusätzlich wird ein<br />

durch pulverbettbasiertes Schmelzen<br />

hergestelltes schrägverzahntes<br />

Zahnrad (Bild 5, oben 1.v.l.) mittels<br />

Laserstrahlung angeschweißt. Die<br />

interne Fachwerkstruktur erhöht<br />

Bild 5: Laserbasierte Fertigungsverfahren<br />

die Biegefestigkeit. Durch geregelte<br />

Wärmebehandlung wird eine Randschichthärtung<br />

– z.B. als Lauffläche für ein Zylinderrollenlager – erstellt (Bild 5, unten 2.v.l.). In Abhängigkeit<br />

der Laserleistung und Ablenkbewegung des Scanners kann die Oberfläche strukturiert werden<br />

(Bild 5, oben, mittig), so dass durch anschließendes anschmelzen eines Kunststoffs eine formschlüssige<br />

Metall-Kunststoff Hybridverbindung entsteht. Reinigen und Markieren der Welle mit einem QR-Code (Bild<br />

5, unten 1.v.r.) zur Kennzeichnung für Rückverfolgbarkeit schließen die Bearbeitung ab. Wie bereits beschrieben,<br />

stehen die Daten der Laser-Bearbeitungsprozesse in Echtzeit zur Verfügung. Auch kann die<br />

Laserstrahlung für alle Prozesse von derselben Laserstrahlquelle erzeugt werden. Dies schafft die Voraussetzungen<br />

einer wandlungsfähigen Fabrik.<br />

Die laserbasierten generativen Fertigungsverfahren sind derzeit stark mit der Einführung der I 4.0 verbunden,<br />

da sowohl LMD wie auch LMF eine größtmögliche Designvielfalt und Individualisierbarkeit bieten<br />

und nicht auf (komplizierte) Halbzeuge angewiesen sind. Die Bauteile werden direkt aus Datensätzen<br />

erzeugt - dies erfordert detailliertes Prozessverständnis und CAx-Software mit spezifischen Funktionen<br />

zur Erzeugung bionischer Konstruktionen, Waben und Gittern sowie Stützstrukturen. Neben dem Leichtbaupotential<br />

und dem funktionellen Potential steht im Zusammenhang mit der I 4.0 das Produktionspotential<br />

im Vordergrund. Die bedarfsnahe Fertigung, eine vollständig digitale Prozesskette und die Erhöhung<br />

der Wirtschaftlichkeit der Verfahren mit zunehmender Komplexität der Bauteile tragen zum Erreichen der<br />

Ziele der I 4.0 bei. Ein weiteres Bindeglied stellt die zeitlich parallele Entwicklung zur Serienreife der I 4.0<br />

Werkzeuge und der generativen Fertigungstechnologie dar.<br />

Pulverbasierte generative Fertigungsverfahren (LMF, Laser Metal Fusion, Bild 6, links), haben sich<br />

in der vergangenen Dekade in verschiedenen Anwendungsbereichen etabliert und stellen in einigen Industriebranchen<br />

wie beispielsweise im Dentalbereich und der Medizintechnik mittlerweile ein gängiges<br />

Herstellungsverfahren dar. In anderen Branchen bieten die Verfahren durch die einzigartigen Bauteileigenschaften<br />

einen Mehrwert, so dass sie trotz der derzeit noch vergleichsweise großen Fertigungskosten<br />

zur Verwendung kommen. Im Leichtbau, der Luft- und Raumfahrt oder dem Automobilbau sind<br />

spezifische Bauteileigenschaften wie z.B. Hochtemperaturbeständigkeit erforderlich. Generativ gefertigte<br />

Teile werden daher in Prototypen, als Ersatzteil oder mittlerweile auch in Kleinserie eingesetzt. Die Materialeigenschaften<br />

lassen sich hierbei gezielt durch zeitliche Temperaturführung der Werkstoffe über eine<br />

Vorheizung einstellen.<br />

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Bild 6: pulverbasierte Fertigungsverfahren: LMF-Prozess (links) und LMD-Prozess (rechts)<br />

Die Aufbaurate der generativen Fertigungsverfahren ist prinzipiell umso größer, je geringer die Anforderungen<br />

an die Detailauflösung der Bauteilgeometrie ausfallen. Typischerweise sind aus dem Pulverbett Aufbauraten<br />

von ca. 5-70 cm 3 pro Stunde und Strahlquelle erreichbar. Beim Laserauftragschweißen (LMD,<br />

Laser Metal Deposition, Bild 6, rechts) mit Pulverzufuhr über Düsen an der Fokussieroptik werden hingegen<br />

bis zu 10x größere Aufbauraten erzielt; typische Aufbautraten sind 5-500 cm 3 pro Stunde und Strahlquelle.<br />

Das Laserauftragschweißen eignet sich im Gegensatz zum pulverbettbasierten Fertigungsverfahren<br />

zum Reparieren und Instandsetzen von Bauteilen mit erhöhtem Materialverschleiß. Dadurch, dass<br />

der Aufbau auf bestehende Bauteile möglich ist, kann der Laserauftragsscheißprozess zur Herstellung<br />

von Baugruppen in Hybridbauweise auch in ein klassisches CNC-Bearbeitungszentrum integriert werden.<br />

Beim LMD stehen große Auftragsraten und Reparaturen im Vordergrund (Tabelle 1), beim LMF hingegen<br />

eine endkonturnahe Fertigung mit kleineren Form- und Lagetoleranzen. Hierbei werden Fokusdurchmesser<br />

von 30 µm – 55 µm verwendet. Die Komplexität eines Bauteils, wie sie beispielsweise durch bionische,<br />

ausgehöhlte Leichtbaustrukturen oder Kühlkanäle zustande kommt, kann ohne Zusatzaufwand integriert<br />

werden, was unter dem Schlagwort „complexity for free“ [4] funktionalen Mehrwert ohne Mehrkosten bietet.<br />

Tabelle 1: Vergleich der laserbasierten generativen Fertigungsverfahren LMD und LMF [5]<br />

Auftragsrate<br />

Laser Metal Deposition (LMD)<br />

≤ 300 cm 3 /h (konventionell)<br />

≤ 700 cm 3 /h (optimiert)<br />

Laser Metal Fusion (LMF)<br />

≤ 70 cm 3 /h<br />

Rauheit Ra 10 – Ra 200 Ra 5 – Ra 10<br />

Auflösung < 0,5 mm < 0,1 mm<br />

Dimensionen Limitiert durch das Handling-System Limitiert durch die Prozesskammer<br />

Substrate<br />

Gekrümmte Substrate,<br />

bereits gefertigte Komponenten<br />

Plane Substrate<br />

Schichtdicke 0,3 – 1,5 mm 0,02 - 0,1 mm<br />

Schon heute kann eine Vielzahl von metallischen Legierungen generierend ohne Zusatzwerkstoffe verarbeitet<br />

werden. Häufig zum Einsatz kommen Titan und Aluminium, verschiedene Stahlwerkstoffe und Legierungen<br />

(Inconel, Kobalt- und Nickellegierungen, Edelstahl), aber auch Bauteile aus Edelmetallen und<br />

Kupfer können grundsätzlich mit den pulverbasierten Verfahren aufgebaut werden. Über den geeigneten<br />

Temperaturgang im Fertigungsprozess durch Vorheizen lassen sich gezielt die Gefügeeigenschaften der<br />

Materialien einstellen.<br />

Anders als bei zerspanenden und umformenden Fertigungsverfahren wird das Bauteil im pulverbettbasierten<br />

generativen Verfahren in seiner endgültigen Form erstellt. Das CAD-Modell wird so 1:1 in eine<br />

Bauteilgeometrie überführt, ohne dass mehrere Zerspanungs- oder Umformungsschritte in einer Fertigungsstrategie<br />

erforderlich sind. Damit ist das Verfahren hervorragend geeignet zum Einsatz in der vernetzten<br />

Fertigungslinie einer Smart Factory. Die generative Fertigung ist somit – neben den weiteren<br />

Laserbasierten Fertigungsverfahren – ein Katalysator für die Einführung der Datensysteme, die charakteristisch<br />

sind für Fertigung im Sinne der Industrie 4.0. Vom Design über die Einlastung und Ausführung der<br />

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Fertigungsaufträge bis hin zur Qualitätssicherung lassen sich die Bauteile zu jedem Zeitpunkt datentechnisch<br />

nachverfolgen. In Summe werden also durch vernetzte Maschinen zur Laser-Materialbearbeitung<br />

der Produktion vor- und nachgelagerte Prozessschritte sowie Durchlaufzeiten und Individualisierungskosten<br />

drastisch reduziert: ein integraler Bestandteil der Industrie 4.0.<br />

4. Quellenangaben<br />

[1] Bauernhansl, T. (Hrsg.); Müller, F. G.; Bressner, M.; Görzig, D.; Röber, T.: „Industrie 4.0: Entwicklungsfelder<br />

für den Mittelstand“, Studie Fraunhofer IPA, Fraunhofer Verlag, Stuttgart (2016)<br />

[2] Spath, D. (Hrsg.); Ganschar, O.; Gerlach, S.; Hämmerle, M.; Krause, T.; Schlund, S.: „Produktionsarbeit<br />

der Zukunft – Industrie 4.0“ Studie Fraunhofer IAO, Fraunhofer Verlag, Stuttgart (2013), ISBN:<br />

978-3-8396-0570-7<br />

[3] Bauer, A: „Digital Photonic Production: Wissenschaft und Industrie gestalten die Zukunft der Produktionstechnik“,<br />

Presseinformation des Fraunhofer ILT, 8. November 2012<br />

[4] Hinke, C.: „Digital Photonic Production and Its Emerging Opportunities”, LIA Today 21 (2013), Nr.4,<br />

S.14-16<br />

[5] Brockmann, R.; Candel-Ruiz, A.; Kaufmann, S.; Müllerschön, O.: “Strategies for High Deposition Rate<br />

Additive Manufacturing by Laser Metal Deposition”, Proc. ICALEO 2015 Conference, Paper 1305<br />

Anmerkung: Allgemeine Definitionen und Informationen zum Thema I 4.0 sind in der Online-Bibliothek der<br />

Plattform Industrie 4.0 der Bundesministerien für Wirtschaft und Energie sowie Bildung und Forschung<br />

enthalten (http://www.plattform-i40.de/).<br />

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Multirobot-Laserbearbeitung von Metallen und Kunstoffen<br />

Reichl, T.<br />

Jenoptik Automatisierungstechnik GmbH, Jena<br />

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