Dein Leben als StadtaufwerterIn
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Zürich Edition:<br />
Mit Prime tower<br />
& Europaallee!<br />
<strong>Dein</strong> LEben <strong>als</strong><br />
Stadtaufwerterin -<br />
das grosse Malbuch<br />
Aufwertung<br />
heisst<br />
Verdrangung<br />
Erlebe den Wandel der Städte <strong>als</strong> Rollenspiel: Lass<br />
den Widerstand hinter dir, wechsel die Seiten und<br />
schlüpfe in die Rolle der Stadtaufwertung.
Du bist uns wichtig<br />
Auf dich haben wir lange gewartet! Stadtaufwertung<br />
passiert nicht einfach so. Klar, der Kapitalismus<br />
drängt dazu, möglichst viel Profit aus möglichst vielen<br />
Bereichen zu ziehen. Langfristig braucht er dich dafür<br />
nicht unbedingt. Dennoch ist unser System auch auf<br />
Akteure wie dich angewiesen: Menschen, die Freude an<br />
Umstrukturierungen, Investitionen und Risikobereitschaft<br />
zeigen und mit Elan das Interesse des Kapit<strong>als</strong> vertreten.<br />
Es kommt gar nicht so sehr darauf an, für was du dich<br />
beworben hast, wichtig ist, dass du dich zukünftig für<br />
die Stadtaufwertung einsetzt. Sowohl <strong>als</strong> InvestorIn, <strong>als</strong><br />
ArchitektIn oder auch <strong>als</strong> PolitikerIn hast du ein Interesse<br />
daran, dass deine Häuser und Quartiere möglichst viel<br />
Profit erwirtschaften. Und das geht nun einmal am besten,<br />
wenn die Mieteinnahmen und der Bodenpreis steigen.
Portrait<br />
In Arbeitskleidung<br />
1<br />
3<br />
Wähle die Kleider für deinen ersten Arbeitstag aus.<br />
Du<br />
Das kannst du ausdrucken und einrahmen.<br />
2<br />
Tipp:<br />
Grau<br />
Lieber Herr / Frau ______ ______,<br />
Wie gratulieren Ihnen herzlich zu Ihrem neuen<br />
Job <strong>als</strong> InvestorIn / StadtplanerIn / PolitikerIn /<br />
ArchitektIn / Immobilienhändlerin /<br />
PolizeichefIn.<br />
Sorgen Sie dafür, dass Zürich in den kommenden<br />
Jahren weiter aufgewertet wird.<br />
Weil uns Ihr Profit am Herzen liegt, stellen<br />
wir Ihnen alle erforderlichen Mittel<br />
zur Verfügung. Wir freuen uns auf die weitere<br />
Zusammenarbeit.<br />
Gezeichnet, Stadt Zürich
Im Büro<br />
<strong>Dein</strong> neues <strong>Leben</strong> <strong>als</strong> <strong>StadtaufwerterIn</strong> ist alles andere<br />
<strong>als</strong> einfach. Du musst vorhersehen, wo demnächst neue<br />
Profite gemacht werden können, wo du dich mit der<br />
Stadt einigen kannst, welche Gebäude Vorrang haben,<br />
ob du lieber ein zusätzliches Shoppingcenter oder ein<br />
neues Bürogebäude bauen willst, ob Lofts sich besser<br />
verkaufen lassen <strong>als</strong> betreute Luxuswohnungen und wie<br />
du die Löhne deiner Angestellten noch mehr drücken<br />
kannst. Wie soll man so viele Aufgaben bloss unter einen<br />
Hut bringen? Und da soll dir mal einer vorwerfen, dass<br />
du keine Verantwortung trägst. Zudem stehen derart<br />
viele InvestorInnen vor deiner Tür, und alle wollen zu<br />
dir ins Immobiliengeschäft. Du weisst gar nicht, wie du<br />
sie alle glücklich machen kannst. Vielleicht brauchst du<br />
demnächst eine kleine Auszeit. Rufe deswegen möglichst<br />
bald deine Sekretärin an, sie soll dir Ferien in einem<br />
Wellnesshotel buchen.
Rendite<br />
Miete<br />
1 2<br />
Du merkst gerade, wie viel Profit dir bis jetzt entgangen ist.<br />
Zeichne ein, was du in Zürich noch aufwerten willst, wo du deine Rendite<br />
in zehn Jahren siehst und wie die Mieten steigen sollen.<br />
3<br />
Kampüf<br />
Gewinn<br />
Löhne<br />
Mitarbeiter<br />
des Jahres<br />
Du hörst streikende ArbeiterInnen kommen. Sie fordern mehr Lohn von dir,<br />
aber du findest 16.50 Fr.- pro Stunde reichen. Jetzt aber schnell! Schneide die Türen aus und<br />
klebe sie über den offenen Eingang in dein Büro, damit du die Protestierenden nicht sehen musst.<br />
Per Skype sind Investoren zugeschaltet.<br />
Sie mögen Profit. Je mehr Areale du aufwerten<br />
willst, desto glücklicher kannst du sie zeichnen.
Es wird gebaut<br />
Jetzt gilt es ernst. Die ersten Bauprojekte laufen, die<br />
ersten Investitionen wurden getätigt. Einige MieterInnen<br />
leisten noch Widerstand gegen ihren Rauswurf, andere<br />
haben eines deiner leerstehenden Gebäude besetzt.<br />
Doch auch das wird sich in den kommenden Wochen<br />
klären. Nimm hierzu am besten Kontakt mit der Stadt<br />
auf. Sie hat dich bisher gut darin beraten, wie du mit<br />
widerständigen Elementen umgehen sollst. Stelle<br />
präventiv auch einige Räumungsbefehle aus, das wird<br />
die Menschen schon einschüchtern! Falls das nicht<br />
wirkt, starte eine Medienkampagne und bezichtige die<br />
aktuellen BewohnerInnen des Lärms, das hilft meistens.<br />
Lasse dich dennoch von all den negativen Problemen nicht<br />
unterkriegen. Behalte deine Visionen und denk immer<br />
daran, dass auch Zürich irgendwann wie die Innenstadt<br />
von Paris oder wie Manhattan aussehen könnte.
<strong>Dein</strong>e Stadt wird langsam aufgewertet. Nich alle deine Gebäude<br />
werfen aber gleich viel Profit ab. Zeichne die Wohnhäuser verlottert.<br />
Später kannst du sie abreissen und durch Neubauten ersetzen.<br />
Markiere zudem alle Geäube, die du nicht mehr brauchst, mit<br />
einem grossen X.<br />
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Warenhaus zum<br />
glücklichen Konsumenten
Zürich West<br />
In Zürich West fühlst du dich zuhause. Hier hat<br />
die Aufwertung in den letzten 20 Jahren zu einer<br />
Verdreifachung des Bodenpreises geführt, hier hast du<br />
bisher deinen grössten Profit erwirtschaftet. Das zeigt sich<br />
in all deinen neuen tollen Gebäuden. Selbstverständlich<br />
musstest du die neuen Strassen, Parks und Tramlinien<br />
nicht finanzieren, das hat die Stadt für dich übernommen.<br />
Schreibe am besten gleich der SP und der AL, um dich<br />
hierfür zu bedanken. Betone aber auch, wie viel du für<br />
die Stadt getan hast. Vergiss nicht den Polizeivorsteher<br />
für seine Dienste positiv zu erwähnen. Wenn du schon<br />
schreibst, dann solltest du aber auch die Bürokratie<br />
anprangern: Da besteht noch Handlungsbedarf und<br />
Verbesserungspotential. Vielleicht solltest du dich<br />
diesbezüglich wieder einmal mit den VertreterInnen der<br />
FDP und SVP treffen. Sie haben in den letzten Jahren<br />
so viel für dich und deine Interessen gemacht, doch<br />
auch da muss in der Zukunft noch mehr drin liegen!<br />
Schlage deswegen allen Parteien einen runden Tisch vor,<br />
denn in Sachen Aufwertung gilt für dich: Sachpolitik vor<br />
Parteiinteresse.
v<br />
Das ist Zürich West. Markiere alles was aufgewertet werden kann.<br />
Übermale das Graffiti mit weisser Farbe und zeichne darüber das Logo deiner Firma.
Europaallee<br />
Gratulation! Lang hat es gedauert, doch mit der<br />
Europaallee wurde endlich ungenutztes Brachland der<br />
Wirtschaft zugeführt und die letzten MieterInnen des<br />
alten Quartieres verdrängt. Sie können sich die neuen<br />
Mieten und Preise nicht mehr leisten. Das ist gut so! Die<br />
bisherigen QuartierbewohnerInnen wollen nicht einsehen,<br />
dass ein Einstiegspreis von 1.5 Millionen Franken für<br />
die neue Wohnungen eine Investition in die Zukunft ist.<br />
Und Geschäftsliegenschaften kann von denen sowieso<br />
niemand brauchen. Doch obwohl nun alles so schön und<br />
neu aussieht, du extra mehrere vegetarische Restaurants<br />
im Angebot und die teuersten Architekten angestellt<br />
hast, können sich die StadtbewohnerInnen mit deinem<br />
Prunkobjekt nicht so recht anfreunden. Immer wieder<br />
machen Menschen deine Fenster kaputt. Vielleicht<br />
können sie mit einer neuen Werbekampagne überzeugt<br />
werden? Ansonsten: Informiere dich über die Angebote<br />
von Security-Firmen und erhöhe deswegen die Mieten.
Aufwertung h<br />
Aufwer<br />
Das ist dein Prachtprojekt, die Europaallee. Leider haben Aufwertungsgegner ein grosses Transparent angebracht. Was sie dort wohl geschrieben haben?<br />
Zudem haben sie Fenster eingeschlagen und das Gebäude mit Farbe beschmiert. Das ist nicht nett. Zeichne <strong>als</strong> Bestrafung ein zusätzliches Stockwerk auf jedes Gebäude.
Im PR-Büro<br />
Du stellst fest, Stadtaufwertung ist gar nicht so einfach.<br />
<strong>Dein</strong> Quartier soll jung und cool wirken. Dafür hast du<br />
eine Werbeagentur angestellt, welche sich extra tolle<br />
Werbesprüche einfallen lassen hat. Mit „So cool wie<br />
Berlin“, „Qualität hat eben seinen Preis“, „Teure Mieten?<br />
Nicht für die Besitzenden!“, „Wem gehört die Stadt? Den<br />
Besitzenden!“ oder „Bio wie auf dem Land – nur dreimal<br />
so teuer“ sollen Gutverdienende in dein kreatives Quartier<br />
ziehen. <strong>Dein</strong>e Werbeagentur ist nun aber so cool, dass<br />
sie regelmässig After-Work-Partys mit angesagten DJs<br />
organisiert. Das führt zu zahlreichen Reklamationen<br />
deiner neuen MieterInnen. Deswegen musst du nun auch<br />
neue Verbote erfinden, damit dein Quartier sauber und<br />
ruhig bleibt. Jetzt ist dein Erfindergeist gefragt!
Werbeagentur<br />
Liegenschaftsverwaltung<br />
Gestalte das Schaufenster der beiden Büros neu.<br />
Menschen mögen Werbung!
Mit dem neuen Mieter<br />
<strong>Dein</strong>e Häuser sind umgebaut, endlich ziehen die<br />
neuen BewohnerInnen ein. Es ist ein alleinstehender<br />
Bankangestellter, der <strong>als</strong> erster seine neue 3-Zimmer-<br />
Wohnung für 4500 Fr.- im Monat bezieht. Schau wie<br />
glücklich es ihn macht, dass du ihm zusätzlich einen<br />
Parkplatz für seine beiden Sportautos zur Verfügung<br />
stellst und das auch noch gratis! Du tust so viel Gutes,<br />
leider wird dies von der Bevölkerung nicht immer so<br />
wahrgenommen. Auch nicht von Familie Pavlovic, die<br />
mit ihren drei Kindern ausziehen muss. Schreibe ihnen<br />
einen Brief, dass sie wiederkommen können, wenn sie<br />
genügend verdienen. Das wird sie anspornen!
Die bisherigen MieterInnen gehen. Sie hatten wenig Geld.<br />
Zeichne deswegen ihre Möbel besonders hässlich.<br />
Neuer Mieter: Zeichne<br />
ihn umgeben von einem<br />
Geldregen.
Widerstand<br />
Jetzt schlägt‘s aber dreizehn! Du hast den AktivistInnen<br />
angeboten, dich mit ihnen an einen Tisch zu setzen und<br />
zu diskutieren. Du hast dich von der tolerantesten Seite<br />
gezeigt, indem du darauf aufmerksam gemacht hast, dass<br />
du mit den friedlichen Protestierenden gerne sprechen<br />
willst, nicht aber mit den anderen. Sie haben ihr wahres<br />
Gesicht gezeigt und behauptet, dass sei Spaltung. Du<br />
hast extra auf Petitionen reagiert. Und du hast bei Tele<br />
Züri sogar versprochen, dass sich die Mieten um maximal<br />
54% erhöhen werden. Und doch gibt es noch Personen,<br />
die sich auf deine Angebote nicht einlassen wollen. Sie<br />
werfen dir vor, dass das alles nur Scheinargumente seien<br />
und dass die einzige Lösung in der Enteignung deiner<br />
Liegenschaften liege. Sie sammeln sich gerade auf der<br />
Strasse und marschieren in deine Richtung. Was nun?
Alle TeilnehmerInnen sind dunkel angezogen, damit die<br />
Polizei sie nicht identifizieren kann. Sie tragen Fahnen<br />
mit unterschiedlichen Symbolen. Was wohl auf ihrem<br />
Fronttransparent geschrieben steht? Zeichne zudem<br />
eine Reihe PolizistInnen, sie sollen die Demonstration<br />
sofort aufhalten!
Klartext sprechen!<br />
Wenn Stadtaufwertung tatsächlich so einfach wäre,<br />
dass man sie mit Malbüchern bekämpfen könnte, dann<br />
müssten wir uns keine grossen Sorgen über unsere<br />
Zukunft machen. Doch Stadtaufwertung ist nicht nur<br />
theoretisch komplexer, <strong>als</strong> hier dargestellt, auch lässt<br />
sich kein Klassenkampf alleine mit Methoden der<br />
Kommunikationsguerilla gewinnen. Der Kampf gegen<br />
Aufwertung braucht eine Organisierung und daraus<br />
folgend vielfältige Aktionen und Widerstandsformen von<br />
unten.<br />
Kreative Aktionsformen können in diesem Kampf um<br />
die Stadt eine Rolle spielen. Sie drohen aber, werden<br />
sie entkontextualisiert, genauso rasch zum Objekt<br />
der Gegenseite zu verkommen. Etwa dann, wenn<br />
Klassenkampf <strong>als</strong> Kinderspiel verkauft oder wenn<br />
Aufwertung und Verdrängung <strong>als</strong> komisches Ereignis<br />
verharmlost werden. Ohne seine gesellschaftliche<br />
Relevanz überbewerten zu wollen, setzt sich auch das<br />
vorliegende Malbuch dieser Gefahr aus. Dieses Problem<br />
zu reflektieren ist eine Notwendigkeit, ob es hingegen<br />
gelingen kann, verschiedene Aktionsformen miteinander<br />
zu verbinden, muss die Praxis zeigen.<br />
Gegen die kapitalistische Stadtaufwertung, die Zukunft in<br />
die eigenen Hände nehmen!
Material zur Stadtaufwertung<br />
Wir kämpfen für eine kommunistische Perspektive gegen<br />
die Stadt von oben. Dazu gehört auch die Klärung dessen,<br />
was Stadtentwicklung im Kapitalismus genau bedeutet.<br />
Hierzu existieren mittlerweile zwei Broschüren, die wir<br />
zur Lektüre empfehlen:<br />
Subversion 18: Die Stadt im 21. Jahrhundert:<br />
Klassenkampffeld im Wandel. 2015.<br />
Berichte zum Kampf gegen die Stadtaufwertung. 2016.<br />
Dies und verschiedene Bücher sind erhältlich im Aufbau<br />
Vertrieb. Zürich: Kanonengasse 35 (im Hinterhaus,<br />
Eisentreppe), 8004 Zürich | Offen jeden Samstag, 12:00-<br />
17:00.<br />
Weitere Infos online: www.aufbau.org<br />
Tipp: Noch mehr Rot<br />
AUFBAU
Das ist deine aufgewertete Stadt. Leider hat<br />
eine gemeine Arbeiterin den Satz “AUFWERTUNG IST<br />
ANGREIFBAR” in dein Stadtbild integriert. Finde ihn,<br />
markiere ihn und übermale ihn mit weisser Farbe.