ANDY WARHOL - Bilder des Gengenbacher Adventskalenders / Deutsche Ikonen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
DER GENGENBACHER ADVENTSKALENDER<br />
UND <strong>ANDY</strong> <strong>WARHOL</strong>: EIN DREAM-TEAM<br />
Mit dem Bau <strong>des</strong> <strong>Gengenbacher</strong> Rathauses<br />
um 1780 durch Victor Kretz werden<br />
wahrlich Maßstäbe gesetzt. Der ergänzende<br />
Figurenschmuck ist Gestaltung<br />
und Programm zugleich: „Weisheit“ und<br />
„Gerechtigkeit“ wachen, der Reichsadler<br />
grüßt majestätisch; die Repräsentanten<br />
der Erdteile stellen selbstbewusst einen<br />
globalen Bezug her.<br />
Dieses Gebäude Jahr für Jahr für jeweils<br />
sechs Wochen in eine „Schatztruhe der<br />
Fantasie“ zu verwandeln, die 24 Fenster<br />
durch künstlerisch gestaltete <strong>Bilder</strong><br />
zu ersetzen und zu hinterleuchten, der<br />
klassizistischen Fassade Respekt zu zollen<br />
und sie dennoch zauberhaft zu verwandeln,<br />
dazu braucht es Maß und Mut. Und<br />
schöpferisches Vermögen.<br />
OTMAR ALT<br />
Otmar Alt, 1996 der erste Gestalter,<br />
versteht die Vorgaben <strong>des</strong> Baus und setzt<br />
seine künstlerischen Zeichen für die<br />
unglaubliche Karriere eines außergewöhnlichen<br />
Projektes.<br />
POPULAR ART<br />
Es ist im Überblick der 20 Jahre „<strong>Gengenbacher</strong><br />
Adventskalender“ eine zusätzliche<br />
Pointe, dass dieses überaus populäre Kulturprojekt<br />
von einem Künstler wegweisend<br />
gestaltet wird, der Ende der 50er Jahre in<br />
Deutschland seinen Durchbruch mit der<br />
Abwendung von informeller Malerei und<br />
der Hinwendung zu Themen und Stilmitteln<br />
der Pop Art schafft. Klassische Kunst-<br />
Unterscheidungen von E, wie ernsthaft,<br />
und U, wie unterhaltsam, werden souverän<br />
ignoriert. So setzt ein Vertreter deutscher<br />
Pop Art das erste leuchtende Zeichen,<br />
weist den Verantwortlichen in Gengenbach<br />
den Weg zu einem Reigen weiterer<br />
prominenter Gestalter wie Marc Chagall,<br />
Quint Buchholz, Axel Scheffler, Rotraut<br />
Susanne Berner, Binette Schroeder, Paul<br />
Maar, Franz Josef und Jan Peter Tripp und<br />
bezieht auch Schulkinder mit ein.<br />
TOMI UNGERER<br />
Mit Tomi Ungerer ist schließlich nicht nur<br />
einer der anerkanntesten Zeichner der<br />
Gegenwart vertreten, sondern ein künstlerischer<br />
Zeitgenosse Andy Warhols, New<br />
Yorker Kollege der 50er Jahre. Beider Karriereweg<br />
vom gefragten Gebrauchsgrafiker<br />
zum international geschätzten „freien“<br />
Künstler weist weitere bemerkenswerte<br />
Parallelen auf.<br />
DER IDEALE GESTALTER<br />
DES GENGENBACHER<br />
ADVENTSKALENDERS<br />
Warhol ist es nun im zwanzigsten Jahr, der<br />
die magische Verwandlung <strong>des</strong> Rathauses<br />
zum <strong>Gengenbacher</strong> Adventskalender<br />
schafft. Als einer der Könige der Popular<br />
Art hätte er persönlich gewiss große Freude<br />
an dem so populären Gesamtkunstwerk,<br />
das Jahr für Jahr die Menschen in ihren<br />
Bann zieht.<br />
Lebte er noch, was hätte ihn diesem Auftrag<br />
gewogen gemacht?<br />
Erstens: Die banal erscheinende, den<br />
Menschen und Künstler Warhol dennoch<br />
erhellende Antwort ist: Er lehnte grundsätzlich<br />
keine Aufträge ab. Also hätte er<br />
auch diesen Auftrag erfüllt. – Bezahlung<br />
vorausgesetzt.<br />
Zweitens: Es ist nicht bekannt, ob Andy<br />
Warhol das etwa 100 Jahre alte adventliche<br />
Brauchtum <strong>des</strong> Kalenders mit den 24<br />
Türchen und den dahinter verborgenen<br />
Gegenständen kannte. Bekannt aber ist<br />
inzwischen seine praktizierte Frömmigkeit.<br />
So kann man unterstellen: Wer, wie<br />
er, Weihnachten intensiv feierte, (S. 30)<br />
würde diesen bilderreichen Begleiter in der<br />
Vorweihnachtszeit geschätzt haben.<br />
8