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Quatsch oder Aufklärung?

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Was aber keineswegs bedeutet, dass die <strong>Aufklärung</strong> sofort lachend daherkam. Im Gegenteil:<br />

Das Lachen wurde als Widerspruch zum Ideal von Ernsthaftigkeit und rationaler<br />

Logik aufgefasst und in der französischen Nationalversammlung erst einmal verboten.<br />

Immanuel Kant dagegen, der große Philosoph der Vernunft, widmete sich durchaus dem<br />

Phänomen, das ebendiese zu sprengen scheint. Gerne zitiert wird seine Beobachtung<br />

aus dem „Zweiten Buch. Analytik des Erhabenen“ in der „Kritik der Urteilskraft“: „Das<br />

Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in<br />

Nichts“ (Kant 1974: 273 f.). Interessant findet er dabei die „Wechselwirkung“ zwischen<br />

Körper und „Gemüt“. „Es muß“, erkennt Kant, „in allem, was ein lebhaftes erschütterndes<br />

Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich kein<br />

Wohlgefallen finden kann).“ Die „Verschiebung des Gedankens“ und der Widerspruch<br />

sind ein Schlüssel zum Witz, auf keinen Fall allein die Logik.<br />

Über die Welt der Affekte wissen wir spätestens seit Sigmund Freud besser Bescheid, als<br />

es zu Kants Zeit möglich war. Bereits im Jahr 1905 verfasste der Vater der Psychoanalyse<br />

die Schrift „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten“ (Freud 2001; vgl. Pietzcker<br />

2006: 19-28). Freud artikuliert sich darin gelegentlich wie ein Theoretiker körperlicher<br />

Energiekreisläufe. „Wir würden sagen“, erklärt er, „Lachen entsteht, wenn ein früher zur<br />

Besetzung gewisser psychischer Wege verwendeter Betrag von psychischer Energie unverwendbar<br />

geworden ist, so daß er freie Abfuhr erfahren kann“ (Freud 2001: 164). Für die<br />

spannungslösende Wirkung von Pointen ist nach Freud also ersparter Gefühlsaufwand<br />

(ebd.: 269) verantwortlich. So können wir etwa Wut, Grauen <strong>oder</strong> Mitgefühl, die eine erzählte<br />

Situation eigentlich erfordern würde, im Lachen lustvoll abführen. Darum spielen<br />

auch Obszönitäten und Tabus beim Witz eine so große Rolle. Es verlangt einigen Aufwand<br />

an psychischer Energie, ein Tabu gegen die unmittelbaren Bedürfnisse aufrechtzuerhalten.<br />

Das Lachen erlaubt es, für einen Augenblick nicht darauf zu achten.<br />

Der Ursprung dieser Energie liegt im Unbewussten. Schon um das infantile Unbewusste in<br />

Schach zu halten, treibt der realitätsbewusste Erwachsene einigen Aufwand. Das Widerspiel<br />

von Lustmöglichkeit und Realitätsprinzip sei auch für das Lachen charakteristisch.<br />

Das Zurückgehen auf „frühere Stufen der Ontogenese“ (ebd.: 165), eine Regression auf<br />

den infantilen Typus der Denkarbeit des Unbewussten (ebd.: 194), ja das wiederge-<br />

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