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Quatsch oder Aufklärung?

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<strong>Quatsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Aufklärung</strong>?<br />

5 extra 3<br />

5.1 Tradition, Konzept, M<strong>oder</strong>ation<br />

und Zuschauer<br />

Die traditionsreichste aller Satiresendungen<br />

ist das vom Norddeutschen Rundfunk (NDR)<br />

ausgestrahlte 45-minütige extra 3, im Untertitel:<br />

„Der Irrsinn der Woche“. Im Jahr 1976<br />

wurde sie erstmals gesendet. Sie ist ein klassisches<br />

Produkt der Programmideen, die in<br />

den 1970er Jahren zur Profilierung der Dritten<br />

Programme erdacht wurden. Damals war die<br />

Hauptidee noch nicht, dass sich die Dritten<br />

hauptsächlich dem Regionalen widmen sollen.<br />

Dritte Programme galten auch als Feld<br />

für Experimente und ungewöhnliche Talks<br />

<strong>oder</strong> Magazine. So wie im WDR die legendäre<br />

Sendung ZAK ursprünglich geschaffen wurde,<br />

um „Abfallprodukte“ der Berichterstattung zu<br />

verwerten, Kuriositäten aufzuspießen <strong>oder</strong> Gesendetes<br />

in neue Kontexte zu stellen, war auch<br />

extra 3 zunächst ein von Journalisten erfundenes<br />

Magazin. Hier sollte das Schräge, Skurrile<br />

herausgestellt werden, der alltägliche Wahnsinn,<br />

die Kuriositäten, die einem Journalisten<br />

im Laufe einer Nachrichtenwoche begegnen.<br />

Man erkennt die Herkunft aus dem Journalismus<br />

schon an den ersten M<strong>oder</strong>atoren Dieter<br />

Kronzucker und Peter Merseburger. Bis heute<br />

durchlief extra 3 zahlreiche Mutationen, innere<br />

Veränderungen und Anpassungen an den Zeitgeist<br />

– mit einer Konstante: Spätestens seit den<br />

1990er Jahren geht es immer um eine Kombination<br />

aus Witz und Journalismus. Besonders eng<br />

verbunden ist die Geschichte des Magazins mit<br />

dem Namen Hans-Jürgen Börner, der die Sendung<br />

von 1989 bis 1997 leitete. Damals gab es<br />

viel Ärger mit der katholischen Kirche – z. B.<br />

als Horst Tomayer in dem Beitrag „Wenn Jesus<br />

heute gekreuzigt würde“ den Gottessohn gab<br />

(Martens 2016).<br />

Die Magazintradition und das Regionale<br />

will und kann extra 3 aber nicht abschütteln.<br />

Ein Vorteil ist die feste Verankerung im<br />

Programm des NDR, wodurch langfristig eine<br />

relativ stabile Fangemeinde aufgebaut werden<br />

konnte. Nachteilig dabei ist, dass Veränderungen<br />

immer nur schrittweise stattfanden, es nie<br />

zu einem kompletten Relaunch des Formats<br />

kam. Im Resultat führt das dazu, dass extra 3 so<br />

sehr wie keine andere vergleichbare Sendung<br />

einen hybriden, einen vermischten Charakter<br />

hat. Will extra 3 eine Kleinkunstsendung sein?<br />

Will extra 3 eine Nachrichtenparodie sein? Will<br />

extra 3 vor allem Comedy bieten, mit selbst entwickelten<br />

Figuren? Will extra 3 durch eigene<br />

dokumentarische Filmbeiträge dem „Irrsinn<br />

der Woche“ auf die Spur kommen <strong>oder</strong> lieber<br />

freisinnig Absurdes erfinden? Sind selbstgebastelte<br />

Sketche das Alleinstellungsmerkmal<br />

<strong>oder</strong> Politikerparodien? Strebt es vor allem<br />

bundesweite Aufmerksamkeit an <strong>oder</strong> will sich<br />

die Sendung lieber mit Provinzpossen und lokalen<br />

Schildbürgerstreichen befassen? Von<br />

allem bietet extra 3 etwas – von der Stand-up-<br />

Comedy bis zum Magazinbeitrag über eine bürokratische<br />

Eulenspiegelei auf dem Dorf.<br />

Im Idealfall kann man extra 3 als „Wundertüte“<br />

ansehen, als Sendung, die in verschiedenen<br />

Genres zu Hause ist. Aus weniger<br />

wohlwollender Perspektive kann extra 3 aber<br />

auch als beliebig in Konzeption und Witz wahrgenommen<br />

werden. Rezensenten monieren<br />

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