Quatsch oder Aufklärung?
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<strong>Quatsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Aufklärung</strong>?<br />
7 Resümee: Zehn Thesen<br />
1. Satire boomt. Das hat sicher mit der sich generell<br />
verändernden Mediennutzung zu tun.<br />
Die großen gemeinschaftsstiftenden Medienprodukte<br />
verlieren Rezipienten, die einzelne<br />
Nachricht, die Schlagzeile, die auf individuelle<br />
Interessen zugeschnittenen News gewinnen<br />
tendenziell an Bedeutung. Nachricht und<br />
Verstehen klaffen oft auseinander. Die klassische<br />
politische Berichterstattung ist vielen zu<br />
zäh. Dennoch ist es in Deutschland noch nicht<br />
so weit wie in den USA, dass relevante Teile<br />
der Öffentlichkeit Satire bereits anstelle von<br />
Nachrichten rezipieren.<br />
2. Die untersuchten Satiresendungen, heute<br />
show, Die Anstalt (beide ZDF) und extra 3<br />
(NDR/ARD), bieten viel Lustiges – Spaß, Witze,<br />
Gags und Pointen. Im Kern aber sind alle<br />
politische Satiren. Die politischen Themen<br />
sind fast verblüffend dominant und werden<br />
in großer Dichte dargeboten. Der gelegentlich<br />
geäußerte Verdacht, hier werde rundweg alle<br />
Politik für blöd und nutzlos erklärt, lässt sich<br />
bei einer detaillierten Aufschlüsselung der<br />
Sendungen nicht erhärten. Alle drei Sendungen<br />
bereichern auf ihre Weise die Fernsehlandschaft.<br />
3. Die mit Abstand populärste und zugleich<br />
die schnellste, lauteste und dichteste Sendung<br />
ist die heute show. Sie hat viele Elemente<br />
der Comedy aufgegriffen. Außerdem<br />
arbeitet sie sehr fernsehgerecht – das gilt<br />
für die M<strong>oder</strong>ation, das Timing, die Optik,<br />
die Einspielfilme. Obwohl sie ein sehr großes<br />
Publikum anspricht, hat sie nicht aufgehört,<br />
in ihrer Themenwahl und deren Verarbeitung<br />
überaus politisch zu sein. Sie ist anschlussfähig<br />
für Zuschauer mit unterschiedlich ausgeprägtem<br />
politischem Vorverständnis, was<br />
aber gerade ihre Stärke ist. Sie sendet nicht<br />
nur für bereits Eingeweihte. Doch: Nicht jeder<br />
<strong>Quatsch</strong> ist auch per se schon <strong>Aufklärung</strong>, es<br />
gibt auch Kalauer <strong>oder</strong> unangemessene Simplifizierungen,<br />
im Wesentlichen aber entfaltet<br />
die Sendung große symbolische Prägnanz und<br />
ironisches Sprachvermögen. Der heute show<br />
wohnt großes aufklärerisches Potenzial inne.<br />
4. Die Anstalt ist am stärksten der Tradition<br />
des klassischen Kabaretts verhaftet. Sie versucht<br />
ihre Beiträge zu geschlossenen kleinen<br />
Theaterstücken zu vervollkommnen. Das gelingt<br />
nicht immer. Die Anstalt ist keine Gag-<br />
Maschine, sondern, im Gegenteil, oft eine<br />
Darbietung von zur Kleinkunst geronnenen<br />
didaktischen Lehr- und Erklärstücken. Manchmal<br />
wirkt sie wie Agit-Prop. Sie unterliegt der<br />
Gefahr, vor allem für die schon Bekehrten zu<br />
predigen, ist in der Radikalität ihres kritischen<br />
Ansatzes aber unbedingt ein Unikum im deutschen<br />
Fernsehen.<br />
5. extra 3 ist die traditionsreichste Sendung.<br />
Ursprünglich war sie ein Magazin. Das merkt<br />
man noch heute. extra 3 bietet die größte Formenvielfalt,<br />
was aber nicht nur von Vorteil<br />
ist, sondern gelegentlich auch etwas beliebig<br />
wirkt. Die Sendung ist ein Hybrid aus vielen Formen,<br />
halb Kleinkunst, halb Magazin. Hier gibt<br />
es eine Fülle von Sketchen, selbstgemachten<br />
Einspielfilmen und sogar Live-Parodien. Nicht<br />
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