Tages-Anzeiger_181116
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Datum: 18.11.2016<br />
<strong>Tages</strong>-<strong>Anzeiger</strong><br />
8021 Zürich<br />
044/ 248 44 11<br />
www.tagesanzeiger.ch<br />
Medienart: Print<br />
Medientyp: <strong>Tages</strong>- und Wochenpresse<br />
Auflage: 162'894<br />
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich<br />
Themen-Nr.: 833.016<br />
Abo-Nr.: 833016<br />
Seite: 31<br />
Fläche: 67'912 mm²<br />
Einfach gern auf Zack<br />
Für das feste Engagement am Theater Neumarkt warf der junge Schauspieler Miro Maurer sein Masterstudium<br />
an der Zürcher Hochschule der Künste hin. Heute hat sein Solo «Du bist meine Mutter» Premiere.<br />
«Am Neumarkt glaubt man ans Ensemble», sagt<br />
Maurer. Foto: Urs Jaudas<br />
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Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich<br />
Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01<br />
www.argus.ch<br />
Argus Ref.: 63435126<br />
Ausschnitt Seite: 1/3
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Alexandra Kedves<br />
Christoph Marthaler, hm, der wäre jetzt<br />
eher nicht so seins, bekennt der junge<br />
Schauspieler auf die Frage nach den<br />
ganz grossen Zukunftsträumen. Zu langsam<br />
und zu gemächlich beim Proben sei<br />
er, nach allem, was Miro Maurer darüber<br />
weiss. Und auch mit dem Endergebnis<br />
auf der Bühne fremdelt das neue Ensemblemitglied<br />
des Neumarkt-Theaters ein<br />
wenig. «Karin Henkels im<br />
Schiffbau vor drei Jahren: So muss für<br />
mich Theater sein!», sagt Maurer, der<br />
sich mit seinen 25 Jahren schon mehr<br />
Theater reingezogen hat als andere in<br />
einem ganzen Leben.<br />
Allein Stefan Puchers «Kaufmann<br />
von Venedig» auf der Pfauenbühne im<br />
Jahr 2008 hat er siebenmal gesehen: Als<br />
Mitglied eines Theaterclubs am Jungen<br />
Schauspielhaus unter Annette Raffalt,<br />
der Schwester von Matthias Hartmann,<br />
hatte Miro Maurer ein Schauspielhaus-GA.<br />
Zudem stürzte er sich in die<br />
Arbeit bei der Schultheatergruppe der<br />
Kantonsschule Hohe Promenade, wo er<br />
mit Italienisch im Schwerpunkt maturierte:<br />
Italienisch ist Maurers Muttersprache.<br />
Er hatte auf Dante & Co. gehofft<br />
im Kurs, aber der war - zu langsam.<br />
«Mein Denkfehler, die anderen waren ja<br />
Anfänger», räumt der Seconda-Sohn ein,<br />
der irgendwie immer auf der Überholspur<br />
unterwegs ist und für unser Gespräch<br />
nur einen Zwischenstopp mit<br />
einem Glas Mineral eingelegt hat.<br />
Talent zum Storytelling<br />
Seine Grosseltern waren in den 50er-<br />
Jahren in die Schweiz eingewandert. Der<br />
Nonno schaffte als Dreher, die Nonna als<br />
Weberin. Die Mutter hatte Clownin werden<br />
wollen, wurde dann aber doch zur<br />
krisensicheren Kindergärtnerin überredet<br />
- und förderte dafür bei ihrem Söhnchen<br />
von früh an das Talent zu Auftritt<br />
und Storytelling. Dass er das hat, ist<br />
keine Frage. Da steht Miro Maurer in der<br />
Neumarkt-Produktion «Himmel» an der<br />
Rampe als ein Computernerd mit gut<br />
entwickelten Muckibuden-Muskeln, und<br />
er wütet so wild-überwältigend ins Publikum<br />
hinein «Ihr seid der schlechte<br />
Atem der Geschichte!», dass man schier<br />
vergisst, wie ungeniessbar das Stück ist.<br />
Ja, seine Bühnenpräsenz, sein gewisses<br />
Etwas, verhalf ihm schon zu Engagements<br />
am Neumarkt, als er noch an der<br />
Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK)<br />
studierte - was von dieser durchaus<br />
nicht begrüsst wurde, wie er berichtet.<br />
Und dass die Kamera ihn lieben würde,<br />
scheint ausgemachte Sache. Aber erst<br />
einmal will er beim Theater bleiben: Er<br />
hat sich fürs Festengagement am Neumarkt<br />
entschieden. Nach dem Abschluss<br />
des Bachelors hat er das Masterstudium<br />
geschmissen. Schmeissen müssen: Denn<br />
beides, Studium und Profitum, ging<br />
nicht. «Bologna», seufzt er.<br />
Ohnehin war er an der ZHDK fast aus<br />
Versehen gelandet. «Nach der Matur verschrieb<br />
ich mich der Gemeinschaft der<br />
Velokuriere», erzählt Maurer, der einfach<br />
gern auf Zack ist. «Das ist eine richtige<br />
Familie mit einer eigenen Lebensphilosophie:<br />
Man ist dauernd auf Adrenalin,<br />
und man zelebriert den Zusammenhalt.»<br />
Nach zwei Jahren pushten ihn<br />
Kollegen, doch mal langfristig zu denken<br />
und auf Vorsprechtournee zu gehen.<br />
«Dafür bin ich denen echt dankbar.»<br />
Maurer träumte von der Berliner oder<br />
Bochumer Hochschule, nutzte Zürich<br />
als Testlauf - und wurde sofort aufgenommen.<br />
Was er, im Nachhinein, ein klein wenig<br />
bedauert. «Die Ex-DDR-Hochschulen<br />
legen mehr Wert auf das richtige Schauspieler-Handwerk.<br />
So etwas hätte mir<br />
eher entsprochen als die vielen eher<br />
theoretischen und teilweise arg abgehobenen<br />
Seminare», bilanziert Maurer, der<br />
sich als Körperarbeiter betrachtet. «Ich<br />
eigne mir eine Figur an, indem ich sie<br />
mir in den Körper hineinhole.» In der<br />
Neumarkt-Produktion «Bonnie und<br />
Clyde» beispielsweise sind Cowboyhut<br />
und breiter Gang für ihn ein Trigger für<br />
seine Rolle als Texas Ranger Frank, der<br />
das Gaunerpaar zur Strecke bringt; und<br />
in seinem Solo, das am Freitag in der<br />
Chorgasse Premiere hat, verwandelt er<br />
sich mal in einen Mann mittleren Alters,<br />
mal in dessen demente Mutter.<br />
Show muss es sein<br />
Im Moment ist Maurer also wieder auf<br />
Adrenalin, tritt als Nerd in «Himmel», als<br />
Menschenjäger in «Bonnie und Clyde»<br />
auf - sowie, eben, im Kultstück des Nie-<br />
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derländers Joop Admiraal, «Du bist<br />
meine Mutter». Und er probt für die Silvesterpremiere<br />
der Operette «Die Fledermaus».<br />
«Mit Method-Acting ä la Hollywood<br />
käme man da nicht hin, es ist<br />
eher so, dass der Körper mit den tollen<br />
Texten mitswingt. Da muss es funken, so<br />
entsteht die Show.» Und Show muss es<br />
sein, unterstreicht der junge Mann, der<br />
bereits als Kind am liebsten im Rampen-<br />
«Theater ist gutes<br />
Spiel - und nicht<br />
Realitätsgebastel für<br />
eine linksintellektuelle<br />
Cüpli-Gesellschaft. »<br />
Milo Maurer<br />
licht stand. Darum ist er auch ein leidenschaftlicher<br />
Verfechter des Schauspielertheaters.<br />
«Ich schaue sehr gerne fähigen<br />
Schauspielern zu, wie sie ernsthaft<br />
etwas Wichtiges auf der Bühne verhandeln.»<br />
Der Dauerkonflikt zwischen der<br />
Performance-Schiene und dem angeblich<br />
angestaubten Stadttheater nerve.<br />
«Schaut man auf die Ursprünge, ist<br />
Theater gutes Spiel - und nicht Reflexion<br />
über Reflexion übers Spiel oder<br />
dann Realitätsgebastel für eine linksintellektuelle<br />
Cüpli-Gesellschaft.» Trotzdem<br />
schaut er sich am Schauspielhaus<br />
etwa auch eine installative Performance<br />
von Rimini Protokoll an. Die Formen<br />
fundamentalistisch gegeneinander auszuspielen,<br />
sei falsch.<br />
Ihm selber habe nichts Besseres passieren<br />
können als das Neumarkt-Theater.<br />
«Man glaubt dort ans Ensemble. Und<br />
weil das Haus so klein ist, darf man auch<br />
als Neuling viel spielen, grosse Rollen<br />
spielen. Der Ton ist nicht hierarchisch,<br />
im Gegenteil, man soll seine Meinung<br />
sogar einbringen. Und hier wird alles<br />
selbst gemacht: Das Neumarkt ist pur<br />
Zürich made - wie kann man überhaupt<br />
nur daran denken, dieses Haus aufgeben<br />
zu wollen?!» Miro Maurer jedenfalls gibt<br />
sich da mit Leib und Seele hinein; und<br />
flitzt weiter zur nächsten Probe.<br />
Premiere des Solos «Du bist meine Mutter»<br />
heute Freitag in der Chorgasse.<br />
Weitere Auftritte: «Himmel» am 24.11.,<br />
«Bonnie and Clyde» am 25.11.<br />
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