Durstlöscher
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<strong>Durstlöscher</strong><br />
edition<br />
<strong>Durstlöscher</strong><br />
MEDIEN<br />
Trinkhallen<br />
Gegen Durst und<br />
Heimweh. Im Revier<br />
spielt sich immer noch<br />
das Leben in ihnen ab<br />
Die besten Bars<br />
und Kneipen<br />
Wohin, wenn der<br />
Durst kommt?<br />
Einige Vorschläge<br />
Bier: 500 Jahre Reinheitsgebot<br />
Rund um das Bier im Ruhrgebiet: Über das alte Gebot und viele junge Brauer. Über eine<br />
neue Brauerei in Dortmund. Und über die Erfindung des Willy-Bechers in Essen-Karnap
Stauseebogen 39<br />
45259 Essen-Heisingen<br />
Fon: 0201 - 507 66 041<br />
www.see-bar.com<br />
Öffnungszeiten: Di.-Sa.12.00 – 21.00 Uhr (Küche) ∙ So. 12.00 – 20.00 Uhr (Küche)<br />
*Mo. 12.00 - 20.00 Uhr (Küche)<br />
*Bei Dauerregen Ruhetag.<br />
Maritime Köstlichkeiten, ein stilvolles Ambiente und ein herrlicher Blick auf den Baldeney-See:<br />
Im Restaurant See-Bar lässt sich das Leben genießen. Neben frischem Fisch hat sich die Küche<br />
auch auf mediterrane Kreationen, saftige Schnitzel und Steaks sowie knackige Salatgerichte<br />
spezialisiert. Dazu finden hier regelmäßig Events und Shows statt, und natürlich ist die Location mit<br />
Terrasse auch für Veranstaltungen wie Hochzeiten, Geburtstage, und Firmenfeiern sehr beliebt.<br />
Kornelia Ksoll und ihr Team freut sich auf viele Gäste.<br />
Auch bei schlechtem Wetter ein Genuss!
EDITORIAL<br />
Prosit – Möge es nutzen!<br />
Rein sprachlich geht unser schönes „Prost!“ auf die Wunschform des<br />
lateinischen Wortes Nützlichkeit zurück. Das Getränk möge also bitte<br />
seinen Zweck erfüllen. Und der ist vielfältig. Zuvorderst den Durst zu<br />
löschen, aber auch den Körper zu erfrischen, zu wecken oder zu stärken,<br />
den Geist zu beleben und die Sinne zu befeuern oder womöglich<br />
auch den Rausch zum Genuss erheben.<br />
Für all das gibt es Getränke. Rund um die Uhr trinken wir, Wasser, Kaffee,<br />
Tee, Saft, Bier, Wein und Spirituosen. Bevor Sie jetzt protestieren:<br />
Nein, nicht jeder jeden Tag alles. Für gewisse Getränke gibt es gewisse<br />
Stunden. Festtage.<br />
Dieses Magazin stellt die regionale Getränkevielfalt vor. Im Ruhrgebiet<br />
hatte die Flüssigkeitszufuhr immer einen hohen Stellenwert. Wo hart<br />
gearbeitet wurde, floss der Schweiß, das Trinken war wichtig. Eine<br />
Hochburg für Wasser und Bier. So entstanden etwa die heute noch<br />
wunderbar wichtigen Trinkhallen. Eine Fotostrecke von Brigitte Krämer<br />
führt in die Welt des Buden-Zaubers.<br />
Wir berichten über Mineralwasserquellen im Ruhrgebiet, über neue<br />
Kaffeeröstereien, neue Brüh- und Röst-Methoden und alteingesessene<br />
Cafés, über junge wilde Bierbrauer und das alte Reinheitsgebot, zeigen<br />
die Weinhändler der Region in all ihrer Urbanität, berichten über den<br />
Apfelsaftkönig von Recklinghausen und das Bier-Denkmal von Bottrop.<br />
Über Essen: Heimatstadt von Fanta und Willy-Becher.<br />
Auch in neue Bereiche stößt die Region vor: Whisky-Brennen in Sprockhövel,<br />
eine Weltmetropolen-Bar in Hagen. Dort aber wird auch ein<br />
uralter Wacholder-Schnaps wieder zum Star unter den Szene-Gins.<br />
Viele Geschichten also. Das Ruhrgebiet hat viel zu erzählen. Wir haben<br />
zugehört, fotografiert und viel aufgeschrieben. Und manchmal, wirklich<br />
nur manchmal, auch was getrunken. Halten Sie es doch auch so.<br />
Viel Spaß und hoch die Tassen,<br />
Ihr<br />
Tom Thelen<br />
3
Das offizielle Bier<br />
der Sommelier-Union<br />
Deutschland e.V.<br />
www.hoevels-original.de<br />
DLG-prämierte Spitzenqualität<br />
ität<br />
DLG-prämierte Spitzenqualität<br />
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DLG-prämierte Spitzenqualität<br />
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Eine kleine Zeitreise<br />
Buden im<br />
Ruhrgebiet<br />
Duisburg-Mitte, 2007<br />
Sie sind keine 100 Meter voneinander entfernt.<br />
Ihre Gäste lieben sie.<br />
Sie lieben die Kundschaft, Kaffee und Kuchen.<br />
Zwei Orte, die dem Genuss verschrieben sind,<br />
zwei Herangehensweisen an ein Genussmittel,<br />
eine Leidenschaft.<br />
Eine kleine Zeitreise,<br />
eine fotografische Betrachtung über Mode und Wandel,<br />
gleichzeitig über Dauer und Wertigkeit.<br />
Und die ewige Lust auf Kaffee.<br />
In Bochum.<br />
Im Café Zur Altstadt<br />
und in der Kaffeerösterei<br />
Röst.Art<br />
14<br />
Dortmund-Nord, 2007<br />
Sie sind so viel mehr als<br />
nur Einkaufsmöglichkeiten.<br />
Die Trinkhallen und<br />
Kioske im Pott sind Versorger.<br />
Sie haben nicht<br />
nur Kippen, Bier, Brötchen<br />
und Zeitschriften,<br />
sondern auch Rat und<br />
Die perfekte Komposition<br />
aus vier Edelmalzen<br />
und bestem Hopfen.<br />
Tat und warme Worte.<br />
Den Budenzauber<br />
macht die große<br />
Hövels verführt<br />
Fotografin<br />
Brigitte Krämer<br />
die Sinne.<br />
sichtbar.<br />
30<br />
Von Inga Pöting<br />
Kännchen gegen Barista<br />
Die coole szenige Rösterei und das altehrwürdige Kaffeekränchen<br />
im Vergleich: Kaffeetrinken im Ruhrgebiet.<br />
Eine Foto-Zeitreise - mitten in der Gegenwart.<br />
31<br />
44<br />
12<br />
Unternehmensgeschichte Stiftsquelle:<br />
EIN BRUNNEN ZIEHT UM<br />
22<br />
Vom Multivitaminsaft<br />
zum Smoothie<br />
Professor Julius Koch war eine Legende.<br />
Als Leiter des Instituts für Gemüse-<br />
und Früchteverwertung an der<br />
berühmten Wein-Hochschule in Geisenheim<br />
erwarb der 1912 geborene<br />
Önologe sich schon unmittelbar nach Erfunden wurde der Konzept, nicht rechtlich geschützt übrigens, das<br />
dem Zweiten Weltkrieg große Verdienste<br />
bei der Modernisierung des Fruchtsafthersteller hof wegzudenken ist. Noch ist das Fußballstadion<br />
Multivitaminsaft vom längst aus keinem Supermarkt und keinem Bahn-<br />
Bereichs der Gemüse- und Früchteverwertung<br />
und vor allem der Frucht-<br />
60er Jahre mit Koch im versammlungsort. Vermutlich aber nicht mehr<br />
Eckes, der Ende der vermutlich der einzige Smoothie-freie-Massensafttechnologie.<br />
So verwundert es hauseigenen Institut lange.<br />
nicht, dass Koch im Rahmen seiner für Getränkeforschung<br />
späteren Tätigkeit in der Fruchtsaftindustrie<br />
vor allem als der Schöpfer von teln ließ. So kam 1979 mäßig“, „cremig“) ist eine Bezeichnung für kalte<br />
an neuen Safttypen tüf-<br />
Smoothies (von smooth, englisch, „fein“, „gleich-<br />
„Hohes C“ (erster konzentrierter und als erster „Frucht-Multi-Vitaminsaft“<br />
der Dr. ten, die frisch zubereitet oder als Fertigprodukte<br />
Mixgetränke aus Obst und auch Milchproduk-<br />
haltbarer Orangensaft in Flaschen)<br />
oder „Dr. Koch‘s Trink 10“ (erster Multivitaminsaft)<br />
in Erinnerung bleibt. Markt, benannt eben lichen Fruchtsäften wird bei den Smoothies die<br />
Koch’s Trink 10 auf den angeboten werden. Im Gegensatz zu herkömm-<br />
nach dem Institutsleiter<br />
Julius Koch. Er wurde damals als Mix aus „10 die Schale und Kerne verarbei-<br />
ganze Frucht, ja teilweise auch<br />
wohlschmeckenden Früchten“ und „10 lebenswichtigen<br />
Vitaminen“ angepriesen. Seitdem hat len Smoothie-Produkten das<br />
tet. Entsprechend gilt bei vie-<br />
sich Multivitaminsaft etabliert. Obwohl der Vielvitaminsaft<br />
mit seinem sämig-undifferenzierten Gepüree<br />
als Basis. Dieses wird je<br />
Fruchtmark oder ein Fruchtschmacksbild<br />
nicht überall in der Welt geschätzt nach Rezept mit Säften, Wasser,<br />
Milch, Milchprodukten<br />
wird, wurde er doch einst zum drittbeliebteste<br />
Fruchtsaft der Deutschen – nach Orangen- und oder Kokosmilch gemischt wird, um<br />
Apfelsaft.<br />
eine cremige und sämige Konsistenz zu erhalten.<br />
Damit ist es dem Multivitaminsaft recht nahe.<br />
Heute ist die Welt der Säfte eine vollkommen andere.<br />
Der Konsument hat gelernt zu unterscheiden,<br />
welche Qualitätsstufen und Sorten es bei den mit der amerikanischen Gegenkultur. Auch<br />
Die Smoothie-Historie in den USA ist eng verbun-<br />
Orangen- und Apfel-Säften gibt, die Kombinatorik hier wurde frisch gepresster Obstsaft in den 60ern<br />
mit vielen neu verfügbaren Südfrüchten ist schier zum Trendgetränk bewusst lebender Vegetarier in<br />
unendlich, alte Obstsorten feiern ein Comeback, den Saftbars Kaliforniens. Ein Hippie-Saft-Traum.<br />
genauso wie immer wildere Kreationen mit Gemüse<br />
ihren Weg machen. Der Trend zu vegan und findet es sich eher als „das trinkbare gute Gewis-<br />
Seit der Trend in Deutschland angekommen ist,<br />
vegetarisch breitet den Säften ebenfalls einen sen“ überall wieder. Denn er wird gelegentlich<br />
schönen Teppich aus, sind sie doch gleichermaßen<br />
nahrhaft und gesund, wie auch offensichtlich vielleicht die Vorstellung, statt mühsam Obst zu<br />
vermarktet als Ersatz für frisches Obst. Verlockend<br />
„natürlich“. Allein die Frage nach dem Zucker steht besorgen, es zu schälen und zuzubereiten, einfach<br />
dann noch im Raume.<br />
kurz in den Kühlschrank zu greifen und die Tagesration<br />
„Gesundheit“ zu kippen. Doch dabei sollte<br />
Ein moderner Vertreter – quasi der legitime Nachfolger<br />
des Multivitaminsaftes – ist der Smoothie. tet zumeist ungefähr so viel wie 2 Kilo Äpfel. Das<br />
der Konsument gut überlegen: ein Smoothie kos-<br />
Ein amerikanischer Name für ein amerikanisches hat Doktor Koch vermutlich nie geahnt.<br />
30<br />
Aus der Region-für die Region<br />
Feinste Säfte<br />
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moeller-obstsaefte.de<br />
Aus der Region-für die Region<br />
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46<br />
Saftkönig<br />
von der Ruhr<br />
In recklinghausen produziert<br />
Möller Apfelsäfte. Wir<br />
haben die Produktion besucht<br />
und mit dem Chef gesprochen.<br />
22<br />
Mitten im Ruhrgebiet, in Essen-Stoppenberg, hat 1894<br />
ein Getränkevertrieb die Arbeit aufgenommen. Johann<br />
Spielmann hieß der Mann, der unter anderem Bierfässer<br />
aus Dortmunder Brauereien holte, um sie in Stoppenberg<br />
in Flaschen abzufüllen und zu verkaufen. Unweit Mit der Stiftsquelle war ein<br />
der Zeche Zollverein wuchs ein echtes mittelständiges<br />
Traditionsunternehmen heran. Nach dem Zweiten ralwasser, das amtlich an-<br />
neues Produkt da: Mine-<br />
Weltkrieg wurde hier sogar die bekannte Limo-Marke erkannt ist und direkt am<br />
Sinalco abgefüllt. 1959 war dann das Jahr, in dem für Gewinnungsort abgefüllt<br />
die, nun schon, Johann Spielmann GmbH eine neue Ära werden muss. Die Marke<br />
anbrach: Bei Bohrungen für einen neuen Brunnen, um Stiftsquelle wurde geschaffen.<br />
Der Name bezieht sich<br />
die Kosten für Wasser zu reduzieren, stieß das Unternehmen<br />
auf erstklassiges Mineralwasser – die Geburtsstunde<br />
der Stiftsquelle.<br />
rum Stoppenbergs, in deren<br />
auf die Stiftskirche im Zent-<br />
Sichtweite sich diese erste<br />
Quelle befand. In den nächsten mehr als 50 Jahren<br />
entwickelte sich die Stiftsquelle zu einem der<br />
führenden familiengeführten Mineralbrunnen im<br />
Ruhrgebiet, das sich zunächst ausschließlich auf die<br />
Produktion von hochwertigen Mineralwasserprodukten<br />
spezialisiert hat. Mit steigender Nachfrage<br />
wurde es aber im 21. Jahrhundert am Standort in<br />
Essen immer enger. Daneben hatte die Stiftsquelle<br />
dort mit weiteren Wettbewerbsnachteilen zu kämpfen.<br />
So durfte aufgrund der Lage in einem echten<br />
Wohngebiet vor sechs Uhr am Morgen keine LKW<br />
fahren. Quasi undenkbar für einen florierenden und<br />
funktionierenden Getränkelieferanten, der sein Pro-<br />
Stiftsquelle.<br />
Der Umzug<br />
Das Traditionsunternehmen<br />
aus Stoppenberg musste aus<br />
Platzgründen umziehen. In<br />
Dorsten fand es Platz und<br />
neues frisches Mineralwasser.<br />
Jetzt sogar in Bio.<br />
44<br />
Multivitamin<br />
vs. Smoothie<br />
23<br />
Gutes Gewissen zum Trinken.<br />
Die schnelle Dosis Vitamine<br />
zum kippen. Aus einem Mischmasch<br />
von Säften wurde<br />
ein bunter Trink-Kult für Bewusste.<br />
Saft ist nicht gleich<br />
Saft.<br />
45<br />
Möller-Säfte aus Recklinghausen<br />
Aus der Region in<br />
die Flasche<br />
von Stefan Moutty (text und Foto)<br />
„Der Apfe<br />
– Josef M<br />
wehrend<br />
schlag fü<br />
Artikel hö<br />
bin doch<br />
ter“, kor<br />
des Rec<br />
„Möller O<br />
wäre er<br />
wahrhaft<br />
der Äpfe<br />
nicht wei<br />
nimmt M<br />
ihn mit kö<br />
46<br />
4
Abwarten und T-Bone-Tea trinken<br />
Steak-Tee. Ja, nee, ist klar. Irgendwann musste ja mal wer darauf<br />
kommen. „Nach jahrelanger Entwicklung sind wir nun vollkommen<br />
glücklich über unsere Innovation T-Bone Tea. Sie besetzt eine<br />
Marktlücke und ist für Steak- und Teeliebhaber gleichermaßen<br />
eine willkommene Abwechslung“, findet Geschäftsführer Burkhard<br />
Schulte von gourmetfleisch.de. Ob es wirklich stimmt, dass Kuh gegen<br />
Kater hilft, kann hier jeder selbst herausfinden. Neue Kunden<br />
sollen außerdem durch ein Sample-Mailing begeistert werden, bei<br />
dem T-Bone Tea in einer Teebox im Stil einer Feinkost-Fleischerei<br />
verschickt wird. Besonderer Clou: Die Teebeutel hängen an kleinen<br />
Fleischerhaken, mit denen man sie auch gleich am Tassenrand<br />
einhaken kann. T-Bone Tea ist schon ein Hingucker im Büro, fett<br />
riechender Begleiter beim Brunch, Aufsehen erregender Appetizer<br />
zum Barbecue, Aufreger für Vegetarier und ein perfekte Geschenk<br />
für Männer, die schon alles haben. www.gourmetfleisch.de<br />
Yu-Jin hat besten Gin<br />
Dem Gin des Lebens kann der Kenner ganz gut<br />
an der Rü nachjagen. Der ewige Spirituosen-Klassiker,<br />
der immer noch neue Blüten hervorbringt,<br />
steht im Gin & Jagger in Essen-Rüttenscheid natürlich<br />
stets im Fokus. Yu-Jin Chung betreibt ihr<br />
„Cafe, Bar, Brasserie“ mit „internationalem Crossover“<br />
in einem tollen Ambiente. Dunkel, stylish,<br />
urban. Große Wandtapeten in Magazin-Collagen-Optik.<br />
Popkultur trifft Design-Klassik trifft<br />
Style-Ideen. Wunderbar: Eine lange Theke wartet<br />
auf die Bar-Flies. Der Freisitz Richtung Rüttenscheider<br />
Straße ist klein genug für Exklusivität,<br />
und auch der Service macht was her mit den<br />
schwarzen Hosenträgern über der weißen Bluse.<br />
Hinten heraus ist es etwas anders, da erwartet<br />
den Gast der eher gemütliche Biergarten, freilich<br />
Stauder feiert 150 Jahre – und sucht Bilder<br />
mit dem schönen Essens- und Getränke-Angebot<br />
des Ladens. Kulinarisch setzt man auf das,<br />
was überall so gerne als „Soulfood“, tolle Burger,Currys,<br />
schicke Steaks und saisonale Salate,<br />
Currywurst wie Ratatouille. Oder auch mal ein<br />
„Yellowfin Tuna Steak“ (Vorspeise, 9, 50), das<br />
den Thunfisch in sensibel angegrillten Würfeln<br />
als Halb-Sushi-Variante auf den Tisch bringt,<br />
dazu einen Glasnudelsalat, wiederum toll ergänzt<br />
mit Erdnüssen, Limette, Koriander und<br />
Minze. Und der Gin? Da gibt es immer etwas zu<br />
entdecken: der fruchtige MOM Gin, Friedrichs<br />
Dry Gin aus Westfalen, der Siegfried aus dem<br />
Rheinland oder auch Ferdinand’s Saar Dry Gin<br />
Gold Cap, High End aus dem Saarland. Fabelhafte<br />
Auswahl. www.gin-jagger.de<br />
Bei der Privatbrauerei Jacob Stauder<br />
laufen die Vorbereitungen auf das Jahr<br />
2017 auf Hochtouren. Anlass: In diesem<br />
Jahr begeht das Essener Familien-Unternehmen<br />
seinen 150. Geburtstag.<br />
Und bei diesen Vorbereitungen können<br />
Stauder-Fans mithelfen: Und zwar<br />
mit historischen Fotos, Dias und Filmen<br />
zum Thema „Stauder“. „Natürlich haben<br />
wir ein auch ein entsprechendes<br />
Archiv“, sagt Brauereichef Thomas Stauder.<br />
„Trotzdem schlummert bestimmt<br />
das ein oder andere spannende Foto,<br />
Dia oder vielleicht auch Filmmaterial<br />
irgendwo in Schubladen oder Alben.“<br />
Über genau diese historischen „Stauder-Schnappschüsse“<br />
würde sich die<br />
Brauerei sehr freuen. Das Material kann<br />
entweder (wenn digitalisiert) per Mail<br />
direkt an info@stauder.de geschickt<br />
werden. Alternativ funktioniert natürlich<br />
auch der Postweg (Privatbrauerei<br />
Jacob Stauder, Abteilung Marketing,<br />
Stauderstr. 88, 45326 Essen). Bild- und<br />
Filmmaterial wird nach Sichtung und<br />
ggf. erfolgter Digitalisierung natürlich<br />
zurückgesandt. www.stauder.de<br />
7
MIXED NEWS<br />
Korn, Bier, Schnaps, Wein NEUIGKEITEN Tee, Kaffee und mehr<br />
Die Entdeckung der Langsamkeit – jetzt auch beim Bier. Slow Brewing<br />
gilt als das konsequenteste Gütesiegel am internationalen Biermarkt. Angetreten<br />
mit dem Claim „Leidenschaft für das Gute“ genießt das Siegel<br />
hohes Ansehen, weil es Herstellung, Bier und Brauerei umfassend und<br />
mit hoher Frequenz prüft. Dabei geht es nicht nur um hochwertige Rohstoffe<br />
und behutsame Herstellungsverfahren, wie kalte Gärung und lange<br />
Lagerung, sondern auch um Unternehmenskultur und regionale Verwurzelung.<br />
Als eine der ersten Brauereien in Deutschland schloss sich die<br />
Privatbrauerei Moritz Fiege aus Bochum der Vereinigung Slow Brewing<br />
an. Mittlerweile gehören 25 unabhängige Brauereien aus Deutschland,<br />
Österreich, Italien und der Schweiz der „Slow Brewing“-Vereinigung an.<br />
Im Ruhrgebiet ist Fiege das einzige Mitglied. Seit 2013 trägt die Privatbrauerei<br />
bereits das Siegel. Es ist auf dem Rückenetikett zu finden. Die<br />
Qualitätsprüfungen erfolgen auf Grundlage wissenschaftlicher Checklisten.<br />
Qualität und Geschmack der Biere werden einmal monatlich<br />
von unabhängigen Experten des Forschungszentrums für Brau- und<br />
Lebensmittelqualität Weihenstephan an der TU München untersucht.<br />
Brauerei-Inhaber Jürgen Fiege zum Vorteil des langsamen Brauens im<br />
Vergleich zur beschleunigten industriellen Produktion: „Das langsame<br />
Brauen mit kalter Gärung, langer Lagerung und Reifung<br />
des Bieres hat positiven Einfluss auf die<br />
Bekömmlichkeit der Biere. Die Zeit<br />
ist der Schlüssel für die Entfaltung<br />
des ausgewogenen Geschmacks.<br />
www.moritzfiege.de<br />
Korn kann mehr<br />
Korn kann mehr. Unter diesem<br />
Motto sind vor wenigen Jahren<br />
die Geschwister Theres und Georg<br />
Glitz-Ehringhausen angetreten, einen<br />
schlecht beleumundeten Schnaps<br />
von seinem schlechten Ruf zu erretten.<br />
Schnelle eroberten sich die<br />
herrlichen Kornbrände von der Lippe<br />
eine treue Fan-Gemeinde in den<br />
besseren Bar- und Restaurant-Orten<br />
des Ruhrgebietes. Ein Korn, der nicht<br />
unbedingt nur zum Bier gestürzt werden<br />
will. Mit der Reihe „Der kleine<br />
Lord“, benannt nach dem Spitznamen<br />
des Ururgroßvaters haben die<br />
Destillate eine neue Qualität erreicht.<br />
Mit dem Dry Gin Jos. Garden (ein<br />
Westfalen-Wacholder mit Noten<br />
von Himbeere, Zitrone, Schlehe und<br />
Pappelknospe, wie auch Koriander,<br />
Zimt, Pfeffer und Pommeränzchen)<br />
und Dingen wie Orangenmarmelade<br />
stoßen sie neue Türen auf. Bald dürften<br />
auch die ersten Whiskys soweit<br />
sein. Wir blicken gespannt nach<br />
Ehringhausen.<br />
www.brennerei-ehringhausen.de<br />
Bier braucht Zeit<br />
– Slow Brewing<br />
6
Abwarten und T-Bone-Tea trinken<br />
Steak-Tee. Ja, nee, ist klar. Irgendwann musste ja mal wer darauf<br />
kommen. „Nach jahrelanger Entwicklung sind wir nun vollkommen<br />
glücklich über unsere Innovation T-Bone Tea. Sie besetzt eine<br />
Marktlücke und ist für Steak- und Teeliebhaber gleichermaßen<br />
eine willkommene Abwechslung“, findet Geschäftsführer Burkhard<br />
Schulte von gourmetfleisch.de. Ob es wirklich stimmt, dass Kuh gegen<br />
Kater hilft, kann hier jeder selbst herausfinden. Neue Kunden<br />
sollen außerdem durch ein Sample-Mailing begeistert werden, bei<br />
dem T-Bone Tea in einer Teebox im Stil einer Feinkost-Fleischerei<br />
verschickt wird. Besonderer Clou: Die Teebeutel hängen an kleinen<br />
Fleischerhaken, mit denen man sie auch gleich am Tassenrand<br />
einhaken kann. T-Bone Tea ist schon ein Hingucker im Büro, fett<br />
riechender Begleiter beim Brunch, Aufsehen erregender Appetizer<br />
zum Barbecue, Aufreger für Vegetarier und ein perfekte Geschenk<br />
für Männer, die schon alles haben. www.gourmetfleisch.de<br />
Yu-Jin hat besten Gin<br />
Dem Gin des Lebens kann der Kenner ganz gut<br />
an der Rü nachjagen. Der ewige Spirituosen-Klassiker,<br />
der immer noch neue Blüten hervorbringt,<br />
steht im Gin & Jagger in Essen-Rüttenscheid natürlich<br />
stets im Fokus. Yu-Jin Chung betreibt ihr<br />
„Cafe, Bar, Brasserie“ mit „internationalem Crossover“<br />
in einem tollen Ambiente. Dunkel, stylish,<br />
urban. Große Wandtapeten in Magazin-Collagen-Optik.<br />
Popkultur trifft Design-Klassik trifft<br />
Style-Ideen. Wunderbar: Eine lange Theke wartet<br />
auf die Bar-Flies. Der Freisitz Richtung Rüttenscheider<br />
Straße ist klein genug für Exklusivität,<br />
und auch der Service macht was her mit den<br />
schwarzen Hosenträgern über der weißen Bluse.<br />
Hinten heraus ist es etwas anders, da erwartet<br />
den Gast der eher gemütliche Biergarten, freilich<br />
Stauder feiert 150 Jahre – und sucht Bilder<br />
mit dem schönen Essens- und Getränke-Angebot<br />
des Ladens. Kulinarisch setzt man auf das,<br />
was überall so gerne als „Soulfood“, tolle Burger,Currys,<br />
schicke Steaks und saisonale Salate,<br />
Currywurst wie Ratatouille. Oder auch mal ein<br />
„Yellowfin Tuna Steak“ (Vorspeise, 9, 50), das<br />
den Thunfisch in sensibel angegrillten Würfeln<br />
als Halb-Sushi-Variante auf den Tisch bringt,<br />
dazu einen Glasnudelsalat, wiederum toll ergänzt<br />
mit Erdnüssen, Limette, Koriander und<br />
Minze. Und der Gin? Da gibt es immer etwas zu<br />
entdecken: der fruchtige MOM Gin, Friedrichs<br />
Dry Gin aus Westfalen, der Siegfried aus dem<br />
Rheinland oder auch Ferdinand’s Saar Dry Gin<br />
Gold Cap, High End aus dem Saarland. Fabelhafte<br />
Auswahl. www.gin-jagger.de<br />
Bei der Privatbrauerei Jacob Stauder<br />
laufen die Vorbereitungen auf das Jahr<br />
2017 auf Hochtouren. Anlass: In diesem<br />
Jahr begeht das Essener Familien-Unternehmen<br />
seinen 150. Geburtstag.<br />
Und bei diesen Vorbereitungen können<br />
Stauder-Fans mithelfen: Und zwar<br />
mit historischen Fotos, Dias und Filmen<br />
zum Thema „Stauder“. „Natürlich haben<br />
wir ein auch ein entsprechendes<br />
Archiv“, sagt Brauereichef Thomas Stauder.<br />
„Trotzdem schlummert bestimmt<br />
das ein oder andere spannende Foto,<br />
Dia oder vielleicht auch Filmmaterial<br />
irgendwo in Schubladen oder Alben.“<br />
Über genau diese historischen „Stauder-Schnappschüsse“<br />
würde sich die<br />
Brauerei sehr freuen. Das Material kann<br />
entweder (wenn digitalisiert) per Mail<br />
direkt an info@stauder.de geschickt<br />
werden. Alternativ funktioniert natürlich<br />
auch der Postweg (Privatbrauerei<br />
Jacob Stauder, Abteilung Marketing,<br />
Stauderstr. 88, 45326 Essen). Bild- und<br />
Filmmaterial wird nach Sichtung und<br />
ggf. erfolgter Digitalisierung natürlich<br />
zurückgesandt. www.stauder.de<br />
7
Was<br />
Wasser<br />
8
ser<br />
9
ES SPRUDELT UNTER<br />
DEM RUHRGEBIET<br />
2015 veröffentlichte das Bundesamt für Verbraucherschutz<br />
und Lebensmittelsicherheit eine Grafik, die Orte<br />
zeigte, an denen Mineralwasser abgefüllt wird. Diese<br />
Deutschlandkarte zeigt, dass NRW und speziell das Ruhrgebiet<br />
zu den wichtigsten Förderern des Wassers gehört.<br />
Deutschlandweit ist ausgerechnet Bochum dabei die<br />
drittplatzierte(!) Stadt, was die Abfüllung von Mineralwasser<br />
angeht. Ganze 22 Orte wurden hier statistisch erfasst.<br />
Insgesamt gibt es erstaunliche 11. 000 Quellen in<br />
NRW, gut 140 davon Mineralquellen (bundesweit sind es<br />
das nur insgesamt 800).<br />
Doch was ist überhaupt Mineralwasser?<br />
Es entsteht, wenn Regen oder<br />
Schnee versickert und als Wasser<br />
seinem langen Weg nimmt durch<br />
verschiedene Gesteinsschichten.<br />
Dabei nimmt es Mineralstoffe und<br />
Spurenelemente auf, wird derweil<br />
aber auch gefiltert und gereinigt. Dieser Versickerungsprozess<br />
dauert manchmal Jahre, mal Jahrzehnte, womöglich auch länger.<br />
So entstehen hochwertige Naturprodukte – mal reich an Calcium,<br />
Magnesium oder Fluor, mal mit natürlicher Kohlensäure, auch<br />
schon mal temperiert. Irgendwann wird dann das in einem „Reservoir“<br />
entdeckte „fertige“ Mineralwasser per Mineralbrunnen<br />
wieder an die Oberfläche gefördert, dort distributiert. Das heißt,<br />
dass meist kommerzielle Unternehmen es unter Umständen mit<br />
10
(zusätzlicher) Kohlensäure versetzen und in Flaschen abfüllen.<br />
In sogenannten artesischen Quellen gelangt das Wasser<br />
durch Überdruck allerdings von ganz allein an die Oberfläche.<br />
Die rechtlichen Vorgaben für derlei Produkt sind in der<br />
Mineral- und Tafelwasserverordnung geregelt. „Natürliches<br />
Mineralwasser“ bedeutet hier: Dieses Wasser erfüllt die<br />
strengen Anforderungen in geologischer, chemischer und<br />
mikrobiologischer Hinsicht. Das heißt, es stammt aus einem<br />
unterirdischen Wasservorkommen, das vor Verunreinigungen<br />
geschützt ist. Es ist von Natur aus rein, besitzt eine beständige<br />
Mineralisation im Rahmen natürlicher Schwankungen<br />
und beinhaltet natürlich keine gesundheitsschädlichen<br />
Inhaltsstoffe. Mineralwasser darf, laut Gesetzgeber, in seiner<br />
natürlichen Beschaffenheit nicht verändert werden. Nur der<br />
Zusatz von Kohlensäure ist erlaubt. Eine Ausnahme ist auch<br />
der Entzug von Kohlensäure, Eisen und Schwefel. Um seine<br />
Qualität zu wahren, muss es am Quellort abgefüllt werden.<br />
In NRW liegt die durchschnittliche Brunnentiefe laut Geologischem<br />
Dienst NRW bei 120 Metern. Anders als das Mineralwasser<br />
entstammt das Trinkwasser, das „Kraneberger“,<br />
das aus dem Hahn kommt, in der Regel aus Reservoirs an<br />
der Oberfläche (Flüsse und Seen, Talsperren) und Grundwasservorkommen.<br />
Es wird mit Wasseraufbereitungsverfahren<br />
gereinigt und entkeimt.<br />
Neuster Clou ist übrigens Bio-Mineralwasser. Das irritiert:<br />
Sind Mineralwasser nicht immer bio, weil sie natürlich rein<br />
sein müssen? Das ist richtig. Die Differenz liegt dann tatsächlich<br />
nicht mehr im Produkt selber, sondern darin, dass<br />
mehr Tests vorgenommen werden, um Belastungen und Pestizid-Rückstände<br />
zu vermeiden. Das Bio-Siegel ist also eher<br />
symbolischer Natur und beschreibt weniger das Produkt als<br />
vielmehr einen Mehrwert an Verantwortung.<br />
11
DIE BUDE<br />
Fotografien von Brigitte Kraemer<br />
Trinkhallen sind ein Stück Ruhrgebiet.<br />
Geschätzt gibt es 15.000 davon, wobei<br />
schwer zu unterscheiden ist zwischen<br />
klassischen Kiosken und allgemeinen Verkaufsgeschäften.<br />
Brigitte Krämer hat sie<br />
für das längst vergriffene Fotobuch „Die<br />
Bude“ dokumentiert. Die vielfach ausgezeichnete<br />
Fotografin folgt dabei den<br />
großen Spuren des Moment-Fotografen<br />
Henri Cartier-Bressson, wie auch jenen<br />
der Dokumentaristen wie Walker Evans<br />
und Robert Frank. Ihr gelingen wunderbare<br />
Porträts der Kultur der Büdchen, der<br />
Buden, der Kioske und Seltersbuden, die<br />
für Betreiber wie Kunden eine ganz eigene<br />
Welt bedeuten. Nicht umsonst wurde<br />
der Tag der Trinkhallen 2016 zu einem<br />
riesigen Erfolg.<br />
12
Herne-Röhlinghausen, 2008<br />
13
14<br />
Dortmund-Nord, 2007
Duisburg-Mitte, 2007<br />
Die perfekte Komposition<br />
aus vier Edelmalzen<br />
und bestem Hopfen.<br />
Das offizielle Bier<br />
der Sommelier-Union<br />
Deutschland e.V.<br />
Hövels verführt die Sinne.<br />
www.hoevels-original.de
16<br />
Herne-Röhlinghausen, Zeche Pluto 2006
Bochum-Wattenscheid, 2007<br />
17
ohlen<br />
ohlen<br />
edium<br />
PERLENDE FREUDE:<br />
edium<br />
SPRUDEL – MEDIUM - STILL<br />
Mineralwasser ist ein Trend: 10,8 Milliarden Liter Mineralwasser<br />
wurden in Deutschland 2014 laut Verband Deutscher<br />
Mineralbrunnen abgesetzt. Pro Kopf rund 143,6 Liter.<br />
Im Jahr 2000 waren es noch rund 100 Liter. Anfang der Achtziger<br />
Jahre lag der Wert unter 40 Litern pro Person und 1970<br />
sogar nur bei 12,5 Litern. Seit dem hat sich der Mineralwasserabsatz<br />
also mehr als verzehnfacht.<br />
Die populärsten Darreichungsformen des Mineralwassers,<br />
verbunden mit der Frage „Mit oder ohne?“ waren Sprudel<br />
und Still. Im letzten Jahrzehnt ist eindeutig das Produkt Medium“<br />
dazu gekommen. Der Kohlensäuregehalt, der Mineralstoffanteil<br />
und auch die Herkunft bestimmen den Geschmack<br />
eines Wassers. Dabei gilt die Grundregel: Je mehr Kohlensäure<br />
das Wasser enthält, desto härter wirkt es im Mund.<br />
Dazu gilt auch: je mehr Mineralien (vor allem Natrium,<br />
Kalzium und Magnesium) darin gelöst sind, desto<br />
kräftiger „schmeckt“ es. Stilles Wasser wirkt<br />
deshalb weich und neutral, weil es quasi<br />
keine Kohlensäure enthält und oft<br />
mit einem relativ geringen Mineraliengehalt<br />
angeboten<br />
wird. Für Weintrinker bedeutet<br />
dies, dass weiches<br />
18
säure<br />
Still<br />
säure<br />
Still<br />
Wasser den Wein flach machen kann, da es ihm die<br />
Säure nimmt. Stark kohlensäurehaltiges Wasser intensiviert<br />
dagegen die Säure oder die Tannine eines<br />
Weins.<br />
Die Grundregeln hier lauten deshalb:<br />
Ein ausgewogen mineralisiertes Wasser mit mittlerem<br />
Kohlensäuregehalt, zumeist unter dem Label „medium“<br />
zu bekommen, harmoniert für gewöhnlich sehr<br />
gut mit trockenen Weißweinen, da dadurch deren<br />
Säure noch deutlich mehr an Jugendlichkeit und Frische<br />
gewinnt.<br />
Tanninbetonte, schwere Barrique-Rotweine dagegen<br />
vertragen sich weitaus am besten mit stillem Wasser.<br />
Denn die Kohlensäure eines sprudelnden Wassers<br />
würde den eher bitteren Geschmackseindruck der<br />
Tannine verstärken.<br />
Solche Mineralwässer mit viel Kohlensäure<br />
sind die idealen Begleiter<br />
zu lieblichen Weinen. Die kräftige<br />
Frische puffert die Süße und unterstreicht<br />
zugleich die Säure auf<br />
angenehme Weise.<br />
19
Nobelwasser<br />
Wasser kommt aus dem Hahn. Oder<br />
hierzulande gerne auch aus dem<br />
Kran. Kraneberger. Aber längst ist<br />
Wasser nicht mehr nur Wasser, es<br />
gibt Luxuswasser, Premium-Wasser,<br />
Edel-Wasser mit teils haarsträubenden<br />
Hintergrundgeschichten.<br />
Es stammt aus Gletschern, aus Eisbergen,<br />
sprudelt fernab aller Zivilisation<br />
aus dem Boden, regnet auf<br />
unberührte Inseln herab. Auch die<br />
Flasche darf mal mit Diamanten<br />
besetzt sein, um den Literpreis in<br />
den zwei- bis dreistelligen Bereich<br />
zu hieven.<br />
Und tatsächlich:<br />
Ausländisches<br />
Wasser<br />
erfreut sich<br />
nicht nur in<br />
Deutschland<br />
immer größerer<br />
Beliebtheit.<br />
Auch bei<br />
europäischen<br />
Nachbarn, vor<br />
allem aber in<br />
Asien und den<br />
USA sind die so genannte „Premium<br />
Wasser“ fast schon Pflicht in<br />
den besseren Restaurants. Aber<br />
was ist denn nun wirklich drin<br />
und dran am hochpreisigen Import-Wasser?<br />
Ob „Voss“ aus der norwegischen<br />
Wildnis, „Ty Nant“ aus Wales oder<br />
„Fiji“ aus der Südsee. Die Preisspanne<br />
reicht von unter zehn bis<br />
um die 100 Euro. Und: Lange schon<br />
gibt es sogar speziell ausgebildete<br />
Wasser-Sommelières. Ihr Gebiet<br />
ist ein wachsender Wahnsinn mit<br />
Methode. Die Wässerchen heißen<br />
Bling h2o, Püro, OGO, Cape<br />
Grim, Veen, Lauquen, Cloud Juice,<br />
10 Thausend BC, Cape Karoo, 420<br />
Below. Klar ist, dass Wasser nicht<br />
gleich Wasser ist. Tatsächlich ist es<br />
ganz wissenschaftlich nachzuweisen,<br />
dass die Individualität der Getränke<br />
durchaus vorhanden ist, abhängig<br />
logischerweise von gelösten<br />
Stoffen, Mineralien, Wasserhärte,<br />
Kohlensäuregehalt.<br />
Das Edel-Wasser „Voss“ aus Norwegen<br />
ist vermutlich am populärsten.<br />
Man kennt es von der Getränkekarte<br />
vieler Luxushotels und aus der<br />
gehobenen Gastronomie. Auch die<br />
Geschichte, dass Popstar Madonna<br />
einst ein Hotel fluchtartig verließ,<br />
weil sie dort kein Voss-Wasser bekam,<br />
tat dem Pop-Status des Produktes<br />
natürlich keinen Abbruch.<br />
Die coole Flasche, von Neil Kraft,<br />
dem ehemaligen Chefdesigner von<br />
Calvin Klein gestaltet, ist schon ein<br />
Design-Klassiker, sie enthält Wasser,<br />
das aus einem Gletscher entspringt.<br />
Doch irgendwann musste<br />
auch diese an Nachhaltigkeit und<br />
Umweltschutz arbeitende Marke<br />
eine Krise meistern. Gerüchte<br />
machten die Runde – von einem<br />
angeblichen Videobeweis begleitet<br />
– dass das Wasser aus der einfachen<br />
Leitung käme. Einige Kilometer<br />
weg vom nächsten Gletscher.<br />
Das ist bei aller Unseriösität der<br />
Meldung natürlich genau der<br />
Punkt. Wie ist das Verhältnis zwischen<br />
Wasser aus der Leitung, dem<br />
sehr billigen aus dem Discounter,<br />
den Klassikern aus dem Supermarkt<br />
und den Edel-Wässern? Ist<br />
der Unterschied schmeckbar, ist<br />
die Differenz ihr Geld wert? Schwer<br />
zu beantworten. Klar ist lediglich,<br />
dass sich einige H2O-Getränke besser<br />
oder schlechter mit gewissen<br />
Weinen vertragen. Alles andere ist<br />
vermutlich Geschmackssache und<br />
kontextabhängig. Nach dem Sport<br />
bevorzugen Menschen etwa eine<br />
andere Erfrischung als zum Einschlafen.<br />
Eines scheint aber festzustehen.<br />
Hiesige Mineralwässer werden oft<br />
nicht gut vermarktet. Fragt man<br />
die Verbraucher nach bekannt<br />
„guten“ Mineralwassernamen und<br />
-firmen, dann hören sie meist französische<br />
Namen, wie Evian, Vittel<br />
oder Volvic. Hier muss an einem<br />
Bewusstseinswandel gearbeitet<br />
werden, denn ein Hin zu mehr Regionalität<br />
als Gegenbewegung zur<br />
Globalisierung würde auch den Mineralwassern<br />
nützen. Gutes Wasser<br />
muss sauber und gesund sein,<br />
frisch schmecken und verträglich<br />
sein. Dafür braucht es keine Gletscher<br />
und keine Diamanten.<br />
20
– was ist dran?<br />
21
für einen florierenden und funktionierenden Getränkelieferanten,<br />
der sein Produkt schließlich frühmorgens an den<br />
durfte aufgrund der Lage in einem echten Wohngebiet vor<br />
sechs Uhr am Morgen keine LKW fahren. Quasi undenkbar<br />
ort in Essen immer enger. Daneben hatte die Stiftsquelle<br />
dort mit weiteren Wettbewerbsnachteilen zu kämpfen. So<br />
Unternehmensgeschichte Stiftsquelle:<br />
EIN BRUNNEN ZIEHT UM<br />
Mitten im Ruhrgebiet, in Essen-Stoppenberg, hat 1894<br />
ein Getränkevertrieb die Arbeit aufgenommen. Johann<br />
Spielmann hieß der Mann, der unter anderem Bierfässer<br />
aus Dortmunder Brauereien holte, um sie in Stoppenberg<br />
in Flaschen abzufüllen und zu verkaufen. Unweit Mit der Stiftsquelle war ein neues<br />
der Zeche Zollverein wuchs ein echtes mittelständiges<br />
Traditionsunternehmen heran. Nach dem Zweiten lich anerkannt ist und direkt am Ge-<br />
Produkt da: Mineralwasser, das amt-<br />
Weltkrieg wurde hier sogar die bekannte Limo-Marke winnungsort abgefüllt werden muss.<br />
Sinalco abgefüllt. 1959 war dann das Jahr, in dem für Die Marke Stiftsquelle wurde geschaffen.<br />
Der Name bezieht sich auf<br />
die, nun schon, Johann Spielmann GmbH eine neue Ära<br />
anbrach: Bei Bohrungen für einen neuen Brunnen, um die Stiftskirche im Zentrum Stoppenbergs,<br />
in deren Sichtweite sich diese<br />
die Kosten für Wasser zu reduzieren, stieß das Unternehmen<br />
auf erstklassiges Mineralwasser – die Geburtsstunde<br />
der Stiftsquelle.<br />
mehr als 50 Jahren entwickelte sich<br />
erste Quelle befand. In den nächsten<br />
die Stiftsquelle zu einem der führenden<br />
familiengeführten Mineralbrunnen im Ruhrgebiet, das<br />
sich zunächst ausschließlich auf die Produktion von hochwertigen<br />
Mineralwasserprodukten spezialisiert hat. Mit<br />
steigender Nachfrage wurde es aber im 21. Jahrhundert am<br />
Standort in Essen immer enger. Daneben hatte die Stiftsquelle<br />
dort mit weiteren Wettbewerbsnachteilen zu kämpfen. So<br />
durfte aufgrund der Lage in einem echten Wohngebiet vor<br />
sechs Uhr am Morgen keine LKW fahren. Quasi undenkbar<br />
für einen florierenden und funktionierenden Getränkelieferanten,<br />
der sein Produkt schließlich frühmorgens an den<br />
22
23
Paletten Vollgut passen in die Lagerhallen, Leergut lässt<br />
sich haushoch auf dem Hof stapeln. Das Mineralwasser<br />
armem Mineralwasser zu finden, die den qualitativen<br />
Vorgaben entsprachen. Im März 2013 zog das Unternehmen<br />
um. Das neue Firmengelände bietet jetzt viel<br />
Platz. 40.000 Quadratmeter stehen zur Verfügung, 3000<br />
mit Landpark neben unserem Traditionsprodukt Stiftsquelle<br />
extra eine neue Bio-Marke einführen.“<br />
neralwasser-Siegel belegt die ausgezeichnete Qualität<br />
unseres Mineralwassers und unsere nachhaltige Unternehmensführung.<br />
Das Thema Wasserschutz ist uns so<br />
wichtig, dass wir als mittelständisches Unternehmen<br />
Händler zu liefern hat. Trotz der gewachsenen Verbundenheit<br />
zum Stadtteil Stoppenberg entschloss man sich,<br />
das Wohnquartier zu verlassen. 2013 verließ die Stiftsquelle<br />
den Schatten der Stiftskirche.<br />
Einen neuen Standort zu finden, war nicht einfach:<br />
Mehr als ein Jahr suchte der jetzige Geschäftsführer Michael<br />
Brodmann nach einem geeigneten Ort. Probebohrungen<br />
im gesamten Ruhrgebiet wurden gemacht, auch<br />
neben möglichen Quellen sollte genug Platz sein für<br />
Abfüllung und Vertrieb. Schließlich gelang es in Dorsten<br />
große unterirdische Vorkommen von streng kochsalzarmem<br />
Mineralwasser zu finden, die den qualitativen<br />
Vorgaben entsprachen. Im März 2013 zog das Unternehmen<br />
um. Das neue Firmengelände bietet jetzt viel<br />
Platz. 40.000 Quadratmeter stehen zur Verfügung, 3000<br />
Paletten Vollgut passen in die Lagerhallen, Leergut lässt<br />
sich haushoch auf dem Hof stapeln. Das Mineralwasser<br />
stammt aus sieben neuen Brunnen, die bis zu 180 Meter<br />
in die Tiefe reichen.<br />
Die Stiftsquelle ist sich als „Hersteller“ eines natürlichen<br />
Produkts ihrer Rolle für die Förderung von Nachhaltigkeit<br />
sehr bewusst. Das Engagement im Bereich des Umweltschutzes<br />
führte schon zu diversen Umwelt-Preisen<br />
und Zertifikaten. Das letzte ist aus 2016 und steht für die<br />
Kontinuität des Engagements: für ein neu in den Markt<br />
eingeführte Wasser „Landpark“ gab es das Bio-Mineralwassersiegel<br />
der „Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser<br />
e.V.. Der Geschäftsführer dazu: „Das Bio-Mineralwasser-Siegel<br />
belegt die ausgezeichnete Qualität<br />
unseres Mineralwassers und unsere nachhaltige Unternehmensführung.<br />
Das Thema Wasserschutz ist uns so<br />
wichtig, dass wir als mittelständisches Unternehmen<br />
mit Landpark neben unserem Traditionsprodukt Stiftsquelle<br />
extra eine neue Bio-Marke einführen.“<br />
24
Ruhrgebeef 2<br />
erscheint am 7. Februar 2017<br />
edition<br />
RUHRGEBEEFMEDIEN<br />
GRILLEN AUSGABE 2<br />
Im Mittelpunkt:<br />
Beef, Burger und BBQ<br />
MEDIEN<br />
25
affee<br />
Kaffee<br />
26
27
Der Kaffee und die Wellen<br />
Der Trend erinnert an viele Entwicklungen in der<br />
Weinszene. Kaffee wird inszeniert, der perfekte<br />
Genuss bedarf perfekter Technik und gehobenen<br />
Wissens. Dazu gehören auch schon einmal<br />
Kaffeemaschinen zum Preis eines Kleinwagens<br />
und Kaffeebohnen, die mit der Apothekerwaage Den echten Kaffee-Aficinados lieben die Inszenierung, die<br />
abgewogen werden. Kaffee im Edelsegment bedeutet<br />
cooles Wissen und szenige Umgebung. Kaffees und die feinporig-sämige Crema auf dem Signa-<br />
chromblitzenden Maschinen, den Duft frisch gemahlenen<br />
Die Kleinrösterei ist dabei die individuelle Genussmanufaktur<br />
schlechthin.<br />
Anbieter in der Fußgängerzone der 80er und 90er. Längst ist<br />
ture-Espresso. Vorbei die Pappbecher bei einem der beiden<br />
Kaffee auch Wissenschaft und der Kenner weiß sich flott zu<br />
bewegen zwischen Vokabeln wie Third-Wave-Coffee und Robusta, zwischen Flat White<br />
und Americano. Third Wave, die dritte Welle, ist übrigens eine amerikanische Einteilung<br />
der Kaffee-Genuss-Historie. In der „ersten Welle“ ging es nicht um Kaffee als<br />
Genussmittel, sondern eher als verfertigte Droge von vor 150 Jahren, das Kaffeehaus<br />
selbst war wichtiger als der Kaffee. Die „weite Welle“ war der Boom an Kaffeehäusern<br />
in den 1990er-Jahren (Stichwort: Starbucks), und die „dritte Welle“ ist die aktuelle Revolution.<br />
Kaffee wird hier mit der gleichen Leidenschaft und Ernsthaftigkeit behandelt<br />
wie der Wein. Diese dritte Welle ist in den Metropolen der Welt zuerst gesichtet worden,<br />
längst aber auch im Ruhrgebiet angelangt. Auch hier haben meist junge Kreative<br />
dieses weite Feld für sich entdeckt und betreiben Röstereien und angeschlossene Cafés,<br />
die etwas komplett anderes sind als Kaffee-Orte der Vergangenheit.<br />
28
NEUES SCHWARZ<br />
In Dortmund ist seit kurzem „Neues Schwarz“<br />
der Platzhirsch unter den Röstern. Der Laden<br />
ist ein Traum: an der Theke wird es brühwarm<br />
aufgegossen, heißes Wasser läuft durch weiße<br />
Papierfilter, in denen sich dunkles Pulver<br />
aus gerösteten, zermahlenen Kaffeebohnen<br />
befindet. Die Filtervorrichtung aus Glas und<br />
Kupferrohren hat etwas industrielles, ebenso<br />
die klare, minimalistische Einrichtung des<br />
Lokals, das durch Holz und Metall Akzente<br />
setzt. Dabei ist das, was letztlich in kleine Karaffen<br />
tropft, weit entfernt von Industriekaffee.<br />
„Groß-Röster produzieren überwiegend qualitativ<br />
schlechten Kaffee, der sehr dunkel geröstet<br />
und dadurch bitter wird. Durch sehr heiße<br />
und gleichzeitig kurze Röstung kommen Säure<br />
und Bitterstoffe ins Getränk“, berichtet Benedikt<br />
Heitmann, der seinen Job als Raumplaner<br />
aufgab, um Kaffeeröster nzu werden. „Aber<br />
bitter gehört für mich nicht in den Kaffee. Wir<br />
wollen zeigen, dass Kaffee auch ohne Milch<br />
und Zucker genießbar ist.“ Und fährt fort. „Jeder<br />
Röster hat seinen eigenen Stil. Hier in der<br />
weiteren Umgebung gibt es sonst niemanden,<br />
der sich nur den hellen Röstungen der Arabica-Bohne<br />
in all ihren Arten widmet. Für mich<br />
ist hell besser“, erklärt er überzeugt. „Weniger<br />
bitter, dafür mehr klare Aromen.“<br />
RÖST.ART<br />
Eine der ersten und erfolgreichsten Kleinröstereien<br />
betreiben Claudia Schiwek und Richard Miklas<br />
in Bochum. Röst.Art heißt seit 2006 für sie eine<br />
Rösterei, ein Café und ein Online-Shop. Im Café<br />
dreht sich quasi alles um die imposante Sonderanfertigung<br />
des Kaffee-Cadillacs von Kees van der<br />
Weesten. Das chromblitzende Monster mit den<br />
vielen Düsen und Schläuchen sorgt für Perfektion<br />
in der Genussproduktion. „Bei uns können sich<br />
unsere Gäste einmal durch die Kaffeewelt probieren<br />
und verschiedenste Kaffeesorten aus aller<br />
Welt in einem Wohnzimmerambiente kennenlernen”,<br />
sagt Claudia stolz. „Wir bieten Spezialitätenkaffees<br />
an, die geschmacklich überzeugen,<br />
aber bei denen auch der soziale und ökonomische<br />
Aspekt stimmt“. Die Kaffeebohnen kommen<br />
von verschiedensten Importeuren aus aller Welt,<br />
die selbst vor Ort seien und die Plantagen beobachteten.<br />
„Am liebsten beziehe ich Kaffeebohnen,<br />
die in irgendeiner Form mit einem Projekt<br />
verbunden sind”, meint Claudia. „Aber unabhängig<br />
von großen Organisationen”.<br />
29
Eine kleine Zeitreise<br />
Sie sind keine 100 Meter voneinander entfernt.<br />
Ihre Gäste lieben sie.<br />
Sie lieben die Kundschaft, Kaffee und Kuchen.<br />
Zwei Orte, die dem Genuss verschrieben sind,<br />
zwei Herangehensweisen an ein Genussmittel,<br />
eine Leidenschaft.<br />
Eine kleine Zeitreise,<br />
eine fotografische Betrachtung über Mode und Wandel,<br />
gleichzeitig über Dauer und Wertigkeit.<br />
Und die ewige Lust auf Kaffee.<br />
In Bochum.<br />
Im Café Zur Altstadt<br />
30
und in der Kaffeerösterei<br />
Röst.Art<br />
Von Inga Pöting<br />
31
Automat trifft<br />
Hipster-Maschine.<br />
Wer das Muster nicht im<br />
Schaum hat, hats dafür<br />
im Deckchen.<br />
32
Zweimal zweites<br />
Wohnzimmer.<br />
Koffein im Kontext.<br />
33
Zum Kaffee gehört<br />
Schokolade - Form egal.<br />
Nichts geht ohne<br />
Handarbeit.<br />
34
Zeitlose Lieblingsfarben<br />
für Deko: weiß und gold.<br />
Auf dem Silbertablett<br />
serviert - hier mit Spitze,<br />
da mit Schokobohne.<br />
35
Weltneuheit aus Bochum:<br />
Infusion Coffee<br />
Kaffee ist nicht gleich Kaffee.<br />
Kaffee ist komplex. So<br />
komplex, dass es viele kleine<br />
Dinge sind, die sich zu einem<br />
Gesamtgeschmack zusammensetzen.<br />
In Bochum wird<br />
an einer Kaffee-Weltneuheit<br />
geforscht. Simon Hass,<br />
bekannt als Baristoteles,<br />
experimentiert und forscht<br />
an einer Weltneuheit. Infusion<br />
Coffee nennt er seinen<br />
Versuch, den besten Kaffee<br />
der Welt zu machen.<br />
Infusion Coffee<br />
Als solcher gilt nämlich der<br />
Kopi Luwak. Diese Spezialität<br />
entsteht dadurch, dass eine<br />
Schleichkatzenart Rohkaffeebohnen<br />
frisst und wieder<br />
ausscheidet. Im Tierdarm<br />
sind diese Kaffeebohnen einer<br />
Nassfermentation durch Enzyme<br />
ausgesetzt. Der Kaffee<br />
aus diesen Bohnen bekommt<br />
einen erdigen, gehaltvollen<br />
Geschmack. Durch die Enzyme<br />
werden Proteine zum Teil komplett<br />
abgebaut, zum Teil aber auch<br />
in kleinere Moleküle zerlegt. Hierdurch<br />
wird das Aroma beim Rösten mitbestimmt.<br />
Simon Hass, Besitzer zweier<br />
Cafés in Bochum, studierter Wirtschafts-<br />
36
wissenschaftler, leidenschaftlicher Surfer<br />
und Kaffeemaschinenhändler, hat sich<br />
die Tiere und den Kaffee in Asien genau<br />
angeschaut. Seine Idee war nun, den<br />
tierischen Vorgang, der für die ausführenden<br />
Kreaturen nicht unbedingt nur<br />
gesund ist, tierfrei nachzubauen. Der Baristoteles<br />
(der Name verbindet den Barista<br />
mit dem griechischen Philosophen)<br />
will nun die Kaffeebohnen - analog zur im<br />
Tier stattfindenden mageninternen Enzymzufuhr<br />
- mit einer Infusion versehen,<br />
sie ebenso extern veredeln. Vor allem<br />
Wein kam ihm da als Geschmacksträger<br />
und Katalysator in den Sinn. Zu diesem<br />
Zweck fand er einen kenntnisreichen<br />
Partner. Der kongeniale Genussforscher<br />
war Udo Strauch, ein manischer Reisender<br />
durch alle Geschmackswelten, zuständig<br />
für alle Formen des kulinarischen<br />
Konsums beim Software-Mittelständler<br />
GData („Kaffee ist das wichtigste Lebensmittel<br />
überhaut. Unsere Entwickler und<br />
Programmierer brauchen den besten<br />
Kaffee. Sonst sind sie nach einem Jahr<br />
mit Gala-Kaffee hinüber.“) Gemeinsam<br />
wurden Versuchsreihen gestartet. Die<br />
Bohnen wurden eingelegt in Pinot Noir,<br />
in Portwein, in Rumgemische. Bis zur Sättigung<br />
teilweise, das wäre dann die totale<br />
Infusion, dann wieder getrocknet. Nun<br />
hatten sie aber eine grundandere Konsistenz<br />
als die herkömmlichen Produkte,<br />
waren folglich schwerer zu rösten als andere,<br />
nicht-infusionierte Kaffee-Bohnen.<br />
Oder auch schon das Mahlen. Steinhart,<br />
buchstäblich, das schaffte das Mahlwerk<br />
nicht. Doch nach langen Jahren des Probierens<br />
und Testens, nach konventionellen<br />
Trommelröstungen und Versuchen<br />
im Konvektomaten (das ist ein spezieller<br />
Heißluftofen, der mit strömenden Fluiden<br />
arbeitet), gelangen schließlich Erfolge.<br />
Das fertige Produkt wird inzwischen<br />
angeboten, dürfte aber bisher nur einen<br />
Nischenmarkt von Genussprofis befriedigen,<br />
ist doch das Kilo für ca. 80 Euro zu<br />
haben, die Tasse im Café für 4,70 Euro.<br />
Derweil wird weiter geforscht, probiert,<br />
experimentiert. Woanders in der Welt<br />
versucht sich die Kaffeewelt übrigens an<br />
neuen Tieren: jetzt sind es Elefanten, die<br />
Kaffeebohnen verspeisen und veredeln<br />
sollen.<br />
37
Tradition im Zeichen<br />
der Kogge<br />
Die Kaffee-Großrösterei „Schirmer Kaffee“ blickt<br />
auf über 160 Jahre Tradition zurück. Das Unternehmen,<br />
das seit 1965 in Dortmund ansässig<br />
ist, ist heute eine hochqualifizierte Produktionsund<br />
Handelsgesellschaft und liefert internationale<br />
Kaffee-Spezialitäten an den Lebensmittelhandel,<br />
die Gastronomie und in alle Welt. Eine einst zum Symbol der Hanse, die bekanntlich eine<br />
Die Kogge als wichtiges Handelsschiff avancierte<br />
stilisierte Kogge, darunter das Gründungsjahr Vereinigung norddeutscher Kaufleute war und die<br />
und dazu der Firmenname – so schaut das Firmenzeichen<br />
der Schirmer Kaffee GmbH aus. Schiff als Symbol der Firma Schirmer Kaffee auf-<br />
Kogge für regen Handel nutze. Ab wann genau das<br />
taucht, ist nicht exakt überliefert. Die im Jahr 1854<br />
in Leipzig gegründete Firma Schirmer sollte aber schon bald zu einer erfolgreichen<br />
und in Deutschland größten Handelsmarken-Kaffeeröstereien mit weltweiten Handelbeziehungen<br />
aufsteigen. Mit einem Kolonialwarengeschäft legte Hermann Schirmer<br />
den Grundstein für eine nunmehr 160 Jahre andauernde Geschichte in Sachen<br />
Kaffee, die das Unternehmen Schirmer aus Sachsen über Bamberg und Bochum bis<br />
nach Dortmund führte.<br />
In unmittelbarer Nachbarschaft zum Golfclub Royal Saint Barbara‘s produziert Schirmer<br />
Kaffee in dem im Jahr 2002 komplett neu gebauten Stammhaus und ebenfalls<br />
völlig neuer Produktionsstätte jährlich rund 15.000 Tonnen Röstkaffee. Als Mahlkaffee,<br />
Kaffee-Pads und ganze Bohnen gelangt der Kaffee nicht nur deutschlandweit an<br />
Großverbraucher, Handel und Gastronomiebetriebe. Die Dortmunder Kaffee-Großrösterei<br />
exportiert ihre Qualitätsprodukte weltweit und beliefert damit Unternehmen<br />
in über 30 Ländern. Die ausschließlich auf hochwertigen Rohkaffee ausgerichteten<br />
Einkaufsaktivitäten sind ebenfalls international und weltweit organisiert. Für<br />
die besten Kaffeesorten sind die Spezialisten von Schirmer Kaffee auf allen Plantagen<br />
38
Me ped quo bla vendae nonet, quam eaquatus<br />
de intis reiuritam, corumqu idundit<br />
Me ped quo bla vendae nonet, quam eaquatus<br />
de intis reiuritam, corumqu idundit<br />
rund um den Erdball unterwegs. Der Rohkaffee für die<br />
Weiterverarbeitung stammt aus ausgesuchten Anbaugebieten<br />
vornehmlich in Ostafrika, Asien sowie Zentral- und<br />
Südamerika. Strenge Auswahlverfahren bei Anbau, Ernte<br />
und Weiterverarbeitung stellen sicher, dass die ausgewählten<br />
Rohkaffees höchsten Qualitätsanforderungen<br />
entsprechen. Seit über 20 Jahren unterstützt Schirmer<br />
Kaffee benachteiligte Herstellerfamilien und den fairen<br />
Kaffeeanbau. Seit 1992 ist Schirmer Kaffee als erster Kaffeeröster<br />
in Deutschland als förderaktiver Fairtrade-Partner<br />
zertifiziert. Dazu sagt Markus Zombek, geschäftsführender<br />
Gesellschafter der Schirmer Kaffee GmbH: „Auch<br />
damit engagieren wir uns nachhaltig für ein faires Miteinander<br />
auf allen Ebenen. Nur so können wir soziale und<br />
auch ökologische Belange langfristig mit beeinflussen und<br />
einen Zugewinn an Lebensqualität fördern.“ Außerdem<br />
besitzt Schirmer Kaffee das Bio-Zertifikat, ist zudem in<br />
der globalen „Rainforest Alliance“ aktiv und trägt als UTZ<br />
zertifiziertes Unternehmen mit der Vermarktung rückverfolgbarer<br />
Produkte nachweislich zum Schutz der Umwelt<br />
bei. Rund 100 Beschäftige, darunter zahlreiche erfahrene<br />
Kaffee-Experten, sowie modernste Technologien und das<br />
umfassende langjährige Knowhow haben Schirmer Kaffee<br />
zu einem heute attraktiven und gefragten Unternehmen<br />
gemacht, das auch mit eigenen Marken im Lebensmittelhandel<br />
präsent ist. So entstehen nach Originalrezeptur<br />
aus dem Jahr 1854 und im schonenden Heißluftverfahren<br />
zahlreiche Kaffeespezialitäten. Zum Sortiment gehören<br />
eine Vielzahl klassischer Kaffeemischungen, ebenso Espresso-Variationen<br />
sowie Café Crema, Schümli Kaffee und<br />
100 Prozent-Arabica-Kaffee.<br />
„Die ganze Welt in einer Tasse“ – unter diesem Motto bietet<br />
die Dortmunder Traditionsmarke Schirmer Kaffee echte<br />
Lebensqualität und Kaffee-Genuss in großer Vielfalt an.<br />
10 Uhr bis 14 Uhr geöffnet. Mit dem Kauf der Schirmer<br />
Kaffee Produkte unterstützt man jedenfalls ein Unternehmen,<br />
das sich seit Jahrzehnten klar zum Wirtschaftsstandort<br />
Dortmund bekennt. Weitere Infos über Schirmer Kaffee<br />
findet man im Internet unter www.schirmer-kaffee.de<br />
39
Kaffee Glossar<br />
ANBAUGEBIETE<br />
Kaffee wird vor allem in Reichweite des<br />
Äquators in etwa 80 tropischen und subtropischen<br />
Ländern rund um den Globus<br />
angebaut. Nur dort, in Süd- und Mittelamerika,<br />
Afrika, Asien und Nordaustralien,<br />
sind die Klima-Bedingungen so, dass<br />
den Kaffeesträuchern das Gedeihen möglich<br />
ist. Brasilien ist noch Hauptexporteur<br />
von Kaffee, gefolgt von Vietnam. Äthiopien<br />
gilt als Mutterland des Kaffees, genauer<br />
gesagt, des Arabicastrauches. Die<br />
Robustabohne wurde später in Westafrika<br />
entdeckt.<br />
ARABICA<br />
Eine der beiden genießbaren Bohnensorten<br />
des Kaffeestrauches. Die Arabicabohne<br />
(mit zahlreichen Untergattungen) wird<br />
in höheren Lagen angebaut, ist pflegeintensiv<br />
und wächst langsam. Im Vergleich<br />
zur Robustabohne ist sie größer und ovaler,<br />
hat einen feineren Geschmack und<br />
einen geringeren Koffeinanteil.<br />
AROMASTOFFE<br />
Kaffee enthält eine Vielzahl von Inhaltsstoffen,<br />
also chemische Substanzen, die<br />
für den typischen Duft und Geschmack<br />
sorgen. Eine einzige Kaffeebohne enthält<br />
dabei rund 800 wasserlösliche Aromastoffe.<br />
Längst nicht alle sind identifiziert.<br />
AUFBEREITUNG<br />
Die gepflückte, reife Kaffeekirsche besteht<br />
zu 50 bis 60 Prozent aus Wasser und<br />
muss rasch verarbeitet werden. Bei der<br />
Aufbereitung wird die Bohne von ihrem<br />
Fruchtfleisch (Pulpe), der Pergamenthülle<br />
und dem Silberhäutchen befreit.<br />
Anschließend wird sie trocken oder nass<br />
aufbereitet.<br />
BLEND<br />
Das englische Wort für Mischung wird in<br />
Zusammenhang mit Kaffee häufig verwendet.<br />
Wenn unterschiedliche Kaffeesorten<br />
gemischt werden (blending), entsteht<br />
daraus ein Blend.<br />
BODY<br />
Bezeichnet die Vollmundigkeit des Kaffees.<br />
Insbesondere beim Espresso kann<br />
man aufgrund des Bodys die geschmackliche<br />
Eigenart einer Bohne beurteilen.<br />
BRÜHKAFFEE<br />
Alles, was nicht mit dem für Espresso<br />
nötigen hohen Druck produziert wurde,<br />
kann als Brühkaffee oder wässrige Lösung<br />
bezeichnet werden. Neben Filtermaschinen<br />
produziert auch die italienische<br />
Herdkanne - oft fälschlicherweise als Espressokanne<br />
bezeichnet - Brühkaffee,<br />
ebenso wie Stempelkannen („Bodumkanne“)<br />
und die Mehrheit der Vollautomaten.<br />
Ein Brühkaffee besticht durch feine<br />
Geschmacksnuancen und Säuren. Auch<br />
bei einem Brühkaffee sollten keine Bitterstoffe<br />
auftauchen.<br />
CREMA<br />
So nennt man die gewünschte und viel<br />
diskutierte Schaumkrone, die durch den<br />
heftigen Druck bei der Espressozubereitung<br />
entsteht. Sie ist Geschmacksträger<br />
und Qualitätsmerkmal eines guten<br />
Espressos. Bei einem gut zubereiteten<br />
Espresso ist ihre Farbe haselnußbraun<br />
mit dunklen Streifen (Tigerstreifen). Der<br />
Schaum ist feinporig und gleichmäßig<br />
dicht. Er sollte zwei bis drei Minuten halten,<br />
bevor er aufbricht.<br />
EINZELRÖSTUNG<br />
Zur optimalen Entfaltung von Geschmack<br />
und Aroma benötigen verschiedene Rohkaffee-Sorten<br />
unterschiedliche Röstungen.<br />
Deshalb werden sie getrennt voneinander<br />
geröstet und erst danach zu<br />
Kaffeekompositionen vermischt.<br />
ENTKOFFEINIERTER<br />
KAFFEE<br />
Kaffee enthält Koffein. Das ist ein Alkaloid,<br />
das anregend wirkt. Um diese Wirkung zu<br />
reduzieren, wurden Verfahren zur Entkoffeinierung<br />
von Kaffee entwickelt. Dabei<br />
wird das Koffein dem Rohkaffee bereits<br />
vor der Röstung entzogen. Man befeuchtet<br />
den Rohkaffee mit Wasser und Wasserdampf,<br />
bis er einen Feuchtigkeitsgehalt<br />
von 28 Prozent hat. Danach kann<br />
das Koffein mit Lösungsmitteln herausgewaschen<br />
werden. Zum Schluss werden<br />
die Lösungsmittelreste mit Wasserdampf<br />
ausgetrieben.<br />
ESPRESSO<br />
Dickflüssige Emulsion aus Ölen und Kolloide.<br />
Genauer betrachtet ist es dickes<br />
Gemisch aus verschiedenen Stoffen wie<br />
Wasser, Ölen, Fetten, Zuckern und verschiedensten<br />
Aromastoffen. Zur Herstellung<br />
wird Wasser mit einem Druck von<br />
neun Bar durch Kaffeemehl hindurch gepresst.<br />
Ein guter Espresso benötigt gut 30<br />
Sekunden. Die chemische Zusammensetzung<br />
unterscheidet sich wesentlich vom<br />
Brühkaffee, der keine Emulsion ist, sondern<br />
eine wässrige Lösung.<br />
GESCHICHTE<br />
Furore machte der Kaffee ab dem 16.<br />
Jahrhundert. Mitte des 17. Jahrhunderts<br />
gelang dann der Bruch des arabischen<br />
Kaffeemonopols und der Kaffee konnte<br />
seinen Siegeszug um die Welt antreten.<br />
Um die Entdeckung ranken sich Legenden<br />
und Mythen. Erste Hinweise auf<br />
Kaffeegenuss stammen schon aus einer<br />
Zeit vor 1450. Als Ritualgetränk breitete<br />
sich Kaffee von Abessinien (Äthiopien) in<br />
den Jemen aus. Europäer brachten im 16.<br />
Jahrhundert den Kaffee nach Europa. Im<br />
17. Jahrhundert entstanden die ersten<br />
europäischen Kaffeehäuser.<br />
KAFFEESTEUER<br />
Deutschland ist eines der wenigen Länder<br />
in der Europäischen Union, das eine Kaffeesteuer<br />
erhebt. Der Steuersatz liegt bei<br />
2,19 Euro pro Kilo gerösteten Kaffees und<br />
bei 4,78 Euro für löslichen Kaffee.<br />
KOFFEIN<br />
Ist ein Alkaloid und spielt eine wichtige<br />
Rolle in der Erfolgsgeschichte des Getränks.<br />
Neben seiner Funktion als Wachmacher<br />
hat der Kaffee dabei immer mal<br />
wieder auch als Ursache von Krankheiten<br />
herhalten müssen.<br />
40
MILCH<br />
Vor allem das in ihr enthaltene Fett ist als<br />
Geschmacksträger für viele Zubereitungen<br />
wichtig. Der Eiweißgehalt der Milch<br />
bestimmt zudem ihre Schäum-Eigenschaft.<br />
Ein kompakter, cremiger und richtig<br />
temperierter Milchschaum schmeckt<br />
toll und bekommt durch das Karamellisieren<br />
der Kohlenhydrate in der Milch einen<br />
leicht süßlichen Geschmack.<br />
MÜHLE<br />
Ein ebenso unterschätzter wie ausschlaggebender<br />
Qualitätsfaktor. Kegelmahlwerke<br />
haben gegenüber Scheibenmahlwerken<br />
den Vorteil, mit weniger Drehzahlen<br />
mahlen zu können, wodurch weniger<br />
Reibungswärme entsteht, die sich negativ<br />
auf das Aroma auswirken könnte. Der<br />
Mahlgrad ist für jede Bohne und jede Zubereitungsart<br />
ein anderer. Darum muss<br />
etwa für einen Filterkaffee die Mahlung<br />
wesentlich gröber sein, als für die italienische<br />
Herdkanne.<br />
PICKING<br />
Ein Ernte-Verfahren, bei dem die Kirschen<br />
von Hand gepflückt werden. Weil dabei<br />
nur reife Bohnen vom Baum „gepickt“<br />
werden, während unreife und überreife<br />
Früchte hängen bleiben sollen, erfordert<br />
diese Methode viel Geschick und Erfahrung.<br />
Das Picking garantiert Spitzenqualität,<br />
ist aber teuer.<br />
PULPE<br />
Das Fruchtfleisch der Kaffeekirsche wird<br />
auch Pulpe genannt.<br />
ROBUSTA<br />
Sie ist die günstigere und lange Jahre eher<br />
minderwertigere Variante des Kaffees.<br />
Leichter in der Pflege diente sie dazu, den<br />
Kaffee-Preis niedrig zu halten. Inzwischen<br />
gibt es aber auch qualitativ hochwertige<br />
Robusta-Züchtungen, die es geschmacklich<br />
mit Arabicas aufnehmen können. Die<br />
Robustabohne ist allgemein kräftiger im<br />
Geschmack, hat mehr Koffein und garantiert<br />
eine gute Crema.<br />
ROHKAFFEE<br />
Noch nicht gerösteter Kaffee. Die Ernte<br />
von etwa 100 Arabica-Pflanzen füllt einen<br />
Sack mit 60 Kilogramm Rohkaffee.<br />
RÖSTGRADE<br />
Neue Verbindungen und Aromen entstehen<br />
durch das langsame Zuführen großer<br />
Hitze. Je dunkler die Röstung, desto<br />
geringer der Säuregrad. Für Brühkaffee<br />
wird säurebetonter, also heller geröstet.<br />
Im Espresso muss ein deutlich dunklerer<br />
Röstgrad erreicht sein, um ihn genießbar<br />
zu machen.<br />
RÖSTKAFFEE<br />
Kaffeebohnen werden unter atmosphärischem<br />
Druck erhitzt. Durch chemische<br />
und physikalische Prozesse werden dabei<br />
Farb-, Geschmacks- und Aromastoffe gebildet.<br />
Nach dem Rösten hat die Bohne<br />
deshalb ein doppelt so großes Volumen.<br />
Zudem hat sich die Textur der Bohne verändert.<br />
Aus der zäh-elastischen wird eine<br />
harte und spröde Bohne, die sich dadurch<br />
leicht mahlen lässt.<br />
SACK<br />
Der Sack ist das international übliche Maß<br />
für Kaffeebohnen. Sein Füll-Standardgewicht<br />
liegt bei 60 Kilogramm. Ausnahme:<br />
Kolumbien. Hier werden 70-Kilo-Säcke<br />
verwendet. Heute erfolgt die Verschiffung<br />
allerdings hauptsächlich (zu etwa 80<br />
Prozent) als loses Schüttgut im Container<br />
(Bulkware).<br />
SÄURE<br />
Ein Qualitätsmerkmal von Brühkaffee.<br />
Beim Espresso eher unerwünscht, zeichnet<br />
sie für geschmackliche Nuancen eines<br />
guten Brühkaffees verantwortlich.<br />
SCHEINBARE EIWEISSE<br />
Rohkaffee besteht zu ca. zehn Prozent<br />
aus Eiweißstoffen. Durch Hitzeeinwirkung<br />
beim Rösten werden sie abgebaut.<br />
SCHEINBARE<br />
KOHLENHYDRATE<br />
Bei den Kohlenhydraten in der Kaffeebohne<br />
handelt es sich meist um Polysaccharide.<br />
Zucker wie Saccharose und<br />
Glucose kommen nur in geringen Mengen<br />
vor. Die nicht löslichen Polysaccharide<br />
aus den Zellwänden der Kaffeebohne<br />
bilden den Kaffeesatz, der beim Aufguss<br />
zurückbleibt.<br />
SCHONKAFFEE<br />
Für die Herstellung von Schonkaffee wird<br />
den Bohnen ein Großteil an Bitterstoffen,<br />
Säuren, Ölen und Reizstoffen schon vor<br />
der Röstung entzogen. Sie sind es, die bei<br />
Menschen mit empfindlichem Magen Beschwerden<br />
verursachen können.<br />
VERPACKUNG<br />
Kaffee ist äußerst empfindlich gegenüber<br />
Sauerstoff und Feuchtigkeit. Um ihn vor<br />
diesen Einflüssen zu schützen, wird er<br />
meist in aluminiumkaschierte oder -bedampfte<br />
Kunststofffolien verpackt.<br />
WASSER<br />
Ist mit soliden 98 Prozent tatsächlich<br />
der Hauptbestandteil einer Tasse Kaffee.<br />
Deshalb ist der Geschmack eines Kaffees<br />
stets abhängig von Temperatur, Druck<br />
und Härtegrad des Wassers.<br />
ZERTIFIKATE<br />
Werden von diversen Fair-Trade-Organisationen<br />
für den nachhaltigen Anbau von<br />
Kaffee vergeben. Farmer und Produzenten,<br />
die ihre Produkte unter Berücksichtigung<br />
von Umweltschutz, Nachhaltigkeit<br />
und fairen Arbeitsbedingungen herstellen,<br />
können ausgezeichnet werden.<br />
ZUCKER<br />
Wird benutzt, um Süße über den Kaffeegeschmack<br />
zu legen. Es gibt raffinierten<br />
und unraffinierten Zucker, wobei das Maß<br />
der Raffination entscheidend ist. Je weniger<br />
ein Zucker raffiniert ist, desto mehr<br />
bleiben natürliche Inhaltsstoffe erhalten<br />
und geben dem Zucker seinen eigenen<br />
charakteristischen Geschmack.<br />
41
Softd<br />
Softdrinks<br />
42
inks<br />
43
Vom Multivitaminsaft<br />
zum Smoothie<br />
Professor Julius Koch war eine Legende.<br />
Als Leiter des Instituts für Gemüse-<br />
und Früchteverwertung an der<br />
berühmten Wein-Hochschule in Geisenheim<br />
erwarb der 1912 geborene<br />
Önologe sich schon unmittelbar nach Erfunden wurde der<br />
dem Zweiten Weltkrieg große Verdienste<br />
Multivitaminsaft vom<br />
bei der Modernisierung des<br />
Bereichs der Gemüse- und Früchteverwertung<br />
und vor allem der Fruchtsafttechnologie.<br />
Fruchtsafthersteller<br />
Eckes, der Ende der<br />
60er Jahre mit Koch im<br />
So verwundert es hauseigenen Institut<br />
nicht, dass Koch im Rahmen seiner<br />
späteren Tätigkeit in der Fruchtsaftindustrie<br />
vor allem als der Schöpfer von<br />
„Hohes C“ (erster konzentrierter und<br />
haltbarer Orangensaft in Flaschen)<br />
oder „Dr. Koch‘s Trink 10“ (erster Multivitaminsaft)<br />
in Erinnerung bleibt.<br />
für Getränkeforschung<br />
an neuen Safttypen tüfteln<br />
ließ. So kam 1979<br />
als erster „Frucht-Multi-Vitaminsaft“<br />
der Dr.<br />
Koch’s Trink 10 auf den<br />
Markt, benannt eben<br />
nach dem Institutsleiter<br />
Julius Koch. Er wurde damals als Mix aus „10<br />
wohlschmeckenden Früchten“ und „10 lebenswichtigen<br />
Vitaminen“ angepriesen. Seitdem hat<br />
sich Multivitaminsaft etabliert. Obwohl der Vielvitaminsaft<br />
mit seinem sämig-undifferenzierten Geschmacksbild<br />
nicht überall in der Welt geschätzt<br />
wird, wurde er doch einst zum drittbeliebteste<br />
Fruchtsaft der Deutschen – nach Orangen- und<br />
Apfelsaft.<br />
Heute ist die Welt der Säfte eine vollkommen andere.<br />
Der Konsument hat gelernt zu unterscheiden,<br />
welche Qualitätsstufen und Sorten es bei<br />
Orangen- und Apfel-Säften gibt, die Kombinatorik<br />
mit vielen neu verfügbaren Südfrüchten ist schier<br />
unendlich, alte Obstsorten feiern ein Comeback,<br />
genauso wie immer wildere Kreationen mit Gemüse<br />
ihren Weg machen. Der Trend zu vegan und<br />
vegetarisch breitet den Säften ebenfalls einen<br />
schönen Teppich aus, sind sie doch gleichermaßen<br />
nahrhaft und gesund, wie auch offensichtlich<br />
„natürlich“. Allein die Frage nach dem Zucker steht<br />
dann noch im Raume.<br />
Ein moderner Vertreter – quasi der legitime Nachfolger<br />
des Multivitaminsaftes – ist der Smoothie.<br />
Ein amerikanischer Name für ein amerikanisches<br />
Konzept, nicht rechtlich geschützt übrigens, das<br />
längst aus keinem Supermarkt und keinem Bahnhof<br />
wegzudenken ist. Noch ist das Fußballstadion<br />
vermutlich der einzige Smoothie-freie-Massenversammlungsort.<br />
Vermutlich aber nicht mehr<br />
lange.<br />
Smoothies (von smooth, englisch, „fein“, „gleichmäßig“,<br />
„cremig“) ist eine Bezeichnung für kalte<br />
Mixgetränke aus Obst und auch Milchprodukten,<br />
die frisch zubereitet oder als Fertigprodukte<br />
angeboten werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen<br />
Fruchtsäften wird bei den Smoothies die<br />
ganze Frucht, ja teilweise auch<br />
die Schale und Kerne verarbeitet.<br />
Entsprechend gilt bei vielen<br />
Smoothie-Produkten das<br />
Fruchtmark oder ein Fruchtpüree<br />
als Basis. Dieses wird je<br />
nach Rezept mit Säften, Wasser,<br />
Milch, Milchprodukten<br />
oder Kokosmilch gemischt wird, um<br />
eine cremige und sämige Konsistenz zu erhalten.<br />
Damit ist es dem Multivitaminsaft recht nahe.<br />
Die Smoothie-Historie in den USA ist eng verbunden<br />
mit der amerikanischen Gegenkultur. Auch<br />
hier wurde frisch gepresster Obstsaft in den 60ern<br />
zum Trendgetränk bewusst lebender Vegetarier in<br />
den Saftbars Kaliforniens. Ein Hippie-Saft-Traum.<br />
Seit der Trend in Deutschland angekommen ist,<br />
findet es sich eher als „das trinkbare gute Gewissen“<br />
überall wieder. Denn er wird gelegentlich<br />
vermarktet als Ersatz für frisches Obst. Verlockend<br />
vielleicht die Vorstellung, statt mühsam Obst zu<br />
besorgen, es zu schälen und zuzubereiten, einfach<br />
kurz in den Kühlschrank zu greifen und die Tagesration<br />
„Gesundheit“ zu kippen. Doch dabei sollte<br />
der Konsument gut überlegen: ein Smoothie kostet<br />
zumeist ungefähr so viel wie 2 Kilo Äpfel. Das<br />
hat Doktor Koch vermutlich nie geahnt.<br />
44
Aus der Region-für die Region<br />
Feinste Säfte<br />
DLG-prämierte Spitzenqualität<br />
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45
Möller-Säfte aus Recklinghausen<br />
Aus der Region in<br />
die Flasche<br />
von Stefan Moutty (text und Foto)<br />
46
„Der Apfelsaftkönig des Ruhrgebiets“<br />
– Josef Möller jr. lacht und hebt abwehrend<br />
die Hände, als er den Vorschlag<br />
für eine Überschrift zu diesem<br />
Artikel hört. „Um Gottes Willen, ich<br />
bin doch nur ein kleiner Süßmoster“,<br />
korrigiert der Geschäftsführer Lohnmosterei nennt sich<br />
des Recklinghäuser Unternehmens diese sinnige Einrichtung,<br />
„Möller Obstsäfte“ bescheiden. Doch die Vorteile für beide Seiten<br />
hat für beide Seiten hat<br />
wäre er ein solcher König, dann ein<br />
wahrhaft volksnaher: Denn jeder, und noch heute das Herzstück<br />
eines modern ge-<br />
der Äpfel hat in seinem Garten und<br />
nicht weiß, wohin mit der Ernte, dem führten Unternehmens ist.<br />
nimmt Möller seine Last und belohnt 40 Flaschen Saft bekommt,<br />
ihn mit köstlichem Saft.<br />
wer einen Zentner Äpfel<br />
bringt. Dazu fällt pro Flasche<br />
eine Verarbeitungsgebühr an, deren Höhe<br />
je nach Art des gewählten Safts variiert. Für gelieferte<br />
Äpfel kann man nämlich auch Pfirsichoder<br />
Bananen-Nektar mit nach Hause nehmen.<br />
Die stellt man bei Möller – neben vielen anderen<br />
Sorten – ebenfalls her, allerdings nicht aus Früchten<br />
der Region. Logisch. Die Lohnmosterei lohnt<br />
selbst bei den heimischen Kirschen nicht, einzig<br />
im Falle von Äpfeln. Und da kommt ganz schön<br />
was zusammen: 1400 Tonnen des Kernobstes<br />
verarbeitet man in Recklinghausen-Stuckenbusch<br />
pro Jahr, allesamt stammen sie von Privatleuten<br />
und Kleinbauern der Region.
Durch eine kurzzeitige Erhitzung auf rund 80 Grad werden Mikroorganismen<br />
abgetötet, danach kommt der Saft luftdicht in die Flasche – fertig!<br />
10 Millionen Flaschen verlassen pro Jahr das Firmengelände<br />
in Stuckenbusch, über 30 verschiedene<br />
Saftsorten werden hier produziert<br />
Die Äpfel wachsen überwiegend<br />
auf Streuobstwiesen und sind zu<br />
99,9 % nicht gespritzt - frag Rex!<br />
48
Gesammelt wird nicht nur vor<br />
Ort in der Kelterei, sondern an<br />
über 30 Annahmestellen von<br />
Rheine im Norden bis Attendorn<br />
im Süden.<br />
In die Flasche kommen somit<br />
nur regionale Rohstoffe und<br />
nicht etwa, wie Josef Möller jr.<br />
betont, Saftkonzentrate aus Asien,<br />
wie sie anderswo im großen<br />
Stil verarbeitet würden. „Unsere<br />
Äpfel wachsen überwiegend auf<br />
Streuobstwiesen und sind zu<br />
99,9 % nicht gespritzt“, erklärt<br />
der Firmenchef. „Der Vorteil des<br />
Lohnmostgeschäfts ist, dass wir<br />
vor allem alte Apfelsorten verarbeiten,<br />
die mehr Aroma haben.“<br />
Auf industriellen Plantagen seien<br />
diese Sorten nicht zu finden,<br />
da sie keine gleichmäßig gute<br />
Ernte garantierten: „Die tragen ein Jahr gut und<br />
das nächste Jahr schlecht.“<br />
Bis Ende Oktober läuft die Ernte, werden die Äpfel<br />
auf Hängern von den Sammelstellen nach Stuckenbusch<br />
geliefert. Vom Schreibtisch in seinem<br />
Büro sieht Josef Möller jr. in der Saison täglich<br />
wie das gelbrote Gold entladen wird. Wendet er<br />
seinen Blick vom Fenster ein wenig nach rechts,<br />
fällt sein Blick auf ein Bild, das dokumentiert, wie<br />
alles begonnen hat: Die Schwarz-Weiß-Fotografie<br />
zeigt – eine Aufschrift in Fraktur erläutert es – die<br />
„Teilnehmer am Süßmost-Kursus vom 17. bis 29.<br />
August 1936 in Ober-Erlenbach bei Frankfurt am<br />
Main“. Der dritte von links in der untersten Reihe<br />
ist Josef Möller sen., Gründer der Obstsaftkelterei<br />
Möller und Großvater des aktuellen Firmenchefs.<br />
„Was er damals in zwei Wochen gelernt hat, dafür<br />
habe ich drei Jahre gebraucht“, lacht der Junior.<br />
Jener „Süßmost-Kursus“ vermittelte seinen Teilnehmern<br />
Kenntnisse in damals modernster Lebensmitteltechnologie,<br />
denn unsere haltbaren<br />
Fruchtsäfte von heute waren vor Beginn des 20.<br />
Jahrhunderts noch unbekannt. Mit durchaus berauschenden<br />
Folgen: Aus Trauben und Äpfeln wurden,<br />
wollte man sie konservieren, Wein und Apfelwein.<br />
Zu Löschung des täglichen Durstes trank<br />
man über Jahrhunderte stets Alkoholisches – im<br />
Ruhrgebiet freilich mehr Bier als Wein. Was manchem<br />
romantisierend wie das Paradies erscheinen<br />
mag, war der Abstinenzbewegung ein Dorn<br />
im Auge. Auch Josef Möller sen. war Mitglied im<br />
„Verein gegen Alkoholismus“ – genau wie Josef<br />
Baumann, der aus solch gleichermaßen hehren<br />
wie nüchternen Gründen in Ober-Erlenbach die<br />
„gärungslose Früchteverwertung“ entwickelte<br />
und darin wissbegierige Schüler aus Nah und Fern<br />
unterwies.<br />
Das auf der von Louis Pasteur entwickelten Pasteurisierung<br />
basierende Know-how zur Konservierung<br />
frisch gepresster Fruchtsäfte brachte Großvater<br />
Möller nach Recklinghausen. Wo es im Prinzip<br />
noch heute angewendet wird: Durch eine kurzzeitige<br />
Erhitzung auf rund 80 Grad werden Mikroorganismen<br />
abgetötet, danach kommt der Saft luftdicht<br />
in die Flasche – fertig! 10 Millionen Flaschen<br />
verlassen pro Jahr das Firmengelände in Stuckenbusch,<br />
über 30 verschiedene Saftsorten werden<br />
hier produziert. Längst gehören zum Portfolio<br />
der Josef Möller Obstsaftkelterei, die der Enkel<br />
des Gründers 1989 von Vater Edmund übernahm,<br />
auch Gesundheitssäfte, das Sportdrink-Konzentrat<br />
„FreshPower“ oder sogar Pflanzenrohstoffe für die<br />
Pharmaindustrie. Dennoch hat es natürlich einen<br />
Grund, warum das Unternehmen in der Region<br />
nach wie vor als „Apfel-Möller“ bekannt ist. Mit<br />
Äpfeln hat man damals angefangen, und die Superfrucht<br />
mit 30 Vitaminen und Spurenelementen<br />
stellt auch heute noch den Löwenanteil der bei<br />
Möller verarbeiteten Rohstoffe: 55 % des hier gepressten<br />
Obstes sind Äpfel.<br />
Und die sind in diesem Jahr besonders gut. „Mit einem<br />
Wort: fantastisch“, antwortet Josef Möller jr.<br />
auf die alljährlich wichtigste Frage überhaupt: Wie<br />
ist die Ernte ausgefallen? „Der verregnete Juli hat<br />
uns nicht so gestört, die Qualität der Frucht entsteht<br />
im September und Oktober – und da hatten<br />
wir Sonne satt.“ Merke: Mag der Sommer noch so<br />
durchwachsen sein, mit einem sonnigen Endspurt,<br />
wie 2016, holt er alles wieder raus. Für die Äpfel –<br />
und für Möllers Apfelsaft aus Recklinghausen.<br />
49
Öl in den Saft gießen!<br />
„Industrielle Produkte aus der bunten<br />
Limonadenwelt werden Sie bei uns nicht<br />
finden.“ So verkündet es selbstbewusst<br />
das Restaurant Am Kamin in Mülheim.<br />
Unter Küchenchef Sven Erik Noethel hat<br />
Vorbei sind die Zeiten, als sich<br />
Autofahrer und andere zur alkoholischen<br />
das schöne Traditionsrestaurant 2015<br />
Abstinenz genötigte<br />
den ersten Michelin-Stern errungen. Hier<br />
gibt es natürlich erstklassige Weine zum<br />
Essen – vom Edel-Bordeaux bis zum angesagten<br />
Gourmets an Wasser oder gar an<br />
die Cola zu halten hatten. Selbst<br />
entwickelte Säfte, teilweise aus<br />
georgischen Amphoren-Wein, alten Obstsorten, Infusionen,<br />
aber längst auch schon niveauvolle Ersatzbegleiter<br />
hausgemachte Limonaden, Essenzen,<br />
zum Top-Essen. Spezialist<br />
des Hauses ist Patisserie-Chef Tobias<br />
Weyers. Er serviert auch schon mal einen<br />
Mangosaft mit Austernwasser.<br />
Molken und Tees offeriert<br />
das Haus. Abgestimmt auf das<br />
Essen natürlich und von erstaunlicher<br />
Geschmacksvielfalt. Tobias<br />
Weyers ist im Hause für die Patisserie<br />
zuständig. Er entwickelt fantastische Kreationen,<br />
die in einer noch recht jungen Tradition<br />
in der Top-Gastronomie stehen.<br />
Im Acht-Gang-Degustations-Menü wird etwa<br />
erstaunliches serviert. Kommt aus der Küche<br />
der „Hummer mit Schwarzwurzel, Welschrieslingtrauben,<br />
Pumpernickel und Hefe“, so tischt<br />
Weyers Weizengras mit Salz-Zitronen auf, mit<br />
einer Infusion von Apfel und Eichenlaub in Pulverform.<br />
Ist der Gang „Aal mit Schweinebauch,<br />
Fenchel , Pflaume und Klettwurzel“ an der<br />
Reihe und der Sommelier bleibt weiterhin arbeitslos,<br />
so bekommt der auf die alkoholfreie<br />
Begleitung abonnierte Genießer eine Infusion<br />
von Pflaume, Apfel und Schwarztee serviert.<br />
Spannend sind die Öl-Infusionen. Da Weyers<br />
und das Am-Kamin-Team festgestellt haben,<br />
dass ihnen Säfte gelegentlich zu wässrig vorkommen<br />
neben den fantastischen Aromenkreationen,<br />
experimentieren sie mit Öl-Infusionen.<br />
Eine Technik, die Weyers zuerst bei Ferran<br />
Adria gesehen hat, dem legendäreren Erneuerer<br />
der (Molekular)Küche im ehemaligen El<br />
Bulli bei Barcelona. Hier in Mülheim ist es etwa<br />
ein reiner Selleriesaft, der mit Haselnussöl<br />
aufgegossen wird und den „Sauerbraten vom<br />
US-Schaufelstück mit Sellerie, Preisselbeeren,<br />
Spargoli und Buchenpilze“ eskortiert oder ein .<br />
Wohlgemerkt ist nicht jede der Kreationen von<br />
Weyers auch als Stand-Alone-Drink geeignet.<br />
Nicht als Pausenhof-<strong>Durstlöscher</strong> taugt etwa<br />
der Mangosaft mit Austernwasser, der zu „Muscheln<br />
mit Soja, Alge, Safran und Herbst-Trompeten“<br />
getrunken werden darf.<br />
Im Dezember 2014 hat das Restaurant begonnen,<br />
die Menüs mit einer kompletten alkoholfreien<br />
Begleitung zu konzipieren. Seither<br />
entwickelt Weyers direkt zu den Gerichten<br />
spektakuläre Kreationen. So entstanden auch<br />
ein seither immer wieder verwendeter alkoholfreier<br />
Whisky und alkoholfreie Craft- und<br />
Kürbisbiere. Und der Sommer gehört der<br />
hausgemachten Minzlimo, die den Output des<br />
Kräutergartens in ein frisches Sommergetränk<br />
verwandelt. Eigentlich ist es unglaublich, dass<br />
es ohne Alkohol so lange kaum kreative Essensbegleiter<br />
gab. Für viele Restaurants (auf<br />
allen Niveaus) herrscht hier deutlicher Nachholbedarf.<br />
50
Spaß und Geschmack aus Essen<br />
Fanta ist eine Weltmarke. Fanta wird weltweit<br />
in mehr als 200 Ländern und in über Denn die erste Fanta wurde<br />
70 Geschmacksrichtungen vertrieben. 1940 getrunken, während des<br />
Und wo kommt sie her? Der süße Spaßmacher<br />
hat eine ungewöhnliche Geschichte. für ihre Erfindung: Damals wur-<br />
Zweiten Weltkriegs. Der Grund<br />
Und die begann in einer düsteren Zeit mitten<br />
im Ruhrgebiet. In Essen, inmitten von fe zur Herstellung von Coca-Cola<br />
den in Deutschland die Rohstof-<br />
Krieg und Totalitarismus. Eine neue Brause knapp. Diese war seinerzeit auch<br />
zum Weltenbrand.<br />
im Deutschen Reich schon sehr<br />
beliebt. Das trinkbare Wahrzeichen des American<br />
Way of Life lief auch in Zeiten des deutschtümelnden<br />
Wahnsinns glänzend. Zwischen 1933<br />
und 1939 stieg der Absatz von 100.000 auf 4,5<br />
Millionen Kisten. Die Firma war offizieller Sponsor<br />
der Olympischen Spiele 1936 in Berlin, und<br />
bei Kriegsbeginn gab es 50 Produktionsstätten<br />
in Deutschland. Doch mit Kriegsbeginn<br />
wurde es knapp für die braune<br />
Brühe – wie dann bald auch für die<br />
deutschen Braunen.<br />
Max Keith, Geschäftsführer der<br />
Coca-Cola GmbH in Essen, bat jedenfalls<br />
Anfang der 40er Jahre seinen<br />
Chef-Chemiker Dr. Wolfgang<br />
Scheteling, eine Alternative für<br />
die Cola zu entwickeln. Der sollte<br />
dafür auf Rohstoffe zurückgreifen,<br />
die auch zu Kriegszeiten<br />
vorrätig waren. Nun denn: Not<br />
macht erfinderisch. Das Getränk<br />
bestand hauptsächlich<br />
aus Molke und Apfelfruchtfleisch.<br />
Geschmacklich hatte<br />
es vermutlich nicht viel<br />
mit der Fanta zu tun, die<br />
wir heute kennen. Aber<br />
die Menschen liebten es.<br />
Selbst der Name stammt<br />
aus Essen. Max Keith hatte<br />
einen Namenswettbewerb<br />
unter seinen Mitarbeitern<br />
ausgerufen. Weil die das<br />
neue Getränk „fantastisch“<br />
und „fantasievoll“ fanden,<br />
einigte man sich auf Fanta.<br />
Ein Name, der sich im Land<br />
schnell verbreitete. Max<br />
Keith war übrigens kein<br />
Nazi, verweigerte nach einigen<br />
Quellen sogar den<br />
Parteieintritt. Er hielt den<br />
Betrieb aufrecht, obwohl<br />
er über mehrere Jahre keinerlei<br />
Kontakt zur Firmenzentrale<br />
in Atlanta hatte.<br />
Entgegen vieler Gerüchte,<br />
ist Fanta also keine Erfindung<br />
der Nazis.<br />
Und Fanta blieb erfolgreich: Mit dem Wiederaufbau<br />
der Fabrik in Essen nach dem Krieg und<br />
der Wiederbelebung des Vertriebsnetzwerks<br />
etablierte sich die Fanta neben der großen<br />
Coca-Cola. Es wird kolportiert, dass sogar der<br />
Bundeskanzler Konrad Adenauer täglich vor<br />
dem Bonner Bundeshaus an einem Handwagen<br />
Fanta konsumierte, der dort Politik und<br />
Journaille versorgte. Weiterhin etablierte<br />
sich das Getränk bei vielen Groß- und<br />
Sportveranstaltungen. Doch ist Fanta<br />
nicht eigentlich eine Orangenlimno? Tatsächlich<br />
begann das erst 1955 in Italien.<br />
Ein Abfüller in Neapel wollte unter dem<br />
Dach von Coca-Cola ein Erfrischungsgetränk<br />
mit Orangengeschmack auf den Markt<br />
bringen. Gesagt, getan. 1959 kam dieses<br />
unter dem Namen „Fanta klar“ nach<br />
Deutschland. Ebenfalls 1959 wurde „Fanta<br />
Klare Zitrone“ erfunden. In Amerika<br />
wurde daraus ein anderes Getränk unter<br />
neuem Namen: Sprite war geboren. Die<br />
Fanta, wie wir sie heute kennen kam erst<br />
1964 in den Handel, da wurde sie schon<br />
getrunken aus den Flaschen, die der<br />
französische Stardesigner Raymond<br />
Loewy Ende der 50er entworfen hatte:<br />
die Glasflasche mit den griffigen<br />
horizontalen Ringen. Um die Inhaltsstoffe<br />
vor Licht zu schützen, nahm<br />
man braunes Glas.<br />
Die Essener Marke blieb stets<br />
erfolgreich. Im Jahr 1975 wurde<br />
der Slogan „Weil‘s Spaß macht<br />
und schmeckt“ eingeführt, der<br />
über 25 Jahre in den Köpfen der<br />
Leute blieb, eigentlich bis heute.<br />
Die Fanta, in Österreich übrigens<br />
„das Fanta“ hat einfach ein<br />
Spaß-Image. Anlässlich des 75.<br />
Geburtstages wurde im Februar<br />
2015 Fanta Klassik auf den<br />
Markt geworfen. Sie soll an die<br />
Limonade von damals erinnern:<br />
weniger süß im Geschmack und<br />
mit Zutaten wie Molkenerzeugnis<br />
(30 Prozent) und Apfelextrakt.<br />
Wer kann schon sagen,<br />
ob sie dem Essener Produkt<br />
von 1940 nahe kommt. Längst<br />
schmeckt Fanta weltweit sehr<br />
unterschiedlich, da versucht<br />
wird, sie dem Geschmack der<br />
jeweiligen Menschen anzupassen.<br />
Sie hat eine weite Reise<br />
hinter sich, die Not-Limo aus<br />
dem Ruhrpott.<br />
51
Gourmet-Getränk<br />
verbindet Genuss-Klassiker<br />
Die SFC Superfood Club GmbH & Co.<br />
KG sitzt hoch oben im Exzenterhaus Bochum.<br />
Mit seiner eindrucksvollen und<br />
unverwechselbaren Architektur, entworfen<br />
vom Berliner Architekten Gerhard<br />
Spangenberg ist es zu einem neuen<br />
Wahrzeichen der Stadt geworden. perfood GmbH ist<br />
Projektleiter der Su-<br />
Jörg Haupt, ein Unternehmensberater,<br />
der vor gut zwei Jahren damit<br />
begonnen hat, ein neues zeitgemäßes Getränk zu<br />
kreieren. „In der Tradition hausgemachter Tees<br />
und Limonaden“ – so sollte es sein und so wurde<br />
es: Alkoholfrei, zuckerfrei, ohne Farb- und Konservierungsstoffe<br />
und Geschmacksverstärker. Ein gesundes<br />
Gourmet-Getränk.<br />
Für die Gloria-Macher ist allein der Standort ein<br />
Versprechen. Die Niederlassung im Exzenterhaus<br />
ist für ein Bekenntnis zum Standort Bochum und<br />
ein Symbol für unternehmerischen Aufbruch. Der<br />
soll nun geschehen mit dem neuen Produkt. Gloria<br />
nennt sich Limotee, wird vollständig aus besten<br />
Bio-Zutaten produziert. Sowohl das Unternehmen<br />
als auch alle Zulieferer sind Bio-zertifiziert. Limotee<br />
bedeutet die Verbindung des besten aus zwei<br />
Welten. Es vereint Elemente von Limonaden und<br />
Eistee. Limotee will somit zurückgehen zur Tradition<br />
hausgemachter Limonaden und Eistees.<br />
Gleichzeitig zielt es vorwärts in Richtung einer einzigartigen<br />
Geschmackskomposition.<br />
Historisch hatte der Eistee im Jahre 1904 auf der<br />
Weltausstellung in St. Louis seinen kulinarischen<br />
Durchbruch. Engländer Richard Blechynden popularisiert.<br />
Dieser war auf der Weltausstellung in St.<br />
Louis für den Tee zuständig und sollte die Amerikaner<br />
vom Schwarztee überzeugen, die bis dahin<br />
nur Grüntee kannten. Der Engländer Richard<br />
Blechynden, ein Botschafter für den Schwarztee,<br />
sah sich dort mit dem Problem konfrontiert, dass<br />
heißer Tee im Rekordsommer 1904 keinen Anklang<br />
finden würde, so kam er auf die Idee, den<br />
Tee mittels eiskalter Blei-Rohre abzukühlen. Seither<br />
ist das aromenreiche Erfrischungsgetränk<br />
fast weltweit ein Renner. Für Gloria wurden nun<br />
traditionelle Eistee- und hausgemachte Limonadenrezepte<br />
weiter veredelt, weitergedacht. Und<br />
so entstanden „Noble Herbs“ mit Wasser, Honig,<br />
Limettensaft und Teeauszug von Minze, Salbei<br />
und Moringa, „Spicy Ginger“ mit Ingwer und Basilikum,<br />
„Fruity Hibiscus“ mit Hibiskusblüten sowie<br />
„Cool Mint“ mit Minze. Allesamt biologisch. Die<br />
zugehörige Werbebotschaft verkündet verheißungsvoll:<br />
„You make me feel good, you make me<br />
feel alright“. Und weil Gloria aus Bochum kommt,<br />
wird hier auch eifrig damit experimentiert. Bochums<br />
beste Bar, Pearlz, hat sich bemüht, erste<br />
Cocktails mit Glorias zu kreieren. Einer der besten<br />
heißt natürlich: „Bochumer“.<br />
52
BOCHUMER<br />
Die ersten Gehversuche machte das Getränk in<br />
der Teeküche des Büros im Exzenterhaus. Folglich<br />
musste der mit Serkar Barzani von der Pearl’z<br />
Bar entwickelte Cocktail Bochumer heißen. Hier<br />
ist er:<br />
Zubereitung:<br />
Die Kumquats halbieren, in den Shaker geben<br />
und mit einem Stößel andrücken. Drei bis vier<br />
Salbei-Blätter mit den restlichen Zutaten (ohne<br />
Gloria noble herbs) hinzugeben. Shaken, mit einfachem<br />
Strain in einem Longdrink-Glas auf Eis<br />
abseihen und mit Gloria „noble herbs“ auffüllen.<br />
Zutaten:<br />
Vodka: 5 cl<br />
Cranberrysaft: 5 cl<br />
Zitronensaft: 2 cl (frisch gepresst)<br />
Vanillesirup: 2 cl<br />
Kumquats (Zwergorangen): 2 Stück<br />
Frische Salbei-Blätter<br />
Gloria noble herbs<br />
Was wird gebraucht?<br />
Shaker, Strain (Abseiher), Longdrink-Glas,<br />
Strohhalm<br />
Garnierung:<br />
Mit der Schale der Kumquats garnieren.<br />
53
Bier<br />
54
55
REINHEITSGEBOT<br />
Welt-Idee oder Ideologie?<br />
Vor genau 500 Jahren erließen<br />
zwei bayrische Herzöge eine<br />
Landesordnung, die heute jeder<br />
Biergenießer auf dem Flaschenetikett<br />
seines Lieblingsgetränkes<br />
schon einmal gelesen hat: Das<br />
Reinheitsgebot. Doch hat dieses<br />
Gebot in Zeiten von Craft Beer,<br />
Mikrobrauerei und Importmarkt<br />
noch Sinn?<br />
Im Brauerei-Museum in der<br />
Dortmunder Nordstadt widmet<br />
man aktuell dem Reinheitsgebot<br />
eine Sonderschau.<br />
Dort erfährt man von der bewegten<br />
Brauereigeschichte<br />
Deutschlands, sieht dank Exponaten<br />
wie Pflanzen und Gewürzen,<br />
was eigentlich im Bier<br />
drin ist und lernt kuriose Fakten<br />
über das viertliebste Getränk der Deutschen.<br />
Tatsächlich trinkt der Durchschnittsbürger<br />
rund 107 Liter Bier pro Jahr, während<br />
er ganze 120 Liter Erfrischungsgetränke, 148<br />
Liter Wasser und 162 Liter Kaffee vertilgt.<br />
Das Brauerei-Museum aber belehrt, warum<br />
Bier mehr als Wasser, Kaffee oder Cola kann,<br />
so informiert etwa eine Tafel in der Sonderausstellung<br />
darüber, dass sich am Hopfen<br />
kleine, gelbe Harzkügelchen befinden, die<br />
den Stoff Lupulin enthalten. Der sorgt für<br />
eine antibakterielle Wirkung. Die macht<br />
das Bier länger haltbar – und bekräftigt den<br />
Volksglauben, dass so ein Bierchen die beste<br />
Medizin gegen ein aufkommendes Hüsterchen<br />
sein mag. Zwischen großen Maschinen,<br />
die komplexe Prozesse des Bierbrauens<br />
sichtbar machen und zahllosen Bier-Memorabilia<br />
klärt das Brauerei-Museum aber<br />
auch über besagtes Reinheitsgebot auf. Zum<br />
Beispiel darüber, dass es die bayrischen Herzöge<br />
Wilhelm und Ludwig waren, die in Ingolstadt<br />
im Jahre 1516 die Landesordnung<br />
verabschiedeten, die bestimmte, dass fortan<br />
nur Gerste, Hopfen und Wasser ins Bier gehören.<br />
Entstanden aus etlichen Vorläufern<br />
städtischer Brauordnungen und umdefiniert<br />
durch immer neue Trends und Entwicklungen<br />
wurde daraus im Laufe der Jahrhunderte<br />
das Reinheitsgebot, das wir heute kennen.<br />
Jenes nennt Hopfen, Malz, Hefe und Wasser<br />
als einzig legitime Zutaten für ein nach<br />
deutschem Reinheitsgebot gebrautes Bier.<br />
Gesetzlich ist es seit 1906 im Biersteuergesetz<br />
verankert, bildet aber keine Vorschrift.<br />
Seit den 80ern schmückt der Verweis auf das<br />
Reinheitsgebot die Flaschenetiketten nationaler<br />
Biere und verleiht so dem Gut „Deutsches<br />
Bier“ eine einzigartige Qualität. Dr.<br />
Heinrich Tappe, Leiter des Brauerei-Museums<br />
in Dortmund, weiß: „Deutsches Bier hat<br />
im Ausland einen guten Ruf, schon seit dem<br />
19. Jahrhundert gelten wir als Bierland.“ Dies<br />
verdanke Deutschland vor allem starken Exporten<br />
und emigrierten Brauern, die etwa in<br />
den USA oder Dänemark Brauereien gründeten.<br />
„Diese und auch viele andere Bierbrauereien<br />
schreiben sich aufs Etikett, nach deutschem<br />
Reinheitsgebot zu brauen – das ist ein<br />
Qualitätssiegel!“<br />
56
DIE GROSSE BESCHRÄNKUNG?<br />
So gut das deutsche Reinheitsgebot als Marketinginstrument<br />
funktionieren mag, so beschränkend<br />
wirkt es auf eine aufstrebende<br />
Bewegung in der Brauereiszene: Die Mikrobrauer.<br />
Darunter versteht man von privaten<br />
Hobbybrauern handwerklich gebraute Biere,<br />
die mit Hang zum Experiment gerne auch<br />
mal das Reinheitsgebot umschiffen, um neue<br />
Gewürze oder Zutaten einzubringen und auszutesten.<br />
Davon wird ein Bier nicht unrein<br />
oder ungenießbar, es entspricht halt nur nicht<br />
mehr dem deutschen Reinheitsgebot. Da dieses<br />
aber kein Gesetz, sondern viel mehr ein<br />
gemachter, ein konstruierter Begriff ist, wird<br />
er heutzuatge mehr denn je diskutiert. Überwiegt<br />
der Nutzen oder die Beschränkung?<br />
„Ich sehe das Reinheitsgebot als überarbeitungswürdig<br />
an“, sagt etwa Ferdinand Laudage<br />
von der Bieragentur Dortmund. Der gelernte<br />
Biersomelier, Selberbrauer, Berater für Craft<br />
Beer und Organisator von Bierverkostungen<br />
ist ein Experte auf dem Gebiet des güldenen<br />
Hopfensaftes. „Im Grunde genommen ist das<br />
Reinheitsgebot schon eine wichtige Sache,<br />
so wird etwa verhindert, dass Süßstoff zum<br />
Nachsüßen ins Bier kommt.“ Das könne bei<br />
exportierten Bieren aus zum Beispiel Belgien<br />
durchaus passieren. „Trotzdem werden in der<br />
deutschen Bierproduktion ja nicht nur die vier<br />
Grundzutaten verwendet. Zum Klären wird in<br />
der Industrie oft der Kunststoff PVPP, kurz für<br />
Polyvinylpolypyrrolidon, verwendet. Ob der<br />
zu 100% aus dem Endprodukt hausgefiltert<br />
werden kann, ist fraglich.“ Das sei letztendlich<br />
gar nicht so schlimm, es würde niemand<br />
300 Biersorten<br />
1 Kneipe<br />
Das<br />
stärkste Bier<br />
der Welt<br />
mit 67,5% gibt´s<br />
im Finkenkrug<br />
5 Minuten von<br />
der Uni entfernt.<br />
Die Studentenkneipe<br />
mit dem größten<br />
Bierangebot in<br />
Deutschland.<br />
Sternbuschweg 71, Duisburg<br />
finkenkrug.de<br />
facebook.com/FinkenkrugDU<br />
57
daran sterben, meint Laudage. Anstoß<br />
nimmt er aber an dem Fakt, dass der unnatürliche<br />
Stoff nicht kennzeichnungspflichtig<br />
ist. „„Wenn möglicherweise<br />
Kunststoffrückstände im Bier enthalten<br />
sind, warum sind dann natürliche Rohstoffe<br />
wie Kirschen oder Erdbeeren untersagt?“<br />
Damit spielt der Bierexperte<br />
auf die Lage von kleinen, kreativen Craft<br />
Beer-Brauern in Deutschland an, die<br />
zum Brauen von Bieren, die etwa solche<br />
Extrazutaten beinhalten, Sondergenehmigungen<br />
erwirken müssen. Das mache<br />
das Bierbrauen unnötig kompliziert und<br />
schränke die Vielfalt der deutschen Bierlandschaft<br />
ein. „Das Schöne am Craft<br />
Beer ist doch, dass immer ein Brauer mit<br />
Leidenschaft und Ideen dahintersteht.<br />
Bier aus der Industrie hat natürlich auch<br />
Qualität, aber durch Craft Beer kommen<br />
einfach noch andere, neue Noten dazu.<br />
Warum sollte man die beschränken?“<br />
Darum fordert Laudage: „Das Reinheitsgebot<br />
sollte bedeuten, dass nur rein<br />
natürliche Rohstoffe verwendet werden<br />
dürfen. Das würde das Getränk an sich<br />
aufwerten und die deutsche Bierlandschaft<br />
bunter machen.“<br />
Ganz unproblematisch sei die junge Craft<br />
Beer-Bewegung aber nicht, weiß auch Biersomelier<br />
Ferdinand Laudage. „Mit der Craft<br />
Beer-Welle kommen auch einige qualitativ weniger<br />
hochwertige Produkte auf den Markt. Da<br />
will dann einfach jemand schnelles Geld machen.“<br />
Ist das Reinheitsgebot also doch mehr<br />
Schutz als Schranke?<br />
58
MEHR SCHUTZ ALS SCHRANKE?<br />
Dr. Heinrich Tappe vom Brauerei-Museum<br />
ist sich sicher: „Der Vorteil ist doch,<br />
wenn ich ein deutsches Bier kaufe, muss<br />
ich nicht aufs Etikett gucken, um zu sehen,<br />
was drin ist. Ich muss nicht prüfen, welche<br />
Konservierungsstoffe oder Zusätze enthalten<br />
sind – es sind schlichtweg keine drin!“<br />
Der Stoff PVPP, so Tappe, sei im Endprodukt<br />
Bier nicht mehr enthalten. „Deshalb<br />
liegt Bier beim aktuellen Trend hin zu natürlichen<br />
Lebensmitteln ganz weit vorne.“<br />
Tappe sieht das Gebot als Schutz für den<br />
Verbraucher, der beim Bierflaschenetikett<br />
nicht aufs Kleingedruckte schauen muss.<br />
Dennoch sieht er auch eine Lockerung<br />
des Reinheitsgebots nicht als Schaden für<br />
die Marke „Deutsches Bier“. „Man könnte<br />
durchaus andere Getreidesorten, Gewürze<br />
und natürliche Zusätze in Erwägung<br />
ziehen. Dazu müsste man aber das Biersteuergesetz<br />
ändern. Da traut sich offensichtlich<br />
niemand dran.“ Tappe verstehe<br />
zwar die Craft Beer Brauer und ihr Anliegen<br />
für mehr Offenheit beim Brauen, weiß<br />
aber auch, dass dieser zwar wachsende<br />
Trend immer noch nur eine kleine Nische<br />
von Konsumenten bespielt. „Da ist der öffentliche<br />
Druck einfach nicht groß genug,<br />
als das jemand ein Gesetz umformuliert.“<br />
Schließlich aber ist für Dr. Heinrich Tappe<br />
wie für Ferdinand Laudage eine Vielfalt der<br />
deutschen Bierkultur erstrebenswert. Das<br />
Reinheitsgebotes sei Qualitätsmerkmal<br />
und sorge für guten Ruf, bei einem generell<br />
sinkenden Verbrauch im Land selber,<br />
müsse man aber verstärkt auf Export setzen.<br />
Eine Kombination aus Qualitätssiegel<br />
und neuer Vielfalt scheint also das Ziel.<br />
59
IM REICH DES GAMBRINUS<br />
Bottrop hat dem König des Bieres ein Denkmal gesetzt<br />
von Stefan Moutty<br />
Wer beim Thema Bier an Bottrop denkt,<br />
dem mag als erstes Jürgen von Mangers<br />
Trinklied aus dem Jahr 1977 in den Sinn<br />
kommen, das beide Begriffe einst so lyrisch<br />
zusammenschweißte: „Bottroper<br />
Bier“, gesungen auf die Melodie von<br />
„Griechischer Wein“ und im unnachahmlichen<br />
Ruhridiom „Adolf Tegtmeiers“,<br />
verdankt seinen Titel gleichwohl einzig<br />
der Freude des Liedtexters an der Alliteration.<br />
Denn ein echtes Bottroper Bier<br />
gab es 1977, als von Manger selbiges als<br />
„Saft für’t Leben“ pries, gar nicht mehr.<br />
Just ein Jahr zuvor nämlich verschwand<br />
die Westfalia Brauerei, die ein Jahrhundert<br />
lang den Durst der Bottroper löschte,<br />
endgültig aus den Registern. Gebraut<br />
hatte man schon länger nicht mehr – als<br />
Folge der Übernahme durch die Duisburger<br />
KöPi-Produzenten Ende der 60er<br />
Jahre. 1978 wichen schließlich die letzten<br />
Gebäude der Westfalia-Brauerei einem<br />
Einkaufszentrum.<br />
Bier und Bottrop, das war also lange Zeit<br />
– nachdem auch die Tegtmeier-Weise bei<br />
nachwachsenden Zecher-Generationen<br />
allmählich in Vergessenheit geriet – nicht<br />
mehr als die banale Beziehung zwischen<br />
Produkt und Konsument. Bier wurde<br />
eben getrunken in Bottrop. Gerade so<br />
wie in all den anderen Kommunen des<br />
Reviers, die nicht gerade stolze Bierstadt<br />
waren wie Dortmund oder Duisburg.<br />
Bis zum 9. Mai 2015. Jenem Tag, als<br />
Bottrop seine Biertrinker wieder stolz<br />
machte – und dem „König des Bieres“ ein<br />
Denkmal setzte. Da mag Dortmund sein<br />
„U“ haben und Duisburg die Nation mit<br />
KöPi laben – Gambrinus, der sagenhafte<br />
Erfinder des Bierbrauens und Namenspatron<br />
zahlloser Wirtschaften, Kneipen und<br />
Schnitzelstuben, er stemmt seinen Krug<br />
ruhrgebietsweit nur in Bottrop gen Himmel.<br />
Fünf Meter hoch über dem Pflaster<br />
der Gladbecker Straße thront er seit<br />
seiner Enthüllung und prostet von dort<br />
jovial den Passanten zu. Sowie – bei entsprechender<br />
Witterung – den Gästen der<br />
umliegenden Außengastronomie. Denn<br />
dies war der Wille jener couragierten<br />
Bottroper Bürger, die dem Gambrinus auf<br />
den Sockel halfen: Er solle dort den Becher<br />
heben, wo man dem Biere zuspricht.<br />
Und da bot sich im heutigen Bottrop – in<br />
Ermangelung einer echten Kneipenmeile<br />
– eben nur jener fußläufige Abschnitt<br />
der Gladbecker Straße an, der unter den<br />
gütigen Augen des Gambrinus zukünftig<br />
denn auch weiter an gastronomischem<br />
Profil gewinnen soll.<br />
Schließlich war es um Letzteres einst<br />
weit besser bestellt, Bottrops Kneipendichte<br />
beachtlich – als Folge der vielen<br />
Viehmärkte und ihrer durstigen auswärtigen<br />
Besucher. Damals bereits mit dabei:<br />
Gambrinus! Seine Aufstellung im Mai<br />
vergangenen Jahres war ein glanzvolles<br />
Comeback, denn schon einmal wachte er<br />
über Bottrops Zecher. Damals als Giebelfigur<br />
der legendären Kneipe „Zum Gambrinus“<br />
– älteren Bottropern bis heute<br />
ein Begriff –, die in den 1970er Jahren<br />
abgerissen wurde. Fast 40 Jahre war der<br />
Bierkönig danach verschwunden, mussten<br />
die Bottroper Biertrinker ohne ihren<br />
royalen Patron Pilstulpe und Willibecher<br />
zum Munde führen.<br />
Doch dann kam der umtriebige Lokalhistoriker<br />
Wilfried Krix dem Gerstensaft-Regenten<br />
auf die Spur. Als Verfasser einer<br />
umfänglichen Abhandlung zur Alt-Bottroper<br />
Kneipenlandschaft war er tief in die<br />
Gastronomie-Geschichte seiner Heimatstadt<br />
eingetaucht und hatte dabei den<br />
einst vor der Abrissbirne geretteten Gambrinus<br />
aufgespürt.<br />
Der gefallene Giebelstolz war allerdings<br />
in erbarmungswürdigem Zustand und<br />
musste ordentlich aufgepäppelt werden.<br />
Genau genommen entstand unter der<br />
Hand des Restaurators eine Replik des<br />
ursprünglich über Bottrops Dächern thronenden<br />
Gambrinus. Ein (kosten)aufwändiges<br />
Unterfangen, das samt Aufstellung<br />
vom Mülheimer Restaurator Uwe Kühn<br />
und den Bottroper Unternehmern Oliver<br />
Helmke und Karl Reckmann gestemmt<br />
wurde.<br />
60
So reckt nun seit gut einem Jahr eine Kopie des originalen<br />
Bottroper Bier-Monarchen den Humpen zeptergleich<br />
gen Himmel. Doch was ist am Gambrinus schon<br />
original? Das Attribut „sagenhaft“ verschleiert ja euphemistisch<br />
eine gelinde gesagt nebulöse Herkunft.<br />
Und wer ihr auf den Grund geht, bemerkt bald: Einen<br />
wahren Gambrinus hat es so wenig gegeben wie Siegfried,<br />
den Drachentöter, König Artus oder Krusty, den<br />
Clown.<br />
Schon sein Name: das Resultat eines Abschreibfehlers!<br />
Denn das 1574 erstmals belegte „Gambrinus“<br />
geht auf den germanischen König „Gambrivius“<br />
zurück. Den wiederum hatte sich der<br />
Dominikaner-Mönch Annius von Viterbo<br />
schlicht und einfach ausgedacht.<br />
Abgeleitet vom bei Tacitus<br />
erwähnten Stamm der<br />
„Gambrivii“ – frech! Doch<br />
ist so ein Name erst in der<br />
Welt, wird darum rasch<br />
allerlei sagenhaftes Garn<br />
gesponnen – auch wenn<br />
es in diesem Fall nicht<br />
seemännisch ist. Und<br />
mancher verleibt sich<br />
diesen Sagenkönig gleich<br />
ganz ein – wir sprechen<br />
hier immerhin vom Erfinder<br />
der Braukunst. So<br />
kam es, dass man in den<br />
Niederlanden bald den<br />
Brabanter Herzog Jan<br />
I. als Gambrinus identifizieren<br />
zu können<br />
vermeinte. Aufgrund<br />
der klanglichen Ähnlichkeit<br />
der Namen Jan<br />
Primus (lat.: Jan, der<br />
Erste) und Gambrinus.<br />
So weit dazu …<br />
Was kann man daraus lernen?<br />
Vielleicht: Gambrinus ist für alle<br />
da! Zumindest für alle Biertrinker.<br />
Nur in Bottrop jedoch animiert<br />
er seine Untertanen ganz<br />
plastisch und weithin sichtbar,<br />
es seinem Vorbild nachzutun.<br />
Prost!<br />
61
BERGMANN BIER BOOMT<br />
1796 gegründet, war die Bergmann Brauerei<br />
einstmals Teil der deutschen Bierhauptstadt.<br />
1966 hatte sie 109 Mitarbeiter und produzierte<br />
96.000 Hektoliter Bier. Sie stand bis 1972 für<br />
Qualität. Dann war – wie für so viele der kleineren<br />
Brauereien – Schicht im Schacht. Doch anders<br />
als bei den unzähligen anderen Traditionsbrauereien<br />
im Pott gelang ein Comeback. Seit<br />
2010 brauen einige Dortmunder wieder Bergmann<br />
- mit dem gleichen Anspruch wie damals.<br />
Sowohl in Bezug auf die Rohstoffe und Zutaten,<br />
die weiter verarbeitet werden, wie auch auf das<br />
Brauwasser und die Brautechnik. Formuliert in<br />
einem starken Claim: „Harte Arbeit. Ehrlicher<br />
Lohn.“ Die Dortmunder lieben das.<br />
Bergmann-Macher Dr. Thomas Raphael erinnert<br />
sich noch an Zeiten, als es in Dortmund<br />
acht unabhängige Brauereien gab. Als Witz<br />
hatte er zunächst 2005 die<br />
Markenrechte für 300 Euro<br />
gekauft, doch dann wurde<br />
es plötzlich Ernst: der<br />
selbstständige Mikrobiologe<br />
ließ 2006, um die Rechte<br />
am Leben zu erhalten, einen<br />
Hagener Brauer 6000 Liter<br />
Export im Stil der 70er Jahre<br />
produzieren. Eine Firma<br />
wurde gegründet, Raphael<br />
quasi Freizeit-Brauereidirektor,<br />
Vertriebsstellen gefunden,<br />
darunter ein echter<br />
Clou: Von der Stadt gab es<br />
das Angebot, günstig einen<br />
heruntergekommenen Kiosk in bester Lage<br />
zu mieten. Seither ein Kult-Ort der Stadt.<br />
2009 kam eine erste eigene Brauerei in Lagerhalle<br />
im Dortmunder Hafen hinzu. Das<br />
Kapital stammt von Investoren, an die Genussscheine<br />
ausgegeben wurden. Doch inzwischen<br />
ist auch dieser Ort zu klein, längst<br />
sind sieben Biere in der Produktion. Deshalb<br />
ziehe man wieder um, sagt Raphael. Vom Hafen<br />
ins neue Gewerbe- und Industriegebiet<br />
Phoenix-West. Bis zu 5000 Hektoliter sollen<br />
ab 2017 jährlich dort gebraut werden. Insgesamt<br />
2200 Quadratmeter groß soll die Multifunktionshalle<br />
werden, in der dann Bergmann<br />
Bier gebraut wird. Zwei Millionen Euro<br />
werden investiert. Eine ganze Stange Geld für<br />
ein Hobby. Mit Hilfe der Vertriebspartner soll<br />
das Bergmann-Bier weiter Dortmund und<br />
den umliegenden Städten Schwerte, Lünen<br />
und Bochum vertrieben werden. Bergmann<br />
boomt. Und zur Brauerei entsteht wohl auch<br />
noch eine Gastronomie. Aber wer Bier und<br />
Kiosk kann, kann auch Brauerei und Gastronomie.<br />
Und die Dortmunder freuen sich,<br />
dass es ein cooles, eigenes Bier gibt.<br />
62
63
64
POLNISCHES BIER<br />
im Ruhrgebiet<br />
Als frühe Arbeitsimmigranten kamen<br />
schon um 1900 viele Polen ins Ruhrgebiet<br />
und beeinflussten wesentlich die<br />
Küche im Pott. Doch anders als bei den<br />
späteren Einwanderern aus südlichen,<br />
mediterranen Ländern war deren kulinarische<br />
Wirkung nicht so unmittelbar<br />
zu spüren, wie bei jenen. Denn<br />
die schlesische Küche ist genauso mit<br />
ihrer preußisch-österreichischen Basis<br />
mitteleuropäisch zu nennen wie die an<br />
Rhein und Ruhr vorherrschende Küchenkultur.<br />
Unterschiedliche Einflüsse<br />
sind am ehesten auszumachen, wenn<br />
baltische und russische, aber auch jüdische<br />
Akzente den Weg auf den Teller<br />
finden. Und somit sind polnische Restaurants<br />
selbst im Ruhrgebiet Exoten,<br />
wenn man bedenkt, dass es sogar einen<br />
Begriff für diese Einwanderer gibt:<br />
Als „Ruhrpolen“ sind Menschen und<br />
deren Nachfahren gemeint, die gegen<br />
Ende des 19. Jahrhunderts mit ihren<br />
Familien aus dem früheren Königreich<br />
Polen, aus Masuren, der Kaschubei<br />
und auch aus Oberschlesien ins Ruhrgebiet<br />
eingewandert sind und dort<br />
meist als Bergleute gearbeitet haben.<br />
So wurden von ihnen beispielsweise<br />
in Bochum komplett eigenständige<br />
Strukturen geschaffen - wie die einflussreiche<br />
polnische Gewerkschaft<br />
Zjednoczenie Zawodowe Polskie, die<br />
Arbeiterzeitung Wiarus Polski und die<br />
Polnische Arbeiterbank. Und als der FC<br />
Schalke 04 1934 erstmals Deutscher<br />
Meister wurde, spielten dort neben<br />
Ernst Kalwitzki, Ernst Kuzorra oder<br />
Fritz Szepan einige weitere polnischstämmige<br />
Spieler.<br />
Das präsenteste polnische Bier im<br />
Ruhrgebiet ist das Tyskie. In vielen<br />
Getränkemärkten ist es zu haben, die<br />
Tyskie-Sommerfeste – besonders in<br />
Köln – erfreuen sich großer Beliebtheit.<br />
Im Ruhrgebiet gibt es das Bier<br />
aber nicht nur als Flaschengetränk,<br />
sondern auch vom Fass: Im wichtigsten<br />
polnischen Restaurant im Ruhrgebiet<br />
etwa, dem herrlichen „Gdanska“<br />
in Oberhausen. Sehr repräsentativ<br />
am Altmarkt gelegen, ist es als Treffpunkt<br />
der polnischen Community, als<br />
schicke Szene-Kneipe, als Jazz-Club<br />
mit Helge-Schneider-Fame, als polnisches<br />
Spezialitäten-Restaurant mit<br />
hervorstechender Deftigkeit ein wahres<br />
Aushängeschild der nicht überall<br />
so qualitativ besetzten Oberhausener<br />
Gastronomie. Plakate, Szeneblätter-Stapel<br />
im Eingangsbereich, hier<br />
fühlt man sich in die zwanglose Studentenkneipen-Atmosphäre<br />
der 80er<br />
Jahre versetzt. Ein prima Einstieg ist<br />
immer der „Polnische Probierteller“:<br />
Piroggen (polnische Maultaschen),<br />
gefüllte Klöße, Bigos (Sauerkrautgericht<br />
mit Wurst und Fleisch) und Krakauer<br />
(grobe Brühwurst) mit Brötchen<br />
kosten nicht viel, reichen für zwei bis<br />
drei Menschen und schmecken ausgezeichnet<br />
zum Tyskie. Die Tyskie<br />
Brauerei in Tychy ist übrigens eine der<br />
ältesten Brauereien in Europa. Tychy<br />
wiederum ist als Ankerpunkt der Route<br />
der Industriekultur direkt an das<br />
Ruhrgebiet angebunden. Bier und Arbeit,<br />
das verbindet.<br />
65
Glas für Glas<br />
„Das Frisch und Voll eingeschenckte Bier-Glaß. In allerhand Fürfallenden Begebenheiten denen Curiosen Gemüthern zu Sonderbahrer Ergötzligkeit/<br />
Nebst einem Anhang Die Verderbte Jugend genant/ Wie nehmlich dieselbe durch übele Auferziehung/ Aufsicht und Nachsehen/ auch<br />
verführische Gesellschafft/ endlich ein übel Ende nim[m]t / Einem jeden zur Warnung vorgestellet“ nannte ein gewisser Michael Kautzschen<br />
ein kleines Druckwerk, das 1685 in Merseburg erschien. Schon damals war es also wichtig frisch und voll ins richtige Glas einzuschenken.<br />
Heute ist die Rechtschreibung anders und die Technologie der Biergläser auch.<br />
PILSGLAS<br />
PILSTULPE<br />
BIERKELCH<br />
BIERSCHWENKER<br />
BIERKUGEL<br />
BIERFLÖTE<br />
Kleine Glas-Kunde<br />
Bier - zumal das nach dem Reinheitsgebot hergestellte - besteht<br />
zwar immer aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser, doch jede der<br />
geschätzt knapp 5000 Sorten in Deutschland hat eine eigene Rezeptur<br />
und ein eigenes Herstellungsverfahren. Eine schier enorme<br />
Geschmacksvielfalt. Doch nicht nur Rezeptur, Temperatur,<br />
Kohlensäure und Durst beeinflussen den Geschmack, sondern<br />
auch das Glas. Zunächst sollte man dabei zwischen untergärigen<br />
und obergärigen Bieren unterscheiden. Untergärige Biere, wie<br />
das Pils, haben etwas weniger Kohlensäure.<br />
Für die meisten<br />
Biere sollten<br />
grundsätzlich Gläser<br />
verwendet<br />
werden, die oben<br />
nicht zu breit werden.<br />
Ansonsten droht der Schaum zu zerfließen,<br />
für viele ein nicht unwesentlicher Teil des<br />
Genusses, geschmacklich, optisch und sensuell.<br />
Das klassische Pilsglas oder auch die Pilstulpe<br />
sind traditionell dünnwandig, konzentrieren die<br />
Aromen nach oben zur Öffnung und verlängern<br />
durch ihre Form den Schaumerhalt. Die Dünnwandigkeit<br />
ist auch historisch darin begründet,<br />
dass derartige Gläser nach dem Spülvorgang<br />
schneller wieder auskühlen und so dem Zapfenden<br />
schneller wieder zur Befüllung mit kühlem<br />
Nass zur Verfügung stehen. Der Bierkelch, ein<br />
Glas für edle Biere und den modernen Biersommelier,<br />
besitzt ein breiteres und kürzeres Oberteil<br />
auf einem längeren Stiel. Das Nosing-Glas<br />
bekannt auch als Bierschwenker mit seiner großen<br />
breiten Schale auf einem kurzen Stiel wird<br />
besonders für dunkle (also malzige) und andere<br />
Spezialbiere sowie viele Formen der Craft Biere<br />
eingesetzt. Die Bierkugel besitzt auf einem<br />
Stielfuß einen (unten) kugelförmigen Teil, der<br />
sich nach oben öffnet, und ist gleichfalls zum<br />
Schwenken geeignet. Die dem Sektglas ähnliche<br />
Bierflöte hat eine schmale, lange obere Schale<br />
auf einem Stielfuß und wird für wird für kleinere<br />
Maße oder edlere Biere genutzt, wodurch dennoch<br />
ein volles Glas angeboten wird.<br />
Das Weizenbierglas ist hoch, mit einer breiten<br />
Öffnung oben und fasst in der üblichen Größe<br />
0,5 Liter. Das gilt nicht für jene Exemplare, die<br />
dazu dienen Fußballprofessionelle nach Gewinn<br />
irgendwelcher Titel werbewirksam mit größeren<br />
66
zum Genuss<br />
WEIZENBIERGLAS<br />
BIERKRUG<br />
MASSKRUG<br />
WILLYBECHER<br />
ALTBIERBECHER<br />
KÖLSCHSTANGE<br />
Mengen Bieres zu übergießen. Da das Weißbier beim<br />
Einschenken stark zu schäumen pflegt, sollte der<br />
Eingießende das Glas stark geneigt halten und erst,<br />
wenn es nahezu voll ist, langsam aufrichten.<br />
Der klassische Bierkrug heißt dagegen Seidel. Ihn<br />
gibt es in allerhand regional verschiedenen Größen,<br />
seine Formmerkmale sind ein leicht gebauchter Körper<br />
und ein Henkel. Durch das eher dicke Glas eignet<br />
sich auch besonders gut zum Anstoßen. Bayerische<br />
Maßkrüge, die man vor allem vom Münchner Oktoberfest<br />
kennt, fassen einen ganzen Liter und haben<br />
ein beachtliches Leergewicht. Daraus trinkt man<br />
entweder das speziell gebraute Wies’n-Bier oder in<br />
Biergärten ein Helles. Der Willybecher ist ein Allrounder,<br />
über den der Leser alles auf der nächsten<br />
Seite erfährt.<br />
Für Altbier gibt es den zylindrischen Altbierbecher<br />
und für Kölsch die schmale Kölschstange, die nur 0,2<br />
Liter fasst.<br />
Generell sollte der Bierfreund stets ein zu schnelles<br />
Einschenken vermeiden. Faustregel: Beim Einschenken<br />
das Glas leicht schräg halten, ein Drittel des Bieres<br />
eingießen, absetzen lassen, so dass der Schaum<br />
eine kompakte Form annehmen kann. Dann vollschenken<br />
und den Schaumring als Haube daraufsetzen.<br />
Die richtige Trinktemperatur ist wichtig. Je nach<br />
Biersorte sind Temperaturen zwischen 5 und 12 Grad<br />
Celsius ideal.<br />
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67
WILLY SCHREIBT<br />
GESCHICHTE<br />
Design-Klassiker aus Karnap<br />
68
eines Design-Autodidakten, hat wahre<br />
Biergeschichte geschrieben.<br />
goldenen Schnitt nicht sehr verbergend,<br />
geboren in Essen-Karnap unter der Regie<br />
Suhrkamp-Verlags prägte. Das Glas ohne<br />
Henkel, aber kein Weizenbierglas, den<br />
Kreationen verglichen, die ein anderer<br />
Willy zur gleichen Zeit schuf: Willy Fleckhaus,<br />
legendärer Grafiker, der mit seiner<br />
Bauhaus-Ästhetik etwa die Bücher des<br />
– und auch anderen - wurde die schlichte,<br />
klare und schöne Gestaltung mit jenen<br />
auf Stilgefühl im Volke schließen lässt,<br />
den Willybecher durchzusetzen.“ Von ihm<br />
in Gaststätten, die ich öfters besuche, mit<br />
Beharrlichkeit und gutem Beistand, der<br />
heit und die Schönheit, es stehe im funkelnden<br />
Gegensatz zu „Edeldesignertulpen<br />
und anderem röhrichten Firlefanz“.<br />
Er schreibt: „Bei Biergläsern versuche ich<br />
Kapielski bescheinigte dem Trinkgefäß<br />
einst in einer Kolumne über die Schlicht-<br />
Nach seinem Erfinder Willy Steinmeier<br />
benannt ist der doppelkonige, nach<br />
oben leicht bäuchig werdende Willybecher<br />
oder auch Willibecher. Ein absoluter<br />
Design-Klassiker. Erfunden von einem<br />
Nicht-Designer in Essen-Karnap. Er ist seither<br />
das deutsche Standardglas für den üblichen<br />
Restaurant- und Kneipenausschank<br />
und den Hausgebrauch. Laut Schätzung<br />
wurde das Glas über Jahrzehnte hinweg<br />
stets 10 Millionen Mal pro Jahr verkauft.<br />
Speziell im Restaurantbetrieb haben die<br />
Gläser den Vorteil, dass sie bei geeigneter<br />
Stand- und Formfestigkeit nach dem warmen<br />
Spülbad schnell auskühlen, um das<br />
frische Bier aufzunehmen.<br />
Es war 1954. Elvis Presley und Bill Haley<br />
brachten den Rock’n’Roll nach Deutschland,<br />
dorthin wo die „Caprifischer“ noch<br />
die Schlagerwelt beherrschten, Picasso<br />
malte „Sylvette“, Federico Fellini „La Strada“<br />
in die Kinos und J.R.R: Tolkien den<br />
„Herrn der Ringe“ in die Buchläden. Am<br />
4. Juli wird Deutschland in Bern Fußballweltmeister.<br />
Der Siegestorschütze Helmut<br />
Rahn spielt damals bei Verein Rot-Weiss-<br />
Essen und genau dort in Essen, bei der<br />
Glasmanufaktur Ruhrglas AG in Karnap,<br />
wird in diesem Jahr durch Willy Steinmeier,<br />
den Vertriebsdirektor und nicht etwa<br />
Chef-Designer, der Willybecher kreiert. Er<br />
wird in den Größen 0,2 , 0,25 , 0,3 , 0,4<br />
und 0,5 Liter hergestellt.<br />
Der Biertrinker und Schriftsteller Thomas<br />
Kapielski bescheinigte dem Trinkgefäß<br />
einst in einer Kolumne über die Schlichtheit<br />
und die Schönheit, es stehe im funkelnden<br />
Gegensatz zu „Edeldesignertulpen<br />
und anderem röhrichten Firlefanz“.<br />
Er schreibt: „Bei Biergläsern versuche ich<br />
in Gaststätten, die ich öfters besuche, mit<br />
Beharrlichkeit und gutem Beistand, der<br />
auf Stilgefühl im Volke schließen lässt,<br />
den Willybecher durchzusetzen.“ Von ihm<br />
– und auch anderen - wurde die schlichte,<br />
klare und schöne Gestaltung mit jenen<br />
Kreationen verglichen, die ein anderer<br />
Willy zur gleichen Zeit schuf: Willy Fleckhaus,<br />
legendärer Grafiker, der mit seiner<br />
Bauhaus-Ästhetik etwa die Bücher des<br />
Suhrkamp-Verlags prägte. Das Glas ohne<br />
Henkel, aber kein Weizenbierglas, den<br />
goldenen Schnitt nicht sehr verbergend,<br />
geboren in Essen-Karnap unter der Regie<br />
eines Design-Autodidakten, hat wahre<br />
Biergeschichte geschrieben.<br />
69
DIE WILDE BRAUKUNST<br />
von Max Florian Kühlem<br />
Als Gerd Ruhmann vor 30 Jahren beruflich in Brüssel zu<br />
tun hatte und ein Feierabendbier in der Kneipe bestellen Als Gerd Ruhmann vor 30 Jahren beruflich<br />
wollte, war das nicht so einfach. „Ein Bier?“, fragte der in Brüssel zu tun hatte und ein Feierabendbier<br />
in der Kneipe bestellen wollte, war<br />
Kellner verwundert: „Wir haben 17 Sorten aus dem Hahn<br />
und 85 in der Flasche.“ Er brachte dem ratlosen Gast erstmal<br />
eine Bierkarte – wie man sie heute in Bier-Bars wie Kellner verwundert: „Wir haben 17 Sorten<br />
das nicht so einfach. „Ein Bier?“, fragte der<br />
der Trinkhalle an der Herner Straße in Bochum findet. Sie aus dem Hahn und 85 in der Flasche.“ Er<br />
gilt als zentraler Ort der neuen alternativen Bierlust im brachte dem ratlosen Gast erstmal eine<br />
Ruhrgebiet. Hier treffen wir einige der Protagonisten des Bierkarte – wie man sie heute in Bier-Bars<br />
Trends zum handgemachten Bier.<br />
wie der Trinkhalle an der Herner Straße in<br />
Bochum findet. Sie gilt als zentraler Ort der<br />
neuen alternativen Bierlust im Ruhrgebiet. Hier treffen wir einige der<br />
Protagonisten des Trends zum handgemachten Bier.<br />
Nach einigen misslungenen Brau-Versuchen im heimischen Keller braut<br />
Gerd Ruhmann mittlerweile in einer kleinen Hausbrauerei erfolgreich<br />
das Lindenbier. Er belebt damit eine Sorte neu, die die Lindenbrauerei<br />
Unna bis zu ihrer Einstellung 1979 hergestellt hat. Das Brauerei-Sterben<br />
war damals weit verbreitet. Auf dem Bier-Markt fand in den Siebzigerjahren<br />
eine Zentralisierung und Vereinheitlichung statt, mit der<br />
auch Dortmund seine Brauerei-Vielfalt und den Ruf als Hauptstadt des<br />
Bieres einbüßte. „Das Ruhrgebiet wurde zur Pils-Diaspora“, erinnert<br />
sich Gerd Ruhmann und meint damit, dass man in den meisten Kneipen<br />
bloß noch eine Sorte Pils bekam. Für den Gast stellte sich nur die<br />
Frage: Groß oder klein?<br />
70
Zuletzt war ein gegenläufiger Trend zu beobachten.<br />
Der hatte nur in Berlin, sondern auch im Ruhrgebiet<br />
in Orten wie dem Duisburger Finkenkrug<br />
manifestiert, wo man aus unzähligen Biersorten<br />
wählen kann, deren Brauer oft genüsslich mit dem<br />
Deutschen Reinheitsgebot brechen.<br />
„Craft Beer“, dieser englische Ausdruck hat sich als<br />
Oberbegriff für die unabhängigen Brauereien und<br />
oft handwerklich hergestellten Biere durchgesetzt.<br />
„Auch wir haben uns jetzt zu diesem Begriff durchgerungen,<br />
weil er das Bier und seinen Hintergrund<br />
einfach am besten beschreibt“, sagt dazu Oliver<br />
Mühlmann von der Dortmunder Bergmann-Brauerei.<br />
Auch er ist in die Trinkhalle an der gekommen,<br />
um über den Craft-Beer-Trend zu sprechen.<br />
Hier findet man Kühlschränke und Flaschenbier<br />
wie in einer der vielen traditionellen Trinkhallen<br />
des Ruhrgebiets. Der entscheidende Unterschied<br />
liegt in der Befüllung: belgische Trappisten-Biere,<br />
die Hopfen betonten Pale Ales oder India Pale Ales<br />
englischer und amerikanischer Prägung, cremige<br />
Stouts, malzige Lager, helle Weißbiere, Starkbiere<br />
aller Art. Wie vielfältig die Welt des Bieres sein<br />
kann, zeigen ganz in der Nähe die Aktivisten des<br />
Bochumer Sozialen Zentrums. Hier wird eine Gär-<br />
Kaffeegenuss<br />
aus DortmunD<br />
ffeegenuss aus Dortmund<br />
Die Traditionsmarke<br />
aus Dortmund<br />
www.schirmer-kaffee.de<br />
Schirmer Kaffee GmbH, Heßlingsweg 28, 44309 Dortmund<br />
71
Bar betrieben. „Wir haben schon vor zehn Jahren<br />
Partys geschmissen, auf denen es nicht nur ein Bier<br />
für die Gäste gab, sondern eine Dramaturgie mit<br />
fünf oder mehr Sorten“, erinnert sich Ralf Bindel.<br />
Er hat die Gär-Bar ins Leben gerufen, bei der regelmäßig<br />
Biere mit entsprechender Erklärung angeboten<br />
werden. „Ein paar Dauerbrenner sind immer<br />
dabei“, sagt der Genusstrinker, „wie das Rodenbach<br />
Grand Cru, ein dunkelrotes flämisches Ale, das<br />
Lambic oder das Atlantik Ale.“<br />
Welches Bier man mag, ist gerade zu Beginn der<br />
Entdeckungsreise durch die Craft-Beer-Vielfalt<br />
nur durch Probieren herauszukriegen. Damit die<br />
nicht wie ein undurchschaubarer Dschungel wirkt,<br />
versucht Trinkhallen-Thekenmann Thomas Maas<br />
gern zu beraten. Deshalb wird er hier von einigen<br />
„Bier-Sommelier“ genannt. „Man muss die Geschmacks-Profile<br />
der Biere kennen“, sagt er, „und<br />
sich vorsichtig an die Geschmacksvorlieben der<br />
Gäste herantasten.“ Oft haben die noch keine Worte<br />
für das, was sie mögen. Wenn sie sagen: „Ich<br />
mag es herb“, dann sind sie überrascht, wenn die<br />
Rückfrage kommt: „Sauer oder bitter?“.<br />
Oliver Mühlmann schenkt derweil eine Sorte seines<br />
Arbeitgebers aus, bei der sich diese Frage<br />
nicht stellt: Das Adambier ist eine Legende aus<br />
dem Mittelalter. Es hat eine dunkle Färbung und<br />
einen leicht süßlichen, malzbetonten, vollen und<br />
runden Geschmack. Mit 7,5 Prozent Alkohol und<br />
einer Stammwürze von 18 Grad Plato zählt es zu<br />
den Starkbieren – obwohl es nicht stark schmeckt,<br />
sondern süffig ist. „Wir profitieren vom Lokalkolorit<br />
und von der neuen Offenheit“, so erklärt sich Vertriebler<br />
Mühlmann den Erfolg des zurück gekehrten<br />
Bergmann Bieres. Mit Projekten wie diesem<br />
scheint das Ruhrgebiet auf einem guten Weg zu<br />
sein. Craft-Bier El Dorado USA: In der 140 000-Einwohner-Stadt<br />
Fort Collins in Colorado findet man<br />
17 Brauereien, die oft nur für die eigene Kneipe<br />
brauen – nicht eine Sorte, sondern über das Jahr<br />
verteilt zehn oder mehr. Weil der Trend zum handwerklich<br />
gebrauten Bier in den USA schon so lange<br />
so stark ist, hat Phil Pecek sich nächtelang durch<br />
amerikanische Internet-Foren gelesen, bevor er<br />
sein erstes Bier in der WG-Küche braute. „Mit Reinigung<br />
der Geräte dauert das neun Stunden, dann<br />
folgt der etwa zweiwöchige Gär-Prozess und dann<br />
geht es ab in die Flasche“, sagt er. Und weil seine<br />
Hybride - wie eine Mischung aus einem Weizenbier<br />
und einem belgischen Trappistenbier - im Freundes-<br />
und Bekanntenkreis so gut ankamen, ist Phil<br />
Pecek gerade auf dem Sprung vom Hobby- zum Semi-Profi-Craft-Beer-Brauer.<br />
Einer seiner Auftraggeber,<br />
der Bochumer Software-Entwickler GData, will<br />
ihm eine Brauerei im Unternehmenskeller einrichten,<br />
wo er für Mitarbeiterfeste brauen soll.<br />
72
DELIKATESSEN<br />
PHONE: 040/35 08 06 - 0<br />
FAX: 040/35 08 06 - 10<br />
WWW.DELIKATESSEN-HAMBURG.COM<br />
FILE NAME: Hoevels_Logo_Hausbrauerei<br />
CLIENT: Radeberger Gruppe<br />
DATE: 11.01.2008<br />
COLOURS:<br />
Schwarz<br />
Rot<br />
Gold<br />
Speisen,Getränke,Genuss.<br />
HÖVELS Hausbrauerei<br />
Hoher Wall 5 – 7 · 44137 Dortmund · Telefon: (0231) 91 45 47 - 0 · www.hoevels-hausbrauerei.de<br />
73
BIER TRIFFT WESTFÄLISCHE<br />
KÜCHE IN DO-CITY<br />
Zum Bier passt die Westfälische Küche natürlich perfekt.<br />
Dafür gibt es ganz wunderbare Orte. Zwei davon finden<br />
sich in der Dortmunder City, beide zeichnet aus, dass es So wenig der gemeine Dortmunder Sachen<br />
ganz eigene Bierspezialitäten gibt. Im Hövels Brauhaus sagen würde wie „Kommt, lasst uns in der Signal<br />
Iduna Arena vergnüglich ein Fußballspiel<br />
gibt es das ganz eigene Brauhausgefühl, bei Wenkers am<br />
Markt gibt es viel Ruhrgebietskultur zwischen Bierkrug- betrachten“, so wenig wird er sprechen von<br />
und Trikotsammlung.<br />
„Wir sind übermorgen in Hövels Hausbrauerei<br />
mit den van der Zars aus den Niederlanden<br />
verabredet“. Nein, sagen wird jeder Dortmunder, ja jeder Ruhrgebietler:<br />
„Wir gehen mit unser‘n holländischen Kumpels ins Hövels“. Das macht<br />
man natürlich sehr gerne, denn hier am Wall in Theater- und Opern-Nähe<br />
wird eine Küche serviert, die es nicht mehr ganz selbstverständlich überall<br />
gibt. Betriebsleiter Manuel Chlinch und Florian Quenter kommt die schöne<br />
Aufgabe zu, eines der 40 besten deutschen Bierlokale (laut Feinschmecker<br />
von Winter 2015) kulinarisch zu bespielen. Darin sind sie ebenso einfallsreich<br />
wie souverän. Die Karte offeriert vom „Ruhrpott-Sushi“ (das ist<br />
Mett), über die Pfefferwurst Hansestadt und den Hoerder Burger bis hin<br />
zur Brauhaus-Pfanne (ja, das ist die mit der dicken, groben Hövels Bratwurst,<br />
Kölner Blutwurst, Spanferkelrollbraten gebratenem Fleischkäse,<br />
Fass-Sauerkraut, Röstkartoffeln und Hövels-Biersoße) alles was das Herz<br />
eines hungrigen Biertrinkers begehrt. Das Duo schreckt auch nicht vor Anleihen<br />
bei bayrischen Brauhaus-Klassikern zurück, behält aber dennoch<br />
stets das westfälische im Auge. Zum Klassiker hat es auch schon gereicht,<br />
ist doch „Die große, krosse“, die Schweinshaxe des Hauses, schon eine<br />
74
Manuel Chlinch und Florian Quenter<br />
Berühmtheit, die weithin empfohlen wird. Das Teil kommt<br />
mit frischem Fass-Sauerkraut, Kartoffelklößen und original<br />
Schwerter Hövels-Biersenf. Gelegentlich wird am Wall<br />
aber auch experimentiert: Bier und Schokolade treffen<br />
sich dabei, wenn in den kühleren Monaten die Biercreme<br />
Praline zu haben ist. Die halbrunde Schokoladenpraline<br />
birgt ein süßes und überraschendes Geheimnis in sich: Die<br />
Füllung besteht aus einer Trüffelmasse mit einer schmeckbaren<br />
Note Hövels Original. Eine gutbürgerliche Küche,<br />
die so gut und feierlich gamacht ist, dass sie dem Hausmann,<br />
der Hausfrau, der/die sich einer leichten, modernen<br />
Küche verschrieben haben, zu aufwändig erscheinen<br />
mag. Fleischverzichtern, Salatfreunden, Schnitzeljägern<br />
und Burgerbürgern hält die schön-aber nicht – zu-rustikale<br />
Restauration mit extraschönem Biergarten ebenfalls eine<br />
sauber und nicht zu breitbeinig aufgestellte Palette bereit.<br />
Kleine Grundlagen sind Bodenständigkeiten wie hausgemachter<br />
Obazda oder Pfefferwurst. Gedacht an kleine<br />
Menschen wird auch. Süße beklatschen „Annas Traum“<br />
von Himbeergrütze auf Vanille-Panna Cotta oder den Lady-Kracher<br />
aus marinierten Amaretto-Kirschen mit Mandel-Krokant,<br />
wieder – wie alle Desserts – mit Vanille-Panna<br />
Cotta (beide 5,50 Euro). Getrunken wird natürlich eine,<br />
zwei, drei . . . viele von den diversen Hövels-Bierkreationen.<br />
Das Haus zur ehrlichen Haut.<br />
Über die Einkaufsstraße kommt man in 15 Minuten vom<br />
Hövels zum Wenkers. Hier am Alten Markt genießt man –<br />
das sind Dortmunder jeden Alters, gerne Fußballfans, viele<br />
Grüppchen - das obergärig hausgebraute Wenkers Urtrüb<br />
oder eben die schnörkellose Küche des Hauses. Neben<br />
saisonalen Speisen und einem preiswerten, stets aktualisierten<br />
Mittagstisch wird hier sehr bodenständig und<br />
jederzeit auch westfälisch gebrutzelt. Herzhaftes für den<br />
kleinen Hunger zwischendurch kommt etwa in Form von<br />
Currywurst mit Pommes (immer wieder für einen guten<br />
Spruch gut ist die Speisekarte: „Ruhrpottgulasch“). Auch<br />
Schmalz mit Treberbrot oder Bratkartoffeln mit Spiegelei,<br />
Speck und Salat sind solch‘ Traditions-Snacks nach Art der<br />
Region. Gut gemacht, nicht teuer und sehr passend zum<br />
Bier. An BVB-Spieltagen auch mit Eventcharakter. Weitere<br />
regionale Gerichte wie Panhas, geschnetzelte Butterleber<br />
vom Schwein mit Bratkartoffeln, die riesige Bratwurstschnecke<br />
oder der würzige Hackbraten mit Wirsing<br />
und Speckkartoffeln sind auch auf der Karte zu finden.<br />
Aktuell dem Burger-Trend folgt<br />
man mit: „Bierkutscher Salzkuchen-Cheeseburger“.<br />
Das ist<br />
beeindruckend: 200 Gramm gegrilltes<br />
Beef in einem XXL-Kümmelsalzkuchen,<br />
belegt mit Schmorzwiebeln,<br />
Gewürzgurke,<br />
Jalapeños, Käse, Tomaten, knackigem<br />
Salat, Chili- und Knoblauchsauce.<br />
Die Adressen:<br />
www.hoevels-hausbrauerei.de,<br />
44137 Dortmund,<br />
Hoher Wall 5-7, 02 31. 91 45 470,<br />
So-Do 11-24, Fr & Sa 11-1 Uhr<br />
www.wenkers.de,<br />
44137 Dortmund,<br />
Betenstraße 1, 02 31. 52 75 48,<br />
So-Do 11-24 Uhr, Fr, Sa 11-1 Uhr.<br />
75
Bier Glossar<br />
ALKOHOL<br />
In der Regel versteht man darunter Äthylalkohol<br />
(Ethanol): C2H5OH. Normale Vollbiere<br />
weisen einen Alkoholgehalt von 4,5<br />
bis 5 Volumen-Prozent auf, Leichtbiere<br />
von 2,5 bis 3 Prozent, alkoholfreie Biere<br />
von maximal 0,5 Prozent. Bockbiere bringen<br />
es oft auf über 7 Prozent.<br />
ALKOHOLFREIE BIERE<br />
Der maximal zulässige Alkoholgehalt liegt<br />
bei 0,5 Vol.-Prozent, eine Größenordnung.<br />
Alkoholfreies Bier entsteht aus Vollbier,<br />
welches durch Alkoholentzug mittels Osmose,<br />
Dialyse, Vakuumdestillation oder<br />
Dünnschichtverdampfung behandelt. Es<br />
ist gut geeignet als Sportlergetränk.<br />
ALTBIER<br />
Obergärige Bierspezialität aus dem Raum<br />
Düsseldorf. Eingebraut wird es mit dunklen<br />
Gerstenmalzen, in der Regel stärker<br />
gehopft, vergoren mit speziellen obergärigen<br />
Hefestämmen.<br />
BIER<br />
Fertiges Bier besteht in erster Linie aus<br />
Wasser (880 bis 960 g/kg). Neben dem<br />
Alkohol enthält es Kohlenhydrate, Aminosäuren,<br />
Mineralstoffe (1100 bis 2100 mg/<br />
kg), Vitamine, organische Säuren, Ballaststoffe,<br />
phenolische Verbindungen und<br />
Hopfenbitterstoffe in größeren Mengen.<br />
Auf 40 g Alkohol pro Liter kommen 40 g<br />
nichtalkoholische Bestandteile pro Liter.<br />
BOCKBIER<br />
Bier mit einem Stammwürzegehalt von<br />
mindestens 16 Prozent. Der Alkoholgehalt<br />
liegt bei über 7 Vol.-Prozent.<br />
DOPPELBOCK<br />
Besonders starkes Starkbier mit mindestens<br />
18 Prozent Stammwürze und damit<br />
rund 8 Volumen-Prozent Alkohol.<br />
DÜNNBIER<br />
Vor allem in Kriegs- und Notzeiten hergestelltes<br />
Bier mit geringem Stammwürzeund<br />
Alkoholgehalt.<br />
DUNKLE BIERE<br />
Eingebraut unter Verwendung von Malzen<br />
mit dunklerer Farbe bzw. von Röstmalzextrakten.<br />
Zeichnen sich durch einen<br />
kernigeren, malzbetonteren Geschmack<br />
aus.<br />
EXPORT<br />
Exportbier liegt im Stammwürzegehalt<br />
über 12,5 Prozent und ist in der Regel weniger<br />
gehopft, also etwas milder und süßlicher<br />
im Trunk.<br />
HEFE<br />
Grundsätzlich unterscheidet man untergärige<br />
(Saccharomyces carlsbergensis)<br />
und obergärige Hefe (Saccharomyces cerevisiae).<br />
Die untergärige Hefe setzt sich<br />
am Ende der Gärung, die bei Temperaturen<br />
von bis zu 15 °C abläuft, am Boden ab,<br />
die obergärige steigt während der Gärung<br />
an die Oberfläche.<br />
HOPFEN<br />
eine Kletterpflanze aus der Familie der<br />
hanfartigen Gewächse. Für die Bierbereitung<br />
werden nur die weiblichen Hopfenpflanzen<br />
verwendet. Man unterscheidet<br />
in Aroma- und Bitterhopfen. Rund 150<br />
Einzelsubstanzen bringt der Hopfen ins<br />
Bier ein (ätherische Hopfenöle, Hopfenbitterstoffe,<br />
Hopfenaromasubstanzen).<br />
KELLERBIER<br />
Bierspezialität aus dem fränkischen Raum.<br />
Dabei handelt es sich um helle oder dunklere<br />
Märzenbiere.<br />
KRISTALLWEIZEN<br />
Blank filtriertes Weizenbier, früher: Champagner-Weizen.<br />
KÖLSCH<br />
Helles obergäriges Bier aus Gerstenmalz,<br />
das nur in und mit wenigen Ausnahmen<br />
um Köln herum gebraut werden darf, von<br />
Brauereien, die der Kölsch-Konvention<br />
angehören.<br />
LAGER<br />
Aus dem Englischen übernommener Begriff<br />
für helle untergärige Vollbiere.<br />
Leichtbier/Light-Bier: Biere mit einem um<br />
mindestens 40 Prozent geringeren Alkohol-<br />
und Kaloriengehalt.<br />
MÄRZEN<br />
Ein Exportbier, das früher, als es noch keine<br />
künstliche Kühlung gab, kurz vor Ende<br />
der Brauperiode im März stärker eingebraut<br />
wurde, um eine bessere Lagerfähigkeit<br />
und Haltbarkeit zu erzielen.<br />
MALZ<br />
Für die untergärigen Biere darf in Deutschland<br />
laut Reinheitsgebot nur Gerstenmalz<br />
verwendet werden.<br />
OBERGÄRIGE BIERE<br />
Zu den obergärigen Bieren, gebraut mit<br />
obergärigen Hefen (Saccharomyces cerevisiae),<br />
zählen die Weizenbiere, die Altund<br />
die Kölschbiere.<br />
PILS<br />
Helles, untergäriges Vollbier, stärker gehopft,<br />
mit betonter Bitterkeit. Das in<br />
Deutschland mit Abstand beliebteste Bier.<br />
PORTER<br />
Nahrhaftes, dunkles, obergäriges, stark<br />
gehopftes und stark eingebrautes Bier.<br />
Der Name leitet sich aus dem Englischen<br />
ab. Porters waren schwer schuftende Lastenträger,<br />
die dieses Bier bevorzugten.<br />
76
RAUCHBIER<br />
eine Spezialität aus Oberfranken. Dabei<br />
wird das Malz über offenem Buchenholzfeuer<br />
getrocknet. Dieses Rauchmalz gibt<br />
sein Raucharoma an das Bier ab.<br />
SCHANKBIER<br />
Bier mit einem Stammwürzegehalt von<br />
mindestens 7 Prozent und weniger als 11<br />
Prozent.<br />
SCHWARZBIER<br />
Sehr dunkles Bier mit ausgeprägtem Röstmalzcharakter,<br />
manchmal auch unter Verwendung<br />
von Zucker eingebraut.<br />
STARKBIER<br />
Biere mit einem Stammwürzegehalt von<br />
über 16 Prozent werden als Starkbier bezeichnet.<br />
STOUT<br />
Obergäriger, röstmalzorientierter Dunkelbiertyp<br />
aus Großbritannien.<br />
TRAPPISTENBIER<br />
Belgische Spezialität. Sie darf nur in besonderen<br />
Klosterbrauereien gebraut werden.<br />
Reift manchmal ähnlich wie Champagner<br />
in Flaschen.<br />
UNTERGÄRIGES BIER<br />
Mit untergäriger Hefe vergorene Biere<br />
wie z. B. Pils, Export, Märzen.<br />
WEIZENBIER ODER<br />
WEISSBIER<br />
Obergärige Biersorte, deren Malzanteil zu<br />
über 50 Prozent aus Weizenmalz bestehen<br />
muss. Meist auf der Flasche gereift,<br />
zeichnen sich diese Biere aus durch ein<br />
fruchtiges Aroma (Banane oder auch Pfirsich)<br />
aus.<br />
ZWICKELBIER<br />
In der Regel untergäriges Bier, das ohne<br />
Filtration direkt vom Lagertank auf die<br />
Flasche gezogen wird. Kräftiger und aromatischer<br />
als das filtrierte Pendant.<br />
77
Wein<br />
ein<br />
78
79
WEINHÄNDLER IM METROPOLENDICKICHT<br />
CHRISTOPH HEITKÄMPER<br />
Der Chef der WeinGalerie am Schloss wartet mit einer Magnum-Flasche eines berühmten Veroneser<br />
Weines auf den Bus. Ein Amarone della Valpolicella von der Tenuta Sant‘Antonio Selezione 2012.<br />
80
KARL RICHTER<br />
Wenn Not am Mann ist, hilft Karl Richter von der Weinzeche Bonifacius in Essen gerne. Etwa mit dem<br />
großen Saarwein „Rotschiefer 2014“ - Riesling Kabinett - vom Kult-Weingut Van Volxem.<br />
81
LILIAN FEUERSTEIN<br />
Bevor Frau Feuerstein im Parkhauszugang auf dem Bochumer Boulevard auf den roten<br />
Knopf drückt, soll es noch ein Probierschlückchen sein: Saga Pauillac, 2009, aus der Barons<br />
de Rothschild collection (Lafite). Boulevard - Bochum - Bordeaux, eine schöne Verbindung.<br />
82
MATTHIAS HILGERING<br />
Zum Jubiläum gab es einen eigenen Partnerwein von alten Freunden: Château Gros<br />
Caillou Grand Cru aus Saint-Èmilion. Der beeindruckt auch neben historischen Telekommunikations-Artefakten<br />
am lässigen Dortmunder Westenhellweg.<br />
83
INGE WISBAR-THIEL<br />
Die Campuslinie U35 ist Lebensader der Stadt Bochum. Puls und Takt. Gut für das Temperament ist<br />
auch der Champagner von Michel Gonet, den die Chefin der Weinhandlung „Der Franzose“ gern mag.<br />
84
ARND D. SCHULZ<br />
„Cigarettes and Beer“ werden besungen. Kein Problem für den Macher von Cabernet & Co im Dortmunder<br />
Kreuzviertel. Die Alternative: ein 2015 Lehmener Lay Riesling der Damen Materne & Schmitt.<br />
85
INGO PROFF<br />
Der Kiosk an der Gußstahlstraße in Bochum hat schon bessere Tage gesehen. Für solche taugt auch<br />
diese Magnum-Flasche Rotwein aus Ribera del Duero: Casa Rojo: Alexander vs The Ham Factory.<br />
86
ANITA & JÜRGEN GOLDBECK<br />
Anita und Jürgen Goldbeck betreiben die Sonnenblume in Recklinghausen.<br />
Nicht nur Fassade sind die Bio-Weine von Albet i Noya und von Marc Kreydenweiss.<br />
87
Es liest sich wie ein Avantgarde-Manifest:<br />
„Wir wollen ein Weine vor Freude ist ein<br />
zeitgemäßes Verständnis für Großprojekt der Agentur<br />
Go Between aus Bo-<br />
Wein! Wir wollen eine moderne<br />
Weinkultur! Es ist Zeit für eine chum. Ihre Idee war es<br />
schon 2013, den Wein im<br />
Revolution! Es ist Zeit für Freude!<br />
Weine vor Freude!“<br />
machen und vor allem an<br />
Ruhrgebiet populärer zu<br />
eine junge Zielgruppe anzuschließen.<br />
Abseits der etwas behäbigen Innenstadt-Weinfeste<br />
mit den immergleichen Händlern<br />
und der selig schunkelnden Kundschaft.<br />
Und so suchten sich die Macher spannende<br />
urbane Locations und Winzer, die sich nicht abschrecken<br />
lassen von aufgelassenem Mauerwerk<br />
und Street-Food-Verkostungen. Die Weinmesse<br />
„Weine vor Glück“ war erfunden. Angeschlossen<br />
an DJ-Kultur, Live-Musik und Event-Orte. Regelmäßig<br />
findet auch der Wine-Thursday statt: An<br />
den unterschiedlichsten Orten, mal in einer privaten<br />
WG, mal im Café „Villa Wahnsinn“ von<br />
„Baristoteles“ Simon Hass oder in der guten<br />
alten Rotunde. Mal ist dabei ein interessanter<br />
Winzer zu Gast, mal wird ein Weingut thematisiert,<br />
mal auch nur probiert. Meist wird dazu gemeinsam<br />
Suppe gekocht, es gibt ein paar leckere<br />
Häppchen und einige nette Menschen. Der Wine<br />
Thursday wird zum neuen Freitag! 2016 gelang<br />
es dem Festival und den Machern, eine neue Stufe<br />
zu erreichen. Es gab die Idee für eigene Weine:<br />
„Glück auf Küwee“ sollten sie heißen. Diese<br />
Weine zusammen mit den Partner-Winzern (Jürgen<br />
Graf, Christian Peth, Henrik Schweder und<br />
Daniel Schmitt) eigens zusammengestellt. Dabei<br />
sollte der Geschmack des Ruhrgebiets getroffen<br />
werden. Das gelang mit etwas höherem Restzuckeranteil<br />
im Wein, um den säureempfindlichen<br />
Gaumen des Ruhrgebietstrinkers nicht zu verschrecken.<br />
Finanziert wurde das Küwee-Projekt<br />
mit einer Crowfunding-Kampagne, die nur 48<br />
Stunden brauchte, um das Finanzierungsziel von<br />
3000 Euro zu erreichen. Und somit hatte der Pott<br />
eigene Weine: einen weißen, einen roten, einen<br />
Rosé und einen perlenden. Der Weißwein aus<br />
den Rebsorten Müller-Thurgau und Silvaner wurde<br />
von Jürgen Graf vom Weingut Graf von Weyher<br />
in der Pfalz kreiert, der Rosé aus Portugieser<br />
und Spätburgunder kam von Daniel Schmitt vom<br />
Weingut Schmitt in Rheinhessen, der Rotwein<br />
aus Portugieser und Spätburgunder stammt<br />
vom Weingut Peth-Wetz in Rheinhessen und<br />
der Secco aus Weißburgunder und Kerner trägt<br />
die Signatur des Winzers Henrik Schweder vom<br />
Weingut Schweder in der Pfalz. Sie wurden gut<br />
aufgenommen und tragen die neue Weinbegeisterung<br />
rund um Bermudadreieck und Ruhr-Uni<br />
weiter. Wird Bochum noch zu einer Weinstadt?<br />
88
Ungewöhnliche Räume gehören zum Konzept.<br />
Der alte Katholikentagsbahnhof.<br />
Oliver Sopalla, links mit Glas und Sonnenbrille,<br />
erlätert vor der Rotunde seine Idee.<br />
Das Agentur-Team freut sich über<br />
die gelungen Weinkreation. Prost.<br />
89
„ICH WÜRDE NIE EINEN<br />
SOMMELIER EINSTELLEN“<br />
Die Weinbar Emma 2 in<br />
Essen-Rüttenscheid hat<br />
931 Weine im Angebot.<br />
Stand Spätsommer 2016.<br />
Dazu serviert Inhaber<br />
Rainer Podzuck Köstlichkeiten<br />
aus der kalten Küche<br />
– von bretonischen<br />
Sardinen bis zu Tiroler<br />
Bergkäse. Jedes Detail im<br />
Lokal ist handverlesen.<br />
Von Fachvorträgen über<br />
Wein hält Podzuck allerdings<br />
nichts.<br />
Emma 2 in Rüttenscheid<br />
ist ein Ort<br />
der Details. Man<br />
muss Inhaber Rainer<br />
Podzuck nur<br />
ein Stichwort geben,<br />
dann sprudelt<br />
es aus ihm heraus.<br />
Die lange Tafel im<br />
Thekenraum? Ist<br />
eine hundert Jahre<br />
alte Werkbank aus<br />
London und betont<br />
den geselligen<br />
Charakter der Weinbar. Hier sitzen auch Gäste<br />
zusammen, die sich nicht kennen. Die mächtige<br />
Fleischschneidemaschine auf der Theke?<br />
Funktioniert rein mechanisch, ein Motor würde<br />
den Geschmack der Lebensmittel verändern.<br />
Die Küche? Podzuck serviert ausschließlich<br />
kalte Speisen zum Wein und lässt sich von<br />
kleinen europäischen Erzeugern beliefern. Besonderes<br />
Fleisch und Käse kann er oft nur in<br />
kleinen Mengen erwerben.<br />
Die Hauptsache jedoch ist und bleibt der Wein.<br />
Podzuck bestellt bei Winzern in Deutschland,<br />
Österreich, Italien und Frankreich – oder bringt<br />
Neuentdeckungen von Reisen mit. Ein Glas<br />
Wein bei Emma 2 kostet zwischen fünf und 60<br />
Euro. Wer eine Flasche kaufen und zu Hause<br />
genießen will, findet im Laden Angebote für<br />
zehn, 70 und 150 Euro.<br />
Obwohl Rainer Podzuck in seinem Lokal an<br />
der Emmastraße 2 eine Vielzahl feiner Tropfen<br />
anbietet – auch solche, die im weiten Umkreis<br />
sonst nirgendwo zu haben sind – hält er nichts<br />
von Fachvorträgen: „Ich würde nie einen Sommelier<br />
einstellen!“ Da hätte er Bedenken,<br />
meint er, dass zugunsten einiger Lieblingswinzer<br />
die Neugier zu kurz komme. Außerdem<br />
solle der Weingenuss nie belehrenden Charakter<br />
annehmen. Mit seiner einzigen Mitarbeiterin,<br />
der Weinberaterin Bettina Hess, hat er<br />
eine Expertin gefunden, die sich hervorragend<br />
auskennt und sich gemeinsam mit den Gästen<br />
gerne an den passenden Wein herantastet.<br />
„Wenn Kunden sagen, was sie suchen, ist das<br />
häufigste Wort ‚lecker‘!“, lacht Hess. Und das<br />
sei auch völlig in Ordnung.<br />
Weinbar<br />
Emma 2<br />
von Inga Pöting (Text und Fotos)<br />
90
91
Nahe der Rü, aber nicht mitten darauf<br />
Als Podzuck sein Lokal 2013 eröffnete,<br />
wollte er etwas erfinden, „was es so noch<br />
nicht gibt“. Die große Zahl verschiedener<br />
Weine, dazu die ausschließlich kalten<br />
Speisen – beides war neu in Rüttenscheid.<br />
Begonnen hat Podzuck mit 800<br />
verschiedenen Weinen, inzwischen sind<br />
es genau 931. Gut 200 sind im Lokal zu<br />
haben, 70 bis 80 davon offen. Die restlichen<br />
warten in einem nahegelegenen Lager.<br />
In manchen Fällen wird es noch fünf<br />
oder mehr Jahre dauern, bis Podzuck den<br />
Korken zieht. „Das Geschmackspotenzial<br />
braucht manchmal eben länger. Das Gastronomen<br />
Weine so lange liegen lassen,<br />
ist aber selten geworden.“<br />
Mit seinem ersten eigenen Lokal machte<br />
Podzuck ein Hobby zum Beruf, denn<br />
er besaß bereits eine umfangreiche Privatsammlung<br />
besonderer Weine. Nach<br />
jahrelanger Berufstätigkeit als internationaler<br />
Vertriebler für ein großes Unternehmen<br />
für Haarpflegeprodukte mochte<br />
er sich noch nicht zur Ruhe setzen. „Ich<br />
wollte nicht einfach ins Nichts fallen...<br />
oder am Ende ins Golf spielen!“, erklärt<br />
der Wahl-Essener mit einem Grinsen. Die<br />
Arbeit im Emma 2 sei beinahe ein Vollzeit-Job,<br />
komme ihm nach Jahren mit Geschäften<br />
in ganz Europa aber eher vor wie<br />
eine Halbtagsstelle.<br />
Alle Ideen erfüllt<br />
Das Ladenlokal an der Emmastraße bekam<br />
Podzuck durch einen guten Zufall.<br />
Früher beherbergten die Räume ein<br />
Schneiderstübchen. Podzuck renovierte<br />
fast zwei Jahre in Eigenregie, bis er alles<br />
perfekt fand. Optimal sei auch die Lage:<br />
Nah an der Rü, aber nicht mitten darauf.<br />
Im vorderen Raum von Emma 2 ist zwischen<br />
Theke und Weinregal Platz für zehn<br />
Personen. Ein zweiter Raum mit kleinen<br />
Tischen dagegen hat „loungigen Charakter“.<br />
Nach hinten raus warten weitere<br />
Tische in einem kleinen Innenhof. Bei<br />
warmem Wetter sitzt man hier zwischen<br />
heller Hauswand und grünen Büschen.<br />
Bei der gesamten Einrichtung stellte sich<br />
Podzuck viele Detailfragen. Wie muss sich<br />
die Spülmaschine öffnen, damit das Geschirr<br />
auf den Regalen nicht beschlägt?<br />
Wie groß dürfen die Teller sein, damit sie<br />
perfekt auf die Tische passen? Wie müssen<br />
Möbel, Küche und Weine gewählt<br />
sein, damit ein Besuch bei Emma 2 Erlebnischarakter<br />
gewinnt?<br />
Podzuck tüftelte, probierte aus, was bei<br />
den Gästen gut ankommt – und leistete<br />
in manchen Punkten auch Überzeugungsarbeit.<br />
Immer mal wieder erklären<br />
muss er zum Beispiel, dass auch mit Geld<br />
nicht alles möglich ist. Podzuck arbeitet<br />
mit vielen kleinen Metzgereien und Bergbauern<br />
aus Süddeutschland, Frankreich<br />
und Italien zusammen, deren Erzeugnisse<br />
begrenzt sind. Diese „authentischen<br />
Produkte“ aus traditioneller Herstellung<br />
entstehen abhängig von Region und Jahreszeit.<br />
Das ist für Podzuck der Inbegriff<br />
von „Slow Food“: „Wer die Lebensmittel<br />
macht, der verteilt sie auch zu seinen<br />
Bedingungen. Da geht es um Qualität, es<br />
gibt praktisch keine Rabatte. Das ergibt<br />
dann eben auch ein anderes Preisgefüge.“<br />
Eine besondere Tomatensorte etwa<br />
bekommt Podzuck von einer kleinen italienischen<br />
Farm, die drei Frauen betreiben,<br />
nur ein einziges Mal im Jahr. Die in<br />
Wasser und Öl eingelegten Tomaten sind<br />
besonders geschmacksintensiv. „Wenn<br />
die alle sind, sind sie alle.“<br />
Podzucks Plan ist aufgegangen, die Gäste<br />
wissen sein Konzept zu schätzen. Nur<br />
dreieinhalb Jahre nach der Eröffnung hat<br />
Podzuck sich „alle Ideen erfüllt“. Ganz<br />
oben, das sagt er immer wieder, stehe<br />
der Anspruch, dass man sich bei Emma<br />
2 wohlfühlt. Neue Gäste werden persönlich<br />
begrüßt und verabschieden sich nicht<br />
selten mit Handschlag. Wer nicht genau<br />
weiß, was er will, gibt ein Budget vor und<br />
lässt sich überraschen.<br />
Eine typische kulinarische Dramaturgie<br />
bei Emma 2 könnte etwa so aussehen:<br />
Der Abend beginnt mit Fisch, beispielsweise<br />
mit Jahrgangssardinen aus der Bretagne,<br />
serviert mit Brot und Butter. Als<br />
zweite Speise könnte dünn geschnittene<br />
Bresaola mit Olivenöl und Parmesan,<br />
als dritte individuell zubereitetes kaltes<br />
Schweinefleisch folgen. Eine Spezialität<br />
ist hier „Tonno in Chianti“ – das ist Fleisch,<br />
92
das in Geschmack und Optik an Thunfisch<br />
erinnert. Zum Abschluss süße Apfeltörtchen<br />
oder etwas Schokoladiges.<br />
Mit jeder Speise wechseln auf Wunsch<br />
die passenden Weine. Auch gibt es täglich<br />
zehn bis zwölf Käsesorten zur Auswahl.<br />
Wein aus dem Hause Einaudi<br />
Wer am Wochenende ohne Reservierung<br />
kommt, muss sich unter Umständen<br />
in eine Tischgemeinschaft integrieren.<br />
Das würden die meisten Gäste<br />
gerne mitspielen, erklärt Podzuck – denn<br />
bei Emma 2 hat man Lust auf Gemeinschaft.<br />
Wem das nicht gefällt, der ist im<br />
Weinlokal womöglich falsch. „Es kommt<br />
selten vor, aber manchmal beißen Leute<br />
sich an ihren Wünschen fest. Dann sage<br />
ich auch schon mal: Hör zu, das wird hier<br />
kein schöner Abend für dich.“<br />
Im Großen und Ganzen, sagt Podzuck,<br />
sei Emma 2 das Ergebnis guter Zufälle.<br />
Auch, dass die Weinauswahl immer<br />
noch weiter wachse, ergebe sich eher<br />
von selbst. Ein Neuzugang im Sortiment<br />
ist beispielsweise ein italienischer Wein,<br />
den der Neffe des Pianisten Ludovico Einaudi<br />
in Italien anbaut. Ein Anruf beim<br />
Winzer führte zunächst zu nichts: „Es<br />
hieß, man liefere nicht.“ Doch damit gab<br />
sich Podzuck nicht zufrieden. Er kaufte<br />
Karten für ein Einaudi-Konzert in der<br />
Essener Philharmonie, ging mit seiner<br />
Frau hin und brachte einen Wein als Geschenk<br />
mit. Eine kleine Audienz beim<br />
Künstler, und schon war der Fall geregelt<br />
– der Wein aus dem Hause Einaudi steht<br />
jetzt bei Emma 2 im Regal.<br />
Bei 931 verschiedenen Weinen habe er<br />
zwar manchmal Ehrgeiz, die Tausendergrenze<br />
zu knacken, gibt Podzuck zu. Aber<br />
genauso schnell rudert er zurück und<br />
gibt sich bescheiden: „Emma 2 will einfach<br />
‘ne schöne Weinbude sein!“ Dass<br />
das funktioniert, zeigen neuerdings auch<br />
zwei Auszeichnungen: Jüngst wurde das<br />
Lokal zu einem der offiziellen „Gerolsteiner<br />
WeinPlaces“ ernannt. Diesen Titel<br />
verleiht der Mineralwasser-Hersteller an<br />
„gastronomische Orte in Deutschland,<br />
an denen Wein als Ausdruck eines Lebensgefühls<br />
im Mittelpunkt steht“. Parallel<br />
nahm das Gourmet-Magazin „Der<br />
Feinschmecker“ Emma 2 in seine Top<br />
40 der besten Weinbars in Deutschland<br />
auf. Darüber freut sich Podzuck, aber er<br />
bleibt auch gelassen: „Ich wünsche mir,<br />
dass es den Laden in 40 oder 50 Jahren<br />
noch genau so gibt – und sich hier nicht<br />
viel verändert.“<br />
93
UNSERE WEINHÄNDLER<br />
Sie verkaufen Wein im Ruhrgebiet. Genusshändler. Mal mit mehr, mal mit weniger<br />
Tradition, aber alle mit Engagement und Begeisterung für den Trinkgenuss.<br />
Die Weinhändler der Fotostrecke und ihre Läden im Kurzporträt.<br />
Feines bei Feuerstein<br />
Die Schützenbahn zählt immer noch zu den besseren Adressen des<br />
Bochumer Einzelhandels. Dass die größte Fensterfront hier einem<br />
Feinkostladenlokal gehört stimmt positiv. Hier verkauft Lilian Feuerstein<br />
Feinkost aller Art, ein fantastisches Reservoir an Präsenten<br />
und Prestige-Lebensmitteln. Kakaoleckereien zwischen Pharisäer<br />
Trüffel und Himalaya-Salz-Schoki, eine kleine, doch bestens bestückte<br />
Theke mit Wurst-, Schinken- und Käsespezialitäten aus<br />
ganz Europa, viele abzufüllende Öle und Essige, tollste Konserven<br />
und angesagte Spirituosen – vor allem eine erlesene Auswahl von<br />
Destillaten aus Britannien ist hier zu finden - haben hier auch ein<br />
temporäres Zuhause. Die Gewürze von Ingo Holland sind in großer<br />
Sortimentsbreite vorhanden, wunderbare Schokoladen genauso. Die<br />
Weinauswahl ist exquisit, bereit liegen immer auch ein paar „große“<br />
Franzosen, ansonsten verlässt man sich hier auf den eigenen<br />
guten Geschmack, für den die Kundschaft schon seit Jahren weite<br />
Wege auf sich nimmt. Im Geschäft finden sehr regelmäßig beliebte<br />
Degustationen statt, Themen sind Whisky, Gin und Rum, natürlich<br />
stets auf Basis des dahingehend ausgesprochen breiten Sortiments.<br />
www.feinesbeifeuerstein.de,<br />
44787 Bochum-City.<br />
Schützenbahn 11-13, 02 34.6 40 81 62,<br />
Mo-Fr 10-19, Sa10-18 Uhr<br />
Sonnenblume<br />
Anita und Jürgen Goldbeck haben mit ihrem<br />
Bio-Laden seit 1978 weithin Pionierarbeit geleistet.<br />
Seit 2012 ist wieder Pionierarbeit angesagt,<br />
denn nach dem Abbrennen des alten Geschäfts<br />
und der Wiederaufnahme des Betriebes mit viel<br />
mehr Platz ist eine reine Bio-Winzerei dazu gekommen.<br />
Ausschließlich Bio-Weine führen die<br />
Goldbecks auf 160 Quadratmetern, 400 Weine<br />
finden Platz. Die in dieser Nische unglaubliche<br />
Sortimentstiefe wird durch Edelspirituosen und<br />
Feinkost ergänzt. Zu den ausgewählten Winzern<br />
gehören das Weingut Gebrüder Dr. Becker, Alfons<br />
Stoffels von der Mosel, Albet y Noya aus Spanien<br />
oder der Weltklasse-Mann Marc Kreydenweiss<br />
aus dem Elsass. Die wunderbare Bio-Vinothek ist<br />
wuselig und vollgestellt, doch altes Mobiliar und<br />
hübsch aufbereitete Produktinformationen sorgen<br />
für ein Wohlfühlambiente. Besser wird das noch<br />
bei den Veranstaltungen, bei denen sich etwa<br />
Bio-Winzer vorstellen, oder auch ganze Regionen.<br />
Dazu gibt es Häppchen. Pionierarbeit zum Genießen.<br />
Bioladen & BioWinzerWeine,<br />
45665 Recklinghausen, Dortmunder Straße 1,<br />
0 23 61. 1 39 27,<br />
94
Ausgabe Februar 2006<br />
Meyerhof<br />
www.meyerhof.de,<br />
44787 Bochum-City, Westring 33,<br />
02 34. 96 12 10,<br />
Mo-Fr 10-19, Sa 10-16 Uhr<br />
1908 – Wie sah es da in Bochum aus? Sicher ist, dass damals die Tradition des Weinhauses<br />
Meyerhof begann, das heute in vierter Generation von Ingo Proff betrieben wird.<br />
Direkt am Ring in Rathausnähe findet sich ein überwältigend sortiertes Angebot von Weinen,<br />
Whisky, Champagner und Spirituosen. Der interessierte Weinfreund kann hier alles<br />
finden: frisch angesagte und altbewährte prominente Provenienzen in so ziemlich allen<br />
Preislagen. Internationalität, Klasse und eine eigene Handschrift bei der Auswahl gehören<br />
einfach zusammen, in einer Art und Weise, die typisch ist für ein seit mehreren Generationen<br />
arbeitendes Familienunternehmen. Und Meyerhof hat etwas sehr besonderes auf<br />
Lager: Bochumer Spirituosen und Liköre: Vom Kräuterlikör „Bergmanns Heil“ über den<br />
Rotwein „Pott Pourri“, vom Likörchen „Bochumer Parkgeflüster“ über den Alten Williams<br />
„Bochumer Kumpel“ bis zum wenig wässrigen Obstler „Ruhr Wasser“. Tolle Etiketten veredeln<br />
diese feinen Geschenkideen. Fantastische Flaschen als engagierte Hommage an die<br />
Bochumer Geschichte.<br />
Falls Empfänger verzogen, nachsenden.<br />
Anschriftenberechtigungskarte mit neuer Anschrift.<br />
WeinGalerie<br />
Falls unzustellbar, zurück an:<br />
am Schloss, 45134 Essen, Renteilichtung 2<br />
Ausgabe Februar 2006<br />
Klassiker und Entdeckungen<br />
aus den besten<br />
Weingärten der Welt<br />
Persönliche Beratung<br />
und Verkostung<br />
Weinmessen<br />
Eventlocation<br />
Präsent-Service<br />
WeinGalerie<br />
Renteilichtung 2 · 45134 Essen · Telefon: 02 01 - 4 30 88 20<br />
E-Mail: info@weingalerie-essen.de · www.weingalerie.de<br />
Öffnungszeiten: Mo – Do 14 – 19 Uhr · Fr 12 – 19 Uhr · Sa 10 – 15 Uhr<br />
95
Der Franzose<br />
Ein Stück frankophiler Lebensart in Bochum. Gelernt<br />
hat Madame la Patronne, Inge Wisbar-Thiel, eigentlich<br />
die Wissenschaft von der Literatur. Dass sie immer<br />
noch ein Herz für Texte hat, beweisen regelmäßige Lese-Abende<br />
- etwa mit Thomas „Cash“ Anzenhofer - im<br />
Ladenlokal in Weitmar, die Literatur verbinden mit dem<br />
geistigen Rebengetränk, das hier schon seit 1995 im<br />
Mittelpunkt steht. Eventcharakter haben genauso die<br />
Austern-Verkostungen, Champagner-Tastings und die<br />
Winzer-Abende, die regelmäßig viele Interessenten ziehen.<br />
Am Anfang – schon damals dabei übrigens: Mitarbeiter<br />
Heinrich „der Urfranzose“ Holtgreve – stand<br />
dabei vor allem das von Wisbar-Thiel ausgiebig bereiste<br />
und erlebte Weinland Frankreich im Mittelpunkt, doch<br />
über die Jahre nahm das freundlich-charismatische<br />
Team auch Tropfen ins Sortiment auf, die abseits der<br />
Grande Nation produziert worden waren. Nichtsdestotrotz<br />
bleibt „Der Franzose“ immer noch der beste Ort,<br />
um französische Terroirweine der Extraklasse zu erwerben.<br />
Auch stets ansehenswert: die individuell und<br />
kenntnisreich zusammengestellten Präsentboxen.<br />
www.derfranzose.com, 44799 Bochum,<br />
Wiemelhauser Str. 214 / Ecke Wasserstraße,<br />
02 34. 33 66 83,<br />
Mo, Di 15-19, Mi-Fr- 12-19, Sa 10-15 Uhr<br />
Cabernet & Co<br />
Im Kreuzviertel ist Arnd D. Schulz eine echte Instanz für tolle Weine. Gegenüber seines<br />
Ladens residiert das typische Szenecafé „Kieztörtchen“, Parkplätze sind ein rares Gut, die<br />
Gegend ist halt beliebt. Hier steht der Wein auf einer Stufe mit dem Bier, das ist für die Menschen<br />
hier keine Grundsatzentscheidung. Entsprechend lässig und unkompliziert kommt<br />
Schulz‘ Laden daher. Er mag regional-typische Weine besonders, weshalb er größtenteils<br />
direkt bezieht, mit Vorliebe von kleinen Betrieben, die er lange kennt. Auf Lager sind 300-<br />
350 Posten, davon knapp die Hälfte aus Deutschland, die andere aus ganz Europa. Zu<br />
seinen regelmäßigen Winzerabenden kommt viel Publikum, auch ein Gutteil jüngeres, was<br />
ein gutes Zeichen und nicht selbstverständlich ist. Sie finden im netten Ladenlokal statt,<br />
das in den 50ern schon mal Pizzeria, dann Kneipe war. Feinkost rundet das Sortiment ab,<br />
tolle Brände, wie etwa die Williams Christ Birne von Hubertus Vallendar mit den Früchten<br />
aus dem französischen Rhônetal, sowie Prosecco und Port runden das Angebot ab.<br />
www.cabernet-und-co.de<br />
44139 Dortmund-Kreuzviertel, Essener Straße 13,<br />
02 31.1 20 64 20, Mo-Fr 11-20,Sa 10-16 Uhr<br />
Weinhaus Hilgering<br />
Es wurde ausgiebig gefeiert in 2016: 125 Jahre alt ist das älteste Weinhaus der Stadt,<br />
das derzeit von Matthias Hilgering in der vierten Generation geleitet wird. Über 750 verschiedene<br />
Weine aus allen Anbaugebieten Europas, Champagner, Prosecco und Sekte<br />
finden sich neben feinem Hochprozentigem wie Grappa, Obstbränden, Kräuterlikören und<br />
allerhand lokalen Dortmunder Spezialitäten. Der Laden am Westenhellweg ist stets gut<br />
besucht, ein Einkaufs-Klassiker für Genießer. Zum Geburtstag entstanden tolle exklusive<br />
Jubiläums-Partnerweine mit langjährigen Winzerfreunden, die einmal mehr zeigen, wie gut<br />
Hilgering in der Welt der Weine vernetzt ist. Seit einigen Jahren ist vor allem der Whiskey ein<br />
wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Die Sammlung ist beachtlich, meist sind es schottische,<br />
darunter Raritäten von klingenden Namen wie Port Ellen, Ben Wyvis, Littlemill und Ardbeg.<br />
www.weinhaus-hilgering.de,<br />
44137 Dortmund-Innenstadt, Westenhellweg 114,<br />
02 31.14 90 27,<br />
Mo-Fr 10-19, Sa 10-17 Uhr<br />
96
WeinGalerie am Schloss<br />
Weinzeche<br />
Im Ruhrgebiet wird auf alten Zechen allerhand veranstaltet.<br />
Gerockt, getanzt, Theater gespielt, Kunst gezeigt, warum dann<br />
auch nicht mal was mit Wein? Die Turbinenhalle der Zeche Bonifacius<br />
in Essen-Kray beherbergt denn nun auch tatsächlich<br />
mehr als 1000 verschiedene Weine in Karl Richters Fachwelt.<br />
Richter legt besonderen Wert darauf, dass familienbetriebene<br />
Weingüter im Sortiment bevorzugt werden. Wer hier durch die<br />
Hochregale streift und die Augen offen hält, entdeckt immer<br />
wieder besonderes. Auch die Kisten und Schütten bergen tolle<br />
Überraschungen und feine Entdeckungen. Eine Location, die<br />
Supermarkt-Einfachheit mit Edel-Shopping gut verbindet. Ein<br />
modernes Einkaufs-Erlebnis. Weitere tolle Angebote finden sich<br />
stets zu den Themen Champagner, Feinkost und Spirituosen.<br />
Der Online-Shop gilt als absolut vorbildlich, genau wie die äußerst<br />
entspannte Parkplatzsituation.<br />
www.weinzeche.de,<br />
45309 Essen,<br />
Rotthauser Straße 44,<br />
02 01. 55 00 24,<br />
Mo-Fr 10-18 Uhr,<br />
Sa 10-15 Uhr<br />
www.weingalerie-essen.de, 45134 Essen, Renteilichtung 2,<br />
02 01. 4 30 88 20, Mo-Do 14-19, Fr 12-19 Uhr, Sa 10-14 Uhr<br />
Ein herrliches Ambiente neben dem Schloss<br />
Schellenberg. Umgeben von viel Grün verfügen<br />
die Macher Christoph Heitkämper und<br />
Dr. Johannes Brauckmann-Berger in Essen<br />
(wie gleichzeitig auch in Datteln) berühmte<br />
Weine aus den renommierten Weinregionen<br />
der Weinwelt und (noch) unbekannte große<br />
Gewächse aus Europa und der „Neuen Welt“.<br />
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr<br />
1995. Derzeit sind entsprechend gut 500 verschiedene<br />
Gewächse auf Lager im herrlichen<br />
hohen Raum. Ein stimmungsvoller Aufbewahrungsort.<br />
Gut besucht werden die Veranstaltungen<br />
im tollen Ambiente der ehemaligen<br />
Scheune des Schlosses. Außerordentlich<br />
beliebt etwa die Hausmessen im Frühjahr<br />
und Herbst, dann sind so tolle Erzeuger wie<br />
das Weingut Aldinger aus Württemberg, das<br />
Weingut Zilliken von der Mosel, Château Condamine<br />
Bertrand aus dem Languedoc, Langlois-Chateau<br />
von der Loire, Antica Masseria<br />
Jorche aus Apulien oder auch Bodegas Solabal<br />
aus der Rioja zu Besuch. Was für eine Freude.<br />
Unsere prämierten Spezialitäten,<br />
frisch vom Fass<br />
Jetzt 2x in<br />
Bochum!<br />
Bochum Ruhr Park<br />
Am Einkaufszentrum<br />
0234 - 61 06 59 96<br />
Bochum-City<br />
Hellweg 4<br />
0234 - 89 36 13 80<br />
So sehen Sieger aus!<br />
Unsere ausgezeichneten Spezialitäten!<br />
Amrita. Indian Single Malt Whisky, Maracuja Balsam-Essig, Blended<br />
Malt Scotch Whisky „Cragabus“, Honig Balsam-Essig, Highland Blended<br />
Malt Scotch Whisky, 8 Jahre,„The Great Glen“, Maletti Bianco,<br />
Weinbergspfirsichlikör, Caipirinha-Limettenlikör, Apfel Balsam-Essig,<br />
Irish Malt Likör, Wildmango Balsam-Star, Swiss Highland Single Malt<br />
Whisky „Classic“, Heidelbeer Balsam-Star, Irish Single Malt Moonshine<br />
97
Spiri<br />
Spirituosen<br />
98
tuosen<br />
99
Habbels Highlands<br />
im südlichen Ruhrgebiet<br />
von Max Florian Kühlem<br />
100
Im Schatten von drei Autobahnen und<br />
hinter einem tristen Industriegebiet<br />
liegen die Highlands des südlichen<br />
Ruhrgebiets: Hier in Sprockhövel, an<br />
einer kleinen Straße, die mehr einem<br />
Waldweg gleicht, hat die Destillerie<br />
und Brennerei Heinrich Habbel ihren<br />
Sitz. Seit 1878 ist das schmucke Gebäudeensemble<br />
mit Backstein-Schornstein<br />
in Familienbesitz. In seinem Angebot<br />
Die ehemalige Kornbrennerei mit<br />
findet sich nicht nur der älteste angeschlossener Landwirtschaft,<br />
deutsche Whisky (der tatsächlich mit<br />
„Uralter Whisky“ etikettiert ist), sondern<br />
auch einer der besten aktuellen<br />
Single Malts aus deutschen Landen:<br />
„Hillock 6½ / 14“.<br />
die heute die größte Obstbrennerei<br />
in der Region ist, ist mit ihren Whiskys<br />
nicht bloß auf einen aktuellen<br />
Trend aufgesprungen. Hinter dem<br />
Geschäft, das heute zusammen mit<br />
dem Verkauf von Whisky-Likören<br />
maximal 18 bis 20 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht,<br />
steckt echte Leidenschaft.<br />
„Es muss in den 1970er-Jahren gewesen sein, als mir<br />
ein schottischer Single Malt in die Hände fiel“, erinnert<br />
sich Inhaber Michael Habbel, der die Brennerei in den<br />
1960er-Jahren von seinem Vater erbte. Damals habe<br />
man, wenn überhaupt, nur Blended Whisky aus Schottland<br />
getrunken – Shivas Regal oder Dimples zum Beispiel.<br />
Dem Korn-Brenner wurde allerdings ein Tormore<br />
angeboten: Er hatte die klassische goldene Färbung, die<br />
die Lagerung im Holzfass mit sich bringt – und er war<br />
trüb. „Wer füllt denn so was ab?“, fragte sich Michael<br />
Habbel. Geschmacklich war er dann allerdings sofort<br />
überzeugt: So was wollte er auch haben.<br />
Das Branntwein-Monopolgesetz erlaubte es ihm damals<br />
allerdings nicht, einen Schnaps ohne hohen heimischen<br />
Korn-Anteil zu brennen. Sein „Uralter Whisky“<br />
von 1977 ist deshalb ein Rye mit 85-prozentigem Anteil<br />
von entweder Roggen oder Weizen. Die restlichen 15<br />
Prozent macht die für schottischen Whisky typische gemälzte<br />
Gerste aus. Trotzdem schmeckt der Uralte, der<br />
bis zu 14 Jahre im Holzfass lagerte, schon ganz hervorragend,<br />
erinnert an guten amerikanischen Bourbon und<br />
sticht aus der Masse der deutschen Whiskys eindeutig<br />
hervor.<br />
Vor 14 Jahren, noch vor der Aussetzung des Branntweinmonopolgesetzes<br />
für kleine Brennereien im Jahr<br />
2010, entdeckte die Familienbrennerei Habbel ein<br />
Schlupfloch für die „echte“ Whisky-Produktion: Die<br />
Brennerei im Freilichtmuseum Hagen war nicht an die<br />
üblichen Vorschriften gebunden. Dort destillierte Mi-<br />
101
Fast wie ein historisches Getränkemuseum mutet das<br />
Foyer des Shops bei Habbels an. Unten kauft man ein.<br />
chael Habbel einen Single Malt, den er heute mit dem sechseinhalbjährigen<br />
verschneidet und als „Hillock 6½ / 14“ verkauft.<br />
Gereift sind die Destillate in Ex-Bourbon-, Ex-Islay- und Ex-Cognac-Fässern.<br />
Die Geschmacksvielfalt, die das mit sich bringt,<br />
fügt sich sehr harmonisch zu einem Ganzen. Besonders auffällig:<br />
Die feine Rauchnote, die man in deutschen Whiskys sonst eher<br />
selten findet. Sie ist fein ausbalanciert mit den süßen Aromen.<br />
Die Rauchnote hat mit einem neuen Gesicht im Familienunternehmen<br />
zu tun: Michaela Habbel, die Tochter des Inhabers, ist<br />
seit 2011 an Bord. Der heutige Vertriebsleiter hat sie schon als<br />
Baby auf dem Arm durch den Betrieb getragen. „Und ich habe<br />
schon mit sechs Jahren gesagt, dass ich die Brennerei irgendwann<br />
übernehmen will“, erzählt sie. Damals durfte sie einen<br />
eigenen Tannenzapfen-Brand aufsetzen – am fertigen Produkt<br />
aber natürlich nur riechen. Im Laufe der Jahre änderten sich<br />
ihre Pläne jedoch: Michaela Habbel studierte erst Jura bis zum<br />
ersten Staatsexamen und machte dann einen Abschluss in Betriebswirtschaft.<br />
Die Entscheidung, im väterlichen Betrieb nicht nur anzufangen,<br />
sondern auch weiterzumachen, hat ihr die Whisky-Produktion<br />
enorm erleichtert: „Als ich eingestiegen bin, war ich zuerst auf<br />
der Messe InterWhisky in Frankfurt und merkte: Das ist ein Thema,<br />
das verbindet“, erinnert sie sich. Die Whisky-Produzenten<br />
und –Fans seien wie eine große Familie, die man immer wieder<br />
treffe, mit denen man abends beim Essen zusammensitze. „Das<br />
Thema ist ein Melting Pot“, sagt Michaela Habbel, „es interessiert<br />
die unterschiedlichsten Menschen von jung bis alt. Von<br />
Männern, die wie bunte Paradiesvögel rumlaufen, bis zu Zigarre<br />
rauchenden Frauen.“<br />
Der Liebling der Vertreterin der vierten Generation Habbel ist<br />
ein Bowmore, also ein getorfter Islay-Malt. Um selbst weiter am<br />
feinen Gersten-Wasser des Lebens arbeiten zu können, bauten<br />
die Habbels 2013 eine weitere Brennerei im Hof der alten: Die<br />
Hillock Park Distillery, die nach einem Namen aus dem Familien-Stammbaum<br />
benannt ist, hat innovative Technik aufzubieten<br />
und eine prachtvolle Pot Still Destillierblase mit eigens<br />
dafür konzipiertem Schnelldampferzeuger. Michael Habbel hat<br />
die typische Helmform nach schottischem Vorbild gewählt. Die<br />
Füllmenge von 1500 Litern ist so dimensioniert, dass zugleich<br />
große Mengen bewältigt werden können, ohne dabei industriell<br />
zu werden.<br />
102
Utemporrum fugitae rrumet ipsapid moloria<br />
Das cum Team alignam, ist stolz quo auf mi, die technisch sequi consequae. hochwertigen Nam neuen<br />
Anlagen zur Whisky-Produktion.<br />
Der Hillock ist also ein klassisch handwerklicher Spirit<br />
– und im nächsten Jahr soll der erste aus der neuen<br />
Brennerei abgefüllt werden, ein vierjähriger Single<br />
Malt. Für die kommenden Jahre denkt Michaela<br />
Habbel über viele Spezial-Brände und -Abfüllungen<br />
nach. Whiskys auf der Basis von getorftem Malz oder<br />
Wiener Malz, zum Beispiel – oder eine Spezial-Abfüllung<br />
vom Tag der (partiellen) Sonnenfinsternis 2015.<br />
Die Familienunternehmerin hofft, dass das Thema<br />
deutscher Whisky auch durch ihre Produkte bald<br />
einen besseren Ruf bekommt und man es den Fachbesuchern<br />
auf Messen nicht mehr hinterher tragen<br />
muss. Um dieses Ziel zu verfolgen, hat sich auch der<br />
Verband deutscher Whisky-Brenner gegründet, dessen<br />
Vize-Präsidentin Michaela Habbel ist. „Wir wollen<br />
die Qualität verbessern und uns von schwarzen<br />
Schafen abgrenzen, die nur Fässer aus Schottland<br />
kaufen und dann als deutschen Whisky abfüllen“,<br />
sagt sie. Die Habbels – so viel ist sicher – gehören<br />
nicht dazu.<br />
Familienbande: Vater Michael und Tochter<br />
Michaela Habbel leben ihren Beruf.<br />
103
104
SCHNAPS BLEIBT SCHNAPS<br />
Zwischen Jagdstolz und Artilleriefeuer<br />
Greift der Deutsche im Getränkeregal zu<br />
Hochprozentigem, wählt er – statistisch<br />
gesehen – wahrscheinlich eine Flasche<br />
mit farbiger, meist bräunlicher Flüssigkeit:<br />
Die in Deutschland am häufigsten Seine Markt beherrschende<br />
konsumierte Spirituose ist und bleibt der Ausnahmestellung illustrieren<br />
die Namen jener zahl-<br />
Kräuterlikör. Und unter diesen wiederum<br />
konkurrenzlos: der Jägermeister.<br />
losen Imitate, die im Revier<br />
des Platzhirsches zu wildern<br />
versuchen: „Jagdstolz“, „Jagdtrost“, „Hubertus Tropen“<br />
– der würzig-süße Geschmack des Kräuterlikörs<br />
scheint in Supermärkten und Discountern unlöslich<br />
mit waidmännischem Vokabular verknüpft.<br />
Dass der Name des 1935 eingeführten Marktführers<br />
und sogar in den USA populären Exportschlagers<br />
auf „Reichsjägermeister“ Hermann Göring zurückgehen<br />
soll, hat dem Erfolg dabei zu keiner Zeit<br />
Abbruch getan.<br />
Die Vorherrschaft eines durch cleveres Marketing<br />
ans Volk gebrachten Likörschlagers bedeutet allerdings<br />
nicht, es herrsche eine gleichgeschaltete Monokultur<br />
in deutschen Schnapspinnchen. Das Gegenteil<br />
ist der Fall. Im Schatten des übermächtigen<br />
„Gehörnten“ hat sich vielmehr eine alkoholische<br />
Vielfalt entwickelt, die weltweit ihresgleichen sucht.<br />
Offenbar stimulieren allein die endlosen Variationsmöglichkeiten<br />
des heimischen Kräutervorkommens<br />
die Kreativität kleiner und kleinster Spirituosenproduzenten<br />
in allen Regionen Deutschlands. Zudem<br />
braucht es für die Likörherstellung keine Brennerei.<br />
Lediglich Alkohol und genügend (Invert-)Zucker –<br />
denn letzterer muss im Likör per definitionem mit<br />
mindestens 100 g pro Liter vertreten sein.<br />
105
Kommt zum Likör nun noch das Lokalkolorit dazu, dann<br />
hat am Tresen die Globalisierung schnell das Nachsehen<br />
– und Jägermeister oder Ramazzotti (Nummer zwei<br />
beim Kräuterlikörumsatz) können nach Hause gehen. Mit<br />
anderen Worten: Wer etwa je in einer emsländischen<br />
Scheune mit den Einheimischen zechte, weiß: Wenn’s gesellig<br />
zugeht, kommt hier „HKT“ ins Pinnchen – im weiten<br />
Kreis um Haselünne, dem Sitz der Kornbrennerei Heydt,<br />
schwört man auf deren „Herzhafte Kräutertropfen“. So<br />
hat jede Region sein Festtags-Elixier. Natürlich auch das<br />
Ruhrgebiet – hier jedoch präsentiert sich die lokale Spirituosensituation<br />
noch weit differenzierter.<br />
In der vermeintlichen „Metropole Ruhr“ pflegt man –<br />
genau wie in der Politik – auch in Spirituosenfragen das<br />
Kirchturmdenken. Hier hat nicht nur jede Stadt, sondern<br />
mitunter jeder Stadtteil sein eigenes Likörchen. Wer eintauchen<br />
möchte in diese vielfältige Welt, dem sei ein<br />
Besuch bei Banneke in Essen empfohlen. Der alteingesessene<br />
Fachhändler für Spirituosen und Weine (Eigenwerbung:<br />
„Feinkost flüssig“) hat neben einer großen<br />
Auswahl nationaler und internationaler Liköre (mit und<br />
ohne Kräuter) auch diverse lokale Spezialitäten im Angebot<br />
– natürlich nicht zuletzt aus Essen selbst. Und die<br />
Stadt, die sich namentlich doch scheint‘s der festen Nahrung<br />
verschrieben hat, ist ein perfektes Beispiel für Likör<br />
gewordene Verbundenheit zum eigenen Stadtteil. Denn<br />
wer würde in Essen-Steele wohl zum Borbecker Schlosstropfen<br />
greifen, den die Borbecker liebevoll „Kaseldrop“<br />
nennen, wo man mit dem „Steeler Krieger“ doch sein eigenes<br />
Traditionströpfchen hat. Die Tatsache, dass Letzterer<br />
längst nicht mehr in der einstigen Likörfabrik Bömer<br />
in Steele selbst, sondern in Goch produziert wird, vermag<br />
daran nichts zu ändern.<br />
Was bei keinem Steeler oder Borbecker Stadtteilfest fehlen<br />
darf und in ganz Essen zumindest ein Begriff ist, davon<br />
mag etwa in Bochum noch nie jemand gehört haben.<br />
„Wieso auch?“, sagt man sich dort bei Vorberg – schließlich<br />
versorgt man als traditionsreiche Spirituosen-Manufaktur<br />
die eigene Stadt doch selbst seit 1923 mit hochprozentigen<br />
Kräuterdestillaten. Und mag die Produktion<br />
zwischenzeitlich auch geruht haben – inzwischen gibt es<br />
ihn wieder, den „Alt Bochumer“, einen „Halbbitter nach<br />
(logisch) altem Rezept“. Wer es etwas milder mag, dem<br />
schenkt man bei Vorberg gern die „Langendreer Kaisertropfen“<br />
ein. Die haben mit 30% Alkohol 5% weniger als<br />
der „Alt Bochumer“, dafür aber fünf Kräuter mehr in der<br />
Rezeptur, nämlich 33. Hier kann sich der Konsument also<br />
entscheiden, worauf er den Schwerpunkt legen möchte.<br />
106
BRENNEREI EHRINGHAUSEN EST. 1962<br />
No fancy story, just good gin.<br />
www.Brennerei-Ehringhausen.de<br />
In Dortmund versorgt bereits seit über 150 Jahren die<br />
Brennerei und Likörfabrik Krämer die Bevölkerung mit<br />
Hochprozentigem – und noch heute wird in vierter Generation<br />
Dortmunder Korn gebrannt. Zum Kultgetränk<br />
hat es aber vor allem „August mit dem Schlips“ gebracht.<br />
Den herzhaften Magenlikör verkaufte Firmengründer August<br />
Krämer den Dortmundern einst als „Medizinal-Bitter“<br />
mit Rezeptfahne und der Aufschrift: „Alle zwei Stunden<br />
einen Esslöffel voll nehmen“. Die hochprozentige<br />
Medizin wurde zum Hit und ging, wegen des Rezepts am<br />
Flaschenhals, als „August mit dem Schlips“ in den Volksmund<br />
ein. Beliebt ist er bis heute – inzwischen trinkt man<br />
ihn allerdings nicht mehr wie Hustensaft, sondern auch<br />
schon mal als Longdrink auf Eis.<br />
Bis weit über die Grenzen Dortmunds hinaus hat es eine<br />
weitere Dortmunder Likörspezialität zu Popularität gebracht:<br />
„Bachmann“ entstammt der 1884 gegründeten<br />
Dortmunder Likörfabrik der Familie Hageböck und verdankt<br />
seinen Namen einem Dortmunder Ordnungshüter.<br />
Der Legende nach ließ sich jener Wachtmeister Bachmann<br />
vor über 100 Jahren in den Hageböck’schen Probierstuben<br />
eine besondere Mixtur zusammenstellen, die<br />
bald in Serie ging. Das Besondere an diesem Kräuterlikör<br />
ist seine Dosis Jamaika Rum und eine leichte Kaffeenote,<br />
die ihm trotz handfester 36 % Alkohol einen mildsüßen<br />
Charakter verleihen. Weshalb die Händlerschaft dem<br />
Bachmann im kaufmännischen Werbesprech völlig zu<br />
Recht eine „hohe spontane Geschmacks-Akzeptanz“ bescheinigt.<br />
Das wiederum kann man von einem sehr speziellen Likör<br />
aus Oberhausen so pauschal nicht unbedingt behaupten:<br />
Das „Artilleriefeuer“ der Firma Wollberg polarisiert gelegentlich<br />
mit seinem martialischen Namen und geht auch<br />
geschmacklich nicht gleich bei jedem so geschmeidig<br />
den Rachen runter wie Peter Alexander ins Ohr. Fruchtige<br />
Süße von Kirschen und die Schärfe von 40 % Alkohol<br />
treffen sich in dem roten Tropfen, der vor über 120<br />
Jahren in den „Chemischen Fabriken“ Krebber in Lirich<br />
erfunden worden sein soll. „Artilleriefeuer“ ist in der Likörlandschaft<br />
fraglos einzigartig und hat (nicht nur bei<br />
der Bundeswehr) zahlreiche Fans. Gleichwohl verhält es<br />
sich bei ihm und allen anderen erwähnten lokalen Likören<br />
genau wie mit der anderen großen Geschmacksfrage<br />
im Ruhrgebiet: Welche Stadt oder welcher Stadtteil den<br />
besten Likör zu bieten hat, wird so ungeklärt bleiben, wie<br />
die Frage, wo es die beste Currywurst gibt. Auf jeden Fall<br />
macht man nichts verkehrt, wenn man sie alle mal probiert.<br />
107
108<br />
Christoph und Peter Eversbusch<br />
mit ihrem Lieblingsprodukt.
WACHOLDER & DIE GIN-FRAGE<br />
Berlin, 21. März 2015. 28 Gins werden<br />
von einer Fach-Jury einer Blindverkostung<br />
unterzogen. Es geht um die Craft Spirits<br />
Awards von „Destille Berlin“. Im Rennen<br />
Er wird mit einer Sil-<br />
sind viele der schicken handwerklich ber-Medaille ausge-<br />
hergestellten Gins aus kleinen Destillerien<br />
und Familienbetrieben. Der Trend<br />
der Stunde. Die mit den Designer-Etiketten,<br />
den tollen frischen Namen und den<br />
schönen Flaschen. Doch darunter eine<br />
Ausnahme. Eine hochaufgeschossene,<br />
braune Tonflasche. Der Inhalt: Doppelwacholder<br />
46 %, aus Hagen-Haspe.<br />
zeichnet. Ein glänzend<br />
beleumundeter Gin wie<br />
der Elephant aus London<br />
kriegt nur Bronze. Eine<br />
Sensation? Ein Jahr später.<br />
Selber Wettbewerb.<br />
Mit dem Korn Anisette<br />
nimmt nun ein zweites<br />
Traditionsprodukt aus<br />
der Wacholdermanufaktur teil. Beide Produkte<br />
erhalten goldene Medaillen. Anwesende<br />
Bartender der Kölner und Münchner Cocktail-Bar-Szene<br />
schufen dann auch direkt das<br />
Pendant zum „Eversbusch-Tonic“ – den „Anisette-Cola“<br />
mit Zitronenscheibe.<br />
Eine Genugtuung für die Tradition? Eine Rehabilitierung?<br />
Für Peter Eversbusch schon. Er<br />
betreibt mit seinem Bruder Christoph quasi<br />
im Geschwister-Alleingang das Traditionsunternehmen<br />
Eversbusch in Hagen. Das letzte<br />
Mal, dass ihr Produkt in Berlin an einem<br />
Wettbewerb teilgenommen hatte, war im<br />
Mai 1905 bei der „Ausstellung gewerblicher<br />
Erzeugnisse“. Das 110 Jahre alte „Diplom zur<br />
goldenen Medaille“ hängt noch in der Brennerei.<br />
Das neue jetzt direkt daneben. Beide<br />
Erfolge wurden errungen mit der gleichen unveränderten<br />
Originalrezeptur ihres Ur-Ur-Urgroßvaters,<br />
der mit derselben Destille gearbeitet<br />
hat. Ein über 200 Jahre altes Rezept<br />
eines Schnapses, eines Doppelwacholder,<br />
der im Volksmund auch schon mal „Hasper<br />
Maggi“ genannt wurde. Kann also konkurrieren<br />
mit den Hipster-Produkten schlechthin?<br />
Vom Preis muss man wohl gar nicht erst sprechen.<br />
Und dann eben doch, denn in Berlins<br />
angesagtem Szene-Restaurant „Nobelhart &<br />
Schmutzig“ kostete der Eversbuscher kürzlich<br />
unfassbare 8 Euro pro 0,02 Liter. Die Brüder<br />
Die Grundsubstanz vieler alkoholischer<br />
Genussmittel: getrocknete Wacholderbeeeren.<br />
109
Eversbusch grinsen ehrfürchtig. Da kriegt man<br />
fast eine halbe Flasche für. Vielleicht sollte man<br />
mal mit einem Kofferraum voller Flaschen in die<br />
Hauptstadt?! Tatsächlich aber haben Wacholderschnäpse<br />
in den Kneipen des Ruhrgebietes<br />
seit einigen Jahrzehnten keinen besonders guten<br />
Ruf mehr. Die Altvorderen tranken derlei.<br />
Gegen Beschwerden: „Wenn Dich des Harnes<br />
Säure plagt / Das Zipperlein Dich peiniget / hilft<br />
‚Eversbusch=Wacholder‘ Dir / Ein deutscher<br />
Trank, der reinigt“ bewarb etwa ein Ur-Flyer<br />
den Stoff als quasi-seriöses Gicht-Medikament.<br />
Vorbei auch die Zeiten, da Silvia, Königin<br />
von Schweden, die Stadt Hagen besuchte und<br />
als Geschenk eine Drei-Liter-Flasche Doppelwacholder<br />
mit nach Göteborg nehmen durfte.<br />
Was aus dieser Flasche wohl geworden ist?<br />
Dennoch lebt das Unternehmen Eversbusch.<br />
Die Brüder machen auch nach sechs Generationen<br />
weiter, selbst die Wachholderbeeren<br />
werden seit über drei Generationen vom selben<br />
Importeur aus der Toskana bezogen. Man<br />
entschloss sich immerhin, 1991 die Produktion<br />
in Glasflaschen einzustellen und die gesamte<br />
Produktpalette wieder in<br />
den traditionellen Steinzeugkrügen<br />
abzufüllen.<br />
Die Folge damals: Anrufe<br />
von wütenden Hausfrauen,<br />
die sich beschwerten,<br />
dass der Füllstand fortan nicht mehr so einfach<br />
zu kontrollieren sei… Wie kam der Wacholder<br />
nach Hagen? 1780 brannte Johann Christoph<br />
Eversbusch Korn, jedoch noch keinen<br />
Wacholderbranntwein. Sein Sohn verfeinerte<br />
die Brennkunst durch eine Ausbildung in der<br />
Harkort’schen Brennerei. Dessen Sohn, Peter<br />
Christoph Eversbusch lernte dann in den Feldzügen<br />
gegen Napoleon Bonaparte, in denen er<br />
zweimal unter General Gebhard Leberecht von<br />
Blücher als freiwilliger preußischer Jäger ins<br />
Feld zog, in Holland die Rezepturen vom Doppelwachholder,<br />
einem Wacholderbranntwein<br />
kennen. So entstand „Eversbusch - bester Westfälischer<br />
Doppelwachholder mit 46 % Alkoholgehalt“,<br />
ein Brand aus Korn, Malz und Wacholderbeeren.<br />
Die Schreibweise mit dem zweiten<br />
„h“ ist kein Druckfehler, sondern hat auf dem<br />
Etikett alle Rechtschreibreformen überdauert.<br />
Noch heute ereifern sich Lehrer bei der Brennereibesichtigung.<br />
Im Endeffekt sind die Wacholderschnäpse und<br />
der ach so hippe Gin ein und dasselbe Produkt.<br />
Einige Menschen haben das schon bemerkt.<br />
Gutes Handwerk zahlt sich aus.<br />
EVERSBUSCH, 58135 HAGEN, BERLINER STRASSE 90, 0 23 31. 4 10 33,<br />
BARVERKAUF: MO-FR 8-12 & 13-16 UHR,<br />
BESICHTIGUNGEN (7,50 EURO P.P.) NACH VEREINBARUNG (AB 16 UHR)<br />
Der Traditionsschnaps wird in Hagen-Haspe gebrannt, abgefüllt und auch<br />
verkauft. Natürlich in den berühmten schweren Steinzeugkrügen.<br />
110
Eine einstmals moderne automatische Füllstraße veränderte den<br />
Geschmack des Eversbuscher Doppelwachholders auch nicht.<br />
111
Die coolste<br />
Cocktail Bar<br />
Mit Fug und Recht darf man wohl behaupten, dass die Barszene im erweiterten Ruhrgebiet 2016 auf ein neues Level gehoben<br />
wurde. Wer das nicht glaubt, begebe sich nach Hagen. Schauplatz: ein historisches Kesselhaus auf dem denkmalgeschützten Elbershallen-Industriegelände.<br />
Hier in einer alten Stofffabrik eröffnete im Sommer der dritte Standort der Steakrestaurantmarke<br />
Hohoffs 800° aus Dortmund. „Golden Cage“ heißt das Ehrfurcht einflößende Restaurant und das alleine ist ein wahrlich grandioser<br />
architektonischer und innendesignerischer Hingucker mit gehobenem kulinarischen Anspruch - und es verfügt mit der „Grand Central<br />
Bar“ über eine imposante Cocktailbar der Superlative.<br />
Erdacht und erzählt ist sie eine sehr detailgenaue Hommage an<br />
New Yorks Grand Central Station und ihren berühmten gastronomischen<br />
Klassiker, die Oyster Bar. Zwar kann sie nicht mit dem<br />
frischesten Seefood der Welt und 30 verschiedenen Austern auf<br />
der Tageskarte aufwarten wie der Klassiker im Big Apple, jedoch<br />
wird sie dem Anspruch durchaus gerecht, den schimmernden<br />
und luxuriösen American Way Of Life zu Zeiten des Art Déco der<br />
20er und 30er Jahre abzubilden. In New York - und auf gewisse<br />
Weise nun auch auch in Hagen - gemischt mit eben jener rustikalen<br />
und beschwerlichen Geschäftigkeit des dortigen „Meatpacking<br />
Districts“. Harte Arbeit und deftiger Genuss, ganz eng<br />
beieinander. Gutes Essen und edle Drinks genauso.<br />
Und so ergeht sich Bar-Chef Jörg Kalinke geradezu vorbildlich in<br />
einer Neuinterpretation eines Bar-Klassikers: ausgefallene Cocktails,<br />
spezielle Gin- und Brandy-Arten und viele weitere Drinks<br />
finden sich auf einer der spannendsten Barkarten der letzten<br />
Zeit. Die interessante Besonderheit: Mit gut 100 Halbliterflaschen<br />
ohne Etiketten greift der Barchef eine echte New Yorker<br />
Tradition auf. Weil sich damals dort die Barkeeper bekriegten,<br />
hielten sie oft ihre Erfolgs-Mixturen geheim. Nur einige farbige<br />
Markierungen am Flaschenhals verrieten Zutaten. In der Bar<br />
finden gut 45 Gäste Platz, neben der Auswahl an Drinks und<br />
Cocktails gibt es auch legeres Bar-Food, auch dann noch, wenn<br />
das Restaurant seine Küche schließt. Der Clou dabei ist das in<br />
die Bar integrierte Restaurant Track 61. Dessen Name beruft<br />
sich auf das geheime Gleis 61, das in früherer Zeit dem US-Präsidenten<br />
Franklin D. Roosevelt und anderen hochrangigen vorbehalten<br />
war. Durch ein Notausgang-Schild wurde über diesen<br />
112
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Nun ist es auch der Name der feinen, kleine Eatery mit gut 30 Plätzen.<br />
Serviert wird hier eine Crossover-Küche nach dem Motto „Choose and<br />
Share“. Nicht nur vom 800°-Grill kommen hier die Snacks, auch ein Robata-Grill<br />
aus Japan ergänzt das Angebot. Dieser Luxus-Kohle-Grill gilt<br />
als Nonplusultra des Barbecues. Zu haben sind entsprechend spannend<br />
zubereitete Häppchen wie gegrillter wilder Brokkoli, Tuna Tataki, gegrillter<br />
Hummer, hauchdünne Wagyu-Tranchen oder Tenderloinstreifen<br />
vom Robatal, asiatisch aromatisiert. Als kulinarische Reminiszenz an das<br />
New Yorker Vorbild dürfen auch die Austern nicht fehlen.<br />
Michael und Stefanie Hohoff lieben es ganz offenbar, mit ihren Restaurants<br />
Geschichten zu erzählen. Die Gäste werden eingeladen, Zeitreisen<br />
zu machen, sich in neue, alte Welten zu begeben. Wer etwa Joseph<br />
Mitchells New-York-Reportagen aus dem „New Yorker“ über das Hafenviertel<br />
kennt, wird sich im Golden Cage sehr wohl fühlen. Architektur-Geschichte<br />
und Gastronomie-Geschichte in modernes Storytelling<br />
übersetzt, ein herausragendes Konzept. Die Keimzelle der hohoffschen<br />
Visionen war übrigens die Familienkonditorei in Waltrop. 2011 eröffnete<br />
Michael Hohoff mit dem rustikalen Farmhaus in Dortmund sein erstes<br />
Steak-Restaurant, 2015 folgte in Hamm das Fährhaus. Mit Golden Cage<br />
und Central Bar hat er ein neues Level erreicht.<br />
Feines bei Feuerstein<br />
Schützenbahn 11-13 44787 Bochum<br />
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113<br />
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