Cruiser im Dezember 2016 (Doppelnummer Winter)
Cruiser in GOLD! Aber nicht nur das Cover ist hübsch, auch der Inhalt! Alles rund ums Reisen, LGBT Gruppen in Osteuropa und: Warum sind wir eigentlich schwul?
Cruiser in GOLD! Aber nicht nur das Cover ist hübsch, auch der Inhalt! Alles rund ums Reisen, LGBT Gruppen in Osteuropa und: Warum sind wir eigentlich schwul?
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
10<br />
KOLUMNE<br />
MICHI RÜEGG<br />
Hilfe,<br />
die Lesben sind los<br />
Michi Rüegg ist als Mann ein Täter und wird daher<br />
zum Opfer antischwuler Lesbenpropaganda. Eine<br />
furchtbare Geschichte.<br />
CRUISER <strong>Winter</strong> <strong>2016</strong> | 2017<br />
VON Michi Rüegg<br />
V<br />
or ein paar Wochen ging es mir so<br />
richtig gut. Dann las ich eine Medienmitteilung<br />
der Schweizer Lesbenorganisation<br />
LOS. Danach ging es mir so<br />
richtig mies. Auf gefühlten 5000 Zeilen erklärten<br />
mir die LOS-Frauen, warum ich ein<br />
verdammtes schwules Sexistenschwein bin.<br />
In ihrem Pamphlet prangerten die Verfasserinnen<br />
den Umstand an, dass Lesben<br />
auch Frauen sind. Diese Tatsache war für<br />
mich nicht zwingend neu. Ich hatte bereits<br />
früher ab und zu den Verdacht, bei Lesben<br />
könnte es sich um Frauen handeln, obwohl<br />
man sich nicht in jedem Fall sicher sein konnte.<br />
Die Feststellung, dass Lesben Frauen sind,<br />
diente in besagter Mitteilung jedoch dem<br />
Zweck, einen noch gewichtigeren Umstand<br />
herzuleiten: Nämlich, dass Schwule Männer<br />
sind. Auch in diesem Punkt muss man der<br />
LOS wahrheitsgetreue Berichterstattung attestieren.<br />
Doch dann: Männer seien frauendiskr<strong>im</strong>inierende<br />
und grapschende Monster.<br />
Tatsächlich führten die LOS-Frauen ins Feld,<br />
dass wir Schwulen in unserer Eigenschaft als<br />
Männer ja sowieso in den Genuss «bürgerlicher-heteronormativer»<br />
Privilegien kommen<br />
würden, derer sich die Männerwelt seit jeher<br />
grosszügig bedient.<br />
Das muss man erst mal verdauen. Erinnern<br />
wir, die das können, uns doch an die berühmte<br />
Sendung «Telearena» vom 12. April<br />
1978. Ich war damals zwar auch erst ein Jahr<br />
alt, aber einige Jahrzehnte später lief glücklicherweise<br />
eine Wiederholung. In dieser Sendung<br />
mussten sich Schwule alle Vorurteile<br />
der Welt anhören, von Studiogästen, die<br />
«uns» am liebsten direkt ins Fegefeuer gepeitscht<br />
hätten. Mittendrin meldete sich eine<br />
Lesbe. Sie klagte, dass <strong>im</strong>mer nur über<br />
Schwule geredet werde. Das war irgendwie<br />
grotesk: Die Lesben wollten offenbar auch etwas<br />
mehr beleidigt und besch<strong>im</strong>pft werden,<br />
eben so wie wir. Vielleicht hätten sie auch<br />
gern gehabt, dass sie etwas häufiger auf der<br />
Strasse verprügelt, auf dem Bahnhofsklo erstochen<br />
oder – einige Jahrhunderte vorher –<br />
mit Holzpfählen durch den Anus aufgespiesst<br />
werden. Unsere Vorgängergenerationen von<br />
schwulen. Während Frau mit Frau <strong>im</strong> Boudoir<br />
kuscheln konnte, hetzte man die Hunde<br />
auf Männer, die Männer liebten. Aber für die<br />
LOS-Lesben heisst das einfach: Wir haben<br />
alle Aufmerksamkeit gekriegt. Tatsächlich<br />
sagten die alten Strafgesetze selten etwas über<br />
Todesstrafe gab es nur für<br />
Schwule. Wie ungerecht ist<br />
das denn!<br />
Lesbensex. Todesstrafe gab es nur für Schwule.<br />
Was ist es denn genau, das mich zum Sexistenschwein<br />
macht? Gemäss Einschätzung<br />
der LOS-Frauen ist das: mich vulgär<br />
ausdrücken. Abschätzig über weibliche<br />
Genitalien reden. Frauen anfassen und<br />
dann behaupten, man dürfe das ja als<br />
Schwuler. Schuldig <strong>im</strong> Sinne der Anklage.<br />
Vor nicht allzu langer Zeit lachte ich über<br />
einen Witz eines Bekannten (eines katholischen<br />
Pfarrers, notabene), der mir in<br />
LOS-Kreisen wohl den Max<strong>im</strong>alhass beschert<br />
hätte, denn es kam darin ein weibliches<br />
Genital vor. Schuld an allen Miseren<br />
der lesbischen Welt sind aber nicht nur wir<br />
schwulen Sexisten. Sondern auch die Medien.<br />
Immer und <strong>im</strong>mer wieder zeigen sie nur<br />
uns. Die schrillen Tunten mit ihrem Makeup<br />
und dem Glumpert. Und nie die Lesben. Hat<br />
sich die LOS vielleicht schon mal gefragt, ob<br />
wir das wollen? Ob wir es schön finden, in<br />
diesen medialen Klischees gefangen zu sein?<br />
Vermutlich ja, schliesslich drängen wir uns<br />
ja bürgerlich-heteronormativ in den Vordergrund.<br />
Weil wir alle frauenhassende Narzissten<br />
sind. Und unsere Organisationen<br />
«nur privilegierte weisse Männer vertreten».<br />
Zu allem Übel habe ich also auch noch die<br />
falsche Hautfarbe.<br />
Was also wollen die LOS-Lesben? Bessere<br />
Integration, ein herzlicheres, von Respekt<br />
geprägtes Miteinander? Nicht wirklich. Sie<br />
wollen einfach sichtbarer sein. Und sie wollen<br />
mehr Räume haben. Mit anderen Worten: Sie<br />
hätten gerne weniger Schwule.Als ich noch<br />
ein junges Ding war, gab es in Zürich kaum<br />
Kontakt zwischen Schwulen und Lesben. Die<br />
Lesben liessen keine Männer an ihre Partys,<br />
Freundschaften zwischen Mann und Frau<br />
waren rar. In den letzten Jahren hat sich das<br />
verändert. Ich durfte in meinem privaten<br />
Umfeld <strong>im</strong>mer mehr Lesben und bisexuelle<br />
Frauen kennen- und schätzen lernen. Schade,<br />
dass die Lesben von LOS das alles wieder kaputtmachen<br />
wollen, indem sie Gift gegen uns<br />
speien. Und das alles bloss weil ich mal einen<br />
anrüchigen Witz über eine Mumu gemacht<br />
habe. Aber keine Sorge, liebe LOS-Frauen. Ich<br />
lache auch über Schwänze.