höhle von postojna - Slovenia
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Mysteriöse Welt des Karstuntergrunds<br />
Der Mensch interessierte sich schon seit jeher für Karst<strong>höhle</strong>n – schon<br />
der Urmensch nutzte sie als Zufluchtsort –, sie waren aber auch<br />
immer geheimnisvoll. In dieser unterirdischen Welt fühlte er sich näher<br />
den Geistern und Göttern. Tief in den Höhlen, wohin das Tageslicht<br />
nicht reicht und der gewöhnliche Mensch keinen Fuß setzten konnte,<br />
bemalten Schamanen schon vor vielen Jahrtausenden die Felswände,<br />
die Höhlen dienten als Tempel und Kirchen, durch sie gelangte man<br />
in den Hades, in die griechische Unterwelt, und zu besonderen<br />
Festtagen beseitigten die Römer die Felsbrocken, die die Zugänge zu<br />
den Karst<strong>höhle</strong>n, die Eingänge in die mysteriöse unterirdische Welt,<br />
versperrten, und riefen: »Die Unterwelt steht offen!«<br />
Der Untergrund, eine mysteriöse Welt, vor der man sich ängstigt,<br />
die aber zugleich anzieht. Eine der Grundlagen des menschlichen<br />
Charakters ist die Wissbegier, das Verlangen, Unbekanntes<br />
kennenzulernen, Geheimnisse zu entdecken. Dies veranlasste<br />
den Menschen, zu den höchsten Gipfeln der Erde, in die größten<br />
Meerestiefen, in den Weltraum vorzustoßen, aber auch in den<br />
Karstuntergrund. Das Weltall birgt Rätsel, die man vermutlich<br />
niemals lösen wird. Die Höhleneingänge stellen aber jene Tür dar,<br />
durch die man die »Unterwelt« betreten kann. Nicht jeder kann durch<br />
und kommt auch weit. Wenn man <strong>von</strong> undurchdringlicher Dunkelheit<br />
eingehüllt wird, wenn der Höhlengang in einen Schacht mündet, wenn<br />
man das Tosen eines Höhlenflusses vernimmt, kann oder traut man<br />
sich nicht weiter. In diese Welt können nur Höhlenforscher vordringen,<br />
besonders geübte, besonders ausgerüstete, die den Karstuntergrund<br />
sehen, entdecken und besuchen können, die ihn vermessen,<br />
untersuchen und Bilder <strong>von</strong> einer Welt ans Tageslicht bringen,<br />
die vor ihnen noch kein Auge erblickt, noch kein Mensch betreten<br />
hat. Es ist kaum vorstellbar, dass Höhlenforscher im Karstinneren<br />
Sloweniens wandernd, kriechend, kletternd, schwimmend fast 1000<br />
Kilometer Gänge erkundeten, <strong>von</strong> jenen knapp unter der Oberfläche<br />
mit mehreren Eingängen, auch »Fenstern« in der Decke, bis zu jenen<br />
eineinhalb Kilometer tiefen, über denen sich eine mehrere 1000 Meter<br />
dicke Decke wölbt. In Slowenien gibt es mehr als 10 000 Höhlen –<br />
Eingänge, durch die man den Untergrund betreten kann. Mancherorts<br />
kann man gemächlich gehen, woanders muss man sich gleich mehr<br />
als 500 Meter tief abseilen. Höhlentaucher untersuchen auch Gänge,<br />
die ständig Wasser führen. Man denkt lieber nicht darüber nach, was<br />
geschehen würde, wenn plötzlich ein unterirdischer Wildbach in einen<br />
stillen Höhlensee stürzen und das Wasser in einigen Stunden um 100<br />
Meter steigen würde. Leider passiert auch das, die Erforschung und<br />
Entdeckung der Geheimnisse der Höhlenwelt fordert auch ihre Opfer.<br />
Niemand weiß, wie viele Höhlen der slowenische Karst noch birgt.<br />
Dies ist und wird noch lange unbekannt sein. Die unterirdische<br />
Karstwelt enthält noch zahlreiche Rätsel. Wenn die Höhlenforscher<br />
eines lösen, stehen sie vor einer Reihe neuer: Wohin ein Höhlenfluss<br />
fließt und wo er an die Oberfläche gelangt; wie lange das Wasser<br />
braucht, um einen so großen Gang auszu<strong>höhle</strong>n; in welchem Zeitraum<br />
sich ein ein Meter langer Tropfstein bildete; was mit dem Erdöl<br />
geschieht, das bei einer Havarie in den Karstuntergrund sickert;<br />
wie sich der Grottenolm fortpflanzt; wann sich die ersten Tiere im<br />
Untergrund ansiedelten; wie sich der Urmensch eine Unterkunft im<br />
Höhleneingang schuf und was er zu sich nahm. Je mehr wir über die<br />
unterirdische Welt wissen, desto geheimnisvoller ist sie.<br />
Slowenien ist ein Karstland mit einem geheimnisvollen Untergrund.<br />
Einen Bruchteil dieser Welt zu sehen, ermöglichen die Schau<strong>höhle</strong>n<br />
– Fenster in die »Unterwelt«. In der Höhle <strong>von</strong> Postojna sind<br />
Kalkspatkristalle – Tropfsteine zu sehen, die sich in Tausenden Jahren<br />
gebildet haben, und solche, die gerade entstehen, und im Vivarium<br />
kann man den geheimnisvollen Grottenolm sehen. Der Höhlenfluss<br />
und über 100 Meter tiefe unterirdische Cañons in den Höhlen <strong>von</strong><br />
Škocjan hinterlassen einen unvergesslichen Eindruck. In der Županova<br />
jama ist eine unterirdische Welt zu sehen, die ein Höhlenfluss<br />
vermutlich schon vor Millionen Jahren schuf, und in der Snežna jama<br />
kann man sehen und spüren, wie sich in den Eis<strong>höhle</strong>n der Frost hält<br />
und Eistropfsteine entstehen. Jede, auch die kleinste Schau<strong>höhle</strong><br />
ermöglicht dem Besucher einen Einblick in diese geheimnisvolle Welt.<br />
Aber jede Höhle ist anders, jedes entdeckte Geheimnis kann neu sein.<br />
Der Karstuntergrund ist aber nicht nur geheimnisvoll, er ist auch sehr<br />
empfindlich. Je besser wir ihn kennenlernen, umso mehr werden wir<br />
ihn schätzen und schützen. Erleben wir diese mysteriöse Welt durch<br />
den Besuch einer Schau<strong>höhle</strong> und seien wir uns dabei bewusst, dass<br />
wir Eindringlinge sind, Fremde in einer unterirdischen Welt, deren<br />
größter Teil möglichst lange unberührt, geheimnisvoll bleiben soll.<br />
Akademiemitglied, prof. dr. Andrej Kranjc<br />
Foto links: Höhlen <strong>von</strong> Škocjan, Cerkvenik-Brücke<br />
Titelfoto (Dragan Arrigler): Höhle <strong>von</strong> Postojna, Brillant, Symbol des<br />
slowenischen Karstes