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Seite 1 Anfang Die Wupper Geboren und ... - Thomas Reichert

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<strong>Anfang</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Wupper</strong><br />

<strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong> – www.regie-thomasreichert.de – kontakt@regie-thomasreichert.de<br />

<strong>Geboren</strong> <strong>und</strong> aufgewachsen an der Tiroler Ache, was auch heute<br />

wieder meine Adresse ist, bin ich nach Umwegen 1972 an die<br />

Münchner Falkenbergschule <strong>und</strong> von dort als Assistent an die<br />

Münchner Kammerspiele gekommen. Engagiert hatten mich der<br />

damalige Oberspielleiter Johannes Schaaf. Rosemarie Fendel hatte<br />

für mich geworben, ihnen beiden habe ich meinen Einstieg ins<br />

Theater zu verdanken. Adolf Dresen machte in dieser Zeit - er war<br />

der erste Gastregisseur, der aus der DDR einreisen durfte – „<strong>Die</strong><br />

<strong>Wupper</strong>“. Es war eine aufregende Arbeit vor einem großen, weiten<br />

Hintergr<strong>und</strong>wissen über die Gesellschaft zur Zeit von Lasker-<br />

Schülers <strong>Wupper</strong>tal, ihrem Leben <strong>und</strong> gesamten Werk. Dresen <strong>und</strong><br />

seine Dramaturgin Ilse Galfert brachten ein Wissen, eine ungeheure<br />

Bildung mit, die im Westen völlig ungewöhnlich war. Und ich durfte<br />

assistieren.<br />

Von einem der auszog das Fürchten zu lernen bis zu den<br />

Rassen<br />

1975 kam ich, erst noch als Assistent, nach Frankfurt zu Peter<br />

Palitzsch, wo ich dann im zweiten Jahr meine erste Inszenierung in<br />

Co-Regie mit ihm machte, „ein Weihnachtsmärchen“. Das nächste<br />

Märchen durfte ich dann schon allein inszenieren <strong>und</strong> auch die<br />

Bearbeitung selber schreiben „Von einem der auszog das Fürchten<br />

zu lernen“. Mir waren die damals üblichen Märchenbearbeitungen zu<br />

harmlos, zu „sozialphilharmonisch“. Mir schien es falsch, die Kinder<br />

schützen zu wollen, viel wichtiger ist, dass sie erleben können, wie<br />

man in der Phantasie vergnüglich die schwarze <strong>Seite</strong> unserer Seele<br />

ausleben <strong>und</strong> dabei abarbeiten kann – eine Art „Schwarzarbeit“. Es<br />

wurde dank der Ausstattung von Nina Ritter auch vom Bild her eine<br />

tolle Inszenierung.<br />

<strong>Die</strong> letzten beiden Jahre der Intendanz von Peter Palitzsch war ich<br />

dort erstmals als fest angestellter Regisseur engagiert. Meine<br />

wichtigste Arbeit war „Rassen“ von Bruckner mit Michael Altmann,<br />

Peter Danzeisen <strong>und</strong> Axel Wagner, mit dem ich auch einige Jahre<br />

zusammen in einer Wohnung lebte. Sehr viel, auch was ich über<br />

Theater <strong>und</strong> Musik weiß, verdanke ich Axel.<br />

Ich habe mit diesem Stück, das Bruckner auf seiner Flucht vor<br />

Nazideutschland geschrieben hatte, versucht meine problema-<br />

tischen Erfahrungen mit den 68-ern zu thematisieren. War ich doch<br />

mit so Vielen, begeistert von dem Gefühl aus der klein bürgerlichen<br />

Isolierung befreit zu sein, auf die Straße gelaufen <strong>und</strong> hatte<br />

irgendwelche Slogans mit gebrüllt, ohne mir klar zu sein, was ich da<br />

in den M<strong>und</strong> nahm. Mein Glück war, für Einen meiner Generation<br />

stand ich wohl auf der „richtigen“ <strong>Seite</strong>...<br />

Wir schreiben das Jahr 1980. <strong>Die</strong> Intendanz von Peter Palitzsch ist<br />

beendet. Das Modell Mitbestimmung ist ausgeträumt <strong>und</strong> es<br />

erscheint das Buch zu diesen aufregenden 10 Jahren unter dem<br />

Titel „War da was?“<br />

Posada, oder Der große Coup im Hotel Ritz<br />

Boy Gobert holte mich 1980 ans Schillertheater. Ich durfte seine<br />

Berliner Intendanz am Schlossparktheater, damals zweite Spielstätte<br />

des Schillertheaters, eröffnen. Ich inszenierte die Uraufführung von<br />

Marieluise Fleißers „Tiefseefisch“ mit Elisabeth Rath <strong>und</strong> <strong>Die</strong>ter<br />

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Laser. Noch während den Proben bot mir Gobert den<br />

Oberspielleiterposten an. Ich konnte nicht annehmen, zu fern schien<br />

mir diese Art von Theaterbetrieb von dem, was da in Frankfurt so<br />

intensiv - manchmal sogar mit Humor - gesucht wurde. „Tiefseefisch“<br />

wurde ein großer Erfolg, die Presse war begeistert, das Haus<br />

glücklich. Peter Zadek erteilte mir den „Ritterschlag“. Das war nach<br />

der Premiere im Foyer, er kam auf mich zu <strong>und</strong> gratulierte. <strong>Thomas</strong><br />

<strong>Reichert</strong> war in Berlin angekommen. Ein ganz besonderes Highlight<br />

wurde die Uraufführung von "Posada, oder der große Coup im Hotel<br />

Ritz" von Walter Serner mit Sabine Sinjen <strong>und</strong> Peter Matic. Keiner<br />

hatte zuerst daran geglaubt, dass es möglich sei, dieses Stück des<br />

großen Dadaisten auf die Bühne zu bringen, aber mit Serners Text<br />

„Letzte Lockerungen“ unterm Kopfkissen gelang es <strong>und</strong> wurde auch<br />

ein großer Publikumserfolg.<br />

Dazwischen inszenierte ich „Amphitryon“. Begeistert von diesem<br />

Text, versuchte ich ihn in seiner ganzen Fülle auf die Bühne zu<br />

bringen, also Kleists Sicht auf die Geschichte, nicht den flotten<br />

Dreier, der bei Moliere die Hauptrolle spielt, sondern die<br />

Unvereinbarkeit von Macht <strong>und</strong> menschlichem Gefühl. So wurde es<br />

schliesslich mehr das Stück über Einsamkeit <strong>und</strong> Liebe, Einsamkeit<br />

in der Liebe, denn eine Komödie. Das Bühnenbild dazu schuf, wie<br />

auch schon beim Tiefseefisch, Nina Ritter. <strong>Die</strong> Premiere bleibt mir<br />

unvergessen. Von den ersten Verbeugen der Schauspieler an wurde<br />

ausgepfiffen, man wartete gar nicht erst auf die Regiemannschaft.<br />

<strong>Die</strong> Kritiken habe ich aufbewahrt, sie sollten sich das Vergnügen<br />

nicht entgehen lassen.<br />

Sturm <strong>und</strong> Drang<br />

Es war ein wenig kälter um mich herum geworden. Ich musste Berlin<br />

verlassen. Aber zum Abschluss wollte ich dort ein Projekt machen,<br />

das mir schon länger sehr am Herzen lag, eine einstündige<br />

Bearbeitung von Klingers „Sturm <strong>und</strong> Drang“, reduziert auf fast keine<br />

Handlung <strong>und</strong> 7 Personen, also Maria Hartmann, Sona McDonald,<br />

Liselotte Rau <strong>und</strong> bei den Männern erinnere ich besonders Axel<br />

Radler, der bei Gobert für ein Weiterspielen der Aufführung kämpfte,<br />

weil sie zwar schlecht besucht, aber ungeheuer wichtig sei. Und wie<br />

schon bei Posada arbeitete ich wieder mit dem Künstler Georg<br />

Herold zusammen. Wir waren auf der Höhe der Zeit, der Misserfolg<br />

zwar groß, aber Georg <strong>und</strong> ich uns sicher, dass das Theater einfach<br />

viel zu weit hinter den Entwicklungen der Kunstszene zurück hinke.<br />

Freiburg mit Barbara Melzl <strong>und</strong> Henning Heers<br />

Freiburg, das war für mich vor Allem die Zusammenarbeit mit den<br />

Schauspielern dort, allen voran Barbara Melzl <strong>und</strong> Henning Heers.<br />

Beide konnte ich später nach Hannover holen, <strong>und</strong> sie kamen auch<br />

mit nach München ans Residenztheater. 1983 „Was ihr wollt“ mit<br />

Barbara als Viola <strong>und</strong> Sebastian <strong>und</strong> Henning Heers als Malvolio,<br />

Anke Schubert als Herzog. Dann machten wir „Kasimir <strong>und</strong><br />

Karoline“, ich zum ersten Mal auch das Bühnenbild <strong>und</strong> Christoph<br />

Marthaler die Musik. Als letzte Arbeit in Freiburg „Maria Stuart“,<br />

wieder in toller Besetzung. Wir haben die längste Zeit der Proben in<br />

irgendwelchen Übungsräumen zugebracht, um die faszinierende<br />

Rhythmik des Schillertextes auf heutige Art laut werden zu lassen.<br />

Das Bühnenbild entwarf Michael Simon, mit dem ich später immer<br />

wieder zusammenarbeitete.<br />

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<strong>Die</strong> Räuber<br />

Wieder zurück in Frankfurt<br />

Horst Laube, der große Dramaturg <strong>und</strong> wesentlicher Gestalter der<br />

Zeit der Mitbestimmung bei Peter Palitzsch, war wieder in Frankfurt,<br />

wo Adolf Dresen Intendant war. Und so kam ich wieder an das Haus.<br />

Zuerst mit „Sommer“ von Bond. Ein gut gebautes, wirkungsvolles<br />

Stück Theater, „linkes“ Theater <strong>und</strong> so in seiner letzten Aussage ein<br />

wenig naiv. Sozialistensohn <strong>und</strong> Kapitalistentochter tun sich<br />

zusammen, am Horizont der neue Mensch. Ich konnte das so klebrig<br />

nicht stehen lassen <strong>und</strong> setzte an den Schlussdialog der beiden<br />

Jungen den Satz: „Wir telefonieren“ <strong>und</strong> - Alles war wieder offen.<br />

Aber so was galt als krasse Eigenmächtigkeit <strong>und</strong> war damals nicht<br />

gern gesehen. Es war eine w<strong>und</strong>erbar verrückte Probenzeit mit<br />

Rosemarie Fendel <strong>und</strong> Ingrid Engelmann, die ich dafür von<br />

Düsseldorf geholt habe. Dann „<strong>Die</strong> Räuber“ von Schiller. Wieder<br />

interessierte mich am meisten, wie so eine Vereinigung zusammen<br />

kommt, wie sich Treue auf Tod <strong>und</strong> Teufel schwört <strong>und</strong> bei allen<br />

Widerständen, intern wie extern, zusammen bis ins Ende bestehen<br />

bleibt. Es spielten u. a. André Jung, <strong>Thomas</strong> Thieme, Martin Wuttke,<br />

<strong>Thomas</strong> Anzenhofer, Rufus Beck.<br />

Top Girls<br />

Gerd Heinz <strong>und</strong> sein Chefdramaturg Peter Rüedi hatten mich 1983<br />

an das Züricher Schauspielhaus geholt, wo es nicht nur diese<br />

w<strong>und</strong>erbare Leitung gab, sondern auch tolle Schauspielerinnen.<br />

„Top Girls“, mit Sieben von ihnen inszenierte ich das Stück von Caryl<br />

Churchill über die Blüten weiblicher Emanzipation. Mich faszinierte<br />

nicht nur, wie die Churchill mit der Thematik umging, sondern<br />

vielleicht vor Allem, wie sie den Text rhythmisch notiert hatte; das<br />

Sprechen zu zweit, manchmal zu dritt. Dabei waren Eva Rieck als<br />

„Marlene“, Ursula Andermatt als „Tolle Grete“ <strong>und</strong> Reinhild Solf,<br />

Renate Schröder. Das Bühnenbild von Stefan Mayer, die Kostüme<br />

von Stephanie Geiger.<br />

Victor oder <strong>Die</strong> Kinder an der Macht<br />

André Jung <strong>und</strong> Norbert Schwientek<br />

<strong>Die</strong> Faszination der Arbeit in Zürich war die Zusammenarbeit mit den<br />

Partnern auf der Bühne. Norbert Schwientek hatte ich mit Peter<br />

Rüedi vom Schillertheater geholt <strong>und</strong> André Jung, wir haben bei den<br />

„Räubern“ zusammengearbeitet, aus Frankfurt. <strong>Die</strong>se Schauspieler<br />

<strong>und</strong> die Schauspielerinnen, die ich zum Teil schon genannt habe,<br />

dazu noch Maria Becker , gaben dem Theater am Pfauen das<br />

Außergewöhnliche.<br />

Sardanapal<br />

zu den Junifestwochen 1987 von Lord Byron. Bühne <strong>und</strong> Kostüme<br />

wieder von Nina Ritter <strong>und</strong> auch die Musik wieder von Christoph<br />

Marthaler.<br />

SARDANAPAL, ein Stück am Rande der Phantasie,<br />

deren Zentrum <strong>und</strong> Motor der Klang Ninive,<br />

erinnert an<br />

Namen wie Babylon, Atlantis, Rom<br />

<strong>und</strong> lässt deren Schicksal vermuten.<br />

Das Schicksal des fetten Nordens morgen.<br />

Ninive, Hauptstadt der bekannten Welt,<br />

mehr Geschwür als Metropole,<br />

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fett auf Kosten dieser Welt,<br />

riesige Gärten, künstlich bewässert<br />

<strong>und</strong> Mauern, sich zu schützen, so gewaltig:<br />

«Dass diese Stadt vor Menschen nie erliege<br />

solange nicht der Strom ihr Gegner wird.»<br />

In der Mitte der König, noch behütet<br />

vor der Wirklichkeit des «Aus <strong>und</strong> Vorbei».<br />

Der König spielt, gespielt wird Liebe<br />

wie jeden Tag seit dieser Herrscher ist.<br />

Das unregierbare Reich stöhnt <strong>und</strong> ächzt,<br />

der König tritt Assyriens Tugenden mit Füssen<br />

ein Narr, den man vergessen hat<br />

am Aschermittwoch auszuwechseln.<br />

(Text von <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong>)<br />

1986, mit demselben Team die böse Komödie „Victor oder <strong>Die</strong><br />

Kinder an der Macht“ von Roger Vitrac, neben Schwientek als Victor,<br />

Jung, Rieck, Wildenauer, Cziesla <strong>und</strong> Babette Arens als Esther.<br />

Was haust in uns das hurt lügt raubt <strong>und</strong> mordet<br />

1985 „Britannicus“ von Racine mit Norbert Schwientek als kindlicher<br />

Nero, Maria Becker als seine Mutter. Ausstattung von Nina Ritter.<br />

Wie können aus Kindern so böse Erwachsene werden?<br />

Ein schrecklich guter Text auf der Suche: ist da eine Seele <strong>und</strong> wenn<br />

ja wie viele <strong>und</strong> wer ist Schuld an wessen Abgründen?<br />

Meine wichtigste Lektüre, um die in ihrer Struktur immer krimiartigen<br />

Stücke von Racine fassen zu können, war Ross McDonald“s „Blauer<br />

Hammer“ - eine vergnügliche Empfehlung damals von Francoise<br />

Bondy.<br />

Den Sitz der Seele mit dem Messer suchend<br />

<strong>Die</strong>ser genial geklaute Satz von Heiner Müller aus „Titus<br />

Andronicus“ ist der Leitsatz für meine Arbeit geworden.<br />

Der Auftrag<br />

1988 begann ich mit Eberhard Witt seine neue Intendanz für das<br />

Schauspiel Hannover vorzubereiten.<br />

1989 ging ich dann als fester Regisseur <strong>und</strong> künstlerischer Leiter<br />

nach Hannover. Wir engagierten Schauspieler wie Barbara Melzl,<br />

Alfred Kleinheinz, Henning Heers <strong>und</strong> Anfänger wie Jan-Gregor<br />

Kremp, Oliver Stokowski <strong>und</strong> Juliane Köhler, die dort bald zu Stars<br />

heranwuchsen. So entstand in recht kurzer Zeit ein sehr gutes, ganz<br />

besonderes, neugieriges Ensemble, voller Spiellust. Aus dem Kern<br />

dieses Ensemble heraus entstand auch der „Auftrag“, der alle Heiner<br />

Müller-Vorurteile von übergescheiten, trockenen, schwer spielbaren<br />

Texten Lügen strafte. Wir spielten das Stück von April 89 bis<br />

Sommer 90, das war sicher die spannendste Aufführungsserie, die<br />

ich je erlebt habe - war doch fast bei jeder Vorstellung die politische<br />

Wetterlage schon wieder eine andere. <strong>Die</strong> Grenze ging auf. Ost-<br />

West, dieser Konflikt veränderte drastisch seine Bedeutung. Als wir<br />

z.B. mit dem Stück in Leipzig gastierten, war dort gerade die CDU an<br />

die Macht gekommen <strong>und</strong> auf der Bühne hörte man von<br />

Westdeutschen den Satz „<strong>Die</strong> Revolution hat keine Heimat mehr,<br />

das ist nicht neu unter dieser Sonne ...“ Da knarzten im<br />

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Zuschauerraum nicht nur die alten Holzstühle.<br />

Davor, 1989 habe ich die „Möwe“ in Hannover zur Eröffnung<br />

inszeniert. <strong>Die</strong> Jugend <strong>und</strong> deren große „Chance zu scheitern“ das<br />

Thema; das alte <strong>und</strong> neue Ensemble zusammenzubringen die<br />

Aufgabe. Und auch in der ersten Spielzeit zwei Einakter von Havel<br />

zusammen mit Becketts Hommage an ihn: „Katastrophe“. Havel war<br />

damals mal wieder ins Gefängnis gesteckt worden. Jan-Gregor<br />

Kremp wurde in der Rolle des Braumeisters bereits zu diesem<br />

Zeitpunkt ein Liebling des Publikums.<br />

Kabale <strong>und</strong> Liebe<br />

Im zugespitzten Bühnenraum von Michael Simon, einem radikalen<br />

Nichts, was die Spielfläche betraf, drängten sich die von falschen<br />

Interessen Getriebenen ihrem jeweiligen K.o. entgegen. Alfred<br />

Kleinheinz als Wurm, der Luise so sehr wie hoffnungslos liebt, dass<br />

er die Intrige zu Hilfe nehmen muß, um wenigstens eine Szene mit<br />

ihr spielen zu können... Und Luise, die mit der Kraft ihrer Sehnsucht<br />

die Milford der Elisabeth Rath immer wieder von der Bühne treibt.<br />

Sie, Juliane Köhler <strong>und</strong> Ferdinand, Jan-Gregor Kremp, die<br />

w<strong>und</strong>erschön zusammen musizieren können, sie Cello er Klavier,<br />

aber in so gänzlich anderen Wirklichkeiten gefangen sind. Aber<br />

Theater ist gnädig: Ferdinand <strong>und</strong> Luise dürfen zusammen sterben,<br />

alle anderen müssen als Krüppel weiterleben.<br />

Das weite Land<br />

Schnitzler gehört auch zu den Autoren, die völlig unsentimental <strong>und</strong><br />

wenig wertend dieses Geschöpf Mensch unters Messer nehmen. Ich<br />

erschrecke oft bei Schnitzlers Texten: „oh Gott, woher weiß der<br />

das?“ <strong>und</strong> diese Schrecken versuche ich auf die Bühne zu bringen.<br />

Als Regieanfänger in Frankfurt hatte ich schon drei Einakter von<br />

Schnitzler inszeniert: „Überspannte Person“, „Das Bachusfest“ <strong>und</strong><br />

„Halb Zwei“. <strong>Die</strong>se Arbeit, das dabei immer größer werdende<br />

Interesse an den Abgründen der Seele, hat mich sehr geprägt. 1990<br />

also machte ich in Hannover „Das weite Land“. In einem Bühnenbild<br />

von Nina Ritter spielten Juliane Köhler, Elisabeth Rath als Genia,<br />

Henning Heers als Hofreiter, Alfred Kleinheinz als Mauer, <strong>und</strong> als<br />

Dichter Rohn Jan Gregor Kremp.<br />

Warten auf Godot<br />

ganz jung besetzt, wurde eine äußerst vergnügliche <strong>und</strong> überaus<br />

spannende Produktion, auch weil ich das Stück erst im „Alten<br />

Magazin“ herausbrachte <strong>und</strong> es zwei Jahre später auf der neu<br />

erbauten Spielstätte „Probebühne“ wiederaufnahm. Jan-Gregor<br />

Kremp (28 Jahre) <strong>und</strong> Oliver Stokowski (27 Jahre) spielten Vladimir<br />

<strong>und</strong> Estragon. Das Warten war für die Beiden zuerst so gar kein<br />

metaphysisches Thema, sondern ganz handfest: warten auf einen<br />

Studienplatz, aufs nächste Vorsprechen auf den Anruf, das<br />

Engagement, das Honorar..<br />

Glaube Liebe Hoffnung<br />

Juliane Köhler betrat allein <strong>und</strong> ein wenig scheu als Erste die große<br />

Bühne des neu gebauten Schauspielhauses in Hannover. Mehr als<br />

ein neues Kapitel in der Geschichte des Hannoverschen Theaters<br />

war damit eröffnet. Beim dritten Versuch, einen würdigen Ersatz für<br />

das im Krieg zerstörte Schauspielhaus zu schaffen, gelang es <strong>und</strong><br />

es war endlich so weit.<br />

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Ausgerechnet Bananen“, der berühmte Schlager aus den Jahren der<br />

Weltwirtschaftskrise, als Horváth das Stück geschrieben hatte,<br />

waren die ersten Töne, die Juliane vor sich hinträllerte, um sich ein<br />

wenig Mut zu machen auf dem Weg zu den Präparatoren, denen sie<br />

ihre Leiche für ein paar Mark verkaufen wollte, jetzt wo auch sie ihre<br />

Arbeit verloren hat...<br />

<strong>Die</strong> Kosten der Einheit hatten den Glauben an die Wirtschaftsmacht<br />

Deutschland endgültig erschüttert. Das war der Zeitpunkt der<br />

Eröffnung des neuen Hauses zu dem es große Reden gab <strong>und</strong><br />

Politiker die sich plötzlich alle als Kunst-Ermöglicher hinstellten. In<br />

dieser Situation schien es mir notwendig auch den Verlierern<br />

unserer Gesellschaftsordnung eine Stimme zu geben. Thorsten<br />

Nindel als Schupo, Jan-Gregor Kremp als Präparator, Barbara Melzl,<br />

<strong>Thomas</strong> Limpinsel <strong>und</strong> vielen mehr in Nina Ritters Bühnenraum von<br />

gespenstisch kalter Architektur.<br />

Es war einmal ein Mensch, der oft stolperte, natürlich lachten<br />

ihn jedes Mal alle aus. Eines Tages, er war schon sehr traurig,<br />

täuschte er einen Stolperer vor. Alle lachten. Da wusste er, was<br />

er zu tun hatte.<br />

Eine Boulevardkomödie pro Spielzeit war auch eine der Aufgaben,<br />

die wir uns für unser Ensemble gestellt hatten. Türe auf, Türe zu <strong>und</strong><br />

dazwischen, meist sehr schnell, Sätze präzise platzieren. Es gibt<br />

keine bessere Stückgattung für Berufsanfänger das Handwerk der<br />

Schauspielerei zu erlernen als diese Art Komödien. Musikalität <strong>und</strong><br />

ein genaues Gespür was zwischen Bühne <strong>und</strong> Zuschauerraum<br />

vorgeht sind wesentliche Vorraussetzungen für gute Pointen, damit<br />

der Zuschauer auf seine Kosten kommt in der „schrecklichen“<br />

Freude des: Gott sei dank, dass ich’s nicht bin. Ich inszenierte<br />

„Komödie im Dunkeln“ 1991 <strong>und</strong><br />

„Othello darf nicht platzen“ 1993, harte Proben waren das, aber wie<br />

schön, wenn ein ganzer Zuschauerraum lacht.<br />

Abschied<br />

Vier Jahre voller schöner, aufregender Arbeiten habe ich in<br />

Hannover verbracht, der Stadt an der Leine, erst im alten Ballhof,<br />

der zwischen den Kriegen eine Kneipe war – berühmt durch einen<br />

Stammgast, durch vielleicht Hannovers prominentesten Sohn, Fritz<br />

Haarmann. „Das ist der, wo es so „schöne“ Kinderreime von gibt“.<br />

Dann im 4ten Jahr Umzug in das neuerbaute Schauspielhaus an der<br />

Prinzenstrasse.<br />

Auch steht in Hannover das Sprengelmuseum, voll von Werken der<br />

klassischen Moderne. Viele Nachmittage bin ich dorthin spaziert.<br />

Prominente Hannoveraner wurden alle Jahre mal gebeten, eine<br />

Führung nach ihren Vor-lieben <strong>und</strong> Interessen durch dieses Museum<br />

zu machen. Ich wurde auch dazu eingeladen, es war eine ganz<br />

besondere Ehre <strong>und</strong> … ein Vergnügen.<br />

1993 “Frau vom Meer“, eine Zerreißprobe zwischen Traum <strong>und</strong><br />

Wirklichkeit, Sehnsucht <strong>und</strong> Leben von Ibsen mit Alfred Kleinheinz<br />

als Dr. Wrangel, Elisabeth Rath, Natali Seelig, Werner Heindl. Ich<br />

habe eine wehmütige Erinnerung an diese Arbeit, sicher auch, weil<br />

sie die letzte meiner Arbeiten in Hannover war.<br />

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Ab nach München<br />

Der Erfolg schwemmte uns ans Resi. Das Haus war voll in<br />

Hannover, die Zuschauer mochten uns, das Ensemble war homogen<br />

<strong>und</strong> Theaterleute, die uns besuchten, waren beeindruckt. Ich<br />

erinnere mich noch an Wilfried Minks: er hätte nicht geglaubt das so<br />

ein Zusammenhalt, so ein Klima an einem Staatstheater möglich sei.<br />

Aber das war es natürlich nicht, was uns nach München brachte. In<br />

einer frühen Saisonbilanz im „Theater Heute“ wurden wir sehr positiv<br />

gewertet. Und in einem Teil davon, welcher Henning Rischbieter<br />

verfasst hat, war anhand der Aufführung „Macbeth“, Regie: D.<br />

Gotscheff <strong>und</strong> „Auftrag“, Regie: <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong> vom<br />

„Theaterw<strong>und</strong>er Hannover“ die Rede. Da war es, ein W<strong>und</strong>er, denn<br />

viele Kritiker in Ermangelung von Eigeninitiative oder geplagt von<br />

ständigen Entzugserscheinungen nahmen es gierig auf. Wie ein Ball,<br />

den man sich zuwarf über die Köpfe der Betroffenen hinweg, die<br />

natürlich nicht anders konnten als zumindest ab <strong>und</strong> zu begierig die<br />

Hände danach zu strecken <strong>und</strong> ein wenig in die Höhe zu hopsen.<br />

Und da saß man dann plötzlich in den Armen der Ballwerfer oder ist<br />

ausgerutscht <strong>und</strong> sitzt anders im Dreck. Aber das Spiel war<br />

angepfiffen <strong>und</strong> viele wollten dabei sein <strong>und</strong> hatten keine Zeit zu<br />

schauen, ob der Ball nicht vielleicht ein Luftballon ist, den der Wind<br />

schnell verbläst oder er platzt. Ganz wichtig auch die Spielverderber<br />

deren Rolle gerade beim Aufrechterhalten - speziell von sinnlosen<br />

Spielen - nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Der Anlass<br />

dieses Spiels – wir – wir waren plötzlich eine Hoffnung. Das ging<br />

alles sehr schnell, eine Gesellschaft ohne Zukunft braucht immer<br />

Alles – <strong>und</strong> zwar sofort; aber so wurden wir wie man so sagt<br />

überregional bekannt. <strong>Die</strong>ser Erfolg brachte uns ans Bayrische<br />

Staatsschauspiel München. Intendant: Eberhard Witt, Künstlerische<br />

Leitung: Matthias Fontheim, Matthias Hartmann Amélie Niermeyer<br />

<strong>und</strong> ich.<br />

<strong>Die</strong> Wildente<br />

1993, eine grausame Geschichte um eine Wette zwischen Vater <strong>und</strong><br />

Sohn. Ob <strong>und</strong> wie weit sich eine von ihnen finanziell abhängige<br />

Familie korrumpieren lässt. Ob Geld zählt oder Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong><br />

Moral. Das 19te Jahrh<strong>und</strong>ert geht unter im alten Ekdal. Anrührend<br />

gespielt von Kurt Meisel, es sollte seine letzte Arbeit sein, er starb<br />

unmittelbar vor unserer Derniere.<br />

Am Dachboden spielt diese Komödie der Blindheit. <strong>Die</strong> Zukunft wird<br />

aus Versehen erschossen: die Wildente gespielt von Natali Selig.<br />

Mittendrin Gina, die Mutter, die alles weiß, aber um den Preis des<br />

Überlebens alles ausgleichen will. Durch das großartige Spiel von<br />

Eva Rieck bekam diese Rolle das Gewicht <strong>und</strong> die Aufmerksamkeit,<br />

die ihr gebührt. Oliver Stokowski als ihr Mann, der naiv gefährlich<br />

durch das Leben dümpelt, lacht <strong>und</strong> nicht merkt dass ihm nur der<br />

Platz des Verlierers bleibt. Sein Kind ist nicht sein Kind, seine Arbeit<br />

nicht seine Arbeit. Alfred Kleinheinz als Doktor, der immer eine<br />

intelligente Begründung für den Sieg der Vergangenheit über die<br />

Zukunft parat hat. In der Situation des Fehlens jeglicher durch Utopie<br />

bestimmten Zukunft, sind alle gierig auf kluge Entschuldigungen.<br />

<strong>Die</strong> Mutter<br />

in der Urfassung von Maxim Gorki, geschrieben 1909, als Gorki<br />

noch nicht wissen konnte wohin sich das alte Jahrh<strong>und</strong>ert auflösen<br />

wird. <strong>Die</strong> Männer sind schwach geworden. Wassa, gespielt von<br />

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Margit Carstensen - eine sagenhafte Begegnung war das mit dieser<br />

so w<strong>und</strong>erbar kindlich neugierigen Frau - versucht den Sauladen<br />

noch irgendwie zusammenzuhalten, versucht, ihre Söhne als Erben<br />

auszuboten. Sie weiß, die haben das Unternehmen in Null-Zeit<br />

ruiniert. Wassa will es ihren Schwiegertöchtern übergeben. Dazu<br />

müssen sich drei verstrittene <strong>und</strong> gnadenlose Frauen zusammentun.<br />

Sie können sich zwar nicht riechen, wissen aber, dass sie diesen<br />

Männern nichts mehr überlassen dürfen. Assistiert wird Wassa von<br />

einem korrupten Angestellten, w<strong>und</strong>erbar gespielt von Alfred<br />

Kleinheinz.<br />

Eingebildeter Kranker<br />

1994 am Residenztheater wieder mit Nathali Seelig, Alfred<br />

Kleinheinz, Timo <strong>Die</strong>rkes <strong>und</strong> Johanna Gastdorf. Eine bearbeitete<br />

Übersetzung von mir nach Kortner liegt beim Verlag „Bloch Erben“.<br />

Andromache<br />

<strong>Die</strong> deutsche Erstaufführung dieses Stückes von Racine war ein<br />

besonderer Höhepunkt meiner Arbeit am Residenztheater. In der<br />

präzisen, wie musikalisch perfekten Übersetzung von Simon Werle,<br />

ein Vergnügen der besonderen Art. Orest liebt Hermione, die<br />

Pyrrhus liebt, der Andromache liebt, die Hektor liebt, der tot ist. <strong>Die</strong><br />

Konstellation der Liebeskette ist an die Stelle des Mythos getreten,<br />

um eine unentrinnbare Situation zu bezeichnen, in der das Subjekt<br />

nicht bekommt, was es am sehnlichsten wünscht. Der oder die<br />

Andere bleiben immer nur begehrtes Objekt, werden nicht<br />

geachtetes Subjekt <strong>und</strong> so bleibt nur<br />

Haben wollen oder Verachtung als große Gefühle <strong>und</strong> statt Handeln<br />

Taktieren. Und so hat das Stück nur scheinbar Handlung, ist Struktur<br />

<strong>und</strong> spielt gnadenlos durch die Mechanik der Affekte. Juliane Köhler<br />

sagte mal bei den Proben, das ist ja in den Abläufen wie bei der<br />

Fernsehserie „Dallas“, nur statt der Mauerschau gibt’s halt Telefon.<br />

Juliane Köhler spielte Hermione, Christiane Rossbach Andromache,<br />

Timo <strong>Die</strong>rkes Orest, dazu Steffen Wink, Judith Hofmann, Lukas<br />

Miko, Lars Wellings <strong>und</strong> Lara<br />

Körte. Daniela Kranz war meine Assistentin, sie, die ich noch in<br />

Hannover ins Team geholt hatte <strong>und</strong> die sicher die selbstständigste<br />

<strong>und</strong> spannendste Assistentin an meiner <strong>Seite</strong> war.<br />

Ich verließ München 1995<br />

Erst unmerklich, dann immer offensichtlicher hatte es uns auch<br />

erwischt, es zählte, als wir in München waren, tatsächlich nur mehr<br />

der Erfolg im Feuilleton <strong>und</strong> natürlich die Angst, ihn nicht zu haben.<br />

Und aller Inhalt, aller Gr<strong>und</strong> warum wir zusammen Theater machen<br />

wollten, war auf der Strecke geblieben <strong>und</strong> so kämpften wir um jede<br />

„gute“ Zeile in fast jedem Blatt. Der Zuschauerraum war zwar immer<br />

ziemlich voll, wir dagegen oft recht leer. Es gab gute Produktionen,<br />

aber sie konnten nicht wirklich stark werden ohne das gemeinsame<br />

Wollen unter dessen Prämisse wir angetreten waren. Und so fanden<br />

wir uns ganz schnell in einem hochsubventionierten, zwar gut<br />

besuchten aber mittelmäßigen Staatstheater mit der üblichen Kanti-<br />

nenstimmung wieder. Ich konnte nicht wirklich dagegenhalten <strong>und</strong><br />

verließ das Haus nach zwei Jahren.<br />

<strong>Seite</strong> 8<br />

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Wieder unterwegs, auf der Suche<br />

In Weimar beim Kunstfest 1996 hatte ich die Möglichkeit selbst zu<br />

spielen in Heiner Müllers Bildbeschreibung, inszeniert von Michael<br />

Simon, der mich zunächst als Dramaturg zu dieser Arbeit geholt<br />

hatte.<br />

Bildbeschreibung, ein einziger Satz, acht <strong>Seite</strong>n lang. Ein Stück<br />

Prosa fürs Theater geschrieben.<br />

Müller verweigert jede Art von Handlung mit einem <strong>Anfang</strong>,<br />

Höhepunkt, Ende. <strong>Die</strong> traditionelle Bewegung von rechts nach links,<br />

von oben nach unten ist, wenn vorhanden, beliebig, eine gefährliche<br />

Schleuderbewegung, eine Reise in die Zeit. Und der da sieht <strong>und</strong><br />

beschreibt ist fest, völlig unbeweglich auf einem Stativ befestigt. Sein<br />

Auge, sein – lidloser – Blick in unverrückbarer Position, wie eine<br />

Kamera, die in defekt rasendem Zoom sich aufs Bild zu bewegt,<br />

stolpernd, stotternd die Bewegung verbrennt den Zusammenhang,<br />

isoliert die Details, durchstößt die Bildoberfläche, die Schärfe-<br />

automatik findet keinen Fixpunkt mehr, der Weg zurück durch das<br />

vielleicht rettende Loch wird zur Odyssee durch alle Schichten des<br />

Bewusstseins, vergleichbar nur noch mit Karl Valentins<br />

Katastrophenszenarien, wo er stolpernd, stotternd z.B. von einem<br />

ZUFALL erzählen will.<br />

Ich wollte unbedingt aber auch spielen <strong>und</strong> so übertrug mir Michael<br />

auch diese Aufgabe. <strong>Die</strong> Herausforderung für mich als Spieler war:<br />

ich wollte beweisen, dass H. Müllers Text auf komplexe Art ganz<br />

einfach ist <strong>und</strong> auf jeden Fall nicht gescheit, keine Hirnerei.<br />

<strong>Die</strong>ser Text begleitet mich bis heute.<br />

An anderer Stelle können Sie lesen, was ich bei einem Symposium,<br />

veranstaltet von der Uni Bochum, zu diesem Text von Heiner Müller<br />

vorgetragen habe mit dem Titel: „Sag mal ist das ein Stück“.<br />

Wieder Berlin 1997 bis 1999<br />

Wieder war es Michael Simon, der inzwischen als fester Regisseur<br />

an der Schaubühne arbeitete, <strong>und</strong> mich nach Berlin rief als<br />

Dramaturg <strong>und</strong> Mitarbeiter. Zuerst machten wir "Woyzeck“ mit<br />

Roland Renner <strong>und</strong> Rainer Philippi. Ich erarbeitete dazu eine<br />

Fassung, die im Zentrum immer wieder von Andres <strong>und</strong> Woyzeck<br />

ausging, die beiden Schauspieler die Rollen immer wieder tauschten<br />

<strong>und</strong> aus diesem Kern wurde auch Woyzeck <strong>und</strong> Marie oder<br />

Woyzeck <strong>und</strong> Hauptmann u.s.w.<br />

Das Büchner-Fragment lesen wie den Pergamon-Fries.<br />

Meine Faszination an diesem Text formulierte ich für das Pro-<br />

grammheft der Schaubühne.<br />

Dance me to the end of love<br />

Zu dem Team Michael Simon, Daniela Kranz <strong>und</strong> mir stieß Stefan<br />

Pucher, zuständig für die Musik <strong>und</strong> für sehr viel mehr<br />

verantwortlich. Wir machten „Von einem der auszog das Fürchten zu<br />

lernen“ mit Robert Hunger-Bühler in der Titelrolle.<br />

Danach verließ Michael Simon die Schaubühne. Andrea Breth war<br />

kurz zuvor gegangen <strong>und</strong> nun sollte ich mit Gerhard Ahrens, mit dem<br />

<strong>Seite</strong> 9<br />

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ich die künstlerische Leitung des Hauses teilte <strong>und</strong> Jürgen<br />

Schitthelm eine neuen <strong>Anfang</strong> für dieses Theater finden. Mit dem<br />

Einstieg von <strong>Thomas</strong> Ostermeier <strong>und</strong> Sasha Waltz war meine Arbeit<br />

in Berlin beendet.<br />

Während dieser Zeit kam ich auch wieder zum Spielen. Ich konnte in<br />

drei verschiedene Rollen einspringen: in einer w<strong>und</strong>erbaren Arbeit<br />

von Edith Clever mit Martina Krauel als Elektra, für Robert Hunger-<br />

Bühler in Schroffenstein von Kleist <strong>und</strong> für Wolf Redl in einem Stück<br />

von Eduardo de Filippo.<br />

<strong>Die</strong>se zwei Jahre in Berlin waren sicher nicht mehr die große Zeit<br />

der Schaubühne, aber um die Bühne herum war noch der Geist<br />

eines außergewöhnlichen Theaters in dem die einzelnen<br />

Abteilungen nicht wie üblich <strong>und</strong> meist kaum vermeidbar einen<br />

großen Teil ihrer Energie untereinander oder gar in sich selbst<br />

aufzehren, sondern alles arbeitete im lustvollen Einsatz für die<br />

jeweilige Vorstellung <strong>und</strong> egal, ob Premiere oder irgend eine andere<br />

Vorstellung. Ich erinnere noch die<br />

Bauprobe von „Woyzek“. Wie selbstverständlich waren alle<br />

Abteilungen dabei, von der Requisite über den Ton, die Werkstätten,<br />

Licht u.s.w. <strong>und</strong> die Schauspieler. Und alle spielten irgendwie mit.<br />

Ein ganzes Theater machte Theater.<br />

Was Ich vorausdenke, kann gar nicht eintreten, dafür ist sich<br />

jede Wirklichkeit zu schade, dass<br />

sie sich von mir erfinden lässt.<br />

(Theresia Walser)<br />

Neue Heimat. Graz. Theatermacher.<br />

Von 2000 bis 2004 habe ich bei Matthias Fontheim, inzwischen<br />

Schauspieldirektor in Graz, inszeniert, nachdem wir uns in Freiburg<br />

kennen gelernt hatten <strong>und</strong> später in Hannover <strong>und</strong> München in den<br />

Leitungsteams zusammenarbeiteten.<br />

Theatermacher<br />

mit Otto David in der Titelrolle. Otto wurde für mich etwas ganz<br />

Besonderes <strong>und</strong> ich konnte mir eigentlich kein Stück in Graz ohne<br />

ihn vorstellen. Mit dem Theatermacher wollte ich auch meine Rolle in<br />

diesem Gewerbe überprüfen <strong>und</strong> da kam mir <strong>Thomas</strong> Bernhards<br />

Stück über Glanz <strong>und</strong> Elend, Sehnsucht <strong>und</strong> Wirklichkeit <strong>und</strong> sein<br />

notwendig größenwahnsinniger Anspruch gerade recht.<br />

„King Kongs Töchter“ <strong>und</strong> „Kleine Zweifel“<br />

von Theresia Walser<br />

Mit Monique Schwitter <strong>und</strong> erstmals auf der Bühne Martin<br />

Bretschneider. Er spielte die Figur des Rolfi, bezaubernd. Wie schon<br />

beim Theatermacher hab ich auch das Bühnenbild gemacht.<br />

Auf der Bühne die Versuchsanordnung. Eine verschworene<br />

Gesellschaft aus Pflegerinnen <strong>und</strong> Alten spielen den Ernstfall<br />

unerbittlich durch, schenken sich nichts, sind trunken vor<br />

Anstrengung – nüchtern kann man das Problem Sterbehilfe wohl<br />

nicht zu Ende denken. Ein Text, der auf einem Vulkan tanzt, der<br />

täglich gewaltiger wird.<br />

Wie gehe ich mit dem Alter um, wie kann man sich mit Anstand<br />

verabschieden... Eltern, zum Beispiel, wie bleiben sie in meinen<br />

<strong>Seite</strong> 10<br />

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Augen voll <strong>und</strong> kräftig, die ersten Helden eines Kindes, wie behalten<br />

sie ihre Würde. Was ist zu tun, damit sie nicht in die Matratze<br />

sickern. Und die Alten, jeder allein in dem Grauen, was stirbt da alles<br />

ab. Der Blick in den Spiegel, an sich hinunter, was sollen all diese<br />

Gliedmaße, was haben sie alles getan, was haben sie alles<br />

versäumt.<br />

Zuvor hatte ich zusammen mit Daniela Kranz den großartigen ersten<br />

Theatertext von Theresia Walser inszeniert <strong>und</strong> ausgestattet. „Kleine<br />

Zweifel“ mit Regina Schweighofer als Wendla Teusch.<br />

Goethes Iphigenie<br />

2001. In einem Bühnenbild von mir, einem Raum am Rande der<br />

Unendlichkeit. Wieder mit Monique Schwitter <strong>und</strong> Martin<br />

Bretschneider als Iphigenie <strong>und</strong> Orest. Kostüme Rike Russig, Musik<br />

Matthias Thurow.<br />

... Schönheit oder Intelligenz, ein deutscher Gegensatz, aber die<br />

Interpretation von Iphigenie hat darunter immer gelitten.<br />

Ich denke, dass mit der Schönheit hat sich so ziemlich erledigt, wenn<br />

man den Kritikern trauen darf in ihrer Beurteilung des Sprechens von<br />

geb<strong>und</strong>ener Sprache am Theater. Nun, wir haben sicher viel<br />

vergessen von der Tradition, wie man solche Verse spricht, aber viel<br />

haben wir auch zu recht vergessen. Es ist eine neue, unsere Zeit,<br />

um adäquate Formen zu finden, wie man<br />

Goethes großartigen Versen gerecht wird. Und ich meine, das der<br />

Schlüssel heute wesentlich im radikalgeformtem Rhythmus zu<br />

suchen ist, in schnellen Tempi, in harten Tempowechseln,<br />

gewonnen aus dem Widerstreit von Inhalt <strong>und</strong> Form. Größtmögliche<br />

Transparenz bei oftmals ganz hartem Beat oder weichsten<br />

Balladentönen; Pausen.<br />

Wie dünn liegt Kultur <strong>und</strong> Barbarei beieinander. Wir wissen es heute,<br />

nicht mal mehr ein Blatt Papier ist dazwischen, nur mehr ein Mouse -<br />

Click. Und Goethes Sprache - der sogenannte Wohlklang seiner<br />

Verse - sind Einlassung, sind Kampf, gegen das bösartige Chaos,<br />

das Grauen der menschlichen Natur, die Willkür der Götter.<br />

<strong>Die</strong> wütende Verständnislosigkeit über den „Schuldzusammenhang<br />

alles Lebendigen“ (W.Benjamin).<br />

Bis aufs äußerste knapp unter Goethes Versen gibt es kein Halten<br />

mehr. In ihnen hat es die zitternde Schönheit des weiten Blicks, den<br />

man genießen kann, wenn man mitten im Lager von Buchenwald<br />

nahe Weimar steht.<br />

Dianens Hain, ein dünner Ort am Rande der Unendlichkeit. Dort<br />

kämpft Iphigenie mit ihrer Liebe zur Wahrheit - vielleicht ihr Erbteil<br />

seit sie nach Aulis gelockt wurde – entscheidet sie sich, den<br />

gefährlichsten Weg zu gehen.<br />

<strong>Die</strong>, von so vielen Interpreten geschmähte Tat Iphigenies, sich <strong>und</strong><br />

„ihr Volk“ Thoas auszuliefern mit der Preisgabe der Verschwörung,<br />

ist ihre große Tat - sie steht mit größtmöglichem Risiko zu ihrer<br />

Überzeugung wie der Held in fast jeder guten Geschichte. Human<br />

wird sie erst in dem Augenblick, in dem Humanität nicht länger auf<br />

sich <strong>und</strong> ihrem höheren Recht beharrt.<br />

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Nathan der Weise<br />

Lessings kleines Welttheater, großes Volkstheater um die<br />

Katastrophen seiner Zeit, die in vielem noch <strong>und</strong> immer mehr die<br />

Katastrophen unser Zeit sind. Mit Otto David als Nathan, Martina<br />

Stilp, wieder Martin Bretschneider <strong>und</strong> für mich neu, eine tolle<br />

Begegnung, Barbara Hammer als Daja, die dem Stück mit ihrer<br />

Person das wesentliche Zentrum gab. Bühne von mir, Kostüme Gabi<br />

Mai <strong>und</strong> Musik Matthias Thurow.<br />

Über dieses Stück von Lessing ließe es sich st<strong>und</strong>en-lang erzählen,<br />

ich will versuchen, mich auf ein paar, mir wesentliche Punkte zu<br />

konzentrieren. Auf diesen bitteren <strong>und</strong> gleichzeitig humorvollen<br />

Aufriss, auf diese Herausforderung der Extraklasse, Lessings Wut<br />

<strong>und</strong> Lessings Lachen als Chance in die größer werdenden Risse der<br />

Welt hineinzufallen.<br />

<strong>Die</strong>ser w<strong>und</strong>erbar fein ziselierte Nagel, eingeschlagen in Fleisch <strong>und</strong><br />

Blut, in das Chaos des Leidens, in schier unendlichen Tod.<br />

Das Stück spielt in Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge. Unter den<br />

Brettern die die Welt bedeuten lauern die Toten <strong>und</strong> schreien nach<br />

Rache. Der Tanz der Toten, der immer wieder die Lebenden in ihren<br />

Reigen zwingt. <strong>Die</strong> Aufgabe jeder Kultur, diese Macht zu brechen,<br />

oder vielleicht besser, in friedliche Bahnen zu lenken.<br />

<strong>Die</strong> Bilder der Toten, Nathans, des Tempelherrn, Saladins usw., sind<br />

eingebrannt in ihre Gehirne <strong>und</strong> fressen sich langsam aber stetig in<br />

ihre Seelen. Dort würden sie haften bleiben <strong>und</strong> das tun sie auch bei<br />

allzu vielen Menschen <strong>und</strong> nicht selten ein Leben lang <strong>und</strong> länger,<br />

werden als Vermächtnis weitergegeben.<br />

<strong>Die</strong> Toten haben keinen Ruheplatz in ihren Herzen gef<strong>und</strong>en. So<br />

geistern sie durch die Körper auf der Suche nach Orten, von denen<br />

aus sie die Lebenden bestimmen, anführen können. Das kann der<br />

Kopf, die Gedanken, das Sprachzentrum ebenso sein wie die Faust,<br />

das Auge, der Ellenbogen. Scheint der Lebende sie an einem Ort<br />

ihrer Macht besiegt zu haben, sind sie leicht schon an einem<br />

anderen <strong>und</strong> richten von dort großen Schaden an, bevor wir sie<br />

vielleicht dann dort lokalisieren. So wird es bleiben bis wir sie zur<br />

Gänze erkannt <strong>und</strong> ihnen einen Ruheplatz in unserem Herzen<br />

zugewiesen haben.<br />

Saladin mordet prinzipiell alle Tempelherrn, die ihm unter die Finger<br />

kommen; da lässt er einen leben, ganz sentimental, weil er ihn an<br />

seinen verschw<strong>und</strong>enen Bruder erinnert, <strong>und</strong> hat das sogleich<br />

wieder vergessen. Nathan erinnert ihn wieder an diesen Menschen<br />

<strong>und</strong> er ist gezwungen nun endlich doch einmal, diese Geschichte<br />

des verschw<strong>und</strong>enen, toten Bruders zu formulieren, anzunehmen<br />

<strong>und</strong> in Person des Tempelherrn mit allen seinen <strong>Seite</strong>n, den guten<br />

wie den schlechten, zu erkennen.<br />

<strong>Die</strong> Figuren in diesem Stück versuchen viel, um ihr Handeln nicht<br />

von Vorurteilen – von den Toten her - bestimmen zu lassen, da sie<br />

diese aber oft noch nicht wirklich überw<strong>und</strong>en haben, noch nicht mal<br />

ihre Existenz kennen, finden die Toten den Weg in ihr Herz nur allzu<br />

oft.<br />

Ob wir unser Ohr an diesen möglichen Katastrophen haben, also<br />

den Mut zum heiligen <strong>und</strong> heilenden Schrecken, zum befreienden<br />

Lachen, wird über die Schönheit einer Aufführung entscheiden.<br />

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<strong>Seite</strong> 12


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Der Schein trügt<br />

Mein drittes Stück von Bernhard, ich hatte 1980 am Bremer Theater<br />

„Vor dem Ruhestand“ inszeniert, das rhythmisch für mich am<br />

radikalsten gebaute Stück von ihm. Und ich habe schon damals eine<br />

Hassliebe zu diesem Autor entwickelt. Immer wenn man mich<br />

aufforderte ein Stück von ihm zu machen, habe ich erst mal<br />

abgesagt. „Theatermacher“ sollte ich schon mal in Zürich machen.<br />

<strong>Anfang</strong>s geht mir dieses unendliche Gequatsche immer unendlich<br />

auf die Nerven, aber, wenn ich dann mal am arbeiten bin, faszinieren<br />

mich Bernhards Wortkaskaden immer <strong>und</strong> immer mehr.<br />

Trotzdem, jedes Mal stelle ich mir die Frage neu: Sind diese<br />

Vernichtungs- <strong>und</strong> Selbstvernichtungsorgien von Bernhard produktiv<br />

<strong>und</strong> besonders jetzt, wo er so völlig zum unwidersprochenen<br />

Klassiker gemacht wurde. Taugt er überhaupt, wenn das Vergnügen<br />

der Provokation wegfällt. Ist der Narr zum Opa geworden wie sein<br />

wichtigster Regisseur, der große Clown, an dem nur mehr die<br />

Pappnase rot ist.<br />

Natürlich, Bernhards Wortschöpfungen sind oft vergnüglich, die<br />

Radikalität seiner Formulierungen großartig.<br />

Aber in unserer Zeit, wo das alte Mitteleuropa seine geschützte<br />

Position zwischen den Blöcken verloren hat <strong>und</strong> immer unerbittlicher<br />

in die Kälte der internationalen Kapital/Machtverhältnisse<br />

hineingehalten wird, das antiautoritäre Kind mit reichen Eltern,<br />

natürlich krank, natürlich vom Wehrdienst befreit, muss plötzlich<br />

Haltung zeigen, den Kopf hinhalten - sind da nicht Bernhards<br />

schönste Orgien der sich im Schmerz windenden Körperköpfe nur<br />

mehr geschmacklos, nur mehr witzig. Obszöne Nabelschau.<br />

Natürlich Theaterfutter, haben diese Texte doch schon viele, soge-<br />

nannte große Schauspieler ihr Handwerk vorführen lassen zur<br />

Mehrung ihres Ruhmes <strong>und</strong> Bernhards. Ein Jahrmarkt der<br />

Eitelkeiten. Nur die sog. Skandale gaben diesen Stücken den Schein<br />

der Moderne, dahinter teuerst ausgestattetes braves Staatstheater,<br />

unbehelligtes Schlafen im Zuschauerraum einerseits, theatralischste<br />

Empörung andererseits, aber warum sollten ausgerechnet das<br />

Publikum, besser die Kritiker, die einzigen sein, die bei diesen<br />

Veranstaltungen sich uneitel geben.<br />

Oder ist Bernhard doch Becketts Erbe. Liegt hinter den äußerlichen<br />

Schrecken, den Skandalen, die ihn erst mal berühmt machen<br />

mussten, der wahre Schrecken: „Wir können die Welt nur<br />

verbessern wenn wir sie abschaffen“ <strong>und</strong> die Formulierung als<br />

einzige Utopie.<br />

Handelt es sich bei Bernhard vielleicht doch um eine besondere,<br />

eine österreichisch - süddeutsche Spielart der Kritik an unseren<br />

Wertvorstellungen, der unabdingbaren Verlogenheit unseres<br />

täglichen Tuns. So spezifisch krass in dieser Landschaft, die so<br />

besonders gesegnet ist mit Naturschönem <strong>und</strong> Kunstschönen. Und<br />

in Bernhards so unendlichen kleinem Reden, Reden, Reden zeigt<br />

sich vielleicht am radikalsten, dass alles Sehnen nach Werten, nach<br />

objektiven Werten, jede Standortbestimmung, jedes<br />

Glücksversprechen korrumpiert wird, schon korrumpiert ist, schon<br />

beim Formulieren ins Grauen umschlägt, wenn dahinter das Kalkül<br />

zum Vorschein kommt.<br />

Ich meine damit, in unserer Gesellschaft ist doch alles verfemt, was<br />

sich nicht rechnet. Gleichzeitig geht alle Sehnsucht nach dem, was<br />

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sich nicht rechnet, zum Beispiel nach bedingungsloser Liebe oder<br />

nach Hingabe an eine Tätigkeit unabhängig von der Gratifikation,<br />

nach sportlichen <strong>und</strong> geistigen Leistungen, die keinem Kalkül<br />

unterworfen sind, nach zweckfreiem Dösen <strong>und</strong> Faulenzen oder<br />

auch nach grenzenlosem Luxus <strong>und</strong> rücksichtsloser<br />

Verschwendung. Alle diese Sehnsüchte werden enttäuscht, wenn<br />

sich ihre Erfüllung als verkapptes Geschäftsgebaren erweist, wenn<br />

also doch alles wieder einem Kalkül zugr<strong>und</strong>e liegt. Der<br />

Kapitalismus, der seinem Selbstverständnis zufolge angetreten ist,<br />

der größtmöglichen Zahl der Menschen das größtmögliche Glück zu<br />

ermöglichen, beeinträchtigt <strong>und</strong> beschädigt dieses Glück<br />

fortwährend, weil es ihm nicht gelingt, dass Kalkül, das dahinter<br />

steckt, unsichtbar zu machen.<br />

Bernhard ist vielleicht der radikale Sichtbarmacher dieser<br />

Katastrophe.<br />

In Bernhards Monolog kann es also keinen Punkt geben, denn keine<br />

Behauptung hält länger als ihre Formulierung dauert.<br />

Karl <strong>und</strong> Robert. <strong>Die</strong> Zeit hat sie totgeschlagen, jetzt schlagen sie<br />

die Zeit tot. Einsam, von Gott <strong>und</strong> der Welt verlassen, spüren sie<br />

sich nur mehr an ihrem Absterben. Und ihr Reden bunte Schreie, um<br />

die Buh-Rufe der Gesellschaft nicht mehr hören zu müssen.<br />

Lumpazivagab<strong>und</strong>us<br />

Und das in Graz, der Stadt, die sich so gern mit ihrem Nestroy<br />

schmückt. Ein nicht einfaches Unterfangen, zumal ich die drei<br />

berühmten Rollen der Handwerker mit jungen Schauspielern<br />

besetzte. Martin Bretschneider, Alexander Weise, Sebastian Reiss.<br />

Ich folgte dem Alter Nestroys als er das Stück schrieb <strong>und</strong> spielte,<br />

nicht der Aufführungstradition, bei der immer die Altkomiker dies<br />

Rollen „Knieriem“ <strong>und</strong> „Zwirn“ beanspruchen. Aber natürlich, Otto<br />

David durfte nicht fehlen, er spielte den Tischler Hobelmann.<br />

Für mich war entscheidend endlich einmal zu zeigen, das Nestroy<br />

auf der Bühne sichtbar <strong>und</strong> nicht nur bei Karl Kraus <strong>und</strong> anderen<br />

Verfechtern nachzulesen, ein richtig guter Autor ist. Ich wollte das<br />

schon seit meiner Schauspielschulzeit machen, aber bei all den<br />

Aufführungen, die ich zu Gesicht bekam, wirkte letztendlich doch<br />

alles immer so läppisch. Aber dann, in Graz, wusste ich: bei Nestroy<br />

gibt es nicht diese dummen Figuren, die in noch dümmere<br />

Situationen tapsen. Nestroy liebt die Menschen <strong>und</strong> findet<br />

bescheuert, hasst fast alles was sie tun. Das ist erstmal die<br />

Vorraussetzung. Es wurde eine richtig gute Arbeit. Für die großartige<br />

Musik war Matthias Thurow verantwortlich, der auch die<br />

w<strong>und</strong>erbaren Töne zu Iphigenie komponiert hatte. <strong>Thomas</strong> Limpinsel<br />

hat sich der Couplettexte angenommen <strong>und</strong> Martin Bretschneider<br />

hat manchmal bei Vorstellungen seine Texte auf den Punkt neu<br />

erf<strong>und</strong>en.<br />

Sündenfälle<br />

Theater mit Puppen in der Wiener Porzellangasse im 9.Bezirk<br />

Meine Schwester Julia <strong>Reichert</strong> hat zusammen mit Christopher<br />

Widauer vor fünfzehn Jahren ein Figurentheater, das<br />

„Kabinetttheater“ gegründet. W<strong>und</strong>erbare Dinge gelangen in den<br />

ehemaligen Räumlichkeiten der „1. Wiener Porzellanmanufaktur“ zur<br />

Aufführung in dem seit acht Jahren das Theater beheimatet ist <strong>und</strong><br />

in dem meine Schwester auch lebt. So kann man in diesem letzten<br />

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<strong>Seite</strong> 14


T<strong>Thomas</strong><br />

Reicchert<br />

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Wienerr<br />

Salon eein<br />

an de er Kasse gekauftes Zusehen<br />

anstrenngungslos<br />

zuum<br />

intimen Gespräch G amm<br />

Herd mutier ren.<br />

Das „KKabinetttheateer“<br />

hat seit ein e paar Jahren<br />

seine Bü ühne auch<br />

für lebbendige<br />

Scchauspieler<br />

geöffnet unnd<br />

produzie erte 2004<br />

„Sündeenfälle“<br />

mit Texten von<br />

Daniel Chharms<br />

<strong>und</strong> Konstanty<br />

Ildefonss<br />

Galczinskky.<br />

Hier ka am ich ins Spiel. Es galt ein<br />

Zusammenspiel<br />

von<br />

Puppen in verschiedennen<br />

Größen <strong>und</strong> auch<br />

Schausspielern,<br />

darunter<br />

der in diesen Dingeen<br />

schon ge eübte Wolfi<br />

Berger,<br />

zu inszenieren.<br />

<strong>Die</strong> Figuren dess<br />

Stücks we erden von<br />

Puppenn<br />

getragen, aber manchmal<br />

geben ssie<br />

ihre Figur<br />

an einen<br />

Schausspieler<br />

ab, später kommt<br />

die Rolle<br />

wieder zur z Puppe<br />

zurück oder bleibt in beiden präsent. p Ein spannender r Vorgang.<br />

Für dieese<br />

<strong>und</strong> für ddie<br />

gesamte, , erfolgreichee<br />

Arbeit dieses<br />

ganz<br />

besondderen<br />

Theaters<br />

wurden n wir, das „Kabinettthe eater“ <strong>und</strong><br />

ich, mmit<br />

dem össterreichischen<br />

Theaterppreis<br />

„Nestro oy“ ausgezeichneet.<br />

Weitere Arbeiten folgten, f darrunter<br />

die Reihe R „Das<br />

an-deree<br />

Konzert“ amm<br />

Wiener Ko onzerthaus.<br />

Das anndere<br />

Konzeert<br />

2004 - 20 0011<br />

Mit Chrristopher<br />

Widdauer,<br />

der di ie Puppe fühhrt,<br />

entwickel lte ich <strong>und</strong><br />

inszenierte<br />

einen DDialog<br />

zwisc chen einer bbeinahe<br />

lebe ensgroßen<br />

Klappmmaulpuppe<br />

<strong>und</strong><br />

ihrem An nimator. Eineen<br />

Dialog de er sich um<br />

ausgessuchte<br />

Kom-ppositionen<br />

<strong>und</strong><br />

dessen KKomponisten<br />

dreht. Ich<br />

habe ees<br />

kaum zu glauben gew wagt: ein Meensch,<br />

neben<br />

sich die<br />

Puppe, , beide sitzennd,<br />

zwischen n manchmal h<strong>und</strong>ert Mus sikern <strong>und</strong><br />

vor 19000<br />

Zuschaueern<br />

- das träg gt, ja es funkttioniert<br />

richtig g gut.<br />

2004<br />

Modestt<br />

Musorgsky:<br />

„Bilder eine er Ausstellung“<br />

ML: Rooberto<br />

Abbaddo<br />

2005<br />

Wolfgaang<br />

Amadeuss<br />

Mozart: „Da avidde peniteente“<br />

ML: Toon<br />

Koopman<br />

Anton WWebern:<br />

Secchs<br />

Stücke fü ür Orchester r <strong>und</strong> „ Passa acaglia“<br />

Franz SSchubert:<br />

Syymphonie<br />

Nr.<br />

7<br />

ML: Maarko<br />

Letonja<br />

Antoninn<br />

Dvorák: Syymphonie<br />

Nr.<br />

8<br />

ML: Yaakov<br />

Kreizberg<br />

2006<br />

Robert Schumann: „Frühlingssy ymphonie“<br />

ML: Faabio<br />

Luisi<br />

Igor Strrawinski:<br />

„Deer<br />

Feuervoge el“<br />

ML: Maarc<br />

Piollet<br />

Wolfgang<br />

Amadeuss<br />

Mozart: „Eine<br />

kleine Naachtmusik“<br />

2007<br />

Charless<br />

Ives: Threee<br />

Places in New N Englandd<br />

Gustavv<br />

Mahler: 2. SSatz,<br />

4. Symphonie<br />

ML: Inggo<br />

Metzmachher<br />

<strong>Seite</strong> 15


T<strong>Thomas</strong><br />

Reicchert<br />

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– kontakt@ @regie-thommasreichert.de<br />

Franciss<br />

Poulenc: KKonzert<br />

für zw wei Klaviere<br />

Gustavvo<br />

Dudamel, Katia <strong>und</strong> Marielle M Labèque<br />

(Klavier)<br />

Nikolai Rimski-Korssakow:<br />

„Sche eherazade“<br />

ML: Vlaadimir<br />

Fedossejev<br />

2008<br />

Felix MMendelssohn-Bartholdy:“<br />

Schottische“ “<br />

ML: Ariild<br />

Remmereeit<br />

Béla Baartók:<br />

Violinkkonzert<br />

Nr. 2<br />

Heinricch<br />

Schiff <strong>und</strong> Patricia Kop patchinskayaa<br />

(Violine)<br />

Dimitri Schostakowwitsch:<br />

Symph honie Nr. 5<br />

ML: Yaakov<br />

Kreizberg<br />

2009<br />

Josephh<br />

Haydn: „Deer<br />

Bär“<br />

ML: Faabio<br />

Luisi<br />

Jean Sibelius:<br />

Symphonie<br />

Nr. 2<br />

ML: Dimmitri<br />

Kitajenkko<br />

Peter Illjitsch<br />

Tschaikowsky:<br />

„Pa athetique“<br />

ML: Dimmitrij<br />

Kitajenkko<br />

2010<br />

Modestt<br />

Musorgsky:<br />

Bilder einer r Ausstellungg<br />

Richardd<br />

Strauss: Tood<br />

<strong>und</strong> Verklärung<br />

Ludwigg<br />

van Beethooven:<br />

Konzer rt für Klavier <strong>und</strong> Orchest ter Nr. 1<br />

C-Dur oop.<br />

15<br />

ML: Aleexander<br />

Lonqquich<br />

2011<br />

Gustavv<br />

Mahler: Symmphonie<br />

Nr.3 3<br />

ML: Faabio<br />

Luisi<br />

Edwardd<br />

Elgar: Konzzert<br />

für Violo oncello u. Orcchester<br />

e-mo oll op. 85<br />

ML: <strong>Thomas</strong><br />

Dausggaard<br />

Niemannd<br />

stirbt besser<br />

Zum 15jährigen<br />

Beestehen<br />

des s „Kabinettthheaters„<br />

wurde<br />

im Juli<br />

2005 eeine<br />

Produktiion<br />

von Mini idramen gezzeigt.<br />

Dazu inszenierte<br />

ich einne<br />

Neuproduuktion:<br />

Heine er Müllers „ Herzstück“. Garantiert<br />

noch nie<br />

so großarrtig<br />

zur Auffü ührung gebraacht,<br />

denn dieser d Text<br />

ist wie für ein Tabbleau<br />

von Puppenspiel<br />

P<br />

<strong>und</strong> Mensch hentheater<br />

geschriieben.<br />

Zu diessem<br />

Ereigniss<br />

erschienen beim Sondeerzahlverlag<br />

das d Buch<br />

„Niemaand<br />

stirbt bessser“<br />

Mein Beitrag<br />

dazu:<br />

<strong>Seite</strong> 16


T<strong>Thomas</strong><br />

Reicchert<br />

– www w.regie-thomasreichert.de<br />

– kontakt@ @regie-thommasreichert.de<br />

Der Traaum<br />

vom Spiel<br />

mit Puppe en<br />

endlichh<br />

schizophrenn,<br />

endlich fre ei<br />

zwei meinungen,<br />

zwwei<br />

haltunge en<br />

eine peerson<br />

spielerr<br />

<strong>und</strong> puppe<br />

subjekt<br />

oder obbjekt<br />

widersttreit<br />

von wirkklichkeit<br />

<strong>und</strong> künstlichkeitt<br />

von waahrheit<br />

<strong>und</strong> tääuschung<br />

alles sppiel<br />

keine hhierarchie<br />

wer könnnte<br />

unterscheiden<br />

wer schhöpfer<br />

, wer geschöpf<br />

der spieeler<br />

gibt durcch<br />

sein agier ren<br />

fleisch an die puppee<br />

ab<br />

die pupppe<br />

form <strong>und</strong>d<br />

haltung an den spieler<br />

(ihre emmotion<br />

ist immer<br />

fähigkeit<br />

, ist virtuossität)<br />

so werdden<br />

beide gleeichberechtigt<br />

geformt naach<br />

seinem bild<br />

spiegellbild<br />

also<br />

alles sppiegel<br />

verkehhrt<br />

tod odeer<br />

leben<br />

eine drrohung<br />

Zwischhen<br />

2007 unnd<br />

2010<br />

entstannden<br />

in Kopproduktion<br />

mit m dem ‚Theeater<br />

an de er Wien’ 6<br />

Arbeiteen<br />

im Spiel mit Puppe en, Schausppielern<br />

<strong>und</strong> Sängern.<br />

Spielorrt:<br />

<strong>Die</strong> "Hölle" ", in den 193 30ger Jahrenn<br />

Musikkabar rett, später<br />

großer Pausenraum.<br />

Seit das s Theater wwieder<br />

als Opernhaus O<br />

geführtt<br />

wird, wird dieser Pau usenraum ab<br />

<strong>und</strong> an als a zweite<br />

Spielstäätte<br />

genutzt.<br />

Das Bild,<br />

Bühnenbild<br />

in diesem<br />

Raum ttief<br />

unter de er großen<br />

Opernbbühne<br />

ein Arrsenal<br />

verstaubter<br />

Bühneenrequisiten,<br />

dazwischen<br />

drei DDiven<br />

aus längst<br />

verganggenen<br />

Tage en die von<br />

ihrer grroßen<br />

Zeit auf<br />

der Bühne<br />

oben träummen<br />

<strong>und</strong> imm mer, wenn<br />

sich maal<br />

ein Sängeer<br />

von oben in ihre Katakkomben<br />

verirrt,<br />

treiben<br />

sie ihree<br />

meist bössen<br />

Spielche en mit ihm bbevor<br />

er wie eder nach<br />

oben entlassen wwird,<br />

leider immer ohnne<br />

einen von v Ihnen<br />

mitzuneehmen.<br />

Gute GGötter<br />

– so eein<br />

Theater<br />

Erste AAuftragsarbeiit<br />

für das The eater an der Wien im Rah hmen des<br />

Programmms<br />

"Kabineetttheater<br />

in der Hölle" imm<br />

großen Pausenraum<br />

des TAAW.<br />

Regie: <strong>Thomas</strong> Reiichert<br />

Text: Juulia<br />

<strong>Reichert</strong>t,<br />

<strong>Thomas</strong> Re eichert, Chrisstopher<br />

Wida auer<br />

Musikaalische<br />

Arrangements:<br />

Ge eorg Schulz<br />

(Puppeen)Spieler:<br />

Eva<br />

Ebelt, Tho omas Kasebbacher,<br />

Jennifer<br />

Podehl,<br />

Christopheer<br />

Widauer<br />

Sängerr:<br />

Ulfried Hasselsteiner<br />

(Te enor)<br />

Musikeer:<br />

Yvonne WWeichsel<br />

(Flöt te), Ruth Stra raub (Cello)<br />

<strong>Seite</strong> 17


<strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong> – www.regie-thomasreichert.de – kontakt@regie-thomasreichert.de<br />

Don Giovanni fährt zur Hölle<br />

Theater an der Wien / "Kabinetttheater in der Hölle".<br />

Regie: <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong><br />

Text: Julia <strong>Reichert</strong>, <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong>, Christopher Widauer<br />

Musikalische Arrangements: Matthias Thurow<br />

(Puppen)Spieler): Eva Ebelt, <strong>Thomas</strong> Kasebacher, Jennifer<br />

Podehl, Christopher Widauer Sänger: Alexander Puhrer<br />

Musiker: Krassimir Sterev (Akkordeon), Yi Chen Lin (Geige),<br />

Michael Kinn (Schlagzeug)<br />

Der fliegende Fidelio<br />

Theater an der Wien / "Kabinetttheater in der Hölle".<br />

Regie: <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong><br />

Text: Julia <strong>Reichert</strong>, <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong>, Christopher Widauer.<br />

Musikalische Arrangements: Matthias Thurow.<br />

(Puppen)Spieler: Eva Ebelt, <strong>Thomas</strong> Kasebacher, Jennifer<br />

Podehl, Christopher Widauer<br />

Sänger: Steven Scheschareg (Bariton)<br />

Musiker: John Sass (Tuba), Michael Williams (Cello), Sandra<br />

Schennach (Klavier)<br />

Ein bekehrter Wüstling<br />

Theater an der Wien/"Kabinetttheater in der Hölle".<br />

Regie: <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong><br />

Text: Julia <strong>Reichert</strong>, <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong>, Christopher Widauer<br />

Musikalische Arrangements: Florian Kovacic.<br />

(Puppen)Spieler: Eva Ebelt, <strong>Thomas</strong> Kasebacher, Jennifer<br />

Podehl, Christopher Widauer Phillip Stix (Gast)<br />

Sänger: Erik Arman (Tenor)<br />

Musiker: Antal Racz (Kontrabass), Sandra Schennach (Fender<br />

Rhodes), Haruhi Tanaka (Klarinette)<br />

Haydn bricht auf. 7 Tage, die die Welt veränderten<br />

Theater an der Wien / "Kabinetttheater in der Hölle"<br />

Libretto: <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong><br />

Musikalische Leitung: Simeon Pironkoff<br />

Regie: <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong><br />

Musik: Bernhard Lang<br />

(Puppen)Spieler: <strong>Thomas</strong> Kasebacher, Lukas Lauermann,<br />

Jennifer Podehl, Christopher Widauer<br />

Sänger: Anna Hauf (Mezzosopran), Tim Serverloh (Countertenor)<br />

Musik: Sylvie Lacroix (Flöte), Christoph Waldner (Horn), Michael<br />

Moser (Cello), Krassimir Sterev (Akkordeon)<br />

Philemon <strong>und</strong> Baucis<br />

Theater an der Wien / "Kabinetttheater in der Hölle"<br />

Arrangement, ML: Georg Schulz<br />

Text <strong>und</strong> Regie: <strong>Thomas</strong> <strong>Reichert</strong><br />

(Puppen)Spieler: Ahmed Awad, Jennifer Podehl, Paula Podehl,<br />

Julia <strong>Reichert</strong>, Christopher Widauer<br />

Sänger: Beate Ritter (Sopran), Juliette Mars (Mezzosopran),<br />

Mathias Frey (Tenor), Alexander Puhrer (Bariton)<br />

Musiker: Ivana Poparic (Violincello), Philippe Mesin (Violine),<br />

Anton Hirschmugl (Klarinette), Georg Schulz (Akkordeon).<br />

<strong>Seite</strong> 18


T<strong>Thomas</strong><br />

Reicchert<br />

– www w.regie-thomasreichert.de<br />

– kontakt@ @regie-thommasreichert.de<br />

Im Kabbinetttheater<br />

2009 / 2010<br />

Winterrreise<br />

nach dder<br />

Musik von<br />

Franz Schubert.<br />

Mit Christopher<br />

WWidauer<br />

un nd Marino Formenti (Klaviere).<br />

Arrangeements:<br />

Marrino<br />

Forment ti, Regie: Thoomas<br />

Reiche ert.<br />

Etwas Außergewöhhnliches<br />

wur rde für michh<br />

die Zusam mmenarbeit<br />

mit Maarino<br />

Formeenti,<br />

diesem m ganz bessonderen<br />

Ausnahme-<br />

A<br />

musikeer,<br />

der die Idee<br />

hatte, im Kabinetttheeater<br />

die " Winterreise"<br />

W<br />

nach deer<br />

Musik vonn<br />

Franz Schu ubert zur Auffführung<br />

zu bringen b<br />

Marino Formenti saah<br />

in der vom<br />

Leben ehher<br />

bitter gez zeichneten<br />

Klapp Maulfigur dees<br />

"Onkels" <strong>und</strong> der zwwar<br />

großen, aber ganz<br />

unausggebildeten<br />

SStimme<br />

von Christopherr<br />

Widauer <strong>und</strong> u seiner<br />

eigenenn<br />

Möglichkeeit<br />

am Klavie er die Kompposition<br />

von n Schubert<br />

auszuddünnen,<br />

zu ffragmentierte<br />

en eine Chance<br />

das brü üchige <strong>und</strong><br />

abgründige,<br />

das biitter<br />

politisch he in diesemm<br />

Liederzyklu us spürbar<br />

zu machen.<br />

Wie sehr die üb bliche Schubert-Rezepti<br />

ion davon<br />

meist nnichts<br />

weiß, kkann<br />

man mi it Martin Wallser<br />

erahnen:<br />

"Wie kklänge<br />

ein SSchubert-Lied<br />

d, wenn derr,<br />

der es sin ngt, nichts<br />

hätte als eine Stimme un nd eine Auusbildung,<br />

von dem<br />

Unerträäglichen<br />

abber,<br />

gegen das diese Lieder ge eschrieben<br />

wurdenn,<br />

hätte er keeine<br />

Ahnung! "<br />

Der Abend<br />

im Kabinetttheate<br />

er wollte auuch<br />

ein Bil ld für die<br />

"Uhraufführungssituuation"<br />

sein n, die J. vvon<br />

Spaun wie folgt<br />

beschriieben<br />

hat:<br />

"Schubbert<br />

war durrch<br />

einige Zeit Z düster gestimmt <strong>und</strong><br />

schien<br />

angegrriffen.<br />

Auf meeine<br />

Frage, was in ihm vorgehe, erw widerte er:<br />

'Nun, ihhr<br />

werdet baald<br />

hören <strong>und</strong> d begreifen.' Eines Tage es sagte er<br />

zu mir: 'Komme heeute<br />

zu Scho ober, ich weerde<br />

euch einen<br />

Kranz<br />

schaueerlicher<br />

Liedeer<br />

vorsingen. . Ich bin beggierig<br />

zu höre en, was ihr<br />

dazu ssagt.<br />

Sie habben<br />

mich mehr<br />

angegrifffen,<br />

als dieses<br />

je bei<br />

andereen<br />

Liedern deer<br />

Fall war.' – Er sang uns nun mit t bewegter<br />

Stimmee<br />

die ganzee<br />

Winterreis se durch. WWir<br />

waren durch die<br />

düsteree<br />

Stimmung dieser Lieder<br />

ganz verblüfft,<br />

<strong>und</strong> d Schober<br />

sagte, es habe ihhm<br />

nur ein Lied, Der LLindenbaum,<br />

gefallen.<br />

Schubeert<br />

sprach hiierauf<br />

nur: 'M Mir gefallen diese Lieder<br />

mehr als<br />

alle, unnd<br />

sie werdenn<br />

euch auch noch gefalleen...'<br />

<strong>Die</strong> EISSPRINZESSIN<br />

von F.K. Waechter<br />

Des Teeufels<br />

Großßmutter<br />

steckt<br />

in einemm<br />

Dornbusch h fest <strong>und</strong><br />

möchtee<br />

befreit weerden.<br />

Der König K von SSizilien<br />

liegt t davor in<br />

verzweeifelter<br />

Sehhnsucht<br />

nach n der Eisprinzes ssin. <strong>Die</strong><br />

Eisprinzessin<br />

sitzt auf der Spit tze ihres Eissbergs<br />

<strong>und</strong> will w von all<br />

dem nichts wisssen.<br />

Aus diesen drrei<br />

untersc chiedlichen<br />

Bedürfnnissen<br />

zaubbert<br />

F. K. Waechter ein amüsa antes wie<br />

poetiscches<br />

Lehrstück<br />

über die Liebee<br />

<strong>und</strong> da as Glück.<br />

Der Weg<br />

dahin istt<br />

w<strong>und</strong>ersam m, führt in ddie<br />

Hölle <strong>und</strong><br />

auf das<br />

Meer, in fremde Kleider <strong>und</strong> d Länder. DDas<br />

Ziel sc cheint am<br />

weitestten<br />

entfernt, wenn es ganz g nahe ist ... Verw wicklungen,<br />

Verhüllungen<br />

<strong>und</strong>d<br />

w<strong>und</strong>ersa ame Erfüllungen<br />

auf kleinstem<br />

dramattischen<br />

Raumm!<br />

<strong>Seite</strong> 19


T<strong>Thomas</strong><br />

Reicchert<br />

– www w.regie-thomasreichert.de<br />

– kontakt@ @regie-thommasreichert.de<br />

Regie: <strong>Thomas</strong> Reiichert<br />

Bilder u<strong>und</strong><br />

Figuren: Ahmed Awa ad, Julia Reicchert,<br />

Mike<br />

Wanzeenböck<br />

Erzähleer:<br />

Wolfram BBerger<br />

Spiel: WWalter<br />

Kukla,<br />

Michaela Mahrhauser, M<br />

JJennifer<br />

Pod dehl<br />

Musik: Bartolo Mussil<br />

Kostümm:<br />

Burgis Paier<br />

Technikk:<br />

Martin Kerrschbaumer<br />

Regieaassistenz:<br />

Coonstantin<br />

Sch hwab<br />

Bastienn<br />

<strong>und</strong> Bastienne<br />

<strong>und</strong> Der D Schausppieldirektor<br />

für die Salzburger FFestspiele<br />

2006<br />

<strong>und</strong> 20007<br />

konnte ich h ein ganz<br />

besondderes<br />

Projektt<br />

realisieren.<br />

Am MMarionettenthheater<br />

Salz zburg: Holzzfigurenpupp<br />

penspieler,<br />

Sängerr,<br />

Schauspieeler<br />

<strong>und</strong> zw wei Opern zzusammenbringen<br />

von<br />

einem Komponisteen,<br />

Mozart, , aber auss<br />

zwei äuß ßerst weit<br />

auseinaander<br />

liegennden<br />

Schaffe ensperioden:<br />

ein Erstling<br />

‚Bastien<br />

<strong>und</strong> Baastienne’<br />

mitt<br />

12 Jahren geschriebenn<br />

<strong>und</strong> ein spätes<br />

Werk<br />

‚Der Scchauspieldireektor’<br />

mit gr roßer Musikk<br />

aber viel durchwegs d<br />

unbrauchbarem.Text.<br />

Also eine<br />

Geschichhte<br />

erfinden, die beide SStücke<br />

zusam mmenführt,<br />

ganz neue Textee<br />

schreiben.<br />

Ein Bühnnenbild<br />

daz zu finden,<br />

Marionetten<br />

gestalten.<br />

Da ann Sängeer<br />

beziehu ungsweise<br />

Schausspieler<br />

mit eeinbauen,<br />

die<br />

für die PPuppen<br />

spre echen <strong>und</strong><br />

singen <strong>und</strong>, oder in eigener Person mit den Puppen<br />

spielen.<br />

Dazu eein<br />

Orchesteer<br />

für das es s im Marioneettentheater<br />

eigentlich<br />

keinen--Platz-gibt.<br />

<strong>Die</strong> Kunnst<br />

bestand also auch da arin, sehr vieele<br />

Dinge in der d<br />

Organissation<br />

ihrrer<br />

Kunst bis zuu<br />

den gewaltigen g<br />

Größennunterschiedden<br />

ihrer Pr rotagonisten zu einem Abend zu<br />

verwebben,<br />

aus demm<br />

Vielen ein Einfaches mmachen.<br />

Und es gelang<br />

letztlichh<br />

ganz selbbstverständlich<br />

in seineem<br />

Ablauf, in seiner<br />

Erzähluung<br />

<strong>und</strong> hummorvoll<br />

berühren<br />

in seinerr<br />

Stimmung.<br />

<strong>Die</strong> Fesstspiele<br />

konnnten<br />

2007 eine<br />

zweite Seerie<br />

ermöglic chen, dank<br />

der grooßzügigen<br />

Unnterstützung<br />

von Donald <strong>und</strong> Jeanne e Kahn.<br />

Und hhier<br />

<strong>und</strong> diesmal<br />

mus ss ich aufzzählen<br />

wer<br />

mitgemmacht.hat.<br />

Voran ddie<br />

Puppensspieler,<br />

dem so w<strong>und</strong>erbar<br />

professionellen<br />

<strong>und</strong><br />

verrückkten<br />

Ensemmble<br />

am Sa alzburger Maarionettenthe<br />

eater. <strong>Die</strong><br />

Verspieeltheiten<br />

derr<br />

drei Protag gonistinnen Eva Füdler, , Michaela<br />

Obermayr<br />

<strong>und</strong> Ursula<br />

Winzer, die Erfinderffreude<br />

<strong>und</strong> technische t<br />

Neugieer<br />

von Pavell<br />

Tikhonov <strong>und</strong> u Vladimir r Fediakov. <strong>Die</strong> D immer<br />

hilfreichhe<br />

Gerda Miichel<br />

<strong>und</strong> de er Papa des Ganzen, der<br />

Chef der<br />

Bühne, , der hilfreicche<br />

Pierre Droin. D <strong>Die</strong> immmer<br />

noch tätige, die<br />

Erfolgssgeschichte<br />

des Haus ses in derr<br />

dritten Generation G<br />

bewahrrende<br />

Gretl Aicher. Und d Barbara HHeuberger,<br />

die d in ihrer<br />

uneitlenn<br />

Art den Laaden<br />

stemmt,<br />

schützt, viel,<br />

vielleicht t alles von<br />

sich daafür<br />

aufs Spieel<br />

setzt <strong>und</strong> die Traditionn<br />

des Theate ers liebend<br />

<strong>und</strong> ihr r nachhörendd<br />

immer auch h auf der Sucche<br />

nach Ne euem ist.<br />

<strong>Seite</strong> 20<br />

da aller


T<strong>Thomas</strong><br />

Reicchert<br />

– www w.regie-thomasreichert.de<br />

– kontakt@ @regie-thommasreichert.de<br />

‚Das Neeue<br />

ist die SSehnsucht<br />

na ach dem Alteen’<br />

ein schöner<br />

<strong>und</strong> so<br />

w<strong>und</strong>errbar<br />

einfacher<br />

Ausdruck k für das Beemühen<br />

so vieler von<br />

uns.<br />

Und daa<br />

waren diee<br />

Sänger, der<br />

so berühhrend<br />

verspielte<br />

Radu<br />

Cojacaariu,<br />

als Assisstent<br />

des Direktors,<br />

der für das groß ße Casting<br />

den Anntreiber<br />

gibtt<br />

<strong>und</strong> der bei b dem, füür<br />

die letzte e Auswahl<br />

entscheeidenden<br />

‚Prrobedurchlau<br />

uf’ von ‚Bastien<br />

<strong>und</strong> Bastienne’<br />

den<br />

Zauberr<br />

Cola gebenn<br />

muss.<br />

Bernhaard<br />

Berchthoold,<br />

der Te enor für deen<br />

Herrn Silberklang S<br />

agierennd,<br />

der aucch<br />

als Bast tien besteheen<br />

muss, ein e großer<br />

Puppennliebhaber<br />

in jeder Faser sseiner<br />

Pers son. Ina<br />

Schlinggensiepen<br />

u<strong>und</strong><br />

Christiane<br />

Karg die in so olidarischer<br />

Konkurrrenz<br />

das Caasting<br />

bestreiten,<br />

dann die<br />

beiden Bastienne<br />

im<br />

Probeddurchlauf<br />

uum<br />

danach h in virtuoosesten<br />

Eifersuchts<br />

kolleratturen<br />

mit ihhren<br />

Marione ettendoubelnn<br />

den Bühn nenhimmel<br />

erklimmmen.<br />

Alfred KKleinheinz,<br />

Direktor D Frank<br />

der sich ve erständlich<br />

am Schhluss<br />

gegen niemanden entscheidenn<br />

mag. Und Lisi L Fuchs,<br />

die Ihr Orchester einfühlsam<br />

un nd präzis durrch<br />

den ganz zen Abend<br />

führt.<br />

<strong>Seite</strong> 21

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