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1| Fit mit Uwe<br />

Stöhnen. Scheppern. Ächzen. Klirren. Der Geruch von Desinfektionsmittel, Teppich <strong>und</strong><br />

Schweiß lässt mein Herz höher schlagen. Ich sitze in Shorts <strong>und</strong> Shirt auf der Hantelbank<br />

<strong>und</strong> schaue mich um. Zu meinen Knöcheln liegen Gewichte. Fünfzehn Kilo. Nicht viel für<br />

einen Kerl. Viel für mich. Aus dem Lautsprecher über mir dringt gemäßigt Musik.<br />

Hitparadenkram, unterbrochen von beschwingt-seichtem Gelaber.<br />

Unter allen Anwesenden gebe ich die mit Abstand jämmerlichste Figur ab.<br />

Dienstagvormittag sind die Profis hier. Männer, die nichts anderes zu tun haben, als ihre<br />

Körper in eine Buckelpiste zu verwandeln. Eine gebräunte, steinharte Buckelpiste. Im<br />

Vergleich zu ihnen sehe ich aus wie Mozzarella. Weiß, weich <strong>und</strong> am Ende eines mäßigen<br />

Trainings in Salzlake – nur der Kopf knallrot vom Stemmen. Tomate mit Mozzarella. Und<br />

das, obwohl ich bereits seit einem halben Jahr trainiere. Okay, trainieren ist ein starkes<br />

Wort für das, was ich hier tu. Die meiste Zeit hocke ich an einem der Geräte oder mit den<br />

Hanteln zu meinen Füßen <strong>und</strong> glotze. Als könnte ich vom reinen Zuschauen einen<br />

gestählten Körper bekommen.<br />

Es ist ein sehr kleines Fitnessstudio, verteilt auf zwei Ebenen. Ein ehemaliges<br />

Einfamilienhaus. Entsprechend familiär wirkt auch alles hier. Die Kraftkammern sehen<br />

aus wie Wohnzimmer. Eigentlich wäre mir die Anonymität einer Fitnesskette lieber, aber<br />

dort gibt es keinen Uwe.<br />

Uwe ist der Gr<strong>und</strong>, weswegen ich immer Dienstagvormittag hier herumsitze <strong>und</strong> ein<br />

schwächliches Kribbeln in den Gliedern habe. Mein Bauch schlägt seit Minuten Wellen <strong>und</strong><br />

gelegentlich schüttelt mich ein Schauer. So aufgeregt bin ich normalerweise nur, wenn ich<br />

eine Rede halten muss – weswegen ich keine Reden halte. Ich hasse diese Nervosität.<br />

Normalerweise. Aber Dienstagvormittag liebe ich sie. Oder eher: Ich nehme sie in Kauf.<br />

Und zwar gerne.<br />

In wenigen Minuten wird Uwe hier auftauchen, zusammen mit seinem Kumpel, der<br />

einen Körper hat wie eine Matratze (also wie ich) <strong>und</strong> noch nie eine Hantel oder eines der<br />

Geräte berührt hat. Siebzig Minuten verfolgt er Uwe mit der Kamera, der mit fröhlicher<br />

Laune erklärt, wie man am besten seinen Trizeps oder Bizeps oder Brustmuskel trainiert.<br />

Zu Beginn sitzt Uwe dazu lässig auf einer Bank, trägt ein Shirt mit dem Aufdruck<br />

www.fitmituwe.com <strong>und</strong> haspelt sich durch eine Reihe Versprecher, über die er selbst<br />

lachen muss. In den Augenwinkeln sammeln sich sympathische Fältchen, in seine<br />

Wangen bohren sich tiefe Grübchen, manchmal wischt er sich verlegen schmunzelnd über<br />

den M<strong>und</strong>. Eine kleine Geste, die mir jedes Mal die Knie weichmacht.<br />

Nachdem er r<strong>und</strong> zwanzig Minuten geredet hat – mit einer Stimme wie Waldhonig –<br />

kommt das nächste Highlight. Um zu demonstrieren, auf welche Muskeln es bei einer<br />

Übung ankommt, zieht er sein Shirt aus. An der Stelle umfasse ich gerne einen<br />

Gymnastikball zwischen meinen Schenkeln. Er führt die Übungen aus, streichelt über die<br />

Muskelhügel, die sich dehnen <strong>und</strong> zusammenziehen sollen, unterbricht sich, stellt sich<br />

aufrecht hin, erklärt, lacht, verspricht sich, schmunzelt, fährt sich über den M<strong>und</strong>,<br />

wiederholt die Bewegung.

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