6 Titel eins Sommer 07 7 K<strong>illerspiele</strong> – Schärfere Gesetze helfen nicht weiter Von Birgit Kunde und Thomas Bouß »K<strong>illerspiele</strong>«, »Egoshooter«, »First-Person- Shooter«, diese Vokabeln werden für Computerspiele verwendet, bei denen das realitätsnahe Töten menschlicher o<strong>der</strong> menschenähnlicher Spielfiguren wesentlicher Bestandteil <strong>der</strong> Handlung ist. Bei »Egoshootern« o<strong>der</strong> auch »First- Person-Shootern«, erlebt <strong>der</strong> Spieler die Handlung aus dem Blickwinkel <strong>der</strong> Spielfigur. Gerade diese Spiele, wie »Counter-Strike« o<strong>der</strong> »Half- Life« gerieten nach den Vorfällen in Erfurt und Emsdetten in die öffentliche Diskussion. Mehrfach wurde auf politischer Ebene ein generelles Verkaufsverbot und die strikte Überwachung solcher Spiele im Internet gefor<strong>der</strong>t. Auch wenn Erwachsene den Reiz dieser Spiele meist nicht nachvollziehen können und sie aus <strong>der</strong>en Perspektive geschmacklos und brutal sind, üben sie auf Jugendliche durchaus einen Reiz aus. Einer von über 500.000 Counter- Strike-Spielern beschreibt seine Motivation für dieses Spiel folgen<strong>der</strong>maßen: »Klar werden hier die Gegner getötet und es fließt auch Blut. Ich würde Counter-Strike auch spielen, wenn kein Blut fließen würde. Aber so ist es einfach realistischer und je realistischer ein Spiel ist, desto mehr Leute spielen es. Es geht aber nicht darum, den Gegner möglichst brutal ›abzuschlachten‹. Du spielst mit deiner Gruppe von fünf Spielern gegen fünf an<strong>der</strong>e Spieler irgendwo auf <strong>der</strong> Welt und du willst einfach besser sein als die. Du kämpfst dich Level um Level weiter und willst gewinnen.« Nicht die Wahrnehmung von Tod o<strong>der</strong> Gewalt, son<strong>der</strong>n Strategie und reaktionsschnelles Handeln werden als Hauptanreiz dieser Spiele von jugendlichen und erwachsenen Spielern genannt. Betrachten wir als Erwachsene, die diese Spiele nicht spielen, einmal kritisch unseren Fernseh- und Spielfilmkonsum, sollten wir uns manchmal auch fragen, warum wir uns »diesen Film« mal wie<strong>der</strong> »angetan« haben. Eine stetige Zunahme detailierter und realistischer Darstellungen von Gewalt und Tod im Vorabend und Abendprogramm bemerken wir wohl alle. Können wir vor dem Schlafen die Verletzten und Toten noch beziffern, die uns von seiten <strong>der</strong> Mattscheibe in Krimis, Autopsiesendungen, Nachrichten etc. realitätsnah präsentiert wurden? Vielleicht können wir vor diesem Hintergrund zumindest nachvollziehen, warum es Menschen gibt, die einen spielerischen Reiz in <strong>der</strong>artigen PC- Programmen sehen. Die wissenschaftliche Forschung bietet bisher keinen eindeutigen Beweis dafür, dass <strong>der</strong> Konsum gewalthaltiger Computerspiele zwangsläufig zu realen Gewalttaten führt. Nachgewiesen wurde lediglich eine Steigerung <strong>der</strong> aggressiven Neigung unmittelbar nach gewalthaltigen Spielen im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Spielen. Eine langfristige Aggressionssteigerung durch den Konsum von K<strong>illerspiele</strong>n wurde bisher nicht belegt. Viel eher ist eine Affinität gewaltbereiter Jugendlicher zu gewalthaltigen Computerspielen festzustellen. »K<strong>illerspiele</strong>« sind somit eher Symptom als Ursache. Daraus jedoch den Rückschluss zu ziehen, dass Jugendliche, die »K<strong>illerspiele</strong>« spielen, grundsätzlich gewaltbereiter sind, ist schwierig. Viele sozial engagierte Jugendliche (und auch Erwachsene) spielen <strong>der</strong>artige Spiele ohne auch nur im entferntesten ein Problem darin zu sehen und ziehen eine klare Grenze zwischen Spiel und Realität. In Fällen in denen die Nutzung von Gewaltspielen jedoch über das übliche Maß hinausgeht und zum wesentlichen Bestandteil <strong>der</strong> Freizeitgestaltung wird, besteht die Gefahr, dass die zwischenmenschliche Kontaktfreudigkeit abnimmt und vorhandene Defizite im Selbstwertgefühl und mangelnde Problembewältigungsstrategien noch verstärkt werden. Dies gilt grundsätzlich für alle Formen von Computerspielen. Reale Kontakte können nicht durch virtuelle Welten ersetzt werden. Hier sind Eltern, Pädagogen und an<strong>der</strong>e Erziehungsverantwortliche gefragt, Hilfestellungen und Alternativen zu bieten. Durch Politik und Medien wurde nach Emsdetten ein generelles Verbot sogenannter »K<strong>illerspiele</strong>« gefor<strong>der</strong>t. Ein solches Verbot wäre verfassungsrechtlich möglich, ob es jedoch auch sinnvoll ist, sei dahingestellt. Das Kopieren von Musikstücken, Filmen o<strong>der</strong> Programmen ist verboten und unter Strafe gestellt, ein Umstand, <strong>der</strong> Jugendliche jedoch nicht davon abhält, sich diese Inhalte von zentralen o<strong>der</strong> dezentralen Filesharing-Servern im Internet herunter zu laden und zu nutzen. Solange diese Spiele in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen als »cool« gelten, kann einen <strong>der</strong> Glaube, mit einem generellen Verbot die Nutzung dieser »K<strong>illerspiele</strong>« wirksam einzudämmen, eher zum Schmunzeln bringen. Praktisch jedes <strong>der</strong>zeit auf dem Markt befindliche Computerspiel ist über das Internet verfügbar. Die Rechtslage Computerspiele, die gegen Vorschriften des § 131 Strafgesetzbuches (StGB) verstoßen, unterliegen einem absoluten Verbreitungsverbot: § 131 StGB (1) Wer Schriften: (Schriften stehen Ton- und Bildträgern, Datenspeichern, Abbildung und an<strong>der</strong>en Darstellungen gleich), die grausame o<strong>der</strong> sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen o<strong>der</strong> menschenähnliche Wesen in einer Art schil<strong>der</strong>n, die eine Verherrlichung o<strong>der</strong> Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt o<strong>der</strong> die das Grausame o<strong>der</strong> Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, 1. verbreitet, 2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt o<strong>der</strong> sonst zugänglich macht, 3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt o<strong>der</strong> zugänglich macht o<strong>der</strong> 4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen o<strong>der</strong> auszuführen unternimmt, um sie o<strong>der</strong> aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne <strong>der</strong> Nummern 1 bis 3 zu verwenden o<strong>der</strong> einem an<strong>der</strong>en eine solche Verwendung zu ermöglichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr o<strong>der</strong> mit Geldstrafe bestraft. Abgabeverbote an Min<strong>der</strong>jährige Computerspiele, die in <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> jugendgefährdenden Medien <strong>der</strong> Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPfM) aufgenommen sind o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendliche in ihrer Entwicklung schwer gefährden, dürfen in <strong>der</strong> Öffentlichkeit nicht beworben werden. Die Abgabe darf an Erwachsenen nur so erfolgen, dass Kin<strong>der</strong> und Jugendliche darauf nicht zurückgreifen können. Abgabe an Min<strong>der</strong>jährige gemäß Altersfreigabe: Computerspiele, <strong>der</strong>en Inhalte nicht Jugendgefährdend sind,aber Kin<strong>der</strong> und Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigen können, erhalten nach einer Prüfung durch die UnterhaltungssoftwareSelbstkontrolle (USK) eine Altersfreigabe <strong>der</strong> Obersten Landesjugendbehörden.