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Grundschule aktuell 99

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Heft Nr. <strong>99</strong> • III. Quartal • September 2007 • Best. Nr. 6034 • D9607F<br />

Grundschulverband – Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong> e. V. • Niddastraße 52 • 60329 Frankfurt/Main • Tel. 0 69 / 77 60 06 • www.grundschulverband.de<br />

Kinder vermessen?<br />

VERA und die<br />

Unterrichtskultur


Editorial<br />

Kinder<br />

vermessen?<br />

Ob das sinnvoll ist und notwendig oder gar förderlich? Anhand der VERgleichsArbeiten<br />

(VERA), die demnächst schon bundesweit verbindlich sein<br />

werden, diskutieren wir (nach den Heften 89 und 90) bereits in einem dritten<br />

Heft: Ausführlich und argumentativ, anschaulich und konkret. Wir fragen<br />

diesmal schärfer nach den Auswirkungen von VERA auf eine Kindern<br />

freundliche und ihr Lernen und Leisten herausfordernde Unterrichtskultur<br />

– wie IGLU belegt hat, ein Qualitätsmerkmal gerade der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Ist VERA also ein vermessenes Anliegen von Bildungspolitik und Ministerialbürokratie?<br />

Lesen Sie dazu die Thesen von Horst Bartnitzky auf den<br />

S. 3 f. sowie seinen fachbezogenen Beitrag zu »VERA Deutsch« (S. 5 ff.),<br />

gefolgt von einem Artikel von Ulrich Schwätzer, der sich mit den VERA-<br />

Aufgaben für Mathematik auseinandersetzt (S. 11 ff.).<br />

Alternative: Pädagogische Leistungskultur<br />

Der Grundschulverband belässt es nicht bei grundsätzlicher und detaillierter<br />

Kritik der um sich greifenden Testerei. Er greift die Praxis vieler Kolleginnen<br />

und Kollegen auf und formuliert daraus sein Konzept »pädagogischer<br />

Leistungskultur«, das inzwischen in mehreren Veröffentlichungen<br />

fundiert und praxistauglich vorgelegt wurde. Wie dieses Alternativprogramm<br />

Eingang finden kann in Ihre konkrete Arbeit – dazu finden Sie<br />

Anregungen für die »VERA-Fächer« Mathematik und Deutsch in unseren<br />

Praxisbeiträgen auf den S. 16 ff.<br />

Erwin-Schwartz-Grundschulpreis<br />

Im Mai bereits erhielt Heide Bambach den Erwin-Schwartz-Grundschulpreis,<br />

erst in diesem Heft kann darüber berichtet werden (S. 26 ff.). Prof.<br />

Dr. Jörg Ramseger (FU Berlin) gratulierte uns zur Wahl der ersten Preisträgerin,<br />

seine Zeilen spannen den Bogen zum Thema unseres Heftes – und<br />

zu unserem gemeinsamen Anliegen:<br />

»Heide Bambach verkörpert in bewundernswerter Weise einen in einer höchst<br />

reflektierten Pädagogik gegründeten Widerstandsgeist gegen alle Verflachungstendenzen<br />

einer technokratischen Bildungspolitik, die mehr und mehr<br />

um sich greift. Gegen die überzogenen Hoffnungen einer simplen Machbarkeit<br />

von Leistungssteigerung bei Kindern und Heranwachsenden setzt sie unverdrossen<br />

auf die Wirkungen einer von wechselseitiger Achtung und intellektueller<br />

Forderung gekennzeichneten Humanität, die schon dem kleinen Kind<br />

tiefgründige Einsicht und gutes soziales Verhalten zutraut und zumutet.«<br />

Ulrich Hecker<br />

Impressum<br />

, die Zeitschrift des Grundschulverbandes erscheint<br />

viertel jährlich und wird allen Mit glie dern zugestellt.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft kostet 5 €;<br />

für Mitglieder und bei Sam mel be stel lun gen ab 10 Hefte 3 € (incl. Versand).<br />

Verlag: Grundschulverband – Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong> e. V.<br />

Niddastraße 52, 60329 Frankfurt / Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80;<br />

Internet: www.grundschulverband.de, E-Mail: info@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Horst Bartnitzky (für den Vorstand des Grundschulverbandes)<br />

Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers, Tel. 0 28 41 / 2 17 14,<br />

E-Mail: ulrichhecker@aol.com<br />

Fotos: Bert Butzke, Mülheim/Ruhr (Titel), Baldur Bertling und Marlies Hergarten<br />

(S. 26 – 29) sowie jeweilige Autor/innen<br />

Zeichnungen: Wilhelm Nüchter, Moers (Titel, S. 1)<br />

Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung, Publikationen GmbH,<br />

Bödekerstr. 73, 30161 Hannover, Tel. 05 11 / 9 61 69 – 11, Fax: 05 11 / 9 61 69 – <strong>99</strong><br />

Anzeigenverwaltung: Claudia Klinger, Verlagsgruppe Beltz, Tel. 0 62 01 / 6 00 73 86,<br />

Fax 0 62 01 / 6 00 73 93<br />

Druck: Druck Partner Rübelmann, 69502 Hemsbach<br />

ISSN 1860-8604<br />

Beilagen: Aulis Verlag Deubner GmbH & Co KG, Köln und als ständige Beilage<br />

»Eine Welt in der Schule«<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

1


Tagebuch<br />

Durchgefallen: Sprachtest in NRW<br />

Bernhard Eibeck<br />

Jahrgang 1953,<br />

Diplompädagoge,<br />

Referent für Jugendhilfe<br />

und Sozialarbeit<br />

beim Hauptvorstand<br />

der Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

(GEW).<br />

Ein anhaltend hoher und Besorgnis erregender Prozentsatz<br />

von Kindern beginnt die Schule, ohne hinreichend<br />

Deutsch zu können. Allenthalben spielt deshalb die<br />

Sprachförderung in Kindertagesstätten eine immer<br />

größere Rolle. Um herauszufinden, welche<br />

Kinder besonderen Förderbedarf haben, bemüht<br />

man sich, Testverfahren zu entwickeln – nicht<br />

nur in Nordrhein-Westfalen, dort aber besonders<br />

ehrgeizig. Man will nicht erst ein Jahr vor der<br />

Schule ansetzen, sondern schon drei Jahre früher<br />

und flächendeckend. So wurden im März 2007<br />

in NRW alle vierjährigen Kinder einem Sprachtest<br />

unterzogen. Das Ergebnis: von 145 000 Kinder<br />

sind 95 000 durchgefallen. War der Test zu<br />

schwer oder die Kinder zu dumm? Nein – der Test<br />

war schlecht, ein Armutszeugnis der Pädagogik.<br />

Der NRW-Test Delfin 4 (»Diagnostik, Elternarbeit und Förderung<br />

der Sprachkompetenz 4-Jähriger in NRW«) besteht aus<br />

drei Teilen. Im ersten Teil wird ein Brettspiel »Besuch im<br />

Zoo« gespielt. Vier Kinder sitzen an vier Seiten eines Tisches,<br />

an zwei sich gegenüberliegenden Ecken nehmen<br />

eine »Begleiterin« und eine »Protokollantin« Platz. Die<br />

eine ist Grundschullehrerin, die andere Erzieherin. In der<br />

Mitte liegt ein bunter Spielplan, der einen Zoo darstellt.<br />

Mit einem farbigen Spielstein bewegen sich die Kinder<br />

der Reihe nach durch den Zoo und kommen dabei auf<br />

Felder, auf denen sie Fragen beantworten und Aufgaben<br />

lösen müssen. So gibt es z. B. den Aufgabenbereich »Sätze<br />

nachsprechen«. Die »Begleiterin« hat zu sagen: »Ich sage<br />

dir jetzt etwas vor und Du sprichst es mir genauso nach.«<br />

Dann wird der nachzusprechende Satz vorgelesen: »Die<br />

Decke wird von Tim ordentlich gefaltet« oder »Kemal ist<br />

wütend, wenn sein Bruder das Turnzeug vergisst«. Jetzt<br />

soll ein Kind, und zwar ausschließlich das Kind, das an der<br />

Reihe ist, den Satz nachsprechen. Ansonsten ist Schweigen.<br />

Allenfalls darf die »Begleiterin« die Aufgabe mit »neutralen<br />

Verstärkern« (»hmm« oder »ja«) bestätigen. Wenn<br />

die Aufgabe erledigt ist, wird jedes Kind unabhängig vom<br />

Ergebnis gelobt – z. B. »Das hast Du gut gemacht«. Wenn<br />

ein Kind unsicher ist und nachfragt, ist die angeordnete<br />

Reaktion der Satz »Mach einfach weiter so!«. Für das richtige<br />

Nachsprechen gibt es Punkte, macht das Kind Fehler,<br />

gibt es Punktabzug. Die Methode des Fehlerabzugs ist<br />

klar geregelt. Wenn z. B. das Wort »einen« ausgesprochen<br />

wird wie« ein’n« gibt es statt acht nur sieben Punkte. Mit<br />

neun Punkten wird belohnt, wer den Satz »Wenn der Wind<br />

regnet, pustet er kleine blaue Schneeflocken«, so sinnlos<br />

und falsch wie er ist, exakt nachspricht. Eine weitere<br />

Testaufgabe ist das Nachsprechen von Kunstwörtern wie<br />

Sumapp (mit Betonung auf dem u) oder Golasimu (hier<br />

muss das i betont werden).<br />

Am Ende hat man für jedes Kind einen Punktwert, der<br />

Auskunft darüber gibt, ob es eine ausreichende Sprachkompetenz<br />

hat oder Förderung braucht.<br />

Delfin 4 ist ein dramatischer und unverantwortlicher<br />

Rückfall in eine direktive, autoritäre, das Kind zu Testobjekten<br />

degradierende Pädagogik aus den tiefen 60er Jahren.<br />

Schon der Testaufbau macht deutlich: Hier geht es<br />

nicht um die Kinder, sondern um den stringenten Vollzug<br />

einer Prüfung.<br />

Die Kinder werden nicht spielerisch herausgefordert, ihre<br />

Sprachfähigkeit zu zeigen, sondern in ein enges Korsett<br />

eines Versuchsaufbaus hineingezwängt. Das Tragische<br />

ist, dass man den Kindern noch nicht einmal sagt, dass<br />

sie geprüft werden sollen. Man tut so, als wolle man mit<br />

ihnen zusammen ein Spiel spielen, verbietet ihnen aber<br />

alles, was zum Spielen gehört: Sich austauschen, Späße<br />

machen und Spaß haben.<br />

Ihnen zur Seite sitzen Erwachsene, die sich merkwürdig<br />

künstlich verhalten. Sie lesen Sätze vor in einer deutschen<br />

Hochsprache, die man sonst so von ihnen nicht hört. Was<br />

sollen die Kinder davon halten? Sich kaputt lachen über<br />

soviel Gekünstel oder Angst bekommen, weil alles so<br />

fremd ist?<br />

Delfin 4 erlaubt keine Abweichung, keine Kreativität, keine<br />

Neugier. Delfin 4 macht den Kindern vor, man wolle<br />

spielen und verbietet ihnen genau das. Bloß nichts falsch<br />

machen, jede Silbe zählt. Es offenbart sich ein furchtbar<br />

enges Verständnis von Bildung, das sich festmacht an<br />

Items, Kriterien und Merkmalen einer bürgerlichen Welt<br />

von Korrektheit, Disziplin und Genauigkeit.<br />

Man kann nur hoffen, dass die Delfin-4-Autorinnen und<br />

-Autoren nach den ersten Erfahrungen den Test einer<br />

gründlichen Revision unterziehen und sich auf die guten<br />

Traditionen einer ganzheitlichen, dem Kind verpflichteten<br />

Pädagogik besinnen.<br />

Bernhard Eibeck<br />

Referent für Jugendhilfe beim GEW-Hauptvorstand<br />

2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

Wie Vergleichsarbeiten die Unterrichtskultur<br />

beschädigen – 5 Thesen und eine Hoffnung<br />

von Horst Bartnitzky, Vorsitzender des Grundschulverbandes<br />

An zwei Tagen im Mai 2008 werden alle Klassenlehrer<br />

in Deutschland an ihre 3. Klassen<br />

die gleichen Testbögen für Deutsch und<br />

Mathematik austeilen, die Kinder beaufsichtigen,<br />

die Arbeiten auswerten und die<br />

Ergebnisse in den Rechner geben. Das wird<br />

der Auftakt zu den jährlichen Testtagen im<br />

Mai in allen 3. und 8. Klassen der Republik<br />

sein. Einige Jahre hat der Grundschulverband<br />

die Entwicklung der flächendeckenden Tests<br />

in mehreren Bundesländern kritisch verfolgt.<br />

(1) Die Erkenntnisse sind nicht erfreulich.<br />

(2)<br />

1<br />

Die Bildungsinhalte werden<br />

drastisch verkürzt.<br />

PISA war im Jahr 2001 das schulpolitische<br />

Alarmsignal. Die Kultusministerkonferenz<br />

beschloss umgehend, die PISA-Scharte rasch<br />

auszuwetzen. Output-Steuerung galt und<br />

gilt seitdem als eine der wichtigsten Maßnahmen.<br />

Das heißt: Bildungsstandards für<br />

Schulstufen definieren und jährlich den Erfolg<br />

testen. Im Zentrum der Output-Beobachtung<br />

liegen die Bereiche, die in den internationalen<br />

Tests besonders im Blickpunkt<br />

stehen. Deshalb gibt es die Bildungsstandards<br />

nur für Deutsch und Mathe und nur<br />

auf diese Fächer beziehen sich die Tests.<br />

Damit werden alle anderen Fächer wie<br />

Sachunterricht, Musik, Kunst, Sport der<br />

schulpolitischen und der öffentlichen Aufmerksamkeit<br />

entzogen. Hier droht Brachland<br />

zu entstehen. In der Folge werden nachwachsende<br />

Generationen Events für Kultur<br />

halten.<br />

Demokratisches Lernen, Friedenserziehung,<br />

Umwelterziehung, neue Medien und<br />

anderes waren vor Jahr und Tag noch wichtige<br />

überfachliche Felder, zu denen in den<br />

Ländern Fortbildungen angeboten, Materialien<br />

entwickelt und Projekte angestoßen<br />

wurden. Als seien sie über Nacht unwichtig<br />

geworden, spielen sie höchstens noch eine<br />

Randrolle.<br />

Selbst in den getesteten Fächern begrenzen<br />

sich die Tests auf Ausschnitte. In Deutsch<br />

z. B. sind wesentliche Arbeitsfelder wie miteinander<br />

sprechen, szenisch spielen, Texte<br />

überarbeiten, Sprache untersuchen, Kinderliteratur<br />

lesen, mit Texten produktiv umgehen<br />

mit den schlichten Aufgabenformaten der<br />

flächendeckenden Tests nicht erfassbar.<br />

Fazit: Die Tests verstärken das Inter esse<br />

an wenigen ausgewählten Fächern, die<br />

im Fokus der internationalen Untersuchungen<br />

liegen. Hier testen sie einige<br />

Bereiche in der kognitiven Dimension<br />

mit einfachen Aufgabenstellungen.<br />

Überfachliche Bildungsansprüche, andere<br />

Lern dimensionen und komplexe Aufgabenstellungen<br />

bleiben ausgeklammert<br />

und drohen, zu schulischen Nebensachen<br />

zu werden.<br />

2<br />

Die Mittel-Zweck-Relation verdirbt<br />

das Bildungsverständnis.<br />

Schon im Begriff der Output-Steuerung wird<br />

ein verhängnisvoller doppelter Irrtum sichtbar.<br />

Der erste Irrtum: Output ist ein Begriff<br />

aus technischen Arbeitsabläufen. Vom angestrebten<br />

Ergebnis her wird der Arbeitsprozess<br />

konstruiert. Zuerst der Zweck, dann die dahin<br />

führenden Mittel. Dieses Bild technischer<br />

Produktion widerspricht dem Bildungsprozess.<br />

Die Qualität der Prozesse ist hier selber<br />

bildungswirksam. Auf welche Weise Kinder<br />

etwas lernen ist zumindest so bedeutsam<br />

wie das, was sie lernen.<br />

Der zweite Irrtum betrifft die Steuerung.<br />

Technische Vorgänge sind im Prinzip<br />

steuerbar, Handlungen von Menschen sind<br />

es nicht. Sie dürfen es auch nicht, weil dies<br />

unserer Ethik von der Würde des Menschen<br />

widerspricht. Bildungsprozesse sind Entwicklungsprozesse<br />

junger Menschen und es<br />

sind Förderprozesse professionell Lehrender.<br />

Beide sind nicht steuerbar, bei beiden bedarf<br />

es der inneren Zustimmung zu einer Handlung,<br />

sonst entwickelt sich kein Bildungsprozess.<br />

Dies zusammen zu bringen ist die hohe<br />

Kunst der Lehrenden. Günstige Bedingungen<br />

dafür zu schaffen, die Pflicht der Schulpolitik.<br />

3<br />

Die<br />

Fazit: Die Entscheidung für Tests als bevorzugtes<br />

Evaluierungsinstrument unterstellt<br />

für Lernprozesse ein technizis tisches<br />

Paradigma: die Unterrichtsprozesse<br />

werden auf die Vermittlung von überprüfbaren<br />

Zielen reduziert. Damit wird der<br />

Blick auf nachhaltig wirksame und qualifizierende<br />

Bildungsprozesse verstellt,<br />

die Auswirkungen auf Selbst-, Sozial- und<br />

Sachkompetenzen außerhalb von Papier-<br />

Bleistift-Evaluierungen haben.<br />

tatsächlichen Schülerleistungen<br />

werden verkannt.<br />

Kinder sind nicht Objekte der Belehrung, sondern<br />

Subjekte ihres Lernens. Als guter Unterricht<br />

gilt deshalb zu Recht ein Unterricht, der<br />

genau dies unterstützt: die Fähigkeiten zum<br />

selbstständigen Lernen mit dem Angebot<br />

verschiedener Zugriffsmöglichkeiten und<br />

Lernmethoden. Lernkompetenz ist deshalb<br />

ein didaktischer Schlüsselbegriff. Verbunden<br />

mit der individuellen Eigenleistung jedes Lernens<br />

gilt das didaktische Interesse insbesondere<br />

dem Lernweg der Kinder, ein Weg auch<br />

mit eigenständigen Lösungsstrategien, mit<br />

scheinbaren Rückschritten, mit Übergeneralisierungen<br />

als wichtigen Etappen auf dem<br />

Lernweg. In den praktizierten Tests ist von<br />

einem solchen Verständnis nichts zu erkennen.<br />

Hier gilt das Gebot der Ökonomie. Die<br />

Kinder sollen möglichst wenig selbst schreiben,<br />

dafür ankreuzen und unterstreichen.<br />

Gedankenwege und Lernstrategien, die dem<br />

Ankreuzen zu Grunde liegen, werden nicht<br />

ermittelt. Die Tests und ihre Auswertung lassen<br />

nicht zu, dass die Denkakte der Kinder<br />

zum Vorschein kommen.<br />

Entscheidende Informationen über tatsächliche<br />

Schülerleistungen werden nicht erfasst,<br />

häufiger werden sogar faktische Schülerleistungen<br />

als Fehlleistungen moniert.<br />

(Siehe hierzu in diesem Heft die Kommentare<br />

zu den VERA-Tests Deutsch S. 5 ff und<br />

Mathematik S. 11 ff.)<br />

Fazit: Die Tests nehmen Lerner in ihren Denkvorgängen<br />

nicht wahr, sondern ermitteln<br />

Antworten auf der Aussageoberfläche.<br />

Damit können sie keine Aussage zur<br />

Denkqualität, zu den individuellen Denkstrategien<br />

und Lösungswegen der Kinder<br />

machen. Mithin reduziert sich auch die<br />

Möglichkeit erheblich, Schlüsse für individuelle<br />

Maßnahmen zu ziehen.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

3


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

4<br />

Die Aufgabenstellungen berühren<br />

viele Kinder nicht.<br />

Kinder zeigen ihre Leistungsfähigkeit, ihre<br />

Kompetenzen dann, wenn es um Inhalte und<br />

Ziele geht, die sie interessieren, die sie angehen,<br />

an deren Erarbeitung ihnen gelegen ist,<br />

zu denen sie bereits ein Vorwissen haben, wo<br />

sie Neues mit Vertrautem in Zusammenhang<br />

bringen können. Wo dies nicht per se gegeben<br />

ist, besteht die Unterrichtskunst gerade<br />

darin, entsprechende Zusammenhänge zu<br />

schaffen, Interessen zu animieren, Fragehorizonte<br />

zu entwickeln. Begründungen dafür<br />

finden sich von den Theorien der Reformpädagogik<br />

bis zu empirischen Befunden der <strong>aktuell</strong>en<br />

Hirnforschung.<br />

Die vorhandenen Leistungstests repräsentieren<br />

aber das genaue Gegenteil. Sie<br />

stellen Texte und Aufgaben vor, die für Kinder<br />

oft fremd sind. Die Aufgabenstellung<br />

und die Art der Testdurchführung lassen gar<br />

nicht erst zu, dass die Kinder und Jugendlichen<br />

sich mit der Situation, um die es geht,<br />

vertraut machen, dass sie zu einer Fragehaltung<br />

kommen. Wenn wie bei VERA 2007<br />

die Drittklässler in dreißig Minuten zwei anspruchsvolle<br />

Texte lesen und dazu 15 Aufgaben<br />

bearbeitet müssen, dann ist schon aus<br />

Zeitgründen ein wirkliches Einlassen auf die<br />

Texte und ihren Kontext nicht möglich; wenn<br />

einer dieser Texte Restaurant-Erfahrungen<br />

voraussetzt, dann geht das an dem Weltwissen<br />

vieler Kinder vorbei. Die Kinder können<br />

nicht zeigen, was sie wirklich können.<br />

Fazit: Die Tests verwenden verfremdete<br />

Aufgabenstellungen. In den gewählten<br />

Lebensweltzusammenhängen kann sich<br />

immer nur ein Teil der Schüler wiederfinden.<br />

Das wirkt sich bei vielen, insbesondere<br />

jüngeren und kontextabhängig denkenden<br />

Kindern, nachteilig auf Interesse<br />

und Leistung aus.<br />

5<br />

Die Tests bestimmen das<br />

Curriculum und nicht<br />

das Curriculum die Tests.<br />

Die Schulpolitik wollte mit der Output-Steuerung<br />

die Tests als Leistungsbarometer einführen.<br />

Entsprechend werden die Testergebnisse<br />

gehandelt: als Anzeiger des <strong>aktuell</strong>en<br />

Bildungsstandes in den Schulen. Die Wissenschaftlergruppen<br />

sind in dieser Strategie offenbar<br />

gefangen. Eigentlich wissen sie, dass<br />

die Tests nur sehr begrenzte Ausschnitte aus<br />

dem spiegeln können, was als Bildungsstandards<br />

definiert wurde. Sie wissen auch, dass<br />

der Einmaltest keine verlässliche Auskunft<br />

über die Leistung einzelner Kinder auch in<br />

diesem Ausschnitt gibt, weil die Fehleranfälligkeit<br />

zu groß ist und erst die Menge der<br />

Probanden die Fehler vermutlich auszugleichen<br />

in der Lage ist. Eigentlich. Und im Kleingedruckten<br />

werden diese Relativierungen<br />

auch formuliert. Aber die faktische Wirkung<br />

ist eine andere: Die fachlich begrenzten Ergebnisse<br />

werden den Schulen und den Eltern<br />

so vorgelegt, als seien sie Aussagen zum<br />

Leistungsprofil der einzelnen Kinder; zum<br />

schulinternen Ranking werden die Leistungsprofile<br />

der Klasse und der Parallelklassen den<br />

Eltern vorgelegt, so in Nordrhein-Westfalen;<br />

die Politik bastelt an landesweiten Ranking-Modellen,<br />

bei denen die Klassen in der<br />

Rangfolge ihrer Testergebnisse öffentlich gemacht<br />

werden, in Nordrhein-Westfalen z. B.<br />

werden die 50 Besten öffentlich ausgelobt.<br />

Die Rollenverteilung ist damit geklärt: Die<br />

Tests zeigen die Leistungsprofile, Erfolge wie<br />

Defizite. Die Lehrkräfte haben die Erfolge zu<br />

stärken und die Defizite auszugleichen. Die<br />

Zeitvorgabe ist absehbar: der nächste Test<br />

folgt im Jahr darauf. Entsprechend wächst<br />

der Druck auf die Lehrkräfte, nun die in den<br />

Tests untersuchten Bereiche und Arbeitsweisen<br />

in den Mittelpunkt des Unterrichts zu<br />

rücken. Die Verlage bieten schon längst entsprechendes<br />

Schulungsmaterial an: »Bestens<br />

gerüstet für Vergleichsarbeiten!« – »Fit für<br />

Vergleichsarbeiten« sind nur einige der <strong>aktuell</strong>en<br />

Verlagsangebote.<br />

Testorientierter Unterricht wird damit<br />

zum Leitbild für Schulentwicklung.<br />

Der weitere Verlauf ist absehbar, auch<br />

weil Erfahrungen aus England und den USA<br />

hierzu vorliegen: In den USA gaben 80 % der<br />

Lehrer an, dass sie zunehmend mehr Zeit für<br />

getestete Fächer und weniger Zeit für nicht<br />

getestete Fächer aufwenden. In Staaten mit<br />

hohem Stellenwert der Tests steigen zwar<br />

jährlich die Leistungen in den getesteten<br />

Bereichen, unabhängige Tests belegen aber<br />

die Abnahme der Leistungen insgesamt (2,<br />

S. 208 f.).<br />

Fazit: Sowohl die Testautoren wie ihre Auftraggeber,<br />

die Schulpolitik der Länder,<br />

geben öffentlich generalisierend vor, mit<br />

den Testergebnissen die Leistungen der<br />

Kinder und der Schulen in den entsprechenden<br />

Lernbereichen zu spiegeln. Damit<br />

wird die begrenzte Aussagekraft der<br />

Tests zu einzelnen fachlichen Leistungen<br />

fälschlich in eine Allaussage über Qualität<br />

von Unterricht und Schule insgesamt<br />

umgemünzt. Die Folge ist, dass die mit<br />

schlichten Aufgabenformaten konstruierten<br />

Tests vorgeben, was und wie in<br />

den Schulen unterrichtet werden soll. Die<br />

Schulpolitik in den Ländern tritt damit<br />

ihren demokratisch legitimierten Auftrag,<br />

über Bildungsziele und -inhalte zu<br />

entscheiden, an die Testautorinnen und<br />

-autoren ab.<br />

Die Hoffnung<br />

Es muss nicht so schwarz kommen, wie ich<br />

es skizziert habe. Viel wäre schon gewonnen,<br />

wenn die Schulen und Lehrkräfte sich nicht<br />

vom Test-Hype infizieren lassen; wenn sie die<br />

Tests als das ansehen, was sie sind: nämlich<br />

als Momentaufnahmen mit all ihrer Ausschnitthaftigkeit<br />

und Zufälligkeit, aber auch<br />

als Ergänzung zu ihren eigenen Wahrnehmungen<br />

und Bewertungen – und keinesfalls<br />

mehr. Unterstützen kann sie dabei, was der<br />

Grundschulverband in seinem Projekt »Pädagogische<br />

Leistungskultur« an Materialien<br />

entwickelt hat, um die Leistungen der Kinder<br />

zu erkennen und zu würdigen, um ihre Lernwege<br />

zu begleiten und zu dokumentieren (3).<br />

Und dann bleibt noch die Hoffnung darauf,<br />

dass auch die Politik wahrnehmungs- und<br />

lernfähig ist.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Siehe: <strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>:<br />

H. 89 (2005): Kinder vermessen?, S. 3 – 20<br />

Heft 90 (2005): Kinder vermessen?<br />

– Die Diskussion geht weiter, S. 2 – 15<br />

Heft 92 (2005): Deutsch als Zweit sprache,<br />

darin S. 21 – 27<br />

4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

(2) ausführlich in: Horst Bartnitzky:<br />

Wie VERA und Verwandtes die Bildungsqualität<br />

beschädigen. In: Die Deutsche<br />

Schule 2 (2006), S. 201 – 213<br />

(3) Horst Bartnitzky / Angelika<br />

Speck-Hamdan (Hg.): Leistungen<br />

der Kinder wahrnehmen – würdigen<br />

– fördern. Frankfurt a. M.: Grundschulverband<br />

2004<br />

Horst Bartnitzky / Hans Brügelmann<br />

/ Ulrich Hecker / Gudrun Schönknecht<br />

(Hrsg.): Pädagogische Leistungskultur:<br />

Materialien für<br />

die Klasse 1 und 2. Frankfurt a. M.:<br />

Grundschul verband 2005<br />

Dies.: Pädagogische Leistungskultur:<br />

Materialien für die Klasse 3 und 4.<br />

Frankfurt a. M.: Grundschulverband 2006


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

VERA Deutsch 2007:<br />

»Alles Geschmackssache«? –<br />

Nein, auch eine Sache der Qualität!<br />

Vergleichsarbeiten VERA:<br />

hoher Aufwand – hohe Ziele<br />

Am Donnerstag, 10. Mai 2007, saßen<br />

in allen 3. Klassen von sieben Bundesländern<br />

die Kinder über demselben<br />

VERA-Test Deutsch. Eine halbe Stunde<br />

Zeit hatten sie, um zwei Texte zu lesen<br />

und dazu Fragen zu beantworten,<br />

eine halbe Stunde, um zu einem Bild<br />

als Schreibimpuls einen eigenen Text<br />

zu schreiben. Die Reihenfolge war frei<br />

gestellt. Klassenarbeitsbedingungen<br />

waren vorgeschrieben, keine Hilfestellungen<br />

erlaubt, aber emotionale<br />

Unterstützungen zugestanden, so die<br />

Anweisung an die aufsichtsführenden<br />

Lehrkräfte.<br />

Am Nachmittag desselben Tages<br />

mussten die Korrekturanweisungen<br />

aus dem Internet heruntergeladen<br />

werden. Mit deren Hilfe mussten in<br />

den folgenden Tagen die Arbeiten der<br />

Kinder von den Lehrkräften durchgesehen<br />

und die jeweiligen Ergebnisse<br />

Aufgabe für Aufgabe und Kriterium für<br />

Kriterium in mehrseitige Tabellen in<br />

den Rechner eingegeben und zur Auswertung<br />

an die Universität Landau geschickt<br />

werden. Termin: Anfang Juni.<br />

Das ganze aufwändige Verfahren<br />

soll<br />

– feststellen, welche Lernergebnisse<br />

die Kinder erreicht haben,<br />

– ermitteln, wo Stärken und Schwächen<br />

der Kinder liegen,<br />

– den Lehrkräften wertvolle Hinweise<br />

zum Förderbedarf geben,<br />

– den Schulen eine abgesicherte Bestimmung<br />

ihres Leistungsprofils<br />

geben und helfen, den Erfolg der<br />

pädagogischen Arbeit besser einzuschätzen,<br />

– landesweite Vergleichswerte ermitteln.<br />

Diese anspruchsvollen Zielsetzungen<br />

finden sich in der Elterninformation<br />

zu den Vergleichsarbeiten.<br />

Fachliche Grundlagen sollen die bundesweit<br />

geltenden Bildungsstandards<br />

der Kultusministerkonferenz sein.<br />

Der Aufwand ist immens – an Teststrenge<br />

für die Kinder, an Arbeitszeit<br />

für die Lehrerinnen und Lehrer und an<br />

Ansprüchen zu Sinn und Zweck der Unternehmung.<br />

Da ist die kritische Sicht<br />

auf die Aufgabenstellungen zwingend:<br />

■ Sind die Aufgaben qualitätsvoll genug?<br />

■ Repräsentieren sie wichtige Kompetenzbereiche?<br />

■ Helfen sie, den Förderbedarf zu klären?<br />

Im Folgenden versuche ich, Antworten<br />

zu finden. Dabei verwende ich<br />

neben fachdidaktischen Überlegungen<br />

Eindrücke und Meinungen beteiligter<br />

Lehrkräfte sowie Testausführungen<br />

von Kindern.<br />

Der 1. Lesetext: Von Geschmacksknospen<br />

und Umami-Geschmack<br />

In dreißig Minuten sollten die Drittklässler<br />

nacheinander zwei ganzseitige<br />

Texte erlesen und dazu insgesamt 15<br />

Aufgaben bearbeiten: durch Ankreuzen,<br />

Unterstreichen und freies Beantworten.<br />

Die Texte waren aus dem<br />

Inhaltsbereich Essen, Trinken, Schmecken<br />

entnommen. Der erste Lesetext<br />

– »Geschmäcker sind verschieden« –<br />

war ein Sachtext über die Sinne, die<br />

beim Essen eine Rolle spielen (s. Abb.<br />

rechts).<br />

Der Text hat es in sich: Er setzt<br />

beim Leser Weltwissen sowie elaboriertes<br />

sprachliches Wissen voraus.<br />

Schon der Plural Geschmäcker ist vielen<br />

Kindern unbekannt (im übrigen<br />

falsch: der Plural heißt Geschmäcke,<br />

Duden Rechtschreibung 24. Aufl.), erst<br />

recht das Zungenbrecher-Wort »Geschmacksknospen«.<br />

Dann die Fülle der<br />

für Kinder ungewöhnlichen zusammengesetzten<br />

Substantive, mehrfach<br />

mit Fugen-s, was bei der Zusammensetzung<br />

mit dem Grundwort Sinn zu<br />

zwei s führt, eine weitere Stolperstelle:<br />

Geschmacksarten, Geschmacksforscher,<br />

Geruchssinn. Jede Lehrerin<br />

weiß, wie schwächere Kinder allein<br />

an einem Wort wie Geschmacksarten<br />

hängen bleiben: Geschmack kennen<br />

sie, aber was sind Sarten? Und dann<br />

die Geschmacksrichtung »umami«,<br />

mit Sternchen versehen, die Erklärung<br />

steht unten auf der Seite. Sternchen-<br />

Verweise sind in Grundschultexten<br />

ganz unüblich, die meisten Drittklässler<br />

werden diese Leseweise noch nicht<br />

kennen. Kurz: Der Text ist gespickt mit<br />

Leseschwierigkeiten, wie er in dieser<br />

Weise in wohl keinem Schulbuch der<br />

Klasse 3 vorkommt und vermutlich<br />

auch behördlich nicht genehmigt würde,<br />

zu Recht. Langsamere Leser, Kinder<br />

mit begrenztem Wortschatz macht der<br />

Text bereits bei den ersten Zeilen mutlos.<br />

Eine Lehrerin bemerkt dazu: Ȇberforderung<br />

und Entmutigung!«<br />

Im Aufgabenheft steht der Text<br />

auf S. 3, dann müssen die Kinder umblättern,<br />

um auf S. 4 und 5 die sieben<br />

Aufgaben zum Text zu beantworten.<br />

Natürlich müssen und sollen die Kinder<br />

bei der Beantwortung der Fragen nun<br />

zum Text zurückblättern, die Stelle suchen,<br />

die zur Antwort weiterhilft, sie<br />

behalten und zur Aufgabe wieder weiterblättern.<br />

Eine zusätzliche unnötige<br />

Erschwernis.<br />

von<br />

Horst<br />

Bartnitzky<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

5


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

Zur Antwort hat das Kind in dem<br />

schwierigen Text die richtige Belegstelle<br />

gefunden und hier wiedergegeben.<br />

Bei der Testauswertung gilt die Antwort<br />

aber als falsch, weil sie wörtlich<br />

zitiert und den Sachverhalt nicht »mit<br />

eigenen Worten« wiedergibt. Die offenkundige<br />

Leistung des Kindes ist hier<br />

irrelevant, so als habe das Kind falsch<br />

geantwortet oder die Aufgabe gar nicht<br />

erledigt. Dabei geht es doch um Leseverständnis,<br />

nicht aber um die Formulierungskunst.<br />

Die Intention »Texte mit<br />

eigenen Worten wiedergeben« in den<br />

Bildungsstandards bezieht sich eben<br />

auf Texte und dies hat funktional einen<br />

Sinn, wenn Kinder ihr Verständnis<br />

von einem Text erklären, wenn Texte<br />

zusammengefasst oder miteinander<br />

in Beziehung gesetzt werden, wenn<br />

Kinder sich über eine Lektüre anderen<br />

mitteilen und dabei auch den Text auf<br />

ihre Weise wiedergeben.<br />

Einzig die 3. Antwort wird als richtig<br />

gewertet. Das ist von der Textintention<br />

her auch richtig. Aber was ist, wenn die<br />

Kinder die 2. Antwort oder die 4. ankreuzen?<br />

Dann wäre doch interessant<br />

zu erfahren, warum sie so angekreuzt<br />

haben. Tatsächlich enthält der Text ja<br />

Anregungen für einen Sinnestest und<br />

wenn die Kinder im Unterricht zuvor<br />

Sinnestests durchgeführt haben,<br />

könnten sie diesen Zusammenhang<br />

herstellen, was Kinder auch tatsächlich<br />

tun. Der Text vermittelt zudem »wichtige<br />

Regeln zum Essen«, nicht im Verständnis<br />

der Handlung essen, sondern<br />

im Verständnis des Nomens Essen als<br />

Ereignis: wie das Essen zubereitet und<br />

präsentiert werden soll. Kinder haben<br />

aber gar keine Möglichkeit, für ihre<br />

Antwort zu argumentieren, weil die<br />

nötigen freien Antwortmöglichkeiten<br />

oder gar Befragungen, also Interviewsituationen,<br />

in solchen Massentests<br />

nicht objektiv auswertbar sind. Die<br />

Intention: »eigene Gedanken zu Texten<br />

entwickeln« aus den Bildungsstandards<br />

ist für VERA wohl nicht testfähig.<br />

Bei dieser Aufgabe wird versucht,<br />

die individuelle Leistung »zu Texten<br />

Stellung nehmen« aus den Bildungsstandards<br />

hervorzulocken. Die Aufgabe<br />

gilt als richtig gelöst, wenn ein<br />

Adjektiv verwendet und dazu eine<br />

passende / schlüssige Begründung geschrieben<br />

wird. Hier eine kleine Auswahl<br />

aus Kinderantworten:<br />

Ich finde den Text »schön und gut,<br />

weil ich was draus gelernt habe«.<br />

Ich finde den Text »schön, aber<br />

manche wörter schwer«.<br />

Ich finde den Text »schwirig, weil er<br />

so lang ist«.<br />

Ich finde den Text »dof, weil er<br />

schwirig zu verstehen ist«.<br />

Antworten allesamt, die von den<br />

Lehrerinnen offiziell als passend beurteilt<br />

wurden. Allerdings fragten sich<br />

die Lehrerinnen bei den ersten beiden<br />

Antworten, ob sie wirklich passend<br />

seien, weil der Text für die Kinder offenkundig<br />

zu schwierig war und sie<br />

wohl kaum etwas draus gelernt haben<br />

können. Die anderen Antworten dokumentieren,<br />

wie Kinder sich gegen die<br />

Zumutung des Textes wehren. Doch:<br />

Was sagen sie zum Leseverständnis der<br />

Kinder aus? Wichtig wäre zum Beispiel<br />

mit den Kindern die schweren Wörter<br />

herauszufinden, zusammengesetzte<br />

Wörter zu zerlegen, sie aus dem Kontext<br />

zu erklären, auch um der Intention<br />

der Bildungsstandards zu entsprechen:<br />

»bei Verständnisschwierigkeiten Verstehenshilfen<br />

anwenden …«.<br />

Wie sähe im übrigen das Ganze aus,<br />

wenn die Aufgaben sich an den Kompetenzzielen<br />

und den Arbeitsweisen<br />

der <strong>Grundschule</strong> orientieren würden?<br />

Der Text wäre bei gleichem Inhalt altersgemäß<br />

formuliert, wie dies die<br />

Bildungsstandards übrigens fordern<br />

(»altersgemäße Texte sinnverstehend<br />

lesen«). In Sachbüchern für Klasse 3, in<br />

Kinderlexika für die Altersgruppe sind<br />

entsprechende Texte zu finden. Der<br />

Text stünde neben den Aufgaben; die<br />

Kinder könnten zu einer Frage im Text<br />

die Belegstellen farbig markieren und<br />

dann die Frage mit demselben Farbstift<br />

beantworten. So einfach wäre das.<br />

Der 2. Lesetext:<br />

Von Räubertellern und Waffeln<br />

aus dem Allerheiligsten<br />

Der Text »Sonderpreis für einen leeren<br />

Teller« mit anschließenden acht Aufgaben<br />

war ein Zeitungsbericht über einen<br />

Wettbewerb für Kinder, die Vorschläge<br />

für die Speisekarte eines gehobenen<br />

Restaurants machen sollten (s. S. 7).<br />

Viele Lehrerinnen und Lehrer waren<br />

fassungslos, wieso innerhalb der<br />

halben Stunde für den Testteil Leseverständnis<br />

auch dieser zweite ebenfalls<br />

schwierige Text von den Drittklässlern<br />

noch zu bearbeiten war.<br />

Eine Begründung dafür findet sich in<br />

dem umfangreichen Begleitmaterial<br />

nicht. In Schulen mit Kindern aus leistungsschwächeren<br />

Mi lieus, mit hohem<br />

Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund<br />

konnte dieser Textteil<br />

von vielen Kindern auch kaum noch<br />

bearbeitet werden. »Die Mehrzahl meiner<br />

Schüler«, so eine Lehrerin, »hat bei<br />

dem zweiten Text aufgegeben oder nur<br />

noch eine Frage beantwortet. Schließlich<br />

lag vor dieser Anstrengung schon<br />

das Schreiben einer Geschichte und die<br />

frustrierende Beschäftigung mit dem<br />

ersten Lesetest.«<br />

Der Text ist im typischen Zeitungsjargon<br />

für Erwachsene geschrieben.<br />

Tageszeitungen gehören aber nicht zu<br />

den Medien, die Kinder lesen; der Jargon<br />

ist ihnen mithin fremd. Ebenso<br />

fremd und hier befremdend sind den<br />

Nichtberlinern die örtlichen Namen<br />

wie Potsdamer Platz oder Kreuzberg.<br />

Was ist denn, fragen sich Kinder, eine<br />

Kreuzberger Schülerin? Vielen Kindern<br />

aus armen Milieus sind die Eigenheiten<br />

von Restaurants unbekannt, mit Speisekarte,<br />

Portionen, Wendungen wie<br />

Spagetti à la Frisbee sowie Redeweisen<br />

wie »im Allerheiligsten – der Konditorei<br />

…«. Wer das aus seiner bisherigen<br />

Lebenserfahrung nicht kennt, versteht<br />

auch nicht, worum es geht und wo die<br />

Pointe dieses Textes liegt.<br />

6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

Also: Das Nichtverstehen liegt nicht<br />

am Fehlen grundlegender Lesefähigkeiten,<br />

die in diesem Testteil doch untersucht<br />

werden sollten, sondern weil<br />

das vorhandene Weltwissen den Text<br />

nicht erschließen hilft. Wer meint,<br />

Kinder sollten solche unbekannten<br />

Gegebenheiten, Wendungen und Wörter<br />

eben aus dem Kontext erschließen<br />

können, übersieht, dass die Fülle dieser<br />

befremdlichen Textteile viele Kinder<br />

entmutigen muss. Und er übersieht,<br />

dass der VERA-Test sich nicht an Jugendliche<br />

wendet, sondern an achtoder<br />

neunjährige Kinder.<br />

Als richtig war die Antwort zu werten,<br />

wenn das 2., 3. und 5. Kästchen<br />

angekreuzt ist. Wurde ein Kästchen davon<br />

nicht angekreuzt, galt die Aufgabe<br />

als falsch beantwortet. Das heißt: Nur<br />

100 % gilt als richtig. Aber auch zwei<br />

richtige Kreuze gesetzt, zeigt doch eine<br />

Leseleistung. Ein leistungsstarkes Kind<br />

kreuzte zu den richtigen drei Feldern<br />

noch den Gutschein für die Kochmütze<br />

an, weil Marie eine Kochmütze bekam<br />

und die Kinder ein solches Gutschein-<br />

System z. B. vom Schulfest her kennen.<br />

Damit war die gesamte Antwort falsch.<br />

100 % oder Null.<br />

Der Korrekturanleitung nach durfte<br />

unterstrichen werden: Milchshake und<br />

Waffeln, auch erweitert: mixte sie in der<br />

Bar einen Schoko-Milchshake und Waffeln<br />

zu backen. Kinder unterstrichen<br />

Schoko-Milchshake für sich und ihren<br />

Papa, wohl weil<br />

diese Adressierung<br />

für sie direkt<br />

zum Getränk<br />

gehört. Solche<br />

emotionalen<br />

Bindungen von<br />

Drittklässlern<br />

sind bei dem<br />

Test aber nicht<br />

gefragt, also war<br />

die Antwort als falsch zu bewerten, obwohl<br />

doch aus dem schwierigen Text<br />

das richtige, nämlich Schoko-Milchshake,<br />

herausgelesen war. Wer nur eine<br />

der beiden Sachen unterstrich, also zu<br />

50 % die Aufgabe richtig gelöst hatte,<br />

wurde ebenfalls<br />

auf Null gesetzt:<br />

falsch.<br />

Die Antwort hierauf galt nur dann als<br />

richtig, wenn das Kind mindestens ein<br />

Gericht und einen lustigen Namen,<br />

einen Titel aufgeschrieben hatte. Die<br />

Erläuterung in den Korrekturanweisungen<br />

fordert, entgegen der Aufgabe<br />

im Test, eine Zweiteiligkeit: »Für eine<br />

richtige Lösung genügt es nicht«, so<br />

die Anweisung, »dass das Kind eine<br />

ungewöhnliche Kombination von Speisen<br />

beschreibt, das Gericht muss auch<br />

einen eigenen Titel / Namen haben.«<br />

Ein kurdisches Kind schrieb: »ein Ball<br />

als Schokolade«. Das war der Aufgabe<br />

nach richtig und trotzdem falsch, weil<br />

das Kind nicht den geforderten zweiteiligen<br />

Text geschrieben hatte. Nur<br />

– diese Korrekturanweisung konnte<br />

das Kind gar nicht kennen.<br />

Die Schreibaufgabe: Von Streichen,<br />

Hungerattacken und Werwölfen<br />

Wiederum dreißig Minuten bekamen<br />

die Kinder Zeit, um, angeregt<br />

von einem Bildimpuls, Ideen für eine<br />

Geschichte zu notieren und eine Geschichte<br />

zu erzählen.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

7


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

Horst Bartnitzky<br />

war Lehrer und Schulleiter, in der Lehrerfortbildung<br />

und der Schulaufsicht tätig.<br />

Zahlreiche Veröffentlichungen zur<br />

Deutschdidaktik.<br />

Autor und Herausgeber von Schulbüchern<br />

für Deutsch und Sachunterricht.<br />

Nach dieser Auftaktseite folgten im<br />

Aufgabenheft dreieinhalb DIN-A4-Seiten<br />

mit Lineatur. Am Ende der leeren<br />

Schreibseiten fand sich ein Diagramm<br />

mit den Tipps (s. rechts).<br />

Der Bildimpuls (Kind im Bademantel<br />

vor geöffnetem gefüllten Kühlschrank,<br />

nachts ein Uhr) enthält keinen Hinweis<br />

auf irgendeine dramatische Konstellation,<br />

die sich nun entwickeln könnte.<br />

Er ist also ein offener Impuls, zu dem<br />

die Kinder sehr unterschiedliche Geschichten,<br />

reale oder fantastische, mit<br />

sehr unterschiedlichen Inhalten schreiben<br />

könnten.<br />

Die Schreibhinweise enthalten fünf<br />

Angaben:<br />

– zur Textplanung: den Notizzettel<br />

für Ideen nutzen,<br />

– zum Leserbezug: interessant und<br />

abwechslungsreich,<br />

– zum Erzählmodus: spannend, lustig,<br />

gruselig oder überraschend,<br />

– zur Erzählzeit: Vergangenheit,<br />

– zu einer Einzelheit: neugierig machende<br />

Überschrift.<br />

Die Tipps auf der letzten Seite »können«<br />

weiterhelfen und es sind ausdrücklich<br />

»Tipps«, d. h. Modalverb und<br />

Nomen verweisen darauf, dass sie fakultativ<br />

genutzt werden können, nach<br />

Lust und Belieben. So weit die Vorgaben<br />

an die Kinder und das Wissen der<br />

Lehrkräfte beim Test.<br />

In schreibdidaktisch besonders geförderten<br />

Klassen hatten die Kinder<br />

keine besonderen Probleme, Ideen<br />

zu entwickeln und dann drauflos zu<br />

schreiben, so weit die dreißig Minuten<br />

der Testzeit ihnen dazu Raum gab und<br />

sie nicht durch die dreieinhalb leeren<br />

Seiten mit 96 freien Schreibzeilen blockiert<br />

wurden. Da schreibt Annett von<br />

Hungerattacken, die schließlich die<br />

ganze Familie vor dem Kühlschrank<br />

versammeln, da verwandelt sich bei<br />

Melina der Junge Tim, als er den Kühlschrank<br />

schließt, in einen Werwolf,<br />

bei Julienne kommt eine Fee aus dem<br />

Kühlschrank, Dennis beschreibt Angstfantasien,<br />

bei denen sich ein Geist zuerst<br />

in einen Bären und dann in einen<br />

dreiköpfigen Hund verwandelt, während<br />

Nele im Kühlschrank Möhren für<br />

ihr Pferd findet.<br />

Die Ergebnisse lesen sich wie ungeschliffene<br />

Diamanten: die fünf Schreibhinweise<br />

sind beachtet, die Aufforderung,<br />

abwechslungsreich zu schreiben,<br />

führte oft zu mehreren Episoden in<br />

der Geschichte, die unmittelbar aufeinander<br />

folgen. Was nun, nach den Erfahrungen<br />

der Kinder, hätte kommen<br />

müssen, ist das kritische Durchlesen<br />

des Textentwurfes – allein, mit dem<br />

Partner, im Schreibgespräch oder sogar<br />

in einer Schreibkonferenz.<br />

Was bei VERA für die Lehrkräfte<br />

folgt, ist die Korrekuranweisung, die<br />

erst am Nachmittag nach dem Test<br />

vom Computer freigegeben wird. Und<br />

in der stecken einige Überraschungen:<br />

Zum Schreibprozess<br />

Die Planungsüberlegungen auf dem<br />

Notizzettel werden in der Bewertung<br />

nicht berücksichtigt, so die Anweisung.<br />

Gerade in schreiborientierten<br />

Klassen haben Kinder hierauf einen<br />

guten Teil der dreißig Minuten verwendet,<br />

der sich nun als verschwendete<br />

Zeit herausstellt. »Viele Kinder hat es<br />

zu viel Zeit gekostet«, so eine Lehrerin,<br />

»den Notizzettel zu schreiben. Wenn<br />

wir gewusst hätten, dass dieser in der<br />

Bewertung völlig unerheblich ist, hätten<br />

wir den Kindern gesagt, sie sollen<br />

besser gleich anfangen zu schreiben.«<br />

Und grundsätzlicher: »Dieses Vorgehen<br />

im Aufgabenheft suggeriert<br />

ja einen natürlichen Schreibprozess<br />

… Diese Art, einen Text zu schreiben,<br />

hatte nichts gemein mit der üblichen<br />

Vorgehensweise im Unterricht: Wenn<br />

Kinder eine Idee entwickeln, einen Text<br />

entwerfen und diesen dann überarbeiten,<br />

dann geschieht das natürlich nicht<br />

innerhalb einer Schulstunde oder gar<br />

eines Tages. Die Kinder hatten keine<br />

Zeit, ihren Text noch einmal zu lesen,<br />

geschweige denn zu überarbeiten – was<br />

ansonsten ein besonders wichtiger Teil<br />

des Verfassens von Texten ist.«<br />

Diesen Vorbehalten ließe sich entgegenhalten,<br />

dass es sich bei dieser<br />

Schreibaufgabe um eine spontane<br />

Entwurfsfassung handelte. Anders ist<br />

die Aufforderung, zuerst Ideen zu sammeln,<br />

dann zu schreiben und in insgesamt<br />

dreißig Minuten fertig zu sein,<br />

auch nicht verständlich. Dann aber<br />

kam die zweite Überraschung, nämlich<br />

die Auflistung der Schreibkriterien.<br />

Zu den Schreibkriterien<br />

Auf zehn Seiten wurden 24 Schreibkriterien<br />

vorgeschrieben und mit Beispielen<br />

konkretisiert, nach denen die Kindertexte<br />

nun beurteilt werden sollten<br />

– mit der schlichten Alternative: Kriterium<br />

erfüllt – nicht erfüllt. Die Auflistung<br />

enthält so ziemlich alles, was<br />

zur Textbeurteilung in der <strong>Grundschule</strong><br />

am Ende möglich ist. Dabei finden sich<br />

die fünf Schreibhinweise und die doch<br />

eigentlich unverbindlichen Tipps, dazu<br />

weitere Kriterien wie abwechslungsreiche<br />

Adjektive oder wörtliche Rede.<br />

In einem Arbeitspapier für die Lehrkräfte<br />

wird die »kriterielle Beurteilung<br />

von Schreibprodukten« didaktisch und<br />

argumentativ ausgeführt. Als Vorteile<br />

werden genannt:<br />

– die Beurteilung sei dadurch transparent<br />

– sie sei objektiver als globale Einschätzungen<br />

– sie könne auch von den Kindern zur<br />

Planung und Überarbeitung genutzt<br />

werden.<br />

Das ist didaktisch richtig. Aber die<br />

Kriterien müssen sich redlicherweise<br />

auf die Schreibhinweise beziehen, die<br />

den Kindern bekannt gemacht wurden,<br />

besser: die mit ihnen für eine<br />

8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

Schreibsituation entwickelt wurden.<br />

Nicht aber auf das Füllhorn möglicher<br />

Kriterien. «Texte an der Schreibaufgabe<br />

überprüfen« ist denn auch die Intention<br />

der Bildungsstandards.<br />

Und wenn Kriterien verwendet werden,<br />

die nicht aus der konkreten Aufgabe<br />

erwachsen, dann müssen es solche<br />

sein, die unterrichtlich bereits bei<br />

anderen Texten entwickelt und erprobt<br />

wurden. Welche sind das denn gegen<br />

Ende des 3. Schuljahrs in den verschiedenen<br />

Klassen? Die Zeit normativen<br />

Aufsatzunterrichts ist mehr als dreißig<br />

Jahre vorbei und eine didaktische Renaissance<br />

nicht erkennbar. Heute gilt,<br />

auch in den Bildungsstandards, ein<br />

kompetenzentwickelnder Schreibunterricht.<br />

Der geht nicht von den Normen,<br />

sondern von den Kindern aus und<br />

vermittelt im Laufe der Zeit zwischen<br />

den Möglichkeiten der Kinder und anerkannten<br />

Gütekriterien. Zunächst<br />

aber haben die Kinder das Wort: Was<br />

gefällt ihnen an Texten anderer Kinder?<br />

Was würden sie ändern? Was schlagen<br />

sie als Änderung vor? Was erfüllt die<br />

Schreibaufgabe gut? Was kann noch<br />

verbessert werden? Die Lehrerin oder<br />

der Lehrer verfolgt die Vorschläge der<br />

Kinder und bringt sie mit wichtigen<br />

Gütekriterien für schriftliche Texte, für<br />

die Ansprüche der jeweiligen Schreibabsicht<br />

sowie der Textsorte zusammen.<br />

Dabei wird über die Grundschuljahre<br />

ein Repertoire an Beratungspunkten<br />

und Überarbeitungsmöglichkeiten<br />

entwickelt, mithin auch an Kriterien<br />

für die Beurteilung von Texten. Auf diesem<br />

Weg stehen die Kinder im Mai der<br />

3. Klasse.<br />

Als eine Bezugsliteratur wird in den<br />

Informationen für Lehrkräfte das Buch<br />

von Ingrid Böttcher und Michael<br />

Becker Mrotzek genannt: Texte bearbeiten,<br />

bewerten und benoten. Die Autoren<br />

warnen davor, zu viele Kriterien<br />

anzulegen und empfehlen eine Zahl<br />

zwischen zehn und fünfzehn (S. 53).<br />

Das etwa Doppelte davon ist bei diesem<br />

VERA-Test vorgesehen.<br />

Um die kriteriengeleitete Textanalyse<br />

den Lehrkräften nahezubringen, wird<br />

im Informationspapier ein Beispiel<br />

angegeben: eine Vermisstenmeldung.<br />

»Du hast ein Kuscheltier mit in die<br />

Schule gebracht. Plötzlich ist es verschwunden<br />

und du weißt nicht, wo es<br />

ist. Du bist traurig und möchtest es<br />

gerne wiederhaben. Daher schreibst du<br />

eine Anzeige für eure Schulzeitung.<br />

– Formuliere eine Vermisstenmeldung.<br />

– Beschreibe dein Kuscheltier so genau<br />

wie möglich.<br />

– Schreibe deine Meinung so, dass der<br />

Finder dir deinen Gegenstand ganz<br />

bestimmt wiedergibt.<br />

– Deine Vermisstenmeldung veröffentlichst<br />

du in der Schulzeitung<br />

unter ›Vermisst‹.«<br />

Erfahrungen einer Lehrerin mit dem VERA-Lesetest 2007<br />

Eine Schule im Stadtteil Tenever (90 % Migrantenfamilien)<br />

in Bremen – in einer Lerngruppe<br />

Klasse 3 und 4 wird im Kreis ein Brief vorgelesen,<br />

den ein ehemaliger Mitarbeiter aus<br />

Indonesien geschickt hat. Er berichtet anschaulich<br />

und spannend von den Waranen auf der<br />

Insel Komodo: »Die Menschen dort leben mit<br />

der Angst vor Waranen. Aber es ist auch gut,<br />

dass es sie gibt. So kommen viele Touristen<br />

auf die Insel und geben ihr Geld dort aus.« Kein<br />

Kind fragt nach einem unverstandenen Wort.<br />

»Möchte jemand das Wort »Touristen« erklärt<br />

kriegen?« Nur ein Kind meldet sich, alle anderen<br />

kennen es. Bei den Erklärungsversuchen<br />

der Kinder stellt sich dann allerdings heraus,<br />

dass alle an das Wort »Terroristen« gedacht<br />

haben. Nun entdecken sie ganz verwundert,<br />

dass die meisten selbst schon einmal Touristen<br />

waren. Mit dem zweiten Teil des Satzes geht es<br />

ähnlich. »… geben ihr Geld aus« bedeutet etwas<br />

anderes als »geben Geld« – das eine Mal verschenkt<br />

man Geld, das andere Mal kauft man<br />

sich Dienstleistungen oder Waren.<br />

Die kleine Szene zeigt, was typisch ist bei<br />

der Arbeit am Text mit Migrantenkindern. Zum<br />

Vokabelproblem und den Schwierigkeiten mit<br />

den Feinheiten der Grammatik und der Satzverknüpfungen<br />

kommt oft auch noch ein geringes<br />

Erfahrungs- und Weltwissen. Es genügt nicht,<br />

zu sagen: »Bitte lest genau und fragt, wenn ihr<br />

ein Wort nicht versteht!« Die Kinder glauben<br />

fast immer, verstanden zu haben und bemerken<br />

ihr falsches Verständnis oft gar nicht. Textverständnis<br />

gelingt oft nur im angeleiteten<br />

Gespräch. Das gilt besonders für Sachtexte.<br />

Für die hier beschriebenen Kinder war der<br />

VERA-Lesetest eine absolute Überforderung.<br />

In der Testsituation war es noch nicht einmal<br />

möglich, die Kinder thematisch auf die Inhalte<br />

und Absichten der beiden Texte hin zu orientieren.<br />

So scheiterten die ersten Kinder vermutlich<br />

schon an dem ersten Wort der Überschrift:<br />

»Geschmäcker« – diese Pluralbildung haben sie<br />

vermutlich noch nie gehört. Wer am Anfang<br />

durch ein Missverständnis auf die falsche Spur<br />

geraten ist, für den erschließt sich der Sinn des<br />

Textes überhaupt nicht.<br />

Eine Vielzahl von zusammengesetzten<br />

Nomen und Adjektiven stellte die Kinder vor<br />

Probleme, die Menschen mit deutscher Muttersprache<br />

sich wahrscheinlich kaum vorstellen<br />

können: Geschmacksknospen, Wangenschleimhaut,<br />

zusammenziehend, Gesamtgeschmack,<br />

farblos … Wer die enthaltenen Einzelwörter<br />

nicht schnell erkennt, für den handelt<br />

es sich um unverständliche Wortmonstren.<br />

»Geschmacksarten« – aus welchen Teilen ist<br />

das Wort zusammengesetzt? Was sind Sarten?<br />

(»Arten« gehört vermutlich nicht zum gut vertrauten<br />

Wortschatz). Und was heißt »far-blos«?<br />

Auch diese Wörter waren für die Kinder unbekannt:<br />

»Gaumen, Rhabarber, Gerichte, Düfte,<br />

prickelnd, knusprig, gluckert, beeinflusst fleischig,<br />

herzhaft«– und in den Fragen zum Text:<br />

»(eine Schorle) tut gut, Gewinner-Vorschläge«<br />

(die Kinder haben hier die Gewinnerin genannt)<br />

Wenn Sätze durch in Klammern eingeschobene<br />

Erklärungen unterbrochen werden oder<br />

nur verständlich werden, wenn man bei Sternchen<br />

unten die Erklärung liest, geht das Sinn-<br />

verständnis für unsere Kinder vollkommen verloren.<br />

Der Anteil von Fremdwörtern, seltenen Wörtern<br />

und Wörtern mit englischer Schreibweise<br />

im zweiten Text dürfte auch für Kinder mit<br />

deutscher Muttersprache schwierig sein: Favorit,<br />

Portionen, Konditorei, Milkshake, Frisbee,<br />

erstplatziert.<br />

Dieser zweite Text verlangte ein Vorwissen,<br />

das kein Kind bei uns hat: »Kreuzberg« ist<br />

ein Stadtteil von Berlin. »Berliner Morgenpost«<br />

ist der Name einer Zeitung. »im Allerheiligsten«<br />

– schon die eigentliche Wortbedeutung<br />

kennt kein Kind, erst recht kann niemand die<br />

hier gemeinte übertragene Bedeutung verstehen.<br />

»Spagetti à la Frisbee« – »à la« als Teil eines<br />

Gerichte namens ist vollkommen unbekannt.<br />

Wahrscheinlich waren auch nur wenige Kinder<br />

bisher überhaupt mit ihren Eltern je in einem<br />

Restaurant der hier geschilderten Art und können<br />

Maries Idee deshalb kaum nachvollziehen.<br />

Die Mehrzahl meiner Schüler hat bei dem<br />

zweiten Text aufgegeben oder nur noch eine<br />

Frage beantwortet. Schließlich lag vor dieser<br />

Anstrengung schon das Schreiben einer<br />

Geschichte und die frustrierende Beschäftigung<br />

mit dem ersten Lesetext. Ein kurdisches<br />

Kind hat trotzdem bis zur letzten Frage durchgehalten<br />

und als eigenen Vorschlag für ein<br />

lustiges Gericht für Kinder aufgeschrieben:<br />

»ein Ball als Schokolade«. Einen Punkt durfte<br />

ich ihm nicht dafür geben, denn es hatte für<br />

seine Idee keinen für eine Speisekarte üblichen<br />

»Titel« gefunden (was in der Aufgabe auch nicht<br />

verlangt war).<br />

Maria Rüppell<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

9


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

Die Verfasser dieser Lehrer-Information<br />

übersehen aber, dass es zwischen<br />

dem Bildimpuls Junge vor Kühlschrank<br />

und dieser Vermisstenanzeige einen<br />

grundlegenden Unterschied in der<br />

Aufgabenstellung gibt: Hier ist es eine<br />

enge Schreibaufgabe, klar in Adressierung,<br />

Schreibziel und Inhalten definiert;<br />

dort ist es ein offener Bildimpuls,<br />

der dem Kind außer der Eingrenzung<br />

auf die fünf Schreibhinweise eigene<br />

Entscheidungen über Inhalt und Gestaltung<br />

lässt.<br />

Fazit: Zum Kompetenzbezug,<br />

zur Aussagekraft, zur Einordnung<br />

Ich komme nun auf die drei Fragen vom<br />

Anfang zurück.<br />

Sind die Aufgaben didaktisch<br />

qualitätsvoll genug?<br />

Die Aufgaben zu den Lesetexten sind<br />

so eng geführt, dass Kinder keine<br />

Möglichkeit haben, ihre Antworten<br />

zu begründen, eigene Meinungen zu<br />

entwickeln und darzustellen, die Texte<br />

mit eigenen Erfahrungen in Beziehung<br />

zu setzen. Verhindert wird dies auch<br />

durch die Inhalte und Sprache der<br />

Texte, die auf bildungsorientierte Milieus<br />

hin ausgerichtet sind und nicht<br />

dem Weltwissen und den Sprachmöglichkeiten<br />

vieler Kinder entsprechen.<br />

Teilrichtige Antworten werden grundsätzlich<br />

als falsch bewertet, dadurch<br />

bleiben vorhandene Kompetenzstände<br />

unbeachtet.<br />

Die Schreibaufgabe scheint zunächst<br />

an Schreibprozess-Konzepten<br />

orientiert zu sein, verliert diese Qualität<br />

aber zugunsten einer normativ<br />

ausgelegten Textbeurteilung. Die Kinder<br />

werden hierbei in die Irre geführt,<br />

indem zu den Schreibhinweisen zahlreiche<br />

weitere Kriterien bei der Beurteilung<br />

ergänzt werden, die nicht Gegenstand<br />

der Textplanung waren. Der<br />

Entwurfcharakter ihrer Texte wird nicht<br />

beachtet.<br />

Die Qualität der Testaufgaben bleibt<br />

also hinter den Anforderungen zeitgemäßer<br />

Didaktik zurück, die Kinder in<br />

ihrem Denken ernst nimmt, ihre vorhandenen<br />

Kompetenzen würdigt und<br />

sie zum Ausgangspunkt des weiteren<br />

Lernweges macht.<br />

Repräsentieren die Aufgaben<br />

wichtige Kompetenzbereiche?<br />

In Ausschnitten ja. Aber wesentliche<br />

Bereiche sowohl beim Lesen als auch<br />

beim Schreiben sind in den Tests nicht<br />

präsent. Beim Lesen zum Beispiel geht<br />

es nur um informierende Texte, nicht<br />

aber um andere Textsorten oder um<br />

Kinderliteratur, bei den Texterschließungsverfahren<br />

werden wichtige Teilfähigkeiten,<br />

die hier durchaus möglich<br />

wären, nicht einbezogen, z. B. Verstehenshilfen<br />

anwenden, eigene Gedanken<br />

entwickeln, Stellung nehmen. Der<br />

Kompetenzbereich »Texte präsentieren«<br />

fehlt ganz.<br />

Beim Schreiben geht es nur um das<br />

Entwerfen eines Textes. Das Planen<br />

eines Textes wird durch ein Element<br />

repräsentiert, dann aber nicht einbezogen,<br />

der gesamte Kompetenzbereich<br />

»Texte überarbeiten« fehlt. Damit wird<br />

der Schreibprozess reduziert auf den<br />

spontan geschriebenen Entwurf, der<br />

dann aber mit einer Fülle normativer<br />

Kriterien beurteilt wird, die nicht zur<br />

Schreibaufgabe gehörten.<br />

Die Ausschnitthaftigkeit der Testinhalte<br />

ist hinzunehmen, weil in der<br />

möglichen Zeit durch einen Einmal-<br />

Test mehr nicht leistbar ist. Dann aber<br />

muss diese Ausschnitthaftigkeit auch<br />

geklärt und vermittelt werden. Diese<br />

Redlichkeit fehlt im gesamten Verfahren.<br />

Den Eltern wird zum Beispiel<br />

sowohl global zu »Leseverständnis«<br />

als auch zu »Schreiben« auf Grund der<br />

Testergebnisse das Leistungsprofil<br />

ihres Kindes mitgeteilt, auf einem von<br />

vier Niveaus von »keine auswertbare<br />

Leistung« bis »Lösung anspruchsvoller<br />

Aufgaben«, mithin eine krasse Fehlinformation.<br />

Helfen die Aufgaben, den Förderbedarf<br />

zu klären?<br />

Mit der Einschränkung der Ausschnitthaftigkeit:<br />

Sie könnten es. Sie können<br />

es bei diesen Aufgaben aber nicht, weil<br />

sie im unteren Leistungsbereich nicht<br />

differenzieren und die bereits vorhandenen<br />

Leistungen feststellen helfen.<br />

Die Lesetexte enthalten so viele Tücken,<br />

sie sind inhaltlich und sprachlich<br />

so anspruchsvoll, dass sprachschwächere<br />

Kinder und Kinder aus Milieus<br />

mit anderem Weltwissen rasch an ihre<br />

Verstehensgrenzen kommen. Dies und<br />

der Zeitdruck (zwei schwierige Texte<br />

mit 15 Aufgaben in 30 Minuten) verhindern,<br />

dass sie ihre Kompetenzen<br />

zeigen können. Hinzu kommt, dass<br />

richtige Teillösungen als falsch beurteilt<br />

werden mussten. Es kann also gar<br />

nicht deutlich werden, was förderbedürftige<br />

Kinder schon können und was<br />

in der Zone ihrer nächsten Entwicklung<br />

zu fördern wäre.<br />

Die Schreibaufgabe konnten die Kinder<br />

auch wegen der Zeitvorgabe von 30<br />

Minuten nur als Spontanentwurf erledigen.<br />

Fantasieärmere Kinder, Kinder<br />

mit sprachlichen Schwierigkeiten brauchen<br />

schon in stressfreien Situationen<br />

mehr Zeit für Beratung und fürs Schreiben.<br />

Nur dann können sie auch zeigen,<br />

was sie bereits können und wo ihre besonderen<br />

Schwierigkeiten liegen. Nun<br />

wurde der Spontanentwurf mit Hilfe<br />

eines umfangreichen Kriterienrasters<br />

beurteilt. Das lässt viele dieser Kinder<br />

als Versager erscheinen. Differenzierte<br />

Förderhinweise sind so ebenfalls nicht<br />

zu erhalten.<br />

Angesichts des enormen Aufwands<br />

und der schulpolitischen Vermarktung<br />

der Ergebnisse (in Nordrhein-Westfalen<br />

z. B. sollen die 50 besten VERA-Klassen<br />

öffentlich belobigt werden) ist diese<br />

Befundlage deprimierend. Wohl die<br />

meisten Lehrerinnen und Lehrer sehen<br />

das ebenso. »Wer wird sein Kind<br />

schon noch Vera nennen?«, so fasste<br />

eine Lehrerin ihren Unmut zusammen.<br />

Um die Kinder nicht zu sehr zu entmutigen,<br />

werden von den einen Lehrkräften<br />

Hilfen gegeben, was natürlich der<br />

Objektivität nicht dienlich ist; andere<br />

unterlassen solche Hilfen bewusst,<br />

nicht der objektiven Durchführung<br />

wegen, sondern in der Hoffnung, dass<br />

die Testmacher und die Ministerien die<br />

Probleme selbst erkennen. Vermutlich<br />

eine trügerische Hoffnung.<br />

VERA für alle<br />

Bisher wurden die VERA-Tests in sieben<br />

Bundesländern geschrieben. Vom gerade<br />

angelaufenen Schuljahr an nehmen<br />

alle 16 Länder teil. Deshalb werden<br />

am Donnerstag, 8. Mai 2008, in allen 3.<br />

Klassen in ganz Deutschland die Kinder<br />

über demselben VERA-Test Deutsch<br />

sitzen. Ob die Deutschtests dann kompetenzorientierter,<br />

die Aufgaben und<br />

Auswertungen aussagekräftiger und<br />

ihre Einordnung reeller und bescheidener<br />

ist? Wir werden sehen.<br />

10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

VERAs Kreuzchen verraten Kompetenzen.<br />

Misst Vera wirklich die Fähigkeiten der Kinder?<br />

Seit in Nordrhein-Westfalen (ich leite<br />

dort eine kleine <strong>Grundschule</strong> in Dortmund)<br />

die landesweiten Vergleichsarbeiten<br />

VERA durchgeführt wurden und<br />

mich vor allem der Mathematik-Teil<br />

näher interessierte, war ich immer wieder<br />

verwundert, dass die mit VERA gemessenen<br />

Kompetenzen nicht immer<br />

mit meinen Einschätzungen über die<br />

Fähigkeiten der Kinder im Unterricht<br />

übereinstimmten. Ich hegte aber den<br />

Verdacht, dass dies nicht auf die »Tagesform«<br />

der Kinder, sondern auf die Art<br />

und Weise, wie die Fähigkeiten der Kinder<br />

gemessen wurden, zurückzuführen<br />

war. Mit einer eigenen kleinen Nachuntersuchung<br />

wollte ich der Sache auf<br />

den Grund gehen. Ich möchte gleich allen<br />

Kritikern vorausschicken: Ich habe<br />

dieses kleine Experiment neben meiner<br />

Unterrichts- und Leitungstätigkeit aus<br />

qualitativem Interesse betrieben. Natürlich<br />

ist mir die Begrenztheit meiner<br />

Erkenntnisse bewusst, auch, dass ich<br />

keine wissenschaftlichen Standards<br />

der empirischen Unterrichtsforschung<br />

eingehalten habe. Ich möchte auch<br />

keine gesicherten Ausrufezeichen verkünden,<br />

aber ich habe ein paar deutliche<br />

Fragezeichen zur Diskussion zu<br />

stellen.<br />

Wenn die Kinder die Vergleichsarbeiten<br />

VERA geschrieben haben und<br />

diese korrigiert und ausgewertet wurden,<br />

erhalten die Eltern der Kinder gemäß<br />

Durchführungsbestimmung des<br />

Ministeriums eine Rückmeldung für<br />

das Fach Mathematik in Form der Tabelle<br />

in Abb. 1. (1) Die Niveaus werden<br />

dabei wie folgt im Begleittext charakterisiert:<br />

Abb. 1: aus der Elternrückmeldung<br />

Niveau 1: Einfache Aufgaben mit grundlegenden<br />

Anforderungen werden hinreichend<br />

sicher gelöst.<br />

Niveau 2: Aufgaben mit mittleren Anforderungsniveaus<br />

werden hinreichend<br />

sicher gelöst.<br />

Niveau 3: Es werden auch anspruchsvollere<br />

Aufgaben hinreichend sicher<br />

gelöst.<br />

Nehmen wir an, ein Kind bekommt<br />

in dieser Tabelle das Kreuzchen im Bereich<br />

des Sachrechnens bei »Niveau 1«.<br />

Da »die Tabelle […] über das derzeitige<br />

Leistungsprofil Ihres Kindes in wichtigen<br />

Teilbereichen der Fächer Deutsch<br />

und Mathematik informiert«, würde<br />

das laut Begleittext übersetzt bedeuten:<br />

»Liebe Eltern. Ihr Kind hat zur Zeit<br />

im Fach Mathematik im Bereich des<br />

Sachrechnens nur elementare Fähigkeiten.<br />

Mittelschwere Aufgaben oder<br />

gar anspruchsvolle kann es nicht hinreichend<br />

sicher lösen.«<br />

An dieser Stelle setze ich mein erstes<br />

Fragezeichen. Ich war erstaunt,<br />

dass nach so wenigen Aufgaben des<br />

VERA-Testes, die dem Bereich Sachrechnen<br />

zuzuordnen sind (aber keineswegs<br />

alle lehrplanrelevanten Bereiche des<br />

Sachrechnen abdecken (2) ), eine solche<br />

pauschale Aussage möglich sein soll.<br />

Die Rückmeldung müsste doch heißen:<br />

»Im VERA-Test erreichte ihr Kind<br />

bei einigen wenigen Textaufgaben, die<br />

einen Teilbereich des Sachrechnens des<br />

Lehrplans Mathematik darstellen, nur<br />

geringe Kompetenzen …« Stattdessen<br />

wird anhand von gerade einmal 3 bis 4<br />

Aufgaben, bei denen die Kinder mit ein<br />

paar Kreuzchen im Multiple-Choice-<br />

Verfahren Antworten geben, das Leistungsprofil<br />

des Kindes in diesem<br />

kompletten Fachbereich gemessen und<br />

ein »zur Zeit« angeblich vorhandenes<br />

Kompetenzniveau zurückgemeldet?<br />

An diese erste Fragestellung schlossen<br />

sich drei weitere Fragen an, mit denen<br />

ich mich unterrichtspraktisch beschäftigen<br />

wollte:<br />

■ Messen wir mit den VERA-Aufgaben<br />

wirklich die Kompetenzen der Schülerinnen<br />

und Schüler?<br />

■ Wie könnte man mit den vorhandenen<br />

VERA-Aufgaben einen kompetenzorientierteren<br />

Blick einnehmen?<br />

■ Wenn man den Kindern Gelegenheit<br />

gibt, ihre Kompetenzen zu demonstrieren,<br />

erzielen sie dann nicht vielleicht<br />

wesentlich höhere Leistungen als beim<br />

Abarbeiten der VERA-Aufgaben?<br />

Beispiele aus dem Bereich<br />

des Sachrechnens<br />

Die genannten Fragestellungen brachten<br />

mich auf die Idee, den Kindern<br />

noch einmal neu die VERA – Aufgaben<br />

aus dem Bereich Sachrechnen zu stellen.<br />

Ich beabsichtigte aber, sie dabei<br />

intensiv zu beobachten,bzw. sie zu<br />

bitten, mehr als sie es von sich aus bei<br />

der VERA Durchführung taten, ihre Rechenansätze,<br />

Rechenwege zu notieren,<br />

um ihren Denkweisen (und somit ihren<br />

Kompetenzen) auf die Spur zu kommen.<br />

Danach erhielten die Kinder von<br />

mir ähnliche Aufgaben wie aus dem<br />

VERA-Kontext, aber in einer wesentlich<br />

offeneren Form, die sie geradezu<br />

ermunterte, eigene Lösungswege zu<br />

gehen, Nebenrechnungen zu notieren,<br />

neben dem Ergebnis auch Kommentare,<br />

Hinweise, Vermutungen zu äußern.<br />

Den Bereich Sachrechnen habe<br />

ich dabei recht willkürlich ausgesucht,<br />

Ulrich Schwätzer,<br />

Schulleiter der<br />

Uhland-<strong>Grundschule</strong><br />

Städt. Gemeinschafts schule,<br />

Dortmund<br />

Kontakt über<br />

www.schwaetz.de<br />

von Ulrich<br />

Schwätzer<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

11


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

Abb. 2:<br />

Die »Schoko-<br />

ladencreme«-<br />

Aufgabe<br />

wohl aber mit dem Hintergrund, dass<br />

die Kinder bei VERA hier sehr schlechte<br />

Rückmeldungen bekommen hatten,<br />

ich deren Kompetenzen jedoch aus<br />

dem Unterricht meist höher eingeschätzt<br />

hätte.<br />

Die in Abb. 2 gezeigte Aufgabe entstammt<br />

dem VERA NRW Durchgang<br />

von 2004. Ich legte diese Aufgabe und<br />

3 weitere Aufgaben aus dem Bereich<br />

Sachrechnen zu Beginn des Schuljahres<br />

2006 2 dritten und 2 vierten Klassen an<br />

2 <strong>Grundschule</strong>n vor und bat die Kinder,<br />

diese Aufgaben in 12 Minuten (um eine<br />

Abb. 3:<br />

Noelles<br />

Antwort<br />

Abb. 4:<br />

Noelles<br />

Rechnung<br />

VERA-ähnliche Zeit zu gewährleisten)<br />

zu bearbeiten. Die richtige Lösung<br />

(Glas B) gaben dabei 19 % der Kinder<br />

an – ein Prozent rang, der zu den VERA-<br />

Ergebnissen aus 2004 passt.<br />

Betrachten Sie nun Abb. 3, die uns<br />

Noelle gibt. Noelle kreuzt die richtige<br />

Lösung B an. Können wir nur durch das<br />

richtige Kreuzchen sicher sein, dass<br />

Noelle diese Lösung auf Grund ihrer<br />

hohen sachrechnerischen Kompetenz<br />

gefunden hat? Ich behaupte: Wir<br />

wissen es nicht. Noelle könnte etwas<br />

Sinnvolles gerechnet haben, sie könnte<br />

aber auch nur geraten haben (schließlich<br />

wurde den Kindern in der Durchführungsanweisung<br />

zu VERA genau<br />

dazu geraten, wenn sie eine Aufgabe<br />

nicht lösen könnten). Wir wissen nicht<br />

einmal, ob Noelle den Kontext der Aufgabenstellung<br />

überhaupt verstanden<br />

hat und mit den vorhandenen Zahlen<br />

im Sinne des Kontextes operiert hat. Es<br />

könnten auch Schwierigkeiten im Bereich<br />

des Verständnisses von Größeneinheiten<br />

vorliegen – schließlich kommen<br />

hier Gewichte und Geldbeträge<br />

gemischt vor. Wir wissen auch nicht,<br />

ob Noelle die Zahlen ihres Ergebnisses<br />

im Sinne des Kontextes interpretiert<br />

hat und sich dann zu einer Lösungsaussage<br />

entschieden hat. Es bleiben<br />

also viele offene Fragen, die sich nur<br />

durch das Kreuzchen an der Antwort<br />

»Glas B« nicht erklären lassen.<br />

Noelle kreuzt also die richtige Lösung<br />

»Glas B« an und bekäme eine hohe<br />

sachrechnerische Kompetenz zurückgemeldet.<br />

Betrachten Sie nun Abb. 4<br />

– die vorangegangene Abb. 3 war nur<br />

ein Ausschnitt aus dieser – und lenken<br />

Sie ihren Blick auf die Nebenrechnung.<br />

Nun können wir Noelles Lösungsansatz<br />

nachvollziehen: 400 Gramm minus<br />

1 Euro und 80 Cent, schriftlich gerechnet,<br />

ergibt 2,20 (ohne Einheit). Noelle<br />

sagte später: »2,20, das ist mehr als<br />

2,10, also muss Glas B das preiswerteste<br />

sein.« Es wäre also geradezu fatal,<br />

Noelle nur auf Grund des Kreuzchens<br />

bei »B« eine hohe sachrechnerische<br />

Kompetenz zurückzumelden. Natürlich<br />

ist dieses Beispiel ein Einzelfall. Aber<br />

wer sagt uns, dass nicht viele Kinder<br />

(die meisten rechnen ja etwas im Kopf)<br />

trotz irrationalem Lösungsansatz zufälligerweise<br />

die richtige Lösung angeben?<br />

Oder dass die große Mehrheit, die<br />

etwas Falsches angibt, doch einen sehr<br />

vernünftigen Lösungsansatz hatte und<br />

vielleicht beim Rechenalgorithmus gescheitert<br />

ist? Mein Fazit: Aus falschen<br />

oder richtigen Kreuzchen bei dieser<br />

Aufgabe (und übertragen: bei allen<br />

Aufgaben) aus dem Bereich Sachrechnen<br />

Rückschlüsse über die sachrechnerische<br />

Kompetenz erlangen zu wollen,<br />

entbehrt jeglicher Grundlage. Nur wer<br />

die Lösungswege, -ansätze, Rechenversuche<br />

mit in den Blick nimmt, kann<br />

einen Einblick in vorhandene (bzw.<br />

nicht vorhandene) Kompetenzen bekommen.<br />

Offene Aufgaben helfen,<br />

Kompetenzen wahrzunehmen<br />

Wenn wir einen Einblick in die Denkweisen<br />

der Kinder bekommen, so wie<br />

es mit Hilfe der Nebenrechnung von<br />

Noelle möglich war, können wir mehr<br />

über ihre möglicherweise vorhandenen<br />

Kompetenzen sagen. Eine Methode, die<br />

Kinder dazu anregt, von sich aus möglichst<br />

viele ihrer vorhandenen Kompetenzen<br />

preiszugeben, ist das Öffnen<br />

von Mathematikarbeiten mit Hilfe der<br />

»8 Bausteine« (2).<br />

8 Bausteine zur Öffnung<br />

von Mathematikarbeiten<br />

1. Platz für Nebenrechnungen<br />

und Notizen<br />

2. Vorgehensweisen erläutern<br />

3. Offenere Aufgaben bezüglich<br />

der Vorgehensweise<br />

4. Wahlaufgaben<br />

5. Eigenproduktionen<br />

6. Verschiedene Kontexte<br />

7. Beziehungsreiche Aufgaben<br />

8. Hilfsaufgaben<br />

Abb. 5: 8 Bausteine<br />

Auf die 8 Bausteine kann ich hier aus<br />

Platzgründen nicht näher eingehen,<br />

sie erklären sich aber auch weitestgehend<br />

selbst. Die Grundidee dabei ist,<br />

Nebenrechnungen und Notizen nicht<br />

nur temporär auf »Schmierzetteln«<br />

zu notieren, sondern sie gezielt durch<br />

entsprechende Hinweise explizit zu<br />

fordern und durch geeignete Formatierungen<br />

in die Aufgabe mit zu integrieren.<br />

Es soll also nicht nur das Ergebnis,<br />

sondern auch die Idee und die Ausführung<br />

in die Unterrichts- und Leistungsbeurteilungskultur<br />

mit einbezogen<br />

werden. Den Kindern wird dann schnell<br />

12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

klar, dass sie mit dem Aufschreiben ihrer<br />

Rechenwege in Zahlen und Schriftsprache<br />

die Chance haben, mehr von<br />

ihrem Können zu demonstrieren, als<br />

es mit dem reinen Notieren richtiger<br />

Ergebnisse möglich wäre.<br />

In der Abbildung 6 sehen Sie meinen<br />

Versuch, die »Schokoladencreme«-Aufgabe<br />

mit Hilfe der 8 Bausteine zu öffnen.<br />

Ich habe einen Kontextwechsel<br />

vollzogen (Baustein 6), da dieser den<br />

Kindern möglicherweise eher aus Umwelterfahrungen<br />

bekannt sein könnte.<br />

Als Wahlaufgabe (Baustein 3) habe ich<br />

einen weiteren Kontext angeboten, da<br />

sich nicht alle Kinder allen Kontexten<br />

gleich gut nähern können. »Wie bist du<br />

auf die Lösung gekommen?« (Baustein<br />

3) fordert die Kinder auf, Kommentare<br />

zu ihren Vorgehensweisen abzugeben<br />

und uns Einblicke in vorhandene Kompetenzen<br />

zu ermöglichen. Der »Platz<br />

für deine Rechnungen« (Baustein 1)<br />

kann darüber hinaus weitere Einblicke<br />

geben – z. B. in vorhandene sachrechnerische,<br />

aber geringe arithmetische<br />

Kompetenzen, wenn die Kinder zwar<br />

geeignete Ansätze wählen, aber beim<br />

Ausrechnen scheitern. Zum Schluss<br />

der wichtigste Unterschied zu VERA:<br />

Die Kinder hatten für die Bearbeitung<br />

der geöffneten Aufgabe genügend Zeit<br />

(kein Kreuzchen unter Hast in 2 bis 3<br />

Minuten), konnten sich den Kontext<br />

erschließen, Rechenwege probieren,<br />

ihre Wege darstellen und das Ergebnis<br />

im Sinne der Sachsituation rückinterpretieren.<br />

Beispiele sachrechnerischer<br />

Kompetenzen<br />

Die (Neben-)Rechnung in Abbildung 7<br />

verrät uns: Dieses Kind hat ohne Bezug<br />

zum Kontext die vorhandenen Zahlen<br />

einfach arithmetisch verknüpft – ein<br />

Vorgehen, wie es durch die so genannten<br />

»Kapitänsaufgaben« bereits bekannt<br />

ist. Auch die erhaltene Lösung<br />

wird nicht auf ihren Sinn im Rahmen<br />

der Aufgabenstellung hin hinterfragt.<br />

Im Gegensatz zu einem möglicherweise<br />

zufällig falsch gesetzten Kreuzchen<br />

in der »Schokoladencreme«- Aufgabe<br />

bei VERA kann man hier sehr wohl<br />

Rückschlüsse auf die (hier geringe)<br />

sachrechnerische Kompetenz führen.<br />

Saskia hat zwar (vgl. Abb. 8) noch<br />

keine Vorstellung von Preisvorteilen,<br />

und erst recht keine Idee, mit diesen zu<br />

rechnen, interpretiert aber das »beste<br />

Geschäft« im Sinne von »am wenigsten<br />

Geld ausgeben« und beschäftigt sich<br />

intensiv mit dem sachrechnerischen<br />

Kontext. Nur ein falsches Kreuzchen<br />

bei »Glas A« in VERA hätte uns über diese<br />

Fähigkeit, sich einem authentischen<br />

Sachrechenkontext zu nähern, nichts<br />

verraten. Dieser stellt jedoch eine<br />

wichtige Vorbedingung für das Rechnen<br />

in eben diesen Kontexten dar.<br />

Abb. 7:<br />

Fische-Aufgabe,<br />

falsche Lösung<br />

Abb. 6: Geöffnete<br />

»Schokoladencreme«-Aufgabe<br />

Abb. 8:<br />

Fische-Aufgabe,<br />

falsche Lösung,<br />

Kontextinterpretation<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

13


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

Abb. 11:<br />

Fehlende Sachkenntnis<br />

Es fanden selbstverständlich auch<br />

Kinder die richtige Lösung. Dabei rechneten<br />

die Kinder dann oft den Preis<br />

für einen Fisch aus. Petra (Abb. 9) hat<br />

die richtige Lösung »einfach so« gefunden:<br />

Sie rechnet die Eurobeträge in<br />

Cent um und teilt diese dann durch die<br />

Anzahl der Fische. Petra zeigt uns viele<br />

sachrechnerische Kompetenzen: Sie<br />

findet einen geeigneten Ansatz, eine<br />

geschickte Rechenweise (sie vermeidet<br />

gemischte Beträge), interpretiert ihre<br />

Rechnung im Sinne des Kontextes und<br />

gibt eine Lösung an. Darüber hinaus<br />

zeigt sie uns noch, dass ihr die Lösung<br />

(»einfach so«) nicht sonderlich schwer<br />

gefallen ist. Ein Jammer, hätte Petra<br />

nur ein Kreuzchen bei »Nummer 2« machen<br />

dürfen!<br />

Alex (ein Drittklässler) schlägt in<br />

Abb. 10 einen anderen, ebenfalls häufig<br />

anzutreffenden Lösungsweg ein:<br />

Er »rechnet hoch«, also vergleicht die<br />

Ausgaben für den Kauf von 20 bzw.<br />

21 Fischen, indem er 5 mal den Preis<br />

für 4 Fische und 3 mal den Preis für 7<br />

Fische mit dem Preis für 20 Fische berechnet.<br />

Alex kommentiert nicht nur<br />

Abb. 9:<br />

Richtige Lösung,<br />

zurück auf<br />

einen Fisch<br />

Abb. 10:<br />

Ausführliche Erläuterung<br />

des richtigen Rechenweges<br />

Abb. 12:<br />

Scheinbar<br />

richtige Lösung<br />

sein Ergebnis, sondern erläutert seinen<br />

Rechenweg und stellt diesen noch<br />

graphisch dar. Von all diesen Kompetenzen<br />

hätten wir bei einem einzigen<br />

VERA Kreuzchen nichts, aber auch gar<br />

nichts wahrnehmen können.<br />

Fernsehzeiten<br />

Nur kurz möchte ich an einem weiteren,<br />

zweiten Beispiel aufzeigen, wie<br />

sich in der geöffneten Version der Aufgabenstellung<br />

weitere Kompetenzen<br />

zeigen. Im VERA-Durchgang 2005 gab<br />

es eine Aufgabe zu »Fernsehzeiten«.<br />

Dort wurden Fragen zu Zeitspannen<br />

gestellt, die als Lückenantworten einzutragen<br />

waren. Bei meiner erneuten<br />

Durchführung der VERA-Aufgabe blieb<br />

der Erfolgsquotient ähnlich gering wie<br />

in der VERA-Durchführung.<br />

Auch diese Aufgabe habe ich mit<br />

Hilfe der »8 Bausteine« geöffnet – und<br />

mit genügend Zeit für die Kinder, die<br />

in diesem offenen Format ihre Kompetenzen<br />

demonstrieren können, erneut<br />

durchgeführt.<br />

Ann-Kathrin (Abb. 11) hätte bei<br />

der Original-VERA-Aufgabe sicherlich<br />

geantwortet, dass Graf Duckula<br />

6 Stunden und 0 Minuten dauert. Aus<br />

ihrer »Nebenrechnung« können wir ersehen:<br />

Ann-Kathrin erschließt schon<br />

den Kontext nicht richtig; was »ab 8«<br />

bedeutet, scheint ihr nicht klar zu sein,<br />

sie interpretiert die Zahl in ihrem, zur<br />

Aufgaben passenden Kontext. Beim<br />

Rechnen mit Zeitspannen rechnet sie<br />

nur mit glatten Stunden – immerhin<br />

eine erkennenswerte Teilkompetenz,<br />

die uns bei VERA verborgen geblieben<br />

wäre.<br />

Als vorletztes Beispiel dient die<br />

Lösung von Younes. Sein Ergebnis »25«<br />

Minuten hätte bei VERA als richtig gegolten<br />

– man hätte ihm wohl sachrechnerische<br />

Kompetenz unterstellt. Aber<br />

sein Rechenansatz führt nur durch<br />

Zufall zum richtigen Ergebnis (Abb. 12).<br />

Uhrzeiten voneinander schriftlich zu<br />

subtrahieren (noch dazu die größere<br />

von der kleineren Zahl) zeugt jedoch<br />

nicht von großer sachrechnerischer<br />

(und auch arithmetischer) Kompetenz<br />

– seine Eigenproduktion einer<br />

Analo gieaufgabe bzw. deren Berechnung<br />

führt dann aber ganz in die Irre<br />

(194 Stun den und 75 Minuten?). VERA<br />

hätte hier wohl eine drastische Fehleinschätzung<br />

geliefert.<br />

14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Thema: VERA und die Unterrichtskultur<br />

In der geöffneten Version fanden<br />

viele Kinder zum richtigen Ergebnis.<br />

Oft griffen sie dabei – wie Daniel (ein<br />

Drittklässler, vgl. Abb. 13) – auf den<br />

Rechenstrich als Hilfsmittel zurück.<br />

Daniel zeigt uns in seiner Bearbeitung<br />

der Aufgabe, dass er neben der korrekten<br />

Lösung auch noch geschickt auf<br />

eigenen Wegen rechnen und seine Vorgehensweise<br />

begründen und darstellen<br />

kann – »0 Stunden und 25 Minuten«<br />

bei VERA hätte uns keinerlei Erkenntnis<br />

über seine Kompetenzen geliefert.<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

richtig MC offen<br />

Schokocreme: 19 % 3 5 %<br />

Fernsehen 1: 41 % 69 %<br />

Fernsehen 2: 1 8 % 5 7 %<br />

Geburtstag: 27 % 68 %<br />

Kinderzimmer: 17 % 72 %<br />

Schoko<br />

Geburtstag<br />

Fernsehen 2<br />

Fernsehen 1<br />

Kinderzimmer<br />

Offenere Aufgabenstellungen –<br />

höherer Erfolg?<br />

Die von mir zu Beginn des Schuljahres<br />

2006 durchgeführte kleine Untersuchung<br />

zeigte, dass die 4 geschlossenen<br />

Sachrechenaufgaben (es kamen noch<br />

eine Text-Sachaufgabe und eine Bild-<br />

Sachaufgabe zum Kontext Geld hinzu)<br />

unter VERA – Bedingungen (Zeitdruck,<br />

Lückenantwort bei der Fernseh-Aufgabe,<br />

sonst Multiple Choice) wie erwartet<br />

eine geringe Quote richtiger Lösungen<br />

aufwies. Bei den 2 Wochen später präsentierten<br />

geöffneten Aufgaben stieg<br />

jedoch die Lösungshäufigkeit immens.<br />

Eine Übersicht finden Sie in Abb. 14. Natürlich<br />

ist dies keine »saubere« empirische<br />

Untersuchung – es haben nur ca.<br />

100 Kinder aus 4 Klassen von 2 Schulen<br />

teilgenommen – aber die Tendenz der<br />

Ergebnisse lässt zumindest vermuten,<br />

dass VERA nicht die Kompetenzen abbildet,<br />

die die Kinder in anderen Unterrichtszusammenhängen<br />

erbringen<br />

können. Neben der deutlich höheren<br />

Zahl von richtigen Lösungen kann man<br />

in den offenen Aufgaben auch bei vielen<br />

falschen Lösungen, zumindest in<br />

Teilbereichen, noch Kompetenzen der<br />

Kinder wahrnehmen.<br />

Mein Fazit<br />

■ Kann man mit Multiple Choice Tests<br />

wirklich Kompetenzen messen?<br />

Meine anfangs vorhandenen Bedenken<br />

konnten nicht zerstreut werden,<br />

sie wurden im Verlauf meiner Untersuchung<br />

nur noch größer. Ein Zusammenhang<br />

zwischen dem richtigen Kreuzchen<br />

und kompetent angewandten<br />

Lösungsansätzen und Rechenwegen<br />

besteht nicht zwangsläufig (denken<br />

Sie einmal an die 2 »zufällig richtigen«<br />

Beispiele weiter oben).<br />

■ Geben die Kinder in Multiple Choice<br />

Tests alle ihre Kompetenzen zu erkennen?<br />

Nicht nur höhere Werte bei den Prozentsätzen<br />

der richtigen Lösungen<br />

lassen vermuten, dass die Kinder wesentlich<br />

mehr ihrer Kompetenzen in<br />

offenen Aufgaben demonstrieren als<br />

Abb. 14: Ergebnisse<br />

durch das Anhaken falscher oder richtiger Antworten. Auch<br />

und gerade die bereits vorhandenen Teilkompetenzen trotz<br />

falscher Lösung gehen bei reinen Ankreuz-Tests verloren.<br />

Viele der Aufgaben, die bei den Vergleichsarbeiten verwendet<br />

werden, lassen sich mit Hilfe der »8 Bausteine« einfach<br />

und schnell zu offenen Aufgaben umwandeln. Dann<br />

können die Kinder ihre Potenziale entfalten und uns ihre<br />

Kompetenzen demonstrieren. Und dazu brauchen sie eines:<br />

Zeit. Gerade der Zeitdruck ist beim Bereich Sachrechnen<br />

eigentlich fehl am Platz. Kinder brauchen Zeit, sich den<br />

Kontext zu erlesen, ihn zu verstehen, sich mit ihm zu beschäftigen,<br />

Lösungshypothesen zu bilden, Zahlenwerte zu<br />

sortieren, in rechnerische Ansätze zu bringen, auf eigenen<br />

Wegen zu rechnen, ihr Vorgehen zu kommentieren, und<br />

– am Ende – ihr Ergebnis mit dem Kontext wieder in Bezug<br />

zu bringen und zu hinterfragen. Das alles kann nicht in<br />

3 Minuten pro Aufgabe funktionieren.<br />

Das Öffnen der Aufgaben kostet sicherlich Zeit – ebenso<br />

wie das Interpretieren der Schülerlösungen – aber es ist sinnvollere<br />

Zeit, als seitenlange Excel-Tabellen auszufüllen, hochzuladen<br />

und Balkendiagramme mit geringer Aussagekraft<br />

langatmig in Schulgremien zu diskutieren. Letztlich sind die<br />

offenen Aufgaben nicht Leistungsmessung nach Abschluss<br />

des Unterrichts, sondern zugleich eine offene Lernsituation.<br />

Die Bearbeitungen der offenen Aufgaben durch die Kinder<br />

lassen direkt Konsequenzen für den weiteren Unterricht für<br />

jedes einzelne Kind offenbar werden und leisten somit einen<br />

Beitrag zur Qualitätsentwicklung im Mathematikunterricht.<br />

Anmerkungen<br />

(1) http://vera-server.uni-landau.de/vera2004/download/<br />

elternrueckmeldung_nrw.pdf<br />

(2) Weitere Informationen hierzu in: Mayer, Insa und Schwätzer,<br />

Ulrich: Acht Bausteine zur Öffnung von Mathematik arbeiten – als<br />

Beitrag zu einer kompetenz orientierten Lernberatung in Mathematik.<br />

In: Grundschulmagazin 3/2004, 29 – 34.<br />

Abb. 13:<br />

Geschicktes Rechnen<br />

am Rechenstrich<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

15


Praxis: Pädagogische Leistungskultur<br />

Mut zur Öffnung – auch in Mathematik<br />

Pädagogische Leistungskultur im Mathematikunterricht<br />

von<br />

Andrea und<br />

Maren Laferi<br />

»Schülerinnen und Schüler an schulische<br />

Leistungsanforderungen und<br />

den produktiven Umgang mit der<br />

eigenen Leistungsfähigkeit heranzuführen,<br />

ist eine wesentliche Aufgabe<br />

der <strong>Grundschule</strong>. Dabei ist sie einem<br />

pädagogischen Leistungsverständnis<br />

verpflichtet, das Leistungsanforderungen<br />

mit individueller Förderung<br />

verbindet. Für den Unterricht bedeutet<br />

dies, Leistungen nicht nur zu fordern<br />

[…] und zu überprüfen, sondern durch<br />

Ermutigung, Unterstützung und die<br />

Anerkennung von Leistungen ein positives<br />

Lern- und Leistungsklima und damit<br />

die Voraussetzungen für das Vertrauen<br />

in die eigene Leistungsfähigkeit<br />

zu schaffen.« (1) So steht es in den nordrhein-westfälischen<br />

Richtlinien.<br />

Ein positives Lern- und Leistungsklima<br />

zu schaffen, ist eine anspruchsvolle<br />

Aufgabe für jede Schule. In den letzten<br />

Jahren hat sich auf diesem Gebiet<br />

viel bewegt, denn nicht wenige Kollegien<br />

entwickelten im Rahmen der<br />

Schulprogrammarbeit Konzepte, die<br />

den Unterricht positiv verändert haben.<br />

Besonders »mutige« und kreative<br />

Umgestaltungen findet man vor allem<br />

im Deutschunterricht, von dessen Öffnung<br />

immer mehr Kinder profitieren.<br />

Die Lern- und Leistungskultur im Mathematikunterricht<br />

ist dagegen längst<br />

nicht in diesem Maße weiterentwickelt<br />

worden. Er ist häufig noch auf reinen<br />

Buchunterricht reduziert. Aber auch<br />

oder sogar besonders hier sind offenere<br />

Lernarrangements notwendig, um den<br />

verschiedenen Voraussetzungen von<br />

Kindern Rechnung zu tragen, ihr eigenständiges<br />

Lernen zu fördern und damit<br />

ihre Leistungsfähigkeit herauszufordern.<br />

»Eine Planung mit denselben<br />

Aufgaben für alle Kinder widerspricht<br />

– besonders bei kleinschrittigem Vorgehen<br />

– ihrem Lernen. Die Orientierung<br />

an einem fiktiven Durchschnitt<br />

führt zu Problemen mit zwei Extremgruppen<br />

von Kindern, nämlich den besonders<br />

langsam und den sehr schnell<br />

lernenden.« (2) Ein dem pädagogischen<br />

Leistungsbegriff verpflichteter Mathematikunterricht<br />

muss – wie jeder andere<br />

Unterricht auch – für das gesamte<br />

Begabungsspektrum der Kinder Forderungen<br />

bereithalten.<br />

Auf dem Weg zu einem schuleigenen<br />

pädagogischen Lern- und<br />

Leistungskonzept in Mathematik<br />

Abb. 1: Konferenzeinladung<br />

An didaktischen und methodischen<br />

Vorschlägen und Beispielen zu einem<br />

modernen Mathematikunterricht mangelt<br />

es in der entsprechenden Fachliteratur<br />

mittlerweile nicht mehr. Woran<br />

es eher mangelt, sind Umsetzungen in<br />

den einzelnen Klassen und Vereinbarungen<br />

darüber, wie eine pädagogische<br />

Leistungskultur in Mathematik in der<br />

Schule – über alle Jahrgangsstufen<br />

und Klassen hinweg – etabliert werden<br />

kann.<br />

Dieser Artikel soll Mut machen<br />

und eine Möglichkeit aufzeigen, wie<br />

sich eine ganze Schule auf den Weg zu<br />

einem schuleigenen Konzept machen<br />

kann:<br />

1. Theoretischer Teil<br />

Auseinandersetzung mit dem<br />

pädagogischen Leistungsbegriff<br />

in Mathematik<br />

Damit sich eine Schule als »pädagogische<br />

Leistungsschule weiter entwickeln<br />

kann, reicht die Orientierung an<br />

pädagogischen Leitvorstellungen nicht<br />

aus. Um in der Praxis wirksam werden<br />

zu können, müssen diese fachbezogen<br />

konkretisiert werden.« (3)<br />

Hierzu dienen folgende fünf Leitideen,<br />

die den orientierenden Rahmen<br />

für den Mathematikunterricht bilden<br />

sollten:<br />

■ Zieltransparent herausfordern:<br />

Im Dialog mit den Kindern werden<br />

Aufgaben, Zielsetzungen und Beurteilungskriterien<br />

transparent<br />

■ Kompetenzorientiert wahrnehmen:<br />

Was kann das einzelne Kind und welche<br />

Lösungswege wählt es (auch wenn<br />

seine Äußerungen und Handlungen zunächst<br />

abwegig erscheinen)?<br />

■ Differenziert wahrnehmen:<br />

Individuelle Kompetenzen und Defizite<br />

werden auch mit Hilfe offener Aufgaben<br />

kontinuierlich und differenziert<br />

festgestellt.<br />

■ Angemessen beurteilen:<br />

Prozess- und produktorientierte Leistungsfeststellungen<br />

fließen gleichwertig<br />

in die Beurteilung ein. In Partner-<br />

und Gruppenarbeiten erbrachte<br />

Leistungen werden einbezogen.<br />

■ Lernfördernd rückmelden:<br />

Kinder brauchen regelmäßig unterstützende<br />

Rückmeldungen zur persönlichen<br />

Leistungsentwicklung, die mit<br />

Anregungen zum zielgerichteten Weiterlernen<br />

verbunden werden. (4)<br />

Folgende Fragestellungen könnten sich<br />

beispielsweise hieraus ergeben:<br />

– Wie kann man mit der Leistung der<br />

Kinder wertschätzend umgehen?<br />

– Auf welche Art und Weise kann man<br />

die Qualität von Leistung an Kinder<br />

und Eltern zurückmelden?<br />

– Welche Lernumgebungen und Lernanregungen<br />

sind für mathematische<br />

Leistungen unabdingbar?<br />

– Wann wendet man welchen Leistungsmaßstab<br />

(individuellen, anforderungsbezogenen,<br />

sozialen) an?<br />

– Wie berücksichtigt man das unterschiedliche<br />

Leistungsvermögen der<br />

Kinder?<br />

– Wie erhält man die Lernfreude der<br />

Kinder?<br />

16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Praxis: Pädagogische Leistungskultur<br />

2. Bestandsaufnahme:<br />

4 Aspekte<br />

pädago gischer<br />

Leistungskultur<br />

Mathematische Leistungskultur an<br />

unserer Schule<br />

Mögliche Fragestellungen:<br />

– Wo stehen wir?<br />

– Was tun wir schon?<br />

– Was ist für uns bisher wichtig?<br />

– Mit welchen Mitteln erreichen wir,<br />

was wir wollen?<br />

– Welche Absprachen gibt es bereits?<br />

– Welche Erfahrungen und Ansätze<br />

können verallgemeinert werden?<br />

– Wo sehen wir Probleme?<br />

Das Projekt des Grundschulverbandes<br />

zur pädagogischen Leistungskultur<br />

liefert vier Bausteine, mit deren Hilfe<br />

man die Standortbestimmung sehr<br />

differenziert durchführen kann (Sammeln<br />

in Gruppen, Zusammenstellung<br />

im Plenum):<br />

– Wie nehmen wir die Leistungen unserer<br />

Kinder wahr?<br />

– Wie würdigen wir die Leistungen<br />

unserer Kinder?<br />

– Wie fördern wir die Kinder individuell?<br />

– Wie öffnen wir die Lernwege unserer<br />

Kinder?<br />

3. Formulierung eines<br />

gemeinsamen Leitzieles:<br />

Flipchartsammlung<br />

lungen zu arbeiten, die ihnen individuelle<br />

Lernwege ermöglichen,<br />

– Lerntagebücher zur Dokumentation<br />

von Lernwegen und Ideen einführen,<br />

– Kindern mehr Raum für Eigenproduktionen<br />

geben,<br />

– Kindern individuelle Bearbeitungszeit<br />

einräumen,<br />

– Lerngespräche mit Kindern bzw. mit<br />

Kind und Eltern durchführen,<br />

– …«<br />

4. Konsequenzen für<br />

Unterricht und Schulleben<br />

Zum Schluss werden im Plenum Vereinbarungen,<br />

Verabredungen und<br />

Verbindlichkeiten für die weitere Gestaltung<br />

eines pädagogischen Leistungskonzepts<br />

in Mathematik getroffen,<br />

die verstärkt in der nächsten Zeit<br />

angegangen werden sollen.<br />

(In einer 3. Klasse nannten die Kinder<br />

u. a. Rechengeschichten erfinden,<br />

schöne Päckchen fortführen und ausdenken,<br />

Mathetests, ordentliche Zahlen<br />

schreiben, mitdenken, Kopfrechnen,<br />

Blitzrechnen, Freiarbeit …). Auf<br />

diese Art und Weise werden sie von<br />

Anfang an mit in die Verantwortung<br />

genommen, denn schließlich geht es ja<br />

um ihr Lernen und Leisten. Gleichzeitig<br />

schafft man mehr Transparenz bezüglich<br />

der Entstehung einer Beurteilung.<br />

Darüber hinaus verlangt auch das<br />

Reflektieren der eigenen Leistungen<br />

mit Hilfe von Selbsteinschätzungsbogen<br />

von dem einzelnen Kind, seine eigene<br />

Leistung in Relation zu den geforderten<br />

Lernzielen zu setzen.<br />

Versuch, zunächst in Gruppen und<br />

dann im Plenum konkrete Ziele zu vereinbaren.<br />

Zum Beispiel: »Wir wollen eine pädagogische<br />

Leistungskultur in Mathematik<br />

aufbauen, indem wir<br />

– in jeder Klasse eine anregende mathematische<br />

Lernumgebung schaffen,<br />

– Kindern vielfältige Gelegenheiten<br />

bieten, an offenen Aufgabenstel-<br />

Den Kindern das Wort geben<br />

Parallel zu den Überlegungen und getroffenen<br />

Vereinbarungen innerhalb<br />

des Kollegiums einer Schule sollten die<br />

Lehrerinnen und Lehrer nicht die Kinder<br />

selbst aus dem Blick verlieren. Zu<br />

einer pädagogischen Leistungskultur<br />

gehört es auch, den »Kindern das Wort<br />

zu geben«. So schlagen Sundermann<br />

& Selter vor, gemeinsam mit ihnen zu<br />

überlegen: Was zählt alles in Mathe?<br />

Maren Laferi<br />

Lehramtsanwärterin an der<br />

KGS Stephan-Lochner-Schule<br />

50674 Köln<br />

26 Jahre,<br />

seit 2006 im Schuldienst<br />

Andrea Laferi<br />

Grundschul lehrerin, Schulleiterin<br />

an der GGS Wichernschule<br />

mit Montessorizweig<br />

40627 Düsseldorf<br />

55 Jahre, seit 1975 im Schuldienst<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

17


Praxis: Pädagogische Leistungskultur<br />

Rückmeldebogen<br />

Ein Beispiel eines Rückmeldebogens<br />

ist auf Seite 17 zu sehen.<br />

Die Kinder füllen den Bogen zum<br />

Abschluss eines Themengebietes oder<br />

im Anschluss an einen Mathetest aus.<br />

Sie schätzen ihr Können in den einzelnen<br />

Aspekten folgendermaßen ein:<br />

■ Das kann ich besonders gut.<br />

■ Das kann ich, das ist in Ordnung.<br />

■ Das kann ich noch nicht sicher genug.<br />

■ Das kann ich noch nicht.<br />

Mit Rückgabe des Bogens durch die<br />

Lehrerin erhält das Kind eine differenzierte<br />

Rückmeldung und kann seine<br />

Einschätzung mit der der Lehrerin<br />

vergleichen. Bei Diskrepanzen können<br />

Kind und Lehrerin miteinander ins Gespräch<br />

kommen, worin sich Selbst- und<br />

Fremdeinschätzung unterscheiden. Im<br />

unteren Teil des Bogens bekommt das<br />

Kind zudem Hinweise, wie oder womit<br />

es noch nicht erreichte Lernziele üben<br />

kann. Es hat sich bewährt, Leerzeilen<br />

mit aufzunehmen, die sowohl die Lehrerin<br />

als auch das Kind für weitere Bemerkungen<br />

nutzen kann.<br />

Durch die Unterschriften von Lehrerin,<br />

Kind und Eltern wird der Bogen zu<br />

einem Lerndokument.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Eine Schule, die sich aufmacht, schrittweise<br />

ihren Mathematikunterricht so<br />

zu verändern wie oben beschrieben,<br />

fordert durch diese Vielfalt von ihren<br />

Kindern geradezu Leistungen heraus,<br />

die sehr viel differenzierter etwas<br />

über deren Leistungsvermögen aussagen,<br />

als konventionelle Mathematikarbeiten,<br />

Tests oder nationale Vergleichsarbeiten<br />

es jemals in der Lage<br />

sein werden.<br />

Wichtig ist es nun aber noch, dieses<br />

veränderte Konzept den Eltern transparent<br />

zu machen, damit sie verstehen<br />

lernen, dass Zeugnisnoten nicht durch<br />

das arithmetische Mitteln von schriftlichen<br />

Tests ermittelt werden. In einer<br />

anregenden Lernumgebung, die Kindern<br />

Lust auf Mathematik macht und<br />

in der sie Ermutigung, Unterstützung<br />

und Anerkennung ihrer Leistungen<br />

erfahren, bekommen Klassenarbeiten<br />

einen ihnen zustehenden Rangplatz:<br />

Neben-, nicht Hauptplatz!<br />

Anmerkungen<br />

(1) MSW des Landes NRW: Richtlinien und<br />

Lehrpläne zur Erprobung für die <strong>Grundschule</strong><br />

2003<br />

(2) Elmar Hengartner: »Lernumgebungen<br />

für Rechenschwache bis Hochbegabte –<br />

Natürliche Differenzierung im Mathematikunterricht«,<br />

Zug 2006<br />

(3) Christoph Selter: Dokumentation<br />

16. Symposium Mathe 2000, Dortmund<br />

23. 09. 06<br />

(4) MSW des Landes NRW: Richtlinien und<br />

Lehrpläne zur Erprobung für die <strong>Grundschule</strong><br />

2003<br />

(5) Beate Sundermann & Christoph Selter:<br />

Beurteilen und Fördern im Mathematikunterricht<br />

2006<br />

(6) Pädagogische Leistungskultur: Materialien<br />

für Klasse 1 & 2 Mathematik (Band 119)<br />

+ Materialien für Klasse 3 und 4 Mathematik<br />

(Band 121)<br />

Ein fachbezogenes Konzept zur<br />

pädagogischen Leistungskultur in<br />

Mathematik entwickeln<br />

Kopieren Sie die nächste Seite. Die Vorschläge<br />

können zu Bausteinen der mathematischen<br />

Leistungskultur an Ihrer Schule werden. Ihnen<br />

sind angemessene Methoden zugeordnet, die<br />

Leistungsentwicklungen und Lernstände diagnostizieren<br />

helfen (siehe Tabelle). Sie sind aus<br />

der Fachliteratur (insbesondere Sundermann<br />

& Selter) und aus den Veröffentlichungen<br />

des Grundschulverbandes zu diesem Thema<br />

zusammengestellt. Haken Sie ab, was bereits<br />

realisiert wird, kreuzen Sie an, was Sie für notwendig<br />

oder wünschenswert halten. Aus der<br />

gemeinsamen Auswertung kann eine erste<br />

Skizze eines fachbezogenen Konzepts für eine<br />

pädagogische Leistungskultur in Mathematik<br />

entstehen. Vereinbaren Sie Maßnahmen und<br />

Standards für die ganze Schule. Planen Sie<br />

Zeitpunkte und Verantwortlichkeiten.<br />

18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Praxis: Pädagogische Leistungskultur<br />

Bausteine: Pädagogische Leistungskultur in Mathematik<br />

k<br />

Lernstände feststellen<br />

Standortbestimmungen: Sie geben der<br />

Lehrperson vor, während und nach der Behandlung<br />

eines Themas strukturierte Informationen<br />

über Kompetenzen und Defizite<br />

einzelner Kinder und den Kindern selbst<br />

Transparenz über ihr eigenes Lernen (Was<br />

kann ich schon? Was muss ich noch lernen?<br />

Was habe ich gelernt?)<br />

Mündliche Standortbestimmungen bieten<br />

die Möglichkeit des Nachfragens.<br />

(siehe unter Lerngespräche führen)<br />

Schriftliche Standortbestimmungen liegen<br />

dauerhaft vor und bieten die Möglichkeit,<br />

eine hohe Zahl von Informationen zu erhalten.<br />

Sie sind keine Tests und können<br />

beispielsweise auch ein leeres Blatt sein mit<br />

der Aufforderung: »Was weißt du schon über<br />

…?«.<br />

Beispiele für schriftliche<br />

Standortbestimmungen:<br />

Mathepässe, Führerscheine, Urkunden,<br />

Diplome<br />

(siehe unter Lernentwicklung bestätigen)<br />

Mathebriefkasten<br />

In den Mathebriefkasten werfen die Kinder<br />

etwa einmal pro Woche Aufgabenbearbeitungen<br />

(z. B. eine Antwort auf eine Frage<br />

oder die Bearbeitung einer kurzen Aufgabe).<br />

Beispiel: Schreibe fünf Malaufgaben mit dem<br />

Ergebnis 1.000 auf.<br />

Wochenblätter<br />

Jede oder jede zweite Woche erhalten die<br />

Kinder Aufgaben zu einem Oberthema (z. B.<br />

Zahlenfolgen), die sie in offeneren Unterrichtsphasen<br />

innerhalb einer Woche bearbeiten<br />

sollen.<br />

Mathe-Check<br />

Etwa einmal im Monat werden mit dem<br />

Mathe-Check Grundfertigkeiten, d. h. Kompetenzen,<br />

die verfügbar sein sollten, jedoch<br />

ein gewisses Training benötigen, (z. B. das<br />

schnelle Kopfrechnen oder das räumliche<br />

Vorstellungsvermögen) überprüft.<br />

Matheolympiade<br />

Warum nicht einmal eine Projektwoche:<br />

»Rund um die Mathematik«?<br />

Landesweite und nationale Mathewettbewerbe<br />

(z. B. Landeswettbewerb NRW, Känguru-<br />

Wettbewerb oder auch unter<br />

www.mathetreff.nrw.de)<br />

……………………………………………<br />

i<br />

Lernentwicklungen<br />

n<br />

bestätigen<br />

Selbst- und Partnerkontrolle<br />

Mathepässe, die ein ganzes Schulhalbjahr beschreiben:<br />

Sie geben einen Überblick über alle erbrachten Leistungen<br />

eines Kindes (Fähigkeiten und Fertigkeiten, Kenntnisse, Einstellungen<br />

und Haltungen zu einem bestimmten Zeitpunkt).<br />

Mathepässe, Urkunden, Diplome, Führerscheine zu einem<br />

Teilbereich: (z. B. Blitzrechenpass, Einmaleinspass, Würfelbaumeister-Diplom,<br />

…)<br />

Sesseltanz (nach Ruf & Gallin):<br />

Sich gegenseitig Rückmeldung geben<br />

Alle Kinder haben den gleichen Arbeitsauftrag bearbeitet und<br />

ihren Lösungsweg und Gedanken dazu aufgeschrieben. Wer<br />

fertig ist, legt ein leeres Blatt Papier mit dem Titel »Rückmeldungen«<br />

auf seinen Tisch und tauscht seinen Platz mit dem<br />

eines anderen Kindes. Die Kinder können so das Vorgehen<br />

eines anderen Kindes nachvollziehen und gleichzeitig ihre persönliche<br />

Rückmeldung dazu schreiben. Dies kann der eigene<br />

Lösungsweg sein, ein Tipp, ein Kommentar oder eine neue<br />

Idee. Selbstverständlich darf sich auch die Lehrerin beteiligen.<br />

Lernberichte, Rückmelde- und Selbsteinschätzungsbogen<br />

Kinder reflektieren ihre eigenen Leistungen und schätzen sich<br />

ein (mit eigenen Worten oder in Form von Ankreuztabellen);<br />

die Lehrerin kann mit relativ geringem Aufwand differenzierte<br />

Rückmeldungen geben.<br />

……………………………………………<br />

Lerngespräche führen<br />

Mathekonferenzen<br />

Austausch in Kleingruppen über die verschiedenen Vorgehensweisen,<br />

Beschreiben von Auffälligkeiten, Gemeinsamkeiten<br />

und Besonderheiten, Bearbeitung von Denkaufgaben, …<br />

Mathegespräche<br />

Austausch im Plenum über Inhalte wie bei Mathekonferenzen,<br />

aber auch Fragen der Kinder aufgreifen, die sie geklärt haben<br />

möchten.<br />

Präsentationen<br />

(z. B. von Gruppenarbeiten, Eigenproduktionen, Entdeckungen<br />

oder Lösungswegen)<br />

Lerngespräche zwischen Lehrerin und einzelnen Kindern<br />

Das Kind demonstriert seine Denkweisen durch Handlungen<br />

und Äußerungen; die Lehrerin versucht zu erfahren, wie das<br />

Kind denkt, um Kompetenzen, aber auch Defizite zu entdecken.<br />

Kinder-Sprechstunde<br />

Lehrerin gibt Rückmeldung zu den Lernentwicklungen der Kinder;<br />

Reflexion über vergangenes und zukünftiges Lernen.<br />

……………………………………………<br />

d<br />

eigene Lernwege<br />

beschreiben<br />

Eigenproduktionen<br />

Erfindungen: Erfinden eigener Aufgaben (für<br />

andere und sich selbst),<br />

Individuelle Lösungsstrategien: Aufgaben mit<br />

eigenen Vorgehensweisen lösen,<br />

Rückschau: über den eigenen Lernprozess<br />

schreiben,<br />

Forscheraufgaben: Auffälligkeiten beschreiben<br />

und begründen.<br />

Stationenbücher, Arbeitspläne<br />

(z. B. Zahlenhäuser-Buch, Längen-Buch, Würfelgebäude-Heft,<br />

Wir erobern den Tausenderraum)<br />

Offene Aufgabenstellungen<br />

Durch sie kann jedes Kind auf seinem wirklichen<br />

Leistungsniveau arbeiten. Die Ergebnisse zeigen<br />

jeweils einen kleinen Ausschnitt des Leistungsprofils<br />

eines Kindes – nicht nur dem Lehrenden,<br />

auch dem Lernenden selbst.<br />

z. B: »Finde Zahlen, die du durch viele andere teilen<br />

kannst.«<br />

»Schreibe Rechnungen, die 1.000 (1.000.000)<br />

ergeben.«<br />

»Zeichne geometrische Flächen und Körper,<br />

die du kennst. Schreibe jeweils den Namen<br />

dazu.«<br />

Rechengeschichten<br />

Rechengeschichten können frei, zu einem bestimmten<br />

Thema (z. B. Sachtext) oder zu bestimmten<br />

Teilfähigkeiten geschrieben und gelöst<br />

werden.<br />

Forscherhefte<br />

In Forscherheften werden mathematische Entdeckungen<br />

festgehalten und beschrieben (z. B.<br />

eigene Entdeckungen oder nach thematischen<br />

Vorgaben wie Zahlenmauernforscher-Buch).<br />

Lerntagebuch<br />

Im Lerntagebuch halten die Kinder ihre eigenen<br />

Ideen, Lernwege, Entdeckungen und Erfindungen<br />

fest.<br />

Portfolio<br />

Im Portfolio werden besonders gelungene Arbeiten<br />

gesammelt, gewürdigt und entsprechend<br />

weiterverwendet (z. B. als Grundlage für Lerngespräche).<br />

Selbstzeugnis<br />

Die Kinder schreiben zum offiziellen Zeugnistermin<br />

auf, was sie in Mathematik besonders gut<br />

können, was sie noch üben müssen oder was sie<br />

in diesem Jahr Neues gelernt haben. Sie reflektieren<br />

so ihre eigenen Lernprozesse, lernen ihre<br />

Stärken und Schwächen kennen und können sich<br />

besser einschätzen.<br />

……………………………………………<br />

Anregende Lernumgebung als Basis für aktiv-entdeckendes Lernen<br />

Ist folgendes oder ähnliches Material in den Klassenräumen vorhanden, damit Kinder Mathematik be-greifen können?<br />

Unstrukturiertes<br />

Material (Dinge zum<br />

Zählen, Ordnen,<br />

Muster legen, …)<br />

Muscheln<br />

Erbsen, Bohnen, …<br />

Kastanien, Eicheln, …<br />

Muggelsteine<br />

Kronkorken<br />

Wendeplättchen<br />

Steckwürfel<br />

Knöpfe<br />

Holzwürfel<br />

Cent-Stücke<br />

Perlen<br />

…<br />

Strukturiertes<br />

Material<br />

Ziffernkarten<br />

Rechenrahmen<br />

20er-Feld<br />

20er-Reihe<br />

100er-Tafel<br />

1.000er-Buch<br />

Millionenbuch<br />

Mehrsystemblöcke<br />

…<br />

Würfel, Würfel,<br />

Würfel<br />

Material zum<br />

Wiegen, Messen,<br />

Umgang mit Geld<br />

Maßbänder<br />

Gliedermaßstab<br />

(Zollstock)<br />

Lineale<br />

Meterschnüre, -stäbe<br />

Waagen aller Art<br />

Gewichtssatz<br />

Messbecher<br />

(Litermaß,…)<br />

Kasse, Geld<br />

…<br />

Material zur<br />

Geometrie<br />

Somawürfel mit Kartei<br />

hohle Kästen mit<br />

cm 3 -Würfel<br />

Figuren-Tastspiel<br />

Geometrische Figuren<br />

(Flächen)<br />

Zeichenschablonen<br />

Zirkel, Geodreiecke<br />

Spiegel, Symmetriespiele<br />

Geobretter<br />

Geostadt<br />

Muster legen,<br />

ausmalen<br />

Legespiele (Tangram<br />

und andere Quadratzerlegungen)<br />

…<br />

Weitere Medien<br />

Spiele<br />

Taschenrechner<br />

Computer<br />

(Lern programme)<br />

Bücher<br />

…<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

19


Praxis: Pädagogische Leistungskultur<br />

Lebendiges Lernen und kindgerechte Bewertung<br />

Pädagogische Leistungskultur im Deutschunterricht<br />

Ziele beinhalten noch keine Aussagen<br />

über die Qualität der Bildungsprozesse.<br />

Im Deutschunterricht der <strong>Grundschule</strong><br />

entwickeln Lehrer/innen und<br />

Kinder eine anregende Lese-, Schreibund<br />

Gesprächskultur. Gemeinsam werden<br />

Formen des Austauschs und der<br />

Rückmeldung gestaltet, wie z. B. der<br />

tägliche Erzählkreis, der Klassenrat,<br />

Schreibkonferenzen, Rechtschreibgespräche,<br />

Buchempfehlungen und Präsentationen.<br />

Eine solche Lernkultur verbindet<br />

sprachliches Lernen mit künstlerischästhetischen<br />

Zugängen und nutzt die<br />

vielfältigen Lerngelegenheiten außerschulischer<br />

Lernorte (z. B. Bibliothek,<br />

Museum, Theater). Im Schul- und Klassenleben<br />

können viele Gelegenheiten<br />

für fachliches und fächerverbindendes<br />

Lernen aufgegriffen und gestaltet werden.<br />

Lernformen, die Kindern Raum zum<br />

selbstständigen und selbstverantwortlichen<br />

Arbeiten geben und zum aktiven<br />

und produktiven Sprachhandeln herausfordern,<br />

sind dabei besonders gevon<br />

Ulrich Hecker<br />

Ulrich Hecker,<br />

Grundschulleiter<br />

in Moers (NRW),<br />

Redakteur »<strong>Grundschule</strong><br />

<strong>aktuell</strong>«<br />

In den Bundesländern werden in Folge<br />

der Diskussion um die PISA-Ergebnisse<br />

landesweit Jahr für Jahr VERgleichs-<br />

Arbeiten geschrieben. Diese Arbeiten<br />

taugen aber nicht dazu, Lernstand und<br />

Lernentwicklung einzelner Kinder festzustellen,<br />

weil hierzu die testbedingte<br />

Fehlerquote zu hoch ist, die sich erst<br />

in der großen Menge der Getesteten<br />

annähernd ausgleicht. VERgleichsArbeiten<br />

taugen auch nicht dazu, umfassende<br />

Aussagen zu den Fähigkeiten im<br />

Deutschen zu machen, weil sie nur eng<br />

eingegrenzte Zielaspekte überprüfen<br />

und Bildungsinhalte dadurch drastisch<br />

verkürzen. (1)<br />

Deutschunterricht, wie er sich in<br />

vielen <strong>Grundschule</strong>n in den letzten<br />

Jahrzehnten entwickelt hat, fordert<br />

durch seine Lebendigkeit und individuelle<br />

Bedeutsamkeit Kinder zu vielfältigen<br />

Leistungen heraus, die viel<br />

differenziertere Aussagen über ihr<br />

Leistungsvermögen ermöglichen als<br />

konventionelle Klassenarbeiten oder<br />

VERA-Tests.<br />

In einem anregenden, bedeutungsvollen<br />

Deutschunterricht bekommen<br />

dann auch Noten und Klassenarbeiten<br />

den ihnen zustehenden Rangplatz – als<br />

Neben-, nicht Hauptplatz. (2)<br />

Auf dem Weg zu einem<br />

schuleigenen Lern- und<br />

Leistungskonzept in Deutsch<br />

Es ist keineswegs beliebig, was Kinder<br />

in ihren Grundschuljahren lernen und<br />

welche Ziele sie erreichen. Alle Kinder<br />

sollen »tragfähige Grundlagen« für<br />

erfolgreiche weiterführende Bildungsprozesse<br />

erwerben können. Alle müssen<br />

sie erfolgreich mündlich erzählen<br />

und ihre Meinung formulieren können,<br />

über Lesefähigkeiten für die selbstständige<br />

Texterschließung verfügen,<br />

eigene Texte verständlich und im<br />

Großen und Ganzen auch normgerecht<br />

schreiben können.<br />

Alle Kinder erreichen solche Ziele<br />

aber auf dem ihnen jeweils möglichen<br />

Niveau, denn: Kinder sind bereits bei<br />

Schuleintritt mit etwa gleichem Lebensalter<br />

um drei bis vier Entwicklungsjahre<br />

auseinander. Dies ändert sich im<br />

Prinzip in den vier Grundschuljahren<br />

nicht. Weder dürfen aber leistungsstarke<br />

Kinder durch die Schule in ihrer<br />

Entwicklung zurückgehalten werden,<br />

um die Lerngruppe in ihrem Entwicklungsstand<br />

zu »homogenisieren«, noch<br />

können leistungsschwächere Kinder<br />

auf den Stand der Leistungsstärkeren<br />

herangefördert werden. Die Heterogenität<br />

der Kinder, die Verschiedenheit in<br />

ihren Leistungen ist die Normalität in<br />

jeder Schule und jeder Klasse.<br />

Die Gestaltung eines Deutschunterrichts,<br />

der Heterogenität bewusst<br />

aufnimmt und individuelle Förderung<br />

ebenso ernst nimmt wie das Lernen in<br />

der Gemeinschaft, sollte ein wichtiges<br />

Ziel innerschulischer Konzepte im Rahmen<br />

der Arbeit am Schulprogramm<br />

sein.<br />

In vielen Kollegien haben sich die<br />

Bereitschaft und das Bedürfnis entwickelt,<br />

auf gemeinsame Ziele hin Konzepte<br />

zu entwickeln und sie in konkrete<br />

Praxis umzusetzen. In diesem Arbeitsprozess<br />

können Schulen auf eine Fülle<br />

von Bausteinen und Beispielen zurückgreifen<br />

und diese an die je eigenen Bedingungen<br />

anpassen.<br />

Macht sich ein Kollegium auf<br />

den Weg, ein eigenes Konzept pädagogischer<br />

Leistungskultur im Fach<br />

Deutsch zu entwickeln, können die folgenden<br />

Schritte sinnvoll sein:<br />

Erste Bestandsaufnahme<br />

Lese-, Schreib- und Gesprächs kultur<br />

an unserer Schule<br />

Es ist unverzichtbar, dass Lehrkräfte<br />

und Lehrerkollegien zunächst die<br />

tragfähigen Grundlagen für weiteres<br />

Lernen über die Grundschulzeit hinaus<br />

für sich umfassend klären und auf die<br />

Gegebenheiten ihrer Schulen und Klassen<br />

hin in schuleigenen Arbeitsplänen<br />

konkretisieren. (3)<br />

Ein fachbezogenes Konzept<br />

zur pädagogischen<br />

Leistungskultur entwickeln<br />

Kopieren Sie die folgende Seite.<br />

Die Vorschläge können zu Bausteinen<br />

der Leistungskultur im Fach<br />

Deutsch an Ihrer Schule werden.<br />

Haken Sie ab, was an Ihrer Schule<br />

bereits realisiert wird, kreuzen<br />

Sie an, was Sie für notwendig oder<br />

wünschenswert halten. Aus der gemeinsamen<br />

Auswertung kann eine<br />

erste Skizze eines fachbezogenen<br />

Konzepts entstehen. Vereinbaren<br />

Sie Maßnahmen und Vereinbarungen<br />

für die ganze Schule. Planen<br />

Sie Zeitpunkte und Verantwortlichkeiten.<br />

20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Praxis: Pädagogische Leistungskultur<br />

k<br />

Bausteine: Pädagogische Leistungskultur in Deutsch<br />

Lernstände feststellen<br />

Eigenproduktionen der Kinder<br />

– mündlich (z. B. Gedichte vortragen, Vorlesen,<br />

Buchvorstellungen, Vorträge)<br />

– schriftlich (z. B. freie Texte, Klassenkorrespondenz,<br />

eigene Texte zu Themen, Themenhefte<br />

/Dokumentationen, Textsammlungen)<br />

Sammlung von Arbeitsdokumenten<br />

Die Lehrerin sammelt gezielt Entwürfe, Planungsskizzen,<br />

verschiedene Textfassungen,<br />

Arbeitsproben der Kinder und wertet sie aus.<br />

»Schreib, was du siehst«- /<br />

»Mal, was du liest«-Blätter<br />

Zu Bildern sollen die entsprechenden Begriffe<br />

geschrieben werden. / Auf Zettel geschriebene<br />

Wörter sollen durch Bilder ergänzt werden.<br />

Stolperwörter-Lesetest<br />

Der Test fordert rasches, genaues und inhaltsorientiertes<br />

Lesen: Die Kinder müssen in jedem<br />

Satz das nicht passende Wort streichen.<br />

Neun-Wörter-Diktat<br />

Mit Hilfe des Neun-Wörter Diktats lässt sich<br />

zu verschiedenen Zeitpunkten im 1. Schuljahr<br />

gezielt beobachten, ob und wie weit die<br />

Kinder bereits das alphabetische Prinzip der<br />

Schrift verstanden haben. Ein einfaches Auswertungsschema<br />

hilft, die Entwicklung der<br />

Kinder im Blick zu behalten.<br />

Wörterrätsel für Fortgeschrittene<br />

Eine »Lupe« auf die Entwicklung der alphabetischen,<br />

orthografischen und morphematischen<br />

Strategie der einzelnen Kinder. Die Informationen<br />

sind bedeutsam für die Auswahl<br />

von Materialangeboten und für die gezielte<br />

Förderung.<br />

Hamburger Schreibprobe<br />

Die »HSP« ist ein Test, mit dem die »Erwerbsstrategien«<br />

der Kinder erschlossen<br />

werden können. Damit werden qualitative<br />

Aussagen über bestimmte Zugriffsweisen<br />

von Kindern auf Schrift ermöglicht: unterschieden<br />

werden die alphabetische, die<br />

orthographische und die morphematische<br />

Rechtschreibstrategie.<br />

Beobachtungsbögen<br />

Beobachtungen werden in einem Beobachtungsbogen<br />

festgehalten und ermöglichen<br />

so einen Überblick über die Fähigkeiten jedes<br />

Kindes.<br />

Sprechen und Zuhören<br />

Lesen und mit Medien umgehen<br />

Texte verfassen<br />

Rechtschreiben<br />

……………………………………………<br />

i<br />

Lernentwicklungen<br />

bestätigen<br />

Rückmelde- und Selbsteinschätzungsbogen<br />

Kinder reflektieren ihre eigenen Leistungen und<br />

schätzen sich ein (mit eigenen Worten oder in Form<br />

von Ankreuztabellen), die Lehrerin kann differenzierte<br />

Rückmeldungen geben.<br />

Urkunden<br />

Für besondere Leistungen beim mündlichen und<br />

schriftlichen Sprachhandeln gibt es Urkunden als »institutionalisierte<br />

Wertschätzung« der Anstrengungen<br />

der Kinder.<br />

Ausweise / Lernpässe / Diplome<br />

z. B. Lesepass, Rechtschreibausweis, Forscher diplom<br />

Veröffentlichungen / Präsentationen<br />

In der Klasse gibt es »institutionalisierte« Gelegenheiten,<br />

Texte und andere Arbeitsergebnisse vorzustellen<br />

und Rückmeldungen zu erhalten.<br />

n<br />

Lerngespräche<br />

……………………………………………<br />

führen<br />

Über Lernen sprechen / Lernprozesse<br />

reflektieren<br />

Nach Gesprächen reflektieren die Kinder über die<br />

Regelbeachtung; nach einem Vortrag melden die zuhörenden<br />

Kinder zurück, was gelungen (bzw. noch<br />

nicht gelungen) war.<br />

Beim Lesen und dem Umgang mit Texten und<br />

Medien führen Kinder Gespräche über Gelesenes und<br />

über das Lesen und den Umgang mit Texten.<br />

In Schreibgesprächen und -konferenzen sprechen<br />

Kinder über eigene Texte. Textentwürfe werden gewürdigt,<br />

beraten und ggf. überarbeitet.<br />

In Veröffentlichungsstunden werden Texte vorgestellt<br />

und besprochen.<br />

Kinder führen Rechtschreibgespräche: Gemeinsames<br />

Nachdenken über die richtige Schreibweise<br />

von Wörtern und Sätzen (z. B. der »harte Brocken des<br />

Tages«).<br />

Lerngespräche zwischen Lehrerin und einzelnen<br />

Kindern<br />

Gespräche über das Lernen, also auf einer »Metaebene«:<br />

über Lernwege (Erreichtes, Schwierigkeiten,<br />

weitere Arbeitsperspektiven), über den Grad der eigenen<br />

Zufriedenheit und des Lern erfolgs.<br />

Kinder-Sprechstunde<br />

Die Lehrerin gibt dem Kind Rückmeldungen zu den<br />

Lernentwicklungen der Kinder, beide reflektieren vergangenes<br />

und zukünftiges Lernen.<br />

……………………………………………<br />

d<br />

eigene<br />

Lernwege<br />

beschreiben<br />

Portfolio<br />

Im Portfolio sammeln Kinder gelungene<br />

Arbeiten, die gewürdigt und entsprechend<br />

weiterverwen det werden (z. B. als Grundlage<br />

für Lerngespräche).<br />

Lesetagebuch<br />

In ihr Lesetagebuch schreiben, zeichnen und<br />

gestalten Kinder Eindrücke, Gedanken und<br />

Entdeckungen bei der Lektüre und dokumentieren<br />

damit ihre Lese entwicklung.<br />

Themenhefte / Dokumentationen<br />

Kinder sammeln ihre Texte und Arbeitsergebnisse<br />

zu Themen des Unterrichts.<br />

Textsammlung<br />

Jedes Kind schreibt seine besten Texte – und<br />

sammelt diese von ihm ausgewählten eigenen<br />

Texte (freie Texte oder Ergebnisse von<br />

Schreibaufgaben und -vorhaben).<br />

Lerntexte<br />

Kinder schreiben (nach Abschluss eines<br />

Schreibvorhabens, im Anschluss an Lerngespräche<br />

oder eine Textvorstellung) Texte über<br />

ihre Arbeit, ihr Arbeitsergebnis, sie halten<br />

Fragen und Probleme fest und markieren Erreichtes<br />

und Gelungenes.<br />

Selbsteinschätzungsbögen<br />

In einem Selbsteinschätzungsbogen schätzen<br />

Kinder ihre Fähigkeiten ein. Selbsteinschätzungsbögen<br />

können allein oder im Gespräch<br />

mit der Lehrerin bearbeitet werden. Lehrerin<br />

und Kinder haben sich auf die Kategorien des<br />

Bogens verständigt.<br />

Sprechen und Zuhören<br />

Lesen und mit Medien umgehen<br />

Texte verfassen<br />

Rechtschreiben<br />

Lerntagebuch<br />

Im Lerntagebuch halten die Kinder ihre eigenen<br />

Ideen, Lernwege, Entdeckungen fest und<br />

reflektieren schriftlich in ungebundener Form<br />

über ihr eigenes Lernen.<br />

Selbstzeugnisse<br />

Die Kinder schreiben vor den Zeugnisterminen<br />

auf, was sie neu gelernt haben, was sie<br />

gut können, was sie weiter üben müssen. Sie<br />

reflektieren so ihre eigenen Lernprozesse, ihre<br />

Stärken, Schwächen und weiteren Aufgaben.<br />

……………………………………………<br />

Ausführliche Informationen zu den hier genannten<br />

Bausteinen pädagogischer Leistungskultur finden sich in:<br />

H. Bartnitzky / H. Brügelmann / U. Hecker /<br />

G. Schönknecht (Hg.), Pädagogische Leistungskultur:<br />

Materialien für die Klasse 1 und 2, Grundschulverband,<br />

Frankfurt/M. 2005,<br />

H. Bartnitzky / H. Brügelmann / U. Hecker /<br />

G. Schönknecht (Hg.), Pädagogische Leistungskultur:<br />

Materialien für die Klasse 3 und 4, Grundschulverband,<br />

Frankfurt/M. 2006<br />

Die jedem Schuber beigefügte CD enthält<br />

zahlreiche nützliche Materialien und<br />

Übersichten, Beobachtungs- und Selbsteinschätzungsbögen,<br />

Formblätter und Gestaltungsvorlagen<br />

sowie aussagekräftige<br />

Powerpoint-Präsentationen zu allen Teilbereichen<br />

des Deutschunterrichts für Konferenzen<br />

und Fortbildungsveranstaltungen.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

21


Praxis: VERA Pädagogische und die Unterrichtskultur<br />

Leistungskultur<br />

■ Wo stehen wir? Was sind unsere<br />

Ziele?<br />

■ Was tun wir schon?<br />

■ Was ist für uns bisher wichtig?<br />

■ Mit welchen Mitteln erreichen wir,<br />

was wir wollen?<br />

■ Welche Absprachen gibt es bereits?<br />

■ Welche Erfahrungen und Ansätze<br />

können verallgemeinert werden?<br />

■ Wo sehen wir Probleme?<br />

Formulierung<br />

gemeinsamer Ziele<br />

aus: CD-ROM zu<br />

»Pädagogische<br />

Leistungskultur:<br />

Materialien für<br />

die Klassen 3<br />

und 4«<br />

eignet und wirksam (z. B. Wochenplanarbeit,<br />

Stationenlernen, Freie Arbeit<br />

und Projekte).<br />

Eine anregende und strukturierte<br />

Lernumgebung unterstützt die Kinder<br />

dabei, ihre Lernprozesse zunehmend<br />

selbstständig zu planen und zu organisieren.<br />

Für die konkrete Bestandsaufnahme<br />

an der einzelnen Schule kann ein Evaluationsbogen<br />

hilfreich sein. (4)<br />

Zweite Bestandsaufnahme<br />

Pädagogische Leistungskultur<br />

im Fach Deutsch<br />

Das Projekt des Grundschulverbandes<br />

zur pädagogischen Leistungskultur<br />

stellt vier konkrete Arbeitsaspekte vor,<br />

mit deren Hilfe man eine solche Standortbestimmung<br />

differenziert durchführen<br />

kann (Sammeln der Ergebnisse<br />

in Gruppen, Zusammenstellung und<br />

Würdigung im Plenum). Diese Aspekte<br />

orientieren auf die individuellen Lernentwicklungen,<br />

Lernstände und Lernperspektiven<br />

der Kinder und beziehen<br />

die Kinder dialogisch in die diagnostische<br />

Lernbegleitung ein:<br />

Lernstände feststellen bedeutet, die<br />

Bandbreite der Leistungen innerhalb<br />

der eigenen Klasse / Schule auszuloten.<br />

Dazu sind Beobachtungen ebenso nötig<br />

wie die Interpretation von Arbeitsdokumenten<br />

der Kinder.<br />

Lernentwicklungen bestätigen setzt<br />

voraus, dass Beobachtungen und Feststellungen<br />

zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

der Entwicklung gemacht werden.<br />

Auch sollten die Kinder selbst in die<br />

Feststellung ihrer Lernentwicklung<br />

einbezogen werden. Dabei schärft sich<br />

ihre Aufmerksamkeit für den eigenen<br />

Lernprozess.<br />

Lerngespräche führen die Kinder miteinander<br />

oder die Lehrkraft mit den<br />

Kindern, einzeln, in der Gruppe, in der<br />

Klasse. Es sind Gespräche über das Lernen,<br />

also Gespräche auf einer »Metaebene«,<br />

über Lernwege und weitere<br />

Arbeitsperspektiven.<br />

Eigene Lernwege beschreiben: Die Kinder<br />

dokumentieren selbst ihre individuellen<br />

Lernwege und reflektieren die<br />

Erfolge und Probleme ihrer Lernarbeit.<br />

Mögliche Fragestellungen für das Gespräch<br />

im Kollegium:<br />

Dabei geht es darum, zunächst in<br />

Gruppen und dann im Plenum konkrete<br />

Ziele zu vereinbaren. Zum Beispiel:<br />

»Wir wollen eine pädagogische<br />

Leistungskultur in Deutsch gestalten,<br />

indem wir<br />

■ Kindern vielfältige Gelegenheiten<br />

bieten, an offenen Aufgabenstellungen<br />

zu arbeiten, die ihnen individuelle Lernwege<br />

ermöglichen,<br />

■ Kinder anregen und befähigen, ein<br />

Portfolio zu führen,<br />

■ Lerntagebücher zur Dokumentation<br />

und Reflexion der Lernwege einführen,<br />

■ Kindern mehr Raum für Eigenproduktionen<br />

geben,<br />

■ vielfältige Gelegenheiten schaffen,<br />

über Sprechen und Gesprochenes,<br />

Lesen und Gelesenes, Schreiben und<br />

Geschriebenes zu sprechen,<br />

■ Lerngespräche mit Kindern bzw. mit<br />

Kind und Eltern produktiv gestalten,<br />

■ …«<br />

Konsequenzen für<br />

Unterricht und Schulleben<br />

Zum Schluss werden im Plenum Vereinbarungen,<br />

Verabredungen und<br />

Verbindlichkeiten für die weitere Gestaltung<br />

eines pädagogischen Leistungskonzepts<br />

getroffen und festgehalten,<br />

die in der nächsten Zeit in die<br />

Praxis umgesetzt werden sollen.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Vgl. die Beiträge von Horst Bartnitzky und<br />

Ulrich Schwätzer in diesem Heft, zudem die Hefte<br />

89 und 90 von »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« (Februar und<br />

Mai 2005).<br />

(2) Konkrete Vorschläge und Anregungen zu einem<br />

verantwortbaren Umgang mit Noten und Klassenarbeiten<br />

machen Horst Bartnitzky / Ulrich Hecker in<br />

Heft 3 (Deutsch) der »Materialien für die Klasse 3 und<br />

4« zur Pädagogischen Leistungskultur, Frankfurt/M.<br />

2006, S. 39 ff.<br />

22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

(3) Siehe hierzu die vom Grundschulverband formulierten<br />

»Bildungsansprüche von Grundschulkindern«,<br />

in: H. Bartnitzky / H. Brügelmann / U. Hecker /<br />

G. Schönknecht (Hg.), Pädagogische Leistungskultur:<br />

Materialien für die Klasse 1 und 2, Grundschulverband,<br />

Frankfurt/M. 2005, Heft 2, sowie die Bildungsstandards<br />

im Fach Deutsch (Jahrgangsstufe 4) der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK 2004).<br />

Die KMK-Bildungsstandards, die den »harten Kern«<br />

der Festlegungen in allen landesbezogenen Lehr- oder<br />

Bildungsplänen ausmachen, die vom Grundschulverband<br />

formulierten Bildungsansprüche sowie Übersichten<br />

über die Lernfelder des Deutschunterrichts<br />

finden sich auf der CD-ROM, die beigefügt ist.<br />

(4) Evaluationsbögen, die als »roter Faden« im<br />

kollegialen Gespräch bei Lehrerkonferenzen und<br />

Fortbildungsveranstaltungen nützlich sein können,<br />

finden sich auf der CD-ROM zu den »Materialien für<br />

die Klasse 3 und 4« (siehe Anm. 2).


Aus der Forschung<br />

Wie Kinder Schule und Unterricht<br />

erleben und beurteilen<br />

von Friederike Heinzel<br />

Wie thematisieren Kinder Schule, wie<br />

erleben und beurteilen sie Schule, wie<br />

schätzen sie den Unterricht ein? Dies<br />

alles sind Fragen, die erst in den letzten<br />

Jahren zunehmend mehr Aufmerksamkeit<br />

in der Forschung erhalten.<br />

Herbert Hagstedt und Martin<br />

Hildebrandt-nilson interessierten<br />

sich bereits Ende der 1970er Jahre für<br />

diese Fragen. Sie stellten fest, dass<br />

Schülerinnen und Schüler, wenn sie<br />

Unterricht beschreiben, ihre Auseinandersetzung<br />

mit dem Lerngegenstand<br />

ausklammern (Hagstedt /Hildebrandt-<br />

Nilhon 1980).<br />

Die erste große empirische Studie<br />

aus dem Bereich der Grundschulforschung,<br />

welche die Rekonstruktion der<br />

Schule aus der Perspektive von Grundschulkindern<br />

zum Thema machte, befasste<br />

sich mit dem Sozialleben des<br />

Schulanfängers (Petillon 1<strong>99</strong>3). Dabei<br />

ergab sich, dass der Umgang mit den<br />

Mitschülern das »große Thema« für<br />

Kinder in den ersten Schuljahren darstellt.<br />

Der Beginn von Freundschaft<br />

wird von Kindern als wichtiges Sozialereignis<br />

dargestellt. Trauer löst der<br />

Verlust eines Freundes aus oder der<br />

misslungene Versuch, Anschluss zu<br />

finden. Insgesamt nehmen Kinder – so<br />

ein weiteres Ergebnis dieser Studie – im<br />

Verlaufe der ersten beiden Schuljahre<br />

Sozialereignisse immer differenzierter<br />

wahr. Die Schule wird im Vergleich zur<br />

Schülergruppe selten erwähnt.<br />

In Gruppendiskussionen mit Grundschulkindern<br />

zeigte sich, dass die erste<br />

Reaktion auf das Thema »Schule« oft<br />

negativ ausfällt. »Normaler Unterricht«<br />

ist nicht sehr beliebt, wobei besonders<br />

die Monotonie der Stundenabläufe<br />

von den Kindern kritisiert wird. Auch<br />

hier wird deutlich, dass die Kinder ihre<br />

Aufmerksamkeit vor allem auf die sozialen<br />

Beziehungen der Kinder, auf<br />

die Freunde und Mitschüler richten<br />

(Schönknecht / Michalek 2005).<br />

Eine Befragung von über 800 Schülern<br />

und Schülerinnen der 4. Jahrgangsstufe<br />

zum Schulerleben am<br />

Ende der Grundschulzeit ergab, dass in<br />

Die Autoren und Autorinnen<br />

des folgenden<br />

Beitrags (v. l. n. r.):<br />

Katja Meidenbauer,<br />

Michael Haider, Maria<br />

Fölling-Albers und<br />

Thomas Haider. »Die jungen<br />

Menschen«, schreibt<br />

Frau Prof. Fölling-<br />

Albers, »haben die Erste<br />

Staatsprüfung für das<br />

Lehramt an <strong>Grundschule</strong>n<br />

abgeschlossen und<br />

sind wissenschaftliche/r<br />

Mitarbeiter/in und Doktorandin/en<br />

am Lehrstuhl<br />

für Grundschulpädagogik<br />

der Universität<br />

Regensburg. Ich bin dort<br />

Lehrstuhlinhalberin für<br />

Grundschulpädagogik.«<br />

Klassen, in denen der Zusammenhalt<br />

zwischen den Kindern hoch ist und sie<br />

gut mit ihren Lehrerinnen oder Lehrern<br />

auskommen, die Schüler und Schülerinnen<br />

gerne zur Schule gehen und ihre<br />

Einstellung zum Lernen auch positiv<br />

ausfällt (Stecher 2003).<br />

Literatur<br />

Petillon, Hanns (1<strong>99</strong>3): Das Sozialleben des<br />

Schulanfängers. Die Schule aus der Sicht des<br />

Kindes. Weinheim.<br />

Hagstedt, Herbert / Hildebrand-Nilshon,<br />

Martin (Hrsg.) (1980): Schüler beurteilen<br />

Schule. Analyse und Interpretation von Dokumenten<br />

zum Schulalltag aus dem Blickwinkel<br />

von Schülern. Düsseldorf 1980.<br />

Stecher, Ludwig: Schulerleben am Ende<br />

der Grundschulzeit. In: Panagiotopoulou,<br />

Argyro / Brügelmann, Hans (2003): Grundschulpädagogik<br />

meets Kindheitsforschung.<br />

Zum Wechselverhältnis von außerschulischem<br />

Lernen und schulischen Erfahrungen<br />

im Grundschulalter. Opladen, S. 55 – 68.<br />

Schönknecht, Gudrun / Michalek, Ruth<br />

(2005): Kinder sprechen über Schule – Inhalte<br />

von Gruppendiskussionen mit Kindern im<br />

Grundschulalter. In: Götz, Margarete /<br />

Müller, Karin (Hrsg.): <strong>Grundschule</strong><br />

zwischen den Ansprüchen der Individualisierung<br />

und Standardisierung. Wiesbaden,<br />

S. 69 – 75.<br />

Dr. Friederike Heinzel ist Professorin<br />

für Grundschulpädagogik an der Uni<br />

Kassel und Fachreferentin für Grundschulforschung<br />

beim Grundschulverband.<br />

Während die Kinder in den zuvor skizzierten Studien meist zu<br />

ihrer Sicht auf Schule befragt wurden, ging es in der im Folgenden<br />

vorgestellten Studie von Maria Fölling-Albers u. a.<br />

um die Sicht der Kinder auf Unterricht und die Rekonstruktion<br />

ihrer Unterrichtserfahrungen. Hierbei wird deutlich, dass<br />

Kinder sich vor allem interessanten Unterricht wünschen,<br />

etwas Neues lernen und Spaß am Unterricht haben wollen.<br />

Steckbriefe wissenschaftlicher<br />

Forschungsprojekte:<br />

Auf der Homepage des Grundschulverbandes ist im<br />

linken Frame die Rubrik »Forschung« zu sehen. Wer<br />

dort klickt, findet neben Forschungsberichten jetzt<br />

auch Steckbriefe (bislang schon 18!) zu grundschulrelevanten<br />

Forschungsprojekten.<br />

Alle Steckbriefe sind mit Schlagworten versehen.<br />

Eine thematische Skizze informiert jeweils über die<br />

Zielstellung der Untersuchung. Die Projektverantwortlichen<br />

sind angegeben und meist steht zudem ein Link<br />

zur Verfügung, um weitere Informationen zu erhalten.<br />

Wir wünschen uns, dass dieses Angebot dazu beiträgt,<br />

über Forschungsprojekte zu informieren und<br />

den Wissenschaftstransfer fördert.<br />

Mit diesen »Forschungssteckbriefen« will der<br />

Grundschulverband mit dazu beitragen, dass die<br />

Grundschulforschung von Schulpraxis und Schulpolitik<br />

noch mehr wahrgenommen wird, und er will zugleich<br />

ein Forum für Interessierte herstellen, in dem man sich<br />

über <strong>aktuell</strong>e Forschungsprojekte informieren kann.<br />

➝ www.grundschulverband.de<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

23


Aus der Forschung<br />

Wie rekonstruieren Grundschüler/innen den Unterricht?<br />

Maria Fölling-<br />

Albers<br />

Michael Haider<br />

Thomas Haider<br />

Katja Meidenbaue<br />

Grundschüler/innen verbringen meist<br />

4 bis 6 Unterrichtsstunden täglich in<br />

der Schule. Unterricht, der lernwirksam<br />

sein soll, muss aber auch bei ihnen<br />

»ankommen« – d. h. sie müssen ihn als<br />

bedeutsam für sich abspeichern und<br />

sich mit ihm auseinander setzen. In<br />

welcher Weise der Unterricht von verschiedenen<br />

Schülergruppen der dritten<br />

und vierten Jahrgangsstufe (lernstarke,<br />

lernschwache Schüler/innen, Kinder<br />

mit und ohne Migrationserfahrungen,<br />

Mädchen und Jungen) rekonstruiert<br />

wird, haben wir im Rahmen einer von<br />

der DFG geförderten empirischen Studie<br />

untersucht. Die Untersuchung wurde<br />

in der Oberpfalz (Regensburg und<br />

Umgebung) durchgeführt.<br />

Dabei ging es unter anderem um<br />

folgende Fragen:<br />

■ Wie schätzen Grundschüler/innen<br />

die (Lern-)Bedeutsamkeit ihrer Unterrichtserfahrungen<br />

ein und mit welchen<br />

unterrichtlichen Lernerfahrungen setzen<br />

sie sich auch noch am Nachmittag<br />

auseinander?<br />

■ Wie wirken schulstrukturelle Merkmale<br />

(z. B. bevorstehende Zeugnisse)<br />

auf die Rekonstruktionen der Unterrichtserfahrungen?<br />

Schüler/innen der dritten und<br />

vierten Jahrgangsstufe aus 17 Klassen<br />

wurden an 3 Messzeitpunkten (am<br />

Schuljahresanfang, in der Mitte des<br />

Schuljahres – entweder kurz vor den<br />

Zwischenzeugnissen oder kurz danach<br />

– und am Ende des Schuljahres)<br />

anhand von Fragebögen und (eine<br />

Teilstichprobe) am Abend durch Interviews<br />

jeweils 1 Woche lang zu den<br />

genannten Aspekten befragt. Dem Fragebogen<br />

zum Unterricht am Vormittag<br />

lagen 5 Skalen zugrunde, die sich aufgrund<br />

von Theorien, anderer Untersuchungen<br />

sowie von Vorerhebungen als<br />

relevant für die Rekonstruktionen von<br />

Lernerfahrungen herausgestellt hatten:<br />

eine interessenorientierte, eine<br />

funktional-externale, eine soziale, eine<br />

handlungsbezogene und eine selbstbestimmte<br />

Skala.<br />

Anderen Untersuchungen, z. T. mit<br />

älteren Schüler/innen durchgeführt,<br />

kann man entnehmen, dass ihnen<br />

vor allem soziale Aspekte der Schule<br />

wichtig sind (Freunde treffen, sich<br />

verabreden) und/oder sie den Unterricht<br />

besonders unter funktionalen<br />

Gesichtspunkten abspeichern (schreiben<br />

bald eine Klassenarbeit, ist für die<br />

Note wichtig oder nicht wichtig), aber<br />

kaum unter inhaltlichen und/oder bildungsorientierten<br />

Gesichtspunkten. In<br />

grundschulpädagogischen Veröffentlichungen<br />

wird vor allem der Stellenwert<br />

offenen Unterrichts (Selbstbestimmung)<br />

und handlungsbezogener Lernerfahrungen<br />

betont.<br />

Wie sehen Grundschüler/innen<br />

ihren Unterricht?<br />

Einige Ergebnisse:<br />

■ Den Grundschüler/innen ist an erster<br />

Stelle wichtig, dass ein Thema<br />

interessant ist, dass sie etwas Neues<br />

lernen und/oder Spaß am Unterricht<br />

haben (in allen 17 Klassen wurde diese<br />

Skala an erster Stelle genannt). Die<br />

lernschwächeren Kinder haben dies<br />

häufiger angegeben als die anderen<br />

Lernergruppen.<br />

■ An zweiter Stelle sind ihnen der<br />

funktional-externale Aspekte des Unterrichts<br />

wichtig: dass sie eine gute<br />

Note bekommen (haben), dass sie gelobt<br />

werden, dass sie etwas gut konnten<br />

etc.<br />

Abb. 1: Soziale Skala: Unterschiede an den Wochentagen, MZPe 1-3<br />

■ Selbstbestimmungserfahrungen<br />

im Unterricht scheinen den Kindern<br />

am wenigsten wichtig zu sein, und sie<br />

wurden von den Kindern am wenigsten<br />

häufig als Grund genannt, warum ihnen<br />

eine Unterrichtsstunde am Vormittag<br />

besonders gut gefallen hat.<br />

■ Vor allem am Montag (und tendenziell<br />

wieder am Freitag) ist der soziale<br />

Stellenwert im Unterricht für die<br />

Schüler/innen besonders wichtig. Den<br />

lernschwächeren Kindern ist diese Orientierung<br />

wichtiger als den anderen<br />

Schülergruppen.<br />

■ Kurz vor den Zwischenzeugnissen<br />

wird der Unterricht signifikant mehr<br />

unter funktionalen Gesichtspunkten<br />

wahrgenommen als zu den anderen<br />

Messzeitpunkten. Viertklässler betonen<br />

den funktionalen Aspekt von Unterricht<br />

mehr als Drittklässler.<br />

■ Mathematik ist zwar nach Sport das<br />

beliebteste Unterrichtsfach, doch Mathematikstunden<br />

werden relativ wenig<br />

als beliebteste Unterrichtsstunde am<br />

Tag genannt. Kinder mit Migrationshintergrund<br />

geben signifikant mehr<br />

als deutsche Kinder an, dass ihnen Mathematikstunden<br />

besonders gefallen<br />

haben.<br />

■ Das Fach Deutsch ist nicht nur bei<br />

den meisten Schüler/innen (vor allem<br />

bei den Jungen) ein wenig beliebtes<br />

Fach (Deutschstunden gefallen den<br />

Kindern anscheinend dann besonders<br />

gut, wenn es Lesestunden sind).<br />

24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Aus der Forschung<br />

■ Leistungsstarke Schüler/innen geben<br />

sehr häufig entweder an, dass es<br />

schade gewesen wäre, wenn sie an<br />

diesem Schultag gefehlt hätten, aber<br />

auch, dass es nicht schade gewesen<br />

wäre, wenn sie gefehlt hätten, weil sie<br />

nichts Neues gelernt haben.<br />

■ Leistungsschwache Schüler/innen<br />

rekonstruieren Unterrichtsstunden in<br />

einem erheblichen Maße unter formalen<br />

Gesichtspunkten (ob sie etwas in<br />

eine rote oder grüne Mappe eingetragen<br />

haben, an welcher Stelle etwas an<br />

der Tafel gestanden hat), inhaltliche<br />

Aspekte des Unterrichts können sie am<br />

Abend oftmals kaum so rekonstruieren,<br />

dass der Kern der Inhalte erkennbar<br />

wäre.<br />

■ Mädchen üben deutlich mehr am<br />

Nachmittag (auch zusätzlich) für die<br />

Schule als Jungen.<br />

■ Die Gedanken an Schule (am Nachmittag,<br />

am Abend) sind eher durch Besorgnis<br />

und auch durch Angst gekennzeichnet<br />

als durch (Vor-)Freude. Das<br />

gilt insbesondere für die Zeit vor Zeugnissen.<br />

Schüler/innen der mittleren<br />

Lernergruppe (bei denen oftmals die<br />

Empfehlungen für die gewünschte weiterführende<br />

Schule noch unbestimmt<br />

ist), thematisieren solche Gedanken<br />

besonders häufig.<br />

In zwei Klassen, in denen mehr als in<br />

den anderen 15 untersuchten Klassen<br />

»schülerorientierte« Unterrichtsmethoden<br />

praktiziert werden, unterschieden<br />

sich die Aussagen der Schüler/innen<br />

zu ihren unterrichtlichen<br />

Präferenzen von den anderen Klassen.<br />

In diesen beiden Klassen wird die funktionale<br />

Skala eher niedrig bewertet,<br />

die soziale hingegen deutlich höher.<br />

Die selbstbestimmte Skala wurde nur<br />

in der Klasse mit hohen Freiarbeitsanteilen<br />

häufiger genannt (aber »nur« an<br />

dritter Stelle).<br />

Die relativ geringe Bewertung der<br />

Selbstbestimmung als ein für Kinder<br />

besonders relevantes Unterrichtsmerkmal<br />

mag überraschen, gilt diese<br />

doch nach maßgeblichen Konzepten<br />

des Grundschulunterrichts (vgl. Begründung<br />

von Freiarbeit und offenem<br />

Unterricht) als besonders relevant und<br />

beliebt und nach der Selbstbestimmungstheorie<br />

der Motivation als ein<br />

menschliches Grundbedürfnis. Deshalb<br />

ist es umso bemerkenswerter,<br />

dass sowohl bei der Vorerhebung, in<br />

Summe<br />

Abb.2: »Was hast du nachmittags für die Schule gemacht?«<br />

(Die ausgewählten Items sind alle signifikant.)<br />

der gefragt wurde, unter welchen Gesichtspunkten<br />

Grundschüler/innen<br />

der Unterricht »prinzipiell« besonders<br />

gut gefällt, als auch in der Haupterhebung,<br />

in der die tatsächlich erfahrenen<br />

Unterrichtsstunden untersucht<br />

wurden, die Selbstbestimmung so<br />

niedrig bewertet wurde (mit Ausnahme<br />

der beiden oben genannten Klassen<br />

wurde die Selbstbestimmung bei<br />

beiden Erhebungen an letzter Stelle<br />

genannt). Dieses Ergebnis kann man<br />

sicher verschieden interpretieren: Die<br />

Selbstbestimmung als Merkmal von<br />

Unterricht ist den Schüler/innen nicht<br />

so zentral wichtig – im Vergleich zu<br />

anderen Merkmalen (wie Handlungsorientierung<br />

oder interessante Inhalte);<br />

oder: Es fand bislang nur wenig Selbstbestimmung<br />

im Unterricht statt, so<br />

dass die Schüler/innen dieses Merkmal<br />

gar nicht als besonders wünschenswerten<br />

Aspekt von Unterricht anführen<br />

konnten; oder: Die Schüler/innen<br />

empfanden bereits in der Skala Interessenorientierung<br />

die Selbstbestimmung<br />

hinreichend umgesetzt. Eine<br />

befriedigende Antwort kann durch<br />

die hier durchgeführte Untersuchung<br />

nicht gegeben werden.<br />

Man kann festhalten: Der Unterricht<br />

gefällt Kindern dann besonders gut,<br />

wenn der Inhalt bei ihnen ankommt,<br />

wenn der Gegenstand ihr Interesse findet.<br />

Dabei sind die »Nebenfächer« deutlich<br />

beliebter als die Fächer Deutsch<br />

und Mathematik. Die lernschwächeren<br />

Schüler/innen geben deutlich mehr als<br />

die anderen Schülergruppen an, dass<br />

Geschlecht<br />

ihnen der Unterricht gut gefallen hat,<br />

weil er interessant war.<br />

Man könnte der Ansicht sein, dass<br />

intrinsische Orientierung einerseits<br />

und funktional-extrinsische Orientierung<br />

andererseits sich widersprechen<br />

müssten. In der vorliegenden Studie<br />

wurden diese beiden Skalen von den<br />

befragten Grundschüler/innen allerdings<br />

vorrangig als wichtig angesehen.<br />

(Und in allen Klassen wurde auch<br />

eine hohe Schulfreude gemessen.) Bei<br />

genauerem Hinsehen hingegen ist die<br />

scheinbar gegensätzliche Ausrichtung<br />

der Schüler/innen durchaus plausibel.<br />

Sie mögen Unterricht dann besonders,<br />

wenn er ihnen interessant erscheint.<br />

Gleichzeitig wissen sie aber auch um<br />

die Struktur der Institution Schule<br />

– worauf es ankommt. Extrinsische,<br />

funktionale Verstärker (Lob, gute Noten<br />

etc.) stellen wichtige Merkmale des<br />

Systems dar. Da darf es nicht verwundern,<br />

wenn Kinder diese auch als relevante<br />

Motive für sich verinnerlichen.<br />

In anderen Untersuchungen konnten<br />

entsprechende, d. h. etwa gleich starke<br />

Ausrichtungen interessenbezogener<br />

und funktional-externaler Motive bei<br />

den Grundschüler/innen festgestellt<br />

werden. Die Interviews zeigten, dass<br />

lernstarke Schüler/innen sich in der<br />

Schule sehr oft nicht ausreichend herausgefordert<br />

fühlen. Lernschwache<br />

Kinder hingegen wissen am Abend oftmals<br />

nicht mehr, was am Morgen unterrichtet<br />

wurde – vor allem nicht, was<br />

für den Lernprozess relevante Inhalte<br />

waren.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

25


Erwin-Schwartz-Grundschulpreis<br />

»Mir ist wichtig, dass Kinder ihren Schultag<br />

vergnüglich, nützlich und friedlich verbringen«<br />

Erwin-Schwartz-Grundschulpreis an Heide Bambach<br />

Es war am Abend des 11. Mai 2007. Im schönen<br />

Saal des Hotel Gebhards in Göttingen<br />

sind die Delegierten, Fachreferent/innen und<br />

der Vorstand des Grundschulverbandes, dazu<br />

Angehörige der Familie von Erwin Schwartz<br />

sowie Verwandte, Freunde und Weggenoss/innen<br />

der Preisträgerin zusammengekommen:<br />

Der Grundschulverband verleiht den Erwin-<br />

Schwartz-Grundschulpreis 2007 an die Reformpädagogin<br />

Heide Bambach.<br />

Namensgeber des Preises ist Prof. Dr. Erwin<br />

Schwartz, der erste Hochschullehrer für<br />

Grundschulpädagogik in Deutschland. Um das<br />

pädagogische Vermächtnis seines Begründers<br />

wach zu halten, vergibt der Grundschulverband<br />

zukünftig in regelmäßigen Abständen<br />

den »Erwin-Schwartz-Grundschulpreis« – für<br />

besondere Verdienste um die <strong>Grundschule</strong><br />

und die Bildung ihrer Kinder.<br />

Die Delegiertenversammlung des Grundschulverbandes<br />

hatte Heide Bambach einstimmig<br />

zur ersten Preisträgerin bestimmt.<br />

Für diese Entscheidung hatte GSV-Vorsitzender<br />

Horst Bartnitzky »fünf gute Gründe«<br />

genannt:<br />

■ Heide Bambach engagiert sich seit mehr<br />

als 35 Jahren als Pionierin einer Pädagogik<br />

nicht nur für Kinder, sondern auch mit Kindern<br />

– im täglichen Unterricht, in der konzeptionellen<br />

Entwicklungsarbeit, in der Fortbildung<br />

von LehrerInnen und ganzen Kollegien.<br />

Kinder brauchen »Zeit zum Aufwachsen« war<br />

und ist ihr Credo.<br />

■ Als ein sichtbares Beispiel für dieses Verständnis<br />

von Schule hat Heide Bambach die<br />

Primarstufe der Laborschule Bielefeld mit geplant,<br />

aufgebaut und später geleitet. Sie hat<br />

selbst tagtäglich als Klassenlehrerin in dieser<br />

Schule unterrichtet und vor allem die neue<br />

Eingangsstufe durch ihren besonderen Stil<br />

geprägt: jahrgangsübergreifende Lerngruppen,<br />

offener Schulanfang, Rhythmisierung<br />

des Schultags, »Leseversammlungen« mit den<br />

»Fragen und Sagen« der Kinder zu den eigenen<br />

Texten und zu denen der anderen, der redliche,<br />

aber immer liebevolle Umgang mit den Fehlern<br />

und Schwächen der ihr anvertrauten Kinder.<br />

■ Mit ihren Büchern und Aufsätzen hat Heide<br />

Bambach viele KollegInnen angeregt und herausgefordert,<br />

andere Formen des Unterrichts<br />

zu wagen. Dazu gehört vor allem die Entfal-<br />

tung von Unterrichtsaktivitäten aus dem Vorlesen<br />

anspruchsvoller Kinderliteratur. Dazu<br />

gehört auch die Beurteilung der erwachsenden<br />

Leistungen als Ausdruck der individuellen<br />

Möglichkeiten des einzelnen Kindes – und<br />

nicht im Vergleich mit der Leistung der anderen.<br />

■ Mit ihrer Sensibilität und Verletzlichkeit<br />

entwickelt sie eine Ausstrahlung, die beeindruckt,<br />

wenn man mit ihr redet, wenn man<br />

ihre Texte liest und vor allem: wenn man sie im<br />

Umgang mit Kindern beobachtet.<br />

■ Seitdem Heide Bambach 2003 ihre Arbeit<br />

an der Laborschule aufgegeben hat, berät sie<br />

Schulen in ganz Deutschland bei ihrer Entwicklung,<br />

u. a. als Mitglied in den externen Inspektionsteams,<br />

die die Bremer Schulen nach<br />

dem Modell der »kritischen Freunde« evaluieren.<br />

Horst Bartnitzky (rechts), Vorsitzender des<br />

Grundschulverbandes und der Laudator,<br />

Prof. Dr. Hans Brügelmann (links), überreichen<br />

die Urkunde an Heide Bambach<br />

Horst Bartnitzky: »Kinder stärken«<br />

Am Beginn der Veranstaltung zur ersten Verleihung<br />

des Erwin-Schwartz-Grundschulpreises<br />

schilderte der Vorsitzende des Grundschulverbandes,<br />

Horst Bartnitzky, die Entstehungsgeschichte<br />

und den politisch-pädagogischen<br />

Kontext dieses Preises:<br />

Am 6. Juli 2003 verstarb der Gründer<br />

des Grundschulverbandes, Prof. Dr. Erwin<br />

Schwartz, kurz vor seinem 87. Geburtstag.<br />

Als wir diese Nachricht erhielten, war dies ein<br />

erneuter Anstoß, über die Frage nachzudenken,<br />

wie wir das Andenken an den Gründer des<br />

Verbandes dauerhaft wach und in Ehren halten<br />

können.<br />

Was war es, das Erwin Schwartz damals<br />

dazu bewogen hat, den »Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong>«<br />

zu gründen?<br />

Die Reform der <strong>Grundschule</strong> zu einer Kinderschule,<br />

die Kinder nicht ständig klassifiziert<br />

und ausliest, sondern ihre Entwicklung<br />

fördert; die nicht jedem Kind das Gleiche,<br />

sondern jedem das Seine gibt; die nicht die<br />

Schule der kleinen Kinder ausstattet mit den<br />

wenigsten Schulstunden in den größten Klassen<br />

sowie den kürzest ausgebildeten und am<br />

schlechtesten bezahlten Lehrern; die <strong>Grundschule</strong><br />

als Kinderschule, der die Jugendschule,<br />

ebenfalls als integrierte Schule, folgen sollte.<br />

Erwin Schwartz reiste kreuz und quer<br />

durch Deutschland und versammelte für die<br />

Reform der <strong>Grundschule</strong> eine Fülle von engagierten<br />

Personen: Bundesgenossen, wie er<br />

auch sagte, aus Schulpraxis, Schulverwaltung,<br />

Wissenschaft und Elternschaft.<br />

Ein Zusammenschluss dieser Mitstreiter für<br />

die Reform der <strong>Grundschule</strong> sollte es werden,<br />

vereint in einem Arbeitskreis.<br />

Wir verdanken unserem Gründer Erwin<br />

Schwartz nicht nur die formale Gründung unseres<br />

Verbandes, sondern gerade auch seine<br />

inhaltliche Ausrichtung und die grundlegende<br />

Programmatik: Die Blickrichtung vom Kind her<br />

auf die Bedingungen seiner Schule; eine pädagogische<br />

Ethik, die den Gleichberechtigungsanspruch<br />

der Kinder mit dem Entfaltungsrecht<br />

und der freisetzenden Erziehung verbindet.<br />

Wir verdanken ihm die drei Arbeitsfelder, die<br />

uns durch unsere Satzung nach wie vor aufgetragen<br />

sind: die Wissenschaft, die Schulpraxis<br />

sowie die Bildungspolitik. Und wir verdanken<br />

ihm die Konstituierung wichtiger Foren wie<br />

unsere Publikationen und die Kongresse.<br />

Um das Andenken an den Gründer unseres<br />

Verbandes wachzuhalten, entschieden wir<br />

uns, in regelmäßigen Abständen einen »Erwin-<br />

Schwartz-Grundschulpreis« zu vergeben. Dazu<br />

sollten solche Personen oder auch Institutionen<br />

ausgewählt werden, die der Reform der<br />

26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Erwin-Schwartz-Grundschulpreis<br />

<strong>Grundschule</strong> eine Gestalt geben, die anschaulich<br />

machen, was Kinderschule heißt, ein Preis<br />

also für, wie es in der Urkunde heißt, »besondere<br />

Verdienste um die <strong>Grundschule</strong> und die<br />

Bildung ihrer Kinder«.<br />

Der »Erwin-Schwartz-Grundschulpreis« besteht<br />

aus einer repräsentativen Urkunde und<br />

einem in Leinen gebundenen Buch, beides<br />

vereint in einer edlen Kassette. Das Buch enthält<br />

eine Sammlung grundlegender Texte von<br />

Erwin Schwartz sowie die Laudatio von Hans<br />

Brügelmann, von dem Frankfurter Designer<br />

Dr. Helmuth Krieg neu und typografisch erlesen<br />

gestaltet und in Buchform gebracht – als<br />

Unikat für die Preisträgerin. Das Buch nannten<br />

wir, sicher im Sinne von Erwin Schwartz,<br />

»Kinder stärken«.<br />

Die »Preisgabe« versinnbildlicht auf diese<br />

Weise die Verbundenheit zwischen den Reformanliegen<br />

von Erwin Schwartz und unseren<br />

heutigen Bemühungen.<br />

Hans Brügelmann:<br />

»Man sieht nur mit dem Herzen gut«<br />

Unter dieses Motto stellte Prof. Dr. Hans<br />

Brügelmann, Erziehungswissenschaftler an<br />

der Universität Siegen und Fachreferent im<br />

Grundschulverband, seine Laudatio auf die<br />

Preisträgerin. Einige Passagen seien hier dokumentiert:<br />

In dem Buch »Der kleine Prinz« von<br />

Antoine de Saint-Exupéry heißt es: »Man sieht<br />

nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist<br />

für die Augen unsichtbar.«<br />

Dies können viele Erwachsene nicht, wie<br />

Saint-Exupéry vielen Erwachsenen vorwirft.<br />

Verschärft gilt es für die Wissenschaft. Auch<br />

viele LehrerInnen nehmen nicht wahr, was<br />

sie sehen. Das wird besonders deutlich, wenn<br />

Zensuren durch Verbalgutachten ersetzt werden<br />

und doch nichts anderes sind als nur ausformulierte<br />

Notenziffern. Es ist schwierig einen<br />

anderen Menschen, zumal ein Kind, so zu<br />

beschreiben, dass man redlich bleibt, ohne zu<br />

verletzen. Dies ist die besondere Qualität der<br />

Entwicklungsberichte von Heide Bambach,<br />

wie sie sich beispielsweise in ihrem Buch »Ermutigungen.<br />

Nicht Zensuren« finden. Diese<br />

Texte sind Geschenke an die Kinder, an jedes<br />

einzelne Kind in seiner Besonderheit – und sie<br />

sind zugleich ein bedeutsamer Beitrag zur pädagogischen<br />

Forschung.<br />

Heide Bambach ist eine Meisterin solcher<br />

Beobachtungen, ihrer differenzierten Deutung<br />

und lebendigen Darstellung. Im Mittelpunkt<br />

ihres Unterrichts steht Literatur,<br />

anspruchsvolle Kinder- und Jugendliteratur:<br />

Bücher lesen, Bücher schreiben und über Bücher<br />

(die gemeinsam gelesenen und die selbst<br />

geschriebenen) sprechen – das sind die drei<br />

Säulen ihres Unterrichts. Mich hat immer wieder<br />

fasziniert, mit welcher Intensität und Tiefe<br />

Kinder in diesem Unterricht über Grundfragen<br />

des menschlichen Zusammenlebens nachdenken<br />

und sprechen – und mit welcher Sensibilität<br />

Heide Bambach diese Gespräche begleitet<br />

und aufnimmt. Und wie sie darüber schreibt<br />

ist selbst große Literatur.<br />

Jede pädagogische Situation ist einzigartig.<br />

Darum können Studien wie PISA, IGLU oder<br />

VERA zwar für BildungspolitikerInnen hilfreich<br />

sein, ihr Nutzen für die einzelne Lehrerin<br />

ist aber sehr begrenzt. PraktikerInnen in<br />

allen Berufen denken nicht induktiv-deduktiv,<br />

also durch die Anwendung von allgemeinen<br />

Regeln auf konkrete Situationen, sie denken<br />

eher analog, sozusagen von Fall zu Fall. Aber<br />

das gelingt nur, wenn die Erfahrungen so verdichtet<br />

werden, dass sie im Vertrauten Neues<br />

zu sehen helfen.<br />

Nach PISA ist viel die Rede davon, LehrerInnen<br />

müssten einen »diagnostischen Blick«<br />

entwickeln. Dazu werden Tests konzipiert und<br />

Checklisten erstellt, mit deren Hilfe man einzelne<br />

Teilleistungen genauer erfassen kann.<br />

Solche Instrumente können durchaus nützlich<br />

sein. Ich habe sie an anderer Stelle mit »Brillen«<br />

verglichen, die unsere Wahrnehmung<br />

fokussieren und schärfen können. Sie helfen<br />

uns, Fortschritte und Schwierigkeiten beim<br />

fachlichen Lernen genauer zu sehen, die in<br />

der Fülle der Eindrücke eines Schulvormittags<br />

leicht untergehen.<br />

Auch beim Grundschulverband haben wir<br />

in unseren Hilfen zur Entwicklung einer »pädagogischen<br />

Leistungskultur« solche Brillen<br />

angeboten. Aber wir haben auch deutlich gemacht,<br />

dass scharfe Brillen ohne wache Augen<br />

und ohne einen freundlichen Blick Pädagogik<br />

zu einer Technik verkümmern lassen. Wachheit<br />

und Freundlichkeit des pädagogischen Blicks<br />

Die Familie von Erwin Schwartz war bei der Feier<br />

anwesend. Frau Gisela Winter, die Tochter von<br />

Erwin Schwartz, bedankte sich im Namen der<br />

Familie für die Einladung: »Es war eine rundum<br />

gelungene Veranstaltung! Horst Bartnitzkys<br />

Darstellung der Aktivitäten und Verdienste von<br />

Erwin Schwartz hat uns Familienangehörige<br />

natürlich besonders bewegt. Beeindruckt waren<br />

vor allen Dingen die Enkelkinder, die den Großvater<br />

bisher vorrangig aus privatem Blickwinkel kannten<br />

und nun mehr über seine außerfamiliären,<br />

beruflichen Anliegen und Arbeiten erfuhren.<br />

Die Festschrift im Schuber mit der Sammlung der<br />

Aufsätze unseres Vaters ist eine schöne Erinnerung<br />

an diesen Abend.«<br />

– das zeichnet Heide Bambachs Entwicklungsberichte<br />

aus. Sie hat immer sehr empfindlich<br />

reagiert, wenn Hartmut Von Hentigs Forderung<br />

»Die Menschen stärken, die Sachen klären«<br />

nachlässig, d. h. in umgekehrter Reihenfolge<br />

zitiert wird. Sie sieht immer als erstes die<br />

Person.<br />

Statt der Fixierung auf Fehler und der ständigen<br />

Klagen darüber, was Kinder alles nicht<br />

können, etwas mehr Anerkennung für die erstaunlichen<br />

Leistungen, die sie vollbringen<br />

– zum Beispiel, wenn sie sich in wenigen Jahren<br />

das Schriftsystem aneignen, für dessen<br />

Entwicklung die Menschheit mehrere Jahrtausende<br />

gebraucht hat. Heide Bambach würdigt<br />

die Fortschritte ihrer Kinder in einer Sprache,<br />

die dieses Staunen und diesen Respekt spüren<br />

lässt.<br />

Wie arm erscheinen im Vergleich zu dieser<br />

Beschreibung die Listen mit Kriterien für<br />

»guten Unterricht«, die zurzeit allerorten die<br />

Evaluation von Schule bestimmen.<br />

■ Bücher von Heide Bambach<br />

– Ermutigungen. Nicht Zensuren.<br />

Ein Plädoyer in Beispielen, 260 S., br.<br />

– Erfundene Geschichten erzählen es richtig.<br />

Lesen und Leben in der Schule, 296 S., kt.<br />

Erschienen im Libelle Verlag, Sternengarten 6,<br />

CH-8574 Lengwil, www.libelle.ch<br />

■ Informationen über Leben und Arbeit von<br />

Erwin Schwartz, die Eröffnungsrede von<br />

Horst Bartnitzky, die Laudatio von Prof. Dr.<br />

Hans Brügelmann (Universität Siegen), Näheres<br />

über die Preisträgerin Heide Bambach, ihre<br />

Begrüßung der Ehrengäste und ihre Dankesworte<br />

sowie Foto-Impressionen von der Preisverleihung<br />

finden Sie auf unserer Homepage:<br />

www.grundschulverband.de<br />

Ulrich Hecker<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

27


Erwin-Schwartz-Grundschulpreis<br />

»Er hat Adoptivkind zu mir gesagt…«<br />

Von Kindern, deren Fäuste dicht neben den Tränen liegen<br />

Für Ariane Garlichs, bei der<br />

künftige Lehrer lernen, noch<br />

einmal mehr hinzuschauen<br />

und doppelt gut hinzuhören.<br />

Marco wirkt meist wie auf der Suche und der Flucht zugleich.<br />

Gründe und Anlässe hierfür finden sich in der<br />

Geschichte seines Lebens mehr als genug. In der Sprache<br />

der Psy chodiagnostik wird er als hyperaktiv und bindungsunfähig<br />

bezeichnet; ihm fehle das Bewußtsein für Unrecht.<br />

Für Marco haben wir ein zusätzliches Jahr in der (familienähnlichen)<br />

Ein gangsstufe überlegt. Aber bereits als Siebenjähriger<br />

war er hoch aufgeschossen wie ein Zehnjähriger;<br />

seine Größe und die Kühnheit seiner Künste auf dem Skateboard<br />

brachten ihm Anhänger und Untertanen, sein Mangel<br />

an Kontrolle über sich brachte ihn in den Ruf, jemand<br />

zu sein, »der sich an Kleinen vergreift«. Da wir Lehrer ihn in<br />

dieser Rolle nicht noch ein zusätzliches Jahr lassen wollten,<br />

kam er mit den Gleichaltrigen in den Jahrgang 3, obwohl ihm<br />

hierfür die Voraussetzungen noch fehlten. Auch dort war er<br />

binnen Kurzem von einer Mischung aus Furcht und Faszination<br />

umgeben. Wir Erwachsenen fühlten uns am Rande unserer<br />

Kräfte mit ihm und spielten mit der Vorstellung, eine<br />

Erziehungshilfe-Einrichtung für ihn zu suchen.<br />

Mustafa, der es an diesem Tag mit Marco zu tun bekommt,<br />

ist ein kleingewachsener kurdi scher Junge –<br />

zwei Jahre älter als Marco und zwei Kopf kürzer. Schulisches<br />

Lernen ist für Mustafa sehr, sehr schwierig; den Geheimnissen<br />

der Schriftsprache zum Beispiel ist der fast Elfjährige<br />

erst seit einigen Monaten auf der Spur. Eine entwicklungspsychologische<br />

Untersu chung ergibt bei ihm das Reifealter<br />

eines Sechsjährigen.<br />

Freie Arbeitszeit: zwanzig Drittklässler gehen ihren Vorhaben<br />

nach – lesend, zeichnend, schreibend, rechnend,<br />

nachdenkend, experimentierend, im Austausch miteinander.<br />

Plötzlich sehe ich Marco mit seinen Fäusten wie besinnungslos<br />

auf Mustafa einschlagen. Ich springe dazwischen<br />

und beginne mit großer Heftigkeit, Marco wegen seiner<br />

gewalttätigen Attacke zurechtzuweisen. Aber ein Blick in<br />

sein Gesicht lässt mich innehalten. »Er hat Adoptivkind zu<br />

mir gesagt! Aber es ist nicht wahr!«, schreit er im Kampf mit<br />

seinen Tränen.<br />

Marco ist keiner, der sich tröstend in den Arm nehmen oder<br />

beruhigend über das Haar strei cheln ließe. Also versuche<br />

ich es mit dem Finger an seiner Schulter und dem Satz, dass<br />

fast alle Kinder irgendwann einmal Angst hätten, nicht in<br />

ihre Familie zu gehören. Ich wisse noch genau, was für ein<br />

schlimmes Gefühl das gewesen sei. Unter der Anteilnahme<br />

entspannt sich Marco. »Nur weil mein Vater und meine Mutter<br />

geschieden sind und meine Mutter einen Freund hat …«,<br />

schluchzt er. Aber er wisse doch, dass seine Mutter ihn lieb<br />

hat und dass er ihr Kind ist. Marco nickt – tapfer, nicht überzeugt.<br />

Sein Problem ist ein anderes. »Meine Mutter will Herbert<br />

heiraten. Sie hat gesagt, dass er mich dann adoptiert«,<br />

sagt er. Und dann – fast unhörbar leise: »Ich will aber nicht.«<br />

Nun erst beginne ich zu verstehen: Gegen die Heirat hat<br />

Marco nichts; er hängt an seiner Mutter und möchte, dass<br />

es ihr gut geht. Aber adoptiert werden will er nicht, denn er<br />

liebt sei nen Vater und will ihm die Treue halten. Ein Adoptivkind<br />

zu sein wäre gleichbedeutend mit Verrat. Dagegen<br />

wehrt sich Marco – mit voller Kraft. Vermutlich steckt in den<br />

Fäusten, mit denen er an seinem leiblichen Vater festhält,<br />

auch die Ahnung, ihn endgültig zu verlieren. Denn die Entscheidung<br />

seiner Mutter für »Herbert« als neuen Gatten und<br />

Vater ist der Ver such, ihrem Herkunftsmilieu zu entfliehen.<br />

Herbert ist Polizist – Marcos Vater eher auf der anderen Seite.<br />

Später klärt sich auf, dass Mustafa das A-DO-P-TI-V-KIND<br />

nicht als Schmähung gemeint, sondern arglos in der Manier<br />

von Leseanfängern den Titel eines zufällig daliegenden<br />

Buches vor dem zufällig in der Nähe sitzenden Marco zusammenbuchstabiert<br />

und leseerfolgs-ver gnügt skandiert<br />

hat – nicht ahnend, dass dies bei Marco in eine Wunde trifft.<br />

Marcos Antwort gerät schlimm; auf den ersten Blick und von<br />

außen besehen ist es »Gewalt«. Aber die Innenansicht der<br />

Szene zeigt, dass Marco eines jener Kinder ist, bei denen die<br />

Fäuste dicht neben den Tränen liegen. Es gibt viele solcher<br />

Kinder heutzutage und sie scheinen für einander Gespür und<br />

Verständnis zu haben: Als ich Mustafa und Marco am nächsten<br />

Tag zusammen sehe und frage, ob sie wieder Freunde<br />

seien, zuckt Marco wie schuldbewusst die Schultern und<br />

sagt zweifelnd: »Ich weiß nicht?«<br />

Da streckt Mustafa ihm mit großer Geste die Hand hin und<br />

fragt: »Vertragen?« »Vertragen!«, sagt Marco und schlägt<br />

ein.<br />

Nach Rede und Laudatio las Heide Bambach aus ihren Texten.<br />

So wurde für alle Anwesenden spürbar und greifbar, was ihre<br />

Leser/innen und Zuhörer/innen immer wieder staunen lässt:<br />

Heide Bambachs Vertrauen in Kinder, ihre Sensibilität, das Besondere<br />

des einzelnen Kindes einfühlsam wahrzunehmen, und ihre geradezu<br />

literarischen Fähigkeiten, diese Beobachtungen und Deutungen<br />

anderen mitzuteilen. Diesen bisher unveröffentlichten Text schenkte<br />

die Preisträgerin den Leserinnen und Lesern dieser Zeitschrift.<br />

28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Grundschulverband <strong>aktuell</strong><br />

… auf Bundesebene<br />

Nachrichten aus<br />

dem Bundesverband<br />

Grundschulpreis für Heide Bambach<br />

11. Mai in Göttingen: Ein Höhepunkt unserer<br />

Verbandsarbeit in diesem Jahr war die Verleihung<br />

des »Erwin-Schwartz-Grundschulpreises«<br />

an Heide Bambach. Dazu berichten<br />

wir auf den S. 26 bis 28 ausführlich.<br />

Wechsel im Fachreferat<br />

für Schulentwicklung<br />

Bei der Delegiertenversammlung (siehe<br />

unten) im Mai in Göttingen musste der bisherige<br />

Fachreferent Dr. Karlheinz Burk<br />

seine Funktion aus gesundheitlichen Gründen<br />

abgeben. Er schlug den Delegierten vor,<br />

Dr. Heike de Boer als Nachfolgerin zu wählen.<br />

Heike de Boer arbeitet als Akademische Rätin<br />

an der Pädagogischen Hochschule Freiburg.<br />

Vorher war sie pädagogische Mitarbeiterin im<br />

Institut für Pädagogik der Elementar- und<br />

Primarstufe der Johann Wolfgang Goethe-<br />

Universität Frankfurt/M. Promoviert hat<br />

sie zur interaktiven Praxis des Klassenrates.<br />

Dabei hat sie über drei Jahre kindergeleitete<br />

Klassenratssitzungen beobachtet und ausgewertet.<br />

Bis 2001 war Heike de Boer Grundschullehrerin<br />

an einer jahrgangs gemischten<br />

Peter-Petersen-Schule in Köln und in der<br />

altersgemischten Schuleingangsstufe einer<br />

hessischen <strong>Grundschule</strong>. Ihre Arbeitsschwerpunkte<br />

sind: »Demokratie lernen«, Kooperation<br />

und Partizipation, Unterrichtsentwicklung<br />

durch Unterrichtsbeobachtung,<br />

Schulentwicklung durch Kooperation, jahrgangsgemischtes<br />

Lernen und Lehrerbildung.<br />

Dr. Heike de Boer wurde einstimmig zur<br />

neuen Fachreferentin gewählt. Schwerpunkte<br />

der Arbeit des Fachreferats »Gestaltung der<br />

Was ist … die Delegiertenversammlung?<br />

Mitglieder der Delegiertenversammlung<br />

sind jeweils ein/e Delegierte/r der sechzehn<br />

Landesgruppen, die Mitglieder des<br />

Vorstandes und bis zu acht zusätzliche<br />

Mitglieder als Fachreferentinnen oder<br />

Fachreferenten.<br />

Die Delegiertenversammlung ist das<br />

oberste Organ des Grundschulverbands.<br />

Sie entscheidet über alle wichtigen Fragen<br />

der Verbandsarbeit, berät und verabschiedet<br />

Anträge, beschließt Haushaltsplan,<br />

Mitgliedsbeiträge, Satzungsänderungen<br />

und die Einrichtung von Fachreferaten<br />

und Fachausschüssen. Sie wählt den Vorstand<br />

und die Fachreferent/innen und<br />

kann die Ehrenmitgliedschaft verleihen.<br />

Die Delegiertenversammlung tritt in der<br />

Regel zweimal im Jahr (Mai und November)<br />

zusammen.<br />

<strong>Grundschule</strong>« bleiben weiterhin u. a. die Entwicklung<br />

der Stundenschule zur Ganztagsschule<br />

und die Zusammenarbeit verschiedener<br />

Professionen in der Schule.<br />

■ Weitere Informationen zum Fachreferat<br />

und zur neuen Fachreferentin unter<br />

www.grundschulverband.de.<br />

Exotisch: Kontakte des GSV<br />

mit der Mongolei<br />

Aus der »fernen Mongolei« und über Vermittlung<br />

der Kölner Uni erreichte uns die Bitte<br />

um Informationen zur Grundschul arbeit.<br />

Nun korrespondieren wir mit der Nicht-Regierungs-Organisation<br />

»Primary Education<br />

Future-Center«. Unsere Info-Broschüre wurde<br />

dort bereits ins Mongolische übersetzt und<br />

Grundschullehrern zugänglich gemacht, so<br />

Frau Tserenkhuu Tserennadmid, mit der wir<br />

korrespondieren. Gerade ist ein Päckchen mit<br />

einigen Zeitschriften und Büchern zu erbetenen<br />

Themen abgeschickt worden.<br />

Fremdsprachenlernen bereits ab Klasse 1?<br />

Am 21. Juni 2007 fand die vierte bundesweite<br />

Netzwerkkonferenz zum Thema: »Fremdsprachenlernen<br />

bereits ab Klasse 1?« in der<br />

Goethe-Universität in Frankfurt/M. statt,<br />

die in Kooperation von »Kinder lernen europäische<br />

Sprachen e. V. (kles)« und dem Grundschulverband<br />

veranstaltet wurde.<br />

An der Veranstaltung nahmen Vertreter der<br />

Schul- bzw. Kultusministerien aus vierzehn<br />

Bundesländern, Vertreter aus Studienseminaren,<br />

aus der Schulpraxis und von Verlagen<br />

teil.<br />

Prof. Dr. Gundi Gompf gab in ihrer Eröffnungsrede<br />

einen detaillierten Überblick zum<br />

Karlheinz Burk<br />

zum Ehrenmitglied gewählt<br />

Aufgrund seiner Verdienste für<br />

die Reform der <strong>Grundschule</strong><br />

und seiner langjährigen Arbeit<br />

im Grundschulverband hat<br />

die Delegiertenversammlung<br />

Karlheinz Burk einstimmig<br />

zum Ehrenmitglied gewählt.<br />

Der Vorsitzende Horst Bartnitzky<br />

schilderte Stationen<br />

des Weges von Karlheinz<br />

Burk im Verband und überreichte<br />

die Urkunde über die<br />

Ehrenmitgliedschaft.<br />

■ Näheres zu Karlheinz Burk<br />

auf unserer Homepage<br />

www.grundschulverband.de<br />

Stand der Entwicklungen in den Bundesländern.<br />

Staatssekretäre aus den Bundesländern<br />

ergänzten die Ausführungen, nicht ohne auf<br />

die Bedeutung der förderalen Wettbewerbssituation<br />

hinzuweisen. Gabi Engel aus dem<br />

Studienseminar Soest berichtete über Ergebnisse<br />

einer zweijährigen Studie zu Englisch<br />

ab Klasse 3.<br />

Prof. Dr. Angelika Speck-Hamdan legte<br />

den Standpunkt des Grundschulverbandes<br />

dar und wies dabei auf Problemstellen hin:<br />

z. B. auf die Mehrfachbelastung der Kinder<br />

beim Schuleingang (die Unterrichtszeit ist<br />

begrenzt, gerade in der Eingangsstufe türmen<br />

sich die Aufgaben – Deutsch als Zweitsprache,<br />

Deutsch als Lernsprache, entdeckender<br />

Schriftspracherwerb, sozial-emotionale Aufgaben,<br />

… – dafür brauchen Kinder mehr Zeit,<br />

als die Schule ihnen derzeit gibt); das Verhältnis<br />

zu den Herkunftssprachen; dieAusweitung<br />

der Stundentafel. Angelika Speck-Hamdan<br />

betonte die Gemeinsamkeiten mit »kles« bei<br />

der Forderung nach Einführung einer notenfreien<br />

<strong>Grundschule</strong>.<br />

Einigkeit bestand in der Feststellung, dass die<br />

kindliche Lernfreude und Neugier auf Neues<br />

durch angemessene Anreize genutzt und der<br />

Lernwille frühzeitig gefördert werden soll.<br />

Geblieben sind eine Reihe offener Fragen und<br />

Probleme. Denn wenn sich die Politik für Englisch<br />

ab Klasse 1 entscheidet, dann aus vier<br />

un-pädagogischen Gründen:<br />

Weil es gut als Modernitätsschub zu verkaufen<br />

ist; weil mit Sprachtests bei Vierjährigen<br />

(wie <strong>aktuell</strong> in Nordrhein-Westfalen) und<br />

anschließender Förderung die irrige Vorstellung<br />

herrscht, bis Schuleintritt sei dann »die<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

29


Grundschulverband <strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

… aus dem Bundesverband<br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht, Berliner Allee 22d, 86153 Augsburg<br />

Regelunterrichtsreife« erreicht; weil mit Verkürzung<br />

der Gymnasialzeit von 9 auf 8 Jahre<br />

in den ersten Schuljahren mehr »geklotzt«<br />

werden soll und weil dadurch in Klasse 4 noch<br />

deutlicher wird, wer »gymnasial-tauglich« ist.<br />

Für den Grundschulverband heißt das:<br />

Vorrang hat die Förderung in der deutschen<br />

Sprache mit Mündlichkeit und Schriftlichkeit.<br />

Und dafür müsste eher mehr Zeit als weniger<br />

veranschlagt werden. Vom Kindergarten<br />

an sollen allerdings didaktische Konzepte<br />

der Begegnungssprache (ohne eindimensional<br />

nur Englisch zu meinen) realisiert werden:<br />

Mehr als »Gelegenheitsunterricht« denn<br />

als »Lehrgang« (mehrsprachige Begrüßungen<br />

z. B., Verse, Lieder, kleine Szenen, Bilderbücher).<br />

Dann ab Klasse 3 der reguläre Englischunterricht.<br />

■ Die auf der Konferenz gehaltenen Vorträge<br />

sind auf unserer Homepage dokumentiert:<br />

www.grundschulverband.de<br />

Schon jetzt vormerken:<br />

BundesGrundschulKongress 2009<br />

25./26. September 2009<br />

in Fulda – mitten in Deutschland!<br />

Die Gründung einer Studentengruppe<br />

– Zur Nachahmung<br />

empfohlen!!!<br />

Eine Studentengruppe des<br />

Grundschulverbandes hat sich<br />

mittlerweile an der Universität<br />

Augsburg etabliert. Vorträge,<br />

Bücherverkauf und Diskussionsrunden<br />

gehören zu unserem<br />

Semesterprogramm. Für interessierte<br />

Studenten haben wir Ideen<br />

zusammengestellt, wie eine Studentengruppe<br />

gegründet werden<br />

kann. Sie kann unter<br />

grundschulverband.augsburg@<br />

web.de angefordert werden.<br />

Filmabend »Klassenleben« mit<br />

intensiver Diskussion<br />

Sehr großen Anklang fand ein<br />

Abend mit dem Film »Klassenleben«.<br />

Über 80 interessierte<br />

Studenten sowie Lehrstuhlangehörige<br />

und Grundschullehrer<br />

waren anwesend. Eine Familie,<br />

deren Kind mit Trisomie 21 eine<br />

öffentliche <strong>Grundschule</strong> besucht,<br />

berichtete von ihren Erfahrungen.<br />

Die anschließende Diskussion<br />

war sehr anregend und<br />

bereichernd für wohl alle Anwesenden.<br />

Mitgliederwerbung ist für uns<br />

ganz wichtig – Bessere Vernetzung<br />

erwünscht<br />

Wichtig ist für uns, unsere Arbeit<br />

bei den Studierenden – gerade<br />

auch den Erstsemestern – publik<br />

zu machen. Daher stellen wir den<br />

Grundschulverband und unsere<br />

Gruppe in den Anfangsvorlesungen<br />

vor. Ein leicht zu organisierendes,<br />

aber wirkungsvolles<br />

Unternehmen. Und so freuen wir<br />

uns über zwei Neuanmeldungen!<br />

Unser besonderes Anliegen ist<br />

die Vernetzung junger Mitglieder<br />

– seien es Studenten oder Lehrer<br />

– in der Landesgruppe Bayern,<br />

aber auch bundesweit. Unsere<br />

Gruppe vertrat dabei Katja Entfellner<br />

auf der bundesweiten<br />

Tagung »Junge Mitglieder« in<br />

Frankfurt. Die Inhalte der Tagung<br />

wurden in unserer Gruppe heftig<br />

diskutiert.<br />

Bianca Ederer<br />

beim Vortrag<br />

Eine Lernumgebung zur Heimat geschichte<br />

und Portfolios zum Durchblättern<br />

30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Grundschulverband <strong>aktuell</strong><br />

… aus den Landesgruppen<br />

Berlin<br />

Kontakt: Ing rid Kornmesser, Kohlfurter Str. 4, 10<strong>99</strong>9 Berlin; www.gsv-berlin.de<br />

Vortrag »Auf dem Weg zum<br />

Portfolio« fand interessierte<br />

Zuhörer<br />

Sehr guten Anklang fand der Vortrag<br />

»Auf dem Weg zum Portfolio«.<br />

Bianca Ederer stellte<br />

in Augsburg sehr lebendig und<br />

überzeugend ihre Arbeit mit<br />

Portfolios vor. Wir bekamen<br />

einen Einblick in die Arbeit mit<br />

verschiedenen Formen von Portfolios,<br />

garniert mit Pointen und<br />

Herausforderungen des Schulalltags<br />

und anschaulichen Beispielen.<br />

Geschickt nahm die<br />

Referentin Bezug auf fachwissenschaftliche<br />

Grundlagen und<br />

bot uns eine von Studenten oft<br />

ersehnte Verknüpfung von Theorie<br />

und Praxis. Sie verstand es<br />

auch, uns durch Schilderungen<br />

ihrer eigenen ersten Erfahrungen<br />

und Versuche im Umgang mit<br />

Portfolios zu ermutigen, neue,<br />

zunächst unsichere Wege zu<br />

beschreiten. Interessierte, auch<br />

kritische Fragen wurden offen<br />

geklärt. Im Anschluss an den Vortrag<br />

konnten die mitgebrachten<br />

Heimatbücher, Wald- und Müllportfolios<br />

sowie Bewertungsund<br />

Rückmeldebögen genauer<br />

unter die Lupe genommen werden.<br />

Der Grundschulverband war<br />

außerdem durch einen Bücherverkauf<br />

vertreten.<br />

Das große Interesse (60 Teilnehmer),<br />

die positiven Feedbacks<br />

unserer Kommilitonen/innen und<br />

der motivierende Vortrag haben<br />

uns für jeden Aufwand entschädigt<br />

und sind zur Nachahmung<br />

empfohlen.<br />

(für die Landesgruppe: Eva Sedelke,<br />

Elena Satzger, Vivienne Kunad, Ramona<br />

Jentsch, Katharina Entfellner)<br />

Die Landesgruppe Bayern freut<br />

sich außerordentlich, eine so<br />

engagierte und interessierte<br />

»junge Truppe« in ihrer Mitte zu<br />

haben. Nur so kann ein Fortführen<br />

unserer Anliegen gewährleistet<br />

werden. Der Landesvorstand<br />

begleitet die »jungen« Kolleginnen<br />

und Kollegen gerne auf<br />

ihrem Weg. Zum Austausch bringen<br />

die »Jungen« neuen Wind,<br />

erneuern und erhalten unsere<br />

Motivation.<br />

Infobrief Nr. 2<br />

In Konsequenz unserer Bemühungen<br />

um Intensivierung der<br />

Kommunikation zwischen Mitgliedern<br />

und Vorstand haben wir<br />

jetzt (Ende Juni) unsern zweiten<br />

Infobrief an alle Mitglieder<br />

geschrieben und darin wiederum<br />

über unsere Tätigkeit berichtet.<br />

Wir haben diesen Brief – wie<br />

angekündigt – an alle Mitglieder,<br />

deren Mailanschrift wir kennen,<br />

per Mail verschickt. Alle anderen<br />

bitten wir, uns entweder ihre<br />

Mailanschrift mitzuteilen (bitte<br />

an: i.kornmesser@freenet.de),<br />

oder den Brief auf unserer Website<br />

(www.gsv-berlin.de) nachzulesen.<br />

Bitte haben Sie Verständnis<br />

dafür, dass wir diese Briefe<br />

aus Kostengründen nicht weiter<br />

per Post verschicken können.<br />

Website der Berliner<br />

Landesgruppe<br />

Wir bemühen uns um kontinuierliche<br />

Aktualisierung unserer<br />

Homepage (www.gsv-berlin.de).<br />

Sie könnten uns dabei unterstützen,<br />

indem Sie sich ab und an<br />

unsere Website ansehen und uns<br />

schreiben (peterheyer@snafu.<br />

de), welche Ergänzungen / Veränderungen<br />

sie gut fänden.<br />

Gemeinschaftsschule Berlin<br />

– eine Schule für alle<br />

Die in der Koalitionsvereinbarung<br />

zwischen SPD und Linkspartei.PDS<br />

festgelegte »Pilotphase«<br />

eines »schrittweisen<br />

Einstiegs in eine Gemeinschaftsschule,<br />

die sich am skandinavischen<br />

Prinzip der ungeteilten<br />

Schule orientiert«, nimmt<br />

zunehmend Gestalt an. Die vom<br />

»Runden Tisch Gemeinschaftsschule<br />

Berlin« (einer von der<br />

Berliner Landesgruppe des GSV<br />

Brandenburg<br />

Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21, 15834 Rangsdorf; www.gsv-brandenburg.de<br />

Visitation – Chance für Schulentwicklung?<br />

Unter dieser Thematik fand im<br />

Mai 2007 der diesjährige Grundschultag<br />

der Landesgruppe Brandenburg<br />

in Ludwigsfelde statt.<br />

Erstmalig wurde dieser Tag in<br />

Verantwortung und Kooperation<br />

des Landesverbandes mit<br />

dem nunmehr gemeinsamen<br />

Landesinstitut für Schule und<br />

Medien Berlin-Brandenburg<br />

durchgeführt. Die konstruktive<br />

Abstimmung und Zusammenarbeit<br />

mit Vertreterinnen und<br />

Vertretern des Ministeriums, des<br />

Landesinstitutes, des Visitationsteams<br />

sowie von Schulleitung<br />

trug dazu bei, das landesweite<br />

Interesse an dieser bildungspolitisch<br />

brisanten Thematik mit<br />

der Ausrichtung der Tagung aufzugreifen<br />

und das Informationsbedürfnis<br />

aller Teilnehmenden<br />

qualitätsvoll zu untersetzen.<br />

aktiv unterstützten verbandesübergreifenden<br />

Initiative) und<br />

der SPD-nahen Friedrich-Ebert-<br />

Stiftung geplanten und durchgeführten<br />

Tagung »Gemeinschaftsschule<br />

Berlin – eine Schule für<br />

alle. Impulse für den Umgang mit<br />

Heterogenität in der Praxis« stieß<br />

auf unerwartet großes Interesse<br />

und war ein voller Erfolg. Das<br />

auch in Berlin quasi »von oben<br />

verordnete« Tabu jeglicher Strukturdiskussion<br />

gehört endgültig<br />

der Vergangenheit an. Es verbreitert<br />

sich zunehmend die Einsicht<br />

– anscheinend inzwischen<br />

sogar innerhalb der Berliner CDU!<br />

–, dass beides gleichermaßen<br />

notwendig ist: eine Weiterentwicklung<br />

der »Lernkultur« – insbesondere<br />

in den Schulen des<br />

Sekundarbereichs – und die überfällige<br />

Strukturreform.<br />

(für die Landesgruppe: Peter Heyer;<br />

peterheyer@snafu.de)<br />

So wurde durch den Staatssekretär,<br />

Herrn Jungkamp, eine Einordnung<br />

der Schulvisitation in<br />

das Gesamtvorhaben zur Qualitätsentwicklung<br />

und Qualitätssicherung<br />

im Land Brandenburg<br />

vorgenommen. Seitens der<br />

Leiterin der Schulvisitation, Frau<br />

Werner, wurden tiefgründig<br />

Anliegen, erste Ergebnisse und<br />

mögliche Chancen der Schulvisitation<br />

aufgezeigt. Lebendig und<br />

emotional überzeugend trugen<br />

als unmittelbar Beteiligte bzw.<br />

Betroffene die Schulleiterinnen<br />

der Astrid Lindgren <strong>Grundschule</strong><br />

Cottbus, Frau Sillack, sowie der<br />

Elsterlandgrundschule Herzberg,<br />

Frau Pflaume, ihre Eindrücke und<br />

Erfahrungen als Einzelschule im<br />

Spannungsfeld zwischen Ziel<br />

und Ergebnis der Visitation vor.<br />

In mehreren Workshops konnten<br />

die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

mit Visitatoren, Schulleiterinnen<br />

sowie Schulberaterinnen<br />

vertiefend die Chancen von Visitation<br />

im Rahmen von Schulentwicklung<br />

diskutieren.<br />

Fazit der Veranstaltung : Innerhalb<br />

der <strong>aktuell</strong>en Qualitätsdebatte<br />

bietet das Instrument<br />

Schulvisitation eine Chance zur<br />

Selbstreflexion der Einzelschule<br />

und Klärung vorrangiger Ziele<br />

und Verbesserungsbereiche von<br />

Schulentwicklungsprozessen<br />

– so Schulen dies wollen und das<br />

Instrument entsprechend annehmen.<br />

Der Grundschulverband sowie<br />

das LISUM Berlin-Brandenburg<br />

boten an diesem Tag wieder einmal<br />

einer Vielzahl von Schulleiterinnen<br />

und Schulleitern sowie<br />

Lehrkräften einen verlässlichen<br />

Rahmen für den fachlichen Austausch<br />

und die Verständigung zu<br />

Schulentwicklungsprozessen.<br />

(für die Landesgruppe:<br />

Marion Gutzmann)<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

31


Grundschulverband <strong>aktuell</strong><br />

… aus den Landesgruppen<br />

Bremen<br />

Vorsitzende: Karin Sanders, Langenstr. 11, 28816 Stuhr; www.grundschulverband-bremen.de<br />

Klassenfrequenzen<br />

zum Schulanfang<br />

Um auf der Grundlage verlässlicher<br />

Daten argumentieren zu<br />

können, hat die Landesgruppe<br />

eine Umfrage an Bremer <strong>Grundschule</strong>n<br />

bezüglich Klassenfrequenzen<br />

und Personalversorgung<br />

zum Schulanfang 2007/08 durchgeführt<br />

(Näheres auf unserer<br />

Homepage). Die Ergebnisse der<br />

hohen Rücklaufquote zeigten<br />

eine besonders hohe Belastung<br />

in einem Stadtbezirk. Die entsprechende<br />

Nachfrage in der Bildungsbehörde<br />

wurde zunächst<br />

schroff zurückgewiesen, dann<br />

aber von Herrn Senator Lemke<br />

sachbezogen beantwortet.<br />

Zentralelternbeirat (ZEB)<br />

Die Landesgruppe unterstützt<br />

das Votum der Elternvertreter<br />

aller Schulstufen und Schulformen,<br />

die sich einstimmig<br />

anlässlich der Koalitionsverhandlungen<br />

in Bremen für eine<br />

gemeinsame Beschulung aller<br />

Kinder über 10 Schuljahre ausgesprochen<br />

haben.<br />

Ganztagsschulen<br />

Die Unzufriedenheit in den Ganztagsschulen<br />

wächst. »Würden wir<br />

heute nochmals gefragt, unter<br />

diesen Bedingungen müssten wir<br />

ablehnen.« Die personelle Versorgung<br />

bringt Ganztagsschulen<br />

zunehmend unter Druck. Es<br />

bleibt zu hoffen, dass die neue<br />

Bremer Rot-Grüne-Regierung für<br />

Bereitstellung ausreichender Mittel<br />

sorgen wird.<br />

Das Aus für SPATZ<br />

Wir bedauern sehr, dass SPATZ<br />

(Sprachheilpädagogisches<br />

Arbeitszentrum) sein überaus<br />

gefragtes Beratungs- und Fortbildungsangebot<br />

für Lehrerinnen<br />

und Lehrer zum Schuljahresende<br />

beenden muss. Mit der Neuorganisation<br />

der Beratungsstellen<br />

zum Zentrum für schülerbezogene<br />

Beratung geht Bremen sonderpädagogische<br />

Kompetenz verloren.<br />

Wir bedanken uns bei dem<br />

Team für die engagiert geleistete<br />

Arbeit.<br />

Grundschulreferentin<br />

Nachdem die Grundschulreferentin<br />

Lotta Ubben in den wohlverdienten<br />

Ruhestand gewechselt<br />

hat, wird die Arbeit ab dem<br />

16. Juli 07 von Gabi Langel-<br />

Carossa fortgeführt.<br />

Abschied<br />

Günter Griesch (Delegierter)<br />

hat ab sofort seine Mitarbeit im<br />

Vorstand aus Krankheitsgründen<br />

aufgeben müssen.<br />

Karin Sanders und Roswitha<br />

Kremin werden zum Schuljahresende<br />

aus der Vorstandsarbeit<br />

zurücktreten, aber natürlich weiterhin<br />

interessiert und engagiert<br />

die Arbeit des Grundschulverbandes<br />

unterstützen.<br />

(für die Landesgruppe:<br />

Roswitha Kremin)<br />

Hamburg<br />

Vorsitzende: Susanne Peters, Güntherstraße 10, 22087 Hamburg; susanne.peters@gsvhh.dwww.gsvhh.de<br />

Lernentwicklungsblatt<br />

Bisher mussten nur für Kinder<br />

mit besonderem Förderbedarf<br />

individuelle Förderpläne<br />

geschrieben werden. Vom nächsten<br />

Schuljahr an sollen alle<br />

besonders Begabten und auch<br />

»Underachiever«, bei denen<br />

eine deutliche Diskrepanz zwischen<br />

Begabungspotential und<br />

Schulleistungen erkennbar ist,<br />

verstärkt Beachtung finden. Zum<br />

Schuljahresende 2006/2007 werden<br />

die Vesetzungszeugnisse für<br />

alle Schülerinnen und Schüler der<br />

Klassen 1 bis 10 um ein Lernentwicklungsblatt<br />

(LEBL) ergänzt.<br />

Es wird jährlich in Absprache mit<br />

den Eltern fortgeschrieben und<br />

enthält Informationen, Verabredungen<br />

und Bemerkungen zu<br />

den Fördermaßnahmen. Leider<br />

wurden bisher keine zeitlichen<br />

Ressourcen bereitgestellt – weder<br />

für die bürokratische Abwicklung<br />

noch für Fördermaßnahmen!<br />

Neue Richtlinie zu<br />

Lernerfolgskontrollen<br />

Ab Klasse 3 müssen in allen<br />

Fächern schriftliche Leistungsnachweise<br />

erbracht werden,<br />

dafür aber weniger als vorher.<br />

Ausnahmen: Sport, Kunst und<br />

Darstellendes Spiel. Ein Viertel<br />

bis die Hälfte dieser Lernerfolgskontrollen<br />

können aus so<br />

genannten besonderen Lernaufgaben<br />

bestehen, z. B. Referate,<br />

Buchvorstellungen oder Präsentationen<br />

in digitaler Form. Die<br />

Landesgruppe begrüßt diese<br />

Neuerung, die ein individualisiertes<br />

Lernen unterstützt.<br />

Förderzentren im Modellversuch<br />

Zum neuen Schuljahr wird die<br />

Frage neu aufgerollt, wie in Hamburg<br />

Kinder mit einem sonderpädagogischen<br />

Förderbedarf<br />

bestmöglich gefördert werden<br />

können. In einem Modellversuch<br />

soll überprüft werden, ob durch<br />

Förderzentren, von denen aus<br />

Sonderpädagogen die <strong>Grundschule</strong>n<br />

besuchen und die Kinder<br />

nach Möglichkeit ambulant<br />

betreuen sollen, Aussonderung<br />

vermieden werden kann. Der Vorstand<br />

der Landesgruppe bedauert<br />

es, dass nicht die 36 integrativ<br />

arbeitenden <strong>Grundschule</strong>n zum<br />

Vorbild genommen werden, die<br />

seit 15 Jahren erfolgreich arbeiten.<br />

Unser Wunsch wäre, dass<br />

diese Form der Förderung auf alle<br />

<strong>Grundschule</strong>n ausgeweitet wird.<br />

(für die Landesgruppe: Marion Lindner)<br />

Samstag, 8. 9. 07,<br />

10 – 12.00 Uhr<br />

Frühbeete der<br />

Gegenwart:<br />

»Natürliches Lernen«<br />

Bericht von einer Exkursion in die<br />

Niederlande (Susanne Peters)<br />

Ort: Schule Franzosenkoppel,<br />

Franzosenkoppel 118,<br />

22547 Hamburg-Lurup<br />

32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Grundschulverband <strong>aktuell</strong><br />

… aus den Landesgruppen<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Vorsitzender: Ralph Grothe, Hasengang 3, 17309 Pasewalk,<br />

ralphgrothe@aol.com<br />

Frühkindliche Bildung<br />

schon vor der Schule<br />

Zu dieser Thematik fand im Mai<br />

eine Anhörung statt, zu der<br />

von der Landtagskommission<br />

»Zukunft der Erziehung und Bildung<br />

unter Berücksichtigung des<br />

lebenslangen Lernens in Mecklenburg-Vorpommern«<br />

neben<br />

Vertretern der Gewerkschaften,<br />

Wohlfahrtsverbänden und Wissenschaftlern<br />

auch unsere Landesgruppe<br />

eingeladen war.<br />

In der Diskussion wurde die<br />

Bedeutung des Lernens als ein<br />

ganzheitlicher Prozess herausgestellt,<br />

der auch schon vor dem<br />

Vorschuljahr stattfindet. Insofern<br />

sollte diskutiert werden,<br />

ob neben den im »Rahmenplan<br />

für die zielgerichtete Vorbereitung<br />

von Kindern in Kindertageseinrichtungen<br />

auf die Schule«<br />

festgelegten Inhalten mehr<br />

Gewicht auf die Bildung und<br />

Erziehung gelegt werden sollte.<br />

Für uns als Grundschulverband<br />

ist es von Bedeutung, wie die<br />

Anschlussfähigkeit der vorschulischen<br />

Bildung und Erziehung<br />

an den Primarbereich gesichert<br />

werden kann. Dabei erachten<br />

wir den Rahmenplan der Kindertagesstätten<br />

als einen wichtigen<br />

Schritt, um Bildung besser verzahnen<br />

zu können.<br />

Die Ergebnisse in der Praxis lassen<br />

unserer Auffassung nach<br />

viele Reserven erkennen.<br />

Neben gelungenen Veranstaltungen<br />

wie der Fachtagung im<br />

September 2006 in Rothenklempenow<br />

/ Landkreis Uecker-Randow<br />

vermissen wir eine systematische<br />

Zusammenarbeit<br />

zwischen den Institutionen und<br />

eine Zusammenarbeit vor Ort.<br />

Folgende Fragen und Probleme<br />

sehen wir:<br />

1. Kann die Umsetzung zweier<br />

ministerieller Rahmenpläne ohne<br />

weitere Fortbildung einfach so<br />

der Basis überlassen werden? Wie<br />

systematisch werden die Schulen<br />

mit dem Rahmenplan der<br />

Kindertageseinrichtungen vertraut<br />

gemacht? Wie viele Fortbildungen<br />

gab es in den einzelnen<br />

Schulamtsbereichen zur Kooperation?<br />

2. Haben wir Koordinatoren für<br />

den Übergang vom Elementarbereich<br />

in die <strong>Grundschule</strong> in den<br />

Schulämtern?<br />

3. Welche konkreten Festlegungen<br />

zu gemeinsamen Fortbildungen<br />

oder zur Gestaltung<br />

der Übergangsphase sind in den<br />

Schulämtern gemeinsam mit den<br />

verantwortlichen Mitarbeitern<br />

der Landkreise getroffen worden?<br />

4. Wie erfolgt die sächliche<br />

Unterstützung, um den Übergang<br />

zu gestalten?<br />

In der weiteren Diskussion ging<br />

es um die Hilfe für Kinder mit<br />

Entwicklungsverzögerungen.<br />

Hier sollte schon früher eine<br />

interdisziplinäre Förderung einsetzen.<br />

(für die Landesgruppe: Ralph Grothe)<br />

Sachsen<br />

Kontakt: Sibylle Jaszovics, Südwestring 11, 04668 Klinga<br />

Zur Qualität der<br />

Lehrerausbildung<br />

Die 2. Phase der Lehrerausbildung<br />

mit der Grundkonzeption<br />

der Theorie-Praxis-Verknüpfung<br />

an den ehemaligen Seminaren<br />

in Sachsen (seit Januar 2007<br />

sind diese Seminare Referate der<br />

Sächsischen Bildungsagentur)<br />

findet zwar derzeit noch statt,<br />

wird aber, zumindest vom Ausbildungszeitraum<br />

her, in absehbarer<br />

Zeit gekürzt. Im Prozess<br />

dieser Veränderungen muss die<br />

Qualität der Berufsausbildung<br />

für das Lehramt an <strong>Grundschule</strong>n<br />

als oberstes Kriterium unbedingt<br />

im Blickfeld behalten werden:<br />

■ Nicht jede in der Praxis hervorragend<br />

arbeitende Grundschullehrkraft<br />

eignet sich zur<br />

Ausbildung von Hochschulabsolventen.<br />

Die Auswahl der Lehrbeauftragten<br />

muss kritischer<br />

erfolgen, auch unter dem Aspekt,<br />

dass es sich um Erwachsenenbildung<br />

handelt.<br />

■ Die Tätigkeit als Lehrbeauftragter<br />

und auch als Mentor in<br />

der Schule muss besser stimuliert<br />

werden. Sie darf nicht angeordnet<br />

werden. Das führt zu<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Anschrift: Werner Lang, Am Wingertsberg 8, 67756 Hinzweiler<br />

Besuch der Laborschule<br />

Passend zur Verleihung des<br />

Erwin-Schwartz-Grundschulpreises<br />

an Heide Bambach<br />

besuchte der Landesgruppenvorstand<br />

Rheinland-Pfalz<br />

gemeinsam mit einigen interessierten<br />

Kolleginnen die Laborschule<br />

in Bielefeld, an der Heide<br />

Bambach lange Jahre gewirkt<br />

hatte. Die Gruppe hatte zunächst<br />

ausgiebig Gelegenheit in kleinen<br />

Teams hautnah die Unterrichtspraxis<br />

zu erleben, um dann am<br />

Nachmittag diese Eindrücke mit<br />

einer Lehrkraft zu reflektieren<br />

und zu diskutieren. Beeindruckt<br />

Motivationsverlust und schadet<br />

der Qualität der Ausbildung.<br />

■ In den Fachdidaktiken ist es<br />

notwendig, dass die (oft unzureichenden)<br />

wissenschaftlichtheoretischen<br />

(Vor-)Kenntnisse<br />

der Lehramtsanwärter abgerufen<br />

und in den Kontext ihrer eigenen<br />

Praxiserfahrungen gestellt werden.<br />

Daher muss sicher sein, dass<br />

Lehrbeauftragte in den Fachdidaktiken<br />

auch hinreichende<br />

Kenntnisse aus den Bezugswissenschaften<br />

Pädagogik und Psychologie<br />

vorweisen können. Das<br />

muss überprüft, kontrolliert und<br />

eingeschätzt werden. Zum jetzigen<br />

Zeitpunkt geschieht das<br />

nur im Ansatz.<br />

■ Das gleiche gilt ebenso dringend<br />

für das Besprechen / Auswerten<br />

von Lehrversuchen mit<br />

den Lehramtsanwärtern.<br />

Jemanden auszubilden bedeutet,<br />

immer einen strengen Qualitätsanspruch<br />

zu stellen. »Auch<br />

Lehrer werden nicht geboren, sondern<br />

(hierzu) ausgebildet« (Rainer<br />

Winkel).<br />

(für die Landesgruppe: Sibylle Jaszovics)<br />

zeigten sich die TeilnehmerInnen<br />

der Exkursion insbesondere von<br />

der gelebten pädagogischen<br />

Nähe der Lehrkräfte zu den Kindern<br />

und der offenen Architektur<br />

des Schulgebäudes, die die intensive<br />

Öffnung des Unterrichts<br />

spiegelt bzw. ermöglicht.<br />

(für die Landesgruppe: Werner Lang)<br />

Grundschultag 2008<br />

Dienstag, 26.02.2008,<br />

Universität Koblenz-<br />

Landau – Campus<br />

Koblenz – mit dem<br />

Schwerpunkt »Guter Unterricht«<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

33


Grundschulverband <strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Vorsitzende: Gisela Cappel, Habichtstr. 1 d, 58285 Gevelsberg<br />

Rückblick<br />

Das letzte Schulhalbjahr brachte<br />

den <strong>Grundschule</strong>n aufgrund des<br />

neuen Schulgesetzes viel zusätzliche<br />

und z.T. wenig sinnvoll<br />

erscheinende Arbeit:<br />

Sprachstandstests<br />

für Vierjährige<br />

Die Durchführung der Sprachstandsmessungen<br />

für Vierjährige<br />

verlief in zwei Stufen. Während<br />

zuerst in einem Gruppenverfahren<br />

Kinder mit möglichem Förderbedarf<br />

ermittelt wurden, wurden<br />

diese dann gezielt in einem<br />

Einzelverfahren noch einmal<br />

getestet, um den tatsächlichen<br />

Förderbedarf genauer zu ermitteln.<br />

Danach relativierte sich die Zahl<br />

der zunächst als förderbedürftig<br />

ermittelten Kinder – ob dabei<br />

auch finanzpolitische Überlegungen<br />

eine Rolle spielten, mag<br />

dahingestellt sein. Nach wie vor<br />

ist die Gestaltung der angekündig<br />

ten zusätzlichen Sprachförderung<br />

unklar, da dies die Kommunen<br />

mit den jeweiligen Trägern<br />

vor Ort aushandeln und es dabei<br />

sicherlich zu sehr unterschiedlichen<br />

Modellen kommen wird.<br />

Für die Schulen bedeutete die<br />

Beteiligung an dem Verfahren<br />

sehr viel zusätzliche Arbeit, die<br />

mit einem teilweise erheblichen<br />

Unterrichtsausfall verbunden<br />

war.<br />

Der GSV bleibt bei seiner Position,<br />

dass eine frühzeitige<br />

Sprachförderung wichtig und<br />

sinnvoll ist, ein isoliertes Testverfahren<br />

dabei jedoch nicht<br />

hilfreich ist. In diesem Sinne<br />

argumentierte auch Prof. Dr.<br />

Fthenakis auf dem diesjährigen,<br />

von GEW undGSV gemeinsam<br />

durchgeführten Grundschultag im<br />

März. In seinem Vortrag wies er<br />

darauf hin, dass für eine erfolgreiche<br />

Förderung eine strukturell<br />

verzahnte, gemeinsam definierte<br />

Förderung von vorschulischem<br />

und schulischem Bereich für<br />

erfolgreiches (Sprach)lernen<br />

unabdingbar ist, kritisierte den<br />

defizitär ausgerichteten Blickwinkel<br />

der Tests und forderte von<br />

der Politik mehr Investitionen<br />

in die Bildung, um die vielbeschworene<br />

Zukunfts fähigkeit zu<br />

sichern.<br />

Prognoseunterricht<br />

für Viertklässler<br />

Mit der erstmaligen Durchführung<br />

des Prognoseunterrichts<br />

im Frühjahr wurde ein weiteres,<br />

neues Selektionsinstrument in<br />

der <strong>Grundschule</strong> eingesetzt. Die<br />

Widersinnigkeit des Verfahrens<br />

zeigt sich bereits in der gesetzesmäßigen<br />

Verankerung: Während<br />

zum Halbjahr die Versetzungskonferenz<br />

eine (eingeschränkte)<br />

Empfehlung zum Übergang<br />

auf die weiterführende Schule<br />

abgeben soll, wird im Prognoseunterricht<br />

ein paar Wochen später<br />

über die offensichtliche<br />

Nichteignung des Kindes für<br />

den Besuch der von den Eltern<br />

gewünschten Schulform entschieden.<br />

Der GSV sieht in<br />

den jeweiligen Vorgaben eine<br />

Zementierung des sozial ungerechten<br />

Bildungssystems und<br />

fordert nach wie vor eine längere<br />

gemeinsame Schulzeit für alle<br />

Kinder.<br />

Vergleichsarbeiten in Klasse 3<br />

Erstmalig wurden in diesem<br />

Halbjahr landesweite Vergleichsarbeiten<br />

in Deutsch und Mathematik<br />

bereits in Klasse 3 durchgeführt.<br />

Der vorgezogene<br />

Zeitpunkt ist im Hinblick auf das<br />

Ergreifen von Fördermaßnahmen<br />

sicherlich sinnvoll. Ein von der<br />

Professor Dr. Fthenakis<br />

auf dem Grundschultag im März<br />

Ministerin aufgrund der Ergebnisse<br />

angekündigtes Schulranking<br />

widerspricht jedoch allen<br />

testtheoretischen Aussagen und<br />

benachteiligt in massiver Weise<br />

Schulen mit erhöhtem Förderbedarf.<br />

… und Ausblick<br />

Angesichts der derzeitigen Verschärfung<br />

von Selektionsfunktionen<br />

durch die Schule plant der<br />

GSV für den 18. 8. 2007 in<br />

Münster eine regionale<br />

Veranstaltung zum<br />

Thema »Pädagogische<br />

Leistungskultur – jedes<br />

Kind braucht Könnenserfahrungen«.<br />

Anmeldung und weitere Informationen<br />

dazu auf unserer Homepage:<br />

www.grundschulverbandnrw.de<br />

Hier finden Sie auch ausführlichere<br />

Informationen zur <strong>aktuell</strong>en<br />

Diskussion über die Lehrerausbildung<br />

in NRW.<br />

(für die Landesgruppe:<br />

Beate Schweitzer)<br />

20.10.2007<br />

Mitgliederversammlung<br />

der Landesgruppe<br />

in Dortmund, <strong>Grundschule</strong><br />

Kleine Kielstraße<br />

Thema: Ermutigungen<br />

als Gast: Heide Bambach<br />

Unter anderem gehen wir der<br />

Frage nach:<br />

Sollen, können, dürfen Kopfnoten<br />

unseren pädagogischen<br />

Alltag verändern?<br />

Mehr Informationen im Internet.<br />

Anmeldungen bereits jetzt per<br />

E-Mail an<br />

mitgliederversammlung@<br />

grundschulverband-nrw.de<br />

34 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Grundschulverband <strong>aktuell</strong><br />

… aus den Landesgruppen<br />

Schleswig-Holstein<br />

Vositzender: Bent Hirschelmann, Flörkendorfer Weg 15, 23623 Ahrensbök; www. grundschulverband-sh.de<br />

Einschulungspflicht<br />

für alle 6-Jährigen<br />

Im kommenden Schuljahr sind<br />

die <strong>Grundschule</strong>n per Schulgesetz<br />

verpflichtet, jedes Kind einzuschulen,<br />

das bis zum 30. Juni<br />

des Jahres 6 Jahre alt ist. Damit<br />

erhält die kalendarische Festlegung<br />

der Schulpflicht einen<br />

hohen formalen Stellenwert,<br />

denn für diese Kinder beginnen<br />

die Pflichtschuljahre. Die »Schulreife«<br />

hat keine Bedeutung mehr,<br />

es gibt keine Zurückstellungen in<br />

Kindergärten. Mit dem Schuleintritt<br />

starten die Kinder in der Flexiblen<br />

Eingangsphase, in der sie<br />

3 Jahre Zeit haben, die Lernziele<br />

der ersten beiden Schuljahre zu<br />

erreichen.<br />

So weit, so gut, wenn es nicht<br />

nach wie vor Einzelanfragen von<br />

Eltern nach Zurückstellung vom<br />

Schulbesuch gäbe, die Berechtigung<br />

erkennen lassen. Wenn<br />

nachweislich – z. B. also mit ärztlichem<br />

Attest – Entwicklungsrückstände<br />

vorhanden sind,<br />

kann eine Beurlaubung von bis<br />

zu einem Jahr durch das Schulamt<br />

ausgesprochen werden. Die<br />

Verantwortung und Förderung<br />

sowie die Kosten haben dann die<br />

Eltern zu tragen. Offiziell ist das<br />

Kind allerdings als Schulanfänger<br />

des ersten Schulbesuchsjahres zu<br />

führen.<br />

Dann kann es zu folgender Problematik<br />

kommen: Kind xy ist ein<br />

»Frühchen«, hat zum datierten<br />

Schulstart noch nachweisbare<br />

Entwicklungsrückstände und<br />

die Eltern wünschen eine Beurlaubung.<br />

Dieses Kind verliert<br />

bei der Einschulung im darauf<br />

folgenden Jahr die Chance, die<br />

Eingangsphase in drei Jahren zu<br />

absolvieren. Hätte nicht gerade<br />

ein solches Kind die Option auf<br />

Verlängerung der Eingangsphase<br />

nötig?<br />

Noch am letzten Schultag<br />

erreichte uns die Nachricht aus<br />

dem Bildungsministerium, dass<br />

nun doch Veränderungen des<br />

Verfahrens vorgesehen sind: Kinder,<br />

die aus medizinischen Gründen<br />

beurlaubt werden, behalten<br />

den Anspruch auf eine dreijährige<br />

Eingangsphase!<br />

Schulen haben die Aufgabe, kindgerecht<br />

zu fördern, sie müssen<br />

der Ort sein, um ein Kind in seinem<br />

Schulfähigkeitsprozess zu<br />

begleiten.<br />

(für die Landesgruppe:<br />

Sabine Jesumann, Andrea Klimmek)<br />

Wir laden ein, am 10. 11. 2007<br />

mit Steve Bell die<br />

Storyline Approach<br />

bzw. Methode Glasgow<br />

näher kennenzulernen<br />

und auszuprobieren.<br />

Genauere Informationen unter<br />

www.grundschulverband-sh.de<br />

Thüringen<br />

Vositzende: Steffi Jünemann, Hauptstr. 7, <strong>99</strong>734 Nordhausen<br />

Thüringer Bildungsplan<br />

für Kinder bis 10 Jahre<br />

Mit der jetzt vorliegenden<br />

Erprobungsfassung »Thüringer<br />

Bildungsplan für Kinder bis 10<br />

Jahre« hat auch der Freistaat<br />

Thüringen als eines der letzten<br />

Bundesländer einen Bildungsplan,<br />

der im besonderen Maße<br />

die Bildung der Kinder im ersten<br />

Lebensjahrzehnt in den Fokus<br />

nimmt. Die Optionen zur Entwicklung<br />

eines solchen sind<br />

hinlänglich bekannt. Je jünger<br />

Kinder sind, desto schneller und<br />

intensiver lernen sie. Lebenslange<br />

Bildung beginnt bereits mit<br />

der Geburt. Im gesamten ersten<br />

Lebensjahrzehnt wird das Fundament<br />

für die lebenslange Bildung<br />

gelegt. Kinder entwickeln sich<br />

unterschiedlich. Sie bilden sich<br />

in den ersten zehn Jahren ihres<br />

Lebens beständig weiter. Allen<br />

Kindern stehen die Institutionen<br />

kindlicher Bildung im ersten<br />

Lebensjahrzehnt prinzipiell offen.<br />

Der Bildungsplan entstand unter<br />

Leitung eines wissenschaftlichen<br />

Konsortiums, dem ausschließlich<br />

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

aus Thüringer Hochschulen<br />

und eine Vertreterin des<br />

»Thillm« angehören. Diesem Konsortium<br />

gelang es in einem relativ<br />

kurzen Zeitraum von August<br />

2005 bis Juli 2006 ein anspruchsvolles<br />

und überaus interessantes<br />

Werk zu schaffen. Mit der Berufung<br />

eines Fachbeirates, dem<br />

auch eine Vertreterin der Landesgruppe<br />

Thüringen des Grundschulverbands<br />

angehört, wurde<br />

von Beginn der wissenschaftlichen<br />

Arbeit an ein kooperativer<br />

Arbeitsstil nicht nur angestrebt,<br />

sondern auch gelebt. Alle Beteiligten,<br />

ob Konsortium, Fachbeirat<br />

oder Interessierte, waren und<br />

sind stets über das Internet oder<br />

Arbeitsgruppen in Entwicklungen<br />

eingebunden. Der gegenseitige<br />

Austausch gehört für das Konsortium<br />

zum Selbstverständnis.<br />

Der Thüringer Bildungsplan<br />

für Kinder bis 10 Jahre gliedert<br />

sich in die Kapitel »Erziehungswissenschaftliche<br />

Grundlagen«,<br />

»Bildungsbereiche« und »Pädagogisches<br />

Qualitätsmanagment«.<br />

Im September 2006 wählte der<br />

Fachbeirat aus einer großen<br />

Anzahl von Interessenten 111<br />

Praxispartner für die Erprobung<br />

aus. Zu diesen Praxispartnern<br />

gehören Familien, Tagesmütter,<br />

Krippen, Kindergärten, Grundund<br />

Förderschulen, Kinderhorte,<br />

Kinderheime, Beratungsstellen,<br />

Institutionen der Frühförderung<br />

und andere mehr. Fortbildungsangebote<br />

und der Austausch<br />

von Erfahrungen stehen bei den<br />

vierteljährlichen Treffen im Vordergrund.<br />

Die immanente Evaluierung<br />

des Bildungsplanes ist<br />

allen Beteiligten sehr wichtig.<br />

Die aus der qualitativen Erhebung<br />

gewonnen Erkenntnisse<br />

fließen in die Weiterentwicklung<br />

ein. Darüber hinaus finden seit<br />

2006 weitere zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen<br />

zu den<br />

Inhalten des Bildungsplanes<br />

statt. Dass diese auf eine sehr<br />

große Teilnehmerzahl verweisen<br />

können, zeigt das ebenso große<br />

Interesse am »Thüringer Bildungsplan<br />

für Kinder bis 10 Jahre« aus<br />

allen Bereichen des gesellschaftlichen<br />

Lebens.<br />

Ausführliche Informationen zum<br />

Bildungsplan finden Sie unter<br />

www.thueringer-bildungsplan.de<br />

(für die Landesgruppe: Steffi Jünemann)<br />

Mitgliederversammlung<br />

Im Herbst 2007 plant die<br />

Landesgruppe eine<br />

Mitgliederversammlung<br />

zum Thema: Sinus<br />

Transfer <strong>Grundschule</strong><br />

– erfolgreiche Unterrichtsentwicklung?<br />

Die Einladungen erfolgen zeitnah<br />

an alle Mitglieder.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007<br />

35


Grundschulverband <strong>aktuell</strong> Leserbrief<br />

Ästhetische Bildung – auch im Fach Mathematik<br />

und unter Einbeziehung von Basiskompetenzen<br />

Nicht nur als Mathematikdidaktiker,<br />

sondern auch als ehemaliger<br />

Absolvent eines Musikgymnasiums<br />

habe ich das Heft 98<br />

von »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« über<br />

Ȁsthetische Bildung mit Sinn<br />

und Sinnlichkeit« mit großem<br />

Interesse gelesen – und war<br />

am Schluss sehr enttäuscht.<br />

Zu einigen Ausführungen, die<br />

mir besonders problematisch<br />

erscheinen, möchte ich Stellung<br />

nehmen:<br />

1. In dem Heft (und vielen anderen<br />

Veröffentlichungen des<br />

Grundschulverbands) wird zwar<br />

darauf hingewiesen, dass sich die<br />

Forderung nach ästhetischer Bildung<br />

auf alle Fächer bezieht, faktisch<br />

wird sie aber als »Musisch-<br />

Ästhetische Bildung« auf die<br />

»musischen« Fächer und den<br />

Sport beschränkt und als Privileg<br />

der entsprechenden Fachdidaktiken<br />

angesehen. Einige<br />

wenige Fächer werden im Heft<br />

wenigstens noch erwähnt. Das<br />

Fach Mathematik bleibt dagegen<br />

völlig ausgespart, obwohl<br />

gerade dieses Fach seit den alten<br />

Griechen zum Kanon der ästhetischen<br />

Bildung zählt und sich<br />

der Mathematikunterricht in<br />

dieser Hinsicht stark gewandelt<br />

hat. In unserem Projekt »mathe<br />

2000« ist die Ästhetik der schönen<br />

und nützlichen mathematischen<br />

Muster, die sich nach<br />

individuellen Präferenzen erforschen<br />

und gestalten lassen,<br />

sogar Leitprinzip.<br />

2. Im Heft findet sich auf S. 6 fett<br />

gedruckt folgendes Zitat: »Im 45-<br />

Minuten-Takt kann man Schnellzüge<br />

fahren lassen und das Einmaleins<br />

hersagen, aber nicht<br />

malen und bauen, kein Theaterstück<br />

proben und keinen Tanz<br />

entwickeln.« Hier möchte ich entgegenhalten,<br />

dass dem Einmaleins<br />

der gleiche ästhetische Rang<br />

wie einem Theaterstück oder<br />

einem Tanz gebührt. Bei der Auseinandersetzung<br />

mit dieser<br />

wunderbaren mathematischen<br />

Struktur können die Kinder<br />

(inter-)aktiv eine Fülle schöner<br />

Muster entdecken und begründen,<br />

wie die im Projekt »mathe<br />

2000« entwickelten Lernumgebungen<br />

zeigen. Ich finde es sehr<br />

bedauerlich, dass diese Fortschritte<br />

der Mathematikdidaktik<br />

den VertreterInnen der ästhetischen<br />

Bildung offenbar nicht<br />

bekannt sind.<br />

3. Die Gliederung des Unterrichts<br />

in Zeitabschnitte, in denen auf<br />

bestimmte Ziele hingearbeitet<br />

wird, steht bei einem Theaterstück<br />

oder einem Tanz der ästhetischen<br />

Bildung genauso wenig<br />

hinderlich entgegen wie dem<br />

Lernen des Einmaleins. Im<br />

Gegenteil: Sie ist notwendig.<br />

Auch ein Theaterstück oder Tanz<br />

kann nicht stundenlang geprobt<br />

werden, sondern muss in handliche<br />

Teile zerlegt und Teil für Teil<br />

erarbeitet werden, bis das Ganze<br />

steht.<br />

4. Vom Einmaleins aus wird eine<br />

Forderung deutlich, die für die<br />

heutige <strong>Grundschule</strong> von zentraler<br />

Bedeutung ist, von Protagonisten<br />

der ästhetischen Bildung<br />

aber leider oft ignoriert<br />

wird: Die ästhetische Bildung<br />

muss die Erlernung grundlegender<br />

fachlicher Techniken,<br />

teilweise auch deren Automatisierung,<br />

einschließen. Ohne<br />

das Lernen von Noten kein<br />

aktives Musizieren, ohne Finger-<br />

und Technikübungen an<br />

einem Instrument keine schönen<br />

Musikstücke, ohne grund legende<br />

Grammatik- und Rechtschreibkenntnisse<br />

keine schönen Texte,<br />

ohne Konditionstraining keine<br />

sportlichen Leistungen usw.,<br />

kurz: ohne Pflicht keine Kür. Die<br />

Übung von Techniken erfordert<br />

zwingend systematische didaktische<br />

Konzepte, die langfristig<br />

angelegt sind und über Jahre<br />

hinweg durchgehalten werden.<br />

Im Projekt »mathe 2000«<br />

gibt es für die großen Inhaltsbereiche<br />

Arithmetik, Geometrie<br />

und Sachrechnen komplementär<br />

zur »schönen Mathematik« die<br />

sog. »Basiskurse«. Genauso muss<br />

es in anderen Fächern, auch den<br />

»musischen«, solche definierten<br />

Kurse geben. Anstatt daher zwischen<br />

den »didaktischen Prinzipien<br />

Musisch-Ästhetischer<br />

Bildung« und »kompetenzorientierten<br />

Ansätzen« Fronten aufzubauen,<br />

sollte auf eine Integration<br />

hingearbeitet werden.<br />

5. Was die musikalische Bildung<br />

in der <strong>Grundschule</strong> anbelangt,<br />

hat Dietrich Fischer- Dieskau<br />

in einem Vortrag vor dem<br />

Hochschulverband vor kurzem<br />

Folgendes festgestellt: »Das Versäumnis<br />

elementarer Voraussetzungen<br />

wie des Notenlesens, der<br />

gesanglichen und instrumentalen<br />

Praxis in frühem Alter, diese<br />

Unterlassung verurteilt spätere<br />

musikalische Bemühungen fast<br />

unvermeidlich zur schöngeistigen<br />

Schwärmerei. Sie drängt<br />

sie in unverbindliche Konsumentenhaltung<br />

ab.«<br />

Soweit ich es einschätzen kann,<br />

gibt es hier in der <strong>Grundschule</strong><br />

große Defizite, die sich in den<br />

weiterführenden Schulen eher<br />

noch verstärken. Umso mehr<br />

habe ich mich über den eindrucksvollen<br />

Beitrag von Gisela<br />

Schmidt über »Musikbetonte<br />

<strong>Grundschule</strong>« gefreut. Eine solche<br />

musikalische Grundbildung,<br />

die mit schlichten musikalischen<br />

Mitteln auskommt und bei der<br />

»Pflicht« und »Kür« souverän<br />

integriert sind, müsste für alle<br />

Kinder eines Volkes mit einer so<br />

stolzen Musiktradition eigentlich<br />

eine Selbstverständlichkeit sein.<br />

6. Die Vernachlässigung des<br />

systematischen Erlernens grundlegender<br />

Techniken darf nicht<br />

nur als Problem der Fachdidaktiken<br />

gesehen werden, sondern<br />

erfordert eine Diskussion<br />

im gesellschaftlichen Rahmen.<br />

Klaus Bayer hat vor kurzem in<br />

seinem Artikel »Kein Wunder!«<br />

auf drei Ursachen für die unzureichenden<br />

Grammatikkenntnisse<br />

zukünftiger Deutschlehrer hingewiesen<br />

(Forschung&Lehre 6/07,<br />

346 – 347):<br />

■ einen von moderner Kunst<br />

ausgehenden Kult voraussetzungsloser<br />

Kreativität, mit dem<br />

jede formal-grammatische Kritik<br />

an Schülertexten zum Schweigen<br />

gebracht wird,<br />

■ eine zunehmende Spezialisierung<br />

der Wissenschaftler, die sich<br />

um die sprachliche Bildung der<br />

Studierenden nicht mehr bemühen,<br />

■ eine Bagatellisierung sprachlicher<br />

Mängel durch einen in seinen<br />

Konsequenzen nur wenig<br />

menschenfreundlichen Philanthropismus.<br />

Mit der ersten und dritten Ursache<br />

sollte sich die <strong>Grundschule</strong><br />

selbstkritisch auseinandersetzen.<br />

Das wäre ein Thema für<br />

einen Grundschulkongress. Was<br />

den zweiten Punkt anbelangt,<br />

kann ich aus der Sicht der Universität<br />

Dortmund nur feststellen,<br />

dass früher die Professoren<br />

für »Musik und ihre Didaktik«<br />

sowie »Deutsche Sprache und<br />

ihre Didaktik« die musikalische<br />

bzw. sprachliche Grundbildung<br />

noch als Aufgabe gesehen und<br />

den Studierenden ein praktisches<br />

Rüstzeug für den Unterricht mitgegeben<br />

haben. Inzwischen sind<br />

diese Professuren in der Mehrheit<br />

mit Musik- bzw. SprachwissenschaftlerInnen<br />

besetzt, die sich<br />

um alles Mögliche kümmern, nur<br />

nicht um praktikable Konzepte<br />

für die musikalische bzw. sprachliche<br />

Grundbildung.<br />

Erich Ch. Wittmann<br />

Universität Dortmund,<br />

Projekt »mathe 2000«<br />

http://www.uni-dortmund.de/mathe2000<br />

wittmann@math.uni-dortmund.de<br />

36 GS <strong>aktuell</strong> <strong>99</strong> • September 2007


Pädagogische<br />

Leistungskultur<br />

Band 121<br />

ISBN 3-930024-94-2<br />

Best.-Nr. 1079<br />

17,– € / f. Mitgl. 13,– €<br />

in Vorbereitung:<br />

Band 118<br />

ISBN 3-930024-87-X<br />

Best.-Nr. 1076<br />

17,– € / f. Mitgl. 13,– €<br />

Band 119<br />

ISBN 3-930024-88-8<br />

Best.-Nr. 1077<br />

17,– € / f. Mitgl. 13,– €<br />

… das Projekt geht weiter<br />

Überfachliche<br />

Lernbereiche<br />

Fremdsprachen<br />

und Ästhetik<br />

erscheint im<br />

Herbst 2007


15. /16. November 2007<br />

Bundesweite Fortbildung des Grundschulverbandes<br />

Pädagogische Leistungskultur: Englisch, Musik,<br />

Kunst, Sport, Arbeits- und Sozialverhalten<br />

Dies ist die dritte Tagung zur Pädagogischen<br />

Leistungskultur. Nach Deutsch, Mathematik<br />

und Sachunterricht geht es diesmal um Fremdsprache,<br />

um den ästhetischen Lernbereich<br />

einschl. Sport sowie das Arbeits- und Sozialverhalten<br />

(Selbst-, Sach-, Sozialkompetenz).<br />

Wir wollen damit ein deutliches Zeichen für<br />

eine ermutigende Leistungsförderung aller Kinder<br />

setzen, die individuelle Lernentwicklungen<br />

im Blick behält und die Kinder dialogisch einbezieht.<br />

124<br />

k<br />

i n<br />

d<br />

Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong><br />

Leistungen der Kinder wahrnehmen<br />

Lernstände feststellen<br />

Horst Bartnitzky<br />

Hans Brügelmann<br />

Ulrich Hecker<br />

Gudrun Schönknecht (Hg.)<br />

Leistungen der Kinder würdigen<br />

Lernentwicklungen bestätigen<br />

Lernwege öffnen<br />

Kinder individuell fördern<br />

Lerngespräche führen<br />

Eigene Lernwege beschreiben<br />

Pädagogische<br />

Leistungskultur:<br />

Ästhetik,Sport,Englisch<br />

Arbeits-/Sozialverhalten<br />

Es liegen bereits Materialien für die Fächer<br />

Deutsch, Mathematik und Sachunterricht<br />

in zwei Schubern mit je 5 Heften und einer<br />

CD vor. Nun erarbeiten wir Materialien in<br />

5 Heften und einer CD<br />

■ für Englisch, Musik, Kunst, Sport sowie<br />

das Arbeits- und Sozialverhalten<br />

■ in den Klassen 1 bis 4<br />

Sie sollen helfen, Lernstände festzustellen,<br />

Lernentwicklungen zu bestätigen, Lerngespräche<br />

miteinander zu führen, und<br />

sie sollen die Kinder darin unterstützen,<br />

eigene Lernwege zu beschreiben.<br />

Thematik<br />

der Tagung<br />

Tagungsverlauf<br />

Referentinnen<br />

und Referenten<br />

Ort<br />

Zielgruppe<br />

Bei der Tagung werden die Materialien von den<br />

Autorinnen und Autoren vorgestellt und mit den<br />

Teilnehmern diskutiert. Dabei geht es um Anregungen<br />

für die Schulpraxis und um Moderation<br />

von Fortbildungen mit den Materialien.<br />

Donnerstag, 15. November 2007, ab 15 Uhr:<br />

Pädagogische Leistungskultur und Beispiele für<br />

Englisch, die ästhetischen Fächer, das Arbeits- und<br />

Sozialverhalten (Plenum)<br />

abends: Gesprächsrunde zum Thema Kopfnoten<br />

Freitag, 16. November 2007, bis 15.00 Uhr zu den<br />

Fächern sowie zum Arbeits- und Sozialverhalten<br />

nachmittags: Berichte aus den Arbeitsgruppen,<br />

Anregungen zur Weiterarbeit<br />

Autorinnen und Autoren<br />

der neuen Materialien<br />

Martin-Niemöller-Haus in Schmitten<br />

(in der Nähe von Frankfurt);<br />

www.martin-niemoeller-haus.de<br />

Für Bahnreisende wird ein Shuttle-Bus zur<br />

Tagungsstätte organisiert.<br />

Die Tagung richtet sich vor allem an Multiplikatorinnen<br />

und Multiplikatoren zur Thematik<br />

(z.B. Aus- und Fortbildner/innen, Fachkonferenzleiter/innen,<br />

Schulleiter/innen).<br />

Die Teilnehmerzahl ist auf 68 Personen begrenzt.<br />

Zur Verfügung stehen 60 Einzelzimmer, von denen<br />

acht als Doppelzimmer genutzt werden können.<br />

Sollten sich mehr Personen anmelden, werden<br />

Mitglieder des Grundschulverbandes vorrangig<br />

berücksichtigt.<br />

Tagungsbeitrag<br />

Anmeldung<br />

Für Mitglieder des Grundschulverbandes 140 €<br />

(Doppelzimmer 130 €)<br />

für Nicht-Mitglieder 180 € (Doppelzimmer 170 €)<br />

Im Tagungspreis enthalten sind die Kosten für<br />

Übernachtung und Verpflegung sowie der<br />

Transfer vom und zum Frankfurter Hauptbahnhof.<br />

per Post: Grundschulverband,<br />

Niddastr. 52, 60329 Frankfurt<br />

oder per Mail:<br />

info@grundschulverband.de<br />

oder über die Homepage:<br />

www.grundschulverband.de<br />

Verbindlich ist die Anmeldung<br />

erst nach Zahlung des Tagungsbeitrages<br />

Bankverbindung:<br />

Postbank Frankfurt, BLZ 500 100 60,<br />

Konto-Nr. 19 56 71 605)<br />

Anmeldeschluss: 15. Oktober 2007<br />

Bitte bei der Anmeldung angeben:<br />

Vollständige Anschrift mit Mailadresse;<br />

Mitglied ja – nein;<br />

Wahl der Arbeitsgruppe<br />

Anreise mit Auto oder Zug;<br />

derzeitige Funktion im Schulbereich;<br />

mögliche Doppelzimmernutzung

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