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Der „Lange Hunderter“ von 1908 – Geld als Quelle 47<br />

deutliche Spalt zwischen der Arbeiterschaft auf der einen und<br />

dem Bürgertum und dem Adel auf der anderen, wurde in den<br />

Jahren nach 1900 eher größer als kleiner. Die Sozialdemokratie,<br />

als wichtigster Repräsentant des politischen Umgestaltungswillens,<br />

gewann von Jahr zu Jahr an Stimmen und war<br />

zu Beginn des Ersten Weltkrieges die stärkste politische Kraft<br />

im Reichstag. Während auf der anderen Seite große Teile des<br />

Bürgertums und des Adels nicht an einer Demokratisierung<br />

des politischen Systems und einer gerechteren Verteilung der<br />

gesellschaftlichen Einkünfte interessiert waren. Der Geldschein<br />

konnte die gesellschaftlichen Gegensätze langfristig<br />

nicht verdecken.<br />

Geschichtsdidaktische Überlegungen<br />

Möglichkeiten des Historischen Lernens am<br />

Gegenstand<br />

Die Problemfragen der Stunde lauten: Wer gestaltet mit welchem<br />

Ziel das Aussehen von Zahlungsmitteln? Welches<br />

Staats- und Gesellschaftsbild wird durch einen Geldschein vermittelt<br />

und inwiefern entspricht dieses Bild der Realität?<br />

Die vorliegende Quelle (Q1) bietet die Möglichkeit, das<br />

Selbstverständnis der Eliten des Kaiserreichs in komprimierter<br />

und kompakter Form zu erarbeiten. Es findet sich vieles, was<br />

für das wilhelminische Deutschland typisch war (vgl. Sachanalyse).<br />

Hinzu kommt, dass die Schülerinnen und Schüler durch<br />

die ungewohnte Form der Quelle einen Zugang zu einer Zeit<br />

bekommen, die ihnen erfahrungsgemäß zunächst fremd ist,<br />

weil sie sich z. B. durch die Überbetonung des Militärischen<br />

deutlich von der heutigen Erfahrungswelt unterscheidet.<br />

Durch die schriftlichen Quellen (Q2, Q3) können die Schülerinnen<br />

und Schüler den ideologischen Gehalt der Darstellung erkennen.<br />

Die Fragestellung gilt zunächst für die Vergangenheit<br />

(„Langer Hunderter“), kann dann aber auch auf die Lebenswelt<br />

der Schülerinnen und Schüler (Euro) bezogen werden.<br />

Das soll sie dafür sensibilisieren, solche offiziellen Präsentationen<br />

kritisch zu hinterfragen. Beim Euro ergibt sich das zusätzliche<br />

Problem der Gemeinschaftswährung. Hier waren im Gegensatz<br />

zur Reichsbankentscheidung die nationalen Interessen<br />

aller Mitgliedstaaten des künftigen Euro-Raumes zu<br />

beachten, die dann zu der Brückensymbolik geführt haben.<br />

Das ändert jedoch nichts an dem Grundprinzip, dass sich bestimmte<br />

Gruppen bemühen, mit den Scheinen idealisierte<br />

Vorstellungen des Gemeinwesens, in dem die Banknoten gültig<br />

sind, zu verbreiten. Der Wert der Quelle „Banknote“ liegt<br />

darin begründet, dass mit dem „Langen Hunderter“ zum einen<br />

ein Dokument im Mittelpunkt steht, an dem die Schülerinnen<br />

und Schüler gewissermaßen schon ein „natürliches“ Interesse<br />

haben. Sie erfahren, dass der Geldschein von großem<br />

Wert war, sie sehen seinen enormen Umfang, sie vergleichen<br />

mit ihrer Lebenswelt – es gibt kaum jemanden, der davon unbeeindruckt<br />

bleibt.<br />

Kompetenzerwerb<br />

Mit Hilfe der vorliegenden Quelle ist Kompetenzerwerb in verschiedenen<br />

Bereichen möglich. Die Wahrnehmungskompetenz<br />

wird geschult, indem die Schülerinnen und Schüler diesen<br />

Geldschein als „historisch“ erkennen, weil er sich doch<br />

deutlich von modernen Scheinen unterscheidet. Hier können<br />

Vermutungen und Fragen formuliert werden, die in die Vergangenheit<br />

führen.<br />

Der zweite Schritt ist die Erkenntnis, dass es sich auch bei<br />

Geldscheinen um eine Quelle, einen Überrest aus der Vergangenheit<br />

handelt, eine Quelle allerdings, die man lesen lernen<br />

muss (Erschließungskompetenz).<br />

Die Quelle verlangt vor allem nach Interpretationskompetenz.<br />

An dieser Stelle werden die größten Schwierigkeiten zu<br />

erwarten sein, und hier muss die Lehrkraft mit ihrem Fachwissen<br />

am stärksten helfen. Die Schülerinnen und Schüler werden<br />

den Geldschein in der Regel gut beschreiben können. Zur<br />

Entschlüsselung der Symbolik werden besonders die jüngeren<br />

Klassen an Grenzen stoßen, die sie mit Zusatzinformationen<br />

durch das Arbeitsblatt im oder Materialteil durch die Lehrkraft<br />

überwinden können. Mit Hilfe der schriftlichen Quelle<br />

können die Schülerinnen und Schüler (egal welcher Klassenstufe<br />

und Schulform) die groben Zielrichtungen, welche der<br />

Geldschein erkennen lässt, deuten. Außerdem wird den Schülerinnen<br />

und Schülern mit Hilfe einer ungewöhnlichen Quelle<br />

verdeutlicht, wie wichtig es ist, über Hintergrundinformationen<br />

(Kontextualisierung) zu verfügen, um eine Quelle überhaupt<br />

verstehen zu können.<br />

Der Gegenwartsbezug ist von Bedeutung, wenn die Schülerinnen<br />

und Schüler im letzten Unterrichtsschritt ihre Orientierungskompetenz<br />

unter Beweis stellen sollen. Naturgemäß<br />

kann die Abgabe eines Werturteils nicht „gelehrt“ werden.<br />

Dennoch fordert die Anlage der Stunde dazu heraus, Stellung<br />

zu beziehen.<br />

Tipp: Historisches Lernen – Wie funktioniert das hier?<br />

Im Grunde geht es in der Stunde um die Durchführung einer Bildinterpretation. Der springende Punkt ist dabei, dass diese<br />

Interpretation aufgrund des Aufforderungscharakters des Geldscheins in der Regel gelingt. Das dreistufige Analyseschema<br />

„Beschreibung – Deutung – Interpretation“ ist hier leicht zu durchschreiten, weil die Symbolik des Scheines einfach<br />

und plakativ ist. Der ideologische Gehalt der Darstellung ist leicht zu durchschauen, wenn man die Quelle zu Rate<br />

zieht.<br />

© Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts.

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