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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Auf Vorschlag <strong>der</strong> Helfer wurde im September und Oktober 1938 schließlich<br />

ein neues Organisationssystem diskutiert und schließlich einstimmig als<br />

schriftlich fixierte Verfassung beschlossen. Diese bis zum Ende des Lagers<br />

gültige Verfassung entlastete die Jugendlichen etwas von <strong>der</strong> für sie zu großen,<br />

angsterzeugenden individuellen Selbstverantwortung und gab ihnen ein<br />

größeres Sicherheitsgefühl durch die quasi äußerliche finanzielle Sanktion<br />

von Nachlässigkeit, Untätigkeit und Zerstörung. Gleichzeitig wurden dadurch<br />

die Wirkungen solchen Verhaltens deutlich und unleugbar vor Augen geführt.<br />

Die Verfassung bildete den bedeutenden Wendepunkt in <strong>der</strong> Geschichte des<br />

Lagers, das Ende <strong>der</strong> Gründungsphase mit Bedürfnis nach totaler Freiheit und<br />

mit Mißtrauen gegen die Erwachsenen.<br />

Die Verfassung markierte eine neue Phase, in <strong>der</strong> freiwillig die Einschränkung<br />

<strong>der</strong> totalen Freiheit, die Notwendigkeit einer gewissen Ordnung, Autorität<br />

und Sanktion sowie eine gewisse Arbeitspflicht anerkannt wurden.<br />

Die erwachsenen Helfer wurden nun Chefs (gang bosses) <strong>der</strong> Arbeitstrupps<br />

und stellten die Jugendlichen gegen Bezahlung (1 s Stundenlohn)<br />

vormittags (20 Std. wöchentlich) in ihrem Trupp an.<br />

Die Arbeit konnte (und wurde meist!) freiwillig und unbezahlt auch am<br />

Nachmittag und Abend fortgesetzt werden, <strong>aus</strong> Spaß an <strong>der</strong> Arbeit und als<br />

Beitrag zum gemeinsamen Wohlergehen.<br />

Von Neuankömmlingen wurde 4 Wochen lang gar keine Arbeit verlangt.<br />

Vom Wochenlohn (20 s = 1 £) wurden abgezogen:<br />

15 s für Unterkunft und Verpflegung<br />

2 s für den persönlichen Bekleidungsfond. Der Jugendliche tritt damit<br />

als Berechtigter statt als Bittsteller um neue Kleidung auf.<br />

½ s als Steuer für den Lagerrat. Die Helfer wurden ebenso besteuert.<br />

Als Taschengeld blieben - wie bisher - 2½ s übrig. Der Lagerrat erhielt so<br />

eine greifbare deutlichere Verantwortung in Form von Geld. Er wurde finanziell<br />

verantwortlich für den Ersatz aller durch Sorglosigkeit o<strong>der</strong> absichtlich<br />

zerstörten, verlorengegangenen o<strong>der</strong> gestohlenen Sachen, wie Fensterscheiben,<br />

Geschirr, Besteck etc. Vom jeweils Schuldigen konnte er Ersatz<br />

seiner Kosten verlangen.<br />

Die Haupt<strong>aus</strong>gabe des Lagerrates war die Zahlung des Unterkunftsund<br />

Verpflegungsanteils <strong>der</strong>jenigen, die nicht genug gearbeitet hatten.<br />

Ein konsequenter Arbeitsverweigerer verbrauchte zeitweise das gesamte<br />

Steueraufkommen, so daß die Wie<strong>der</strong>aufladung <strong>der</strong> Radio-Akkumulatoren<br />

unmöglich wurde. Die öffentliche Meinung <strong>der</strong> Kameraden übte Druck zur<br />

Arbeit <strong>aus</strong>, bei <strong>der</strong> allgemein herrschenden Toleranz allerdings nur mäßig.<br />

Niemand wurde zur Arbeit gezwungen, einzige Sanktion blieb <strong>der</strong> Einkommensverlust.<br />

<strong>Wer</strong> (vormittags) untätig war, schädigte sowohl sein Taschengeld<br />

und seinen Klei<strong>der</strong>fonds als auch die Gemeinschaft.<br />

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