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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Neill war (an<strong>der</strong>s als Rühle) vor allem als ein pädagogischer Praktiker bedeutend<br />

und nur ein sehr dürftiger pädagogischer / psychologischer Theoretiker,<br />

<strong>der</strong> allenfalls nebenbei und vor allem in Briefen - dann allerdings meist<br />

deutlich und radikal - die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e politische Nebenbemerkung<br />

machte. Eine genauere Analyse seiner Originaltexte (die hier nicht zu leisten<br />

ist), würde meiner Überzeugung nach eine weitestgehende Übereinstimmung<br />

mit denen des KPD- und KAPD- Mitbegrün<strong>der</strong>s und führenden deutschen<br />

Rätekommunisten O. Rühle erbringen und so das Bild vom unpolitischen<br />

Neill endgültig wi<strong>der</strong>legen (dazu Kapitel 16.1.3.). Die Darstellung <strong>der</strong><br />

Rühleschen Vorstellungen mag einen Hintergrund für die Betrachtung<br />

Neills abgeben. Der nachfolgend beschriebenen Argumentationsweise Rühles<br />

hätte Neill - meiner Meinung nach - durch<strong>aus</strong> weitgehend zugestimmt.<br />

Die Ereignisse nach dem 1. Weltkrieg hatten gezeigt, daß trotz <strong>der</strong> günstigen<br />

ökonomischen und politischen (Herrschaft <strong>der</strong> Arbeiterräte!) objektiven<br />

Vor<strong>aus</strong>setzungen <strong>der</strong> als sicher erwartete Sozialismus nicht errichtet werden<br />

konnte. Zur Erklärung des <strong>aus</strong>gebliebenen Sozialismus bei <strong>der</strong> doch objektiv<br />

revolutionären Situation wurde von Freudomarxisten, Adlermarxisten und<br />

Reichianern <strong>der</strong> subjektive Faktor herangezogen: <strong>der</strong> durch Erziehung und<br />

die Lebensweise in <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft bedingte autoritäre Charakter<br />

des dann autoritären Menschen. Deshalb müsse <strong>der</strong> bisherige Marxismus<br />

durch die (jeweilige) Psychologie ergänzt werden.<br />

Vereinzelung, Konkurrenz, Egoismus, Oben-Unten-Beziehungen, Herrschafts-<br />

und Machtstreben, Autorität, Angst, Gehorsam und Unterordnung<br />

durchziehen die ganze bürgerliche Gesellschaft, selbst die sozialistischen<br />

Parteien und Gewerkschaften. Auch dort herrschen Männer über Frauen, Alte<br />

über Junge, Funktionäre über Mitglie<strong>der</strong>. Auch dort wird autoritär erzogen,<br />

und die dann autoritär strukturierten Menschen sind zu Solidarität, Revolution<br />

und Sozialismus unfähig.<br />

Es bedarf nun primär einer an<strong>der</strong>en Lebensweise und einer an<strong>der</strong>en Erziehung:<br />

<strong>der</strong> Befreiung von Angst und geistig-psychischer Autorität. Dies nicht<br />

nur im öffentlichen Bereich von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft, son<strong>der</strong>n<br />

beson<strong>der</strong>s und vor allem auch im Privatbereich von Liebe, Ehe, Sexualität,<br />

Familie, Erziehung, Moral und religiöser Orientierung muß die Zwangsautorität<br />

weichen, damit sich unautoritäre Neue Menschen und nicht traditionelle<br />

autoritäre Machtmenschen entwickeln.<br />

Rühle dreht die bisherige Reihenfolge um: Sozialismus entsteht (wie gesehen)<br />

nicht durch die politische Revolution als einmaligem Gewaltakt, nach<br />

dem sich dann auch die Kultur (Überbau) umstrukturiert. Son<strong>der</strong>n die sich<br />

langsam und stückweise über einen langen Zeitraum vollziehende kulturelle<br />

Revolution, die Umstrukturierung <strong>der</strong> gesamten Kultur nach einem neuen<br />

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