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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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18.2.1. Selbstregierung und Gesetze<br />

Die Selbstregierung ist eines <strong>der</strong> hervorstechendsten Merkmale Summerhills<br />

373 . Trotzdem wird die Selbstregierung kaum einmal detailliert beschrieben.<br />

Dies liegt wohl einerseits an ihrer ständigen Verän<strong>der</strong>ung in den Einzelheiten<br />

374 , an<strong>der</strong>erseits an ihrer ungeheuren Einfachheit.<br />

Die Vollversammlung aller Kin<strong>der</strong> und Erwachsene diskutiert alle Angelegenheiten<br />

des Gemeinschaftslebens (etwa das Essen, die Schlafenszeiten) und<br />

beschließt dann (teilweise für das jeweilige Trimester) mit Stimmenmehrheit<br />

die Gesetze, wählt Komitees für Sport, für Theater, für das Trimesterabschlußfest,<br />

sowie Beamte, etwa für die Stadtaufsicht und zur Kontrolle <strong>der</strong><br />

Schlafenszeit. Diese Beamten sind befugt, bei Regelübertretung die für ihren<br />

Bereich gesetzlich definierten Bußgel<strong>der</strong> einzufor<strong>der</strong>n. Die Liste dieser<br />

Übeltäter wird in <strong>der</strong> Versammlung nur noch kurz verlesen, außerdem fungiert<br />

die Versammlung als Berufungsinstanz und verhandelt die Fälle, die<br />

über die standardisierten Massenvergehen hin<strong>aus</strong>gehen.<br />

Alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schule, vom 6jährigen Kind bis zum Direktor, haben<br />

dabei die gleichen Stimm- und Re<strong>der</strong>echte und unterliegen in gleicher Weise<br />

den Gesetzen und Strafdrohungen. Konfrontationen zwischen Kin<strong>der</strong>n einerseits<br />

und Erwachsenen an<strong>der</strong>erseits kamen in den Versammlungen sehr<br />

373 Daß Summerhill als individualistisch mißverstanden wurde, dürfte mit <strong>der</strong> mangelnden<br />

öffentlichen Wahrnehmung gerade des kollektiven Zusammenlebens und <strong>der</strong> kollektiven<br />

Selbstregierung zusammenhängen.<br />

374 Wohl am <strong>aus</strong>führlichsten sind die Beschreibung von 1936 (Neill 1950: 51 - 62) und die<br />

weitestgehend dar<strong>aus</strong> übernommene von 1960 (Neill 1969: 60 - 70). Die jeweiligen<br />

Übersetzungen <strong>der</strong>selben Passagen sind häufig sehr unterschiedliche, nur ungefähr sinngemäße<br />

freie Übersetzungen. Doch auch sie liefern nur wenige harte Fakten:<br />

Anfänglich (etwa 1921 bis 1925) hatte die Schule (meist) weniger als 10 Schüler, die<br />

Selbstregierung war deshalb sehr formlos, man tagte bei Bedarf als eine Art Familienrat,<br />

<strong>der</strong> auch die Gerichtsfunktionen ununterschieden mit wahrnahm. Beim Umzug nach<br />

Leiston im Jahr 1927 war die Schule auf 31 Schüler angewachsen. Zu dieser Zeit gewann<br />

die Selbstregierung deutlichere formale Strukturen, es wurde ein Vorsitzen<strong>der</strong> gewählt,<br />

<strong>der</strong> eine Gerichtsjury bestellte.<br />

Wohl seit <strong>der</strong> Schulgründung bis heute besteht die Schulvollversammlung am Samstagabend.<br />

Der Versammlungsleiter wechselt wöchentlich, 1936 (Neill 1950: 62) wurde er<br />

gewählt, 1960 (Neill 1969: 61) vom Vorgänger ernannt und außerdem ein Schriftführer<br />

erwähnt. Zumindest zeitweise scheint es auch eine Teilung in eine gesetzgebende und eine<br />

rechtsprechende Abendversammlung gegeben zu haben, so z. B. 1988 (Stephens 1988:<br />

30).<br />

Zeitweise wurde jeweils zu Quartalsanfang (gemeint sind vermutlich Schultrimester) eine<br />

Fünfer-Regierung (=Verwaltung, =Justizkabinett) gewählt, die wohl identisch war mit<br />

den Großen Fünf (fünf ältere Schüler, die über gutes Betragen außerhalb <strong>der</strong> Schulgrenzen<br />

wachten und urteilten) und auch als Jury fungierte. „Die ‚Großen Fünf‘ haben unbeschränkte<br />

Macht, sogar die <strong>der</strong> Ausstoßung, eine Macht, die sie aber bis jetzt noch nie<br />

anwenden mußten“ (Neill 1950: 58). Diese Fünfer-Regierung wird 1936 (Neill 1950) als<br />

seit 2 Jahren bestehend genannt und taucht später nicht mehr auf.<br />

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