Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

angst handelnde traditionelle 550 Soldat handelten Makarenkos Jugendliche in
der Regel am Ende freiwillig und sahen in Makarenko den geliebten und verehrten
Führer Anton Semjonowitsch.
Bei der alten Militärerziehung überwachte eine scharf abgegrenzte Offizierskaste
(Erzieher 551 ) die Befolgung der kleinlich-exakten Verhaltensvorschriften,
um jede Übertretung hart zu bestrafen. Doch bei Makarenko lagen
die Zwangs- und Machtmittel wie Strafen in den Händen des Rates der Kommandeure.
Und die Kommandeure wechselten (in der Dzierzynski-Kommune
halbjährlich) so daß praktisch jeder einmal an der Reihe war und nicht nur eine
kleine Offiziers-Oberschicht befahl. Die Erzieher hatten keine Strafbefugnis
und durften nicht einmal rügen. Makarenko selbst strafte selten, und dann
meist nur mit wenigen Stunden Arrest in seinem Arbeitszimmer, das er als die
interessanteste und lebendigste Stelle der ganzen Kolonie beschrieb. Dies war
eher eine symbolische und soziale Strafe, die zudem nur an verdiente Jugendliche,
denen der Titel Kolonist bzw. Kommunarde verliehen wurde, vergeben
wurde. Makarenko betonte, daß Strafen meist nur dann sinnvoll wirken, wenn
sie von der öffentlichen Meinung getragen werden und praktisch eine Mißbilligung
und Ausschluß aus der Gemeinschaft bedeuten.
Die Gewalt ging - in Form der manifestierten öffentlichen Meinung - tatsächlich
vom Volk der Jugendlichen aus, und Makarenko überließ ihm sehr
weitgehend die Entscheidungen.
Wieweit Makarenko in der Realität anders handelte als er im Roman entwarf,
muß allerdings offenbleiben, schließlich wurde er entlassen, weil in seiner
Kolonie geprügelt wurde.
Nicht die rationale Zwangsherrschaft durch Angst vor bestimmten einzelnen
Strafmaßnahmen, sondern die (Angst vor der) öffentliche(n) Meinung
scheint mir das Verhalten zu bestimmen. Angst vor Strafmaßnahmen scheint
nur ein weniger wichtiges Motiv zu sein. Das militärische Spiel diente meiner
Meinung nach nur insofern der Erhaltung einer Disziplin und Ordnung, als
durch kleinlich-exakte Verhaltensvorschriften ständig und immer jemand zuständig,
kontrollierbar und gegebenenfalls verantwortlich zu machen war. Bei
Disziplinverstößen drohten auch Strafen (bis zum Ausschluß), oft wurde die
öffentliche Rechtfertigung gefordert. Das bedeutete in der Praxis aber eher
die Forderung nach Selbstkritik als nach Selbstrecht-
550 Gemeint ist hier der von Bernfeld (1974b) beschriebene Idealtypus militärischer Disziplin,
der die Zustände innerhalb moderner Armeen (insbesondere außerhalb des Kasernenhofes
im Einsatz) sicher nicht mehr zutreffend beschreibt.
551 Die Erzieher in traditionellen Anstalten waren häufig ehemalige Unteroffiziere gewesen,
ihr Amts- und Erkennungszeichen war der Stock, was Makarenko (1970: 22) scharf kritisierte.
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