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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Spott und Drohungen zugesetzt wie einem Angeklagten. Dies war kein zufälliges<br />

Ereignis, son<strong>der</strong>n Programm:<br />

„Wir protestieren ebenfalls gegen die Erziehung zu einer Tätigkeit, die nur auf dem<br />

‚Interessantsein‘ aufgebaut ist. Aufschlußreich ist es, einer Diskussion im Rat <strong>der</strong><br />

Kommandeure zuzuhören, wenn das Gesuch eines Neulings erörtert wird:<br />

‚Die Arbeit in dieser Abteilung ist für mich nicht interessant, versetzt mich in die<br />

Mechanische Abteilung.‘<br />

Einem solchen ‚Kinde‘ antwortet man streng:<br />

‚Vielleicht rufen wir das Orchester zusammen? Vielleicht ist es für dich interessant,<br />

Musik zu hören?‘<br />

‚Wo warst du, als wir die Fabrik gebaut und einen ganzen Monat lang Erde auf<br />

Tragen geschleppt haben? Meinst du, das war sehr interessant für uns?‘<br />

‚Vielleicht ist es für dich auch nicht interessant, die Toiletten zu reinigen?‘<br />

Der neue Kommunarde beginnt sehr schnell zu begreifen, worum es geht. Er fügt<br />

sich <strong>der</strong> ‚bürgerlichen Kategorie‘ <strong>der</strong> Pflicht.“ (Makarenko 1974: 447)<br />

Bei solch aggressiver Polemik gegen Kritik und Abweichung und auch schon<br />

gegen mangelnde aktive Teilnahme bestand keine Chance zur Verteidigung<br />

o<strong>der</strong> nur Darstellung eigener Vorstellungen und zu offener sachlicher Diskussion.<br />

Jedes Hinterfragen und Anzweifeln <strong>der</strong> Moral- und Ehrbegriffe o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Traditionen wurde als freche Unverschämtheit gewertet und hätte die Jugendlichen<br />

wohl auch überfor<strong>der</strong>t. Hier wurde betont eine Erziehung zum<br />

Gehorsam gegenüber <strong>der</strong> Gruppe (=Abteilung), <strong>der</strong> Großgruppe (=Kolonie)<br />

und dem Staat betrieben, und nicht eine Erziehung zum Ungehorsam, wie Lane,<br />

Wills und Neill sie betrieben.<br />

Makarenko betonte Macht und Recht des Kollektivs, <strong>der</strong> Gemeinschaft, und<br />

die Pflicht des einzelnen Mitglieds zur Zustimmung, Einordnung, Unterwerfung.<br />

Das Individuum verschmolz in <strong>der</strong> Gemeinschaft, Nischen privaten<br />

Rückzugs wurden <strong>aus</strong>drücklich abgelehnt und bekämpft (Makarenko 1974:<br />

207). Für individuelle abweichende Auffassungen, Meinungen, Überzeugungen<br />

blieb kein Raum, kein gegen den Eingriff des Kollektivs abgesicherter<br />

Intimbereich, kein Privatbereich, in dem sich die individuelle Persönlichkeit<br />

frei entfalten könnte o<strong>der</strong> sollte. Es ging bei Makarenkos Selbstverwaltung<br />

nicht um die Repräsentation <strong>der</strong> Einzel-Willen o<strong>der</strong> um Kompromiß und Interessen<strong>aus</strong>gleich.<br />

Mehrfach wurde erwähnt, daß die Jugendlichen schlicht Angst vor dem<br />

Rat und auch <strong>der</strong> Vollversammlung haben, daß sie etwa „<strong>nichts</strong> in <strong>der</strong> Welt“<br />

so fürchten<br />

„wie vor dem Rat <strong>der</strong> Kommandeure in <strong>der</strong> Mitte des Zimmers zu stehen und auf Lapots<br />

Auffor<strong>der</strong>ung antworten zu müssen.<br />

‚Stillgestanden! Erkläre, wie es war!‘“ (Makarenko 1970: 630)<br />

„Aber die Stimme des Vorsitzenden klingt bereits stahlhart:<br />

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