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„In der Hotellerie<br />
Gas geben“<br />
JEAN-PIERRE GALEY, DIREKTOR DES ARABELLASHERATON HOTEL<br />
SEEHOF, ÜBER DIE HERAUSFORDERUNGEN DES TOURISMUS IN DAVOS,<br />
SEINE GÄSTE UND DAS WORLD ECONOMIC FORUM (WEF).<br />
Wie sieht eigentlich Ihr Arbeitstag während des<br />
WEF aus? Es beginnt um sechs Uhr morgens mit dem<br />
ersten Arbeitsfrühstück, wir checken die Räume und<br />
bereiten uns auf die anstehenden Aufgaben vor. Gegen<br />
neun Uhr besprechen wir im Detail die Anlässe<br />
des Tages. Dazu kommen kurzfristige Massnahmen,<br />
etwa Wünsche von Gästen. Wir haben 120 Anlässe<br />
an 5 Tagen - also 20 bis 30 pro Tag.<br />
Zwischendurch begrüsse ich immer wieder<br />
Gäste persönlich. Jeden Abend gibt<br />
es eine Besprechung mit der Polizei, weil<br />
ja die Sicherheit der WEF-Teilnehmer<br />
gewährleistet sein muss. Meistens endet<br />
mein Arbeitstag nachts um etwa zwei<br />
Uhr, nach der letzten Veranstaltung im<br />
Hotel.<br />
Ist denn die Betreuung der Gäste ausschliesslich<br />
„Business“ oder entstehen<br />
auch persönliche Kontakte? Beides.<br />
Manche Gäste kehren jedes Jahr wieder. Diese<br />
Leute kennt man, und so sind mit der Zeit auch persönliche<br />
Kontakte entstanden. Zum Beispiel mit dem<br />
israelischen Präsidenten Shimon Peres. Aber selbstverständlich<br />
ist es gleichzeitig Business.<br />
Kommen die WEF-Gäste denn auch nach <strong>Davos</strong><br />
zurück? Nur bedingt, das ist ausbaufähig. Auch für<br />
andere Wirtschaftskongresse, die nichts mit dem Forum<br />
zu tun haben.<br />
Wo liegt denn das Problem? Ein Beispiel: Das Kongresszentrum<br />
ist zu klein, es sollte ausgebaut werden.<br />
In der Hotellerie müssen wir Gas geben und<br />
die Standards erhöhen. Stillstand ist Rückschritt.<br />
Ein Problem sehe ich darin, dass laufend Hotels der<br />
2-3-Sterne-Klasse aufgeben müssen.<br />
Das ist ja eigentlich ganz praktisch für gehobene<br />
Hotels. Nicht unbedingt. Oft weichen die ehemaligen<br />
Hotels dem Zweitwohnungsbau. <strong>Davos</strong> als Geisterstadt<br />
dürfen wir aber nicht zulassen; im Winter<br />
belebt und im Sommer ausgestorben.<br />
Dazu scheint die Infrastruktur ausbaufähig zu<br />
sein. Der Verkehr ist das grosse Problem; ausgerechnet<br />
in <strong>Davos</strong>, das einst für seine Höhenluft weltbekannt<br />
war und deshalb Kurgäste anlockte. Das derzeitige<br />
Verkehrsaufkommen widerspricht daher dem<br />
Geist von <strong>Davos</strong>. Ich meine, wir sollten den öffentlichen<br />
Verkehr stärken, über eine verkehrsfreie Meile<br />
diskutieren und die Innenstadt entlasten.<br />
„Zusammenarbeit“ war Leitthema des WEF <strong>2008</strong>.<br />
Wie steht es um die Zusammenarbeit in <strong>Davos</strong><br />
selbst? Wir müssen sicherlich das „Gartenhag-Denken“<br />
überwinden; es ist aber seit den 80er Jahren, als<br />
ich nach <strong>Davos</strong> gekommen bin, deutlich<br />
weniger geworden. Die Zeiten der einsamen<br />
Kämpfe sind vorbei. Wir sollten<br />
aber noch mehr nach dem Prinzip arbeiten<br />
„<strong>Davos</strong> sind wir“. Beispielsweise für<br />
den Ausbau des Kongresszentrums: Wir<br />
Hoteliers werden alle einen gewissen Beitrag<br />
in einen Fonds geben. Dieser berechnet<br />
sich nach Anzahl Übernachtungen,<br />
die im Zusammenhang mit Kongressen<br />
generiert werden.<br />
Wäre eine starke Dachorganisation<br />
für die Zusammenarbeit zwischen <strong>Davos</strong>er Hotels<br />
und Unternehmen sinnvoll? Ja, das würde ich<br />
begrüssen. Derzeit treffen sich <strong>Davos</strong>-Tourismus, Hotellerie,<br />
Politik und Handels- und Gewerbeverein einmal<br />
im Monat. Aber ich denke, das ist noch deutlich<br />
ausbaufähig. Wir bräuchten eine Art Think Tank.<br />
Wie beurteilen Sie die Chancen von <strong>Davos</strong> für die<br />
Zukunft? Es gibt viele Argumente dafür, dass <strong>Davos</strong><br />
erfolgreich sein wird. Aber wir müssen gewisse<br />
Hausaufgaben lösen.<br />
Und welche haben für Sie Priorität? Das sind vor<br />
allem die angesprochenen Schwachstellen: Verkehr,<br />
Infrastruktur, Zweitwohnungsbau. Abgesehen davon<br />
dürfen wir auch nicht vergessen, bei all unseren<br />
Vorhaben die Bevölkerung einzubinden. Sie muss<br />
überzeugt sein vom Tourismus in <strong>Davos</strong>. Und dann<br />
ist der Service ein entscheidender Punkt. Wir sollten<br />
eine Umwelt schaffen, die einlädt zum Wohlfühlen.<br />
Viele träumen davon, <strong>Davos</strong> zur Tourismusdestination<br />
Nummer 1 in der Welt zu machen. Kann<br />
das gelingen? Es ist absolut möglich. Wenn wir vernetzt<br />
denken, den Tourismus ernst nehmen und an<br />
wichtigen Hebeln ziehen, dann wird <strong>Davos</strong> eine führende<br />
Rolle spielen.<br />
Autor Christoph Siegert