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Snowtimes-2008-Davos

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SEITE 28/29<br />

„In der Hotellerie<br />

Gas geben“<br />

JEAN-PIERRE GALEY, DIREKTOR DES ARABELLASHERATON HOTEL<br />

SEEHOF, ÜBER DIE HERAUSFORDERUNGEN DES TOURISMUS IN DAVOS,<br />

SEINE GÄSTE UND DAS WORLD ECONOMIC FORUM (WEF).<br />

Wie sieht eigentlich Ihr Arbeitstag während des<br />

WEF aus? Es beginnt um sechs Uhr morgens mit dem<br />

ersten Arbeitsfrühstück, wir checken die Räume und<br />

bereiten uns auf die anstehenden Aufgaben vor. Gegen<br />

neun Uhr besprechen wir im Detail die Anlässe<br />

des Tages. Dazu kommen kurzfristige Massnahmen,<br />

etwa Wünsche von Gästen. Wir haben 120 Anlässe<br />

an 5 Tagen - also 20 bis 30 pro Tag.<br />

Zwischendurch begrüsse ich immer wieder<br />

Gäste persönlich. Jeden Abend gibt<br />

es eine Besprechung mit der Polizei, weil<br />

ja die Sicherheit der WEF-Teilnehmer<br />

gewährleistet sein muss. Meistens endet<br />

mein Arbeitstag nachts um etwa zwei<br />

Uhr, nach der letzten Veranstaltung im<br />

Hotel.<br />

Ist denn die Betreuung der Gäste ausschliesslich<br />

„Business“ oder entstehen<br />

auch persönliche Kontakte? Beides.<br />

Manche Gäste kehren jedes Jahr wieder. Diese<br />

Leute kennt man, und so sind mit der Zeit auch persönliche<br />

Kontakte entstanden. Zum Beispiel mit dem<br />

israelischen Präsidenten Shimon Peres. Aber selbstverständlich<br />

ist es gleichzeitig Business.<br />

Kommen die WEF-Gäste denn auch nach <strong>Davos</strong><br />

zurück? Nur bedingt, das ist ausbaufähig. Auch für<br />

andere Wirtschaftskongresse, die nichts mit dem Forum<br />

zu tun haben.<br />

Wo liegt denn das Problem? Ein Beispiel: Das Kongresszentrum<br />

ist zu klein, es sollte ausgebaut werden.<br />

In der Hotellerie müssen wir Gas geben und<br />

die Standards erhöhen. Stillstand ist Rückschritt.<br />

Ein Problem sehe ich darin, dass laufend Hotels der<br />

2-3-Sterne-Klasse aufgeben müssen.<br />

Das ist ja eigentlich ganz praktisch für gehobene<br />

Hotels. Nicht unbedingt. Oft weichen die ehemaligen<br />

Hotels dem Zweitwohnungsbau. <strong>Davos</strong> als Geisterstadt<br />

dürfen wir aber nicht zulassen; im Winter<br />

belebt und im Sommer ausgestorben.<br />

Dazu scheint die Infrastruktur ausbaufähig zu<br />

sein. Der Verkehr ist das grosse Problem; ausgerechnet<br />

in <strong>Davos</strong>, das einst für seine Höhenluft weltbekannt<br />

war und deshalb Kurgäste anlockte. Das derzeitige<br />

Verkehrsaufkommen widerspricht daher dem<br />

Geist von <strong>Davos</strong>. Ich meine, wir sollten den öffentlichen<br />

Verkehr stärken, über eine verkehrsfreie Meile<br />

diskutieren und die Innenstadt entlasten.<br />

„Zusammenarbeit“ war Leitthema des WEF <strong>2008</strong>.<br />

Wie steht es um die Zusammenarbeit in <strong>Davos</strong><br />

selbst? Wir müssen sicherlich das „Gartenhag-Denken“<br />

überwinden; es ist aber seit den 80er Jahren, als<br />

ich nach <strong>Davos</strong> gekommen bin, deutlich<br />

weniger geworden. Die Zeiten der einsamen<br />

Kämpfe sind vorbei. Wir sollten<br />

aber noch mehr nach dem Prinzip arbeiten<br />

„<strong>Davos</strong> sind wir“. Beispielsweise für<br />

den Ausbau des Kongresszentrums: Wir<br />

Hoteliers werden alle einen gewissen Beitrag<br />

in einen Fonds geben. Dieser berechnet<br />

sich nach Anzahl Übernachtungen,<br />

die im Zusammenhang mit Kongressen<br />

generiert werden.<br />

Wäre eine starke Dachorganisation<br />

für die Zusammenarbeit zwischen <strong>Davos</strong>er Hotels<br />

und Unternehmen sinnvoll? Ja, das würde ich<br />

begrüssen. Derzeit treffen sich <strong>Davos</strong>-Tourismus, Hotellerie,<br />

Politik und Handels- und Gewerbeverein einmal<br />

im Monat. Aber ich denke, das ist noch deutlich<br />

ausbaufähig. Wir bräuchten eine Art Think Tank.<br />

Wie beurteilen Sie die Chancen von <strong>Davos</strong> für die<br />

Zukunft? Es gibt viele Argumente dafür, dass <strong>Davos</strong><br />

erfolgreich sein wird. Aber wir müssen gewisse<br />

Hausaufgaben lösen.<br />

Und welche haben für Sie Priorität? Das sind vor<br />

allem die angesprochenen Schwachstellen: Verkehr,<br />

Infrastruktur, Zweitwohnungsbau. Abgesehen davon<br />

dürfen wir auch nicht vergessen, bei all unseren<br />

Vorhaben die Bevölkerung einzubinden. Sie muss<br />

überzeugt sein vom Tourismus in <strong>Davos</strong>. Und dann<br />

ist der Service ein entscheidender Punkt. Wir sollten<br />

eine Umwelt schaffen, die einlädt zum Wohlfühlen.<br />

Viele träumen davon, <strong>Davos</strong> zur Tourismusdestination<br />

Nummer 1 in der Welt zu machen. Kann<br />

das gelingen? Es ist absolut möglich. Wenn wir vernetzt<br />

denken, den Tourismus ernst nehmen und an<br />

wichtigen Hebeln ziehen, dann wird <strong>Davos</strong> eine führende<br />

Rolle spielen.<br />

Autor Christoph Siegert

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