cruiser
DAS
Februar 2017 CHF 7.50
GRÖSSTE
SCHWEIZER
GAY-MAGAZIN
Gay-Diven!
Wo sind sie
geblieben?
Schwule vs. Lesben
Die unlustigen Weiber
Portrait
Michi Rüegg
TV Auswanderer
SRF portraitiert Gay-Paar
HIV-positiv?
Wir sind für
dich da.
Die Aids-Hilfe Schweiz bietet:
• Unterstützung bei Problemen mit Arbeitgebern
und Versicherungen
• kostenlose Rechtsberatung
• Broschüren zu Therapiebeginn, HIV und Job,
Datenschutz etc.
• finanzielle Unterstützungen in Notlagen
• Kampagnen, die Wirkung zeigen
• Anonyme Onlineberatung auf drgay.ch
Alles dazu auf aids.ch und drgay.ch
3
Editorial
Liebe Leser
2017 ist bereits ein paar Tage alt und trotzdem fragen wir uns noch, was es wohl bringen wird. Wird
Trump seine vollmundigen Ankündigungen wahr machen? Werden die rechten Stimmen in Europa
weiter zunehmen? Und last but not least: Werden wir endlich mal wieder ein ESC-Finale erreichen?
Fragen über Fragen, da ist es beruhigend, dass wir uns auf eine Konstante verlassen können: Die
Cruiser-Redaktion wird wie gewohnt Neues, Interessantes und zuweilen Kontroverses aus und für die Gay-Community publizieren.
So wenden wir uns in dieser ersten Ausgabe des Jahres u. a. dem nicht allen verständlichen Diven-Kult und dem
schwierigen Verhältnis von Schwulen und Lesben zu. Viel Spass also beim Lesen und Entdecken!
Herzlich; Birgit Kawohl
Stv. Chefredaktorin
inhalt
4 Titel-Thema Viva La Diva
10 Kolumne Michi Rüegg
11 Kultur Buchtipp
13 Thema Schwule v/s Lesben
16 Portrait Michi Rüegg
18 Kolumne Mirko!
20 Reportage Cruiser bei Kiwi-Pools
22 FINGERFERTIG CRUISER KOCHT!
24 Kultur Mary Poppins
25 Nachgefragt Die Gay-Auswanderer
26 Reportage 36 Jahre
Moustache Sauna
29 Serie Homosexualität in
Geschichte & Literatur
32 Ratgeber Dr. Gay
33 Kolumne Thommen meint
impressum
CRUISER MAGAZIN PRINT
ISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000)
Herausgeber & Verleger Haymo Empl, empl.media
Infos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.ch
Chefredaktor Haymo Empl | Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl
Bildredaktion Haymo Empl, Nicole Senn
Bilder Bilddatenbank. Alle Bilder, soweit nicht anders vermerkt, mit Genehmigung der Urheber.
Art Direktion Nicole Senn | www.nicolesenn.ch
Redaktion Print Vinicio Albani, Anne Andresen, Yvonne Beck, Thomas Borgmann,
Bruno Bötschi, Andreas Faessler, Mirko, Moel Maphy, Michi Rüegg, Alain Sorel, Peter
Thommen, Nihat.
Korrektorat | Lektorat Birgit Kawohl
Anzeigen anzeigen@cruisermagazin.ch
Christina Kipshoven | Telefon +41 (0) 31 534 18 30
WEMF beglaubigte Auflage 11 539 Exemplare
Druck Druckerei Konstanz GmbH
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Der nächste Cruiser erscheint am 3. März 2017
CRUISER FEBRUAR 2017
4
xxx Thema
xxx AuslaufmodelL Gay-Ikone
Viva la
Diva?
Judy Garland, Marlene Dietrich, Marianne Rosenberg, Lady Gaga …
die Liste der von vielen Gays geliebten Diven ist lang. Ihre Verehrung
gehört zur Schwulenkultur wie Regenbogen, CSD und der Eurovision
Song Contest. Doch es scheint, als sterben die Diven allmählich aus.
Ist die Schwulenikone ein Auslaufmodell?
CRUISER FEBRUAR 2017
Thema
Auslaufmodell Gay-Ikone
5
von Thomas Borgmann
A
ls mein damaliger Tessiner Freund
in den 1980er Jahren auf einer
Bahnfahrt von einem gleichaltrigen
deutschen Mitreisenden gefragt wurde,
welche Musik aus Deutschland er kennen
würde, erntete er mit seiner Antwort
Stirnrunzeln und Irritation: Nicht
Modern Talking, Herbert Grönemeyer
oder Sandra waren dem 25jährigen aus
dem Sottoceneri vertraut, sondern Hildegard
Knef, Marlene Dietrich, Zarah Leander
oder Marianne Rosenberg. Vor allem
Interpretinnen jenseits der Wechseljahre
brachte ich ihm daheim zu Gehör. Nicht
gerade der Mainstream der damaligen
Twens, aber durchaus das gängige Schallplatten-Repertoire
vieler schwuler Haushalte
jener Jahre.
Was faszinierte einen schwulen Mann
im testosteronreichen Alter ausgerechnet an
Sängerinnen oder Schauspielerinnen, die
seinen sexuellen Präferenzen in keiner Weise
entsprechen, sondern vielmehr potenzierte
Weiblichkeit ausstrahlen? Einen Zusammenhang
mit der eigenen Sexualität scheint
es zunächst nicht zu geben, und doch gilt die
Schwärmerei für die Diva als typisch schwul.
«Schwulenikonen,» – der Begriff aus den
und doch gilt die
Schwärmerei für die Diva
als typisch schwul.
späten 1960er und frühen 1970er Jahren ist
wesentlich jünger als die meisten Interpretinnen
selbst – sind nicht unbedingt ein Idol
oder Vorbild, dem der schwule Mann nacheifern
will, sondern eben eine Ikone, die verehrt
und «angebetet» wird.
Wie wird man eine Gay-Ikone?
Zur Schwulen-Ikone wird ein Star nicht unbedingt
durch das Engagement oder Bekenntnis
für homosexuelle Rechte und
Belange. Judy Garland etwa soll sich nicht
besonders für ihre zahlreichen schwulen
Fans interessiert haben. Bette Davis beantwortete
die Frage nach mehr Rechten für
Homosexuelle mit dem Statement «There’s
nothing in it for me», und Donna Summer
bezeichnete Aids in den achtziger Jahren als
Strafe Gottes – geliebt wurde sie und ihre
Musik von vielen schwulen Fans gleichwohl.
Ein zu starkes Bekenntnis zur Homosexualität
aus heterosexuellem Mund kann
sogar als Anbiederung empfunden werden,
was etwa Lady Gaga mit ihrem Lied «Born
this way» erfahren musste. Eine Schwulen-
Ikone ist nicht speziell für die Szene gemacht,
sondern richtet sich mit ihren Liedtexten
und betonter Weiblichkeit eigentlich
eher an ein heterosexuelles Publikum. Es
sind vor allem die mitunter versteckten Botschaften
der Diven sowie ihre gelegentlich
überzeichnete Weiblichkeit, für die viele
Homosexuelle ein besonderes Radar zu
haben scheinen. Dramatische Auftritte, das ➔
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6
Thema
Auslaufmodell Gay-Ikone
Madonna ist (war?) eine Gay-Ikone par excellence. Aber … vielleicht auch ein Auslaufmodell.
Potential zu Pathos und grossen Gefühlen,
aber auch das Unkonventionelle und der
Kampfgeist, sich nach Schicksalsschlägen
nicht unterkriegen zu lassen, machen Diven
für Schwule so empfänglich. Ein Paradebeispiel
dafür ist der Titel des Eurovisions-
Siegerlieds aus 2014, «Rise like a Phoenix»
von Conchita Wurst, die sich bewusst als
androgyne Diva inszeniert. Die Diven sind,
so Steffen Jan Seibel 2015 im ZEITmagazin,
«so wie Heteros die Schwulen sehen». Die
Dramatik und das Schicksal machte auch
Britney Spears zu einer der grössten Schwulenikonen
unserer Zeit. Zunächst als Prinzessin
umjubelt, wurde sie nach einem
Absturz, ihrem kahlrasierten Kopf und
einer Entmündigung in Folge eines Zusammenbruchs
von der Presse als Mutter-
Monster verhöhnt, startete dann aber ein
fulminantes Comeback. Solche Lebensgeschichten
gehen vielen Schwulen ans
Herz, weil sie Ausgrenzung oft selbst erfahren
haben.
CRUISER FEBRUAR 2017
Die Diva als Wegbereiter für die
schwule Emanzipation
Einen Erklärungsansatz für die «Faszination
Diva» liefert der Journalist Martin Trevor in
einem Artikel auf huffingtonpost.com, wo er
einen US-amerikanischen Gender-Studies-
Professor zitiert: «Frauen, die als Ikonen gelten,
definieren ihr Selbst auf ihre ganz eigene
Weise.» Dieses Gebaren, schreibt Martin,
komme insbesondere bei Menschen gut an,
die zu einer Minderheit gehörten und aus
dem Rahmen fielen Die Identifikation mit
diesen Frauen ist zweifellos einer der Gründe
für die Begeisterung, die Diven bei vielen
Schwulen auslösen können.
Auch das Image der abgebrühten und
intelligenten «Femme fatale» der Diven übt
eine grosse Faszination auf viele schwule
Männer aus. Äusserlich zart und zerbrechlich
wirkend, liegen ihre Waffen nicht in der
körperlichen Kraft, sondern in rhetorischen
und mentalen Fähigkeiten: Eine scharfe
«Heteromänner leben ihre
Aggression durch
Faustkämpfe und Sport
aus, Schwule durch spitze,
pointierte Kommentare.»
Zunge, bissige Ironie und Schlagfertigkeit
sind Mittel, die auch viele Schwule beherrschen.
«Heteromänner leben ihre Aggression
durch Faustkämpfe und Sport aus,
Schwule durch spitze, pointierte Kommentare»,
schreibt der US-amerikanische Autor
Daniel Harris in seinem Buch «The Rise and
Fall of Gay Culture». Für ihn wie auch für
andere Autoren steht fest, dass die Diven-
Verehrung durchaus eine politische Bedeutung
hat. Durch die Imitation weiblicher
Thema
Auslaufmodell Gay-Ikone
7
Hollywoodlegenden schufen die Schwulen
in den USA ihre eigenen Verhaltensweisen,
eine eigene Subkultur und eine Gruppenidentität,
die wiederum ihr kollektives
Selbstbewusstsein so sehr stärkte, dass sie
sich zu wehren begannen. Damit wurde in
der Mitte des letzten Jahrhunderts in den
USA der Grundstein für die schwule Bürgerrechtsbewegung
gelegt. Daniel Harris dazu:
«Die tief im homosexuellen Mann verankerte
Gewohnheit, die unbesiegbare Persönlichkeit
der Diva auf sich selbst zu projizieren,
war der psychologische Wegbereiter für
den politischen Widerstand, der sich in den
Sechziger- und Siebzigerjahren formierte.»
Damals habe sich die «innere Diva» der
Schwulen «aus dem Gefängnis der Fantasiewelt
befreit», so Harris, und er bilanziert, dass
es «im Kern bei der Verehrung der Diva nicht
um die Diva selbst geht, sondern darum, einer
unwirtlichen Realität zu entfliehen.»
Einen weiteren Aspekt der Diven-Verehrung
sieht Daniel Harries in der Möglichkeit,
die unterdrückten gleichgeschlechtlichen
Sehnsüchte und Bedürfnisse in einer
Zeit auszuleben, als Homosexualität noch
strafbar war und geächtet wurde. Durch die
starke Identifizierung mit den Diven hätten
sich homosexuelle Männer in ihrer Vorstellung
selbst in die Person der schönen Schauspielerin
hineinprojiziert und gewissermassen
«mit ihnen die Rollen getauscht.»
So konnten sie in ihrer Fantasie all die Männer
verführen, die im realen Leben für sie unerreichbar
waren. Auch der Tabubruch mit gesellschaftlichen
Konventionen, etwa wenn
Marlene Dietrich 1930 im Hosenanzug singt,
dass Männer sie umschwirren, wie Motten das
Licht («Ich bin von Kopf bis Fuss auf Liebe ➔
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piano piano
Eine Choreografie von Kenneth Kvarnström,
Örjan Andersson und Ina Christel Johannessen
24. bis 26. Februar 2017
CRUISER FEBRUAR 2017
8
Thema
Auslaufmodell Gay-Ikone
Gloria Gaynor hat mit ihrem «I Will Survive» heute noch Kultstatus und performt ihren Hit nach wie vor.
eingestellt») oder Zarah Leander in der Zeit
schlimmster Schwulenverfolgung fragt «Kann
denn Liebe Sünde sein», bietet natürlich schon
rein textlich ein breites Identifikationspotential
für homosexuelle Menschen. Joachim
Heider, der Songschreiber und Produzent von
Marianne Rosenberg, schrieb für die junge
Schlagersängerin in den 1970er Jahren bewusst
Lieder mit besonderem Augenmerk auf
die Gay-Community, nachdem er entdeckte,
dass die Songs der Rosenberg vor allem von
Schwulen goutiert wurden. Fast immer ging es
dabei um Männer, die man nicht bekommt.
«Fremder Mann, schau mich an, du bist schuld
daran» hiess einer ihrer Hits aus dem Jahr
1973, als viele schwule Männer ihre Sehnsüchte
bestenfalls im Verborgenen ausleben konnten.
«Als ich 16 war«, so Marianne Rosenberg
in einem Interview vom 7. März 2008 in
www.welt.de, «musste mein Produzent mich
noch darauf aufmerksam machen. Der hat
noch nicht veröffentlichte Stücke von mir in
Diskotheken getestet, auch in Schwulenclubs.
Der hat das Phänomen entdeckt und die Musik
auch daraufhin produziert.» Marianne Rosenberg
wurde also quasi ohne es zu merken von
den Schwulen annektiert, weil ihr Songschreiber
das ganze Potenzial dieser besonders treuen
Fans erkannte. Evergreens wie «Ich bin wie
du» oder «Er gehört zu mir» entstanden in der
Folge und wurden geradezu zu Slogans der erstarkenden
Schwulenbewegung.
CRUISER FEBRUAR 2017
Eine aussterbende Spezies?
Der Divenverehrung beinhaltet also wesentlich
mehr politische Aspekte als lediglich die
Lieferung einer schrillen Vorlage für Drag
Queens oder Travestie. In den vergangenen
Jahrzehnten war sie für viele Schwule ein
Mechanismus der half, die schwierige Lebensrealität
von Verbot und Verborgenheit
besser zu bewältigen. Die Identifizierung mit
den weiblichen Stars, oder auch ihre Imitation
auf Travestie-Shows und in der Szene,
ermöglichte vielen schwulen Männern, die
eigenen Sehnsüchte zumindest gedanklich
auszuleben und sich von einem feindlich erscheinenden
Umfeld abzugrenzen. Textzeilen
gaben die Möglichkeit, das zu singen und
lautstark auszurufen, was man sich zu sagen
kaum traute – auf Konzerten oder in Diskotheken
zudem noch mit einem Gefühl der
starken Gemeinschaft unter Seinesgleichen,
Das lässt vermuten, dass das Phänomen
der Schwulenikonen mit zunehmender Akzeptanz
der Homosexualität in der Gesellschaft
an Bedeutung verlieren kann. Wenn
ein schwuler Mann genauso akzeptiert wird
wie ein heterosexueller Geschlechtsgenosse,
werden zumindest die Flucht- oder Ersatzwelten
überflüssig, in denen er seine Gefühle
ausleben kann. Und tatsächlich scheint die
Zeit der grossen Schwulenikonen des letzten
Jahrhunderts vorbei. Ganz aussterben werden
die Diven als schwulenkulturelles Phänomen
die Botschaften der Ikonen
verändern sich.
aber sicherlich nicht, dafür lechzt die schwule
Seele nach wie vor zu sehr nach Glanz, Glamour
und grossen Gefühlen. Aber die Botschaften
der Ikonen verändern sich: Nicht
mehr Sehnsucht oder unerfüllte Liebe wie bei
Zarah Leander und Marianne Rosenberg stehen
heute im Vordergrund, sondern Provokation
und Pride wie bei Madonna oder
Beyoncé. Letztere röhrt etwa in einer Armeekluft
in dem Videoclip zu «Run the World»
von einem Regiment der Frauen und visioniert
damit eine Welt, in der die soziale Dominanz
des Heteromanns überwunden ist.
Dass die Diven von heute aber zu politischen
Agitatoren mutieren werden, ist indes nicht
zu erwarten. Das Tragikpotential zwischenmenschlicher
Beziehungen wird auch künftig
dafür sorgen, dass bei Hymnen wie «Strong
enough» von Cher oder «I will survive» von
Gloria Gaynor viele Schwule genauso den
Saal oder die Disco zum Kochen bringen, wie
es auch deren durchaus schwulenemanzipatorisch
zu interpretierender Song «I am what I
am» vermag.
CRUISER FEBRUAR 2017
9
10
KOLUMNE
MICHI RÜEGG
Die absolute reine Wahrheit,
postfaktisch
Michi Rüegg passt sich dem Zeitgeist an und
ersetzt Fakten durch … äh … irgendwas anderes.
VON Michi Rüegg
M
an kann und soll Donald Trump
vieles vorwerfen. Doch der neue
US-Präsident hat auch seine guten
Seiten. Er ist der Prophet des Postfaktischen.
Ihm sei Dank, müssen wir künftig
nicht mehr pausenlos die Wahrheit sagen.
Im postfaktischen Zeitalter ist nichts,
wie es ist. Auf einschlägigen Online-
Portalen dürfen wir endlich so alt sein, wie
wir uns tatsächlich fühlen. Da begegnet
man schon mal einem 43-Jährigen, der seit
anderthalb Jahren AHV bezieht. Und unsere
Penisse sind – unabhängig von ihrer
Länge – alle XXL. Zum Beweis kaufe man
den winzigsten Kindersneaker, den die bei
Dosenbach im Sortiment haben, und fotografiere
Glied und Schuh nebeneinander
sowie im richtigen Winkel. Selbstverständlich
sind auch Menschen mit Erektionsstörungen
grandiose Tops («sorry, das
kommt vom Kiffen») und auch wer bei der
kleinsten Penetrationsbemühung «aua,
aua» schreit, ist nach nicht anzuzweifelnder
Selbstproklamation ein Powerbottom.
Das postfaktische Zeitalter mag im
medialen Kontext den Anhängern der Aufklärung
– zu denen ich mich zähle – zwar
gewisse Ängste einjagen. Die sich im
Niedergang befindliche Qualität des Journalismus’
bringt jedoch auch eine nie dagewesene
medienkritische Haltung hervor.
Neulich teilte einer meiner Facebook-
Freunde einen Artikel von «20 Minuten»,
in dem stand, einer britischen Touristin
drohe in den Emiraten die Todesstrafe, weil
sie irgendwas nicht getan habe. Die englischen
Original-Artikel, aus denen das Gratis-
CRUISER FEBRUAR 2017
Newsportal abschrieb, hatten die Todesstrafe
als theoretisch und im absolut
undenkbar absurdesten Fall anwendbare
Bestrafung irgendwo im Text genannt. Bei
«20 Minuten» reichte bereits der Titel aus,
um uns die unmittelbar bevorstehende
Steinigung der Dame vor Augen zu führen.
Christoph Blocher wurde
als Frau geboren.
Der Empörungsgrad in den zahlreichen
Kommentaren dürfte den Erwartungen
der Redaktion entsprochen haben.
Doch in einem Punkt waren sie bemerkenswert:
Die meisten Kommentatoren
begannen ihre Hasstiraden auf Araber
sinngemäss mit «Also wenn das wirklich
stimmt, dann …» Ha! Als ich jung war,
ging man davon aus, dass etwas, wenn es
in der Zeitung stand, zu einem angemessenen
Grad eine Wahrheit darstellt. Heute
liest man einen Text in einem Gratisblatt
und empört sich nur noch unter der Bedingung,
dass der dargestellte Sachverhalt
tatsächlich korrekt wiedergegeben ist. Wir
lesen und regen uns tierisch auf, nehmen
dabei aber bewusst in Kauf, dass wir angelogen
werden.
In diesem Sinne erlaube ich mir, in
dieser Kolumne ein paar schockierende
Enthüllungen preiszugeben, für deren
Wahrheitsgehalt ich als Autor leider keine
Verantwortung übernehmen kann.
1. Christoph Blocher wurde als Frau
geboren. Er verkleidete sich als Mann, weil
zu Beginn seiner politischen Karriere das
Frauenstimmrecht noch nicht eingeführt
war. Alle seine Kinder zeugte sein neulich
verstorbener Bruder Gerhard zusammen mit
Silvia – mit Ausnahme von Magdalena. Sie
ist ein Original-Klon von Christoph, der
aber offiziell als Frau lebt.
2. In der Weltwoche-Redaktion arbeiten
nur Männer, weil Roger Köppel stockschwul
ist. Die Redaktoren haben in der
Mitte des Raums eine Cocktailbar eingerichtet,
an der sie in Baströckchen sitzen und
minderjährigen nackten Flüchtlingen in den
Schritt fassen. Jeweils am Mittwoch machen
sie Pause und schreiben schnell irgendeinen
Scheiss zusammen, der jeweils am Donnerstag
am Kiosk käuflich zu erwerben ist.
3. Bundesrätin Doris Leuthard besitzt
kein Herz im herkömmlichen Sinne.
An seiner Statt wurde ihr im Rahmen eines
Experiments des Paul-Scherrer-Instituts
in den 70er-Jahren ein Mini-Atomkraftwerk
eingebaut. Deshalb strahlt sie
auch so penetrant. Nach rund vierzigjähriger
Laufzeit müsste es eigentlich bald mal
abgeschaltet werden.
Wie gesagt, über den Wahrheitsgehalt
dieser News darf man ruhig seine eigene
Meinung haben. Aber es ist nichtsdestoweniger
wichtig, dass derart schockierende
Wahrheiten unabhängig von ihrer inhaltlichen
Korrektheit den Weg an die Öffentlichkeit
finden.
Kultur
Buchtipp
11
Ren Hang –
der stille Rebell
Ren Hang sieht nicht wirklich wie ein Rebell aus. Der schmalbrüstige und
von Natur aus scheue 28-jährige Pekinger Fotograf steht nichtsdestotrotz
an der Spitze des Kampfes chinesischer Künstler für ihre kreative Freiheit.
Von Moel Maphy
W
ie sein grosses Vorbild Ai Weiwei
produziert Ren Werke, die als Gefahr
für die Gesellschaft und den
kommunistischen Staat eingestuft werden.
Ren behauptet: «Die Politik meiner Bilder
hat nichts mit China zu tun. Es ist die chinesische
Politik, die sich in meine Kunst einmischen
will.»
Warum? Weil seine Modelle – Freunde
und in zunehmendem Masse Fans – nackt
sind, oftmals im Freien, hoch in Baumkronen
oder auf den schwindelerregenden Dächern
von Peking, mal aufeinandergestapelt
wie Bücher, mal in Kraken gewickelt, mit
Vögeln auf den Armen, inmitten von Kakteenwäldern,
mit Telefonleitungen und Blumen,
die aus Körperöffnungen spriessen …
was auch immer ihm gerade in den Sinn
kommt oder an Requisiten in die Hände
fällt. Seine Bilder sind explizit, radikal, witzig
und verletzen moralische und soziale Tabus
Chinas, auch indem sie Genderfragen
thematisieren und traditionelle Geschlechterrollen
infrage stellen. In einem Interview
fragte ihn 2013 die Zeitschrift VICE, warum
man so oft Schwänze auf seinen Bildern
sehe. Ren antwortete: «Es sind nicht nur
Schwänze, an denen ich interessiert bin, ich
bilde jedes Organ gerne auf frische, lebendige
und emotionale Weise ab. Geschlecht ist
nicht wichtig, wenn ich Fotos mache, es
spielt nur eine Rolle, wenn ich Geschlechtsverkehr
habe.» Junge Fans verfolgen eifrig
seine Website und seine Beiträge bei Facebook,
Instagram und flickr. Seine Fotos waren
in seiner kurzen fünfjährigen Karriere
bereits Gegenstand von über 20 Einzel- und
70 Gruppenausstellungen in so unterschiedlichen
Städten wie Tokio, Athen, Paris, New
York, Kopenhagen, Frankfurt, Wien und, ja,
sogar Peking. Im Eigenverlag hat er sieben
Monografien in winzigen Auflagen veröffentlicht,
die inzwischen für bis zu 530 Euro
pro Stück gehandelt werden.
Buchtipp
TASCHENs Ren Hang ist seine erste internationale
Publikation und umfasst seine gesamte
bisherige Karriere, mit bekannten Lieblingsbildern
und vielen nie zuvor veröffentlichten
Fotos. Hardcover, 22,5 × 30 cm, 312 Seiten
Preis 48.80
ISBN 978-3-8365-6207-2
CRUISER FEBRUAR 2017
12
Kultur
Buchtipp
Wenn die
Fremde lockt
«Mein schwules Auge 13» verbindet einmal mehr verschiedenste
Kunstformen und regt zum Nachdenken an.
Von Birgit Kawohl
W
ie jedes Jahr ist der konkursbuch-Verlag
mit einer neuen
Ausgabe seines «schwulen Auges»
heraus, immerhin ist es bereits die 13. Thema
ist das Fremde, ein Thema, das sicherlich im
vergangenen Jahr jeder als omnipräsent
empfunden hat. Kann dies also noch einen
Reiz ausmachen?
Ja, das geht, denn wie immer gelingt
den Herausgebern auch dieses Mal eine kluge
Mischung von Bild und Textmaterial. Im
Vorwort wird darauf hingewiesen, dass das
Fremde ganz unterschiedlich auftreten
kann, fühlt man sich nicht zuweilen in der
Heimat fremd, ist fremd nicht manchmal ein
Synonym für Anderssein oder gar das Innehaben
einer Aussenseiterrolle?
Bei der Bildauswahl wird die Thematik
an einigen Stellen sofort klar, zum Beispiel
bei Männern in orientalischer Kleidung,
an anderen muss man sich erst
einmal ein paar Gedanken machen, beispielsweise
bei einem an ein Pissoir angeketteten
Mann in Adidas-Sportsocken.
Aber das Gedankenmachen war ja neben
der Unterhaltung immer eine Intention des
«Auges», so bleiben sich die Macher ihrer
Linie treu. Wer neben den Fotos noch etwas
Lesefutter haben möchte, wird ebenfalls
gut bedient: Die ausgewählten Beiträge geben
Einblicke in viele Facetten schwuler
Kultur, geboten wird vom Gedicht über
Reiseberichte bis hin zu Erzählungen eine
breite Palette an humorvollen, anregenden
und nachdenklichen Texten.
Ein Buch also, das zugleich Interesse
weckt und – nun ja: befriedigt, so etwas findet
man selten.
Buchtipp
Rinaldo Hopf, Axel Schock (Hg.):
Mein schwules Auge 13. Das Jahrbuch der
schwulen Erotik 2016/2017.
Tübingen: konkursbuch 2016.
320 Seiten
Preis CHF 23.90
ISBN 9783887695538
CRUISER FEBRUAR 2017
Thema
Lesben v/s Schwule
13
We are Family.
Sind wir das?
Momentan kocht es mal wieder in der LGBTQI-Community. Lesben fühlen
sich von Schwulen diskriminiert und verdrängt. Nun: Streit kommt in
den besten Familien vor, trotzdem sollte das gemeinsame Ziel nicht aus
den Augen verloren werden.
CRUISER FEBRUAR 2017
14 Thema
Lesben v/s Schwule
Von Yvonne Beck
E
s wird viel gejammert, aber kaum jemand
kriegt den Hintern hoch.
Gleichberechtigung wird nicht auf
dem goldenen Tablett serviert, sie muss noch
immer erkämpft werden. Doch wenn es mal
nicht so einfach geht, dann sucht man sich
am besten einen Sündenbock. Am besten einen
aus einer sogenannten «Randgruppe»
bzw. Minderheit, mit denen kann man sich
nämlich leichter anlegen. Aber wenn Minderheiten
anfangen, gegen Minderheiten zu
kämpfen, dann wird es gefährlich.
Es ertönt die Forderung nach grösserer
Sichtbarkeit in der Community. Mensch,
Mädels, dann macht Euch doch sichtbar!
Wir selbst müssen unseren Platz verteidigen
und können nicht von Schwulen-Verbänden
erwarten, dass sie ständig für uns mitreden.
Ja, auch ich wurde in der Öffentlichkeit
von einem Schwulen schon als «eklige
Scheiss-Lesbe» tituliert, aber deshalb fühle
ich mich nicht von der gesamten Schwulen-
Community diskriminiert. Vollpfosten gibt
es überall, ob schwul, lesbisch, hetero,
CRUISER FEBRUAR 2017
schwarz oder weiss … Oberflächliche, dumme
Partytunten gibt es genauso wie männerhassende
Kurzhaarlesben. Aber ich sehe mich
durchaus nicht als schwaches Opfer, denn in
diesem Fall hätte ich bereits von vornherein
verloren. Es ist wichtig sich zur Wehr zu setzen,
sich nicht in eine Ecke drängen zu lassen,
aber es kommt darauf an, wie wir es machen.
«Wir können nicht von
Schwulen-Verbänden
erwarten, dass sie ständig
für uns mitreden.»
Frustrierte Mannsweiber
Warum schwingt bei vielen Lesben immer
das Bild der latent aggressiven und frustrierten
Frau mit? Selbst in der LGBTQI-Community
ist inzwischen von den «unlustigen
Weibern» die Rede. Ja, Schwule sind präsenter,
ob am CSD, in der Partyszene oder den
Medien. Aber es ist nicht ihre Schuld, dass
(und dies ist ein weltweites Phänomen) immer
mehr Frauen-Lokale, -Clubs und -Einrichtungen
schliessen müssen. Wenn fünf
Frauen zwei Yogi-Tees bestellen, rentiert sich
das auf Dauer einfach nicht. Und wenn man
zu Frauenpartys rucksackweise Prosecco-
Döschen schmuggelt, da man zu geizig ist,
welchen an der Bar zu kaufen, dann schiessen
wir uns damit nur selber ins Bein. Sprich:
Manchmal müssen wir die Schuld auch in
unseren eigenen Reihen suchen.
Und jetzt bitte nicht das Gejammer,
Frauen könnten sich durch schlechtere Bezahlung
die hohen Gastropreise nicht leisten.
Das mag vielleicht in Berlin gelten, aber
für die meisten CH-Damen zählt das sicher
nicht. Einfach mal ein Gläschen weniger
trinken und überlegen, ob ich mit dem Getränk
von der Bar nicht in gewisser Weise
die lesbische Szene unterstütze. Lesben pran-
Thema XXX
Lesben v/s Schwule XXX
15
«Oberflächliche, dumme
Partytunten gibt es
genauso wie männerhassende
Kurzhaarlesben.»
gern an, dass schwule Männer beim Zürich-
Pride-Festival ihren Fokus auf den Kommerz
legen. Gleichzeitig regt man sich auf,
dass Lesben-Verbände bedeutend weniger
finanzielle Mittel haben als Schwulen-Organisationen.
Was für ein Dilemma … Aber
den Ausweg daraus können wir nur selber
finden und Schuldzuweisungen bringen uns
«Lesben prangern an,
dass schwule Männer
beim Zürich-Pride-
Festival ihren Fokus auf
den Kommerz legen.»
da sicher nicht weiter. Lesben verschwinden
immer mehr aus der Öffentlichkeit. Das Berliner
Magazin «Siegessäule» spricht gar vom
Verschwinden einer Identität. Wir müssen
also für unsere lesbische Identität kämpfen,
was aber nicht gegen Schwule bedeutet.
Die Öffentlichkeit nimmt Lesben
nicht wahr …
… weil wir in den Medien zu wenig präsent
sind und die Armee der Schwulen uns verdrängt.
Was für ein Quatsch. Lesbenpaare mit
jeder Menge Schmusesex sind in der TV-Serienlandschaft
nicht mehr wegzudenken. Und
immer mehr Hollywood-Junglesben gehen
mit ihrer Sexualität ganz selbstverständlich
um. Ja, eigentlich sollte man dies als grossen
Fortschritt betrachten, doch mir macht es in
gewisser Weise eher Angst, denn diese Entwicklung
hat nur wenig mit der angestrebten
Gleichberechtigung zu tun. Sie ist eher ein
Zeichen dafür, dass die Öffentlichkeit Lesben
nicht wirklich ernst nimmt. Lesben scheinen
keine Bedrohung darzustellen und werden
daher eher «akzeptiert». Schwulen Männern
hingegen tritt man viel aggressiver gegenüber.
Wollen wir also, dass man uns aggressiver entgegentritt?
Sicher nicht, ehrlich gesagt ist beides
nicht akzeptabel. Für unseren Auftritt in
der Öffentlichkeit und unsere Sichtbarkeit
sind wir jedoch auch selbst verantwortlich.
Aufmerksamkeit erreicht man nicht im stillen
Kämmerlein. Wir sind bequem geworden und
wenn uns was nicht passt, geben wir einfach
anderen die Schuld. Der echte Kampfgeist unserer
«Vorfahren» ist uns fremd.
Was wollen wir?
Und mit «wir» meine ich die gesamte LGBT-
QI-Community. Akzeptanz und Gleichberechtigung
werden wir nie erreichen, wenn
wir uns innerhalb der Community zerfleischen.
Das, wofür die Szene vor Jahren auf
die Strasse ging und kämpfte, nehmen wir
heute als viel zu selbstverständlich hin, dabei
ist es fragiler, als wir denken. Vielleicht sogar
fragiler als je zuvor. Und es macht mich
wütend, denn diese ständigen internen
Streitigkeiten sind mehr als kontraproduktiv.
Wie wäre es mal zur Abwechslung mit
einem Mit- statt Gegeneinander? Getreu
dem alten Motto «We are Family».
CRUISER FEBRUAR 2017
16
Portrait
Michi Rüegg
«Faulheit ist
toll»
Er sagt, was er denkt und eckt damit schon mal an. Michi Rüegg mag die
Provokation, kennt aber die Grenzen und gibt sich bei Bedarf ganz seriös.
Dennoch fühlt sich der spitzzüngige Cruiser-Kolumnenschreiber am wohlsten,
wenn irgendwo die Kacke dampft.
Von Andreas Faessler
K
olumnenschreiber, freier Journalist,
Redaktor, Mediensprecher, Kommunikationsberater,
Texter, Konzepter,
Buchautor, Theaterregisseur, Dozent … Es
scheint nur wenig zu geben, das Michi Rüegg
nicht ist oder bereits einmal war. Die Cruiser-
Leser kennen ihn hauptsächlich als Schreiber.
Seit zehn Jahren liest man hier regelmässig
seine spitzzüngigen Leitartikel – unlängst hat
er es sich dabei mit den Lesben verscherzt.
Aber das lässt Rüegg ziemlich kalt, er mag die
Provokation, wie er sagt. Und wenn er provoziert,
dann gibt er je nach Situation gleich
auch möglichst viel oder gar alles von sich
preis, denn so mache man sich – so Rüegg –
nicht erpressbar.
«Natürlich gibt es eine Grenze zwischen
Offenheit und Unverschämtheit. Undiplomatisch
bin ich selten», sagt er. Das
nicht zu sein, hat der 39-Jährige spätestens
dann gelernt, als er Kommunikationsbeauftragter
der Direktion der Justiz und des Innern
Kanton Zürich wurde. Auch in seinem
momentanen Job als Kommunikationsleiter
des Sozialdepartements der Stadt Zürich
sind seriöses Auftreten und Diplomatie das
A und O. Zwar hätte ihn die SVP am liebsten
brennen sehen, nachdem Rüegg einst in seinem
Zeitungsbericht über deren Albisgüetlitagung
den dort servierten Hackbraten ins
Zentrum des Geschehens stellte. Aber wirklich
undiplomatisch war das ja nicht – wenn
es sonst nichts zu berichten gab? «Sowieso
blicken die wenigsten durch, dass der bissige
Schreiber Michi Rüegg dieselbe Person ist
wie der Pressesprecher Michael Rüegg», sagt
er amüsiert.
CRUISER FEBRUAR 2017
Leidenschaftlich ruhelos
2008/09 war Rüegg als Kommunikationschef
massgeblich an der Organisation der
EuroPride in Zürich beteiligt, war anschliessend
einige Jahre Vorstandsmitglied
der Homosexuellen Arbeitsgruppen Zürich
(HAZ) und organisiert seit 2014 für das Pink
Apple-Filmfestival die Medienarbeit. Die
vielen Stationen und Tätigkeitsfelder in seinem
Lebenslauf erklärt er mit seiner Unstetigkeit
und Ungeduld. «Ich brauche laufend
was Neues. Ich habe eine starke Aversion
gegen das Daily Business.»
Besonders viel Spass am Job habe er,
wenn der Betrieb aus den Fugen gerate. «Ich
brauche einen gewissen Druck im Leben. Ich
komme in mein Element, wenn ich den Abgrund
vor Augen habe, wenn die Kacke am
Dampfen ist.» Aber so richtig dampfen will
die Kacke auf den Zürcher Ämtern nicht, weshalb
Michi Rüegg sich demnächst beruflich
schon wieder verändern will, wie er verrät.
Wohin soll die Reise gehen? «Wenn Tante
Trudi sterben und mir Geld vermachen würde,
täte ich eine Beiz auftun.» Das klingt nach
einem Plan. Aber Michi Rüegg hat keine Tante
Trudi und wird somit weiter der «verhinderte
Gastwirt» bleiben, als den er sich insgeheim
sieht. Immerhin: Er will sich demnächst zum
Weinexperten ausbilden lassen. In seinem
Keller nämlich lagert seine «dritte Säule» –
immer liquid zu sein, ist ihm wichtig.
Aus Langeweile zum Bühnenautor
Ein Schreiber aber ist und bleibt Michi Rüegg
weiterhin, das wurde ihm dem Anschein
nach in die Wiege gelegt, obschon er von sich
selbst sagt, er habe nie was «Richtiges», nie
was Gescheites gelernt. Aber er scheint dennoch
etwas goldrichtig gemacht zu haben.
Wie wäre er sonst je dazu gekommen, Sprecher
für so wichtige Ämter zu werden? Oder
für die Migros Werbespots zu produzieren
und für Erich Vock Bühnenprogramme zu
schreiben? Angefangen hat er Letzteres einst
aus purer Langeweile. Als ihm Däumchendrehen
zu monoton geworden war, schrieb Rüegg
im Jahr 2000 einfach mal ein Theaterstück.
Die Weichen schienen gestellt – der Autor
wurde bald auch Regisseur und gar Theatergründer
– das Dr.-Karl-Landsteiner-Jubiläums-Theater
ist Michi Rüeggs «Kind». Aktuell
arbeitet er nebenbei für den Sänger Leo
Wundergut: Der Liederabend «Davon geht
die Welt nicht unter» feiert am 4. März Premiere
in Miller’s Studio.
Rüeggs Texte entstehen meist nicht im
Rahmen des Schreibprozesses, sondern er
hat sie grundsätzlich fast fixfertig im Kopf –
lange bevor sie überhaupt zu Blatte geschrieben
sind. Und wie Rüegg eben so ist, sind
diese Texte hauptsächlich satirischen, humoristischen
und ironischen Charakters.
Als potenziellen Projektstoff führt er seine
Aversion gegen Büros an, die er dereinst als
Buch herauszugeben in Erwägung zieht.
Doch alles zur Zeit – wir erinnern uns: Er ist
ja eher der Unstetigkeit verpflichtet. Und da
ist schliesslich immer noch der verhinderte
Gastwirt, der in ihm schlummert. Beim Kochen
nämlich, so Rüegg, könne er richtig
fleissig sein. Auf alles andere treffe das nicht
zu – behauptet er. «Ich bin faul. Faulheit ist
toll. Wäre ich irgendwo Chef, würde ich nur
Portrait
Michi Rüegg
17
faule Leute einstellen, die erst dann in Fahrt
kommen, wenn’s drauf ankommt.» Klingt
wieder ganz nach ihm.
Dennoch: So richtig will man dem redseligen
Mann diese erklärte Faulheit nicht
abkaufen, eher kokettiert er damit bewusst
ein bisschen (was ihm aber ganz gut steht).
Zu viel hat er am Laufen, zu viel hat er bereits
erfolgreich auf die Beine gestellt. Und das
Nächste hat er auch schon im Köcher: Er
bastelt an einer Web-TV-Serie und hat hierfür
bereits ein paar Leute zusammengetrommelt.
«Wenn die SRG ausser ‹Mini Beiz, dini
Beiz› keine neuen Formate mehr zustande
bringt, müssen wir Gebührenzahler halt selber
hinter die Kamera», sagt Rüegg. Oder
sogar vor die Linse? Geld hat er zwar keins
dafür. «Aber das hat mich noch nie abgehalten,
etwas zu produzieren», fügt er in ganz
Rüegg’scher Manier an. Wenn es soweit ist,
steht’s im Cruiser.
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18
KOLUMNE
Mirko!
Das blöde Gefühl im Bauch – nicht
nur vom Essen
Mirko verbrachte den Jahreswechsel mit seiner
Familie und erzählt von Bubbles und vom Real Life.
CRUISER FEBRUAR 2017
VON Mirko
J
etzt bin ich schon ein halbes Jahr do
mit minere Story. Äbe, ich wohne in
Dietikon, bin also ein Scheiss-Agglo.
Und davon will ich nun was erzählen, von
der Bubble und vom Real Life. Meine Eltern
kamen aus Kroatien damals und mein
Vater war der Jugo mit dem Trainingsanzug,
über den ihr Witz gmacht händ. Ja, ich
wohne immer noch bei meinen Eltern und
in den letzten Wochen kam unsere Familie
häufiger zusammen. Wir hatten noch Besuch
aus Kroatien und es gab viel zu viel zu
essen, Pasticada, Sarma und Fritule bis
zum Abwinken. Es wird ja in den Tagen vor
allem gekocht und gegessen. Und viel geredet
– über die Hungerlöhne da in den Fabriken,
wo deine Klamotten genäht werden
in Kroatien, und nicht nur die billigen,
auch die ganz teuren, auch die mit dem roten
Faden am Anzug. Da ging’s so drum,
während wir uns die Bäuche vollschlugen.
Schon krass. Verstohsch, warum ich denn
nöd über LGBT-Rechte diskutieren wött?
Irgendwie chunnt zerscht s Ässe und denn
irgendwenn alles anderi. Oder die Wärme
halt, wenn ich höre, dass meinen Leuten da
in der Kälte vielleicht dann doch bald der
Strom abgestellt wird, weil sie mit den Zahlungen
hintendrein sind. Ok, grad so in
diesen Tagen bei uns liessen wir es uns gut
gehen. Wenn ich so denke, wie meine Eltern
damals in den 90ern hierher gekommen
sind, haben wir’s ja in der Schweiz
sauber hingekriegt. Aber so ganz waren
unsere Verwandten in den Tagen nicht bei
uns, denn ihri Wält isch definitiv kei Ponyhof.
Weisch, ich sass da, auf dem Tisch das
Weihnachtslicht mit dem frischen, grünen
Weizen darumhin, den meine Mutter am
Barbaratag eingelegt hatte, und dachte:
Kroatien isch grad da um de Egge, aber die
Probleme sind schon anders. Irgendwie ein
Kroatien isch grad da um de
Egge, aber die Probleme sind
schon anders.
blödes Gefühl im Bauch und das nicht nur,
weil das Essen einfach zu lecker und zu viel
war. Meine Leute da überlegen sich nicht, ob
sie gendergerecht schreiben, mit Stärnli
oder Underline oder beidem kombiniert mit
em grosse I au no grad dezwüsche. Die überlegen
sich nur, ob sie den Strom für den
nächsten Monat noch bezahlen können,
während sie vom Morge, wenn’s no dunkel
isch bis am Obig, wenn’s au scho wieder
Nacht isch, die Anzüge mit dem roten Faden
nähen – Made in EU, merksch öppis?
Paaah, grad e bitz e Bombe so Aafang
Johr, he. Aber ich ha’s gschriibe im September,
ich bin froh, dass ich noch am Real Life
beteiligt bin, nicht Teil der Bubble bin. Das
bringt mich weiter. Von einer anderen Bubble
konnte ich meine Augen kaum losreissen.
Wow. Min Cousin han i scho länger nüm
gseh. What a bubble ass. Ach, vergiss es. Das
isch Family.
Ich kann ja switchen. Ich habe die Familie
mit allem drum und dran, was ich geil
finde. Ich hab meine Arbeit, de Chole, damit
ich mir ab und zu auch Züri leisten kann –
und Grindr liefert mir auch schön den Spass,
den ich nach der Arbeit brauche. Alles
beschtens greglet. Aber da kommt mir die
andere Bubble wieder d’Sinn: Häsch überleit,
was de Cousin macht, falls er schwul
isch da in Kroatien? Hot ass und Fuessballspieler,
aber wenn das nüt wird mit der Fussballkarriere,
was dänn? Azüüg mit rotem
Fade nähen und dann die Stromrechnung
nicht bezahlen können. D’Homoehe hends
jo scho mol verbote, z’Kroatie. Bi üs hend
80% vo de Zürcher nein gesagt zu sonem
Verbot. Scho andersch. Und wenn’s öppis
würd met de Fuessballkarriere? Wäre er
dann der erste aktivi schwuli Spitzefuessballer?
Oder würd er au nüt säge, so wie ich?
Ich suche nicht irgendwen,
daher suche ich auch nicht irgendwo.
19
CRUISER FEBRUAR 2017
20
Reportage
Cruiser zu Besuch bei …
Wellness zu Hause – wann immer
man will
Cruiser besucht in der Serie «Zu Besuch bei …» spannende Persönlichkeiten
mit mutigen Ideen. Dieses Mal: Esthi, die Hochzeitskleiderverkäuferin, und
Pesche, der Baum(mann), – mit «Kiwi-Pools» haben sich die beiden eine treue
Fangemeinde aus der Gay-Community geschaffen.
CRUISER FEBRUAR 2017
Rubrik
Cruiser zu Besuch bei …
21
Von Team Cruiser
G
erade in der kälteren Jahreszeit gibt
es kaum etwas Schöneres, als
draussen im beheizten Whirlpool zu
sitzen und zu relaxen. Das hat sich auch
Esthi Kästner vor über 18 Jahren gedacht, als sie
selbst zum ersten Mal in einem Pool relaxte.
Damals verkaufte Esthi in ihrem eigenen
Geschäft noch Hochzeitskleider. «Ziemlich
erfolgreich», erklärt Esthi. «Wir hatten damals
einen bekannten Namen weit über die
Region hinaus.» Wäre Esthi damals nicht
aus einer Laune heraus in einen Whirlpool
gestiegen, sie würde wohl heute noch Hochzeitskleider
verkaufen. «Wir haben uns seinerzeit
relativ schnell dazu entschieden, für
uns selbst einen Pool zu kaufen – wir wussten
auch, welche Marke es sein soll: ‹Kiwi›»,
erklärt Ester dem Cruiser. Kurz nach dem
Kauf rief die offizielle Vertretung aus
Deutschland an und sagte, sie wäre an einer
Zusammenarbeit mit Esthi interessiert – im
Sinne einer Niederlassung. Esthi war von der
Hochzeitssache etwas ausgebrannt und so
passte das Angebot hervorragend in ihren
Lebensentwurf. «Ich hatte genug von den
immer extravaganteren Wünschen der Kundinnen
im Hochzeitskleidergeschäft und etwas
Neues kam da gerade richtig.»
Hohe Anforderungen
Mit dem Verkauf von Whirlpools ist es aber
längst nicht getan. «Wir haben schnell festgestellt,
dass Whirlpools aus den USA und
Kanada schlicht nicht den Anforderungen
der Schweizer Kunden genügen, so wie diese
ab Werk ausgeliefert werden», erklärt Pesche.
Er ist für die Wartung, Reparatur und
Aufstellung der Pools verantwortlich. «Daher
das ‹Swiss-Finish› – bei den Originalpools
sitzt gerne mal eine Schraube am falschen
Ort, eine Leiste ist etwas schief oder
Materialien verziehen sich im Nachhinein.»
Damit dies nicht geschieht, werden bei den
«Kiwi-Pools» immer alle auf Herz und Nieren
getestet. «Jeder Pool läuft bei uns 14
Tage durch, damit wir auch wirklich sehen,
ob wir ein absolut einwandfreies Produkt
ausliefern können.»
Whirlpools sind auf dem Vormarsch –
einerseits, weil viele Menschen sich bewusst
auch zu Hause ab und zu eine Auszeit gönnen,
andererseits, weil Zusätze im Wasser
(Meersalz) auch gewisse positive Auswirkungen
auf die Gesundheit haben können. «Ich
weiss von Menschen mit Neurodermitis, dass
diese gelindert werden konnte», sagt Esthi.
«Und im Fall von meinem Rheuma etwa sehe
ich, dass mir das Baden einfach guttut und
die Schmerzen verringert werden.»
Esthi und Pesche haben seinerzeit von sich
aus entschieden, im Cruiser zu inserieren. «Eine
spannende Zielgruppe, und wir haben in unserem
Umfeld einige gleichgeschlechtliche Paare,
die gerne einen Whirlpool hätten, sich aber nicht
trauen als Paar aufzutreten». Das sei schade und
unnötig, denn letztendlich spielt die Sexualität ja
keine Rolle, gibt Esthi zu bedenken. «Wir hoffen,
dass mit unseren Inseraten klar wird, dass wir
unsere Kunden so nehmen, wie sie sind – ein
Versteckspiel ist also überflüssig.»
Weitere Infos auf www.kiwi-pools.ch
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22
Fingerfertig
Cruiser kocht
Mehr Sein
als Schein
Neues Jahr, neues Glück? Ganz nach dem Motto «reduce to the max»
serviere ich euch ein genial schlichtes und schlicht geniales Gericht.
CRUISER FEBRUAR 2017
VON Nihat
E
s ist ja so eine Sache mit den Vorsätzen
zum neuen Jahr, vor allem wenn
man in den Tagen zuvor zu viel gegessen,
zu viel getrunken und sich gleichzeitig
zu wenig bewegt hat. Mittlerweile ist
es Februar und für viele sind vielleicht die
«guten Vorsätze» bereits schon wieder Geschichte.
Die ewig gleiche Leier. Und deshalb
nehme ich mir vor, gerade in dieser
Zeit, schlichter zu kochen. Der Bonus: Es
verträgt sich auch bestens mit dem geplünderten
Bankkonto.
Auf einer Italienreise lernte ich die
«Pappa al pomodoro» kennen. Eine herzhafte,
ursprünglich toskanische Tomatensuppe,
orientalisch adaptiert und überzeugend
in ihrer Einfachheit. Exquisit sind die
einzelnen Zutaten nicht, und eben darum
geht es. Die Suppe ist mehr Sein als Schein.
Vielleicht ist genau das ein guter Vorsatz
für 2017.
Fingerfertig
Cruiser kocht
23
Zutaten
50 g Butter
2 Knoblauchzehen, gepresst
800 g gehackte Pelati (im Sommer frische,
reife Tomaten verwenden)
6 dl Bouillon
150 g Brot vom Vortag (mit oder ohne
Rinde), in kleine Würfel geschnitten
1 EL Tomatenpüree
1 EL Peperonipüree
2 Zweige frisches Basilikum, fein geschnitten
3 EL Olivenöl
Parmesan
Salz, Pfeffer, Paprikaflocken, Oregano
Zubereitung
Butter schmelzen und Knoblauch dünsten.
Anschliessend Pelati beifügen und mitdämpfen,
anschliessend mit Bouillon
ablöschen.
Brotwürfel und weitere Zutaten hinzufügen
und mindestens 40 Min. köcheln lassen.
Falls einem die Brotstücke zu gross sind,
mit einem Schwingbesen zerkleinern oder
pürieren.
Am Tisch Parmesan über die Suppe streuen.
Info
Nihat organisiert seit gut vier Jahren Kochkurse
für einen guten Zweck, u.a. für Schulkinder in
der Türkei. Und er ist als Störkoch oder als
Caterer an privaten und geschäftlichen
Anlässen unterwegs. «Daneben» drückt er als
angehender Gymnasiallehrer seit Kurzem
wieder die Schulbank.
Die nächsten Kochkurse
– Sonntag, 19. Februar türkische Mezze
– Sonntag, 19. März Co-Kochkurs
österreichisch-türkisch
– Sonntag, 7. Mai Co-Kochkurs
peruanisch-türkisch
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24
KULTUR
Mary Poppins
KULTUR
Mary Poppins kommt als Musical nach Zürich. Supercalifragilisticexpialidocious!
Das Muscial Mary Poppins feierte 2004
seine Uraufführung am Londoner West
End und endete dort nach einer dreijährigen
Spielzeit mit über 1250 Aufführungen.
Während dieser Zeit gewann das Musical
den Olivier Award für den «Besten
Bühnenchoreografen» und das «Beste
Bühnenbild». Am New Yorker Broadway
wurde Mary Poppins sechs Jahre lang aufgeführt
und mit einem Tony Award ausgezeichnet.
Anschliessend tourte es durch
Australien, Neuseeland, die USA und
Grossbritannien und begeisterte bereits
zwölf Millionen Menschen.
CRUISER FEBRUAR 2017
Die Bühnenversion von Mary Poppins
basiert auf den wunderbaren Geschichten von
P.L. Travers und dem beliebten Walt Disney
Film von 1964, der mit fünf Oscars ausgezeichnet
wurde. Das Erfolgsmusical ist eine
Co-Produktion von Disney und Cameron
Mackintosh. Das Drehbuch schrieb der Oscar-
Preisträger Julian Fellowes, die zeitlosen Melodien
und die bekannten Songs wie «Supercalifragilisticexpialidocious»
oder «Chim Chim
Cheree» Richard M. Sherman und Robert B.
Sherman. Zusätzliche Musik und Liedtexte
stammen von den Olivier Award-Gewinnern
George Stiles und Anthony Drewe.
Während sieben Wochen wird der internationale
Musical-Hit in seiner englischsprachigen
Originalversion erstmals in der
Schweiz im Theater 11 in Zürich Oerlikon
zu erleben sein. Weltweit begeisterte Mary
Poppins bereits Millionen von Zuschauern
mit einem unglaublichen Bühnenbild, mitreissenden
Tanzszenen und zeitlosen Melodien.
(Haymo Empl)
Mary Poppins
seit Februar im Theater 11 in Zürich.
www.musical.ch
Nachgefragt
Die Auswanderer
25
«Wir stürzten uns
ins Abenteuer»
Ausgewandert wird, seit Gemeinwesen existieren. Die Gründe sind vielfältig
und nicht immer geht man freiwillig. Bei Michael und Tobias ist das anders:
Die beiden starten auf Fuerteventura in ein neues Leben, begleitet von der
SRF-DOK-Serie «Auf und davon».
VON Haymo Empl
Cruiser: Ihr habt die Schweiz freiwillig
verlassen, warum?
Michael & Tobias: Um unseren Traum vom
eigenen Geschäft zu verwirklichen, um uns
in ein Abenteuer zu stürzen und um auf einer
Insel zu leben.
Ihr habt schon mal einen Versuch diesbezüglich
unternommen, im Jahr 2011. Damals
hat es unter anderem nicht geklappt, weil
es Spanien wirtschaftlich schlecht ging. Was
macht ihr jetzt anders? Denn der Faktor
«Wirtschaft» ist ja nach wie vor unberechenbar.
Der Plan im 2011 war, erst mal die Insel genauer
unter die Lupe zu nehmen, Land und
Leute besser kennenzulernen und fleissig zu
rekognoszieren. Aus unserer Sicht sind wir
damals nicht gescheitert, wir haben das Projekt
bewusst auf Eis gelegt und sind in die
Schweiz zurückgekehrt.
Klar, eine Garantie haben wir auch
heute nicht. Aber die Situation auf den Kanaren
hat sich ganz klar verbessert.
Ihr habt eure Auswanderung von Kameras
begleiten lassen. Was genau hat euch dazu
bewogen?
Neugierde! Etwas nicht Alltägliches zu erleben
und unsere Geschichte zu Ende zu bringen.
Wir haben jetzt ein eigenes Lokal und
das wollen wir zeigen.
Wir auf der Cruiser Redaktion haben euch ab
der ersten Folge sofort ins Herz geschlossen.
Ihr scheint einen sehr liebevollen Umgang
miteinander zu haben. Ist das immer so
harmonisch bei euch?
Respekt und Vertrauen sind das A und O
einer Beziehung, so gehen wir gerne liebevoll
miteinander um. Hand aufs Herz, natürlich
kracht es gerade in Stresssituationen
auch bei uns mal, legt sich aber meist
schnell wieder, weil dann einer von uns einfach
lachen muss.
Wie kommt ihr mit der Mentalität der Spanier
klar?
Mal besser, mal weniger. Dass alles so langsam
und schwerfällig geht, ist oft mühsam.
Im Speziellen auf Fuerteventura geht alles
noch einen Tick langsamer. Wir arbeiten an
unserer Geduld.
SRF zeigt euch ganz unaufgeregt als Paar, es
wird als völlig normal dargestellt, dass ein
Gay-Paar auswandert. Wie war das bei den
Dreharbeiten? Wurde eure Homosexualität
thematisiert?
Während der Dreharbeiten war es kein Thema.
SRF hat sich aber im Vorfeld erkundigt,
was für ein Lokal wir da genau eröffnen
möchten. Es sollte familientauglich sein.
Mittlerweile hab ihr euer Lokal, das
«Stars» eröffnet – hoffen wir. Ohne zu viel
zu verraten: Gibt es das Lokal noch?
JA, das «STARS» gibt es noch … Und hoffentlich
auch noch eine Zeit lang.
Was sind die nächsten Herausforderungen,
die anstehen?
Unser Lokal zum Laufen zu bringen und auch
am Laufen zu halten. Das «STARS» noch bekannter
zu machen und unsere Qualität zu halten,
denn immerhin heisst unser Lokal ja
«STARS». Im Boutique-Bereich haben wir noch
viel vor! Da stehen einige tolle Projekte an …
Über …
Tobias Bayer (46) und Michael Paris (41) haben
ihre Jobs in der Schweiz aufgegeben um auf
Fuerteventura neu anzufangen. SRF begleitet
die beiden in der DOK-Serie «Auf und davon».
Alle Folgen der aktuellen Staffel gibt es online
unter www.srf.ch
Cruiser begleitet die beiden Auswanderer
ebenfalls und berichtet in loser Folge über
das Paar.
CRUISER FEBRUAR 2017
26
Reportage
Cruiser zu Besuch bei …
«Ich freue mich auf die neuen
Herausforderungen»
Die Sauna Moustache feiert im Februar ihr 36-jähriges Bestehen. Und hat
auch gleich einen neuen Geschäftsführer.
CRUISER FEBRUAR 2017
Reportage
Cruiser zu Besuch bei …
27
Von Team Cruiser
I
n der allerersten Ausgabe des Cruiser
vor 30 Jahren prangte bereits unübersehbar
ein Inserat der Moustache-Sauna.
Der «Schnauzer-Mann» war für viele Jahre
das Logo der Moustache und schon damals
«The Place To Be». Die Geschichte der Sauna
ist auch eng mit derjenigen der Cruiser verbunden.
Gegenseitig unterstützte man sich
in Sachen Prävention während der grossen
AIDS-Welle. Moustache legte – ein Novum
damals – gratis Pariser auf, Cruiser appellierte
intensiv an das Befolgen der Safer-
Sex-Regeln und wies in mehr als in einem
redaktionellen Beitrag auf die Gratiskondome
hin. Vor über 30 Jahren war also die
Moustache bereits Pionierin – und will es
auch bleiben.
Immer am Puls der Zeit
Vieles hat sich seither getan: Einige der Saunen
von damals gibt es nicht mehr, es gab viele
Versuche, etwas Neues auf die Beine zu stellen
(manchmal nur für wenige Monate), dafür
sind neue Clubs dazugekommen. AIDS hat
den Schrecken verloren, Internet ersetzt
Club- und Barbesuche und generell herrscht
ein rauer Wind in der Szene. Die Sauna
Moustache nimmt diese Entwicklung als Herausforderung:
Sorgte AIDS vor 30 Jahren für
Unsicherheit, sind es jetzt die veränderten
Ausgehmöglichkeiten. «Man muss einfach
wirklich immer am Ball bleiben und sein Bestes
geben», erklärt Robert. Er hat zusammen
mit seinem Mann Roger (wir kennen ihn alle
bestens als «Murmeli) und Thomas die
Moustache vor gut sieben Jahren übernommen
und anschliessend komplett umgebaut.
Das mit dem «am Ball Bleiben» zeigt sich
auch in den Jubiläumsaktivitäten – 36 Jahre
Moustache stehen an. Los geht es am Donnerstag,
9. Februar ganz klassisch mit Kaffee
und Kuchen (siehe dazu auch das Programm
auf der Umschlagseite dieser Ausgabe).
Neuer Gruppenleiter
Neu wird in der Sauna Moustache Ruben
als Gruppenleiter eingesetzt. Viele kennen
den smarten Charmeur bereits aus der ➔
Cruiser Inserat von 1986 mit dem allseits
bekannten Moustache-Sujet
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CRUISER FEBRUAR 2017
28
Reportage
Cruiser zu Besuch bei …
In der Moustache lässt sich immer bestens
relaxen.
Gay-Szene. «Ein echter Gewinn für unser
Team», erklärt Inhaber Robert im Gespräch
mit dem Cruiser. Ruben hat viele Jahre als
Filialleiter bei einem renommierten Detailhändler
gearbeitet und hatte Lust, nochmals
etwas Neues auszuprobieren. «Der
Schritt war für mich nicht einfach, denn ich
war in ungekündigter Stellung und daher
brauchte es schon einiges an Mumm, um
einen solchen Schritt zu wagen», so der
Mittvierziger. «Bei der Moustache kommt
ja so ziemlich alles auf einen zu, Barbetrieb,
Gästebetreuung, Mitarbeiterkoordination
und die ganzen Büroarbeiten.». Ebenso
muss der neue Geschäftsführer auch wissen,
wie er mit sämtlichen Eventualitäten
umzugehen hat. Das alte Moustache-Credo
«Sauberkeit und Freundlichkeit» wird zudem
mit einer gehörigen Portion Innovationsgeist
fortgeführt: «Wir haben so einiges
in der Pipeline», so Ruben weiter. Überhaupt
zeigt sich der gebürtige Südafrikaner
im Gespräch voller Vorfreude, man spürt,
dass er es ernst meint. «Ich habe sogar
mit meinen Eltern darüber gesprochen –
schliesslich können die jetzt nicht mehr sagen
‹unser Sohn arbeitet als Filialleiter›
sondern eben er ist jetzt ‹Geschäftsführer
bzw. Gruppenleiter einer Gay-Sauna›. Aber
ich hatte volle Unterstützung von meinem
Umfeld und das macht die Sache doch wesentlich
angenehmer.»
36 Jahre Sauna Moustache
Donnerstag, 9. Februar Kaffee und Kuchen,
der Saunaeintritt kostet am Geburtstag
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CRUISER FEBRUAR 2017
SERIE
Homosexualität in Geschichte & Literatur
29
Kein Glück für König Edward und
seine Liebhaber
Am englischen Hof ging es unter König Edward II.
wild zu und her: Junge Männer wurden zu
Günstlingen und Geliebten des Königs. Namentlich
zwei von ihnen standen beim Monarchen
nacheinander hoch im Kurs.
VON ALAIN SOREL
D
ie sterblichen Überreste wurden in
den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts
im englischen Hulton Abbey
gefunden. Das Skelett wies schwere
Verstümmelungen auf: Hals und vermutlich
auch Bauch waren aufgeschlitzt worden,
das scharfe Messer hatte die Knochen
zerteilt und den Unterleib zerfetzt. Für die
Aufklärung dieses Verbrechens war jedoch
nicht die Polizei zuständig, sondern
die Archäologie. Es stellte sich rasch heraus,
dass der Mann, dem diese Verletzungen
zugefügt worden waren, im Mittelalter
gelebt hatte. Er musste ein grausames
Schicksal erlitten haben.
Brutal und gierig
Die Forschung glaubt, die Identität des Leichnams
zu kennen: Sir Hugh le Despenser, von
1286 bis 1326 in einer Epoche lebend, die
buchstäblich keine Grenzen in Sachen Grausamkeit
kannte. Grausamkeit war Mittel zum
Zweck am englischen Königshof, wo ein Aufstieg
praktisch immer nur auf Kosten anderer
möglich war und die Beibehaltung einer einmal
errungenen Stellung ebenfalls. Neid und
Intrigen waren an der Tagesordnung, eifersüchtig
wurde Macht gehütet oder darum gekämpft.
Sir Hugh bildete da keine Ausnahme,
er war selbst kein Unschuldslamm, sondern
brutal und gierig. Er erntete, was er gesät hatte.
Als er ein Mensch aus Fleisch und Blut war,
stand er in enger Beziehung zu König Edward
II. Dieser Monarch war durch und durch
schwul. Vor Hugh le Despenser hatte Edward
bereits eine grosse Liebe zu einem anderen
Mann hinter sich, dem er Zeit seines Lebens
nachtrauerte. Von diesem Mann mit Namen
Piers Gaveston ist zuerst zu berichten. ➔
CRUISER FEBRUAR 2017
30
SERIE
Homosexualität in Geschichte & Literatur
Schwule Monarchen gab es immer schon. Nur wurde früher der Kampf um einen Mann gerne in einer Schlacht ausgetragen.
Einen Mann machen – aber nicht im
Bett
Eine Rückblende: Edwards Vater, König
Edward I. von England, hätte sich hinterher
die Haare raufen mögen. Im Jahre
1300, als sein Sohn, der spätere Edward II.,
16-jährig ist, holt er für den Thronfolger
einen etwa zwei Jahre älteren Burschen an
den Hof: Piers Gaveston, geboren in der
damals zu England gehörenden Gasgogne
in Frankreich, Sohn eines königstreuen
Soldaten. Das war damals nichts Ungewöhnliches.
Ein Thronfolger, aufwachsend
in der Abgeschiedenheit eines
Palastes, brauchte Altersgenossen, um gemeinsam
mit ihnen lernen und das Waffenhandwerk
üben zu können.
So weit, so gut für den Königsvater.
Aber noch viel besser für den Königssohn,
denn dieser verliebt sich Knall auf Fall in
Piers Gaveston. Zuerst äussert sich die Zuneigung
nur in kleinen Gesten. Je mehr die
Liebe aber wächst, umso grösser werden
auch die Geschenke, die der Prinz macht.
Es kommt zu erbitterten Auseinandersetzungen
zwischen Vater und Sohn. Edward
CRUISER FEBRUAR 2017
Der Monarch war durch und
durch schwul.
I. beschimpft den Prinzen, nennt ihn einen
«Hurensohn».
Es bleibt aber nicht bei Worten. Der Vater
züchtigt seinen Sohn. Es darf doch nicht wahr
sein, dass sein eigen Fleisch und Blut einen
Mann liebt. Nach dem Willen des Vaters sollte
Gaveston aus dem späteren Edward II. einen
Mann machen. Aber doch nicht mit ihm im
Bett, sondern beim sportlichen Wettstreit im
Hinblick auf kommende Schlachten, die Regierende
stets zu schlagen haben. Von Kriegen
versteht Edward I. eine ganze Menge, hat er
selbst doch soeben den schottischen Rebellen
William Wallace – Stichwort: der Film «Braveheart»
mit Mel Gibson – niedergeworfen.
Der König verfällt auf eine Idee, wie
sie Väter von homosexuellen Söhnen immer
wieder haben. Der Junge soll eine Frau
heiraten, dann wird er «normal». Und ihm
versprechen, Kinder zu zeugen. Diese beiden
Forderungen wird Edward II. erfüllen,
indem er Isabella, Tochter von König
Philipp IV. von Frankreich, ehelicht und mit
ihr vier Kinder hat. Das wird ihn jede nur
denkbare Überwindung kosten, die man
sich vorstellen kann.
Aus der Verbannung zurück in die
Leidenschaft
Die beiden anderen Druckmittel, die der
Vater einsetzt, werden auf die Dauer nicht
«greifen»: die Verbannung des Intimfreundes
seines Sohnes und der Schwur beider,
sich nie mehr zu sehen. Sicher: Gaveston
geht anfänglich ins Ausland, doch im Juli
1307 stirbt Edward I. Sein Nachfolger wird
plangemäss Edward II. Eine seiner ersten
Amtshandlungen besteht darin, den Freund
zurückzurufen. Beide werden von ihrer
Leidenschaft fortgerissen. In seiner stürmischen
Verliebtheit erhebt der König Gaveston
in den Stand eines «Priesters der Liebe»
und «nur vor der Liebe, diesem Gott, der
keiner ist», wolle er niederfallen. In ent-
SERIE
Homosexualität in Geschichte & Literatur
31
sprechend inbrünstigen Worten lässt der
österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer
im Jahre 2015 den König sprechen.
Der Autor hat das Stück «Edward II.» von
Christopher Marlowe, einem homosexuellen
Zeitgenossen von William Shakespeare,
neu bearbeitet.
Edward gibt Gaveston zur Wut des
Adels Ämter, Pfründen und Titel. Er macht
ihn zum Earl of Cornwall, ernennt ihn sogar
zum Regenten, als er für seine eigene Hochzeit
vorübergehend das Land verlässt. So
geht das hin und her. Es kommt zu militärischen
Auseinandersetzungen. Gaveston
wird immer wieder verbannt und zurückgerufen.
Schliesslich wird Gaveston von seinen
Feinden erwischt. Am 19. Juni 1312 wird er
in der Nähe von Warwick hingerichtet; einer
durchbohrt ihn mit dem Schwert, ein anderer
enthauptet ihn. König Edward lässt ihn
Anfang 1315 mit allen Ehren im Dominikanerkloster
von Kings Langley nordwestlich
von London bestatten. Er vergisst ihn nie
und verzeiht diese Tat niemals.
Gemeinsam in den Abgrund
Edward bleibt aber für neue Begegnungen offen.
1318 wirft er ein Auge auf den Finsterling
Sir Hugh le Despenser, der vor allem auf seinen
materiellen Vorteil bedacht ist, und
schenkt ihm seine Gunst. Despenser mehrt
und mehrt seinen Einfluss und erzeugt damit
Neid. Die Beziehung ist wie eine Spiegelung
der ersten. In zermürbenden, langwierigen
Kämpfen mit dem Adel setzen sich der König
und sein Günstling immer wieder durch und
etablieren zuletzt eine tyrannische Herrschaft.
Zum innenpolitischen Widerstand gesellt
sich ein Krieg mit Frankreich. König
Edward II. schickt 1325 seine Frau Isabella zu
Friedensverhandlungen in ihre einstige Heimat
und lässt später auch seinen Sohn, den
Thronfolger, nachreisen. Beide kehren Anfang
September 1326 zurück – an der Spitze
einer Invasionsarmee, die massenhaft Zulauf
vom englischen Adel erhält.
Edward II. und sein Lover werden gestürzt,
Hugh le Despenser am 24. November
1326 hingerichtet, Edward zugunsten
seines Sohnes zur Abdankung gezwungen,
auf Berkeley Castle interniert und dann am
21. September 1327 ermordet. Einen raschen
Tod erleiden sie nicht; beide werden
zuvor schwer gefoltert.
Homosexualität in Geschichte
und Literatur
Mehr oder weniger versteckt findet sich das
Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der
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VON Vinicio Albani
Wie schmerzvoll ist
Analverkehr?
Obwohl ich eigentlich heterosexuell
bin, möchte ich mal mit
einem Mann sexuelle Erfahrungen
machen. Nun habe ich aber Angst,
es könnte mir Schmerzen bereiten.
Wie schmerzvoll ist Analverkehr
auf einer Skala von 1 – 10?
Kannst du mir Tipps geben?
Dragan (27)
Hallo Dragan
Jeder Mensch empfindet anders und hat unterschiedliche
Vorlieben. Was den einen
schmerzt, bereitet dem anderen Vergnügen.
Eine allgemeine Bewertung auf einer Skala
von 1 – 10 ist darum nicht möglich. Beim
ersten Mal ist es wichtig, dass du dir Zeit
lässt und nichts erzwingst. Du musst dich
wohl fühlen und entspannt sein. Sorge für
die richtige Atmosphäre. Hektik oder Stress
solltest du möglichst vermeiden. Am besten
weihst du deinen Sexpartner ein, dass es für
dich das erste Mal ist. So kann er auf dich
eingehen. Wenn du unsicher bist, kannst du
vorher alleine mit den Fingern oder einem
Sextoy üben. Dies kannst du auch als Vorspiel
mit dem Partner machen. Der Schliessmuskel
ist sehr dehnbar, aber es braucht Zeit
und Geduld. Schlussendlich macht auch hier
Übung den Meister. Wichtig ist, genügend
silikonhaltiges oder wasserbasiertes Gleitmittel
zu benutzen. Fetthaltige Gleitmittel
wie z.B. Öle oder Vaseline sind ungeeignet,
weil sie das Material des Kondoms angreifen
und es brüchig machen.
Alles Gute, Dr. Gay
Kann ich PEP-Medikamente für
eine PrEP-Therapie beziehen?
Soviel ich weiss, bekomme ich
die PEP-Therapie von der
Krankenkasse bezahlt, die PreP
aber nicht. Es handelt sich – so
habe ich gehört – aber eigentlich
um das selbe Medikament. Also
kann ich doch einfach zum Checkpoint
gehen und sagen, ich sei in
einer «Risikosituation» gewesen
und erhalte dann die Medikamente,
welche ich dann aber für die
PreP einsetzen kann. Ist das
korrekt so?
Jasper (32)
Hallo Jasper
Es ist richtig, dass die PEP (Post-Expositionsprophylaxe)
von der Krankenkasse
übernommen wird, die PrEP (Prä-Expositionsprophylaxe)
aber nicht. Ebenso stimmt
es, dass eines der Medikamente für die PEP,
nämlich Truvada (bestehend aus Tenofovir
und Emtricitabin), als PrEP eingesetzt
wird. Sicher, du könntest lügen, um Truvada
von der Krankenkasse bezahlt zu kriegen.
Davon rate ich dir aber dringend ab.
Abgesehen davon, dass du das Vertrauensverhältnis
zwischen dir und deinem Arzt
aufs Spiel setzt, begehst du Versicherungsbetrug
und machst dich strafbar (Geldund
/ oder Freiheitsstrafe). Zudem ist die
Leistung kostenbeteiligungspflichtig, das
heisst, du bezahlst je nach dem einen hohen
Anteil an Franchise und Selbstbehalt, wenn
diese noch nicht erreicht sind. Damit es
sich also «lohnt», musst du mehrmals beziehen,
was wiederum Arztpraxis wie auch
Krankenkasse stutzig machen wird. Der
Einsatz einer PrEP setzt eine ärztliche Untersuchung
und Begleitung voraus. Dies ist
wichtig für deine Gesundheit und massgebend
für Erfolg oder Misserfolg der PrEP.
Es ist gefährlich, als HIV-negativer Mann
unkontrolliert HIV-Medikamente zu
schlucken. Wenn du mit dem Gedanken
spielst, eine PrEP zu machen, rede mit den
Ärzten im Checkpoint. Sie können dich beratend
unterstützen, sowohl bei der Handhabung
wie auch bei der Finanzierung bzw.
Beschaffung der Medikamente.
Alles Gute, Dr. Gay
KOLUMNE
Thommen meint
33
Tunnelsicht
Im vergangenen Jahr wurde der längste
Eisenbahntunnel der Welt eingeweiht. Die
Reise durch das Gotthardmassiv verkürzt
sich um eine halbe Stunde. Schnell hin
und auch schnell wieder weg. Gibt es da
Parallelen zum schwulen Leben?
VON PETER THOMMEN
D
as Leben von Männern in der Männerliebe
hat oft auch «Tunnel-
Charakter». Nur schnell weg und es
gibt neue Aussichten und Männer. Der
Trend zur Ferne, mehr Grösse und Weite ist
unübersehbar – bis heute. Früher vom Dorf
in die Möchtegernweltstadt. Dann von einer
Stadt zur anderen, in andere Länder und
Weltstädte, in die Sonne und ans Meer. Freie
Sicht auf das schwule Leben.
Das schwule Leben? Wir sind heute im
«homosexuellen Lebensstil» angelangt.
Wirklich? Ich sehe reihum die Heterosexualisierung
allen Lebens. Ehe, Kinder, Vermö-
gensberatung, Immobilien, Karrieren, Lifestyle,
Musik, Idole. Für Schwule. Dabei geht
es vor allem um leere Räume, Ersatz für Unerlebtes
– wie bei den Heteros auch. Die
männerliebenden Männer wollen überall in
Gesellschaft und Wirtschaft als Trendsetter
vorne mithalten: Mehr Waren brauchen
mehr Konsumenten und mehr Konsumenten
brauchen mehr Waren. Typische Heterovermehrung
halt.
Die Tunnels sind auch oft senkrecht.
Man(n) will sich fallen lassen in die Arme
starker Heteromänner oder ins tiefe Vertrauen
einer Ehe. To fall in love. Ein neues Jahr
und alles andere hinter sich lassen. Aber: Jeder
nimmt sich selbst auch mit. Das zeigt sich
dann, wenn Leute den Eindruck haben, sie
würden überall «nur Negatives anziehen».
Die Tunnelsicht erspart uns aufwendige
Kopfarbeit und die mühseligen Erfahrungen,
die uns langsamer weiterbringen könnten.
Ich sage immer: Ein Buch ist Meditation,
es öffnet auch neue Tunnels und Weiten,
aber wir haben die Chance, nach der «Bergmannsarbeit»,
ein etwas Anderer geworden
zu sein. Veränderung der eigenen Situation
bedeutet mehr, als nur den Ort zu wechseln.
Ein Gespräch bedeutet mehr, als Profile abzuklappern
oder dauernd nach Mails zu checken.
Diese helfen nur, langweilige schwule
Zeit totzuschlagen, die offenbar im Übermass
vorhanden ist.
Ich kann mich erinnern an eine Karikatur.
Da lag ein Schwuler am Boden und
die Polizei nahm zwei Täter fest. «Wir wollten
eigentlich nur die Zeit totschlagen», war
der Kommentar darunter.
Ich wünsche mir, dass mehr männerliebende
Männer in sich selber auf Reisen
gehen und darüber den Anderen berichten.
Schwule in Bewegung! Sonst schlagen sie
sich am Ende nur selber tot.
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