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Leseprobe DankeFremder

Geschichte meiner Lebertransplantation

Geschichte meiner Lebertransplantation

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Danke Fremder für mein Leben<br />

Meine Lebertransplantation<br />

Kathrin Schröder<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Auswahl typischer Kapitel<br />

Vorher<br />

Bis gut über meinen 50sten Geburtstag hinaus dachte ich, ich<br />

hätte meinen fairen Anteil an Krankheiten und Wehwehchen<br />

schon erhalten. Da ich immer wieder auch körperlich schwer<br />

gearbeitet hatte, waren es überwiegend Verschleißbeschwerden.<br />

Handgelenk, Mikrorisse im Ellenbogengelenk, die mich<br />

vor die Wahl stellten entweder in der Freizeit zu handarbeiten<br />

oder bei der Arbeit am Computer eine Maus zu nutzen;<br />

Probleme mit der Halswirbelsäule mit nachfolgendem Dauerkopfschmerz,<br />

Rückenprobleme und der leidige OP-Fehler<br />

in meiner Jugend, durch den ich den rechten Fuß nicht komplett<br />

bewegen kann. Damit sollte es reichen und ich war<br />

noch dankbar, erlebte ich bei meinem Mann doch das anstrengende<br />

Leben mit zahllosen Allergien, die zum Teil bis<br />

zur Notaufnahme führten.<br />

Kathrin Schröder, Velberter Str. 11, 40227 Düsseldorf, 0177-7881632 info@fraukain.de<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Wir arbeiteten dabei fleißig in unseren eigenen Firmen, eine<br />

Salzgrotte mit 66 Stunden Öffnungszeit je Woche und ein<br />

Internetversand wollten betreut werden. Mittelfristig sollte<br />

der Versand kleiner und der Grottenumsatz zu unserem Lebensunterhalt<br />

werden, damit unsere Arbeit mit den Jahren<br />

leichter würde.<br />

Ich habe hierbei mehr Stunden und die ganze EDV-Arbeit,<br />

mein Mann immer stärker die körperlich anstrengenden Arbeiten<br />

geleistet. Solange beide einigermaßen einsetzbar waren,<br />

klappte das gut und mit nur einer zusätzlichen Halbtagskraft<br />

im Verkauf.<br />

So verging das Jahr nach meinem 50sten, geprägt von viel<br />

Arbeit, neuen Freunden, denen ich online und später real<br />

begegnete und einem Schicksalsschlag, der unerwartet im<br />

Herbst eintraf. Meine Mutter, sportlich, aktiv, mit großem<br />

Freundeskreis, die sich immer gesund ernährte und sehr auf<br />

sich achtete, verstarb plötzlich im Krankenhaus an unbekannter<br />

Ursache. Am Abend vorher hatten wir noch Zukunftspläne<br />

gemacht, am folgenden Morgen lag sie auf einmal<br />

tot im Bett, so plötzlich, dass neben ihr das Handy mit<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

einer angefangenen SMS an eine Freundin lag. Sie schrieb,<br />

wie gut es ihr ginge, und starb, bevor sie auf Senden drücken<br />

konnte.<br />

Einerseits ein schwerer Schlag, andererseits hatte sie sich<br />

immer gewünscht nie ein Pflegefall zu werden. Eine einzige<br />

Sache bedaure ich versäumt zu haben, denn vor meinem<br />

letzten Besuch im Krankenhaus hatte ich kurz überlegt das<br />

geplante Weihnachtsgeschenk schon mitzunehmen mich<br />

aber dagegen entschieden. Ich hatte endlich mein seit Jahrzehnten<br />

geplantes Buchprojekt fertig geschrieben und die<br />

Geschichten aus meinem Buch biblischer Erzählungen für<br />

meine Mutter als Hörbuch aufgenommen. Leider hat sie so<br />

nie von diesem Buch erfahren und konnte sich nicht mit mir<br />

freuen. Eine harte Lektion gegen Aufschieberitis…<br />

Von allen Sterbefällen in meiner Familie war dies der, den<br />

ich trotz Abschied am Totenbett und in der Kapelle am wenigsten<br />

glauben konnte. Heute noch ertappe ich mich dabei,<br />

meine Mutter anrufen zu wollen um ihr eine Neuigkeit mitzuteilen.<br />

Nach dem Abschied im Krankenhaus funktionierten<br />

mein Mann und ich gut. Wir fuhren in ihre Wohnung,<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

benachrichtigten das Beerdigungsinstitut und suchten die<br />

notwendigen Unterlagen zusammen. Nebenher rief ich noch<br />

alle Freunde und Verwandte aus ihrem Adressbuch an, um<br />

die traurige Nachricht weiterzugeben.<br />

Gemäß ihrem Wunsch hielten mein Mann und ich den Gottesdienst<br />

zur Trauerfeier und später im kleinen Kreis die Urnenbeisetzung,<br />

die wir in ihrer Wohnung mit von ihr gebackenem<br />

Kuchen aus der Tiefkühltruhe abschlossen. Die allgemeine<br />

Anteilnahme tat mir gut, aber Zeit blieb nicht, sich<br />

auf sich selbst zurückzuziehen und Trauer zu leben. Schon<br />

am Tag nach der Urnenbeisetzung fing unsere Hauptgeschäftszeit<br />

an, der Weihnachtsmarkt musste aufgebaut werden<br />

und bis Weihnachten arbeiteten wir beide fast rund um<br />

die Uhr. Nur die nötigste Zeit zum Schlafen oder Essen wurde<br />

als Freizeit eingeplant und zum Glück entdeckten wir auf<br />

dem Heimweg ein reizendes Bistro, das uns an Tagen mit<br />

langer Marktöffnungszeit gut über das Problem ausgewogener<br />

Ernährung half. So wurde es dann Weihnachten und ich<br />

wunderte mich nicht, dass ich gegen Marktende mit Rückenschmerzen<br />

zu kämpfen hatte.<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Aber die Tage zwischen den Jahren gingen ruhig vorbei, ein<br />

Notarzt war nicht erforderlich und am ersten Montag in 2015<br />

vereinbarte ich gleich für den Folgetag einen Termin beim<br />

Chiropraktiker.<br />

Mir ging es nicht gut, aber den einen Tag würde ich wohl<br />

noch schaffen, dachte ich mir. Nicht so mein Mann, der als er<br />

am späten Vormittag in die Grotte kam, sichtlich erschrak:<br />

Ich hatte seit dem Frühstück erkennbar an Umfang zugelegt,<br />

es selbst aber nicht bemerkt.<br />

So wurde ich dann ins Taxi gesetzt und zu meinem neuen<br />

Hausarzt gescheucht. Dort gab ein Ultraschall erste Informationen<br />

über eine große Menge Bauchwasser und ich wurde<br />

per Rettungswagen zur nächsten Notaufnahme gebracht.<br />

Das Marienhospital<br />

Gegen halb vier traf ich in der zugigen Notaufnahme ein. Zu<br />

diesem Zeitpunkt konnte ich weder sitzen noch stehen, sondern<br />

nur noch in ganz langsamen Schritten gehen. Zum<br />

Glück hatte ich ein Hörbuch dabei und lief mit diesem auf<br />

den Ohren über eine Stunde durch die Notaufnahme, bis ich<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

endlich drankam. Der Blutdruck war extrem, der Bauch eindeutig,<br />

also wurden Blut entnommen und per Infusion<br />

Schmerzmittel und Blutdrucksenker verabreicht. Nach 1 ½<br />

Stunden ging es zurück in die Notaufnahme um auf die Ergebnisse<br />

zu warten. Laut Arzt stand fest, dass ich aufgenommen<br />

würde, Zugang war im Arm gelegt worden, so dass<br />

ich in der zugigen Atmosphäre ohne Jacke und Pullover nur<br />

im Shirt sitzen sollte. Nach Rückfrage erhielt ich eine Papierdecke<br />

und gab meinem Mann telefonisch durch, was ich für<br />

den geplanten kurzen Krankenhausaufenthalt von zu Hause<br />

brauchen würde.<br />

Als er nach dem Feierabend der Grotte eintraf, wartete ich<br />

noch immer. Mehrere Erinnerungen brachten nichts, gegen<br />

Mitternacht störte ich dann die Ärzte in ihrem Pausenzimmer<br />

mit meinem nicht ganz so freundlichen Hinweis, entweder<br />

solle mich jetzt ein Arzt einweisen oder der Zugang gezogen<br />

werden, damit ich wenigstens in mein Bett zu Hause<br />

könne. Ein Arzt erbarmte sich, zog den Zugang und als ich<br />

gerade gehen wollte, erfuhr ich, dass ein Bett gefunden sei<br />

und ich bleiben müsse.<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Glücklich gegen 2 Uhr lag ich darin, erhielt Schmerz- und<br />

Schlafmittel und schlief schnell ein. Das Notbett war in der<br />

Augenabteilung und die ersten 1 ½ Tage passierte nichts.<br />

Ultraschall und Blutbild waren nicht eindeutig und das CT<br />

war erst am 7. frei. Ich fühlte mich unsicher und ängstlich<br />

und suchte Zuwendung. Gerne hätte ich auch mit dem<br />

Krankenhausseelsorger gesprochen, aber die Schwestern in<br />

der Augenstation konnten mir die Durchwahlnummer nicht<br />

geben. So hängte ich mich in der Besuchszeit an meinen<br />

Mann um ein wenig Kraft und Zuversicht zu bekommen und<br />

außerhalb der Besuchszeit chattete ich mit allen engen<br />

Freunden um mich abzulenken und auch hier Zuwendung<br />

zu bekommen.<br />

Am 6. Januar wurde ich noch zu allen Untersuchungen auf<br />

meinen eigenen Beinen geschickt, am 7. dann ins CT geschoben<br />

und danach war ich auf einmal ein besonderer Patient.<br />

Der Professor verlegte mich auf die Innere, schön im 7. Stock<br />

über den Dächern von Düsseldorf gelegen, ein Zweibettzimmer<br />

mit einer reizenden Zimmergenossin. Er warf mir<br />

ein paar Fachbegriffe um die Ohren, die ich mangels Erklä-<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

rung dann selbst googelte. Ich hatte Budd Chiari, eine seltene<br />

Erkrankung, die eine teilweise oder wie bei mir vollständige<br />

Leberthrombose der kleinen Lebervenen bedeutet. Diese<br />

Krankheit führt laut Internet in unterschiedlicher Geschwindigkeit<br />

zur Leberzirrhose und damit zur notwendigen<br />

Transplantation. Laut Erfahrungsberichten zwischen 1-2<br />

Monaten und 20 Jahren…. Der Arzt redete von akuter Lebensgefahr,<br />

da unklar war inwieweit die Herzvene auch betroffen<br />

war und merkwürdigerweise wurde ich in dem Moment<br />

ruhiger.<br />

Als mir bewusst wurde, wie ernst meine Krankheit war,<br />

konnte ich sie abgeben. Ich war zwar gläubig, aber eine echte<br />

persönliche Beziehung zu Gott war für mich eher fremd und<br />

ungewohnt. Jetzt in der Krankheit schaffte ich es von einem<br />

zum anderen Moment nicht nur mit Worten zu beten, sondern<br />

wirklich zu denken, dass mein Weiterleben nicht mehr<br />

in meiner Entscheidung und meiner Hand liegen sollte. Aus<br />

vollem Herzen dachte und sagte ich: Es war ein gutes Leben<br />

und ob es jetzt endet oder weitergeht, es ist gut wie es ist.<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Leider zählte mein Arzt nicht zur erklärenden Sorte, jedes<br />

Wort musste ich ihm aus der Nase ziehen und Trost und<br />

Aufbau der Patienten gehörte auch nicht zu seinem Repertoire.<br />

Hilfreich für mein Wohlbefinden ist es nicht, wenn er<br />

ständig nur erzählt wie lebensbedrohend die Krankheit ist,<br />

wenn nicht dies oder jenes von ihm gelöst wird. Notwendige<br />

Untersuchungen oder auch solche, die einzelne Aspekte der<br />

Krankheit prüfen sollten, delegierte er gern und legte die<br />

Ergebnisse dann aufs Schärfste aus, so dass kleine Verzögerungen<br />

in Reaktionstests gleich zu Hirnproblemen mutierten.<br />

Ärzte anderer Fachrichtungen, die in das Ursachenforschungsverfahren<br />

oder in Detaildiagnosen mit hereingezogen<br />

werden mussten, waren in seinen Augen lästig oder nahezu<br />

überflüssig. Der Hämatologe, der zur Ursachenforschung<br />

mein Knochenmark untersuchen ließ, bekam z.B. im<br />

Labor zunächst eine Analyse mit den Worten gestrichen: Das<br />

kann es sowieso nicht sein.<br />

So lernte ich viele schöne Fremdwörter, die ich nie kennen<br />

wollte:<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Aszites (Bauchwasser), Budd Chiari (Lebervenenthrombose),<br />

Vena Cava (große Vene zwischen Herz und Leber, die offen<br />

bleiben muss), Faktor V Leiden (Blutkrankheit, die Thrombosen<br />

wahrscheinlicher macht), Jak2 (weitere Blutkrankheit mit<br />

denselben Folgen).<br />

Viele Dinge sind viel weniger schlimm als befürchtet, z.B.<br />

Knochenmarksbiopsie – bis auf die schöne Geschwulst, die<br />

mich 2 Wochen lang erfreute; Spiegelung von Speiseröhre<br />

und Magen – bei beiden schlief ich gut und fest. Natürlich ist<br />

auch ein Opiumpflaster hilfreich alles entspannt zu sehen.<br />

Ich durfte zwar die Station nicht verlassen, konnte aber zum<br />

Glück auf dem Flur spazieren gehen, so dass meine Muskulatur<br />

unbeeinträchtigt blieb.<br />

Es ging mir eigentlich recht gut – ich ging einfach davon aus,<br />

mein Verlauf würde eher zu den besonders Positiven gehören<br />

und körperlich war alles dann doch erträglich, nachdem<br />

man mich um einiges Wasser erleichtert hatte.<br />

Nach knapp 3 Wochen wurde ich entlassen und schlug zum<br />

großen Leidwesen des Professors die Folgebehandlung<br />

durch ihn aus. Medizinisch war er sicher gut, menschlich<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

konnte ich mit ihm nicht warm werden. Der Hämatologe<br />

hingegen gefiel mir und hier machte ich auch gleich den Folgetermin<br />

aus. Zum Glück hatte ich auch schon den richtigen<br />

Leberspezialisten durch meinen Mann und seinen Lieblingsarzt<br />

finden lassen und war auch mit der Wahl zufrieden. Ein<br />

Arzt, dem man Fragen stellen und Probleme erzählen kann<br />

und der sich so viel Zeit nimmt wie tatsächlich für mich<br />

notwendig ist.<br />

1.Mittwoch im März<br />

Nach allgemeiner Planung sollte der Tag wie folgt verlaufen:<br />

Aufwachen, Frühstück, große Visite mit Diskussion über den<br />

möglichen Stent und Absprache um vor der Messe zur Monatsmitte<br />

noch einmal so viel Wasser abzulassen, dass ich 4<br />

Messetage mit Standdienst und Lesungen gut und glücklich<br />

absolvieren könne.<br />

Meiner Erinnerung nach verlief der Tag so: Ich träumte von<br />

einem Kampf mit meinem Mann, der mich nicht zur Toilette<br />

lassen wollte. Er hielt mich im Bett fest und erklärte mir ich<br />

dürfe nicht aufstehen und das habe alles seine Richtigkeit.<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Als ich dann die Augen öffnete war ich in einem fremden<br />

Krankenhaus an Geräte angeschlossen und mein Mann saß<br />

an meinem Bett. Die Station war laut, Geräte fiepten, Menschen<br />

schrien, Türen waren offen und mein gemütliches Einbettzimmer<br />

hatte sich in ein Zweibettzimmer mit einem Paravent<br />

dazwischen verwandelt. Statt über die Dächer von<br />

Bilk schaute ich auf einen fremden Krankenhauskomplex in<br />

einen Hinterhof.<br />

Als ich richtig wach war, erzählte mir Christian wie der Tag<br />

verlaufen war:<br />

Morgens hatten mich die Pfleger bewusstlos und nicht ansprechbar<br />

vorgefunden, die Ärzte hatten eine Hirnvergiftung<br />

durch Ammoniak, die sogenannte Enzephalopathie diagnostiziert.<br />

Dies bedeutet, dass ich über Nacht eine Leberzirrhose<br />

bekommen hatte und mein Körper sich jetzt selbst vergiftet.<br />

Umgehend wurde ich in die Intensivstation verlegt, bekam<br />

einen Blasenkatheder und eine Infusion mit Gegenmitteln<br />

gegen die Vergiftung. Mein eilig herbeigerufener Mann half<br />

in den kurzen halbwachen Momenten, in denen ich mir einbildete<br />

zur Toilette zu müssen und das Bett verlassen wollte.<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Die Information über den Katheder hatte ich weder gehört<br />

noch verstanden.<br />

Als die Ärzte mich stabilisiert hatten, wurde ich mit einem<br />

Krankenwagen, der auch eine Behandlung unterwegs ermöglichte<br />

ins Transplantationszentrum nach Essen gebracht.<br />

Eingeliefert wurde ich in die sogenannte Übergangsstation;<br />

eine Art Vorstufe zur Intensivstation, in der Diagnose und<br />

mögliche Therapie geklärt wurden, eine Überwachung in<br />

Form der Intensivmedizin aber gewährleistet war.<br />

Die Station war laut und distanzlos. Jedes Gerät gab Alarmtöne<br />

von sich, wenn etwas nicht stimmte, unterschiedslos ob<br />

ein Tropf durchgelaufen war oder ein Messwert aus dem<br />

Ruder geriet. Ich teilte mein Zimmer mit einem Mann, der<br />

Dauerinfusionen erhielt und beim Dauerton am Ende der<br />

Infusion nicht nach den Pflegern klingelte. Leider brauchte<br />

ich einige Zeit ehe ich begriff, was den durchdringenden<br />

Pfeifton tags oder nachts verursachte, so dass ich dann für<br />

ihn alarmieren konnte.<br />

Am Mittwoch nervte der Lärm, klar war, dass ich eine Weile<br />

bleiben müsse, weil entweder Stent oder Transplantation<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

jetzt akut würden. Wir versuchten meine Arbeiten in der<br />

Firma so gut wie möglich zu erklären und zu übergeben, ich<br />

hatte nur dieses Mal nicht die Kraft mir Sorgen zu machen.<br />

Ich fragte zwar, ob alles liefe, habe aber innerlich den ganzen<br />

Packen abgegeben und die Verantwortung gemeinerweise<br />

einfach auf Christian allein übertragen.<br />

In meiner Erinnerung schlief ich in jener Nacht nicht, ließ<br />

mich vom Fernseher beschallen und von der kaum geminderten<br />

Lärmkulisse sowie dem Pflegepersonal zwecks Blutabnahme<br />

um den Schlaf bringen.<br />

Nahrung und Medizin<br />

Es gibt keine Erinnerung, wann ich die erste Nahrung, das<br />

erste Wasser bekam. Die Bilder und Erzählungen haben keine<br />

Chronologie und ich kann nicht sagen, was wahr und was<br />

von der Fantasie vorgegaukelt wurde. Irgendwann bot man<br />

mir Minztee im Schnabelbecher an. Wenn ich ihn wollte<br />

stand er ewig, bis irgendjemand entschied, die Temperatur<br />

sei zum Trinken geeignet. Leider war der Tee dann immer so<br />

kalt, dass einfaches Wasser mir doch besser mundete.<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Ich weiß nicht wie viel Zeit zwischen dem letzten Tag vor<br />

der OP verging, als es hieß: 1 Becher Wasser sei alles, was ich<br />

bis zur OP trinken dürfe – und dem Tag, wo ich das erste<br />

Mal mit Lust ein paar Schlucke zu mir nahm. Ich hatte Durst,<br />

Mund und Hals waren trocken, aber was der Körper brauchte,<br />

erhielt ich als Transfusion. Für den Mund gab es ein<br />

feuchtes Spray und irgendwann dann abgezählt Wasser. Es<br />

gab aber keinen Nachtschrank, keinen Tisch und keine Klingel.<br />

Wenn ich also ein Getränk bekam, hatte ich nur die<br />

Wahl: Trinken, bevor es wieder unerreichbar steht. Zwischen<br />

meinen flatternden Fingern und meinem Körper so fixieren,<br />

dass der Mund irgendwie den Strohhalm erwischt und hoffen,<br />

dass weder der Becher kippt noch ich beim Trinken einschlafe.<br />

Irgendwann fing es mit dem Essen an – allerdings mit dem<br />

Umweg, dass zuerst die Medikamente kamen. Mittel gegen<br />

die mögliche Abstoßung, riesige Tabletten mit einer Schutzschicht,<br />

die mir das Schlucken schwer machte oder widerlich<br />

schmeckende Tropfen, die mit Wasser verdünnt wurden und<br />

immer noch unsäglich schmeckten. Man versuchte mir diese<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

rein zu zwingen, aber nur mit Wasser verweigerte die komplette<br />

Schluckmechanik den Dienst. Ich konnte mich anstrengen<br />

wie ich wollte, ich würgte nur alles wieder heraus.<br />

Einige Ärzte und Pfleger reagierten aggressiv, mehrmals<br />

wurde mir vorgehalten, da habe jemand für mich sein Leben<br />

verloren, sein Organ gegeben, ich hätte jetzt die Verantwortung<br />

dieses Organ zu schützen. Ich kann nicht sagen, wie oft<br />

dieser oder ein ähnlicher Satz fiel oder wie oft ein Arzt sagte,<br />

wenn Sie die Mittel nicht herunterbekommen, müssen wir<br />

wieder eine Magensonde legen. Ich habe mich angestrengt,<br />

aber mein Unterbewusstsein und meine Schluck- und<br />

Würgreflexe waren nicht unter meiner Kontrolle. Ich konnte<br />

auch nichts tun, denn meine Hand konnte weder Tablette<br />

noch Becher halten, verschüttete alles, was sie griff. Mit viel<br />

Mühe kamen wir zu der Lösung Wackelpudding. Jede Tablette<br />

mit einem halben Löffel garniert. Keine Flüssigkeit,<br />

entweder Tablette oder Pulver schlucken und alles schön<br />

kaschiert in dem leicht zu schluckenden süßen Zeug. Kein<br />

Pudding oder Joghurt, der schmeckte nach Milch und in<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Verbindung mit Medizin für mich nach verdorbener Milch,<br />

das ging nicht.<br />

Das Krankenhaus hatte Wackelpudding aber zwei Becher am<br />

Tag für einen Patienten auf Intensiv waren nicht vorgesehen,<br />

mein Mann brachte Nachschub, man lagerte den ein und hin<br />

und wieder verschwand ein Becher trotz Namensmarkierung.<br />

Kein Pfleger hatte die Zeit mir in meinem Tempo die Medizin<br />

zu geben, auch mit dem Pudding schluckte ich zu langsam<br />

und sollte ja auch langsam feste oder vielmehr halbflüssige<br />

Nahrung zu mir nehmen. Eine Mitarbeiterin aus dem<br />

Balkan, die zur Unterstützung des Pflegepersonals auf der<br />

Station war, hat mir mit einer Engelsgeduld Medizin, Wackelpudding<br />

und Suppe eingeflößt. Es dauerte Stunden und<br />

das nicht nur gefühlt, aber das erste Mal konnten wir mit<br />

Stolz vermelden: Sie hat alle Medizin geschluckt. Ein paar<br />

Tage lang war diese Kraft die Einzige, die mir beim Schlucken<br />

helfen konnte. Sie organisierte mir Suppen und dann<br />

püriertes Essen und half mir dann auch die ersten Essversuche<br />

mit eigenen Händen zu machen. Die Schweinerei war<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

gigantisch, meine Hände zitterten und selbst ein Bissen Kuchen<br />

fiel mit dreimal herunter, ehe ich den Mund fand.<br />

Meinem Mann erzählte jemand diese Mahlzeiten habe es<br />

nicht gegeben, aber meine Erinnerung ist mit so konkreten<br />

Personen und ersten Gesprächen gefüllt, ich schmecke die<br />

Nahrung und das bittere Pulver und ich bin mir sicher, die<br />

Geschichte war real.<br />

Leider gab es wohl nicht eine zentrale Dokumentation, in der<br />

jemand einfach aufschrieb, auf welche Art die Einnahme bei<br />

mir klappte. Trotz meiner zitternden und ungenauen Sprache<br />

musste ich so lange ich in der Klinik war, immer wieder<br />

erklären, dass ich zur Einnahme Wackelpudding und die<br />

Medizin keinesfalls in Form von Tropfen brauchte.<br />

In jener Zeit hatte ich schwere Träume, die sich fast real anfühlten.<br />

Merkwürdige Ärzte, die ich nur dort traf, erklärten<br />

mir Wirkweise und Vorgehen der Immunsuppressiva. In den<br />

Träumen gab es auch den aggressiven Tonfall der überarbeiteten<br />

Mitarbeiter, die zwischen Verweigerung und Unfähigkeit<br />

nicht unterscheiden konnten. Aber in den Träumen gab<br />

es entschieden mehr Zeit. Mir wurden Zusammenhänge er-<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

klärt, zwar in haarsträubenden Erklärungen aber doch so,<br />

dass ich mich damit zufrieden gab. Erst Tage und zum Teil<br />

Wochen später verstand ich, dass alle Erklärungen Blödsinn<br />

meiner benebelten Fantasie gewesen waren. Genauso wie ich<br />

verstand, dass manche Ärzte und Pfleger zwar am Anfang<br />

etwas ungeschickt auf meine Schluckbeschwerden reagiert<br />

hatten, jetzt aber in der Visite nicht genug betonen konnten,<br />

wie gut ich mich zwischenzeitlich gemacht hatte.<br />

<strong>Leseprobe</strong> aus dem zweiten Teil von Christian Schröder<br />

Die Transplantation<br />

Mittwochmorgen kurz nach 7, das Telefon klingelt. Kathrin<br />

war an der Leitung: „Ich werde heute transplantiert.“ Halleluja,<br />

es ist soweit! Ich machte mich gleich auf den Weg, aber<br />

ein bisschen dauerte es doch und der Morgenverkehr raubte<br />

die letzte Chance Kathrin noch zu sehen.<br />

Um kurz nach 9 erfuhr ich auf der Medicare-Station nur<br />

noch, dass Kathrin schon in der Operationsvorbereitung war<br />

und dass ich sie nicht mehr sehen konnte. Ich erhielt noch<br />

einen Beutel mit Kathrins Sachen und wurde mit den besten<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Wünschen herauskomplementiert. Gut, man bot mir noch<br />

an, dass ich um kurz nach 15 Uhr auf der Station nachfragen<br />

könne, wie es stehe.<br />

Da steh ich nun ich armer Tor, was mach ich nun? An sich<br />

war das eine blödsinnige Frage, die ich mir stellte, denn für<br />

mich war schon lange vor diesem Moment klar, dass ich am<br />

Tag der Operation Kathrin nahe sein wollte. Also war klar,<br />

dass ich auf dem Klinikgelände blieb. So telefonierte ich mit<br />

der Familie und meine Nichte Tina versprach mir, sich einige<br />

Zeit freizuschaufeln um mich zu unterstützen. Nun hieß es<br />

warten, warten, hoffen und beten. Dabei erkundete ich das<br />

Unigelände und kam im Operationszentrum II in die Cafeteria<br />

und frühstückte dort in dem Wissen, dass zwei Stockwerke<br />

unter mir, wie Reinhard Mey es mal beschrieben hat<br />

„Ärzte mit all ihrer Kunst und Meisterschaft um ein Leben<br />

ringen“. Diesmal war es aber nicht irgendein Leben, sondern<br />

es war Kathrins Leben und ich wollte sie nicht verlieren.<br />

Meine Gedanken kreisten aber nicht nur um Kathrin, sondern<br />

ich musste genauso oft an den Menschen denken, dessen<br />

Tod nun Kathrins Leben bedeuten sollte. Ich betete für<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Kathrin, für den verstorbenen Spender und für dessen Familie.<br />

Ich konnte es intensiv spüren, wie es dieser Familie gehen<br />

musste. Sie hatte nicht mehr wie ich eine Hoffnung, sondern<br />

für sie war der Abschied unumstößlich. Ich betete, dass<br />

diese Familie Menschen finden würde, die ihr beistehen, so<br />

wie ich auch Menschen hatte, die mit mir alles durchstanden.<br />

Ich betete aber auch für den Spender, dass dieser heim zu<br />

Gott käme und dort mit offenen Armen empfangen würde.<br />

So verbrachte ich die nächste Zeit auf dem Gelände und genoss<br />

auch den schönen sonnigen Tag, der mir auch Mut<br />

machte. Überhaupt, ich spürte keine Unruhe. Ich wurde getragen<br />

von den Gebeten von all den Menschen, die jetzt bei<br />

mir und Kathrin waren und durch ihr Gebet mir Kraft<br />

schenkten. Manfred Siebald schrieb einmal in einem Lied:<br />

„Beten ist reden mit Gott und Hören, Beten kann Sorgen in<br />

Freuden kehren. Gott hat versprochen Gebet zu hören; bete<br />

und nimm ihn beim Wort.“ Mir war dies lange nicht mehr so<br />

bewusst gewesen und ich hatte es lange nicht mehr so intensiv<br />

gespürt wie an diesem Morgen. Am späten Vormittag<br />

kam dann auch noch die persönliche Unterstützung. Tina<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

hatte ich zwei Stunden frei schaufeln können und das gab<br />

mir zusätzlich Kraft. Überhaupt Tina und ich haben uns immer<br />

eher wie Bruder und Schwester gefühlt, als wie Onkel<br />

und Nichte.<br />

Jetzt in der Zeit rund um die Transplantation war mir das<br />

noch einmal richtig bewusst geworden und ich war dankbar<br />

für meine kleine Schwester. Auch die Zeit mit Tina ging vorbei<br />

und ich beschloss den Tag zu genießen so gut es ging.<br />

Also wanderte ich auf das Grugagelände. Hier war so richtig<br />

das Aufbrechen der Natur zu spüren und ich konnte auch<br />

daraus Hoffnung schöpfen. Kraft gaben mir auch die Anrufe,<br />

die ich zwischendurch erhielt wie z.B. von meinem Neffen<br />

Bastian und meiner Schwester Ingrid, die intensiv für mich<br />

und Kathrin betete. Leider musste ich meinen Aufenthalt in<br />

der Gruga schneller abbrechen als geplant, weil zwischenzeitlich<br />

anscheinend ein Funkloch auf dem Gelände war und<br />

ich in jedem Fall erreichbar bleiben musste, falls irgendetwas<br />

mit Kathrin war.<br />

So ging ich in ein Bistro an der Klinik und beantwortete das<br />

erste Mal in meinem Leben die Anfragemails unserer Ama-<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

zon-Kunden selbst. Kathrin hatte mir noch gesagt, dass da<br />

einiges aufgelaufen sei und dass sich jemand darum kümmern<br />

müsste. Das war jetzt wichtig, da Kathrin nicht ansprechbar<br />

war, mussten wir neue Lösungen finden. Wir hatten<br />

am Wochenende damit angefangen den Versand zu organisieren.<br />

Zum Glück waren Freunde dabei, die Ahnung<br />

von EDV hatten und die mir geholfen haben Lösungen zu<br />

finden. Ein seltsames Gefühl, dass jetzt ich, der sein Leben<br />

lang Schreibmaschine gehasst hat und auch einen Computer<br />

nur als Schreibmaschine sieht jetzt schreiben musste. Lieber<br />

30 LKWs entladen, als 3 Stunden am Schreibtisch sitzen.<br />

Andererseits machte ich es jetzt auch ganz gern, denn es<br />

lenkte ab. Am Ende kam dann doch eine gewisse Unruhe,<br />

die auch noch verstärkt werden sollte. Als ich um kurz nach<br />

3 bei der Station anfragte hieß es: Nein, wir haben noch<br />

nichts gehört, gehen Sie schon mal zur Intensivstation und<br />

fragen Sie dort nach.<br />

Auf der Intensivstation sprach ich mit einem Arzt, der mir<br />

sagte: Es tut mir leid, sie ist noch nicht angemeldet, d.h. die<br />

Operation läuft noch. Ehe sie nicht angemeldet ist, erfahren<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

wir nichts. Fragen Sie noch einmal in zwei Stunden nach. Oh,<br />

der Dienst nach Vorschrift. Natürlich steht der Patient im<br />

Mittelpunkt. Das ist auch ganz in meinem Interesse, aber es<br />

wäre gut, für die Angehörigen, die mitzittern einen Anlaufpunkt<br />

zu haben, wo sie Informationen bekommen und nicht<br />

gezwungen zu sein alles selbst zu recherchieren und quasi<br />

um jede Information zu betteln. Bei Operationen, bei denen<br />

es um Leben und Tod geht würde keiner Klinik ein Zacken<br />

aus der Krone fallen, wenn ein Raum existieren würde, in<br />

dem Angehörige, die warten möchten, zur Ruhe kommen<br />

können und ab und zu eine Information bekommen, wie es<br />

steht. Das könnte viel Nervosität und Angst vermeiden. Der<br />

Patient ist die Hauptperson, aber es gibt auch uns Partner<br />

und wir sind keine Roboter.<br />

Die Operation, von der sie mir morgens gesagt hatten, dass<br />

sie bis etwa 3 Uhr gehen würde und dass Kathrin etwa viertel<br />

nach drei auf der Intensivstation sein würde, lief noch.<br />

In diesem Moment kam ich doch ins Grübeln: Gab es Komplikationen,<br />

ist doch etwas schiefgelaufen. Sehen Sie liebe<br />

Ärzte, da wäre Information hilfreich. Da es keine Informati-<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

on gab, ging ich die letzten zwei Stunden dann noch einmal<br />

ins Bistro, trank einen Kaffee, schrieb noch ein paar Mails,<br />

hatte Ruhe und Unruhe, es war eine Berg- und Talfahrt.<br />

Um kurz nach halb sechs war ich wieder an der Intensivstation.<br />

Es hieß dort: Nur einmal klingeln. Es kam noch ein anderer<br />

Mann, der erzählte, er besuche hier seine Lebensgefährtin,<br />

ob ich schon geklingelt habe. Es verging die Zeit und<br />

verging die Zeit, der eine oder andere kam heraus, es dauerte<br />

und dauerte und niemand ließ uns rein. Nach 25 Minuten<br />

fragte jemand, ob wir geklingelt hatten, sie hätten nichts gehört,<br />

egal jetzt durften wir rein in Allerheiligste.<br />

Kurz nach halb 6 war ich auf der Intensivstation und hatte<br />

darum gebeten, dass ich zuerst mit einem Arzt sprechen<br />

könnte. Das war ein Oberarzt, der sich als erster Arzt in Essen<br />

die Zeit nahm mich ausführlich zu informieren. Schön,<br />

dass es auch solche Ärzte gibt. Er erklärte, dass bei der<br />

Schwere der Operation es nicht selten vorkommt, dass es zu<br />

Nierenversagen kommt und dass ich nicht erschrecken sollte,<br />

falls in den nächsten Tagen vielleicht eine Dialyse hinzukommt.<br />

Vielleicht könne es zwei oder drei Tage dauern, bis<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

Kathrin aus der Narkose vollständig erwach. Das soll mich<br />

nicht beunruhigen, aber es sei enge, es stehe auf Messers<br />

Schneide. Damit der Kreislauf weiter arbeiten kann, bekomme<br />

sie eine so hohe Dosis Medikamente, wie sonst nur bei<br />

der Reanimation eingesetzt würden. Ok, das musste ich irgendwie<br />

verdauen. Ein Stoßgebet, dann stand ich das erste<br />

Mal in der Intensivstation an Kathrins Bett. Eine Stunde Zeit<br />

hatten sie mir gegeben. Diese Stunde wollte ich nutzen für<br />

das, über das die Psychologen und die Ärzte sich schon lange<br />

streiten. Kann man, wenn man in der Narkose ist, wenn<br />

man im Koma ist, etwas mitbekommen oder auch nicht. Ich<br />

gehe noch immer davon aus, dass Menschen im Unterbewusstsein<br />

immer etwas mitbekommen. Deshalb war es einfach<br />

wichtig, dass ich Kathrin gestreichelt habe, dass ich ihr<br />

gesagt habe, dass ich sie liebe, dass ich mit ihr kämpfe und<br />

dass es weiter gehen wird.<br />

Hoffen – beten – kämpfen – glauben – Kathrin stärken. Das<br />

konnte und das musste ich jetzt tun Nicht nur in der einen<br />

Stunde, sondern die nächste Zeit bis sich zeigen würde, wohin<br />

die Reise geht. Eine Stunde ist rasend schnell vorbei,<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

wenn du am Bett deines Schatzes stehst. Wenn du sehen<br />

musst, wie Schläuche sie beatmen und mit allem lebenswichtigem<br />

versorgen und du nicht weißt, ob du sie noch einmal<br />

ohne all diese Hilfsmittel erleben wirst. Angst – Hoffnung –<br />

Gottvertrauen. Ich glaube, das beschreibt am besten mein<br />

Innenleben als ich an diesem Abend die Intensivstation verließ.<br />

Ich wusste da noch nicht, dass mich dieses Gefühl noch<br />

lange Tage begleiten sollte bis es das Signal zur Entwarnung<br />

geben würde. An diesem Abend konnte ich allen nur sagen:<br />

„Sie lebt, alles andere müssen wir abwarten.“ Trotzdem kam<br />

immer wieder die Dankbarkeit durch. Dankbarkeit für Gottes<br />

Führung bis zu diesem Moment. Dankbarkeit für und<br />

gegenüber dem Spender. Dankbarkeit für all die Hilfe, die<br />

mich erreichte und stärkte. Ich weiß nicht, wie ich ohne meinen<br />

Glauben diesen Tag durchgestanden hätte. Ich weiß nur,<br />

dass ein Halt in der Ewigkeit unendlich viel Kraft gibt und<br />

dass diese Kraft durch all die Beter, die hinter Kathrin und<br />

mir standen alles andere möglich machten.<br />

Ich hoffe und bete, dass die Familie des Spenders genauso<br />

getragen wird und dass sie einen guten Weg in die Zukunft<br />

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Danke Fremde/r für mein Leben<br />

ohne den geliebten Menschen finden werden. Ich bitte Gott,<br />

dass er den Spender segnet und heim in sein Reich nimmt.<br />

Ende der <strong>Leseprobe</strong><br />

Alle fachspezifischen Begriffe sind in einem abschließenden<br />

Glossar erklärt<br />

2 Beispiele:<br />

Medicare-Station<br />

"kleine" Intensivstation, auch hier mit kompletter<br />

Überwachung der Körperfunktionen aber noch mit<br />

teilmobilen Patienten - gern als Vorstufe vor schweren<br />

Operationen<br />

MELD-Score<br />

gibt den Schweregrad einer Lebererkrankung für die Listung<br />

für eine Transplantation an ·<br />

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