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Lern- und Bildungsprozesse im Europäischen Freiwilligendienst

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Die Vielfalt der Vorbereitungssysteme, ihre<br />

unterschiedliche Intensität <strong>und</strong> Ausrichtung legen<br />

die Einschätzung nahe, dass die Freiwilligen<br />

bereits vom ersten Einsatztag an <strong>und</strong> unabhängig<br />

von allen anderen Parametern äußerst unterschiedliche<br />

Voraussetzungen für <strong>Lern</strong>- <strong>und</strong> <strong>Bildungsprozesse</strong><br />

mitbringen. Es gibt auf der einen<br />

Seite Freiwillige, die vor dem eigentlichen Einsatz<br />

ihre Einsatzstelle bereits kennen gelernt<br />

haben, die Sprache des Gastlandes bereits gut<br />

sprechen <strong>und</strong> gründlich über das, was auf sie zukommt,<br />

informiert sind. Und es gibt auf der anderen<br />

Seite Freiwillige, die viel geringere<br />

Sprachkenntnisse haben <strong>und</strong> ihre Einsatzstelle<br />

nicht gut kennen. Dies dürfte besonders in der<br />

Eingewöhnungszeit einen großen Unterschied<br />

für die Freiwilligen ausmachen. Aus der TeilnehmerInnenbefragung<br />

geht allerdings nicht hervor,<br />

dass sich Dauer oder Qualität der Vorbereitung<br />

auf <strong>Lern</strong>effekte, die sich auf die gesamte<br />

Dienstzeit beziehen, signifikant auswirken.<br />

8.4.4 Matching<br />

Unter „Matching” wird das Zusammenkommen<br />

aller drei Partner zu einem gemeinsamen<br />

Freiwilligenprojekt verstanden. Hierbei lassen<br />

sich zwei Herangehensweisen unterscheiden, je<br />

nachdem, ob die Priorität bei den Aufnahmeorganisationen<br />

oder bei den Jugendlichen liegt.<br />

Im ersten Fall wird zunächst vom Träger ein<br />

„Abgleich” der ihm vorliegenden Projektbeschreibungen<br />

<strong>und</strong> der Teilnehmerprofile vorgenommen.<br />

Bei einer vermuteten (weit gehenden)<br />

Übereinst<strong>im</strong>mung werden weitere „Matching-<br />

Schritte“ eingeleitet, <strong>und</strong> zwar direkte Kontakte<br />

zwischen Einsatzstelle beziehungsweise Aufnahmeorganisation<br />

<strong>und</strong> Freiwilligem oder die<br />

Teilnahme von Vertretern von Aufnahmeprojekten<br />

am Auswahlverfahren, oder es werden<br />

andere prozedurale Kriterien angewandt. Regelmäßig<br />

liegt dann die letzte Entscheidung<br />

be<strong>im</strong> Aufnahmeprojekt:<br />

„Das Matching ist relativ einfach. Die Projekte<br />

haben die Hoheit. Jedes Projekt bekommt mehrere<br />

Teilnehmer vorgeschlagen, <strong>und</strong> aus zwei bis<br />

drei suchen sie sich den [Freiwilligen] aus, den sie<br />

haben möchten.”<br />

Dieser Fall scheint besonders dort nahe zu liegen,<br />

wo ein Träger mit einem festen Kreis von<br />

Partnerorganisationen zusammen arbeitet oder<br />

ein weiter gehendes Engagement nicht möglich<br />

ist:<br />

„Wir haben keine Zeit, die Datenbank durch zu<br />

forsten.”<br />

„Wir sind [be<strong>im</strong> Matching] natürlich auch davon<br />

abhängig, dass wir Projekte finden, die mit<br />

uns kooperieren wollen... Es gibt viele Jugendliche,<br />

die würden gern in einem Umweltschutz-<br />

8 <strong>Lern</strong>prozesse <strong>und</strong> Kompetenzerwerb aus Sicht der Entsendeorganisationen<br />

projekt arbeiten. Das ist aber von der Unterbringung<br />

her nicht so einfach... Wir können nicht<br />

[weiterhelfen], wenn jemand sagt, er habe diese<br />

oder jene Fähigkeiten <strong>und</strong> diese oder jene Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> deshalb möchte er gern ein Projekt,<br />

das so oder so aussieht – da würde ich fast<br />

sagen, ein Jugendlicher, der so motiviert ist, sollte<br />

eventuell einen anderen Weg wählen als über<br />

uns.”<br />

Der zweite Weg – bei dem sich die Entsendeorganisation<br />

aktiv um eine Einsatzmöglichkeit für<br />

den gr<strong>und</strong>sätzlich schon für den EFD akzeptierten<br />

Jugendlichen bemüht – ist für die betroffenen<br />

Träger ungleich aufwändiger <strong>und</strong> wird<br />

deshalb häufig nach einer gewissen Zeit aufgegeben:<br />

„In einem Fall haben wir [für einen Freiwilligen]<br />

zwanzig spanische Projekte angeschrieben.<br />

Meistens haben wir keine Antwort erhalten,<br />

oder die Projekte hatten keine Platzierungsmöglichkeit.”<br />

„Das Matching mit Aufnahmeprojekten <strong>im</strong><br />

Ausland ist sehr aufwändig. Wir haben hier auf<br />

Gr<strong>und</strong> der Datenbank für die siebzig interessierten<br />

Jugendlichen aus unserem Kreis dreih<strong>und</strong>ert<br />

Anfragen an Aufnahmeorganisationen verschickt.<br />

Davon wurden überhaupt nur zehn<br />

beantwortet.”<br />

Sofern es sich nicht um Träger handelt, die einzelfallbezogen<br />

handeln können <strong>und</strong> wollen,<br />

wird in diesen Fällen deshalb vermehrt auf<br />

alternative Vermittlungsmöglichkeiten oder die<br />

Nationalagentur verwiesen.<br />

Der Matching-Prozess hat insofern einen indirekten<br />

Einfluss auf die <strong>Lern</strong>- <strong>und</strong> <strong>Bildungsprozesse</strong><br />

<strong>im</strong> EFD, als durch ihn jeweils auf den<br />

einzelnen Fall bezogen je nach Modus des Matching-Verfahrens<br />

der Rahmen von Erfahrungsmöglichkeiten<br />

durch die schon fest stehende<br />

Einsatzstelle vorgegeben ist oder <strong>im</strong> anderen<br />

Fall best<strong>im</strong>mte Interessen <strong>und</strong> Fähigkeiten des<br />

Interessenten für den EFD die Wahl der Einsatzstelle<br />

<strong>und</strong> damit die Erfahrungsmöglichkeiten<br />

best<strong>im</strong>men.<br />

Im ersten Verfahrensmodus best<strong>im</strong>mt die schon<br />

festgelegte Einsatzstelle das Passungsverhältnis<br />

zwischen Erfahrungsmöglichkeiten <strong>und</strong> individueller<br />

Aneignung durch die TeilnehmerInnen.<br />

Im zweiten Modus best<strong>im</strong>men mehr die Interessen<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten der TeilnehmerInnen das<br />

Passungsverhältnis. Natürlich ist es weder in<br />

dem einen noch in dem anderen Verfahren so,<br />

dass nur noch ein stark kanalisiertes <strong>Lern</strong>en<br />

möglich ist. Obwohl das Matching <strong>im</strong> konkreten<br />

Fall von enormer Bedeutung ist, sichert die<br />

Vielfalt der Organisationen eine gewisse Pluralität<br />

bei den Einsatzstellen <strong>und</strong> den TeilnehmerInnen<br />

<strong>und</strong> damit letzten Endes auch bei den<br />

<strong>Lern</strong>- <strong>und</strong> <strong>Bildungsprozesse</strong>n.<br />

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