Neue Szene Augsburg_2017-03
Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung
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32 Zoom<br />
Ganz toll? Ja, gerne!<br />
Das Brechtfestival <strong>2017</strong><br />
Schon bei der Programmpressekonferenz zeigte<br />
sich die Handschrift des neuen Leiters des<br />
Brechtfestivals, Patrick Wengenroth. Statt<br />
dröger Eierschaukelei gab es den launigen Überblick<br />
eines engagierten Theaterenthusiasten und den noch<br />
engagierteren Auftritt eines emotionalen Regisseurs.<br />
Und wenn die einzelnen Punkte nur halbwegs halten,<br />
was das Gesamtprogramm verspricht, stehen <strong>Augsburg</strong><br />
tatsächlich zehn „ganz tolle“ Tage bevor.<br />
Okay, das ein oder andere „ganz toll“ hätte sich Patrick<br />
Wengenroth ruhig verkneifen dürfen. Damit endete<br />
fast jede seiner Beschreibungen der einzelnen<br />
Programmpunkte. Nichtsdestoweniger war die Pressekonferenz<br />
Ende Januar zur diesjährigen Ausgabe des<br />
Brechtfestivals (<strong>03</strong>.-12.<strong>03</strong>.) geradezu erfrischend.<br />
Es begann schon beim Ort der Präsentation. Während<br />
die Jahre davor in der Brechtbühne eine denkbar unbeholfene<br />
Pseudodiskussion mit peinlicher Moderation<br />
inszeniert wurde und der damalige, vom KuSpo-Referenten<br />
als Rache für Albert Ostermaier eingesetzte<br />
Leiter Joachim Lang mit so viel Engagement auftrat<br />
wie die Kanzlerin beim CSU-Parteitag, trafen sich nun<br />
Presse, Veranstalter, Künstler und Interessierte zur<br />
lockergemütlichen Bescherung im Sensemble Theater.<br />
Die umtriebige Spielstätte ist langjähriger Partner<br />
des Brechtfestivals und zeichnet bei der diesjährigen<br />
Ausgabe für die internationale Produktion „Das Brot<br />
des Volkes“ verantwortlich.<br />
Bereits im Vorfeld hatte Wengenroth eine grundverschiedene<br />
Einstellung zu seinem Vorgänger gezeigt,<br />
die sich nicht nur im Programm äußert, sondern auch<br />
in der Quartierwahl, Grandhotel Cosmopolis statt Drei<br />
Mohren, oder den regelmäßigen Treffen in der beteiligten<br />
Werbeagentur, die Lang nicht ein einziges<br />
Mal besucht hatte. Regisseur Selcuk Cara hingegen,<br />
der die Eigenproduktion „Die Maßnahme“ inszeniert<br />
und ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesend war,<br />
kennt nicht nur die Theaterspielstätten <strong>Augsburg</strong>s,<br />
sondern auch das heimische Fußballstadion, in das er<br />
die Popkulturbeauftragte Barbara Friedrichs spontan<br />
und mit Begeisterung begleitete.<br />
Die Bühne ist keine Kanzel<br />
Dass der in Hamburg geborene und in Berlin lebende<br />
Regisseur und Darsteller Patrick Wengenroth von<br />
manchen Stadträten kritisch beäugt wird, kann man<br />
sich gut vorstellen. Eigentlich war er zunächst nur<br />
für die „Brechtrevue“ engagiert worden und dementsprechend<br />
gilt sein aktueller Vertrag lediglich für<br />
die diesjährige Ausgabe. Da tut es vermutlich gut<br />
zu wissen, dass zumindest der Chef voll hinter einem<br />
steht: Kulturreferent Thomas Weitzel eröffnete<br />
die Programmpressekonferenz mit einem Satz, über<br />
den sich wohl jeder Festivalleiter, zumal bei seiner<br />
Premiere, freuen würde. Weitzel betonte bei der<br />
Begrüßung nicht nur die Bedeutung des Festivals<br />
angesichts der Weltlage, sondern auch, dass man<br />
dessen Wert „nicht nach Quoten und Zuschauerzahlen“<br />
beurteilen dürfe. In eine ähnliche Kerbe schlägt<br />
der Kulturbeirat: „Wengenroth ist es gelungen, ein<br />
aufregendes, zukunftsfähiges und geistreiches Festivalformat<br />
zu entwickeln“, schreibt das Gremium und<br />
plädiert für eine Vertragsverlängerung bis 2019. Ein<br />
Ziel, für das auch die <strong>Augsburg</strong>er Grünen eintreten.<br />
„Der Kulturausschuss hat nun beschlossen, von Herrn<br />
Wengenroth ein Konzept für 2018 einzuholen“, so<br />
Stadträtin Verena von Mutius, die für einen Dreijahresrhythmus<br />
wirbt.<br />
Der so Gelobte wiederum leitete seine Programmvorstellung<br />
kurz nach dem Amtsantritt von Donald<br />
Trump mit den Worten ein: „Es tut sich einiges, die<br />
Menschen lassen ihre Masken fallen.“ Ideale Voraussetzungen<br />
also für den Vollbluttheatermann, der<br />
sogar die Schließung des Großen Hauses als Chance<br />
begreift, die seinem Ansatz, Theater „nicht von der<br />
Kanzel“ zu machen, entgegenkommt. Der zehntägige<br />
Veranstaltungsreigen spannt sich über die ganze<br />
Stadt, vom Gaswerk ins Parktheater, vom Sensemble<br />
ins Abraxas, mit Abstechern ins Grandhotel, den Provino<br />
Club, Brechts Bistro, Brechthaus, Kresslesmühle,<br />
Liliom, Jazzclub, Bungalow und natürlich die Brechtbühne.<br />
Der Hoffmannkeller wird zum „Brechtkeller“<br />
und zumindest einer Art Festivalzentrale und im<br />
Stadttheater wird ebenfalls gespielt, wenn auch nur<br />
auf der Probebühne.<br />
Vorhang auf und Latte hoch<br />
Das Brechtfestival <strong>2017</strong> startet am <strong>03</strong>.<strong>03</strong>. mit der Eigenproduktion<br />
„Die Maßnahme“ im Gaswerk, für die<br />
Regisseur Selcuk Cara in seiner eindrucksvollen Rede<br />
die Latte gleich mal ganz hoch legte: „Wenn ich hier<br />
versage, habe ich nicht als Künstler versagt, sondern<br />
als Mensch.“ Parallel dazu ist der erste Stargast zu se-