Die Behandlung des Reizdarmsyndroms mit Pfefferminzöl-Kapseln
Das Reizdarmsyndrom (RDS) umfasst
eine Gruppe von funktionellen Darm-
störungen, bei welchen abdominale
Beschwerden oder Schmerzen zusam-
men mit Stuhlunregelmässigkeiten
im Vordergrund stehen. Die Therapie
richtet sich nach den dominierenden
Beschwerden und umfasst unter
anderem Diätempfehlungen, Faser-
supplementierung und medikamentöse
Massnahmen.
Pathogenese
Burak Esendal
Die Entstehung der typischen Beschwerden
beim Reizdarmsyndrom ist
nicht eindeutig bekannt. Es stehen unterschiedliche
Faktoren und Mechanismen
zur Diskussion. Von zentraler Bedeutung
dürften die intestinale
Motorik, die viszerale Perzeption sowie
psychosoziale Faktoren sein.
Symptomatik
Die am häufigsten angegebenen Beschwerden
sind intermittierende, diffuse
Bauchschmerzen entlang des Dickdarms
während des Tages mit einer
Konzentrierung im linken Unterbauch.
Sie treten sehr oft zusammen mit Stuhlunregelmässigkeiten
auf. Diese zeigen
sich als Durchfall, als Verstopfung oder
als Mischform von beiden (Abbildung).
Blähungen, Windabgang und Aufstossen
können begleitend vorkommen.
Der Abgang von Schleim im Stuhl ist
eher selten.
Forschung
Die Behandlung des Reizdarmsyndroms
mit Pfefferminzöl-Kapseln
Die Wirksamkeit von Mentha piperita bei einer verbreiteten
gastrointestinalen Störung
Reizdarmsyndrom bei Frauen
mit Dysmenorrhö
Es besteht aber auch ein enger Zusammenhang
zwischen Dysmenorrhö
und RDS. In einer Arbeit wurde der Zusammenhang
zwischen Frauen mit Dysmenorrhö
und RDS untersucht (1).
383 Frauen im Alter von 20 bis 40 Jahren
mit Dysmenorrhö wurden in diese
Studie eingeschlossen.
61 Prozent der Frauen mit Dysmenorrhö,
im Vergleich zu 21 Prozent
in der Kontrollgruppe (p < 0,05), entsprachen
den diagnostischen Kriterien
für funktionelle Darmstörungen.
Symptomverteilung bei
Reizdarmsyndrom
Ungefähr 70 Prozent der Patienten
mit RDS haben leichte Beschwerden,
die nur ab und zu vorkommen. 25 Prozent
haben mittelstarke Symptome, die
öfters auftreten und länger andauern.
5 Prozent leiden ständig unter starken
Beschwerden (2).
Diagnose/Differenzialdiagnose
Die Diagnose bei Patienten mit RDS
beruht einerseits auf einer gründlichen
Anamnese (Manning, Rom-I- und Rom-
II-Kriterien) und der Erfassung des typischen
Symptomenkomplexes, andererseits
auf dem Ausschluss organisch
fassbarer Erkrankungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten
(3). Bei klassischen
Reizdarm-Patienten dürfen keine
Alarmsymptome wie Gewichtsverlust,
Fieber, refraktärer Durchfall, gastrointestinale
Blutungen oder Anämie vorliegen.
Reizdarmbehandlung
mit einem Pfefferminzöl-
Präparat
Zur Behandlung des Reizdarmsyndroms
hat sich ein hochdosiertes Pfefferminzöl-Präparat
als wirksam erwie-
sen, das in einer Oleo-Gel-Formulierung
in einer magensaftresistenten Hartgelatinekapsel
oral verabreicht wird. Die
magensaftresistente Beschichtung dieser
Pfefferminzöl-Kapsel löst sich bei einem
pH-Wert von > 6,8 auf, das heisst,
das Pfefferminzöl wird erst im distalen
Dünndarm und im Dickdarm freigesetzt
(4). Die distale Freisetzung verhindert
Nebenwirkungen im oberen
Gastrointestinaltrakt (5). Ausserdem
gewährleistet die Oleo-Gel-Formulierung
eine verzögerte Freisetzung des
Pfefferminzöls im Darm (> 12 Stunden
[4]).
Wie wirkt Pfefferminzöl?
Pfefferminzöl ist ein ätherisches Öl
mit ausgeprägter spasmolytischer und
blähungsmindernder Wirkung (6).
Menthol, der Hauptinhaltsstoff von
Pfefferminzöl, besitzt eine ausgeprägte
spasmolytische Wirkung (7). Dieser Effekt
wird durch eine Hemmung der
spannungsabhängigen Kalziumkanäle
der glatten Darm-Muskelzellen erzielt.
Die Relaxation der glatten Darmwand-
Muskulatur durch Pfefferminzöl
kommt somit durch einen reduzierten
Kalziumeinstrom in die Zellen der glatten
Darmmuskulatur zu Stande und reduziert
dadurch die Darmmotilität (8).
Pfefferminzöl wirkt Blähungen (9)
entgegen, indem es Darmgasen das
Entweichen ermöglicht und auf diese
Weise die abdominale Distension vermindert
(5).
Normaler
Stuhlgang
Verstopfung/
Durchfall
Durchfall
Verstopfung
phytotherapie Nr. 4 • 2004 23
21%
31%
27% 21%
Abbildung: Symptomverteilung bei Reizdarmsyndrom
Nachgewiesene Wirksamkeit
Die Verbesserung tritt bei der Einnahme
der beschriebenen Pfefferminzöl-Kapseln
in der Regel in den ersten
zwei Behandlungswochen ein und stabilisiert
sich anschliessend. Die Stuhlkonsistenz
bessert sich von wässrig zu
weich oder normal, entsprechend der
Abnahme der Stuhlfrequenz (5). Nach
drei Wochen vermindern sich die
Schmerzen bei den Patienten, die
3-mal täglich eine solche Pfefferminzöl-
Kapsel eingenommen haben, signifikant
(p = 0,03 [10]).
Klinische Studien mit diesen
Pfefferminzöl-Kapseln
Liu 1997 (4): In dieser prospektiven,
randomisierten, plazebokontrollierten
Doppelblindstudie erhielten 110 Patienten
mit RDS während eines Monats
entweder die Pfefferminzöl-Kapseln
oder Plazebo. Die Dosierung betrug
1 Kapsel 3–4 x täglich.
Am Ende der Studie wurde bei 79
Prozent der Patienten, die mit den Pfefferminzöl-Kapseln
behandelt wurden,
eine Verbesserung des Schweregrades
ihrer abdominalen Schmerzen festgestellt,
verglichen mit 43 Prozent in der
Plazebogruppe; 83 Prozent der Patienten
hatten weniger abdominale
Blähung (Plazebo 29 Prozent), 83 Prozent
hatten eine reduzierte Stuhlfrequenz
(Plazebo 32 Prozent), 73 Prozent
hatten weniger Borborygmi (Plazebo
31 Prozent) und 79 Prozent (Plazebo
22 Prozent) weniger Flatulenz.
Die Verbesserung der Symptome war
nach Einnahme der Pfefferminzöl-Kapseln
deutlich ausgeprägter als mit
Plazebo (p < 0,05). Ein Patient litt unter
Sodbrennen, weil er die Kapsel zerbissen
hatte, und ein anderer entwickelte
einen vorübergehenden Hautausschlag.
Dieser verschwand nach Absetzen
des Medikamentes.
Diese Studie zeigt, dass Pfefferminzöl-Kapseln
bei der Behandlung des
Reizdarmsyndroms wirksam sind und
gut vertragen werden.
Schneider 1990 (9): Eine Doppelblindstudie
mit Cross-over-Verabreichung
verglich die Pfefferminzöl-Kapseln
mit Plazebo bei je 30 Patienten mit
RDS. Die Behandlungsdauer betrug
2x6Wochen mit einer Dosierung von
3x1Kapsel täglich. Die Beurteilung
der Behandlung erfolgte nach 3, 6, 9
und 12 Wochen und beinhaltete eine
eigene Einschätzung des Schmerzes,
des Stuhlganges, der Transitzeit, der
Forschung
begleitenden Symptome und des allgemeinen
Wohlbefindens.
Nach 3 Wochen verspürten Patienten,
denen die Pfefferminzöl-Kapseln
verabreicht wurden, eine signifikante
Besserung ihrer Schmerzen (p = 0,03).
Die allgemeine Einschätzung des
Schmerzes durch den Patienten zeigte
ebenfalls einen signifikanten Unterschied
zugunsten von Pfefferminzöl-
Kapseln (p = 0,002). Nach 6 Wochen
zeigte die generelle Verbesserung des
Schmerzes einen Unterschied zwischen
den Pfefferminzöl-Kapseln und Plazebo
(p = 0,02).
Es zeigte sich, dass sich nach 3 und
6 Wochen das allgemeine Wohlbefinden
bei mehr Patienten, die die Pfefferminzöl-Kapseln
einnahmen, verbesserte
(p = 0,08) und weniger Schmerzepisoden
pro Woche auftraten als bei den
Patienten der Plazebogruppe. Die Anzahl
Schmerztage war geringer als
in der Plazebogruppe (p = 0,06). Die
einzige Nebenwirkung, die gemeldet
wurde, war ein vorübergehendes
brennendes Gefühl im perianalen Bereich.
Weiss, Koelbl 1988 (3): Hier handelt
es sich um eine prospektive, randomisierte,
unizentrische Doppelblindstudie,
bestehend aus einer Verum- und
einer Plazebogruppe mit jeweils 23 Patienten.
Alle Patienten wurden mit RDS
diagnostiziert. Die Behandlung bestand
aus den beschriebenen magensaftresistenten,
überzogenen Pfefferminzöl-Kapsel
oder einem Plazebo. Die
Dosierung betrug in beiden Gruppen
3 x 1 Kapsel täglich.
In der Verumgruppe wurde eine eindeutige
Besserung der Beschwerden
bei 73,9 Prozent der Patienten beobachtet.
In der Plazebogruppe war eine
Besserung lediglich bei 17,4 Prozent
der Patienten feststellbar. Die statistische
Auswertung ergab zwischen den
Ergebnissen beider Behandlungsgruppen
einen hochsignifikanten Unterschied
(p < 0,001).
Es wurden keine nennenswerten Nebenwirkungen
gemeldet.
Carling 1989 (11): In dieser multizentrischen,
dreiarmigen Doppelblindstudie
mit Cross-over-Verabreichung
wurden 40 Patienten mit RDS während
2 Wochen entweder mit den Pfefferminzöl-Kapseln
oder mit einem Anticholinergikum
(l-Hyoscyamin) oder
mit Plazebo behandelt. In der zweiten
Hälfte der dritten Woche erhielt die
Pfefferminzöl-Gruppe l-Hyoscyamin,
und die l-Hyoscyamin-Gruppe wurde
auf die Pfefferminzöl-Kapseln umgestellt.
In der Plazebogruppe erhielten
die Patienten im gleichen Zeitraum
entweder neu die Pfefferminzöl-Kapseln
oder das Präparat mit l-Hyoscyamin.
Die Behandlung wurde mittels Tagebucheinträgen
auf vorgegebenen Formularen
und Interviews beurteilt.
Patienten, die mit den Pfefferminzöl-
Kapseln behandelt wurden, verspürten
im Vergleich zu l-Hyoscyamin und Plazebo
eine hochsignifikante therapeutische
Wirkung (p < 0,001).
Zusammengefasst kann gesagt werden,
dass am Ende der Behandlungszeit
sich nur Patienten, die die
Pfefferminzöl-Kapseln eingenommen
hatten, besser fühlten. Die Pfefferminzöl-Kapseln
zeigten eine deutliche positive
Wirkung auf die Symptome.
Nebenwirkungen traten in der
l-Hyoscyamin-Gruppe signifikant häufiger
auf als in der Gruppe mit den
Pfefferminzöl-Kapseln oder in der Plazebogruppe
(p < 0,001). Im Gegensatz
dazu wurden bei den Pfefferminzöl-
Kapseln und beim Plazebo keine Unterschiede
im Nebenwirkungsprofil
beobachtet (p > 0,05).
Einsatz der Pfefferminzöl-
Kapseln bei Kindern und
Jugendlichen
Kline 2001 (12): Bei dieser randomisierten,
kontrollierten Doppelblindstudie
wurden 42 Kinder und Jugendliche
zwischen 8 und 18 Jahren, die unter wiederkehrenden
abdominalen Schmerzen
litten, entweder mit den Pfefferminzöloder
mit Plazebokapseln behandelt. Sie
nahmen während 2 Wochen 2–3 x 1
oder 2 Kapseln täglich ein.
Kinder zwischen 30 kg und 45 kg erhielten
3 x 1 Kapsel täglich. Bei Kindern,
deren Körpergewicht 45 kg überschritt,
bestand die tägliche Dosis aus
3 x 2 Kapseln. 76 Prozent der Patienten
in der Pfefferminzöl-Gruppe berichteten
über eine Verbesserung des Schweregrades
ihrer Symptome, verglichen
mit nur 19 Prozent der Patienten, die
Plazebo einnahmen.
8 Kinder konnten die Studie wegen
Nebenwirkungen nicht beenden.
Diese erwiesen sich aber nicht als
schwer. Die Studie zeigt, dass die Pfefferminzöl-Kapseln
in der Behandlung
von Kindern mit wiederkehrenden abdominalen
Schmerzen wirksam sind
und ein niedriges Nebenwirkungsprofil
haben.
24 phytotherapie Nr. 4 • 2004
Nachgewiesenes
Sicherheitsprofil
Die Inzidenz berichteter unerwünschter
Arzneimittelreaktionen mit den Pfefferminzöl-Kapseln
ist sehr gering (13).
Die Pfefferminzöl-Kapseln sind mit einer
der neuesten Technik entsprechenden
magensaftresistenten Beschichtung
überzogen. Im Vergleich zu Standard-
Pfefferminzöl-Formulierungen treten
mit diesen Pfefferminzöl-Kapseln im
oberen Gastrointestinaltrakt kaum unangenehme
Nebenwirkungen (z.B.
Übelkeit, Aufstossen, Säureregurgitation
oder Sodbrennen) auf (5).
In seltenen Fällen klagen mit Pfefferminzöl
behandelte Patienten über
vorübergehende Hitzeempfindungen
und Brennen im After während der
Defäkation (5).
Seit 1981 wurden vom beschriebenen
Pfefferminzpräparat mehr als eine
halbe Milliarde Kapseln verschrieben,
ohne dass schwer wiegende Nebenwirkungen
gemeldet wurden.
Forschung
Zusammenfassung
Das RDS ist eine mit abdominalen
Schmerzen und anderen, vielfältigen
Symptomen einhergehende Störung
der gastrointestinalen Motilität.
Die beschriebenen Pfefferminzöl-Kapseln
erweisen sich in der symptomatischen
Behandlung des RDS als wirksam.
Da die Pfefferminzöl-Kapseln mit
einer magensaftresistenten Schutzschicht
überzogen sind, werden sie erst
im distalen Dünndarm aufgelöst. Das
dabei freigesetzte Pfefferminzöl, ein
natürlich vorkommendes Karminativum,
kommt lokal im Kolon zur Wirkung.
Die Folgen sind eine Relaxierung
der glatten Muskulatur des
Gastrointestinaltrakts und ein Absinken
des intraluminalen Drucks.
Zur Sicherstellung der lokalen Wirkung
und zur Vermeidung von Irritationen
des oberen Gastrointestinaltraktes
kommt bei dieser Verwendung von
Pfefferminzöl der galenischen Form
besondere Bedeutung zu. ■
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Burak Esendal, Scientific Officer
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Literaturreferenzen beim Verfasser
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beschriebenen Präparat:
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