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72 Gedichtesammlung-Anthologie-Frühjahr

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Osterspaziergang<br />

(vor dem Tore)<br />

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche<br />

Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,<br />

Im Tale grünet Hoffnungsglück;<br />

Der alte Winter, in seiner Schwäche,<br />

Zog sich in rauhe Berge zurück.<br />

Von dort her sendet er, fliehend, nur<br />

Ohnmächtige Schauer körnigen Eises<br />

In Streifen über die grünende Flur.<br />

Aber die Sonne duldet kein Weißes,<br />

Überall regt sich Bildung und Streben,<br />

Alles will sie mit Farben beleben;<br />

Doch an Blumen fehlt’s im Revier,<br />

Sie nimmt geputzte Menschen dafür.<br />

Kehre dich um, von diesen Höhen<br />

Nach der Stadt zurück zu sehen!<br />

Aus dem hohlen finstern Tor<br />

Dringt ein buntes Gewimmel hervor.<br />

Jeder sonnt sich heute so gern.<br />

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,<br />

Denn sie sind selber auferstanden:<br />

Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,<br />

Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,<br />

Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,<br />

Aus der Straßen quetschender Enge,<br />

Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht<br />

Sind sie alle ans Licht gebracht.<br />

Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge<br />

Durch die Gärten und Felder zerschlägt,<br />

Wie der Fluß in Breit und Länge<br />

So manchen lustigen Nachen bewegt,<br />

Und, bis zum Sinken überladen,<br />

Entfernt sich dieser letzte Kahn.<br />

Selbst von des Berges fernen Pfaden<br />

Blinken uns farbige Kleider an.<br />

Ich höre schon des Dorfs Getümmel,<br />

Hier ist des Volkes wahrer Himmel,<br />

Zufrieden jauchzet groß und klein:<br />

Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!<br />

(Johann Wolfgang von Goethe, (1749-1832) Faust I)<br />

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Sehnsucht nach dem Frühling<br />

O, wie ist es kalt geworden<br />

Und so traurig, öd' und leer!<br />

Raue Winde weh'n von Norden<br />

Und die Sonne scheint nicht mehr.<br />

Auf die Berge möcht' ich fliegen,<br />

Möchte seh'n ein grünes Tal,<br />

Möcht' in Gras und Blumen liegen<br />

Und mich freu'n am Sonnenstrahl;<br />

Möchte hören die Schalmeien 1)<br />

Und der Herden Glockenklang,<br />

Möchte freuen mich im Freien<br />

An der Vögel süßem Sang.<br />

Schöner Frühling, komm doch wieder,<br />

Lieber Frühling, komm doch bald,<br />

Bring' uns Blumen, Laub und Lieder,<br />

Schmücke wieder Feld und Wald!<br />

Ja, du bist uns treu geblieben,<br />

Kommst nun bald in Pracht und Glanz,<br />

Bringst nun bald all deinen Lieben<br />

Sang und Freude, Spiel und Tanz.<br />

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)<br />

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Frühlingsbotschaft<br />

Leise zieht durch mein Gemüt<br />

Liebliches Geläute.<br />

Klinge, kleines Frühlingslied,<br />

Kling hinaus ins Weite.<br />

Kling hinaus bis an das Haus,<br />

Wo die Veilchen sprießen!<br />

Wenn du eine Rose schaust,<br />

Sag, ich laß sie grüßen.<br />

Heinrich Heine (1797 – 1856)<br />

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Er ist`s<br />

Frühling lässt sein blaues Band<br />

Wieder flattern durch die Lüfte;<br />

Süße, wohlbekannte Düfte<br />

Streifen ahnungsvoll das Land.<br />

Veilchen träumen schon,<br />

Wollen balde kommen.<br />

-Horch, von fern ein leiser Harfenton!<br />

Frühling, ja du bist`s!<br />

Dich hab ich vernommen.<br />

Eduard Mörike (1804-1875)<br />

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Frühlingsglaube<br />

Die linden Lüfte sind erwacht,<br />

sie säuseln und weben Tag und Nacht,<br />

sie schaffen an allen Enden.<br />

Oh frischere Duft, oh neuer Klang!<br />

Nun, armes Herze, sei nicht bang!<br />

Nun muss sich alles, alles wenden.<br />

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,<br />

Man weiß nicht, was noch kommen mag,<br />

Das Blühen will nicht enden.<br />

Es blüht das fernste, tiefste Tal;<br />

Nun, armes Herz, vergiss der Qual!<br />

Nun muss sich alles, alles wenden.<br />

Ludwig Uhland (1787-1862)<br />

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Frühling<br />

Schon kehrt der Saft aus jener Allgemeinheit,<br />

die dunkel in den Wurzel sich erneut,<br />

zurück ans Licht und speist die grüne Reinheit,<br />

die unter Rinden noch die Winde scheut.<br />

Die Innenseite der Natur belebt sich,<br />

verheimlichend ein neues Freuet-Euch;<br />

und eines ganzen Jahres Jugend hebt sich,<br />

unkenntlich noch, ins starrenden Gesträuch.<br />

Des alten Nussbaums rühmliche Gestaltung<br />

füllt sich mit Zukunft, außen grau und kühl;<br />

doch junges Buschwerk zittert vor Verhaltung<br />

unter der kleinen Vögel Vorgefühl.<br />

Rainer Maria Rilke, (1875-1926)<br />

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Frühlingslied<br />

Die Luft ist blau, das Tal ist grün,<br />

Die kleinen Maienglöckchen blüh`n<br />

Und Schlüsselblumen drunter;<br />

Der Wiesengrund<br />

Ist schon so bunt<br />

und malt sich täglich bunter.<br />

Drum komme, wem der Mai gefällt,<br />

und freue sich der schönen Welt<br />

Und Gottes Vatergüte,<br />

Die solche Pracht<br />

hervorgebracht<br />

Den Baum und seine Blüte.<br />

Ludwig Heinrich Hölty (1748-1776)<br />

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Der Lenz<br />

Nun will der Lenz uns grüßen,<br />

von Mittag weht es lau;<br />

aus allen Ecken sprießen<br />

die Blumen rot und blau.<br />

Draus wob die braune Heide<br />

sich ein Gewand gar fein<br />

und lädt im Festtagskleide<br />

zum Maientanze ein.<br />

Waldvöglein Lieder singen,<br />

wie ihr sie nur begehrt;<br />

drum auf zum frohen Springen,<br />

die Reis` ist Goldes wert!<br />

Hei, unter grünen Linden<br />

da leuchten weiße Kleid`!<br />

Heija, nun hat uns Kinden<br />

ein End all Wintersleid.<br />

Neidhart von Reuenthal, 13. Jhdt.<br />

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Frühlingsnacht<br />

Übern Garten durch die Lüfte<br />

Hört ich Wandervögel ziehn,<br />

Das bedeutet Frühlingsdüfte,<br />

Unten fängt's schon an zu blühn.<br />

Jauchzen möcht ich, möchte weinen,<br />

Ist mir's doch, als könnt's nicht sein!<br />

Alte Wunder wieder scheinen<br />

Mit dem Mondesglanz herein.<br />

Und der Mond, die Sterne sagen's,<br />

Und in Träumen rauscht's der Hain,<br />

Und die Nachtigallen schlagen's:<br />

Sie ist deine, sie ist dein!<br />

Joseph von Eichendorff (1788-1857)<br />

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Geh aus, mein Herz……<br />

Sommerlied<br />

Geh aus, mein Herz, und suche Freud<br />

In dieser lieben Sommerzeit,<br />

An deines Gottes Gaben;<br />

Schau an der schönen Gärten Zier,<br />

Und siehe, wie sie mir und dir<br />

Sich ausgeschmücket haben.<br />

Die Bäume stehen voller Laub,<br />

Das Erdreich decket seinen Staub<br />

Mit einem grünen Kleide.<br />

Narzissen und die Tulipan,<br />

Die ziehen sich viel schöner an,<br />

Als Salomonis Seide.<br />

Die Lerche schwingt sich in die Luft,<br />

Das Täubchen fleucht aus seiner Kluft,<br />

Und macht sich in die Wälder.<br />

Die hochbegabte Nachtigall<br />

Ergötzt und füllt mit ihrem Schall<br />

Berg, Hügel, Tal und Felder.<br />

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Die Glucke führt ihr Küchlein aus,<br />

Der Storch baut und bewohnt sein Haus,<br />

Das Schwälblein speist die Jungen;<br />

Der schnelle Hirsch, das leichte Reh<br />

Ist froh und kommt aus seiner Höh',<br />

Ins tiefe Gras gesprungen.<br />

Die Bächlein rauschen in dem Sand,<br />

Und mahlen sich in ihrem Rand<br />

Mit schattenreichen Myrthen;<br />

Die Wiesen liegen hart dabei,<br />

Und klingen ganz von Lustgeschrei<br />

Der Schaf und ihrer Hirten.<br />

Die unverdrossne Bienenschar<br />

Fleucht hin und her, sucht hier und da<br />

Ihr edle Honigspeise;<br />

Des süßen Weinstocks starker Saft<br />

Bringt täglich neue Stärk' und Kraft<br />

In seinem schwachen Reise.<br />

Ich selber kann und mag nicht ruhn,<br />

Des großen Gottes großes Tun<br />

Erweckt mir alle Sinnen;<br />

Ich singe mit, wenn alles singt,<br />

Und lasse, was dem Höchsten klingt,<br />

Aus meinem Herzen rinnen.<br />

Ach, denk ich, bist du hier so schön,<br />

Und lässest uns so lieblich gehn,<br />

Auf dieser armen Erden;<br />

Was will doch wohl nach dieser Welt<br />

Dort in dem festen Himmelszelt<br />

Und güldnem Schlosse werden.<br />

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O wär ich da! o stünd ich schon,<br />

Ach, süßer Gott, vor deinem Thron,<br />

Und trüge meine Palmen;<br />

So wollt' ich nach der Engel Weis'<br />

Erhöhen deines Namens Preis<br />

Mit tausend schönen Psalmen.<br />

Des Knaben Wunderhorn - nach Paul Gerhardt (1607-1676)<br />

Gedichtvorschläge:<br />

Edelgard Radig IWC Iserlohn,<br />

Ingeborg Gröblinghoff, IWC Lünen-Werne<br />

<strong>Anthologie</strong>:<br />

Ingeborg Gröblinghoff, IWC Lünen-Werne<br />

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