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Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...

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SCHMERZTHERAPIE<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> e. V. – DGS<br />

23. Jahrgang <strong>2007</strong> Ehemals StK<br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

Geht´s Ihnen auch gut? ................. 2<br />

Myofasziales <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />

Der Genitalschmerz – genital,<br />

perineal oder myofaszial? ............. 3<br />

Regionalblockaden<br />

Infiltration der Triggerpunkte des<br />

M. piriformis .................................. 5<br />

DGS-Veranstaltungen/Interna .... 7<br />

Der <strong>Deutsche</strong> <strong>Schmerz</strong>tag <strong>2007</strong><br />

Der Patient im Mittelpunkt ............. 8<br />

Onkologie<br />

Update: <strong>Therapie</strong> von Tumorschmerzen<br />

................................... 12<br />

Palliativmedizin<br />

Die neue spezialisierte ambulante<br />

Palliativversorgung ...................... 17<br />

Was kostet die Versorgung am<br />

Lebensende? ............................... 19<br />

Infotelegramm/Internationale<br />

Presse ........................................ 21<br />

<strong>Schmerz</strong>behandlung und DRG<br />

Finanzierung stationärer <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

und Palliativmedizin ....... 22<br />

Medizin und Recht<br />

Endgültiges Aus für die Erstattung<br />

von Cannabinol auf Kosten der<br />

GKV? ........................................... 24<br />

Bücherecke ................................ 26<br />

Kasuistik<br />

Postzosterneuralgie......................27<br />

www.dgschmerztherapie.de<br />

ISSN 1613-9968<br />

2I<strong>2007</strong><br />

Gesundheitsreform − kalte<br />

Dusche für <strong>Schmerz</strong>patienten


Editorial<br />

Geht’s Ihnen auch gut?<br />

1,67 Milliarden Euro Überschuss<br />

haben die gesetzlichen Krankenversicherungen<br />

im Jahr 005 erzielt,<br />

im Jahr 006 gar 1,73 Milliarden.<br />

Ohne Zweifel geht es den<br />

gesetzlichen Krankenkassen gut.<br />

Sinkende Arbeitslosenzahlen, Leistungseinschränkungen<br />

in dem Katalog<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

wie auch Ihre eigenen<br />

anhaltenden Sparbemühungen bei<br />

der Verordnung von Medikamenten<br />

haben zu satten Überschüssen<br />

in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

geführt. Damit waren<br />

nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums<br />

Ende 006<br />

189 der 50 Kassen schuldenfrei.<br />

Sind Sie selbst es auch?<br />

Ärzte subventionieren<br />

Gesundheitssystem weiter<br />

Jahrelang wurde Ärzten die kalkulatorisch<br />

für richtig erachtete Honorierung<br />

von 71,00 Euro/Stunde (basierend<br />

auf einem Punktwert von 5,11<br />

Cent) verweigert mit dem Hinweis,<br />

dies wäre nicht bezahlbar. Damit<br />

liegt der Stundensatz von Ärzten<br />

vielerorts nicht einmal bei der Hälfte<br />

dessen, was Flaschner, Elektriker<br />

oder EDV-Spezialisten, die wir immer<br />

wieder in unseren Praxen brauchen,<br />

selbstverständlich erhalten.<br />

Nicht mit eingerechnet hierbei sind<br />

die 30% und mehr Arbeit, die Ärzte<br />

nach Erschöpfen ihres Budgets auf<br />

eigene Rechnung und Kosten erbringen.<br />

Obwohl Ärzte im geltenden<br />

Antidiskriminierungsgesetz nicht expressis<br />

verbis erwähnt sind, entspricht<br />

dies ohne Zweifel dem Tatbestand<br />

der Diskriminierung, wenn die<br />

Leistung eines ganzen Berufsstandes<br />

derart herabgewürdigt wird.<br />

Dass Machwerke wie das „Ärztehasser<br />

Buch“ auf diesem Boden eine<br />

breite Medienresonanz finden, ist<br />

nur eine der Folgen.<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> light?<br />

Unter dem Eindruck leerer Kassen<br />

wurde im EBM 2000plus und in der<br />

d a z u g e h ö r i g e n<br />

Q u a l i t ä t s s i c h e -<br />

rungsvereinbarung<br />

nach § 135 Abs. 2<br />

SGB V der besondere<br />

Aufwand der<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

bei schwerstchronifizierten<br />

Patienten<br />

bekanntermaßen<br />

Gerhard Müller-<br />

Schwefe, Göppingen<br />

mit einem nicht einmal annähernd kostendeckenden<br />

Betrag abgebildet. Diejenigen Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen, die diese Regelung<br />

1:1 umgesetzt haben, nahmen in Kauf,<br />

dass viele qualifizierte <strong>Schmerz</strong>therapeuten<br />

sich anderen Aufgaben aus ihrem ursprünglichen<br />

Fachgebiet wieder zugewandt haben<br />

und nicht mehr für die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> zur<br />

Verfügung stehen. Bereits mit Einführung<br />

der Qualitätssicherungsvereinbarung zur<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> hat die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

für <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> e. V. moniert, dass<br />

die in § 5 Abs. 7 SGB V definierte Beschränkung<br />

schmerztherapeutischer Behandlung<br />

nach dieser Vereinbarung den Zeitraum von<br />

zwei Jahren nicht überschreiten soll. Hier wird<br />

einmal mehr deutlich, dass die Vertragspartner,<br />

die diese Vereinbarung abgeschlossen<br />

haben, Situation und <strong>Therapie</strong>notwendigkeit<br />

chronisch schmerzkranker Patienten zu keinem<br />

Zeitpunkt richtig einschätzen konnten.<br />

Patienten und Ärzte stehen<br />

im Regen<br />

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des EBM<br />

2000plus und der dazugehörigen Qualitätssicherungsvereinbarung<br />

wird diese Regelung<br />

jetzt von einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen<br />

„scharfgeschaltet“. Die Konsequenzen<br />

sind klar:<br />

1. Ein massiver Mehraufwand für schmerztherapeutisch<br />

tätige Ärzte, die ihren Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen Patienten auflisten sollen,<br />

die zwei Jahre in schmerztherapeutischer<br />

Behandlung sind und länger dieser Behandlung<br />

bedürfen – mit einer entsprechenden<br />

Begründung. Der Vorstand der Kassenärztlichen<br />

Vereinigung (z. B. Nordrhein) leidet offensichtlich<br />

an Arbeitsmangel und möchte<br />

sich dann mit diesem Vorgang beschäftigen<br />

und entscheiden, welche Patienten nach der<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>-Qualitätssicherungsvereinbarung<br />

weiterhin in schmerztherapeutischer<br />

Behandlung bleiben<br />

können. Man stelle sich vor, ähnliches<br />

Vorgehen würde auch bei<br />

Diabetikern und Rheumatikern<br />

eingeführt und Vorstände von<br />

Kassenärztlichen Vereinigungen<br />

müssten entscheiden, wer nach<br />

Ablauf von zwei Jahren weiterhin<br />

zum Diabetologen oder Rheumatologen<br />

gehen kann …<br />

2. <strong>Schmerz</strong>patienten, die im Rahmen<br />

dieser Vereinbarung eine für<br />

sie hilfreiche <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> gefunden<br />

haben, stehen plötzlich<br />

im Regen. Zahlreiche Schreiben<br />

von Patienten an die <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Schmerz</strong>liga belegen, dass die<br />

Weiterbehandlung durch Hausärzte<br />

gerade nicht gewährleistet<br />

ist, da diese mit Hinweis auf die<br />

teuren Medikamentenverordnungen<br />

und Budgetgrenzen eine<br />

Weiterbehandlung verweigern. So<br />

schreibt zum Beispiel eine Patientin<br />

aus Nürnberg am 31.03.<strong>2007</strong>:<br />

„Mein Hausarzt ist nicht in der<br />

Lage, mich als chronische<br />

<strong>Schmerz</strong>patientin zu behandeln,<br />

da, was mir auch einleuchtet, sein<br />

Budget für eine solch teure Be-<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. / 007 ( 3. Jg.)


handlung im Hinblick auf seine übrigen Patienten<br />

nicht ausreicht.“ „Kluge“ Kassenärztliche<br />

Vereinigungen haben die Durchführung<br />

dieser Regelung aus gutem Grund ausgesetzt.<br />

Prävention und <strong>Therapie</strong> statt<br />

Wellness<br />

Für die oben zitierte Patientin wie auch für<br />

viele andere wäre es wichtiger, eine für sie<br />

effektive <strong>Therapie</strong> auch langfristig zu erhalten,<br />

als von ihrer Krankenkasse Zuschüsse<br />

für Wellness-Angebote auf Mallorca offeriert<br />

zu bekommen. Die verfehlte Gesundheits-<br />

und Vergütungspolitik trägt bereits umfassende<br />

Früchte: Nur jeder zweite Absolvent<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. / 007 ( 3. Jg.)<br />

eines Medizinstudiums möchte wirklich ärztlich<br />

in der Versorgung von Patienten tätig<br />

werden. In weiten Teilen Deutschlands – nicht<br />

nur in den neuen Bundesländern – sind vakante<br />

Arztsitze nicht mehr zu besetzen.<br />

Gesundheitspolitik – Thema des<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>tages <strong>2007</strong><br />

Viele dieser gesundheitspolitischen Probleme<br />

waren Inhalte von Vorträgen und Workshops<br />

während des <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>tages <strong>2007</strong>.<br />

Einen Teil davon finden Sie in dieser Ausgabe<br />

der SCHMERZTHERAPIE wiedergegeben,<br />

darüber hinaus viele Aspekte schmerztherapeutischer<br />

Diagnostik und <strong>Therapie</strong>.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektü-<br />

Der Genitalschmerz – genital,<br />

perineal oder myofaszial?<br />

Hartnäckige Beschwerden im Urogenitalbereich ohne pathologische Befunde<br />

sind oft myofasziale Kettensyndrome, bei denen der Projektionsschmerz<br />

typischerweise in andere Körperregionen ausstrahlt. Anhand<br />

einer eindrucksvollen Kasuistik schildert Dr. med. Olaf Günther, Magdeburg,<br />

Vizepräsident der DGS, das diagnostische und therapeutische<br />

Vorgehen beim myofaszialen <strong>Schmerz</strong>syndrom.<br />

<strong>Schmerz</strong>en im Genitalbereich führen Frauen<br />

in erster Linie zum Frauenarzt und<br />

Männer zum Urologen. Am häufigsten werden<br />

dabei entzündliche Erkrankungen, deren Folgezustände<br />

oder mechanische Störungen diagnostiziert,<br />

z.B. nach operativen Eingriffen<br />

Tabelle 1: Differenzialdiagnosen (Auswahl)<br />

Genese Diagnose<br />

Entzündlich Adnexitis<br />

Appendizitis<br />

Endometritis<br />

Zystitis<br />

Epididymitis<br />

Prostatitis<br />

Mechanisch/ Adhäsionen<br />

postoperativ Granulome<br />

Irritationen, z.B. des Nervus<br />

ilioinguinalis oder Nervus genitofemoralis<br />

Chronisches Prostataschmerzsyndrom<br />

Prostatahyperplasie<br />

Endometriose<br />

Pudendus-Tunnel-Syndrom<br />

Tumor<br />

(Tab. 1). Dennoch gibt es eine große Anzahl<br />

von urogenitalen Beschwerden, bei denen bei<br />

der Routineuntersuchung keine äußeren Auffälligkeiten<br />

gefunden werden, die Entzündungsparameter<br />

unauffällig sind und keine<br />

richtungsweisende Erklärung festgestellt wird.<br />

Hierbei durchlaufen die Patienten dann oft einen<br />

langen Diagnoseweg mit teilweise aufwendigen<br />

und unangenehmen Untersuchungen.<br />

Sehr oft findet man in den Krankenakten<br />

dieser Patienten Diagnosen wie chronische<br />

Adnexitis und Appendizitis. Es wird<br />

aber auch eine idiopathische oder psychogene<br />

Genese angenommen.<br />

Fallbeispiel: Eine 27-jährige Patientin, anfänglich<br />

mit spontan auftretendem, ziehendem<br />

stechendem <strong>Schmerz</strong> im Scheideneingang<br />

und intravaginal. Die <strong>Schmerz</strong>attacken<br />

dauern Minuten bis Stunden. Die<br />

<strong>Schmerz</strong>stärke wird mit VAS 5 angegeben.<br />

Die gynäkologische Untersuchung einschließlich<br />

Vulva-Probeexzision war unauffällig. Es<br />

erfolgte eine medikamentöse <strong>Therapie</strong> mit<br />

Paracetamol, Ibuprofen und probatorisch mit<br />

Tramadol, die jedoch zu keiner Besserung<br />

Bildarchiv Olaf Günther<br />

Myofasziales <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />

re dieses Heftes und auch Kraft und Energie<br />

für den beginnenden heißen Sommer, um klar<br />

und deutlich gegen die Diskriminierung ärztlicher<br />

Tätigkeit anzugehen, um ihren Beruf<br />

weiterhin mit Freude ausüben zu können.<br />

Darin wird Sie die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> e. V. mit aller Kraft unterstützen.<br />

Ich grüße Sie herzlich<br />

Ihr<br />

Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> e. V.<br />

Olaf Günther,<br />

Magdeburg<br />

führte. Lediglich warme Bäder brachten Entspannung<br />

und Linderung. Daraufhin wurden<br />

ein MRT, eine Zystoskopie und eine Laparoskopie<br />

(Abb.1) veranlasst. Auch hier zeigten<br />

Abb. 1: Laparoskopie bei unklaren <strong>Schmerz</strong>en<br />

im Genitalbereich.<br />

3


Myofasziales <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />

Bildarchiv Olaf Günther<br />

Abb. : Selbstdehnung des M. psoas.<br />

sich keine pathologischen Veränderungen.<br />

Da es in den folgenden Monaten zu einer Zunahme<br />

des <strong>Schmerz</strong>bildes kam und die Patientin<br />

zusätzlich erhebliche <strong>Schmerz</strong>en beim<br />

Geschlechtsverkehr verspürte, wurde sie zur<br />

speziellen <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> überwiesen.<br />

Bei der Vorstellung in unserer <strong>Schmerz</strong>ambulanz<br />

sahen wir eine junge, aufgeschlossene<br />

und sicher auftretende Patientin.<br />

Die Partnerschaft sei harmonisch und die<br />

psychologischen Fragetests ergaben keine<br />

Auffälligkeiten. Anamnestisch gab sie starke<br />

<strong>Schmerz</strong>en beim Koitus und spontane<br />

<strong>Schmerz</strong>en an, insbesondere beim Sitzen<br />

und Aufstehen.<br />

Lokaler Druckschmerz<br />

Die Untersuchung zeigte einen deutlichen<br />

Druckschmerz des M. obturatorius internus,<br />

M. levator ani, einen Druck- und Dehnungsschmerz<br />

des M. psoas rechts und M. quadratus<br />

lumborum rechts. Der M. iliacus dagegen<br />

war nur gering druckschmerzempfindlich. Der<br />

Dehnungstest des M. rectus femoris und der<br />

Adduktoren war ebenfalls positiv. Darüber<br />

hinaus fanden wir eine Seitneigeblockierung<br />

im thorakolumbalen Übergang-Bereich rechts<br />

und eine Seitneigeblockierung L2/3 links. Die<br />

vaginale Untersuchung zeigte einen auffälligen<br />

Druckschmerz im kranialen und mittleren<br />

Drittel der Vagina rechts. Auf weitere Befragung<br />

gab die Patientin an, dass sie früher<br />

intensiv Laufsport betrieben und bis vor eineinhalb<br />

Jahren zweimal wöchentlich getanzt<br />

hätte. Aus beruflichen Gründen musste sie<br />

diese Aktivitäten einstellen. Kurz danach hätten<br />

auch die <strong>Schmerz</strong>en eingesetzt.<br />

Postisometrisches Training und<br />

manuelle Mobilisierung<br />

Es erfolgten eine manuelle Mobilisierung,<br />

eine Unterweisung in postisometrischer Re-<br />

laxation, einer Selbstdehnung der verkürzten<br />

Muskelgruppen (Abb. 2 und 3) und eine medikamentöse<br />

Verordnung von Flupirtin. Darüber<br />

hinaus wurden eine physiotherapeutische<br />

Triggerpunktbehandlung des M. psoas<br />

und eine Triggerpunktinfiltration im M. obturatorius<br />

durchgeführt.<br />

Hierunter kam es in den folgenden<br />

vier Monaten zu einer spürbaren Verbesserung<br />

der <strong>Schmerz</strong>symptomatik. Spontane<br />

<strong>Schmerz</strong>attacken treten nur noch vereinzelt<br />

(ein- bis zweimal im Monat) auf. <strong>Schmerz</strong>en<br />

beim Geschlechtsverkehr sind ebenfalls nur<br />

noch selten.<br />

Diskussion<br />

Myofasziale <strong>Schmerz</strong>syndrome gehören zu<br />

den häufigsten <strong>Schmerz</strong>syndromen überhaupt.<br />

Problematisch hierbei ist, dass die<br />

Muskeln, die zu Spannungsstörungen und<br />

ggf. auch zu Verkürzungen neigen, wozu auch<br />

der M. obturatorius internus, M. iliopsoas und<br />

M. rectus femoris gehören, zu Projektions-<br />

Abb. : M. obturatorius mit Triggerpunkten.<br />

Abb 3: Selbstdehnung des M. rectus femoris.<br />

Bildarchiv Olaf Günther<br />

Bildarchiv Olaf Günther<br />

schmerzen in anderen Körperregionen führen.<br />

Dadurch kommt es oft zu einer Missdeutung<br />

und unzureichender, mit Chronifizierung<br />

einhergehender <strong>Therapie</strong> des Krankheitsbildes.<br />

Alle drei Muskeln sind für den Bewegungsablauf<br />

der Hüftgelenks- und Beinmuskulatur<br />

wichtig. So ist der M. iliopsoas ein<br />

kräftiger Hüftbeuger, der M. rectus femoris<br />

extendiert im Kniegelenk und flexiert im Hüftgelenk,<br />

während der M. obturatorius (Abb. 4)<br />

ein starker Außenrotator am extendierten<br />

Oberschenkel ist, Funktionen, die insbesondere<br />

beim Laufen und Tanzen intensiv beansprucht<br />

werden.<br />

Typisch für ein myofasziales <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />

sind brennende, zum Teil sehr heftige<br />

blitzartige, nicht segmentale, in Ruhe<br />

auftretende – besonders nachts – und auf<br />

WHO-Stufe-II- und -III-Opioide nicht ansprechende<br />

<strong>Schmerz</strong>en. Aber auch ein bewegungsunabhängiger<br />

Dauerschmerz kann für<br />

eine muskuläre Ursache sprechen. Eine optimale<br />

<strong>Therapie</strong> setzt eine optimale Diagnose<br />

voraus:Anamnese – Anfassen – Begreifen.<br />

Myofasziale <strong>Schmerz</strong>syndrome sind Kettensyndrome,<br />

das heißt, bei genauer Untersuchung<br />

werden sich immer funktionelle Störungen<br />

in mehreren Muskelgruppen finden,<br />

die zum Ablauf eines Bewegungsmusters<br />

notwendig sind.<br />

Insbesondere beim myofaszialen <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />

ist eine multimodale <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

notwendig. Therapeutisch sollten Korrekturen<br />

des muskulären Dysfunktionssyndroms,<br />

aber auch der Einsatz von Muskelrelaxanzien,<br />

Trizyklika und physiotherapeutische<br />

Maßnahmen wie feuchte Wärme, detonisierende<br />

Ströme, neuraltherapeutische und/oder<br />

manualtherapeutische Triggerpunktbehandlungen,<br />

progressive Muskelentspannung und<br />

ggf. psychotherapeutische Interventionen zur<br />

Anwendung kommen.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. / 007 ( 3. Jg.)


Infiltration der Triggerpunkte des M. piriformis<br />

Das M.-piriformis-Syndrom ist durch bizarre, diffus in Kreuz, Leiste und<br />

Perineum ausstrahlende <strong>Schmerz</strong>en charakterisiert und kann mit einer<br />

Infiltrationstherapie des betroffenen Außenrotatorenmuskels gezielt behandelt<br />

werden, schildert der Ehrenpreisträger des <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>preises<br />

<strong>2007</strong>, Dr. med. Danilo Jankovic, DGS-Leiter Köln-Hürth, im folgenden<br />

Beitrag.<br />

Einleitung<br />

Durch die Aktivierung von Triggerpunkten im<br />

M. piriformis („double devil“ – „doppelter Teufel“)<br />

sowie anderen fünf kleinen Außenrotatorenmuskeln<br />

(Mm. gemelus superior, obturatorius<br />

internus, gemelus inferior, obturatorius<br />

externus und M. quadratus femoris) und die<br />

dadurch verursachte Irritation der benachbarten<br />

Nerven entstehen <strong>Schmerz</strong>en mit klassischem<br />

Ausstrahlungsmuster [14]. Der Name<br />

des M. piriformis leitet sich ab vom lateinischen<br />

pirum (Birne) und forma (Form). Der<br />

Muskel erhielt seine Bezeichnung von dem<br />

belgischen Anatom Adrian Spigelius, der im<br />

späten 16. und frühen 17. Jahrhundert lebte.<br />

Anatomie<br />

Der M. piriformis, ein dicker, fleischiger Muskel,<br />

hat seinen Ursprung im Becken an der<br />

Kreuzbeinvorderfläche zwischen den Foramina<br />

sacralia pelvica 1–4 und durchzieht auf<br />

dem Weg zu seiner Insertion am Oberrand<br />

des Trochanter major das Foramen ischiadicum<br />

majus. Diese starre Öffnung wird anterior<br />

und superior vom Os ilium, posterior vom<br />

Ligamentum sacrotuberale und inferior vom<br />

Abb. 1: Anatomie. (1) Foramen ischiadicum majus,<br />

(2) Ligamentum sacrospinale, (3) Ligamentum<br />

sacrotuberale, (4) Foramen ischiadicum minus<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Ligamentum sacrospinale gebildet (Abb. 1).<br />

Der M. piriformis wirkt als Außenrotator des<br />

Oberschenkels und unterstützt auch dessen<br />

Abduktion. Die Innervation stammt meistens<br />

vom ersten und zweiten Sakralnerven. Die<br />

nervalen Strukturen im Foramen ischiadicum<br />

majus umfassen: N. glutaeus superior, N.<br />

ischiadicus, N. pudendus mit den Vasae pudendae,<br />

N. glutaeus inferior sowie N. cutaneus<br />

femoris posterior (Abb. 2). Diese Nerven<br />

sind gemeinsam verantwortlich für die Sensibilität<br />

und Funktion aller Glutealmuskeln, für<br />

die sensiblen und motorischen Funktionen im<br />

Perineum sowie für fast die gesamte sensible<br />

und motorische Funktion im rückseitigen<br />

Oberschenkel und in der Wade.<br />

Die wichtigsten Blutgefäße dieser Region<br />

sind: A. glutaealis superior und A. glutaealis<br />

inferior.<br />

<strong>Schmerz</strong>mechanismus<br />

Schon in der Vergangenheit haben zahlreiche<br />

Autoren erkannt, dass eine Kontraktur des M.<br />

piriformis für die Nerven und Gefäße, die durch<br />

das Foramen ischiadicum majus ziehen, einen<br />

Engpass darstellen kann.<br />

Abb. 2: Anatomie. (1) M. piriformis<br />

und benachbarte<br />

Muskeln, Nerven und Gefäße:<br />

(2) M. glutaeus minimus,<br />

(3) M. glutaeus medius,<br />

(4) M. glu-taeus maximus, ( )<br />

M. quadratus femoris, (6) N.<br />

glutaeus superior, (7) N. glutaeus<br />

inferior, (8) N. cutaneus<br />

femoris posterior, (9) A.<br />

glutealis superior, (10) A.<br />

und V. gluteae inferiores,<br />

(11) A. pudenda interna<br />

Originalie<br />

Die darauf folgende<br />

inadäquate Blutversorgung<br />

des<br />

Muskels führt –<br />

durch Akkumulierung<br />

von metabolischenAbbauprodukten,<br />

die normalerweise<br />

durch zirkulierendes<br />

Blut<br />

entsorgt werden – Danilo Jankovic, Köln<br />

zu einem myofaszialen<br />

Übertragungsschmerz sowie öfter zu<br />

einer Blockade des Iliosakralgelenkes.<br />

Symptome<br />

Triggerpunkte im M. piriformis steuern erheblich<br />

zu komplexen myofaszialen <strong>Schmerz</strong>syndromen<br />

im Becken- und Hüftbereich bei. Das<br />

Piriformissyndrom ist häufig durch bizarre,<br />

auf den ersten Blick nicht zusammenhängende<br />

Symptome charakterisiert [11, 14]. Die<br />

Patienten klagen über <strong>Schmerz</strong>en (und Parästhesien)<br />

in Kreuz, Leiste, Perineum, Gesäß,<br />

Hüfte, Rückseite von Ober- und Unterschenkel,<br />

Fuß sowie im Rektum (beim Stuhlgang)<br />

und in der Steißbeingegend.<br />

Manche Autoren vermuten die Kontraktion<br />

des M. piriformis als oft übersehene Ursache<br />

einer Kokzygodynie [2, 13]. Edwards<br />

beschreibt dieses Syndrom als „Neuritis der<br />

Äste des N. ischiadicus“ [11], Te Poorten vermutet<br />

die Beteiligung des N. peroneus [11].<br />

Schwellungen im betroffenen Bein und sexu-<br />

1 2


6<br />

Originalie<br />

elle Funktionsstörungen (Dyspareunie bei<br />

Frauen und Potenzstörungen bei Männern)<br />

sind sehr oft als Begleiterscheinungen vorhanden.<br />

Die Aktivierung und Provokation von<br />

Triggerpunkten im M. piriformis kann durch<br />

folgende Faktoren ausgelöst werden: starke<br />

Belastung, Trauma, längere Ruhigstellung des<br />

Muskels, lange Autofahrten, chronische Infektionen<br />

(Beckenraum, infektiöse Sakroiliitis, Arthritis<br />

des Hüftgelenks), Morton-Anomalie des<br />

Fußes, Körperasymmetrie u. a. [14].<br />

Differenzialdiagnostisch kommen infrage:<br />

„Postlaminektomiesyndrom“, Bandscheibenprolaps,<br />

Kokzygodynie, Facettensyndrom,<br />

Spinalstenose (beidseitiger<br />

<strong>Schmerz</strong>), Sakroiliitis, maligne Neoplasmen,<br />

lokale Infektionen u. a.<br />

Die <strong>Therapie</strong> dieses Syndroms umfasst:<br />

therapeutische Injektionen mit Lokalanästhetika<br />

und Kortikosteroiden [2, 3, 4, 5, 8, 10],<br />

Injektion von Botulinumtoxin [16], osteopathische<br />

Manipulationen [10, 11], intermittierendes<br />

Kühlen und Dehnen [14], korrigierende<br />

Maßnahmen [10, 11, 14], Selbstdehnung<br />

[14], transrektale oder transvaginale Massage<br />

des Muskels [13] und schließlich operative<br />

Dekompression [2, 11, 14].<br />

Dieser Beitrag entstammt dem Buch von Danilo<br />

Jankovic: Regionalblockaden und Infiltrationstherapie<br />

und erfolgt mit freundlicher Genehmigung<br />

des ABW Wissenschaftsverlag. 2004, geb., 444<br />

S., 500 Abb., ISBN 978-3-936072-16-7, 138,00 �,<br />

ABW Verlag, Berlin.<br />

Literatur beim Autor oder im Buch.<br />

Abb. 3: Lagerung zur Injektion (Sims-Position).<br />

Durchführung<br />

Ein Aufklärungsgespräch mit dem Patienten<br />

muss unbedingt erfolgen.<br />

Technik<br />

Die Lagerung wird in Abb. 3 dargestellt.<br />

Lokalisation<br />

Wichtige Orientierungspunkte sind: Trochanter<br />

major und Spina iliaca posterior superior.<br />

Vom Mittelpunkt der Verbindungslinie wird<br />

eine Linie nach medial gezogen und nach 5<br />

cm die Einstichstelle markiert (Abb. 3).<br />

Injektionstechnik<br />

Transgluteale Technik<br />

Die Punktionskanüle wird senkrecht zur Hautoberfläche<br />

eingeführt (Abb. 4). Gewählt wird<br />

ein Reizstrom von 1 mA und 2 Hz bei einer<br />

Reizdauer von 0,1 ms. In einer Tiefe von ca.<br />

6–8 cm kommt es zur Plantar- und Dorsalflexion<br />

des Fußes als Reizantwort des tibialen bzw.<br />

des peronealen Teils des N. ischiadicus. Die<br />

Kanüle wird dann etwas zurückgezogen, bis<br />

zum völligen Verschwinden der Zuckungen.<br />

Nach Aspirationstest erfolgt die Injektion der<br />

Hälfte der vorgesehenen Menge der Injektionslösung.<br />

Die Kanüle wird dann bis zur Subkutis<br />

zurückgezogen und nach lateral in Richtung<br />

des Trochanter major blind vorgeschoben,<br />

um den lateralen Triggerpunkt des Muskels zu<br />

erreichen. Nach Aspiration erfolgt die Injektion<br />

der restlichen Menge der Injektionslösung.<br />

Transgluteale Technik nach Pace<br />

Die Lokalisation der Triggerpunkte des M. piriformis<br />

erfolgt durch transrektale Palpation.<br />

Der palpierende Zeigefinger der linken Hand<br />

dient als Führung für eine 80 mm lange 22-<br />

G-Spinalkanüle, die dorsal transgluteal eingeführt<br />

wird [10, 13]. Der Muskelbauch wird<br />

fächerförmig infiltriert. Diese Methode ist<br />

meistens schmerzhaft und unangenehm für<br />

den Patienten.<br />

Dosierung [2, 4, 5, 6, 10]<br />

5–10 ml Lokalanästhetikum, z. B. 0,5% Procain<br />

oder 0,5% Lidocain.<br />

5–10 ml 0,2% Ropivacain oder 0,08–<br />

0,25% Bupivacain.<br />

Eine Mischung mit 20–40 mg Depot-Kortikosteroid<br />

(z. B. Depot-Methylprednisolon)<br />

wird auch empfohlen.<br />

Erfahrungsgemäß bieten lang wirkende<br />

Lokalanästhetika keine wesentlichen Vorteile<br />

zu kurz wirkenden Lokalanästhetika [2, 6, 14].<br />

Der Patient muss unbedingt darauf hingewiesen<br />

werden, dass es durch Ausbreitung des<br />

Lokalanästhetikums (insbesondere bei lang<br />

wirkenden) im Bereich des N. ischiadicus zu<br />

einem späteren Umknicken des Beines kommen<br />

kann:<br />

Komplikationen<br />

– Nervenschädigungen (eine Injektion des<br />

Kortikosteroids an den N. ischiadicus<br />

muss vermieden werden),<br />

– intravasale Injektion,<br />

– ZNS-Intoxikation,<br />

– Infektion,<br />

– Hämatombildung,<br />

– Rektumperforation (transgluteale Technik<br />

nach intrarektaler Palpation der Triggerpunkte).<br />

Danilo Jankovic, Köln<br />

Abb. 4: TP1 – Die Punktionskanüle wird senkrecht zur Hautoberfläche<br />

eingeführt; TP2 – Zurückziehen der Kanüle, dann Vorschieben<br />

nach lateral in Richtung des Trochanter major.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


Juni <strong>2007</strong><br />

Weitere Informationen zu den Seminaren erhalten Sie über die Geschäftsstelle des DGS Oberursel,<br />

Tel.: 0 6171/ 28 60 60 · Fax: 0 6171/ 28 60 69 · E-Mail: info@dgschmerztherapie.de.<br />

Die aktuellsten Informationen zu den Veranstaltungen und den Details finden Sie im Internet unter<br />

www.dgschmerztherapie.de mit der Möglichkeit der Online-Anmeldung.<br />

40-Stunden-Aufbaukurs Palliativmedizin<br />

(Modul 2)<br />

06.06.–10.06.<strong>2007</strong> in Hamburg; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS-Bremen<br />

<strong>Schmerz</strong> und Psychotrauma – EMDR-Hypnose-Traumatherapie<br />

06.06.<strong>2007</strong> in Duisburg; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Duisburg<br />

Curriculum Algesiologische Fach-<br />

assistenz – Kursteil 3 – 1. Wochenende<br />

(Veranstaltungsreihe über drei Termine)<br />

08.06.–10.06.<strong>2007</strong> in Mülheim/Ruhr; Geschäftsstelle<br />

DGS<br />

Curriculum Neuraltherapie DAfNA/DGS<br />

diagnostisch-therapeutische Lokalanästhesie und<br />

TENS-Kurs D, Aufbaukurs III (20 Stunden)<br />

09.06.–10.06.<strong>2007</strong> in Speyer; Geschäftsstelle der<br />

DAfNA<br />

Curriculum Psychosomatische Grundversorgung,<br />

2. Wochenende<br />

15.06.–17.06.<strong>2007</strong> in Heidelberg; Geschäftsstelle<br />

DGS<br />

Neuropathischer <strong>Schmerz</strong> – Syndrome und aktuelle<br />

<strong>Therapie</strong><br />

16.06.<strong>2007</strong> in Calw; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Calw<br />

Möglichkeiten und Grenzen präoperativer<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

16.06.<strong>2007</strong> in Neustadt; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Neustadt Holstein<br />

Myofasziale Lösung mit Akupunktur, TLA und Yoga<br />

16.06.<strong>2007</strong> in Köln; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Köln<br />

8. Wiesbadener <strong>Schmerz</strong>tag – Patientenforum<br />

„Rheuma & <strong>Schmerz</strong>”<br />

16.06.<strong>2007</strong> in Wiesbaden; Regionales <strong>Schmerz</strong>-<br />

zentrum DGS-Wiesbaden<br />

Praxissemniar – TENS und Lasertherapie in der<br />

<strong>Schmerz</strong>behandlung<br />

20.06.<strong>2007</strong> in Leipzig; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Leipzig<br />

Fußerkrankungen – Konservative und operative<br />

<strong>Therapie</strong>optionen<br />

20.06.<strong>2007</strong> in Gießen; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Gießen<br />

Curriculum Spezielle <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>, Teil 1<br />

21.06.–24.06.<strong>2007</strong> in Kassel; Geschäftsstelle DGS<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/200 (23. Jg.)<br />

DGS-Veranstaltungen<br />

<strong>Schmerz</strong>en und endokrine Erkrankungen<br />

21.06.<strong>2007</strong> in Bad Säckingen; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Bad Säckingen<br />

Zervikalsyndrom / KISS / Orofaziales Syndrom<br />

22.06.–24.06.<strong>2007</strong> in Rostock; GGMM e.V.<br />

Curriculum Palliativmedizin – Modul 3 für Ärzte<br />

27.06.–01.07.<strong>2007</strong> in Wiesbaden; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS-Wiesbaden<br />

Qualifikation Schwerpunkt<br />

Palliativmedizin<br />

Alexandra Milutin-Lanzi, Ingolstadt<br />

Qualifikation Algesiologe DGS/<br />

DgfA<br />

Dr. med. Peter Beckers, Wassenberg<br />

Dipl.-Med. Andrea Bredel, Leipzig<br />

Dr. med. Mahin Farid, Frankfurt<br />

Dr. med. Andreas Frei, Ettenheim<br />

Dr. med. Marianne Kessler, Haslach<br />

Dr. med. Victoria Klinge, Bad Münster<br />

Dr. med. Bernhard Lange, Miltenberg<br />

Mahrokh Rousta, Frankfurt<br />

Dr. med. Thorsten E. Wieden, Celle<br />

Qualifikation Schwerpunkt<br />

Spezielle <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

Dr. med. Erich Mützel, Goldbach<br />

Multimodale <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> – Workshop<br />

Teil 2<br />

27.06.<strong>2007</strong> in Potsdam; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Potsdam<br />

Patientenvorstellung<br />

27.06.<strong>2007</strong> in Halle; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Halle/Saale<br />

40-Stunden-Aufbaukurs Palliativmedizin<br />

(Modul 1)<br />

30.05.–03.06.<strong>2007</strong> in Celle; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Celle<br />

Curriculum Psychosomatische Grundversorgung,<br />

3. Wochenende<br />

30.06.–01.07.<strong>2007</strong> in Heidelberg; Geschäftsstelle<br />

DGS<br />

Akupunktur-Kurs 17 – Chinesische Arzneimittel für<br />

Akupunkteure II – Praxisseminar<br />

30.06.–01.07.<strong>2007</strong> in Bad Bergzabern; Geschäftsstelle<br />

der DAfNA<br />

Juli <strong>2007</strong><br />

Praxisseminar – Stoßwellentherapie bei akuten<br />

und chronischen <strong>Schmerz</strong>zuständen<br />

18.07.<strong>2007</strong> in Leipzig; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Leipzig<br />

Biofeedback I<br />

19.07.<strong>2007</strong> in Bad Säckingen; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS-Bad Säckingen<br />

August <strong>2007</strong><br />

Sommerakademie Palliativmedizin – Aufbaukurs 1<br />

08.08.–12.08.<strong>2007</strong> in Dierhagen; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS-Lünen<br />

Sommerakademie Palliativmedizin –<br />

Aufbaukurs 2<br />

13.08.–17.08.<strong>2007</strong> in Dierhagen; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS-Lünen<br />

Curriculum Chirotherapie / Manuelle Medizin<br />

DAfNA/DGS – Kurs 2 (60 Stunden)<br />

24.–26.08.<strong>2007</strong> und 31.08.–02.09.<strong>2007</strong> in Speyer; Geschäftsstelle<br />

der DAfNA<br />

Oktober <strong>2007</strong><br />

DGS-Veranstaltungen<br />

Curriculum Spezielle <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> –<br />

80 Stunden interdisziplinäres Kompaktseminar<br />

26.10.–04.11.<strong>2007</strong><br />

Mallorca /Spanien<br />

Anmeldung über Geschäftsstelle DGS<br />

Anmeldefrist: 10.06.<strong>2007</strong>


Der <strong>Deutsche</strong> <strong>Schmerz</strong>tag <strong>2007</strong><br />

Der Patient im Mittelpunkt<br />

Mit über 2500 Teilnehmern war der 1 . <strong>Deutsche</strong> interdisziplinäre<br />

<strong>Schmerz</strong>kongress vom 15.–17. März im Frankfurter Congress Center wieder<br />

ein voller Erfolg. Neue Trends in der Apparatemedizin – vom Infrarotlaser<br />

über SCS-Pumpen bis hin zur Magnetfeldtherapie – wurden dort<br />

an den Industrieständen hautnah demonstriert. Über pharmakologische<br />

Innovationen und neue <strong>Therapie</strong>formen informierten zahlreiche Handson-Workshops<br />

und Plenarvorträge. Bei allen Themen stand gemäß dem<br />

Kongressmotto der individuelle Patient im Mittelpunkt.<br />

Zirkadiane Biorhythmen beeinflussen<br />

auch die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> und müssen<br />

bei der täglichen Praxis berücksichtigt werden,<br />

erklärte Dr. med. Uwe Junker, Remscheid.<br />

Patienten mit Osteoarthroseschmerzen<br />

haben abends den höchsten<br />

Substanzverbrauch, Patienten mit rheumatoider<br />

Arthritis morgens und tagsüber und die<br />

Tumorschmerzpatienten in der Regel zwischen<br />

10 und 22 Uhr, also in dem Zeitraum<br />

ihrer höchsten körperlichen Aktivität. Diese<br />

Schwankungen erfordern eine orale und flexible<br />

<strong>Therapie</strong> und können daher nicht mit<br />

starren Pflastersystemen behandelt werden.<br />

Ideal für multimorbide ältere Patienten ist<br />

dagegen die Behandlung mit Hydromorphon,<br />

das aufgrund seiner verschiedenen Dosierungen<br />

und der möglichen Gabe des nicht<br />

retardierten Hydromorphons für Durchbruchschmerzen<br />

gut geeignet ist. Klagen die Tumorkranken<br />

dagegen vor allem über nächtliche<br />

<strong>Schmerz</strong>en, sollten sie am Abend die höhere<br />

Dosis von Hydromorphon erhalten. Mit einer<br />

zweimaligen Gabe dieses Basisopioids, ggf.<br />

in unterschiedlicher Dosis und in Kombination<br />

mit einem schnell freisetzenden Hydromorphon,<br />

lässt sich die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> flexibel<br />

gestalten.<br />

Aufgrund seiner vom Zytochrom-450-<br />

Enzymsystem unabhängigen Metabolisierung<br />

und geringen Plasmaeiweißbindung stellt laut<br />

Junker Hydromorphon das Mittel der ersten<br />

Wahl bei Tumorkranken dar. Bei Knochenmetastasen,<br />

die eine stärkere antiphlogistische<br />

Komponente erfordern, können Opioide mit<br />

Cox-2-Hemmern kombiniert werden und bei<br />

neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en mit modernen<br />

Antikonvulsiva wie dem Pregabalin.<br />

Stufenschema überholt<br />

Das Stufenschema der WHO ist nach Ansicht<br />

der Algesiologen eher ein Hindernis für eine<br />

effiziente <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> bei Tumorkranken,<br />

warnte Dr. Thomas Nolte, Wiesbaden.<br />

Kölner <strong>Schmerz</strong>arzt Danilo Jankovic auf dem <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>tag ausgezeichnet<br />

Dr. med. Danilo Jankovic, <strong>Schmerz</strong>therapeut und Anästhesiologe<br />

aus Hürth, wurde mit dem Ehrenpreis des <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Schmerz</strong>preises <strong>2007</strong> ausgezeichnet.<br />

Der niedergelassene <strong>Schmerz</strong>therapeut und Leiter des regionalen<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrums Köln-Hürth erhielt den mit 3 000 Euro dotierten Ehrenpreis<br />

des <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>preises – <strong>Deutsche</strong>r Förderpreis <strong>2007</strong><br />

für <strong>Schmerz</strong>forschung und <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>. Der Preis wird jährlich an<br />

Persönlichkeiten verliehen, die sich durch wissenschaftliche Arbeiten<br />

über Diagnostik und <strong>Therapie</strong> akuter und chronischer <strong>Schmerz</strong>zustände<br />

verdient gemacht oder die durch ihre Arbeit oder ihr öffentliches<br />

Wirken entscheidend zum Verständnis des Problemkreises <strong>Schmerz</strong><br />

und der davon betroffenen Personen beigetragen haben.<br />

Der wissenschaftliche Träger des Ehrenpreises ist die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

für <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> e.V. Gestiftet wird der Preis von der Firma<br />

AWD.pharma GmbH, Dresden.<br />

In der Urkunde heißt es: „Dr. Danilo Jankovic hat sich seit vielen Jahren<br />

um eine Integration der therapeutischen Lokalanästhesie in die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

bemüht und in sehr anschaulicher Weise hierzu ein Lehrbuch<br />

Gefordert ist bei Tumorschmerz eine mechanismenorientierte<br />

Behandlungsstrategie, die<br />

meist den frühzeitigen Einsatz eines Basisopioids<br />

der Stufe III beinhaltet. Überholt ist<br />

auch Morphin als Goldstandard der <strong>Therapie</strong>,<br />

da die modernen oralen Retardpräparate wie<br />

Hydromorphon und Oxycodon ein günstigeres<br />

Nutzen-Nebenwirkungs-Verhältnis aufweisen<br />

und keine aktiven Metaboliten bilden,<br />

die eine gefährliche Akkumulation auslösen<br />

können. Wichtig ist auch eine möglichst maßgeschneiderte<br />

und individuell schmerzadaptierte<br />

Behandlung, um Dosiseskalationen zu<br />

vermeiden. Dabei ist das weitgehende Fehlen<br />

aktiver Metabolite ein zusätzlicher Schutz vor<br />

Dosiseskalation und Überdosierung.<br />

Kommt es unter Morphin zur Dosiseskalation,<br />

droht dagegen eine opioidinduzierte<br />

Neurotoxizität durch die hohe Dosis und eine<br />

zu lange Opioidexposition durch die aktiven<br />

Metaboliten. Dadurch können Hyperalgesie,<br />

Benommenheit, paradoxe <strong>Schmerz</strong>en, Halluzinationen,<br />

Sedierung und/oder Myoklonien<br />

und Krampfanfälle ausgelöst werden. Ideal ist<br />

es nach den Ausführungen des Wiesbadener<br />

Experten, die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> individuell multimodal<br />

einzustellen, mit den Stufe-III-Opioiden<br />

als Basis, die je nach <strong>Schmerz</strong>art mechanismenorientiert<br />

mit Coxiben oder Koanalgetika<br />

wie z. B. Antikonvulsiva tagesverlaufadaptiert<br />

und zeitnah oral behandelt werden.<br />

Palladon ® injekt zur bedarfs-<br />

adaptierten Invasivtherapie<br />

Bei Unwirksamkeit der oralen <strong>Therapie</strong>, sehr<br />

hohem Opioidbedarf und schweren gastroin-<br />

verfasst, das in seiner inhaltlichen Form perfekt ist und in sehr aufwendigen<br />

Abbildungen diesen Bereich bestens für den Erfahrenen, aber<br />

auch für den Anfänger deutlich macht (siehe dazu Beitrag S. 5–6).“<br />

V. l.: Uwe Junker, Danilo Jankovic, Gerhard Müller-Schwefe.<br />

Bildfolio Bostelmann<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


testinalen Problemen wie Nausea, Emesis<br />

oder Schluckstörung bietet sich mit dem neuen<br />

injizierbaren Hydromorphon eine weitere<br />

Alternative, z.B. für die Finalphase von Palliativpatienten,<br />

ergänzte Dr. med. Bernhard<br />

Sittig, Geesthacht. Bei subkutaner Injektion<br />

tritt die Wirkung rascher ein und bietet eine<br />

höhere maximale Analgesie. Mit einer subkutanen<br />

Dauerkanüle, die bei guter Pflege bis<br />

zu sieben Tage verbleiben kann, stellt dies<br />

eine komplikationsarme, komfortable und sichere<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> dar. Alternativ kann<br />

auch noch die intravenöse Opioidapplikation<br />

bei absehbarer längerfristiger Behandlung in<br />

Form eines intravenösen Portsystems diskutiert<br />

werden.<br />

Diese <strong>Therapie</strong>formen, auch in Kombination<br />

mit einem PCA-Pumpensystem, sind<br />

in der palliativen <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> heute ein<br />

wichtiger Standard. Seit April <strong>2007</strong> gibt es<br />

für diese Situationen Hydromorphon in der<br />

2-mg/1-ml-, 10-mg/1-ml- und 100-mg/10-ml-<br />

Dosierung. Letztere eignet sich bei der Dauerbehandlung<br />

mit Pumpen- und Portsystemen<br />

gut als durchschnittlicher Wochenbedarf (siehe<br />

dazu auch Heft 1, <strong>2007</strong>, S. 13–14). Speziell<br />

zur <strong>Therapie</strong> der Durchbruchschmerzen ist<br />

der schnelle Wirkeintritt von Hydromorphon<br />

innerhalb von fünf bis zehn Minuten und einer<br />

Wirkdauer von drei bis vier Stunden ideal<br />

und günstiger als z.B. bei Morphin, bei dem es<br />

nach subkutaner Gabe 15–30 Minuten dauert,<br />

bis die Wirkung eintritt.<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> mit retardiertem<br />

Oxycodon und Naloxon<br />

Patienten mit starken <strong>Schmerz</strong>en profitieren<br />

von einer Basistherapie mit einem stark wirksamen<br />

Opioid der Stufe III wie Oxycodon:<br />

Nach einer Studie an 4295 Patienten erreichten<br />

mit diesem Opioid 86% ihr individuell<br />

gewünschtes Behandlungsziel und gaben<br />

auch an, dass ihr globales Wohlbefinden dadurch<br />

deutlich besser war. Allerdings ist die<br />

opioidinduzierte Obstipation der Pferdefuß<br />

der Behandlung mit Opioiden, an dem die<br />

Patienten auch am stärksten leiden. Auch<br />

wenn die opioidinduzierte Obstipation mit<br />

Laxanzien behandelt wird, kann es zu massiven<br />

Beschwerden wie Reflux, Ösophagitis,<br />

Krämpfen, Blähungen, Durchfällen, Darmatonie<br />

und Darmentleerungsstörungen kommen.<br />

Diese Beschwerden peinigen alle Patienten<br />

unter einem Opioid der Stufe III, gleichgültig<br />

um welches Präparat und welche Applikationsform<br />

(transdermal oder oral) es sich handelt.<br />

Lebensqualität, Stimmung, soziale Aktivitäten<br />

und Nachtschlaf werden beeinträchtigt.<br />

Wie eine Umfrage mit 13 000 <strong>Schmerz</strong>kranken,<br />

von denen 4 613 Patienten unter<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

einem Opioid der Stufe III standen, zeigte, ist<br />

dies unabhängig von der Applikationsart des<br />

Opioids.<br />

Präventionsopioid ermöglicht<br />

Paradigmenwechsel<br />

Mit der Fixkombination aus retardiertem Oxycodon<br />

und retardiertem, nur peripher und<br />

prähepatisch wirksamem Naloxon wird die<br />

Obstipation erstmals von Anfang an verhütet,<br />

da die µ-Opiatrezeptoren am Darm selektiv<br />

von dem Antagonisten Naloxon blockiert werden.<br />

Naloxon wird danach im First-Pass in der<br />

Leber zu mehr als 97% abgebaut.Die systemische<br />

Wirkung des Oxycodons und damit<br />

die analgetische Potenz bleiben erhalten.<br />

Somit erlaubt es dieses Präventionsopioid<br />

erstmals, die <strong>Schmerz</strong>en zu lindern<br />

ohne therapeutischen Schaden, so Michael<br />

Überall, Nürnberg. Aufgrund des hohen therapeutischen<br />

Nutzens erhielt dieses Präparat<br />

im Herbst 2006 eine Fast-Track-Zulassung. Es<br />

ermöglicht eine starke <strong>Schmerz</strong>linderung bei<br />

gleichzeitiger Regulierung der Darmfunktion.<br />

Bei Umstellung von anderen Opioiden auf die<br />

Fixkombination aus retardiertem Oxycodon<br />

und Naloxon wird eine bereits bestehende<br />

opioidinduzierte Obstipation reduziert.<br />

Nach einer neuen Anwendungsbeobachtung<br />

mit Targin ® wird diese Fixkombination<br />

als wirksamer und verträglicher bewertet<br />

als Oxycodon allein. „Diesen therapeutische<br />

Nutzen der hochintelligenten mechanismenorientierten<br />

Opioidtherapie dürfen wir unseren<br />

Patienten nicht vorenthalten“, appellierte Gerhard<br />

Müller-Schwefe. Zu bedenken ist auch,<br />

dass allein die Laxanzientherapie bei herkömmlichen<br />

Opioiden mit 700 bis 1000 Euro<br />

pro Jahr und Patient teuer ist und durch die<br />

Fixkombination eingespart wird.<br />

Der <strong>Deutsche</strong> <strong>Schmerz</strong>tag <strong>2007</strong><br />

Infrarotlaser und Magnetfeldtherapie wurden an den Industrieständen demonstriert.<br />

Rückenschmerzen: Bandscheiben<br />

nicht überbewerten!<br />

Nach wie vor werden bei Rückenschmerzen<br />

die Befunde an den Bandscheiben überbewertet,<br />

kritisierte Dr. Alois Franz, Siegen. In<br />

vielen Fällen steckt bei Rückenschmerzen<br />

auch eine neuropathische <strong>Schmerz</strong>komponente<br />

dahinter, die zum Beispiel mit dem von<br />

der Firma Pfizer entwickelten PainDETECT ® -<br />

Fragebogen gut abgegrenzt werden kann.<br />

Pseudoradikuläre Rückenschmerzen haben<br />

ihre Ursache oft in Instabilitätsarthrosen,<br />

aktivierten Spondylarthrosen oder arthrogenen<br />

Facettensyndromen. Lediglich beim<br />

akuten Rückenschmerz findet sich auch eine<br />

inflammatorische <strong>Schmerz</strong>komponente.<br />

Bei den unspezifischen Rückenschmerzen<br />

handelt es sich dagegen um ein<br />

dynamisches Geschehen, bei dem sich die<br />

<strong>Schmerz</strong>en verselbstständigen und auch die<br />

kognitiv-emotionale Komponente zu berücksichtigen<br />

ist.<br />

Das multimodale <strong>Therapie</strong>konzept bei<br />

chronischem Rückenschmerz berücksichtigt<br />

bei der Medikation NSAR/Coxibe, Antidepressiva<br />

und Antikonvulsiva, die Physiotherapie<br />

(Krankengymnastik, Stufenbett, Traktion, Elektrotherapie)<br />

ebenso wie die Infiltrationstherapie<br />

(paravertebral, an den Facettgelenken oder in<br />

Form einer Nervenwurzelblockade).<br />

Nach wie vor werden nach Ansicht von<br />

Franz viel zu viele Bandscheibenoperationen<br />

durchgeführt. Auch bei den Bandscheibenprothesen<br />

ist äußerste Zurückhaltung geboten. So<br />

bilden sich bei den Prothesen häufig Narben<br />

und eine Ummauerung des Rückenmarks führt<br />

zu neurologischen Ausfällen, was dann zu<br />

Zweiteingriffen zwingt. Im Zeitalter der Kernspintomografen<br />

ist mehr denn je Zurückhaltung<br />

bei der bildgebenden Diagnostik geboten. „Wir<br />

Bildfolio Bostelmann


Der <strong>Deutsche</strong> <strong>Schmerz</strong>tag <strong>2007</strong><br />

dürfen gerade bei Rückenschmerzen den Patienten<br />

nicht an der bildgebenden Diagnostik<br />

aufhängen“, warnte der Siegener Orthopäde.<br />

Die Güte eines Neurochirurgen ist nicht an der<br />

Anzahl der an der Wirbelsäule durchgeführten<br />

Operationen, sondern an der Anzahl der vermiedenen<br />

Operationen zu messen.<br />

Rückenschmerzen, so Gerhard Müller-Schwefe,<br />

entstehen auch häufig aus<br />

unterschwelligen <strong>Schmerz</strong>signalen aus der<br />

Muskulatur, die zur Sensibilisierung der Nervenzellen<br />

im Rückenmark führen. Entzündungen<br />

in der Muskulatur spielen dagegen<br />

eine untergeordnete Rolle. Daher fordert der<br />

Göppinger Algesiologe ein Umdenken in der<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>, weniger NSAR und mehr<br />

Einsatz von Membranstabilisatoren wie dem<br />

retardierten Flupirtin. Nach einer großen<br />

Studie mit über 2000 Patienten wirkt Flupirtin<br />

sowohl schmerzlindernd als auch myotonolytisch.<br />

Rückenschmerzen manuell<br />

untersuchen<br />

Rückenschmerzen können viele Ursachen<br />

haben und müssen stets nach der Vier-A-Diagnostik<br />

(Anamnese, Ausziehen, Anschauen,<br />

Anfassen) untersucht werden und keineswegs<br />

nur nach der Dawos-Methode („da wo<br />

es weh tut“), mahnte Dr. med. Wolfgang Bartel,<br />

Präsident der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Manuelle Medizin. Für eine erfolgreiche Behandlung<br />

müssen die funktionellen Zusammenhänge<br />

und die Verkettungssyndrome erkannt<br />

werden. Sträflich überbewertet wird<br />

hierzulande die bildgebende Diagnostik und<br />

vernachlässigt wird die körperliche Untersuchung.<br />

Fehlhaltungen werden hierzulande schon in<br />

10<br />

der Schule durch unergonomische Sitzmöbel<br />

gefördert und durch falsche Freizeitgewohnheiten<br />

(Fernsehen, Computer, fehlender<br />

Sport) weiter provoziert. Fehlhaltungen wie<br />

Beckenschiefstand und hohlrunde Rücken<br />

lösen schon bei Kindern und Jugendlichen<br />

Rückenschmerzen aus. Hier sind für die <strong>Therapie</strong><br />

Koordinationsschulungen wie der kurze<br />

Fuß von Janda oder die propriozeptive sensomotorische<br />

Faszilitation geeignet. Um diese<br />

Zivilisationskrankheiten zu vermeiden,<br />

wäre viel Barfußlaufen gesund. Alternativ<br />

dazu könne man bei Stadtkindern empfehlen,<br />

die Kinder beim Zähneputzen barfuß in einer<br />

Mais- oder Weizenkiste treten zu lassen, berichtete<br />

der Manualtherapeut aus Halberstadt.<br />

<strong>Schmerz</strong> und Schlaf<br />

Schlaf ist ein Seismograf für den körperlichen<br />

und seelischen Zustand des Menschen, erklärte<br />

Prof. Göran Hajak, Regensburg. Bei<br />

<strong>Schmerz</strong>en und/oder Angst leiden die Betroffenen<br />

häufig zugleich an Schlafstörungen,<br />

sodass Angst, <strong>Schmerz</strong> und Schlafstörungen<br />

häufige komorbide Störungen sind, die auch<br />

therapeutisch mit berücksichtigt werden müssen.<br />

Bei peripheren neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en<br />

leiden 60–70% zugleich an Schlafstörungen,<br />

ergab eine Befragung von 126 Patienten.<br />

Je älter wir werden, desto empfindlicher<br />

reagieren wir auf Störungen und desto vulnerabler<br />

sind wir für Schlafstörungen, warnte der<br />

Regensburger Psychiater. Die Art der Schlafstörung<br />

ist bei <strong>Schmerz</strong>kranken sehr vielseitig.<br />

Es zeigen sich bei 75% Einschlafstörungen,<br />

bei 65% schmerzbedingtes Aufwachen und<br />

bei 62% verfrühtes Erwachen. Bei <strong>Schmerz</strong>-<br />

Großer Andrang herrschte bei den manualtherapeutischen Kursen von Wolfgang Bartel.<br />

Bildfolio Bostelmann<br />

kranken findet sich somit keine spezifische<br />

Schlafstörung.<br />

Posterpreise<br />

Erstmals in diesem Jahr wurden die drei besten<br />

Poster ausgezeichnet. Den ersten Preis<br />

erhielt Dr. med. Bodo Kress, Frankfurt/M., für<br />

die Arbeit „Quantitative MR-Messverfahren<br />

bei Patienten mit Trigeminusneuralgie”. Bislang<br />

vermuteten die Ärzte, dass der Blitzschmerz<br />

entsteht, weil ein Blutgefäß kurz<br />

hinter der Austrittsstelle des Trigeminus aus<br />

dem Gehirn auf den Nerven drückt. (Nur in<br />

sehr seltenen Fällen wird diese Neuralgie<br />

durch andere Erkrankungen, etwa eine multiple<br />

Sklerose oder einen Tumor verursacht.)<br />

Nun zeigen die MR-Untersuchungen der<br />

Frankfurter Arbeitsgruppe, dass die Nähe<br />

zwischen Blutgefäß und Nerv nicht die alleinige<br />

Ursache der <strong>Schmerz</strong>en ist. Wie der<br />

Neuroradiologe Dr. Bodo Kress vom Krankenhaus<br />

Frankfurt Nordwest und der Neurochirurg<br />

Dr. Dirk Rasche vom Universitätsklinikum<br />

Schleswig-Holstein, Campus Lübeck,<br />

auf dem <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>tag berichteten,<br />

lässt sich diese Nähe zwischen Blutgefäß<br />

und Nerv auch bei zwei von drei gesunden<br />

Probanden sowie bei der gesunden Gesichtsseite<br />

von Patienten mit Trigeminusneuralgie<br />

nachweisen.<br />

Veränderte Strukturen<br />

Allerdings fanden die Ärzte bei ihren Untersuchungen<br />

an 62 Patienten, deren Trigeminusneuralgie<br />

durch Medikamente nicht (mehr)<br />

gelindert werden konnte, und an 48 schmerzfreien<br />

Probanden heraus, dass die anatomische<br />

Situation in dem Bereich (Zisterne)<br />

verändert ist, wo der Nerv das Gehirn verlässt.<br />

„Beispielsweise ist das Volumen dieser<br />

Zisterne, durch welche der Nerv zieht, auf der<br />

betroffenen Gesichtsseite kleiner“, erklärte<br />

Dirk Rasche. Dadurch nimmt der Nerv in diesem<br />

Abschnitt einen anderen Verlauf. Erst<br />

diese Veränderungen sorgen dafür, dass sich<br />

Blutgefäß und Nerv näher kommen als dem<br />

Nerven gut tut. Dieser ist in der betroffenen<br />

Gesichtshälfte auch dünner als normal. Rasche<br />

interpretiert dies als ein Zeichen dafür,<br />

dass der Nerv infolge der Druckschädigung<br />

durch den Pulsschlag des Blutgefäßes atrophiert,<br />

also schrumpft.<br />

Um zu überprüfen, ob ihre Beobachtungen<br />

tatsächlich klinisch bedeutsam sind,<br />

boten die Ärzte betroffenen Patienten eine<br />

Operation an. Bei diesem Eingriff wird ein<br />

Polster aus Goretex oder Teflon zwischen<br />

Nerv und Blutgefäß geschoben. Diese Operation<br />

ist die Ultima Ratio, wenn die medikamentöse<br />

<strong>Therapie</strong> versagt. 85–95% der<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


Die drei besten Poster wurden erstmals ausgezeichnet.<br />

Patienten werden dadurch ihre <strong>Schmerz</strong>en<br />

los. „Darum sollte die bildgebende Routinediagnostik<br />

vor einer möglichen Operation um<br />

bestimmte Bildsequenzen erweitert werden,<br />

auf denen der betroffene Nervenabschnitt<br />

dargestellt ist“, rät Rasche.<br />

<strong>Schmerz</strong> bei Schülern<br />

Der zweite Posterpreis ging an Dr. med. Angela<br />

Roth-Isigkeit et al., Lübeck, für die Arbeit<br />

„<strong>Schmerz</strong>beschwerden bei Kindern und Jugendlichen<br />

– Altersspezifische Unterschiede<br />

in Prävalenz und Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen”.<br />

Die Lübecker<br />

Arbeitsgruppe hatte mit dem Lübecker-<br />

<strong>Schmerz</strong>-Screening-Fragebogen die Prävalenz<br />

der <strong>Schmerz</strong>beschwerden bei 11 568<br />

Schülern zwischen 10 und 21 Jahren der<br />

Hansestadt Lübeck untersucht. 80,2%<br />

(9266) beantworteten den Test und davon<br />

konnten 98,7% (9148) ausgewertet werden.<br />

86% der Kinder und Jugendlichen berichteten,<br />

dass sie in den vergangenen drei Monaten<br />

<strong>Schmerz</strong>en hatten. Am häufigsten waren<br />

Kopfschmerzen (63,7%) gefolgt von Bauchschmerzen<br />

(41,7%). Mehr als die Hälfte der<br />

Zehnjährigen hatte bereits Kopfschmerzen.<br />

Bis zum Alter von 18 Jahren stieg dieser Prozentsatz<br />

auf 74% an. Über Rückenschmerzen<br />

klagten 36,6% der Kinder, wobei die Häufigkeit<br />

dieser <strong>Schmerz</strong>en mit dem Alter stieg:<br />

Bei den Zehnjährigen ist jedes fünfte Kind<br />

betroffen, bei den über 18-Jährigen bereits<br />

mehr als die Hälfte (58%). Mehr als ein Drittel<br />

der Kinder litt bereits länger als sechs Monate<br />

unter ihren Beschwerden. Ein Fünftel<br />

der Kinder hat mehrmals im Monat <strong>Schmerz</strong>en,<br />

weitere 22% sogar mehrmals pro Woche.<br />

Die Prävalenz von <strong>Schmerz</strong>en ist bereits<br />

bei Kindern und Jugendlichen sehr hoch:<br />

37,9% der Befragten hatten deswegen schon<br />

einen Arzt aufgesucht und 37% nahmen dagegen<br />

Medikamente ein. Diese Zahlen sind<br />

umso brisanter, als andere Studien zeigten,<br />

dass betroffene Kinder ihre Beschwerden bis<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Bildfolio Bostelmann<br />

zum Erwachsenenalter keineswegs verlie-<br />

ren. Vielmehr beobachteten Wissenschaftler<br />

bei den Betroffenen ein erhöhtes Risiko für<br />

eine Vielzahl körperlicher und psychischer<br />

Probleme.<br />

Retardiertes Hydromorphon<br />

in der Praxis<br />

Den dritten Posterpreis erhielt Dr. med. Wolfgang<br />

Sohn, Schwalmtal, für die Arbeit „Retardiertes<br />

Hydromorphon in der Praxis: zuverlässige<br />

<strong>Schmerz</strong>linderung und Verbesserung<br />

der Lebensqualität bei multimorbiden, älteren<br />

Patienten”. An einer Studie mit insgesamt<br />

1 615 Patienten hatte Sohn geprüft, inwieweit<br />

Hydromorphon in der Lage ist, bei multimorbiden<br />

älteren Patienten die <strong>Schmerz</strong>en zuverlässig<br />

zu lindern. Über 70% der Patienten,<br />

die ein Durchschnittsalter von 65 Jahren hatten,<br />

litten unter mindestens zwei, über 40%<br />

sogar unter drei verschiedenen Erkrankungen.<br />

Im Durchschnitt bekamen die Patienten<br />

in der dreiwöchigen Studie initial 13,5<br />

mg orales Hydromorphon, in der Regel auf<br />

Der <strong>Deutsche</strong> <strong>Schmerz</strong>tag <strong>2007</strong><br />

eine zweimal tägliche Gabe verteilt, und wurden<br />

bis zum <strong>Therapie</strong>ende auf 19,6 mg eingestellt.<br />

Unter dieser <strong>Therapie</strong> nahm die<br />

<strong>Schmerz</strong>intensität von durchschnittlich 7,1<br />

auf 2,7 VAS ab, was einer Reduktion von 62%<br />

entspricht. Parallel dazu besserte sich der<br />

Summenscore der Beeinträchtigung verschiedener<br />

Parameter der Lebensqualität innerhalb<br />

von drei Wochen von 45,7 auf 21,4,<br />

also um 53,2%. Die opioidtypischen Nebenwirkungen<br />

waren in der ambulanten Studie<br />

während der dreiwöchigen Behandlung rückläufig:<br />

Müdigkeit von 42% auf 6,7%, Übelkeit<br />

von 33,1% auf 6,2%, Obstipation von 26,1%<br />

auf 5,6% und Erbrechen von 15% auf 2,7%.<br />

Insgesamt ist Hydromorphon nach den Erfahrungen<br />

von Sohn ein wirksames, effektives<br />

und sicheres Medikament für die Behandlung<br />

starker <strong>Schmerz</strong>en.<br />

Patientenforum<br />

Gut besucht war die Patientenveranstaltung,<br />

bei der Experten sachkundig Fragen der betroffenen<br />

Patienten beantworteten. StK<br />

Die Patientenveranstaltung bildet den Abschluss des <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>tages.<br />

11


Onkologie/Palliativmedizin<br />

Update: <strong>Therapie</strong> von Tumorschmerzen<br />

Effektive <strong>Therapie</strong> von <strong>Schmerz</strong>en und die Lebensqualität beeinträchtigenden<br />

Symptomen sind entscheidende Herausforderungen in der Betreuung<br />

von Patienten mit fortgeschrittenem Krebsleiden, insbesondere<br />

in der Terminalphase. Mit den heute zur Verfügung stehenden Analgetika<br />

und Koanalgetika und deren Einsatz nach den Richtlinien der WHO<br />

könnte eine zufriedenstellende <strong>Schmerz</strong>linderung erreicht werden. Im<br />

folgenden gekürzten Beitrag* schildern Priv.-Doz. Dr. Rainer Freynhagen,<br />

Dr. med. Andrea Schmitz, Dr. med. Peter Busche, Universitätsklinikum<br />

Düsseldorf, und Dr. med. Uwe Junker, Vizepräsident DGS, Sanaklinikum<br />

Remscheid, die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> und die konsequente <strong>Therapie</strong><br />

belastender Symptome.<br />

Jeder Dritte erkrankt derzeit in Deutschland<br />

an einem Tumorleiden und jeder<br />

Vierte verstirbt daran. Basierend auf den Zahlen<br />

des deutschen Krebsregisters ist von<br />

jährlich etwa 400 000 neuen Tumorerkrankungen<br />

auszugehen [1]. Nicht selten finden<br />

sich <strong>Schmerz</strong>en sogar als erstes Symptom,<br />

wobei die Häufigkeit<br />

behandlungsbedürftiger<br />

<strong>Schmerz</strong>probleme<br />

sowohl von der Lokalisation<br />

als auch von der<br />

Pathophysiologie des<br />

Tumors abhängt. Die<br />

Einhaltung des WHO-<br />

Stufenschemas führt<br />

bei weit mehr als 90%<br />

der Patienten zu einer<br />

Rainer Freynhagen, suffizienten <strong>Schmerz</strong>-<br />

Düsseldorf<br />

palliation und die Behandlung<br />

verliert auch<br />

in der Endphase der<br />

Erkrankung nicht ihre<br />

Wirksamkeit [7, 15, 34,<br />

39]. Nur eine Minderheit<br />

der von tumorbedingten<br />

<strong>Schmerz</strong>en<br />

betroffenen Patienten<br />

benötigt invasive<br />

s c h m e r z t h e r a p e u -<br />

tische Verfahren.<br />

Uwe Junker,<br />

Trotzdem leiden<br />

Remscheid<br />

aktuellen Schätzungen<br />

zufolge jeden Tag etwa<br />

220 000 Menschen in Deutschland unnötigerweise<br />

an Tumorschmerzen [18, 22],<br />

gleichbedeutend mit mehr als 80 Millionen<br />

Tumorschmerz-Patiententagen pro Jahr.<br />

Eine erfolgreiche analgetische <strong>Therapie</strong> allein<br />

bringt in Bezug auf die Lebensqualität<br />

*Literatur bei den Autoren bzw. im ungekürzten<br />

Originalbeitrag Gynäkologe <strong>2007</strong>; 40:168–177<br />

12<br />

keinen hinreichenden Gewinn für die Patienten,<br />

wenn dadurch andere Symptome induziert<br />

oder verstärkt werden. Nur durch eine<br />

exzellente <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> kombiniert mit<br />

guter Symptomkontrolle und einer möglichst<br />

ganzheitlichen Betreuung von Patienten und<br />

Angehörigen (eingebettet in ein umfassendes<br />

biopsychosoziales Behandlungskonzept) wird<br />

es gelingen, die Lebensqualität und Würde<br />

der Betroffenen bis zuletzt zu erhalten.<br />

<strong>Schmerz</strong>typen und ihre Ursachen<br />

Die Differenzierung der verschiedenen Facetten<br />

von Tumorschmerzen ist wichtig, da sie<br />

die <strong>Therapie</strong> entscheidend beeinflusst. Der<br />

vom Patienten beschriebene <strong>Schmerz</strong>charakter<br />

ist ein wesentliches Kriterium, um nozizeptive<br />

und/oder neuropathische <strong>Schmerz</strong>anteile<br />

zu erkennen.<br />

Dumpfe, reißende, kolik- oder krampfartige<br />

<strong>Schmerz</strong>en, die in der Tiefe empfunden<br />

werden und schlecht lokalisierbar sind,<br />

werden zumeist durch Erregung viszeraler<br />

Nozizeptoren in Brust-, Bauch- und Peritonealraum<br />

verursacht. Sie können mit vegetativen<br />

und gastrointestinalen Symptomen einhergehen.<br />

Diese sog. Nozizeptorschmerzen<br />

im Bereich von Haut, Bindegewebe, Periost,<br />

Skelettmuskulatur, Sehnen, inneren Organen<br />

oder z. B. der parietalen Pleura sind meist gut<br />

lokalisierbar und häufig belastungsabhängig.<br />

Brennende, elektrisierende, durch Kälte-<br />

und/oder durch Berührungsreize auslösbare<br />

<strong>Schmerz</strong>en, häufig mit einschießenden<br />

<strong>Schmerz</strong>attacken kombiniert, sind Hinweise<br />

auf sog. neuropathische <strong>Schmerz</strong>en, die im<br />

Rahmen einer Schädigung des peripheren<br />

oder zentralen Nervensystems auftreten<br />

können. In diesem Zusammenhang sollte auf<br />

eine neurologische Minus- oder Plussymptomatik<br />

geachtet werden, z. B. Paresen, Hypästhesien,<br />

Dysästhesien oder eine Allodynie<br />

[9, 11]. Bei etwa einem Drittel der Patienten<br />

findet sich das kombinierte Auftreten beider<br />

<strong>Schmerz</strong>typen, welches heute durchweg als<br />

Mixed Pain bezeichnet wird [23]. Bei einer<br />

solchen Symptomatik wird die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

nur dann erfolgreich sein, wenn sie von<br />

vornherein beide Komponenten gleichberechtigt<br />

berücksichtigt. Meist gelingt eine Differenzierung<br />

bereits aufgrund der <strong>Schmerz</strong>anamnese<br />

und der klinischen Untersuchung.<br />

Zum einfachen Screening auf neuropathische<br />

<strong>Schmerz</strong>komponenten steht neuerdings neben<br />

simplen Bedside-Tests auch ein validierter,<br />

kurzer und aussagekräftiger Fragebogen<br />

in deutscher Sprache zur Verfügung<br />

(painDETECT ® ), der nicht vom Untersucher,<br />

sondern allein durch den Patienten ausgefüllt<br />

werden kann [13].<br />

Medikamentöse <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

Im Jahr 1986 wurde von der WHO in Genf<br />

das WHO-Stufenschema verabschiedet mit<br />

dem Ziel, der damaligen dramatischen Unterversorgung<br />

von Tumorpatienten mit potenten<br />

Analgetika gezielt entgegenzuwirken (Abb. 1)<br />

[37]. Auf Stufe I finden sich alle Nichtopioid-<br />

Analgetika wie z. B. traditionelle nicht steroidale<br />

Antirheumatika (NSAR), Zyklooxygenase-2-Hemmer<br />

(Coxibe) oder Pyrazolonderivate<br />

(z. B. Metamizol). Für alle Substanzen<br />

der Stufe I gelten Maximaldosierungen, die<br />

zur Vermeidung von organtoxischen Nebenwirkungen<br />

streng eingehalten werden müssen.<br />

In der Regel reicht die analgetische<br />

Wirkung der Nichtopioid-Analgetika bei Tumorpatienten<br />

allein nicht aus, sodass mit<br />

schwachen bzw. mittelstarken Opioiden der<br />

nächsten Stufe oder starken Opioiden der<br />

Stufe III kombiniert werden muss.<br />

Ausgewählte Nichtopioid-<br />

analgetika<br />

Metamizol<br />

Metamizol ist das stärkste Analgetikum aus<br />

der Gruppe der nicht sauren antipyretischen<br />

Analgetika, zu denen auch Azetylsalizylsäure<br />

und Paracetamol gehören. Aufgrund seiner<br />

ausgezeichneten spasmolytischen Komponente<br />

eignet sich Metamizol insbesondere für<br />

die Behandlung krampfartiger Viszeralschmerzen.<br />

Nach oraler Verabreichung wird<br />

die Substanz gut resorbiert und erreicht nach<br />

etwa einer Stunde maximale Plasmaspiegel.<br />

Die Wirkung hält etwa vier Stunden an. Ganz<br />

anders als sein Ruf gehört Metamizol zu den<br />

sichersten und am besten verträglichen<br />

<strong>Schmerz</strong>mitteln. Zwar führt es häufiger als<br />

andere Analgetika zu einer Agranulozytose;<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


doch insgesamt tritt diese Komplikation nur<br />

sehr selten auf und endet nur in wenigen Fällen<br />

tödlich.<br />

Berechnet man aus allen schweren Nebenwirkungen<br />

die sogenannte globale Zusatzmortalität,<br />

schneiden Metamizol mit 0,08<br />

und Paracetamol mit 0,05 günstiger ab als<br />

z. B. ASS mit 1,57 und Diclofenac mit 1,43<br />

Todesfällen pro einer Million Behandelter bei<br />

einer Behandlungsdauer von einer Woche.<br />

Traditionelle nicht steroidale Antirheumatika<br />

und Cox-2-Inhibitoren<br />

Zyklooxygenasen sind Isoenzyme, die die<br />

Umwandlung von Arachidonsäure in Prostaglandine<br />

und Thromboxane katalysieren. Im<br />

Rahmen der Cox-1-Aktivität werden Substanzen<br />

mit physiologischen Funktionen für die<br />

Magen-Darm-Schleimhautprotektion, Thrombozytenfunktion,<br />

Nierendurchblutung und<br />

Elektrolytregulation produziert. Die Cox-2-Aktivität<br />

katalysiert Prostaglandine, die <strong>Schmerz</strong>en<br />

und Entzündungen vermitteln. Während<br />

Cox-2 nur bei Stress, <strong>Schmerz</strong> und Entzündung<br />

innerhalb weniger Stunden gebildet<br />

wird, wird Cox-1 fast überall im Organismus<br />

exprimiert.<br />

Kardiovaskuläre Risiken<br />

Nach heutigem Kenntnisstand haben sich die<br />

in Cox-2-Hemmer (Coxibe, z. B. Celecoxib,<br />

Etoricoxib) gesetzten Hoffnungen hinsichtlich<br />

einer dramatischen Reduktion der durch traditionelle<br />

nicht steroidale Antirheumatika<br />

(NSAR, z. B. Diclofenac) bedingten unerwünschten<br />

Wirkungen nur bedingt erfüllt. Seit<br />

der Marktrücknahme von Vioxx ® (Wirkstoff:<br />

der selektive Cox-2-Hemmer Rofecoxib) aufgrund<br />

der erhöhten Rate von kardiovaskulären<br />

thrombotischen Ereignissen vor etwas<br />

mehr als zwei Jahren sind aber die meisten<br />

Experten heute der Überzeugung, dass auch<br />

viele der nicht selektiven NSAR mit einem<br />

erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergehen<br />

[27]. Nach den Ergebnissen einer kürzlich<br />

publizierten Metaanalyse gehört z. B.<br />

Diclofenac zu den eher risikobehafteten<br />

Substanzen: Die Einnahme erhöht das kardiovaskuläre<br />

Risiko um 44% (und die Einnahme<br />

von Ibuprofen verändert es immerhin<br />

noch um plus 7%). Die Einnahme von<br />

Naproxen wurde demgegenüber mit minus<br />

2% und die von Celecoxib mit minus 4% neutral<br />

bewertet [19].<br />

Eine aktuelle Lancet-Publikation (ME-<br />

DAL-Studie) zeigt, das Etoricoxib und Diclofenac<br />

vom kardiovaskulären Sicherheitsprofil<br />

her gleichwertig sind [5]. Weiterhin muss also<br />

gelten, dass sich der unkritische Einsatz sowohl<br />

von NSAR als auch von Coxiben bei<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Nichtopioidanalgetikum<br />

± Adjuvanz<br />

Stufe I<br />

Abb. 1: WHO-Stufenschema.<br />

kardiovaskulären Risikopatienten und Patienten<br />

mit eingeschränkter Nierenfunktion<br />

verbietet. Indikationen für diese Substanzen<br />

ergeben sich in der Tumorschmerztherapie<br />

immer dann, wenn eine antiphlogistische<br />

Komponente benötigt wird, also z. B. bei metastatisch<br />

induzierten Knochen- und Weichteilschmerzen.<br />

Daher sind sie wertvolle und<br />

häufig unverzichtbare Substanzen.<br />

Flupirtin<br />

Dieses Analgetikum ist ähnlich potent wie<br />

schwache Opioide. Es verhindert vermutlich<br />

den NMDA-vermittelten überschießenden<br />

Kalziumeinstrom in die Zelle über eine Membranstabilisierung<br />

durch Eröffnung von Kaliumkanälen.<br />

Seine guten muskelrelaxierenden<br />

Eigenschaften sind auf zusätzliche GABAagonistische<br />

Wirkungen zurückzuführen.<br />

Flupirtin wird schnell und fast vollständig<br />

resorbiert (oral 90%, rektal 70%). Die<br />

Einzeldosen liegen zwischen 100–200 mg,<br />

die Gesamttagesdosis wird mit 600–900<br />

mg angegeben. Indiziert ist die Substanz<br />

in der Tumorschmerztherapie z. B. bei allen<br />

<strong>Schmerz</strong>phänomenen, bei denen Muskelverspannungen<br />

eine wesentliche Rolle spielen<br />

[14, 38].<br />

Ausgewählte Opioidanalgetika<br />

Der optimale Applikationsweg, auch in der<br />

palliativen Situation, ist der orale. Idealerweise<br />

werden zwei Applikationsformen von Opioiden<br />

benötigt: eine mit normaler Freisetzung<br />

zur Dosisfindung und eine Form mit modifizierter<br />

Freisetzung zur Erhaltungstherapie.<br />

Die einfachste Methode der Dosistitration ist<br />

die Gabe einer Morphindosis mit normaler<br />

Freisetzung alle vier Stunden und zusätzlich<br />

die gleiche Dosis bei Durchbruchschmerzen.<br />

Diese Zusatzmedikation kann so oft wie benötigt<br />

verabreicht werden (bis zu stündlich).<br />

+ schwaches Opioid<br />

Nichtopioidanalgetikum<br />

± Adjuvanz<br />

Stufe II<br />

+ invasive/nicht invasive <strong>Therapie</strong>optionen<br />

Onkologie/Palliativmedizin<br />

+ starkes Opioid<br />

Nichtopioidanalgetikum<br />

± Adjuvanz<br />

Stufe III<br />

Opioide der WHO-Stufe II<br />

Die Bedeutung der schwachen (Tramadol)<br />

bzw. mittelstarken (Tilidin/Naloxon) Opioide<br />

der WHO-Stufe II nimmt im Indikationsbereich<br />

Tumorschmerz gegenwärtig ab. Neuere<br />

Untersuchungen und daraus resultierende<br />

Empfehlungen stellen das starre Festhalten<br />

am Stufenschema von 1986 im Allgemeinen<br />

und den Nutzen der WHO-II-Opioidanalgetika<br />

im Speziellen infrage [6, 8]. Die aktuellen<br />

Empfehlungen der internationalen <strong>Gesellschaft</strong><br />

zum Studium des <strong>Schmerz</strong>es (IASP)<br />

gehen sogar dahin, auch beim opioidnaiven<br />

Tumorpatienten bereits initial mit der Einstellung<br />

auf starke Opioide in niedriger Dosis zu<br />

beginnen und dann bei Bedarf die Dosis der<br />

ausgewählten Substanz schrittweise zu steigern<br />

[6]. In der fixen Kombination mit Naloxon<br />

untersteht Tilidin ebenso wie die Substanz<br />

Tramadol nicht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung.<br />

Das macht beide<br />

Substanzen vor allem für die ambulante Versorgung<br />

von Tumorschmerzpatienten in<br />

Deutschland weiterhin interessant.<br />

Tilidin/Naloxon und Tramadol<br />

Tilidin/Naloxon zeichnet sich gegenüber Tramadol<br />

nicht nur durch seine höhere analgetische<br />

Potenz aus, sondern auch dadurch,<br />

dass bei Niereninsuffizienz keine Kumulation<br />

auftritt. Außerdem wirkt die Substanz weniger<br />

obstipierend als Tramadol, was sich wahrscheinlich<br />

auf eine periphere-prähepatische<br />

Wirkung des Opioidantagonisten Naloxon auf<br />

Opioidrezeptoren im Darm aufgrund des<br />

First-Pass-Effekts zurückführen lässt. Bei<br />

manifester Leberinsuffizienz ist Tilidin/Naloxon<br />

kontraindiziert, da die Aktivierung des<br />

Pro-Drugs Tilidin zum analgetisch wirksamen<br />

Nortilidin einer intakten hepatischen Metabolisierung<br />

bedarf. Tramadol ist kein reiner<br />

µ-Rezeptoragonist und infolge serotonerger<br />

13<br />

Bildarchiv Freynhagen


Onkologie/Palliativmedizin<br />

Begleiteffekte treten deutlich häufiger Übelkeit<br />

und Erbrechen auf [24]. Bei Patienten mit<br />

Leberzirrhose ist die Metabolisierung von Tramadol<br />

eingeschränkt, sodass sich die Eliminationshalbwertszeiten<br />

von Tramadol und<br />

des aktiven Metaboliten M1 etwa verdoppeln.<br />

Auch bei Niereninsuffizienz kann sich die Eliminationshalbwertszeit<br />

verlängern. Tramadol<br />

ist in Deutschland zusätzlich als fixe Kombination<br />

mit Paracetamol erhältlich.<br />

Opioide der WHO-Stufe III<br />

Statt bei starkem <strong>Schmerz</strong> grundsätzlich eine<br />

Opioidtherapie mit Standardmorphin zu beginnen,<br />

sollten heute individuelle Faktoren<br />

wie <strong>Schmerz</strong>charakter und -rhythmus sowie<br />

die begleitenden Komorbiditäten der einzelnen<br />

Patienten in den Mittelpunkt gerückt werden,<br />

bevor man sich für das eine oder andere<br />

Opioidanalgetikum entscheidet. In Tabelle 1<br />

14<br />

Tabelle 1: Dosierungen von Nichtopioid- und Opioidanalgetika<br />

sind Dosierungen ausgewählter Analgetika ,<br />

in Tabelle 2 Beispiele möglicher Differen-<br />

zialindikationen von Opioiden gegeben.<br />

Morphin galt lange als Goldstandard in<br />

der <strong>Therapie</strong> mit starken Opioiden der WHO-<br />

Stufe III. Inzwischen sind jedoch moderne<br />

Retardopioide mit deutlich besserer Galenik<br />

verfügbar. Sie sind analgetisch potenter, wirken<br />

weniger obstipierend und ihre Metaboliten<br />

kumulieren weniger oder gar nicht. In<br />

letzter Zeit mehren sich zudem die Hinweise<br />

auf eine immunsuppressive Wirkung von Morphin<br />

[17, 30, 36]. Morphin ist in zahlreichen<br />

retardierten Zubereitungen einsetzbar. Für<br />

Durchbruchschmerzen stehen sowohl schnell<br />

freisetzende Morphinsulfattabletten, als auch<br />

Morphinlösungen zur Verfügung. Bei der intravenösen<br />

Verabreichung gilt es, die relativ<br />

lange Transferzeit der Substanz in das ZNS<br />

zu beachten, da es dadurch zu einem ver-<br />

Wirkstoff Einzel-/Tagesdosis (mg) Wirkdauer (h)<br />

WHO-Stufe I Paracetamol 500–1000/6000 4–6<br />

Ibuprofen 200–800/2400 8<br />

Celecoxib 100–200/200–400 12<br />

Etoricoxib 60,90,120/120 24<br />

Parecoxib 40/80 12<br />

Metamizol 500–1000/6000 6<br />

Flupirtin 100/600 8–12<br />

WHO-Stufe II/III Tilidin/Naloxon retard 50–200/600 8–12<br />

Opioide oral Tramadol retard 50–300/600 8–12<br />

Morphin retard 10–500/individuell 8–12 (–24)<br />

Oxycodon retard 5, 10, 20 ,40, 80/individuell 8–12<br />

Oxycodon/Naloxon ret. 10, 20/derzeit 40 mg 8–12<br />

Hydromorphon retard 4, 8, 16, 24/individuell 8–12<br />

Hydromorphon retard 8, 16, 32, 64/individuell 12<br />

(osmotisches System)<br />

Buprenorphin s.l. 0,2–1,2/individuell 24<br />

L-Methadon 5–100/individuell 6–8–12 (variabel!)<br />

WHO-Stufe III Fentanyl-TTS Ab 0,3 (12,5 µg/h) individuell 72<br />

Opioide transdermal Buprenorphin-TTS Ab 0,84 (35 µg/h) individuell 96<br />

(TTS = Transdermales<br />

Pflastersystem)<br />

Tabelle 2: Beispiele einer differenzierten Opioidauswahl<br />

Symptom/Erkrankung Opioid<br />

Obstipation Fentanyl-TTS, Buprenorphin-TTS, Oxycodon/Naloxon<br />

Übelkeit, Erbrechen Fentanyl-TTS, Methadon<br />

Dysphagie<br />

(sondengängig)<br />

TTS, Morphingranulate (sondengängig), Hydromorphon<br />

Juckreiz „Trial and Error“ nach analgetischer Wirksamkeit<br />

Verwirrtheit, Schwindel Dosisreduktion, Oxycodon ± Naloxon, Tilidin/Naloxon<br />

Histaminliberation, Analgetikaasthma Dosisreduktion, Methadon<br />

Polymedikation Hochdosisbereich Hydromorphon, Fentanyl-TTS, Buprenorphin-TTS<br />

Niereninsuffizienz Tilidin/Naloxon, Buprenorphin, Hydromorphon<br />

Leberfunktionsstörung Fentanyl-TTS, Hydromorphon<br />

zögerten Auftreten potenziell gefährlicher<br />

Nebenwirkungen kommen kann [29].<br />

Oxycodon ist doppelt so stark wirksam<br />

wie Morphin. Aufgrund einer biphasischen<br />

Resorptionsgalenik kommt es zu einem raschen<br />

Wirkeintritt bei zugleich langer Wirkdauer<br />

von bis zu zwölf Stunden. Neuere Arbeiten<br />

legen nahe, dass Oxycodon anderen<br />

Opioiden bei viszeralen und neuropathischen<br />

<strong>Schmerz</strong>en überlegen zu sein scheint. Bei<br />

beiden <strong>Schmerz</strong>arten kommt es zu einer<br />

Hochregulation von κ-Opioidrezeptoren, zu<br />

denen Oxycodon eine hohe Affinität besitzt<br />

[25]. Oxycodon ist in zahlreichen Wirkstärken<br />

verfügbar, neuerdings auch in der Kombination<br />

mit dem Opioidantagonisten Naloxon, der<br />

peripher-prähepatisch an Opioidrezeptoren<br />

im Darm wirkt. Erste Studienergebnisse zeigen<br />

unter dem Kombinationspräparat eine<br />

signifikant geringere Obstipationstendenz bei<br />

gleicher analgetischer Wirkung [20].<br />

Hydromorphon<br />

Ähnlich wie Oxycodon zeichnet sich Hydromorphon<br />

durch eine hohe orale Bioverfügbarkeit<br />

aus (etwa 60%). Es ist etwa achtmal<br />

so stark wirksam wie Morphin. Hydromorphon<br />

hat bei multimorbiden Patienten unter<br />

Polymedikation entscheidende Vorteile, die<br />

auch im Hochdosisbereich erhalten bleiben:<br />

Die Metabolisierung erfolgt weitestgehend<br />

unabhängig vom Cytochrom-P450-Enzymsystem,<br />

dem Hauptkatalysator des Arzneistoffwechsels.<br />

Darüber hinaus trägt auch die sehr<br />

geringe Plasmaeiweißbindung dazu bei,<br />

Kumulation und Interaktion mit anderen Medikamenten<br />

zu vermeiden. Aktuelle Arbeiten<br />

deuten darauf hin, dass diese Vorteile insbesondere<br />

bei alten, multimorbiden Patienten<br />

zum Tragen kommen [16].<br />

Hydromorphon ist in verschiedenen Wirkstärken<br />

verfügbar, sowohl als zweimal täglich<br />

zu applizierende Retardkapsel als neuerdings<br />

auch als Langzeit-Retardtablette, die den Wirkstoff<br />

mittels eines neuen osmotischen Systems<br />

gleichmäßig über 24 Stunden freisetzt. Vorteile<br />

der zweimal zu applizierenden Retardkapsel<br />

sind einerseits, dass man die erforderliche<br />

Dosis dem individuellen Bedarf des Patienten<br />

im Tagesverlauf besser anpassen und andererseits<br />

die Kapsel bei schluckunfähigen Patienten<br />

aufbrechen und die darin erhaltenen<br />

Pellets ohne Verlust von Wirkung und Retardierung<br />

über eine Sonde verabreichen kann.<br />

Die neue 24-Stunden-Galenik hingegen bietet<br />

Patienten größtmögliche Unabhängigkeit. Für<br />

Durchbruchschmerzen steht schnell freisetzendes<br />

Hydromorphon in zwei verschiedenen<br />

Wirkstärken zur Verfügung.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


Transdermale Systeme<br />

In Pflasterform befinden sich in Deutschland<br />

derzeit zwei verschiedene Opioide auf dem<br />

Markt. Fentanyl ist etwa 80- bis 100-fach stärker<br />

analgetisch wirksam als Morphin,<br />

Buprenorphin (partieller Opioidantagonist)<br />

etwa 30- bis 50-fach. Mittels moderner Matrixsysteme<br />

werden beide Wirkstoffe gleichmäßig<br />

über einen langen Zeitraum freigesetzt,<br />

Fentanyl über 72, Buprenorphin über<br />

96 Stunden. Stabile Plasmaspiegel werden<br />

mit Buprenorphin nach etwa zwölf, mit Fentanyl<br />

nach etwa 24 Stunden erreicht. Beide<br />

Systeme führen in etwas geringerem Ausmaß<br />

zu Obstipation als die starken oralen Opioide.<br />

Im Gegensatz zu Fentanyl kumuliert<br />

Buprenorphin nicht bei Niereninsuffizienz<br />

und bindet nicht an Serumalbumin, sondern<br />

ganz überwiegend an α- oder β-Globuline,<br />

wodurch das Arzneimittelinteraktionsrisiko<br />

reduziert wird [31]. Als wirkstoffgleiche Medikation<br />

für Durchbruchschmerzen stehen<br />

transmukosales Fentanyl als Lutschtablette<br />

bzw. Buprenorphin als Sublingualtablette zur<br />

Verfügung. Beide Pflastersysteme stellen<br />

eine wertvolle Bereicherung des therapeutischen<br />

Arsenals bei Tumorschmerzen dar.<br />

Sie sind vor allem bei Schluck- und/oder Passagestörungen<br />

indiziert. Bedingt durch ihre<br />

träge Kinetik sind sie allerdings weniger geeignet<br />

für die <strong>Therapie</strong> von instabilen <strong>Schmerz</strong>en<br />

mit häufigen Durchbruchschmerzen.<br />

Levomethadon<br />

Levomethadon ist als Reservesubstanz bei<br />

therapieresistenten Opioidnebenwirkungen<br />

Tabelle 3: Koanalgetika (Auswahl)<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

wie z. B. Juckreiz, Morphinasthma, opioidbedingter<br />

Hyperalgesie oder ansonsten nicht zu<br />

beherrschenden neuropathischen <strong>Schmerz</strong>syndromen<br />

einzustufen. Methadon ist eine<br />

effektive Alternative, allerdings kann die Anwendung<br />

komplizierter sein als die anderer<br />

Opioide. Die Besonderheiten der Substanz<br />

lässt Levomethadon für die Hand des<br />

schmerztherapeutisch Unerfahrenen eher<br />

ungeeignet erscheinen. Die stark variable<br />

Eliminationshalbwertszeit – zwischen 4 und<br />

über 100 Stunden – überdauert die zwischen<br />

sechs und zwölf Stunden variierende analgetische<br />

Wirksamkeit deutlich. Die interindividuell<br />

stark unterschiedlichen Plasmaspiegel<br />

aktiver Metaboliten bergen das Risiko einer<br />

Kumulation, so dass nach drei bis sieben Tagen<br />

eine Dosisreduktion um 20–30% versucht<br />

werden sollte. Eine retardierte Zubereitung<br />

von Levomethadon gibt es nicht [24].<br />

Individuelle Dosierung und<br />

Durchbruchschmerzen<br />

In der Regel haben Tumorschmerzpatienten<br />

zwischen 10.00 und 22.00 Uhr ihren höchsten<br />

Analgetikabedarf. Dennoch hat jeder Patient<br />

seinen eigenen <strong>Schmerz</strong>rhythmus der in<br />

der Einstellungsphase gut dokumentiert werden<br />

sollte, um dann möglichst an diesen angepasst<br />

zu therapieren. Darüber hinaus haben<br />

viele Krebspatienten trotz guter <strong>Therapie</strong>einstellung<br />

vorübergehende <strong>Schmerz</strong>spitzen<br />

(Durchbruchschmerzen), zum Beispiel<br />

ausgelöst durch Bewegung oder Husten. Sie<br />

treten in diesem Patientenkollektiv mit einer<br />

geschätzten Prävalenz von über 60% auf.<br />

Wirkstoffklasse Indikation Wirkung Dosierung/Hinweise<br />

Kortikosteroide Hirndruck, Inappetenz Antiödematös, Dosierung abhängig<br />

antiphlogistisch, von Indikation<br />

roborierend, appetit- Orale oder parenteral<br />

steigernd, stimmungs- z. B.: Dexamethason<br />

aufhellend 2–40 mg/Tag<br />

Antidepressiva Neuropathische <strong>Schmerz</strong>distanzierend, Amitriptylin: 10–150 mg/Tag<br />

<strong>Schmerz</strong>en, <strong>Schmerz</strong>- Verstärkung der körper- Venlafaxin: 37,5–225 mg/Tag<br />

distanzierung eigenen <strong>Schmerz</strong>hem- Duloxetin: 30–60 mg/Tag<br />

mung, stimmungsauf- Mirtazapin: 15–45 mg/Tag<br />

hellend, sedierend/<br />

antriebsteigernd<br />

Antikonvulsiva Neuropathische Verbesserung des Schlafs, Langsame Dosistitration, da<br />

<strong>Schmerz</strong>en anxiolytisch oft sedierende Nebenwirkung<br />

Gabapentin ab 300 mg/Tag<br />

[bis 3600 mg/Tag]<br />

Pregabalin ab 75 mg/Tag<br />

[bis 600 mg/Tag]<br />

Bisphosphonate Knochenmetastasen Orale und parenterale<br />

Tumorosteopathie <strong>Therapie</strong> möglich<br />

Hyperkalzämie z. B. Alendronsäure: 70 mg<br />

einmal wöchentlich<br />

Onkologie/Palliativmedizin<br />

Durchbruchschmerzen können mit etwa<br />

einem Sechstel der Opioidtagesdosis in<br />

schnell freisetzender Form behandelt werden,<br />

wobei aber auch mit einem starken<br />

Nichtopioid (wie z. B. Metamizol) kombiniert<br />

werden kann. Das hierzu verwendete Opioid<br />

muss nicht wirkstoffgleich mit dem Retardpräparat<br />

sein, dies gilt nach klinischen Erfahrungen<br />

auch für den Partialagonisten<br />

Buprenorphin, der im Regelfall problemlos<br />

mit z. B. schnell freisetzendem Morphin kombinierbar<br />

ist. Wenn die <strong>Schmerz</strong>en immer<br />

wieder auftreten, bevor die nächste Dosis<br />

fällig ist, muss die Dauermedikation angepasst<br />

werden.<br />

Dabei sollte eine Dosiserhöhung und<br />

nicht die Verkürzung der pharmakologisch<br />

sinnvollen Applikationsintervalle angestrebt<br />

werden.<br />

Koanalgetika<br />

Koanalgetika sind keine <strong>Schmerz</strong>mittel im<br />

engeren Sinne. Sie wirken jedoch über verschiedene<br />

Mechanismen, die die <strong>Schmerz</strong>leitung<br />

und Verarbeitung beeinflussen und führen<br />

damit zu einer zusätzlichen <strong>Schmerz</strong>linderung.<br />

Durch ihren gezielten Einsatz kann<br />

eine additive analgetische Wirkung erreicht<br />

und ggf. eine verbesserte Analgesie bzw. eine<br />

Dosisreduktion der bislang eingesetzten<br />

Analgetika (und eine Abnahme dosisabhängiger<br />

Nebenwirkungen) ermöglicht werden.<br />

Eine Auswahl der wichtigsten Wirkstoffklassen<br />

zeigt Tabelle 3. Es muss aber darauf<br />

hingewiesen werden, dass zahlreiche<br />

der aufgeführten Substanzen für diesen<br />

Zweck nicht explizit zugelassen sind. Bei<br />

neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en zeichnen sich<br />

die modernen Antikonvulsiva Gabapentin<br />

und Pregabalin gegenüber Carbamazepin<br />

und den trizyklischen Antidepressiva durch<br />

ein günstigeres Nebenwirkungsprofil aus.<br />

Beide werden nicht hepatisch metabolisiert<br />

und unverändert renal ausgeschieden (cave:<br />

Niereninsuffizienz, dann Dosis reduzieren),<br />

was das Risiko von Arzneimittelinteraktionen<br />

minimiert. Pregabalin hat im Vergleich zu Gabapentin<br />

die Vorteile eines signifikant schnelleren<br />

Wirkungseintritts, einer spürbaren anxiolytischen<br />

Wirkung und einer Vertiefung der<br />

erholsamen Schlafphasen [4, 10, 12, 26, 28].<br />

Aufgrund der deutlich besseren Verträglichkeit<br />

im Vergleich zu den alten trizyklischen<br />

Antidepressiva sind heute die modernen dual<br />

wirksamen Substanzen zu bevorzugen.<br />

Medikamentöse Symptom-<br />

therapie mit Adjuvanzien<br />

Neben <strong>Schmerz</strong>en sind u. a. therapieresistente<br />

Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Atemnot,<br />

15


Bildarchiv Freynhagen<br />

Onkologie/Palliativmedizin<br />

Angst, Depression, Appetitlosigkeit, Dehydratation,<br />

Gewichtsverlust, Juckreiz oder unwillkürlicher<br />

Speichelfluss häufige und die Lebensqualität<br />

extrem einschränkende Symptome<br />

bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen.<br />

Diese werden vielfach unterschätzt,<br />

ihre Behandlung wird vernachlässigt oder nur<br />

unstrukturiert durchgeführt. Durch ein differenziertes<br />

<strong>Therapie</strong>konzept lässt sich bei den<br />

meisten Patienten auch bei diesen Symptomen<br />

eine zufriedenstellende Symptomkontrolle<br />

erzielen. Zum Einsatz kommen<br />

meist sog. Adjuvanzien. Sie richten sich gegen<br />

Symptome des Tumors bzw. der Grunderkrankung<br />

oder auch gegen Nebenwirkungen<br />

der <strong>Therapie</strong>. So ist z. B. im Rahmen<br />

einer Opioidtherapie initial in einer Häufigkeit<br />

von 20–30% mit dem Auftreten von Übelkeit<br />

und Erbrechen zu rechnen. Gegen die rein<br />

opioidbedingte Übelkeit entwickelt sich nach<br />

etwa zehn Tagen eine Toleranz. Während dieser<br />

Zeit ist eine entsprechende antiemetische<br />

Prophylaxe für die Lebensqualität sehr wichtig.<br />

Übelkeit und Erbrechen beim Tumorpatienten<br />

können abgesehen von der Behandlung<br />

mit Opioiden vielfältige andere Ursachen<br />

haben. Eine Auswahl an therapeutischen Optionen<br />

zeigt Tabelle 4. Auch wenn sich die<br />

verschiedenen Opioide in ihrer obstipierenden<br />

Wirkung tendenziell unterscheiden (umfangreiche<br />

Erfahrungen mit der neuen Kombination<br />

Oxycodon/Naloxon stehen noch aus),<br />

stellt Obstipation die hartnäckigste Nebenwirkung<br />

von Opioiden dar, gegen die sich auch<br />

keine Toleranz entwickelt. Eine adjuvante Behandlung<br />

mit Laxanzien muss also in aller<br />

Regel kontinuierlich erfolgen [4, 26]. Dabei<br />

kann z. B. nach dem in Abb. 2 gezeigten Stufenschema<br />

vorgegangen werden.<br />

Die Angst vor dem Sterben oder nur die<br />

Angst davor, im Sterben allein gelassen zu<br />

werden, ist ein häufiger Trigger auftretender<br />

Abb. 2 Stufenschema der Laxanzientherapie.<br />

16<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Macrogol<br />

4<br />

Symptome, die immer zwingend berücksichtigt<br />

werden muss. Hier sind meist nicht<br />

nur Medikamente, sondern darüber hinaus<br />

persönliche Zuwendung und empathische<br />

Begleitung wesentliche Voraussetzungen für<br />

den <strong>Therapie</strong>erfolg.<br />

Invasive Tumorschmerztherapie<br />

Jede Behandlung sollte gleichzeitig so effektiv<br />

und so wenig invasiv wie möglich sein.<br />

Invasive Behandlungsverfahren sind, schöpft<br />

man die zur Verfügung stehenden konservativen<br />

Verfahren rational aus, nur bei sehr wenigen<br />

Tumorschmerzpatienten indiziert.<br />

In der Finalphase eines Tumorleidens<br />

ist die Resorption oral oder transdermal zugeführter<br />

Pharmaka oft nicht mehr gewährleistet.<br />

8<br />

Manuelle Ausräumung<br />

7<br />

Rizinusöl<br />

6<br />

Senna & Paraffin & Amidotrizoesäure<br />

5<br />

Macrogol & Senna & Paraffin<br />

& Suppositorien & Einlauf<br />

Macrogol & Senna & Paraffin<br />

Macrogol & Senna<br />

Macrogol & Natriumpicosulfat<br />

PHN<br />

postherpetische Neuralgie<br />

Nach: Klaschik E et al., Support Care Cancer 2003;11:679–685<br />

Tabelle 4: Antiemetika (Auswahl)<br />

Substanzgruppe Substanz Dosis Wirkdauer Wirkort Hinweis<br />

(Beispiel) (mg) (h)<br />

Antihistaminika Dimenhydrinat 100–200 8 B, C Aufhebung der<br />

prokinetischen Wir-<br />

kung von Metoclo-<br />

pramid und Neuro-<br />

leptika<br />

Neuroleptika Butyrophenon 0,3–0,5–1 8–12 C Zentralnervöse<br />

Nebenwirkungen<br />

Anticholinergika Scopolamin-TTS 1,5 72–96 B Verstärkte Obsti-<br />

(1 Pflaster) pationsneigung<br />

Prokinetika Metoclopramid 10 4–5 G, C Extrapyramidale NW<br />

5-HT3-Antagonist Ondansetron 4–8 4–8 B Bei chemotherapie-<br />

induzierter Übelkeit,<br />

verstärkter Obstipa-<br />

tionsneigung<br />

Glukokortikoide Dexamethason 4–8 6–24 B Ulkusprophylaxe<br />

Cannabinoide Tetrahydro- Individuell 8–12 ZNS BTM-pflichtig<br />

cannabinol<br />

B Brechzentrum, C Chemorezeptortriggerzone, G Gastrointestinaltrakt; TTS Transdermales <strong>Therapie</strong>system<br />

Dann sollte die Applikationsform entsprechend<br />

geändert werden. Dabei sind<br />

die Äquivalenzdosierungen verschiedener<br />

Applikationsformen zu beachten (Tab. 5).<br />

Mittlerweile werden neben der subkutanen<br />

Medikamentengabe häufig tragbare batteriegetriebene<br />

Spritzenpumpen eingesetzt,<br />

um Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung,<br />

die eine orale Medikation nicht<br />

mehr zu sich nehmen können, mit einer<br />

kontinuierlichen Infusion (z. B. als patientenkontrollierte<br />

Analgesie, PCA) zu versorgen.<br />

Auch die epidurale oder intrathekale Applikation<br />

von Opioidanalgetika in Kombination<br />

mit Lokalanästhetika oder Clonidin kann im<br />

Einzelfall erwogen werden. Klassische Indikationen<br />

bestehen in der <strong>Therapie</strong> viszeraler<br />

Abdominalschmerzen und neuropathischer<br />

<strong>Schmerz</strong>en.<br />

Invasive Verfahren können eingesetzt<br />

werden bei speziellen Tumorentitäten wie<br />

z. B. die Neurolyse des Plexus coeliacus als<br />

Ultima ratio beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom<br />

oder bei ausgeprägter abdomineller<br />

Metastasierung eines Ovarialkarzinoms.<br />

Weitere Optionen sind u. a. Sympathikusblockaden<br />

bei therapierefraktären neuropathischen<br />

<strong>Schmerz</strong>en, z. B. durch Infiltration<br />

von Nervenplexus oder -wurzeln (u. a. bei<br />

Mammakarzinomen mit Infiltration des Plexus<br />

brachialis) oder durch Einbruch von Tumoren<br />

oder Filiae in den Spinalkanal. Auch Begleit-<br />

erkrankungen wie z. B. eine ausgeprägte<br />

Lymphabflussstörung mit sympathisch unterhaltenem<br />

<strong>Schmerz</strong> oder eine Zosterneuralgie<br />

können den Einsatz invasiver Verfahren<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Mod. nach [4]


in seltenen Fällen erforderlich machen. Sie<br />

sollten aber ausschließlich von dafür speziell<br />

ausgebildeten und erfahrenen Therapeuten<br />

durchgeführt werden.<br />

Fazit für die Praxis<br />

Eine differenzierte, am <strong>Schmerz</strong>typ und den<br />

Komorbiditäten orientierte <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

und Symptomkontrolle kann sehr effektiv sein<br />

und die Lebensqualität von Tumorpatienten<br />

deutlich verbessern [3, 21]. Die Wünsche der<br />

Patienten und ihr Gewinn an Lebensqualität<br />

haben dabei höchste Priorität. Dies wird<br />

umso besser gelingen, wenn die <strong>Therapie</strong> in<br />

ein ganzheitliches Behandlungskonzept integriert<br />

ist, das auch die psychosozialen und<br />

spirituellen Bedürfnisse der einzelnen Patienten<br />

intensiv berücksichtigt. Hierzu gehört<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Tabelle 5: Applikationswege und Äquivalenzdosierungen von Morphin<br />

Applikationsform Morphin<br />

Oral 30 mg<br />

Subkutan 15 mg = 50% der oralen Dosis<br />

Intravenös 10 mg = 30% der oralen Dosis<br />

Epidural 1–3 mg = 10–30% der intravenösen Dosis<br />

Intrathekal 0,1–0,3 mg = 10% der epiduralen Dosis<br />

die enge Zusammenarbeit mit Pflege, Seelsorgern,<br />

Sozialarbeitern, Psychologen und<br />

Physio-/Ergotherapeuten – im Sinne einer<br />

Palliative Care. Eine offene, einfühlsame und<br />

ehrliche Kommunikation mit den Patienten<br />

und ihren Angehörigen, die Erstellung eines<br />

individuellen <strong>Therapie</strong>plans sowie die regel-<br />

Die neue spezialisierte ambulante<br />

Palliativversorgung<br />

Hoffnung auf eine flächendeckende Versorgung von unheilbar Kranken<br />

am Lebensende gibt das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG),<br />

kommentiert Dr. med. Thomas Nolte, DGS-Vizepräsident Wiesbaden.<br />

Bei aller Kritik am GKV-WSG sind die<br />

Neuregelungen zur Verbesserung der<br />

Versorgung unheilbar Kranker am Lebensende,<br />

die ab 1. April <strong>2007</strong> Gültigkeit haben, ein<br />

Durchbruch und Paradigmenwechsel. In konsequenter<br />

und entschlossener Haltung hat<br />

die Gesundheitspolitik den Krankenkassen<br />

und Leistungserbringern den Auftrag erteilt,<br />

die seit Jahren beklagten und von der Hospizund<br />

Palliativbewegung immer wieder vorgetragenen<br />

Defizite durch neu zu schaffende<br />

Versorgungsstrukturen zu minimieren und<br />

eine würdevolle und qualifizierte Behandlung<br />

von Sterbenden zur Regel zu machen. Hierfür<br />

gebührt unserer Gesundheitsministerin Respekt<br />

und Anerkennung!<br />

Risiken vorprogrammiert<br />

Sicher haben auch die sehr positiven Erfahrungen<br />

aus den integrierten Versorgungsprojekten<br />

einer koordinierten interdisziplinären<br />

und multiprofessionellen Hospiz- und Palliativversorgung<br />

zu dieser Entwicklung beigetragen.<br />

Diese sind in die neu geschaffenen<br />

§ 37b und §132d eingeflossen. Allerdings<br />

sind hier nur die Rahmenbedingungen festgehalten,<br />

eine definitive Ausgestaltung der<br />

Ausführungsbestimmungen ist bis September<br />

<strong>2007</strong> durch den Gemeinsamen Bundesausschuss<br />

zu erwarten.<br />

Und hier lauern die ersten Gefahren!<br />

In allen angesprochenen Bereichen ist eine<br />

hektische Betriebsamkeit ausgebrochen, um<br />

für die neue Situation gerüstet zu sein! Die<br />

Fachverbände stricken an ihren Vorstellungen<br />

zur Ausgestaltung, die Krankenkassen haben<br />

wieder andere Vorstellungen, die Interessen<br />

anderer scheinen gänzlich unberücksichtigt.<br />

Ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers<br />

ist die Berücksichtigung gewachsener<br />

Versorgungsstrukturen, die in den letzten<br />

Jahren maßgeblich durch ihr Engagement<br />

und ihren Idealismus zu der positiven Entwicklung<br />

beigetragen haben.<br />

Doppelstrukturen in Hessen<br />

Bereits hier zeigen sich einige besorgniserregende<br />

Tendenzen! Nach den jahrelangen<br />

Bemühungen aus dem Ehrenamt der Hospizbewegung<br />

heraus und dem ideellen Engagement<br />

im Bereich der Pflege und Ärzteschaft<br />

droht diesen Pionieren, von der Gestaltung<br />

der zukünftigen Versorgungsstrukturen ausgeschlossen<br />

zu werden. Zurzeit werden an<br />

sechs Standorten in Hessen Doppelstrukturen<br />

zu den gewachsenen Hospiz- und Pallia-<br />

Onkologie/Palliativmedizin<br />

mäßige Untersuchung vor und während der<br />

Behandlung tragen zur Zufriedenheit beider<br />

Seiten bei.<br />

Rainer Freynhagen, Andrea Schmitz, Peter<br />

Busche, Düsseldorf<br />

Uwe Junker, Remscheid<br />

Thomas Nolte,<br />

Wiesbaden<br />

tivstrukturen vor Ort aufgebaut. Mit Vorverträgen<br />

nach § 140 SGB V haben sich die sogenannten<br />

großen Versorgerkassen AOK, DAK,<br />

BEK und IKK eine Option auf eine krankenhauskoordinierte<br />

ambulante Palliativversorgung<br />

gesichert, ohne dass diese Kliniken<br />

zum Teil über die notwendige fachliche Qualifikation<br />

noch über Erfahrungen in der ambulanten<br />

Versorgung verfügen. Diese sollen<br />

aber nach Aussage der beteiligten Krankenkassen<br />

nach dem 1. April <strong>2007</strong> als „vorbestehende“<br />

Einrichtungen die vom Gesetzgeber<br />

geschaffene spezialisierte ambulante Palliativversorgung<br />

im Rahmen der integrierten<br />

Versorgung nach § 140 unter Umgehung<br />

der Regularien nach dem GKV-WSG über-<br />

nehmen.<br />

Für die beteiligten Krankenkassen geht<br />

es hier vorrangig um Kosteneinsparungen,<br />

während der Gesetzgeber ausdrücklich die<br />

Notwendigkeit der Bereitstellung von neuen<br />

Geldern eingefordert hat! Hier werden also<br />

jetzt bereits deutlich erkennbar in der Schutzzone<br />

des § 140 SGB V zwei wesentliche Forderungen<br />

des § 32b und 132d ausgehebelt.<br />

Bevor jetzt in aller Eile Fakten geschaffen<br />

17<br />

Mod. nach [4]


Kommentar<br />

werden, wäre es ein Gebot der Vernunft, bestehende<br />

Initiativen, gewachsene Strukturen<br />

wie auch Modellprojekte im Rahmen der integrierten<br />

Versorgung zu evaluieren, um die-<br />

se wertvollen Erfahrungen in der Ausgestaltung<br />

bundesweiter Strukturen zur speziellen<br />

ambulanten Palliativversorgung zu berücksichtigen!<br />

Ambulante Versorgung sektorenübergreifend<br />

Leider nimmt das Gesetzeswerk zu der Situation<br />

der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung<br />

keine Stellung, da sie, obwohl nicht<br />

existent, als gegeben vorausgesetzt wird. Dabei<br />

ist nur durch Überwindung der stark sektoralisierten<br />

Strukturen in der Regelversorgung,<br />

die mit zu der beklagten Fehl- und<br />

Unterversorgung für Schwerstkranke am Lebensende<br />

geführt haben, ein organischer<br />

Aufbau der allgemeinen wie auch spezialisierten<br />

ambulanten Palliativversorgung zu<br />

erreichen. Die Aufgabe der spezialisierten<br />

ambulanten Palliativteams muss deshalb<br />

auch in der Koordination und Stützung der<br />

allgemeinen (hospizlichen und palliativen)<br />

Versorgung bestehen. Nur so ist der zentrale<br />

Gedanke im GKV-WSG der verbesserten ambulanten<br />

Versorgung für unheilbar Kranke am<br />

Lebensende realisierbar. Rein interventionelle<br />

Konzepte spezieller Teams, die sich,<br />

ergänzend zur Regelversorgung außerdem<br />

als Krisenmanagement am Lebensende verstehen,<br />

ohne die strukturellen und ökonomischen<br />

Mängel der Regelversorgung zu<br />

beheben, sind eindeutig abzulehnen.<br />

Abgestufte Versorgung weiterhin<br />

Fiktion!<br />

Damit fehlt einmal mehr (siehe allgemeine<br />

und spezielle <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>) ein Funda-<br />

18<br />

ment für eine abgestufte Versorgungsstruktur.<br />

Deshalb sind alle Neuerungen im Bereich der<br />

„spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“<br />

nur Stückwerk, wenn nicht auch im<br />

Bereich der „allgemeinen ambulanten Palliativversorgung“<br />

angemessene Regularien gefunden<br />

werden. Der Hessische Hausärzteverband<br />

hat sich bereits von Konzepten distanziert,<br />

die „top down“ das Verordnungsrisiko<br />

und die Leistungserbringung beim Hausarzt<br />

belassen.<br />

Durch die erhöhten Anforderungen an<br />

die ambulante Versorgung sind hier ausreichend<br />

Finanzmittel zur Behebung der Unterfinanzierung<br />

bereitzustellen, um Hindernisse<br />

in Form von fehlenden Arznei-, Heil- und<br />

Hilfsmittelbudgets zu überwinden. Konzepte,<br />

die diese Defizite ausklammern, zäumen einmal<br />

mehr das Pferd von hinten auf und bauen<br />

auf insuffizienten Basisstrukturen auf.<br />

Alle Verträge müssen für alle zugänglich<br />

sein. Es dürfen keine Verträge mit Ausschließlichkeitsregelungen<br />

zugelassen werden: Entscheidend<br />

ist die fallbezogene Leistungserbringung<br />

unter Zugrundelegung der für alle<br />

verbindlichen Qualitätsanforderungen.<br />

Mehr Transparenz<br />

Transparenz und Offenheit sind obligat. Hierzu<br />

gehört, dass die verschiedenen Berufsgruppen<br />

im Palliativ-Care-Team zwar den hospizlichen<br />

und palliativen Inhalten verpflichtet<br />

sind, in ihren ethischen Entscheidungen und<br />

ihrer Meinungsfreiheit aber müssen sie unbelastet<br />

sein von wirtschaftlicher Einflussnahme<br />

und Abhängigkeiten. Spezialisierte ambulante<br />

Palliativteams mit allen beteiligten Berufsgruppen<br />

in einer Trägerschaft erfüllen dieses<br />

Kriterium nicht! Qualitätszirkel und Palliativkonferenzen<br />

müssen für alle Leistungserbringer<br />

offen sein.<br />

Mittelfristig müssen die<br />

verschiedenen Modelle auf<br />

ihre Stärken und Schwächen<br />

hin überprüft werden.<br />

Deshalb müssen alle bereits<br />

geschlossenen Verträge<br />

offengelegt und allen Leistungserbringern<br />

die Mitwirkung<br />

ermöglicht werden.<br />

Eine Monopolisierung<br />

der Versorgung ist unbedingt<br />

zu vermeiden. Verträge, die<br />

dezidiert Leistungserbringer<br />

ausschließen, sind abzulehnen.<br />

Die Kooperation regionaler<br />

Palliativteams sowie<br />

eine einrichtungsübergreifende<br />

Qualitätssicherung<br />

sind unverzichtbar.<br />

Bildarchiv <strong>Deutsche</strong>s Ärzteblatt, modifiziert<br />

Vielfältige Versorgungsmodelle<br />

obligat<br />

Die Vielfalt der Versorgungsstrukturen ist dabei<br />

unbedingt zu erhalten. Deshalb stimmen<br />

wir der im Eckpunktepapier genannten Vielzahl<br />

von Szenarien zu. Nur so wird mittelfristig<br />

eine ansatzweise flächendeckende, dezentrale,<br />

hospizliche und ambulante Struktur<br />

auf dem Boden einer hausärztlich gesteuerten<br />

Versorgung unter Berücksichtigung der<br />

unterschiedlichen regionalen Rahmenbedingungen<br />

möglich sein.<br />

Der Ausbau einer spezialisierten ambulanten<br />

Palliativversorgung würde von der<br />

Kenntnis der aktuell anfallenden Kosten in<br />

der Versorgung von Patienten am Lebensende<br />

sehr profitieren. Die aktuelle Diskussion<br />

wird davon geprägt, dass die Krankenkassen<br />

glauben, diese neu zu schaffenden Strukturen<br />

seien zu teuer, während die Leistungserbringer<br />

das Gefühl haben, durch eine verbesserte<br />

Versorgung am Lebensende real<br />

Kosten einzusparen und dafür noch schlecht<br />

bezahlt zu werden.<br />

Bei der im Gesundheitssurvey nachgewiesenen<br />

Über- und Fehlversorgung von<br />

Patienten am Lebensende ermöglicht eine<br />

Umlenkung der bisherigen Ausgaben in<br />

ein Palliativversorgungsnetz eine optimale<br />

hospizliche und palliative Versorgung ohne<br />

Mehrkosten in Relation zu der bisher fehlgesteuerten<br />

Versorgungssituation. Erste Ergebnisse<br />

aus dem PalliativNetz Wiesbaden<br />

Taunus und Osthessen/Fulda belegen dies.<br />

Eine zusätzliche Finanzierung von spezialisierten<br />

ambulanten Palliative-Care-Teams<br />

wäre so nicht notwendig und ein weiteres<br />

Beispiel, wie durch Integration und Netzwerkbildung<br />

optimale Versorgungsstrukturen kostenneutral<br />

zur Regelversorgung umgesetzt<br />

werden können. Leider liegen nur von einer<br />

Krankenkasse valide Daten für die globalen<br />

Versorgungskosten bei unheilbar Kranken in<br />

den letzten drei Lebensmonaten vor.<br />

Tagespauschale<br />

Für eine langfristig verantwortungsvolle Finanzierung<br />

der Leistungserbringung sind<br />

deshalb tagesbasierte Pauschalen mit globaler<br />

Budgetverantwortung zu fordern. Diese<br />

sollten alle Leistungen in der Versorgung von<br />

Schwerstkranken am Lebensende umfassen.<br />

Dies würde eine qualitätsgesicherte Versorgung<br />

mit leistungsgerechter Honorierung aller<br />

Leistungserbringer bei voller Kostentransparenz<br />

und Vergleichbarkeit der Projektregionen<br />

ermöglichen. Außerdem bestünden<br />

Anreize für eine optimale Leistungserbringung<br />

mit 24-Stunden-Erreichbarkeit und dem<br />

Vermeiden von unnötigen stationären Einwei-<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


sungen. Die einzelnen Projektregionen hätten<br />

durch dieses Finanzierungskonzept die Möglichkeit,<br />

ihre bereits bestehenden Strukturen<br />

weiterzuentwickeln und den Anforderungen<br />

vor Ort anzupassen.<br />

Auch wenn der Wunsch nach schnellen<br />

Schritten verlockend ist, ist jetzt eine wohlüberlegte<br />

Strategie mit langfristig tragenden<br />

Strukturen und einer organischen Entwicklung<br />

eindeutig vorzuziehen. Imperiale Ten-<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

denzen nach dem Motto „Divide et impera“,<br />

wie in Hessen erkennbar, sind mit den Inhalten<br />

der Hospiz- und Palliativversorgung wie<br />

auch den neuen gesetzlichen Grundlagen<br />

nicht vereinbar und inakzeptabel. Eine Politik<br />

der kleinen Schritte, die insbesondere auch<br />

die Erfahrungen aus den laufenden IV-Palliativverträgen<br />

berücksichtigen, bieten eine<br />

gute Grundlage für eine qualitätsgesicherte<br />

und harmonische Entwicklung einer flächen-<br />

Kommentar<br />

deckenden Hospiz- und Palliativversorgung!<br />

Beispiele aus Verträgen mit der Techniker<br />

Krankenkasse und dem Landesverband der<br />

Betriebskrankenkassen für die integrierte<br />

Versorgung von Palliativpatienten IVP in<br />

Wiesbaden und Fulda belegen dies (siehe<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> 4/06).<br />

Was kostet die Versorgung am Lebensende?<br />

Eine Analyse der Kosten in der Regelversorgung sowie von allgemeiner<br />

und spezieller Palliativversorgung beschreibt Dr. med. Thomas Nolte,<br />

Vizepräsident DGS und 1. Vorsitzender PalliativNetz Wiesbaden-Taunus.<br />

Das gesetzliche Krankenversicherungs-<br />

Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV<br />

WSG) hat sich zum Ziel gesetzt, die ambulante<br />

Palliativversorgung in Deutschland flächendeckend<br />

zu verbessern.<br />

In einer Pressemitteilung der Ärztezeitung<br />

am 21.10.2005 ließ Frau Schmidt, Gesundheitsministerin,<br />

bereits verlauten, dass<br />

aus spezialisierten Ärzten und Pflegekräften<br />

bundesweit 330 Palliativteams<br />

gebildet werden sollen, die eine<br />

flächendeckende ambulante Versorgung<br />

<strong>Schmerz</strong>kranker sicherstellen<br />

sollen.<br />

Kostenschätzung<br />

Die Kosten für diese Teams, die notwendige<br />

Medikamente, Heil- und<br />

Hilfsmittel sowie für eine „optimale<br />

hausärztliche Versorgung“ schätzte<br />

Frau Schmidt auf 250 Millionen Euro<br />

pro Jahr. Daraus geht hervor, dass<br />

Gelder in dieser Höhe sowohl für die<br />

allgemeine (AAP) als auch die spezialisierte<br />

ambulante Versorgung<br />

(SAP) von den Krankenkassen zur<br />

Verfügung zu stellen sind (Tab.1).<br />

Erwartet wird, dass etwa<br />

100 000 Patienten pro Jahr neben<br />

einer AAP auch einer SAP<br />

bedürfen. Dadurch entstehen hier<br />

einmalig Mehrkosten von 2500 €<br />

(250 000 000/100 000) pro Palliativpatient<br />

für die Versorgung<br />

am Lebensende. Bei einer durchschnittlichen<br />

Behandlungsdauer<br />

von vier Wochen bis zum Lebensende<br />

ergeben sich Mehrkosten pro<br />

Palliativpatient von 84 € pro Tag<br />

(2500/30) für eine SAP! Leider stehen die<br />

Fragen zu den Ausführungsbestimmungen<br />

und insbesondere auch zur Finanzierung unbeantwortet<br />

im Raum.<br />

Zum Vergleich werden in der Folge die<br />

bisher anfallenden Kosten in der Regelversorgung<br />

mit ihrer nachgewiesenen Fehl- und<br />

Überversorgung denen einer AAP/SAP und<br />

den unterschiedlichen Finanzierungsmodel-<br />

Tabelle 1: Geschätzte Kosten AAP und SAP<br />

• Palliative-Care-Teams 100 Millionen €<br />

• Medikamente, Heil- und Hilfsmittel 110 Millionen €<br />

• Mehrkosten hausärztliche Versorgung 40 Millionen €<br />

Summe 250 Millionen €<br />

Tabelle 2: Kostenaufstellung und -verteilung<br />

Durchschnittskosten ambulante Versorgung<br />

(Arzt/Pflege/Transport/Heil-,/Hilfsmittel) geschätzt 3 500,00 €<br />

Durchschnittskosten Krankenhaus 9 482,62 €<br />

Durchschnittskosten Medikamente 3 009,67 €<br />

Durchschnittskosten gesamt 15 992,29 €<br />

Pro Monat 5 330,00 €<br />

Tabelle 3: Kosten beim KAP<br />

• Fallpauschale für das Krankenhaus 1 200 € einmalig<br />

• Hausarzt 40 €/Mo.<br />

• Pflege 20 €/Mo.<br />

• Ambulante Hospizversorgung 20 €/Mo.<br />

• Kosten in der Regelversorgung 5 330 €/Mo.<br />

pro Monat gem. Tab.2<br />

Summe 6 610 €/Mo.<br />

Die Tagestherapiekosten im KAP-Modell belaufen sich hierbei<br />

auf 220 € pro Patient pro Tag bei einer vierwöchigen<br />

Versorgung.<br />

Thomas Nolte, Wiesbaden<br />

len aus bereits laufenden integrierten Versorgungskonzepten<br />

gegenübergestellt.<br />

1. Auswertung der Kosten<br />

in der Regelversorgung<br />

Dieser Auswertung liegen die Daten einer<br />

Erhebung der Techniker Krankenkasse aus<br />

dem Jahr 2004 zugrunde (Daten beim Verfasser).<br />

Eingeschlossen in diese Erhebung wurden<br />

6280 Versicherte der TK, die in jenem<br />

Jahr an einer Karzinomerkrankung verstorben<br />

sind. Erhoben wurden die Kosten je Versicherten<br />

in den letzten drei Lebensmonaten,<br />

aufgeschlüsselt nach den Bereichen „stationäre<br />

Versorgung“, „Medikamentenkosten“<br />

sowie dem „ambulanten Bereich<br />

inklusive Pflege, Heil- und<br />

Hilfsmitteln“, der nur mit einem<br />

Schätzwert in die Berechnungen eingeflossen<br />

ist, da hier Daten aufgrund<br />

der sektoralisierten Budgets nicht zu<br />

erheben waren und sind.<br />

Bei einem Auswertungszeitraum<br />

über drei Monate entstehen für die<br />

gesamte medizinische Versorgung<br />

pro Patient am Lebensende in der<br />

Regelversorgung aktuell Kosten in<br />

Höhe von 178 € pro Tag (16 000 €<br />

geteilt durch 90 Tage)(Tab. 2).<br />

2. Modellrechnung zur<br />

spezialisierten ambulanten<br />

Palliativversorgung<br />

a) Add-on zur Regelversorgung<br />

Bei den aktuell anfallenden Durchschnittskosten<br />

in der Regelversorgung<br />

in Höhe von 178 € plus des Mehrbetrages<br />

für eine SAP in Höhe von 84 €<br />

für die Versorgung in den letzten vier<br />

Lebenswochen entstünden Kosten in<br />

Höhe von 262 € pro Tag.<br />

b) Mit Berücksichtigung der realisierbaren<br />

Einsparungen<br />

Allerdings sind die zu erwartenden<br />

19


Finanzanalyse<br />

Einsparungen durch eine verbesserte Versorgung<br />

(weniger Krankenhausaufenthalte, weniger<br />

Transporte etc.) nicht berücksichtigt. Bei<br />

AAP und SAP ist bei konservativer Schätzung<br />

eine Reduktion der Krankenhausbehandlungskosten<br />

um zwei Drittel zu erwarten und<br />

realistisch.<br />

Unter Zugrundelegung der Durchschnittskrankenhauskosten<br />

aus der TK-Analyse<br />

in Höhe von 9482,62 € pro drei Monate<br />

(geteilt durch 90) entspricht dies durchschnittlichen<br />

Tageskosten von 105 € für stationäre<br />

Behandlung am Lebensende.<br />

Bei einer Einsparung von zwei Drittel der<br />

Krankenhauskosten durch eine spezialisierte<br />

ambulante Palliativversorgung entstehen Einsparungen<br />

von 70 € (2/3 von 105 €) pro Tag.<br />

Die Tagestherapiekosten würden sich auf<br />

192 € (Tagestherapiepauschale 262 € minus<br />

70 € Einsparungen) reduzieren.<br />

Tagestherapiekostenpauschale<br />

AAP/SAP mit Einsparungen 192 €<br />

Tagestherapiekosten Regelversorgung<br />

bisher 178 €<br />

Differenz +14 €<br />

Mehrkosten pro Monat 420 €<br />

Bei einer zu geschätzten zu versorgenden<br />

Zahl von 100 000 Patienten pro Jahr<br />

entstehen hier bei Berücksichtigung der realisierbaren<br />

Einsparungen Mehrkosten in Höhe<br />

von 42 Millionen € für eine verbesserte Versorgung<br />

mit AAP und SAP am Lebensende.<br />

3. Kostenstruktur integrierte<br />

Versorgung palliativ<br />

Dieses flächendeckende dezentrale integrierte<br />

Versorgungskonzept (IVP) versorgt seit Februar<br />

2006 unheilbar Kranke in der Lebensendphase<br />

in Wiesbaden und Umgebung.<br />

Die mit der TK vereinbarte Tagespauschale<br />

im PalliativNetz Wiesbaden-Taunus<br />

beläuft sich auf 185 € für die komplette<br />

Versorgung am Lebensende und wird ab<br />

Einschreibung des Patienten in das Konzept<br />

berechnet. Diese umfasst alle medizinischen,<br />

pflegerischen, medikamentösen<br />

und auch stationären Maßnahmen inklusive<br />

Palliativstation oder stationäres Hospiz. Dem<br />

Versorgungsnetz obliegt demnach die komplette<br />

Budgetverantwortung im Sinne des<br />

Managed-Care-Prinzips.<br />

Die in der Regelversorgung anfallenden<br />

Kosten am Lebensende, wie oben bereits<br />

aufgeführt, belaufen sich auf 178 € pro Tag<br />

in den letzten drei Lebensmonaten. Die Mehrkosten<br />

pro Patient pro Tag im IPV-Konzept im<br />

Verhältnis zu den Kosten in der Regelversorgung<br />

belaufen sich demnach auf 7 € für eine<br />

20<br />

optimale Versorgung unheilbar Kranker am<br />

Lebensende.<br />

Tagesbasiertes Globalbudget<br />

IVP-Modell 185 €<br />

Tagestherapiekosten<br />

Regelversorgung 178 €<br />

Differenz + 7 €<br />

Mehrkosten pro Monat 210 €<br />

Bei einer geschätzten zu versorgenden Zahl<br />

von 100 000 Patienten pro Jahr entstehen hier<br />

bei kompletter Budgetverantwortung Mehrkosten<br />

in Höhe von 21 Millionen € für eine<br />

verbesserte Versorgung am Lebensende.<br />

4. Kostenstruktur krankenhauskoordiniertes<br />

ambulantes Palliativkonzept<br />

(KAP)<br />

Dieses krankenhauskoordinierte integrierte<br />

Versorgungskonzept (KAP) versorgt seit August<br />

2006 unheilbar Kranke in der Lebensendphase<br />

in Wiesbaden und Umgebung. Die<br />

dort anfallenden Honorare und Kosten pro<br />

Patient setzen sich wie folgt zusammen:<br />

Bei einer zu erwartenden Verminderung<br />

von zwei Drittel der Krankenhauskosten<br />

durch diese spezialisierte ambulante Palliativversorgung<br />

entstehen analoge Einsparungen<br />

von 70 € pro Tag und Patient, die<br />

Tagestherapiepauschale vermindert sich auf<br />

150 € (220 € minus 70 € Einsparungen).<br />

Tagestherapiekosten KAP-Modell 150 €<br />

Tagestherapiekosten Regelver-<br />

sorgung 178 €<br />

Differenz –28 €<br />

Einsparungen pro Monat 840 €<br />

Bei einer geschätzten zu versorgenden<br />

Zahl von 100 000 Patienten pro Jahr entstehen<br />

hier Einsparungen von 84 Millionen € für<br />

die Versorgung am Lebensende.<br />

Vergleich der Kostenstrukturen<br />

Zusammengefasst hier die verschiedenen<br />

Kostenberechnungen:<br />

Aktuelle Tagestherapiekosten<br />

Regelversorgung 178 €<br />

Tagestherapiekostenpauschale<br />

mit AAP/SAP ohne Einsparungen 262 €<br />

Tagestherapiekostenpauschale<br />

mit AAP/SAP mit Einsparungen 192 €<br />

Tagestherapiekostenpauschale IVP 185 €<br />

Tagestherapiekostenpauschale KAP 150 €<br />

Zusammenfassung<br />

Die Mehrkosten einer verbesserten allgemeinen<br />

(AAP) und spezialisierten ambulanten<br />

Palliativversorgung (SAP) werden weitgehend<br />

kompensiert durch die zu erwartenden<br />

Einsparungen von Fehl- und Überversorgung<br />

am Lebensende.<br />

Das Modellprojekt „integrierte Versorgung<br />

am Lebensende (IVP)“ des Palliativ-<br />

Netzes Wiesbaden-Taunus umfasst alle Elemente<br />

einer AAP und SAP und ist weitgehend<br />

kostenneutral zu den bisher in der Regelversorgung<br />

entstehenden Kosten. Erste Auswertungen<br />

belegen, dass die tagesbasierte<br />

Kostenpauschale mit globaler Budgetverantwortung<br />

in dieser Höhe der zu lösenden<br />

Aufgabe gerecht wird. De facto ist mit einer<br />

Umleitung der bisher anfallenden Kosten in<br />

eine strukturierte Palliativversorgung eine flächendeckende<br />

Betreuung unheilbar Kranker<br />

am Lebensende möglich!<br />

Die verbesserte Palliativversorgung im<br />

KAP-Modell wird erkauft auf dem Boden der<br />

sogar verschärften Fortsetzung der Unterfinanzierung<br />

und der fortgesetzten Selbstausbeutung<br />

aller Mitwirkenden in der Regelversorgung!<br />

Die AAP wird nicht nur nicht<br />

gefördert, sondern dezidiert geschwächt,<br />

indem der ambulanten Versorgung bei höheren<br />

Anforderungen keine substanziellen<br />

zusätzlichen Geldmittel zur Verfügung gestellt<br />

werden. Eingesparte Gelder fließen an<br />

die beteiligten Krankenkassen!<br />

Sparmodell droht!<br />

Der Abschluss von Vorverträgen mit weiteren<br />

onkologischen Kliniken an Schwerpunktkrankenhäusern<br />

in Hessen, die zum Teil weder<br />

über eine palliative Qualifikation noch eine<br />

Anbindung an ambulante Versorgungsstrukturen<br />

verfügen, düpiert die dort vor Ort seit<br />

Jahren hospizlich und palliativ Tätigen wie<br />

auch die gesamte hausärztliche Versorgung,<br />

die bei dieser Regelung einmal mehr leer<br />

ausgehen! Aus einer angekündigten verbesserten<br />

ambulanten Versorgung wird ein Sparmodell<br />

der beteiligten Krankenkassen in Hessen<br />

(AOK/DAK/BEK/IKK)!<br />

Die Intention der Politik, Geldmittel für<br />

eine verbesserte allgemeine und spezialisierte<br />

ambulante Palliativversorgung zur<br />

Verfügung zu stellen, wird von diesen Krankenkassen,<br />

wie am Beispiel KAP-Modell<br />

gezeigt, durch erhebliche Einsparungen auf<br />

Kosten der ambulanten Regelversorgung in<br />

ihr Gegenteil verkehrt. Auch der integrative<br />

Ansatz, bestehende Strukturen mit in die<br />

Ausgestaltung einzubeziehen, wie im GKV-<br />

WSG gefordert, wird mit diesem rein krankenhausbasierten<br />

Ansatz ausgehebelt.<br />

Thomas Nolte,<br />

Wiesbaden<br />

dr.nolte@schmerzzentrum-wiesbaden.de<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


Mit Massagen gegen Nackenschmerzen?<br />

Was leistet die Massage bei chronischen Nackenschmerzen?<br />

Wie wirkt sie auf <strong>Schmerz</strong>en,<br />

Funktion, Zufriedenheit des Patienten?<br />

Welche Kosten und Nebenwirkungen entstehen<br />

dadurch? Diese Fragen versuchte J.<br />

Ezzo, Baltimore, in einer randomisierten Metaanalyse<br />

zu klären. Ausgewertet wurden 19<br />

Studien von zwei unabhängigen Reviewern.<br />

Dabei erfüllten zwölf der 19 Studien nur die<br />

Mindestanforderungen auf einem sehr niedrigen<br />

Niveau.<br />

Häufig fehlten die Angaben über die Massagetechnik,<br />

die Ausbildung der Masseure<br />

oder die Erfahrungen damit. Daher wundert<br />

es nicht, dass die Studienergebnisse sehr widersprüchliche<br />

Ergebnisse lieferten. Zum Teil<br />

wurde die Massage als Monotherapie, bei 14<br />

Studien als ein Baustein in einem multimodalen<br />

Gesamtkonzept eingesetzt. Aufgrund der<br />

wenig validen Daten zur Massage kann derzeit<br />

keine Empfehlung über den Stellenwert der<br />

Massagen bei Nackenschmerzen gegeben<br />

werden. In Pilotstudien müsste erst geklärt<br />

werden, in welcher Frequenz, Dauer und Anzahl<br />

der Massagesitzungen und mit welcher<br />

Massagetechnik am besten gearbeitet werden<br />

sollte.<br />

In weiteren größeren klinischen Studien<br />

müsste anschließend der Stellenwert als Mo-<br />

Peridurales Methylprednisolon und<br />

Wundinfiltration mit Bupivacain<br />

Nach einer posterioren lumbosakralen Spinaloperation<br />

lassen sich die postoperativen<br />

<strong>Schmerz</strong>en durch eine peridurale Methylprednisolontherapie<br />

und die Wundinfiltration<br />

mit Bupivacain signifikant senken. In einer<br />

placebokontrolllierten Doppelblindstudie an<br />

insgesamt 103 Patienten mit elektiver posteriorer<br />

Lumbaldiskektomie und einer entlastenden<br />

Laminektomie überprüfte der thailändische<br />

Experte dieses multimodale analgetische<br />

Konzept.<br />

Die <strong>Schmerz</strong>werte wurden nach ein,<br />

zwei, drei, sechs zwölf, 24 und 48 Stunden<br />

gemessen. Darüber hinaus wurde der Oswestry-Index<br />

und die Kurzform des SF-36-<br />

Werts vor dem Eingriff sowie ein und drei<br />

Monate nach der Operation erhoben.<br />

Die demografischen Ausgangswerte<br />

waren in beiden Gruppen vergleichbar. Die<br />

Verumgruppe benötigte signifikant weniger<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Bildarchiv U&V<br />

notherapie und in einem multimodalen Interventionsprogramm<br />

geklärt werden. Erst wenn<br />

standardisierte Studiendesigns entwickelt<br />

wurden und bei den multifaktoriellen Behandlungsprogrammen<br />

der relative Anteil der Massage<br />

an dem Ergebnis evaluiert sei, müssten<br />

in weiteren Studien der Kurzzeit- und auch der<br />

Langzeiterfolg der Massagen weiter abgeklärt<br />

werden, folgerten die Autoren. StK<br />

Massage hilfreich bei Nackenschmerzen?<br />

Morphin postoperativ und auch die angegebenen<br />

<strong>Schmerz</strong>en waren weniger stark<br />

ausgeprägt. Beide Substanzen verursachten<br />

keine perioperativen Komplikationen, sodass<br />

die Autoren folgern, dass die Kombination<br />

von Methylprednisolon und Bupivacain, unmittelbar<br />

nach der Spinaloperation appliziert,<br />

einen günstigen Effekt auf den Verlauf nach<br />

posterioren lumbosakralen Eingriffen wie<br />

Diskektomien, Dekompressionen und/oder<br />

Spinalfusionen haben – ohne Gefahr zusätzlicher<br />

Komplikationen.<br />

K. Jirarattana, Phochai, et al. Peridural methylprednisolone<br />

and wound infiltration with bupivacacin<br />

for postoperative pain control after posterior<br />

lumbar spine surgery: a randomized double-blind<br />

placebo-controlled trial. Spine <strong>2007</strong>;<br />

32:609–616.<br />

Infotelegramm<br />

Internationale Presse<br />

SSRI statt Gabapentin?<br />

Antidepressiva wie Citalopram und Paroxetin<br />

lindern bei Patienten mit diabetischer<br />

Neuropathie die <strong>Schmerz</strong>en besser und mit<br />

weniger Nebenwirkungen als Gabapentin,<br />

das bisher als eines der bevorzugten Antikonvulsiva<br />

gilt. Dies ergab eine griechische<br />

Studie an 101 Patienten, die prospektiv<br />

über sechs Monate einen selektiven Serotonin-Reuptakehemmer<br />

oder Gabapentin<br />

bekamen (Clin J Pain <strong>2007</strong>; 23:267–269).<br />

Memantine lindert CRPS-<strong>Schmerz</strong><br />

Der N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptorantagonist<br />

Memantine linderte nach einer achtwöchigen<br />

<strong>Therapie</strong> bei sechs Patienten mit<br />

einem komplexen regionalen <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />

(CRPS) der oberen Extremität die<br />

<strong>Schmerz</strong>en und führte zu einer Verbesserung<br />

der Motorik und autonomen Veränderungen<br />

(Clin J Pain <strong>2007</strong>; 23: 237–243).<br />

Neues High-Tech-Gerät für das SCS<br />

Das Precision TM Spinal Cord System wurde<br />

von Dr A. Koulousakis, Köln, erstmals<br />

auch in Europa eingesetzt. Das revolutionäre<br />

System zur Neurostimulation erlaubt<br />

eine genau dosierbare Stromabgabe und<br />

verfügt über eine wiederaufladbare Batterie<br />

(News Release, Boston Scientific Corporation,<br />

März <strong>2007</strong>).<br />

Reizstrom gegen das Reizdarmsyndrom<br />

Reizstromimpulse aus dem Medigjord-Gürtel<br />

bringen, wenn sie zweimal täglich für<br />

etwa 15 Minuten eingesetzt werden, den<br />

Darm auf Trab (Info bei dem Hersteller<br />

www.medigjord.de).<br />

Adenosin-Agonist GR79236X –<br />

ein Flop?<br />

In einer multizentrischen randomisierten<br />

Kontrollstudie an 79 Patienten nach Extraktion<br />

der dritten Molaren in Vollnarkose<br />

prüfte die britische Arbeitsgrupppe von<br />

J. R. Sneyd et al., Plymouth, den Adenosinagonist<br />

in den beiden Dosierungen 4 µg/kg<br />

KG oder 10 µg/kg KG gegen Placebo oder<br />

die Infusion von 50 mg Diclofenac. Beide<br />

Dosierungen des Adenosinagonisten in einer<br />

15-minütigen Infusion waren nicht effektiver<br />

als Placebo und nur Diclofenac reduzierte<br />

die postoperativen Beschwerden<br />

signifikant (Br J Anaesth. <strong>2007</strong>; Epub<br />

ahead of print).<br />

21


DRG-System<br />

Finanzierung stationärer <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

und Palliativmedizin<br />

Das DRG-System gilt auch für <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> und Palliativmedizin.<br />

Welche aktuellen Möglichkeiten der Abrechnung bei diesem Pauschalvergütungssystem<br />

bestehen, schildert Dr. med. Eberhard Lux, Lünen,<br />

sehr praxisnah an Fallbeispielen.<br />

Seit dem Jahr 2004 erfolgt die Vergütung<br />

von stationär erbrachten Leistungen mit<br />

Ausnahme psychiatrischer Einrichtungen<br />

nach einem System der Pauschalvergütung<br />

– dem sog. DRG-System (Diagnosis Related<br />

Group). Im Rahmen dieses Vergütungssystems<br />

ist spezifisch für jedes Krankenhaus ein<br />

dem durchschnittlichen Ressourcenverbrauch<br />

pro Fall errechneter Geldwert, die sog. Base-<br />

Rate, definiert und in den Pflegesatzverhandlungen<br />

der Kliniken vereinbart. Die Vergütung<br />

im Einzelfall richtet sich nach dem sog.<br />

Schweregrad (CW-Wert) des Behandlungsfalles,<br />

welcher sich aus der Kombination von<br />

Haupt- und Nebendiagnosen (ICD-10) und<br />

aus den in einem jährlich aktualisierten OPS-<br />

Katalog niedergelegten Leistungen ergibt.<br />

22<br />

Für besonders kostenintensive Leistungen<br />

sind sog. Zusatzentgelte mit festen Beträgen<br />

definiert, welche den Kostenträgern zusätzlich<br />

zur DRG berechnet werden können.<br />

CW-Wert<br />

Elektronische Rechenprogramme (Grouper)<br />

berechnen heute nach Eingabe der Diagnosen<br />

und OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel)<br />

den entsprechenden Schweregrad<br />

(CW-Wert). Dieser, multipliziert mit der Base-<br />

Rate des Krankenhauses, ergibt den Geldbetrag,<br />

welcher durch die Kostenträger dem<br />

Krankenhaus vergütet wird. Wissenswert ist,<br />

dass jedes Krankenhaus jährlich mit den Kostenträgern<br />

ein Gesamtbudget verhandelt,<br />

sodass durchaus nicht alle erbrachten Leis-<br />

Patientenbeispiele 1 und 2<br />

Patientenbeispiel 1:<br />

Hauptdiagnose: Kopfschmerz vom Spannungstyp G44.2<br />

Nebendiagnosen: Medikamentenabhängigkeit F19.2<br />

Psychogene Gangstörung F44.4<br />

Lumbale Spondylarthrose<br />

Chronischer <strong>Schmerz</strong> mit psycho-<br />

M47.86<br />

sozialen Anteilen F62.80<br />

Aufenthaltsdauer: 16 Tage<br />

OPS 8-918.1<br />

DRG B47Z<br />

CW-Wert 1,485 bei einer angenommenen Base-Rate von 2506,00 €<br />

Gesamtvergütung: 3 722,05 €<br />

Patientenbeispiel 2:<br />

Hauptdiagnose: Polyarthrose M15.0<br />

Nebendiagnosen: Längere depressive Reaktion F43.2<br />

Diabetes mellitus Typ 2 E11.90<br />

Lumbale Spinalkanalstenose<br />

Chronischer <strong>Schmerz</strong> mit psycho-<br />

M48.06<br />

sozialen Anteilen F62.80<br />

Aufenthaltsdauer: 24 Tage<br />

OPS 8-918.1<br />

DRG I42Z<br />

CW-Wert 1,308 bei einer angenommenen Base-Rate von 2506,00 €<br />

Gesamtvergütung: 3 278,41 €<br />

tungen vergütet<br />

werden. Die Vergütung<br />

erfährt – Eberhard Lux, Lünen<br />

wie man dies auch<br />

aus der Vergütung<br />

ambulant erbrachter Leistungen kennt – eine<br />

Kappungsgrenze.<br />

Spezielle OPS-Schlüssel sind für stationäre,<br />

multimodale <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> (unter<br />

1.), die komplexe Akutschmerztherapie (unter<br />

2.) sowie stationäre palliativmedizinische<br />

Leistungen (unter 3.) definiert. Diese sollen<br />

im Folgenden vertiefend dargestellt werden.<br />

1. Stationäre <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

(OPS 8-918)<br />

Stationär können schmerztherapeutische<br />

Leistungen im besonderen Maße abgerechnet<br />

werden, wenn Mindestmerkmale für eine<br />

multimodale <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> erbracht worden<br />

sind (siehe Tab. 1).<br />

Indikationen für die Anwendung des<br />

OPS-Schlüssels 8-918 sind Patienten, welche<br />

unter chronischem <strong>Schmerz</strong> leiden und<br />

• manifeste oder drohende Beeinträchtigung<br />

der Lebensqualität oder der Arbeitsfähigkeit<br />

aufweisen,<br />

• unimodale Behandlungsversuche ambulant<br />

oder stationär fehlgeschlagen sind,<br />

• ein bestehender Medikamentenfehlgebrauch,<br />

resp. eine Medikamentenabhängigkeit<br />

besteht,<br />

• gravierende psychiatrische/psychische Komorbiditäten<br />

zu beobachten sind oder<br />

• eine gravierende somatische Begleiterkrankung<br />

besteht, aufgrund derer die<br />

Durchführung spezieller <strong>Therapie</strong>methoden<br />

im ambulanten Setting nicht zu verantworten<br />

sind.<br />

Die schmerztherapeutische Komplexbehandlung<br />

ist nach der Länge der Verweilzeit des<br />

Patienten zu dokumentieren, wobei aktuell<br />

jedoch die Länge der Behandlungsdauer des<br />

Patienten keine Höhergruppierung des Patienten<br />

im DRG-System triggert.<br />

2. Komplexe Akutschmerzbehandlung<br />

(OPS 8-919)<br />

Für die komplexe Akutschmerzbehandlung<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


wurde der OPS 8-919 definiert. Der OPS ist<br />

anwendbar für Patienten mit akutem postoperativem,<br />

posttraumatischem oder exazerbiertem<br />

Tumorschmerz. Die Voraussetzungen zur<br />

Definition sind in der Tabelle 2 definiert. Eine<br />

Geldleistung folgt der Dokumentation der<br />

OPS 8-919 aktuell noch nicht. Ich möchte<br />

jedoch alle Kolleginnen und Kollegen dazu<br />

motivieren – sofern die o.g. Leistungen erfüllt<br />

werden –, den OPS-Schlüssel zu dokumentieren,<br />

damit wir dem Institut für das Entgeltsystem<br />

im Krankenhaus gGmbH (InEK)<br />

nachweisen können, wie häufig die Leistungsinhalte<br />

erbracht werden.<br />

3. Palliativmedizin (OPS 8-982)<br />

Für die Erbringung komplexer palliativmedizinischer<br />

Leistungen ist der OPS 8-982 definiert.<br />

Dieser Schlüssel ist bei der komplexen<br />

palliativmedizinischen Versorgung von Patienten<br />

anwendbar, welche unter einer progredienten<br />

und bereits fortgeschrittenen Erkrankung<br />

mit begrenzter Lebenserwartung leiden,<br />

ohne dass eine kurative Intention der Behandlung<br />

besteht. Die Voraussetzungen zur<br />

Dokumentation der OPS 8-982 sind in Tab. 3<br />

definiert. Ein Sonderentgelt in Höhe von<br />

1101,46 € ist mit der Dokumentation der<br />

OPS 8-982 abzurechnen.<br />

Die Organisation palliativmedizinischer<br />

Versorgung von Patienten geschieht in deutschen<br />

Kliniken zurzeit in zwei Formen. Die<br />

optimale Patientenversorgung ist sicher diejenige<br />

auf einer Palliativstation – einem abgeschlossenen,<br />

eigenständigen Stationsbereich<br />

unter ärztlicher Leitung eines Facharztes mit<br />

der Zusatzbezeichnung „Palliativmedizin“,<br />

– mit speziellen Personalschlüsseln der Pflegekräfte<br />

sowie dem regelhaften Tätigwerden<br />

psychosozialer Berufsgruppen. Auf Palliativstationen<br />

sind vielfach ehrenamtlich Tätige<br />

aus regionalen Hospizgruppen im Einsatz.<br />

Aufgrund des hohen Ressourceneinsatzes<br />

haben bisher viele Kliniken die Organisation<br />

einer Palliativstation vermieden, da<br />

die erhöhten Ressourcenkosten bisher im<br />

DRG-System nicht abgebildet wurden. Eine<br />

Vielzahl von Palliativstationen rechnete auch<br />

unter Zeiten des DRG-Systems weiter tagesgleiche<br />

Pflegesätze ab.<br />

Eine zweite Organisationsform ist der<br />

sog. palliativmedizinische Konsiliardienst;<br />

hier bleiben die Patienten auf den Stationen<br />

ihres Fachgebietes und werden zusätzlich<br />

durch ein Palliativteam (Palliativmediziner, in<br />

Palliativ-Care geschulte Pflegende, Psychologen,<br />

Kreativ-Therapeuten sowie Sozialarbeiter)<br />

betreut. Diese Organisationsform vermag<br />

die Patientenbetreuung deutlich zu verbessern,<br />

palliativmedizinische Einstellungen<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Patientenbeispiel 3<br />

Hauptdiagnose: Metastasierendes Pharynxkarzinom C10.2<br />

Nebendiagnosen: Schluckstörungen R13.9<br />

Versorgung über PEG und Port<br />

Spinalkanalstenose<br />

Längere depressive Reaktion F43.2<br />

Tumorschmerz R52.1<br />

Tabelle 1: 8-918 Multimodale <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>, Erläuterung<br />

DRG-System<br />

Aufenthaltsdauer: 16 Tage<br />

OPS 8-982<br />

DRG J61C<br />

CW-Wert 0,818 bei einer angenommenen Base-Rate von 2506,00 € ergab sich bisher<br />

für die DRG J61C ein Geldbetrag von 2 526,00 €.<br />

Bei Dokumentation der OPS 8-982 kommt hier ein Zusatzentgelt<br />

von 1 101,45 € dazu, sodass jetzt ein<br />

Gesamtbetrag von 3 627,45 € abgerechnet werden kann.<br />

Hier ist eine mindestens siebentägige interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit chronischen<br />

<strong>Schmerz</strong>zuständen (einschließlich Tumorschmerzen) unter Einbeziehung von mindestens zwei Fachdisziplinen,<br />

davon eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologische Disziplin, nach Behandlungsplan<br />

mit ärztlicher Behandlungsleitung bei Patienten zu kodieren, die mindestens drei der<br />

nachfolgenden Merkmale aufweisen:<br />

• Manifeste oder drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität und/oder der Arbeitsfähigkeit<br />

• Fehlschlag einer vorherigen unimodalen <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>, eines schmerzbedingten operativen<br />

Eingriffs oder einer Entzugsbehandlung<br />

• Bestehende/r Medikamentenabhängigkeit oder Fehlgebrauch<br />

• Gravierende psychische Begleiterkrankung<br />

• Gravierende somatische Begleiterkrankung<br />

Dieser Kode erfordert eine interdisziplinäre Diagnostik durch mindestens zwei Fachdisziplinen (obligatorisch<br />

und eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologische Disziplin) sowie die gleichzeitige<br />

Anwendung von mindestens drei der folgenden aktiven <strong>Therapie</strong>verfahren: Psychotherapie<br />

(Verhaltenstherapie), spezielle Physiotherapie, Entspannungsverfahren, Ergotherapie, medizinische<br />

Trainingstherapie, sensomotorisches Training, Arbeitsplatztraining, Kunst- oder Musiktherapie oder<br />

sonstige übende <strong>Therapie</strong>n. Er umfasst weiter die Überprüfung des Behandlungsverlaufs durch ein<br />

standardisiertes therapeutisches Assessment mit interdisziplinärer Teambesprechung.<br />

Die Anwendung dieses Kodes setzt die Zusatzqualifikation „Spezielle <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>“ bei der/dem<br />

Verantwortlichen voraus.<br />

Tabelle 2: 8-919 Komplexe Akutschmerzbehandlung, Erläuterung<br />

• Dieser Kode umfasst die Einleitung, Durchführung und Überwachung einer speziellen <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

oder Symptomkontrolle bei Patienten mit schweren akuten <strong>Schmerz</strong>zuständen (z.B. nach<br />

Operationen, Unfällen oder schweren, exazerbierten Tumorschmerzen) mit einem der unter 8-910<br />

bis 8.911 genannten Verfahren, mit kontinuierlichen Regionalanästhesieverfahren (z.B. Plexuskatheter)<br />

oder parenteraler patientenkontrollierter Analgesie (PCA) durch spezielle Einrichtungen<br />

(z.B. Akutschmerzdienst) mit mindestens zweimaliger Visite pro Tag.<br />

• Der Kode ist auch bei Tumorschmerzen anzuwenden, bei denen akute <strong>Schmerz</strong>exazerbationen oder<br />

<strong>Therapie</strong>resistenz von tumorbedingten oder tumorassoziierten <strong>Schmerz</strong>zuständen im Vordergrund<br />

des Krankheitsbildes stehen und den Einsatz spezieller schmerztherapeutischer Verfahren und<br />

Techniken erfordern.<br />

• Die Anwendung dieses Kodes erfordert die Dokumentation von mindestens drei Aspekten der Effektivität<br />

der <strong>Therapie</strong> (Analgesie, Symptomintensität, Symptomkontrolle, Ermöglichung aktiver<br />

<strong>Therapie</strong>).<br />

• Der Kode ist nicht anwendbar bei <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> nur am Operationstag.<br />

23


DRG-System<br />

und Überzeugungen und daraus abgeleitetes<br />

Handeln entwickelt sich auf den Stationen erfahrungsgemäß<br />

verzögert.<br />

In Modellrechnungen geht man davon<br />

aus, dass pro eine Million zu versorgende<br />

Einwohner 50 Palliativbetten notwendig sind.<br />

Rechnet man die durchschnittliche Versorgungsdichte<br />

von 200 000 Einwohnern pro<br />

mittlerem Krankenhaus, so würden zehn Palliativbetten<br />

für ein derartiges Krankenhaus<br />

notwendig sein. Geht man von einer Auslastung<br />

von 85% und einer durchschnittlichen<br />

Verweildauer von 16 Tagen aus, so kann<br />

man mit 250 Fällen pro Jahr und Krankenhaus<br />

rechnen.<br />

Organisiert das Krankenhaus einen<br />

dezentral arbeitenden Palliativdienst (pallia-<br />

24<br />

tivmedizinisches Konsil), dann würden dem<br />

Krankenhaus, sofern man von einer zusätzlichen<br />

Behandlung der durch die Kostenträger<br />

bereitgestellten Mittel bei bisheriger<br />

Deckelung der Krankenkasseneinnahmen<br />

ausgeht, ca. 250 000,00 € zur Verfügung<br />

stehen. Dieses könnte bedeuten, dass<br />

dem palliativmedizinischen Konsiliarteam<br />

eine Arztstelle (ca. 95 000,00 € pro Jahr),<br />

eine Palliativ-Care-ausgebildete Schwester<br />

(45000,00 € pro Jahr), ein Psychoonkologe<br />

(80 000,00 € pro Jahr) sowie eine halbe<br />

Stelle Kreativ-Therapeut (30 000,00 €) oder<br />

eine halbe Stelle Sozialarbeiter (30 000,00<br />

€) finanzierbar wären. Zusätzliche physiotherapeutische<br />

Leistungen werden benötigt.<br />

Aus der praktischen Erfahrung sind die zur<br />

Tabelle 3: 8-982 Palliativmedizinische Komplexbehandlung, Mindestmerkmale<br />

• Aktive, ganzheitliche Behandlung zur Symptomkontrolle und psychosozialen Stabilisierung ohne<br />

kurative Intention und im Allgemeinen ohne Beeinflussung der Grunderkrankung von Patienten mit<br />

einer progredienten, fortgeschrittenen Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung unter Einbeziehung<br />

ihrer Angehörigen und unter Leitung eines Facharztes mit der Zusatzweiterbildung Palliativmedizin<br />

(sofern diese noch nicht vorliegt, ist zur Aufrechterhaltung bereits bestehender palliativmedizinischer<br />

Versorgungsangebote übergangsweise bis zum Jahresende 2008 eine vergleichbare<br />

mindestens einjährige Erfahrung im Bereich Palliativmedizin ausreichend)<br />

• Aktivierend- oder begleitend-therapeutische Pflege durch besonders in diesem Bereich geschultes<br />

Pflegepersonal<br />

• Erstellung und Dokumentation eines individuellen Behandlungsplanes bei Aufnahme<br />

• Wöchentliche multidisziplinäre Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger<br />

Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele<br />

• Einsatz von mindestens zwei der folgenden <strong>Therapie</strong>bereiche:<br />

Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psychologie, Physiotherapie, künstlerische <strong>Therapie</strong> (Kunst- und Musiktherapie),<br />

Entspannungstherapie, Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche mit insgesamt<br />

mindestens sechs Stunden pro Patient und Woche in patientenbezogenen unterschiedlichen<br />

Kombinationen<br />

Abrechnung geforderten und für eine qualitativ<br />

hochwertige Patientenversorgung geforderten<br />

personellen Voraussetzungen in der<br />

beschriebenen Weise notwendig.<br />

Ausblick<br />

Gesundheitspolitisch ist eine Überwindung<br />

der starren Grenzen zwischen stationärer<br />

und ambulanter Versorgung ausgemachtes<br />

Ziel. Gerade auf dem Gebiet der <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

und der Palliativmedizin ist durch enge<br />

Zusammenarbeit der stationär und ambulant<br />

tätigen Partner ein rationeller Umgang mit<br />

vorhandenen Ressourcen bei steigender Behandlungsqualität<br />

denkbar. In schmerztherapeutischen<br />

Qualitätszirkeln und <strong>Schmerz</strong>konferenzen<br />

ist eine enge praktische Zusammenarbeit<br />

zwischen stationär und ambulant<br />

tätigen Kolleginnen und Kollegen längst Tradition.<br />

Im Bereich palliativmedizinischer Versorgung<br />

streben gerade Palliativstationen<br />

nach einer Kontinuität der Betreuung ihrer<br />

Patienten, welcher durch das verstärkte ambulante<br />

Wirksamwerden von Palliativ-Pflegediensten<br />

und Palliativ-Konsiliardiensten im<br />

Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbes in<br />

der GKV Rechnung getragen wird.<br />

Stationäre <strong>Schmerz</strong>- und Palliativmedizin<br />

ist auch unter den oben dargestellten<br />

Finanzierungsvoraussetzungen in aller Regel<br />

nicht kostendeckend erbringbar. Wollen wir in<br />

Krankenhäusern dennoch eine hochwertige<br />

Versorgung chronisch <strong>Schmerz</strong>kranker und<br />

palliativ zu versorgender Patienten erreichen,<br />

müssen alternative Finanzierungen über Fördervereine<br />

etc. genutzt werden.<br />

Eberhard Lux, Lünen<br />

Cannabinoidhaltige Arzneimittel – endgültiges<br />

Aus für die <strong>Therapie</strong> auf GKV-Basis?<br />

Nachdem die sog. Nikolaus-Entscheidung des BVerfG (Az. 1 BvR 347/98)<br />

vom 06.12.2005 (vgl. hierzu Heft 4/06, S. 20f.) die Hoffnung auf die<br />

Erstattung neuartiger, nicht bereits mit klinischen Studien höchster Evidenzklassen<br />

belegter <strong>Therapie</strong>n zulasten der gesetzlichen Krankenkasse<br />

geweckt hatte, hat das BSG in einer aktuellen Entscheidung vom<br />

27.03.<strong>2007</strong> (Az. B 1 KR 30/06) nun die Erstattungsfähigkeit der <strong>Therapie</strong><br />

eines chronisch schmerzkranken Patienten mit Cannabinol verneint.<br />

Dieses Urteil und die Hintergründe stellt Rechtsanwältin Heike Müller,<br />

Sindelfingen, vor.<br />

Der Fall<br />

Gegenstand der Entscheidung des Bundessozialgerichts<br />

war die <strong>Therapie</strong> eines durch<br />

einen Motorradunfall querschnittsgelähmten<br />

und infolgedessen an einem chronischen<br />

<strong>Schmerz</strong>syndrom leidenden Klägers. Auf-<br />

Heike Müller,<br />

Sindelfingen<br />

grund seines erheblichen Leidensdrucks hatte<br />

dieser bereits ernsthaft einen Suizid ins Auge<br />

gefasst. Der den Kläger behandelnde Arzt für<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


Anästhesie und Spezielle <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

hielt einen <strong>Therapie</strong>versuch mit Cannabinol<br />

für indiziert, nachdem die bisherige <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

mit Opioiden keine ausreichende<br />

Reduktion der neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en<br />

bewirken konnte.<br />

Die Entscheidung<br />

Der für die Krankenversicherung zuständige<br />

Erste Senat des Bundessozialgerichts lehnte<br />

einen Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung<br />

für das cannabinoidhaltige Arzneimittel<br />

mit der Begründung ab, ein in Deutschland<br />

zugelassenes cannabinoidhaltiges<br />

Fertigarzneimittel existiere nicht. Die – allerdings<br />

nicht für den Bereich der <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

– bestehende Arzneimittelzulassung<br />

des Fertigarzneimittels Marinol in den USA<br />

entfalte keine Rechtswirkungen für Deutschland<br />

und rechtfertige trotz des arzneimittelrechtlich<br />

zulässigen Arzneimittelimports<br />

nach § 73 Abs. 3 AMG keine Erstattungsfähigkeit<br />

des Arzneimittels. Auch als cannabinoidhaltiges<br />

Rezepturarzneimittel könne der<br />

Kläger die Erstattung nicht begehren, da es<br />

an der erforderlichen Anerkennung des Gemeinsamen<br />

Bundesausschusses gemäß<br />

§ 135 Abs. 1 S. 1 SGB V für neue <strong>Therapie</strong>methoden<br />

fehle. Ein Ausnahmefall, in dem<br />

trotz fehlender Empfehlung eine neuartige<br />

<strong>Therapie</strong> beansprucht werden könne, liege<br />

nicht vor, da es sich weder um einen sog.<br />

systematisch nicht erforschbaren Seltenheitsfall<br />

handle noch die fehlende Anerkennung<br />

des Gemeinsamen Bundesausschusses<br />

auf sachfremde oder<br />

willkürliche Erwägungen zurückzuführen<br />

sei. Die Voraussetzungen<br />

einer erweiterten Leistungspflicht der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung für neuartige<br />

<strong>Therapie</strong>methoden nach der Rechtsprechung<br />

des BVerfG verneinte der Senat mit<br />

der Begründung, das chronische <strong>Schmerz</strong>syndrom<br />

des Klägers<br />

sei nicht mit einer lebensbedrohlichen<br />

oder regelmäßig tödlich<br />

verlaufenden<br />

oder wertmäßig<br />

vergleichbaren<br />

E r k r a n k u n g<br />

gleichzustellen.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Hintergründe<br />

Das Urteil des BSG lässt sich ohne Weiteres<br />

in die Reihe der in den letzten beiden Jahren<br />

ergangenen Urteile des BSG zur Erstattungsfähigkeit<br />

neuartiger <strong>Therapie</strong>methoden einordnen<br />

und ist insoweit auch konsequent.<br />

Grundlage des den Erstattungsanspruch verneinenden<br />

Urteils ist die bislang noch ungenügende<br />

wissenschaftliche Erkenntnislage<br />

bezüglich der Wirksamkeit von Cannabinol<br />

zur <strong>Therapie</strong> chronischer <strong>Schmerz</strong>en. Insoweit<br />

handelt es sich bei der <strong>Therapie</strong> mit dem<br />

Arzneimittel noch um eine sich im Prüfstadium<br />

befindliche Behandlungsmethode. Gemäß<br />

§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V haben Qualität<br />

und Wirksamkeit der Leistungen im Rahmen<br />

der GKV jedoch dem allgemein anerkannten<br />

Stand der medizinischen Erkenntnisse zu<br />

entsprechen. Die Finanzierung der medizinischen<br />

Forschung ist demgegenüber nicht<br />

Gegenstand des Leistungskataloges der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung. Insoweit ist<br />

jedoch zu beachten, dass durch einen Heilversuch<br />

im Einzelfall an sich keine medizinische<br />

Forschung betrieben wird. Deshalb<br />

hat das BVerfG einen Leistungsanspruch des<br />

Medizin und Recht<br />

Versicherten aus verfassungsrechtlicher Sicht<br />

auch dann anerkannt, wenn<br />

• eine lebensbedrohliche oder regelmäßig<br />

tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt,<br />

• bezüglich dieser Krankheit keine allgemein<br />

anerkannte, medizinischem Standard entsprechende<br />

Behandlung zur Verfügung<br />

steht und<br />

• bezüglich der beim Versicherten ärztlich<br />

angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten)<br />

Behandlungsmethode eine auf<br />

„Indizien gestützte“, nicht ganz fern liegende<br />

Aussicht auf Heilung oder wenigstens<br />

auf eine spürbare Einwirkung auf den<br />

Krankheitsverlauf besteht.<br />

Vorliegend scheiterte ein Anspruch auf Kostenerstattung<br />

jedoch deshalb, da die chronische<br />

<strong>Schmerz</strong>krankheit nach Auffassung<br />

des BSG nicht mit der vonseiten des BVerfG<br />

geforderten lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig<br />

tödlich verlaufenden Erkrankung auf<br />

eine Stufe gestellt werden kann. Nach Auffassung<br />

des BSG kann eine solche Gleichstellung<br />

allenfalls für den nicht kompensierten<br />

Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder<br />

einer herausgehobenen Körperfunktion erfolgen.<br />

Ausblick<br />

Es ist zu vermuten, dass auch das BVerfG in<br />

dem zu entscheidenden Fall einen Kostenerstattungsanspruch<br />

des Klägers ablehnen<br />

wird, möchte es nicht riskieren, dass die vom<br />

Gesetzgeber bewusst gezogenen Grenzen<br />

der Erstattungsfähigkeit von neuartigen <strong>Therapie</strong>methoden<br />

im Rahmen der GKV weiter<br />

verwässert werden und damit die Leistungsfähigkeit<br />

des gesetzlichen Krankenversicherungssystems<br />

gefährdet wäre. Der behandelnde<br />

Arzt steht in diesen Fällen vor einem<br />

ethischen Dilemma. Rechtlich kann aus der<br />

Entscheidung jedoch nur die Konsequenz<br />

gezogen werden, Cannabinol auf<br />

Privatrezept zu verordnen und den<br />

Patienten über die fehende Erstattungsfähigkeit<br />

durch die gesetzliche<br />

Krankenversicherung aufzuklären.<br />

Insoweit befindet sich der<br />

behandelnde Arzt sowohl haftungsrechtlich<br />

als auch strafrechtlich<br />

auf der sicheren Seite, da er nicht verpflichtet<br />

ist, ein sich noch im Erprobungsstadium<br />

befindendes Arzneimittel<br />

einzusetzen.<br />

Heike Müller, Sindelfingen<br />

25


Bücherecke<br />

<strong>Schmerz</strong>en am Bewegungsapparat<br />

Markus Schiltenwolf/Peter Henningsen:<br />

Muskuloskelettale <strong>Schmerz</strong>en – Diagnostizieren<br />

und <strong>Therapie</strong>ren nach biopsychosozialem Konzept;<br />

XVII, 321 S., m. 95 Abb., geb., € 59,95,<br />

2006, ISBN 978-3-7691-0475-2, <strong>Deutsche</strong>r<br />

Ärzte-Verlag, Köln.<br />

Bereits die unterschiedlichen Fachgebiete der<br />

beiden Herausgeber Prof. Dr. med. Marcus<br />

Schiltenwolf, Orthopäde und <strong>Schmerz</strong>therapeut,<br />

sowie Prof. Dr. med. Peter Henningsen,<br />

Neurologe und Psychiater sowie Direktor der<br />

psychosomatischen Medizin der TU München,<br />

garantieren, dass die <strong>Schmerz</strong>en am Bewegungsapparat<br />

in diesem Buch biopsychosozial<br />

diagnostiziert und multimodal therapiert<br />

werden.<br />

In eigenen Kapiteln werden die Behandlungsformen<br />

zuerst isoliert und dann gemeinsam im<br />

multimodalen Konzept erörtert. Abgerundet<br />

wird das Buch von einer Leitlinie zur Begutachtung<br />

von <strong>Schmerz</strong>en. Sicher für <strong>Schmerz</strong>therapeuten<br />

eine Bereicherung, um bei der multimodalen<br />

<strong>Therapie</strong> alle Möglichkeiten vor Augen<br />

zu haben. StK<br />

Impressum<br />

Organ der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

Herausgeber<br />

Gerhard Müller-Schwefe,<br />

Schillerplatz 8/1, D-73033 Göppingen<br />

Tel. 07161/976476 · Fax 07161/976477<br />

E-Mail: gp@dgschmerztherapie.de<br />

Schriftleitung<br />

Thomas Flöter, Frankfurt; Olaf Günther, Magdeburg;<br />

Dietrich Jungck, Hamburg; Uwe Junker, Remscheid;<br />

Stephanie Kraus (verantw.), Stephanskirchen; Thomas<br />

Nolte, Wiesbaden; Reinhard Thoma, Tutzing; Michael<br />

Überall, Nürnberg<br />

Beirat<br />

Joachim Barthels, Bad Salzungen; Christoph Baerwald, Leipzig;<br />

Wolfgang Bartel, Halberstadt; Heinz-Dieter Basler, Marburg;<br />

Günter Baust, Halle/ Saale; Klaus Borchert, Greifswald;<br />

Burkhard Bromm, Hamburg; Kay Brune, Erlangen; Mathias<br />

Dunkel, Wiesbaden; Oliver Emrich, Ludwigshafen; Gerd<br />

Geisslinger, Frankfurt; Hartmut Göbel, Kiel; Henning Harke,<br />

Krefeld; Ulrich Hankemeier, Bielefeld; Winfried Hoerster,<br />

26<br />

Mit Biofeedback gegen<br />

Kinderschmerzen<br />

Ingrid Pirker-Binder: Biofeedback in der Praxis.<br />

Band 1 Kinder. XVIII, 182 S., 50 Abb., brosch.,<br />

€ 29,90, 2006, ISBN 3-211-29190-3, Springer<br />

Wien, New York.<br />

Biofeedback ist in der Pädiatrie beileibe nicht<br />

nur bei Kopfschmerzen ein probates Verfahren.<br />

Die Wiener Biofeedbackexpertin Ingrid<br />

Pirker-Binder beschreibt in diesem Buch die<br />

breiten Indikationsgebiete des Biofeedbacktrainings.<br />

Ausgehend von dem Stellenwert im<br />

<strong>Schmerz</strong>management und bei kindlichen<br />

Kopfschmerzen widmen sich weitere Kapitel<br />

dem Neurofeedback und Indikationen wie<br />

dem ADHS. Selbst für kleine Künstler und<br />

Sportler bietet sich mit dem Biofeedbacktraining<br />

eine elegante Methode, dem Leistungsdruck<br />

besser gewachsen zu sein.<br />

Dieses Buch ermuntert dazu, die präventiven<br />

Potenziale dieser Techniken bei Kindern mehr<br />

zu nutzen und richtet sich daher nicht nur an<br />

Biofeedbacktherapeuten, sondern auch an<br />

Pädiater, Lehrer und Eltern. StK<br />

Gießen; Stein Husebø, Bergen; Klaus Jork, Frankfurt;<br />

Edwin Klaus, Würzburg; Eberhard Klaschik, Bonn;<br />

Lothar Klimpel, Ludwigshafen; Bruno Kniesel, Hamburg;<br />

Marianne Koch, Tutzing; Bernd Koßmann, Wangen; Peter<br />

Lotz, Bad Lippspringe; Christoph Müller-Busch, Berlin;<br />

Robert Reining, Passau; Robert F. Schmidt, Würzburg;<br />

Günter Schütze, Iserlohn; Hanne Seemann, Heidelberg;<br />

Ralph Spintge, Lüdenscheid; Birgit Steinhauer, Limburg;<br />

Georgi Tontschev, Bernau; Roland Wörz, Bad Schönborn;<br />

Henning Zeidler, Hannover; Walter Zieglgänsberger,<br />

München; Manfred Zimmermann, Heidelberg<br />

In Zusammenarbeit mit dem Fachverband <strong>Schmerz</strong>,<br />

Verband <strong>Deutsche</strong>r Ärzte für Algesiologie e.V., <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Algesiologie e.V., <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Algesiologische Fachassistenz e. V.,<br />

<strong>Deutsche</strong> Akademie für Algesiologie, GAF <strong>Gesellschaft</strong><br />

für algesiologische Fortbildung mbH, <strong>Deutsche</strong> <strong>Schmerz</strong>liga<br />

e.V., Verband ambulant tätiger Anästhesisten e.V.,<br />

Gesamtdeutsche <strong>Gesellschaft</strong> für Manuelle Medizin<br />

e.V., <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> zum Studium des <strong>Schmerz</strong>es<br />

e.V. und <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Mund-, Kiefer- und<br />

Gesichtschirurgie<br />

Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffentlichung<br />

erwirbt der Verlag vom Autor alle Rechte, insbesondere<br />

<strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> am<br />

Bewegungsapparat<br />

Jürgen Heisel, Jörg Jerosch: <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

der Halte- und Bewegungsorgane. Allgemeine<br />

und spezielle <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong>. <strong>2007</strong>, XV, 390 S.,<br />

247 illustr., geb., ISBN: 978-3-540-29890-8,<br />

Springer Verlag, Heidelberg.<br />

Bei diesem Lehrbuch über die <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong><br />

der Halte- und Bewegungsorgane haben<br />

sich zwei Orthopäden aus dem konservativen<br />

und operativen Bereich zusammengetan, um<br />

die komplexe <strong><strong>Schmerz</strong>therapie</strong> praxisnah darzustellen.<br />

Anschauliche Abbildungen und Tabellen<br />

erleichtern das Verständnis. Die Orthopädie<br />

verlangt ein funktionelles Denken. Daher<br />

ist es das erklärte Ziel der beiden Autoren,<br />

mögliche auslösende Ursachen akuter und<br />

chronischer <strong>Schmerz</strong>syndrome im Bereich der<br />

Extremitäten und Wirbelsäule zu beleuchten<br />

und Richtlinien für eine sinnvolle Behandlung<br />

zu vermitteln. Für jeden Arzt, der sich mit den<br />

<strong>Schmerz</strong>syndromen am Bewegungsapparat<br />

tagtäglich auseinandersetzen muss, eine empfehlenswerte<br />

Lektüre. StK<br />

das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />

Zwecken mithilfe fotomechanischer oder anderer<br />

Verfahren. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen<br />

einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt.<br />

Bezugspreis: Einzelheft 12,– Euro<br />

Abonnement für 4 Ausgaben pro Jahr 40,– Euro<br />

(zzgl. Versand, inkl. MwSt.).<br />

Der Mitgliedsbeitrag des DGS schließt den Bezugspreis<br />

der Zeitschrift mit ein. Die Zeitschrift erscheint im<br />

23. Jahrgang.<br />

Verlag<br />

© URBAN & VOGEL GmbH, München,<br />

Juni <strong>2007</strong><br />

Leitung Medical Communication:<br />

Ulrich Huber (verantw.)<br />

Schlussredaktion: Dr. Brigitte Schalhorn<br />

Herstellung/Layout: Maren Krapp<br />

Druck: Vogel Druck und Medienservice<br />

GmbH & Co. KG, Höchberg<br />

Titelbild: GettyImages<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)


Postzosterneuralgie<br />

Neuropathische <strong>Schmerz</strong>en nach Herpes zoster stellen oft eine besondere<br />

therapeutische Herausforderung dar. Neuere Studien belegen, dass<br />

das Stufe-III-Opioid Oxycodon den „klassischen“ Antikonvulsiva und<br />

Antidepressiva deutlich überlegen ist. Der Gabe von Oxycodon als First-<br />

Line-<strong>Therapie</strong> standen bisher die gastrointestinalen Nebenwirkungen im<br />

Weg. Durch die Kombination von Oxycodon mit Naloxon in Targin ® können<br />

diese Nebenwirkungen effektiv vermieden werden und damit steht<br />

für Postzosterneuralgie-Patienten eine gut verträgliche und hocheffiziente<br />

Langzeittherapie zur Verfügung, zeigt der Fall aus der Göppinger<br />

<strong>Schmerz</strong>praxis von Dr. Gerhard Müller-Schwefe.<br />

Der Praxisfall<br />

Die 72-jährige Patienten stellt sich im Frühjahr<br />

2006 mit brennenden <strong>Schmerz</strong>en im<br />

Bereich des ersten und zweiten Trigeminusastes<br />

vor. Vorausgegangen war dort eineinhalb<br />

Jahre zuvor ein Herpes zoster. Die Medikation<br />

bei Erstvorstellung besteht aus Diclofenac<br />

achtstündlich 75 mg, Omeprazol 20<br />

mg, Carbamazepin achtstündlich 400 mg,<br />

Gabapentin achtstündlich 800 mg und<br />

Amitriptylin 75 mg. Hierunter seien die<br />

<strong>Schmerz</strong>en auf der 100-Punkte-Scala VAS<br />

von 90 auf 70 zurückgegangen. Als Nebenwirkung<br />

störte die Patientin, dass sie tagsüber<br />

müde und gedämpft war, ohne nachts<br />

einen erholsamen Schlaf finden zu können.<br />

Daneben massive Obstipation.<br />

Befund<br />

Im Bereich des ersten und zweiten Trigeminusastes<br />

rechts fand sich eine ausgeprägte<br />

Berührungs- und Druckempfindlichkeit (dynamische<br />

und statische Allodynie), im betroffenen<br />

Areal narbige Veränderungen nach<br />

abgelaufenem Herpes zoster. Die müde und<br />

depressiv wirkende Patientin konnte dem<br />

Anamnesegespräch nur mühsam folgen, weil<br />

ihr immer wieder die Augen zufielen.<br />

Diagnose<br />

Die Patientin litt an einem über eineinhalb<br />

Jahre chronifizierten <strong>Schmerz</strong>syndrom (Chronifizierungsstadium<br />

II) bei Postzosterneu-<br />

ralgie im ersten und zweiten Trigeminusast<br />

rechts sowie unter einem massiven algogenen<br />

Psychosyndrom, daneben unter medikamenteninduzierter<br />

Obstipation.<br />

<strong>Therapie</strong> und Verlauf<br />

Zunächst wurde nach Absetzen von Diclofenac<br />

Gabapentin gegen Pregabalin ausgetauscht<br />

mit einer Zieldosis von zwölfstündlich<br />

300 mg. Hierunter kam es zu einer deutlichen<br />

Besserung der <strong>Schmerz</strong>symptomatik (Rück-<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />

Müller-Schwefe<br />

gang der <strong>Schmerz</strong>intensität auf 55 auf der<br />

visuellen Analogskala). Die Patientin litt jedoch<br />

von Beginn der <strong>Therapie</strong> an unter ausgeprägten<br />

Gleichgewichts- und Konzentra-<br />

tionsstörungen sowie Wortfindungsstörungen.<br />

Im Verlauf der darauf folgenden drei<br />

Monate kam es auch zu einer massiven Gewichtszunahme<br />

von insgesamt 8,5 kg bei<br />

deutlicher Flüssigkeitseinlagerung. Trotz diuretischer<br />

Zusatzmedikation weiterhin massive<br />

Flüssigkeitseinlagerung. Daneben auch unter<br />

Laxanzientherapie anhaltende Obstipation.<br />

Angesichts der ausgeprägten Verträglichkeitsprobleme<br />

wurde Pregabalin abgesetzt<br />

und durch Oxycodon in einschleichender Dosierung<br />

ersetzt, anfangs zwölfstündlich 5 mg,<br />

bei unzureichender Wirkung zwölfstündlich<br />

10 mg und nach zehn Tagen in einer Dosis<br />

von zweimal täglich 20 mg.<br />

Hierunter trat eine deutliche Verbesserung<br />

der <strong>Schmerz</strong>situation ein mit durchschnittlichen<br />

<strong>Schmerz</strong>intensitätswerten von<br />

10 auf der VAS (Erträglichkeitsniveau 12). Die<br />

Gleichgewichts- und Konzentrationsstörun-<br />

Narben im Bereich Trigeminusast 1 und 2.<br />

Der Fall aus der <strong>Schmerz</strong>praxis<br />

gen waren innerhalb einer Woche vollständig<br />

verschwunden, der Nachtschlaf deutlich verbessert,<br />

sodass nach zwei Wochen Carbamazepin<br />

zusätzlich ausgeschlichen werden<br />

konnte. Die bei der Patientin vorbestehenden<br />

gastrointestinalen Nebenwirkungen bestanden<br />

allerdings weiterhin und konnten trotz<br />

der Gabe von Macrogol sowie täglich 15 mg<br />

Bisacodyl nicht zufriedenstellend beherrscht<br />

werden.<br />

Im Oktober 2006 bestand unter noch<br />

zwölfstündlich 20 mg Oxycodon weiterhin<br />

eine gute und für die Patientin ausreichende<br />

<strong>Schmerz</strong>linderung, die gastrointestinale<br />

Situation hatte sich allerdings keineswegs<br />

entschärft. Deshalb erfolgte die Umstellung<br />

auf Oxycodon 20 mg/Naloxon 10 mg zwölfstündlich.<br />

Innerhalb der ersten Woche nach<br />

der Umstellung kam es bei der Patientin zu<br />

massiven Diarrhöen. Auf intensives Nachfragen<br />

stellte sich heraus, dass die Patientin<br />

aus Angst vor der ihr bekannten Obstipation<br />

weiter Macrogol und Natriumpicosulfat eingenommen<br />

hatte. Nach Absetzen der Laxanzien<br />

kam es unter Targin ® in den darauf folgenden<br />

sieben Tagen zu einer vollständigen Normalisierung<br />

der Darmfunktion mit jetzt normal<br />

geformten Stuhlgängen alle zwei Tage.<br />

Die <strong>Schmerz</strong>intensität der neuropathischen<br />

<strong>Schmerz</strong>en blieb weiterhin bei 10–12 und<br />

entsprach damit dem individuellen Behandlungsziel<br />

der Patientin.<br />

Diskussion<br />

Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Darmatonie,<br />

Obstipation, Blähungen und Krämpfe<br />

sind nicht nur eine Nebenwirkung von stark<br />

wirksamen Opioiden, sondern ebenso von<br />

anderen Substanzen, die zur Behandlung<br />

neuropathischer <strong>Schmerz</strong>en eingesetzt werden.<br />

Dies trifft sowohl für Carbamazepin als<br />

auch für Pregabalin und trizyklische Antidepressiva<br />

zu. Daneben können Einschränkungen<br />

kognitiver Funktionen wie auch Flüssigkeitsretention<br />

die Langzeittherapie mit<br />

diesen Substanzen einschränken.<br />

Durch die Umstellung auf die innovative<br />

Kombination von Oxycodon mit Naloxon in<br />

Targin ® kann ohne Verlust der Wirksamkeit<br />

bei neuropathischen <strong>Schmerz</strong>en eine Langzeitbehandlung<br />

durchgeführt werden, bei der<br />

Nebenwirkungen des Magen-Darm-Traktes<br />

die <strong>Therapie</strong> nicht mehr einschränken. Zudem<br />

können Kosten eingespart werden<br />

für jetzt nicht mehr notwendige Laxanzien<br />

(durchschnittlich am Tag 2,77 Euro). Targin ®<br />

gewährleistet somit eine hervorragende<br />

Analgesie bei deutlich reduzierten Nebenwirkungen<br />

sowie wesentlich günstigeren Tagestherapiekosten.<br />

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