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KOMMENTAR 224 Koalitionsvertrag – Mehr Schatten als Licht Gewiss, ein Regierungsprogramm in einer großen Koalition muss durch Kompromisse geprägt sein. Aber auch eine Kompromissvereinbarung hätte den dringend notwendigen Atem des „Neuen Anfangs“ spüren lassen können. Tatsächlich versprüht das Papier eher den Geist des „Weiter so“! Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob das schnöde Stopfen der Haushaltslöcher alles bestimmt hätte; eine reine Steuererhöhungsorgie – in vielem vordergründig an- und nicht zu Ende gedacht. Wichtige überfällige Reformen wurden erst einmal verschoben, die großen Visionen fehlen. Da wundert schon die Milde, die gerade Wirtschaftsvertreter bis hin zum Hauptverband Bauindustrie dem Koalitionsvertrag angedeihen lassen. Mehrwertsteuererhöhung mit katastrophalen Auswirkungen Zum Einzelnen: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer in 2007 um 3% wäre volkswirtschaftlich allenfalls vertretbar gewesen, wenn die Einnahmen voll und ganz der Senkung der Lohnnebenkosten gedient hätten. Eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Bauleistungen wäre kein Widerspruch gewesen, sondern vielmehr die logische Konsequenz bei der Entlastung arbeitsintensiver Branchen. Frankreich macht erfolgreich vor, dass beides miteinander vereinbar ist und funktioniert. Die bloße Anhebung auf 19% wird katastrophale Auswirkungen auf das arbeitsintensive mittelständische Bau- und Ausbaugewerbe haben. Die Abschaffung der Eigenheimzulage zeigt, dass die Politik ganz offensichtlich hartnäckig ignoriert, dass diese nicht nur Effekte auf der Ausgabenseite zeitigt, sondern in einem die Ausgaben deutlich überkompensierende Maße auch auf der Einnahmenseite. Es wäre deutlich klüger gewesen, die Eigenheimzulage künftig als Investitionsprämie auf der Grundlage nachgewiesener Arbeitskosten zu gewähren. Die geplante Abschaffung der degressiven AfA für neu erworbene Wohngebäude im Zusammenhang mit der Einführung einer Steuerpflicht auf private Veräußerungsgewinne bei vermieteten Immobilien in Höhe von 20% gibt dem daniederliegenden Mietwohnungsbau den endgültigen Todesstoß. Eine gleichermaßen unnötige wie kontraproduktive Maßnahme. Immerhin wird die Steuerbarkeit reiner spekulativer Erwerbsgeschäfte durch die aktuell geltende Spekulationsfrist längst erreicht. Unzureichende Kompensationen Die Abzugsfähigkeit von Handwerkerrechnungen war seit langem eine der Kernforderungen des Bauund Ausbaugewerbes. Der geplante Umfang ist aber bei weitem nicht ausreichend; viel zu kurz gesprungen! Insbesondere ist die Maßnahme kein ernsthafter Ersatz für die ausgebliebene Senkung der Mehrwertsteuer bei Bauleistungen. Als sinnvolle Einzelmaßnahme betrachtet, muss der Umfang der Abzugsmöglichkeiten drastisch aufgestockt - mindestens verdoppelt - werden. Die geplante Reichensteuer, die allenfalls geeignet ist, unterschwellige Neidgefühle zu bedienen, nicht aber das Steueraufkommen spürbar zu erhöhen, ist indiskutabel. Immerhin tragen schon heute die Spitzenverdiener den Großteil der gesamten Steuerlast. Nur 5% der Steuerpflichtigen beziehen ein jährliches Einkommen über 85.000 Euro. Ihr Anteil am Gesamtaufkommen der Einkommenssteuer liegt jedoch bei über 40%. So trifft die „Neidsteuer“ letztlich die leistungsfähigen Unternehmer des Mittelstandes und ihre Leistungsträger ohne tatsächlich spürbare Effekte mit verheerenden Folgen. Die längst überfällige Unternehmenssteuerreform wurde dagegen erst einmal bis 2008 verschoben; mehr als enttäuschend! Das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel, den Kommunen ein stetiges Finanzaufkommen zu sichern, wird insbesondere von der Bauwirtschaft begrüßt. Die Fortentwicklung der Gewerbesteuer darf aber keinesfalls zu einer höheren Belastung der gewerblichen Unternehmen führen; vielmehr müssen ertragsunabhängige Elemente von der Besteuerung ausgenommen werden! Auch im Bereich Arbeitsmarkt und Sozialpolitik macht sich Enttäuschung breit. Das erklärte Ziel, die Lohnzusatzkosten auf deutlich unter 40% zu senken, stimmt zwar hoffnungsfroh, doch neben den blumenreichen Ankündigungen fehlt es noch an den zielführenden mutigen Taten. Wenn auch die angekündigte Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge auf 4,5% ein richtiges Signal darstellt, so passt andererseits die Erhöhung der Rentenbeiträge ab 2007 auf 19,9% nicht in die Gesamtstrategie der Senkung der Lohnzusatzkosten. Besonders enttäuschend ist, dass die Große Koalition sich bislang nicht auf eine grundlegende Ge-
sundheitsreform bzw. auf eine Reform der Pflegeversicherung einigen konnte. Gerade eine greifende Gesundheitsreform „schreit“ angesichts der Kostenentwicklung nach Verwirklichung. Vielleicht sind sich die Koalitionsparteien doch schon näher, als man zu hoffen wagte; Anzeichen hierzu gibt es. Eine gleichermaßen drängende wie sensible Materie! Scheinreform Bei der Konstellation der Regierungsparteien erwartungsgemäß dünn sind auch die geplanten Neuregelungen in der Arbeitsmarktpolitik. Mehr als eine Scheinreform kam beim ersten Anlauf nicht heraus. Die Abschaffung der Möglichkeit der Befristung von Arbeitsverträgen in einem Zeitraum von 24 Monaten und dafür das Greifen des Kündigungsschutzes erst nach 24 Monaten statt nach bislang 6 Monaten stellt eigentlich nur ein Null-Summenspiel dar. Die eigentlichen Probleme wie die pervertierte Abfindungsrechtsprechung oder gar die unvergleichlich langen Kündigungsfristen waren in der „Großen Koalition", wie nicht anders zu erwarten, Tabuthemen. Wo Schatten fällt, muss auch ein bisschen Licht sein! Allerdings leuchtet es zumindest derzeit noch sehr schwach! Immerhin sind das Vorhaben, die Investitionslinie für Verkehrsinvestitionen im Zeitraum der kommenden Legislaturperiode um 4,3 Milliarden Euro zu erhöhen und das klar definierte Ziel, mehr privates Kapital für den Verkehrswegebau zu mobilisieren, anzuerkennen. Gleiches gilt für die deutlich formulierte Absicht, die rechtlichen Rahmenbedingungen für öffentlich-private Partnerschaften zu verbessern und die Verkehrswe- geplanung zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch die Absichtserklärung, zur Beschleunigung öffentlicher Investitionen das Vergaberecht entgegen dem Vorhaben der alten Bundesregierung nun im bestehenden System, also bei Beibehaltung beispielsweise des Kaskadenprinzips und des Nachverhandlungsverbots zu novellieren, verdient Anerkennung. Gleiches gilt für die Pläne, zur Verbesserung der Liquidität kleinerer und mittlerer Unternehmen die Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung auf 250.000 Euro in den alten und 500.000 Euro in den neuen Bundesländern anzuheben sowie ab 2007 für jedes Jahr der Unternehmensfortführung die Erbschaftssteuerschuld zu reduzieren und ähnlich dem englischen Modell nach 10 Jahren völlig entfallen zu lassen. Im Bereich der Arbeitsmarkt- und 225
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