11.12.2012 Aufrufe

Oktober 2001

Oktober 2001

Oktober 2001

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaften<br />

................................................................................<br />

6<br />

Mit der 1915 erfolgten Berufung des<br />

Dilthey-Schülers Frischeisen–Köhler zum<br />

Professor für Pädagogik und Philosophie<br />

erhielt die pädagogische Ausbildung eine<br />

andere Qualität, indem er geisteswissenschaftliche<br />

Pädagogik zu empirischen Forschungen<br />

in Beziehung setzte. Mit 118<br />

Studierenden im Gründungssemester hatte<br />

das Seminar zunächst großen Zulauf, nach<br />

Beginn des 1. Weltkrieges waren die Einschreibungen<br />

jedoch rückläufig.<br />

Pädagogik im »Dritten Reich«<br />

Neben dem breiten Spektrum historischer<br />

(unter anderem die Pädagogik Friedrich Daniel<br />

Schleiermachers) und gegenwartsorientierter<br />

Themen (Jugendkunde und Jugendbewegung,<br />

Selbsttätigkeit des Schülers)<br />

wurden seit den 20er Jahren auch erbbiologische<br />

und nationale Themen wie »Soziale<br />

Auslese« oder »Rassenhygiene« gelehrt.<br />

Diese Tendenzen verstärkten sich mit der<br />

nationalsozialistischen Machtergreifung<br />

1933. So stellte der Privatdozent Heinz<br />

Kürten (1891– unbekannt) einen Antrag<br />

auf »Erteilung eines ... Lehrauftrages für<br />

menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene«,<br />

den er am 2. Juni 1933 erhielt.<br />

Weitere Themen waren beispielsweise die<br />

»Bedeutung der nordischen Rasse für die<br />

Geschichte der Menschheit« oder die<br />

»Frauenfrage im nationalsozialistischen<br />

Staat«.<br />

Unvorstellbar scheint, dass im Sommersemester<br />

1933 neben den Nationalsozialisten<br />

Heinz Kürten und Wilhelm Hehlmann<br />

(*1901) die jüdischen Professoren Emil<br />

Utitz (1883–1956) und Adhèmar Gelb<br />

(1887–1936) sowie der schon genannte,<br />

wegen seiner gradlinigen Haltung umstrittene<br />

Paul Menzer gemeinsam in einem Seminar<br />

lehrten.<br />

Im selben Jahr mussten Gelb und Utitz die<br />

Universität verlassen. Utitz überlebte das<br />

Konzentrationslager Theresienstadt; Menzer<br />

wurde ab 1933 massiv in seiner Lehrtätigkeit<br />

eingeschränkt und 1938 emeritiert.<br />

Infolge des Krieges beschränkte sich die<br />

pädagogische Lehre in den vierziger Jahren<br />

auf wenige Vorlesungen; es war kaum mehr<br />

möglich, einen geregelten Universitätsbetrieb<br />

aufrecht zu erhalten.<br />

Neue Ära I und II<br />

Das Ende des 2. Weltkrieges und damit der<br />

nationalsozialistischen Diktatur führte<br />

auch zum »kläglichen Zusammenbruch einer<br />

Pädagogik«, (die) »Drill statt Erziehung,<br />

Gewaltanwendung statt Überzeugung,<br />

ehrgeiziges Strebertum statt organisches<br />

Wachstum, Züchtung von Kindern<br />

mit völkisch-rassisch beschränktem Horizont<br />

statt Bildung von Menschen beförderte«,<br />

so Rektor Eißfeldt zur Wiedereröffnung<br />

der Universität am 12. Juli 1945.<br />

Hans Ahrbeck (1890–1981), Gemälde aus dem Jahr 1950<br />

von Conrad Felixmüller Foto: Archiv<br />

Mit der Gründung der Pädagogischen Fakultät,<br />

an der am 1. <strong>Oktober</strong> 1946 die Ausbildung<br />

der ersten 200 Grundschullehrer<br />

(1.– 8. Klasse ) begann, wurde der Pädagogik<br />

ein selbständiger Platz unter den traditionellen<br />

Fakultäten eingeräumt. Unter ihrem<br />

ersten Dekan Hans Ahrbeck (1890–<br />

1981; 1930 bis 1933 an den Pädagogischen<br />

Akademien Breslau und Halle tätig) erfolgte<br />

der Neuaufbau der universitären Lehrerbildung,<br />

deren theoretisches Fundament in<br />

einer ideen- und kulturgeschichtlich akzentuierten<br />

Geschichte der Pädagogik lag.<br />

Auf dem Höhepunkt der Entwicklung dieser<br />

Pädagogischen Fakultät arbeiteten 1952<br />

zehn Professoren und 132 wissenschaftliche<br />

Kräfte in den sieben Instituten (Institut<br />

für Pädagogik, Unterrichtsmethodik,<br />

Körpererziehung, Sonderpädagogik, Landwirtschaftspädagogik,<br />

Sprecherziehung<br />

und Musikpädagogik).<br />

Das Institut für Sonderpädagogik unter<br />

Prof. Kurt Prautzsch (1890–1978), an dem<br />

Lehrer für Hilfsschulen ausgebildet wurden,<br />

gehörte seit 1949 dazu. Damit erfuhr<br />

eine bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

reichende pädagogische Tradition erstmals<br />

in Halle die universitäre Anerkennung. Am<br />

Anfang standen die erste Hilfsschulklasse<br />

1859 und der erste<br />

spezielle Lehrplan für Hilfsschulunterricht<br />

1865. Eine<br />

fachwissenschaftlich und medizinisch<br />

strukturierte heilpädagogische<br />

Ausbildung, die von<br />

namhaften halleschen Universitätsprofessoren,<br />

Dozenten und<br />

Ärzten getragen wurde, boten<br />

die staatlich anerkannten Kurse<br />

zur Aus- und Weiterbildung<br />

von Hilfsschullehrern seit<br />

1921, das Heilpädagogische<br />

Studienjahr seit 1928 und das<br />

Heilpädagogische Institut seit<br />

1932 in Halle an.<br />

1955 wurde die Pädagogische<br />

Fakultät aufgelöst und wieder<br />

ein Institut für Pädagogik innerhalb<br />

der Philosophischen<br />

Fakultät eingerichtet – die<br />

fachwissenschaftliche und pädagogische<br />

Ausbildung aller<br />

Lehrenden der 5. bis 12. Klasse<br />

blieb weiterhin akademisch.<br />

Die Unterrichtsmethodiken wurden an den<br />

jeweiligen Fachinstituten angesiedelt, beim<br />

Institut für Pädagogik verblieb die – zunehmend<br />

politisierte – allgemeine pädagogische,<br />

didaktische und psychologische Ausbildung.<br />

Im Kontext der politischen Wende erfolgte<br />

1993 die Gründung des Fachbereichs Erziehungswissenschaften,<br />

in dem Teile der<br />

Pädagogischen Hochschule und des Instituts<br />

für Pädagogik der Universität integriert<br />

wurden.<br />

Im Sommersemester <strong>2001</strong> waren hier rund<br />

1 500 Studierende eingeschrieben. ■<br />

Dr. Berthold Ebert und Prof. Dr. Pia Schmid<br />

vertreten am Institut für Pädagogik des<br />

Fachbereichs Erziehungswissenschaften in<br />

Halle die Historische Erziehungswissenschaft;<br />

Jessika Piechocki ist Studentin der<br />

Pädagogik.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!