kunst entdecken. - Mumok
kunst entdecken. - Mumok
kunst entdecken. - Mumok
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ausstellung Bad Painting von 6. 6. bis 12. 10. 2008<br />
Martin Kippenberger, Ohne Titel, 1982 Foto: Sammlung Falckenberg, Hamburg © Estate Martin Kippenberger Galerie Gisela Capitain, Cologne<br />
(v.l.n.r.): Asger Jorn, L‘Avantgarde se rend pas, 1962<br />
Foto: Pierre Alechinsky, Frankreich, Bougival © VBK, Wien 2008<br />
Lisa Yuskavage, Brood, 2005/2006<br />
Foto: Sammlung Alberto Cortina © Lisa Yuskavage<br />
Georg Baselitz, P.D. Stengel, 1963<br />
Foto: Privatsammlung, Dresden © Georg Baselitz<br />
John Currin, Jaunty und Mame, 1997<br />
Foto: The Sander Collection, Berlin © John Currin<br />
René Magritte, Le Stropiat, 1974<br />
Foto: Centre Pompidou, Paris © VBK, Wien 2008<br />
Malen wie<br />
einer von Euch<br />
Schlechte Bilder schreiben Kunstgeschichte: Die Ausstellung<br />
„Bad Painting – Good Art“ im MUMOK. Von Markus Mittringer<br />
Natürlich führt „Bad Painting“ zu guten Bildern – manchmal.<br />
Jedenfalls nicht seltener, als bei all den verkrampften<br />
Versuchen, gute Bilder anzulegen. Und also sei hier stellvertretend<br />
für viele aus dem Lager der ebenso hochsensiblen<br />
wie hochprofessionellen Amateure gedacht, deren<br />
„Schlechte Bilder“ die Geschichte vorantrieben.<br />
Martin Kippenberger kam bekanntlich „durch die<br />
Pubertät zum Erfolg“. Er weigerte sich, wem oder was auch<br />
immer anzugehören. „Ich hab’ kein Alibi, höchstens mal<br />
ein Bier, hör auf zu mosern, so geht‘s nicht nur dir.“ Seine<br />
Generalabsage an die Zugehörigkeit traf all jene, deren<br />
diszipliniertes alltägliches Tun und Handeln darauf ausgelegt<br />
war, zur Meisterschaft zu gelangen, dort eine Disziplin<br />
zu gewinnen. Also fast alle.<br />
Weil: Man hat ein spezielles Interesse zu haben, eine<br />
besondere Fähigkeit, ein Spezialgebiet. Man muss zu<br />
seinem Stil finden, wozu man am besten immer schön<br />
brav eins nach dem anderen macht und um Himmels<br />
willen bei seinen Leisten bleibt. Ganz wichtig ist das Ziel:<br />
genau in sich hinein hören, dann so ehrgeizig wie resolut<br />
abstecken und drauflos. Nur nicht aus den Augen verlieren.<br />
Stets positiv denken. Und wenn es dann einmal schief<br />
geht, ist das bestenfalls ein Rückfall. Kippenberger hat<br />
das Zeichnen gerade so gerne gehabt wie das Malen und<br />
das Formen. Musik war ihm auch lieb. Das alles hat er<br />
nicht besonders gut beherrscht. Er war Künstler für alles.<br />
Eher ein Seher. Damit ihm die Leute auch glaubten, hat<br />
er ihnen eben das Innere vom Fisch hingehalten. Damit<br />
sie ihm noch mehr glaubten (und öfter konsultierten),<br />
hat er gemacht, womit ein Geheimnis immer schon am<br />
besten geschützt war: seine Methode preisgegeben. Etwa<br />
den, auch bei den Brüdern Oehlen und Werner Büttner<br />
beliebten Trinkspruch: „Wissen erweitern durch Scheitern“.<br />
So etwas hat die Leute erschreckt, und es hat Kippenberger<br />
berühmt gemacht.<br />
Francis Picabia hat schon 1940 gesehen, dass die Leute<br />
sich spätestens nach dem großen Krieg dann nicht mehr<br />
aus sich selbst heraus neu erschaffen werden, sondern<br />
gemäß der Bilder, die sie in Massen zu ihrer behaglichen<br />
Weltflucht konsumieren. Und also hat er ihnen solche<br />
Bilder geliefert. Akte hat er abgemalt, klassisch hingeworfene<br />
Schöne aus weichen Sexheften. Je nach Bedarf<br />
in dramatischem Helldunkel oder scharf konturiert oder<br />
frisch verlobt.<br />
Alles andere, was die dem vergangenen Jahrhunderten<br />
voranreitenden Künstler so erfunden haben, hat Picabia<br />
weggelassen: das Virtuose, die persönliche Neigung, den<br />
Geschmack, die Ernsthaftigkeit. Er war der erste „Künstler<br />
auf jedem Gebiet“. Er hat als Erster die Pointe zu Kippenbergers<br />
Witz gefunden. Jahrzehntelang wurde Picabia<br />
dafür geächtet.<br />
Sigmar Polke war ab den 60er-Jahren bewusst<br />
geschmacklos, hat den Zustand der Kultur als krasse Colla-<br />
ge ihrer Hervorbringungen auf den Punkt<br />
gebracht, die Grausamkeit als Stammzelle<br />
allen Dekors isoliert. Alex Katz ist es gelungen,<br />
traurige Pop Art auf die Leinwand zu<br />
bringen.<br />
Der konzeptuellen Fadesse der 60er<br />
und 70er, der aufgezwungenen Selbsterkenntnis<br />
in weißen Quadern, der<br />
Ehrfurcht vor dem Minimalen bis hin<br />
zum Nichts hatten später dann – dem Gott<br />
der Malerei sei Dank – Typen wie Julian<br />
Schnabel Heftiges entgegenzusetzen.<br />
Sie hießen auch Chia oder Cucchi oder<br />
Oehlen. Schnabel war deren Superstar,<br />
der Messias für eine Klientel, die Hunger<br />
nach Bildern hatte, über die sich bei einem<br />
Cocktailempfang etwas sagen ließ, das zu<br />
einem Cocktailempfang auch passt: groß,<br />
kraftvoll, bunt, geil und „Meine Frau ist<br />
drauf, es war unglaublich teuer“.<br />
Schnabel pappte Scherben mit Spachtelmasse<br />
auf mindestens mannshohe<br />
Leinwände, pinselte vage Porträts auf den<br />
ruppigen Untergrund und brachte so das<br />
Glück, erlöste die Kunstfreunde im Kapital<br />
von jenem Loch, das sich auftat, als nach<br />
der klassischen Moderne und ihrem Totengräber<br />
Marcel Duchamp plötzlich irgendwelche<br />
Spinner mit Wollfäden die Ecken<br />
riesiger Hallen zu markieren begannen,<br />
Zeit raubende Wegstrecken durch Ödland<br />
angaben oder immergleiche Steinkreise<br />
auslegten. Julian Schnabel kam den Kurs-<br />
und Immobilengewinnlern mit großen<br />
Stücken vom Bauchfleisch entgegen, mit<br />
saftigen Dekors fürs Loft hoch über Man-<br />
oder auch Mainhattan.<br />
Durch ihn war endlich die „Subversion“<br />
schick geworden, konnten Makler in edlem<br />
Tuch, vermittelt durch Armani-kostümierte<br />
(Mary-)Boonen-Stangen, mit dekorativ<br />
bekleckerten Malerfürsten in der Pubertät,<br />
in entspannter Atmosphäre den Standardbelag<br />
von den Blinis lecken, en gros über<br />
die Kunstmarktstädte der Welt herfallen<br />
und in fast unabhängigen Hochglanzmagazinen<br />
behaupten: „Die Tellerbilder mache<br />
ich, weil ich die Bildoberfläche aufbrechen<br />
wollte, und weil mich die Dissonanz<br />
zwischen der Helligkeit der Teller und den<br />
anderen Teilen des Bildes interessierte“<br />
(Schnabel). Und so wird das ewig weitergehen<br />
auf dem weg zur Bildfindung.<br />
MUMOK Insights MUMOK Insights