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P.b.b., Verlagspostamt 1070, Vetragsnummer 09Z<strong>03</strong>8106 M<br />
www.dasbiber.at<br />
MIT SCHARF<br />
MÄRZ<br />
APRIL<br />
20<strong>17</strong><br />
DIE GUTE<br />
TSCHETSCHENIN<br />
CHRISTINE<br />
NÖSTLINGER<br />
HEIRATEN<br />
WIE ICH WILL<br />
#GRLPWR<br />
DIE AUSGABE FÜR STARKE MÄDCHEN.
Noch Fragen?<br />
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3<br />
minuten<br />
mit<br />
Vilma<br />
Brandtner<br />
Studieren mit 73:<br />
Von wegen Dienstjahre<br />
beenden und Lebensabend<br />
genießen! Wilhelmine,<br />
liebevoll Vilma genannt,<br />
startet jetzt erst<br />
richtig durch.<br />
von David Slomo und<br />
Michaela Kobsa (Foto)<br />
<strong>BIBER</strong>: Erzähl uns mal von deinem Studentenleben.<br />
VILMA BRANDTNER: Ich habe 2000 mit Kunstgeschichte<br />
begonnen. 2012 habe ich dann meinen Doktortitel<br />
erhalten. Da war ich 68. Im Sommersemester<br />
beginne ich mit vergleichenden Religionswissenschaften.<br />
Gerade in der jetzigen Zeit sehr interessant.<br />
Wie ist es für dich zwischen all den jungen Menschen?<br />
Zwischen den Jungen fühle ich mich wohler als zwischen<br />
den Alten. Da geht es mal nicht nur um Enkerl<br />
und Krankheiten. Es sind Gespräche über die Zukunft,<br />
wie Berufswahl oder weitere Studien. Da kann ich<br />
dann immer wieder einen guten Rat mit auf den Weg<br />
geben. Habe ja in 35 Dienstjahren doch so einiges<br />
erlebt.<br />
Die meisten Jungen studieren, um einen guten Job zu<br />
bekommen. Was ist dein Beweggrund?<br />
Mit dem Pensionsantritt habe ich mir gesagt: „Jetzt<br />
machst du das, was dich interessiert.“ Ich wollte mich<br />
mit schönen Dingen beschäftigen, die ich zum Beispiel<br />
auf Reisen kennengelernt habe, wie etwa die „Italienische<br />
Renaissance“.<br />
Was halten die Leute davon, dass du so spät gestartet<br />
hast?<br />
Sehr wenige haben meine Beweggründe verstanden.<br />
Viele fragten mich, wieso ich mich so spät noch<br />
quälen lasse. Ich wollte das Studentenleben aber<br />
einmal zu spüren bekommen. Kinder habe ich ja keine,<br />
deshalb muss ich es so machen.<br />
Du hättest aber auch einfach in Vorlesungen gehen<br />
können und zuhören. Wieso musste es der Titel sein?<br />
Hätte ich können. Aber der Reiz der Vorbereitung, die<br />
Gruppenarbeiten und der Lernstress – das sind alles<br />
schöne Herausforderungen. Und dann der Titel als<br />
Sahnehäubchen. Ich muss zugeben, es erfüllt mich<br />
mit einem gewissen Stolz.<br />
Wie ist es, wenn du älter bist als die Professoren?<br />
Au weh, wie oft musste ich hören: „In der Uni gibt<br />
es keinen Altersbonus!“ Den wollte ich aber auch nie<br />
haben. Da muss man halt manchmal durch. Aber die<br />
meisten sind nett, und gehen ganz normal mit mir um.<br />
Als ob ich eine der jungen Studentinnen wäre.<br />
Wieso hast du nicht in der Jugend studiert?<br />
Früher war das ja nicht so, dass Mädchen einfach so<br />
studieren konnten. Man musste eine gute Hausfrau<br />
sein. Nähen und Kochen hat man lernen müssen.<br />
Nach meiner Matura war ich Ground Hostess bei einer<br />
Airline und man mag es mir nicht ansehen, aber ich<br />
war sehr begehrt. Danach war ich im Marketing tätig.<br />
Mein Chef und mein Gehalt haben mich von der Lust<br />
zu studieren abgehalten. Vieles blieb hinter der Karriere<br />
zurück, aber jetzt hole ich einiges wieder nach.<br />
Name: Dr. Wilhelmine Brandtner<br />
Alter: 73<br />
Alltagsmoment: ist bei jeder Gruppenarbeit die Älteste<br />
Besonderes: hat sich in der Pension entschieden zu studieren<br />
/ 3 MINUTEN / 3
7<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
IMPRESSUM<br />
MEDIENINHABER:<br />
Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,<br />
Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />
HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR:<br />
Simon Kravagna<br />
für alle, die kein Girl mehr sind bzw. älter als 37 – unser Cover weist<br />
keinen Druckfehler auf: #GRLPWR heißt Girlpower!<br />
Genau deswegen ist dieser Text auch kein Editorial, sondern ein<br />
Liebesbrief. Gewidmet ist er jenen Kolleginnen bei biber, die den<br />
stressigen Arbeitsalltag erträglich machen. Ohne ihre Kompetenz,<br />
Kreativität, Verlässlichkeit und Humor gäbe es keine März-Ausgabe –<br />
oder sonst irgendeine Ausgabe unseres Magazins. Dafür möchte ich, im<br />
Namen aller Männer hier bei biber, ein herzliches „Danke“ sagen.<br />
Passend zum Frauenmonat März haben wir auch inhaltlich geballte<br />
Frauenpower: Die Kriegsberichterstatterin Maynat Kurbanova kümmert<br />
sich um junge Tschetschenen in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf und<br />
beschreibt, unter welchen Traumata, aber auch mit welchen Klischees<br />
die wohl unbeliebteste Migrantengruppe Österreichs zu kämpfen<br />
hat. Seite 12<br />
Mehr Frauenpower als Legende Christine Nöstlinger geht wohl kaum.<br />
Im Interview in Zahlen macht die Schriftstellerin klare Ansagen zu<br />
Österreichs Politstars Kurz & Kern. Seite 18<br />
Unsere Power-Chefica vom Dienst Jelena zeigt ab Seite 26 den<br />
schwierigen Spagat zwischen perfekter Pinterest-Hochzeit und<br />
Dorfhochzeit – denn die Schwiegermutter übernimmt nur all zu gerne<br />
die Rolle des „Wedding Planners“.<br />
Doch auch Instagram und Co. sind im Wandel: Detox-Tee und<br />
Smoothiebowls waren einmal, jetzt geht es hin zu ernsten Themen<br />
wie Trauerbewältigung, Body Positivity und Zero Waste. Redakteurin<br />
Alex fragt sich ab Seite 34, wo die Männer bei diesen wichtigen<br />
Angelegenheiten bleiben?<br />
Und natürlich, Sex darf nicht fehlen. SM steht nicht<br />
nur für Social Media! Redakteurin Michaela sah sich<br />
in Wiens erstem Fetisch- und Sadomaso Café um.<br />
Was den Reiz der Auspeitschung ausmacht und was<br />
das alles mit völliger Hingabe zu tun hat, erfahrt ihr<br />
auf Seite 56.<br />
Wir wünschen euch viel Spaß beim Schmökern,<br />
Bussi von<br />
Adam & der Redaktion<br />
P.b.b., Verlagspostamt 1070, Vetragsnummer 09Z<strong>03</strong>8106 M<br />
www.dasbiber.at<br />
mIt scharf<br />
März<br />
April<br />
20<strong>17</strong><br />
KAffee<br />
Mit Hieb<br />
girlpower<br />
trAnsgender<br />
in istAnbul<br />
#GIRLBOSS<br />
Wir trAuen uns Alles.<br />
Knapp war die Cover-<br />
Entscheidung!<br />
Dabei hat uns die Brautikone<br />
auch so gut gefallen.<br />
Was meint ihr?<br />
STV. CHEFREDAKTEUR:<br />
Amar Rajković<br />
STV. CHEFREDAKTEURIN:<br />
Delna Antia<br />
CHEFIN VOM DIENST:<br />
Jelena Pantić<br />
CHEFREPORTERIN:<br />
Melisa Erkurt<br />
ONLINECHEFIN:<br />
Alexandra Stanić<br />
KOLUMNIST/INNEN:<br />
Ivana Martinović, Todor Ovtcharov<br />
FOTOCHEF:<br />
Marko Mestrović<br />
REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />
Teoman Tiftik, Aleksandra Tulej, Artur<br />
Zolkiewicz, Nour Khelifi, Abdullah Bag,<br />
David Slomo, Michaela Kobsa, Emir<br />
Dizdarević, Christoph Liebentritt, Sara<br />
Mohammadi, Adriana Davidović, Šemsa<br />
Salioski<br />
ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />
LAYOUT: Dieter Auracher, Viktoria Platzer<br />
LEKTORAT: Christina Gaal<br />
MARKETING: Adam Bezeczky, Andrea<br />
Grman<br />
BUSINESS DEVELOPMENT:<br />
Andreas Wiesmüller<br />
GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />
Wilfried Wiesinger, Simon Kravagna<br />
KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH<br />
Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />
E-1.4, 1070 Wien<br />
Tel: +43/1/ 9577528<br />
redaktion@dasbiber.at<br />
marketing@dasbiber.at<br />
abo@dasbiber.at<br />
INTERNET: www.dasbiber.at<br />
ÖAK GEPRÜFT 1. HJ 2015:<br />
Druckauflage 69.000 Stück<br />
verbreitete Auflage 68.760 Stück<br />
DRUCK: mediaprint<br />
4 / MIT SCHARF /
3 3 MINUTEN MIT<br />
VILMA BRANDTNER<br />
8 FACE OF THE MONTH<br />
Deutsch-R‘n‘B Star Ace Tee<br />
10 IVANAS WELT<br />
Ivana verabschiedet sich von der Medienwelt.<br />
POLITIKA<br />
12 DIE TSCHETSCHENEN<br />
Die tschetschenische Journalistin Maynat<br />
Kurbanova klärt das negative Image ihrer<br />
Landsleute auf.<br />
18 INTERVIEW IN ZAHLEN<br />
mit Christine Nöstlinger<br />
20 KOPFTUCH & KRUZIFIX<br />
Doron Rabinovicis Kommentar zur Politik der<br />
Verschleierung und Verschleierung von Politik.<br />
22 INSIDE WERTEKURS<br />
Delna lernt bei einem Wertekurs unter anderem<br />
wer in Österreich beim ersten Date zahlt.<br />
RAMBAZAMBA<br />
26 BRAUTPOWER<br />
Eltern, Schwiegereltern und Dorfbewohner<br />
wollen die Hochzeit mitplanen - sicher nicht!<br />
34 GIRLPOWER<br />
Trauerbewältigung, Body Positivity<br />
und Feminismus sind die neuen Social<br />
Media Trends.<br />
40 ISLAM-SATIRE<br />
Die Datteltäter und noktara.de haben Satire<br />
über ihre Community selbst in die Hände<br />
genommen.<br />
43 FAKEBOOK<br />
mit dem inhaftierten Journalisten Deniz Yücel<br />
26<br />
BOOTCAMP<br />
HOCHZEIT<br />
Bräute von<br />
heute meistern<br />
einen riesigen<br />
Spagat zwischen<br />
ihren Pinterest-<br />
Vorstellungen und<br />
den Traditionen aus<br />
der Heimat. Eltern,<br />
Schwiegereltern<br />
und Dorfbewohner<br />
wollen nämlich<br />
heftig mitmischen.<br />
IN<br />
KARRIERE<br />
44 KARRIERE NEWS<br />
Alex über Gründerinnen & sexistische Politiker.<br />
18<br />
INTERVIEW IN ZAHLEN<br />
Die Heldin unserer Kindheit<br />
Christine Nöstlinger erzählt wie<br />
lange sie noch leben will.<br />
6 / MIT SCHARF /
45 FÜR EINE BESSERE ZUKUNFT<br />
Das Jugendcollege der VHS gibt jungen<br />
Geflüchteten eine Perspektive.<br />
34<br />
GIRLPOWER<br />
Social Media<br />
steht für mehr<br />
als Smoothies<br />
und Mode,<br />
sondern auch<br />
für Feminismus,<br />
Trauerbewältigung<br />
& Zero Waste. Die<br />
Modekonzerne<br />
haben den Trend<br />
erkannt, fehlen<br />
eigentlich nur<br />
noch die Männer.<br />
HALT MÄRZ/APRIL<br />
20<strong>17</strong><br />
48 WIRD DER DÖNER<br />
8 EURO KOSTEN?<br />
Stefan Hebenstreit von der Gewerkschaft VIDA<br />
liefert Facts zum Mindestlohn.<br />
TECHNIK<br />
50 KONSOLENPOWER<br />
Adam über dumme und smarte Phones<br />
und die Spieletrends im Frühjahr.<br />
LIFE & STYLE<br />
52 AN DIE SUBSTANZ<br />
30 bedeutet für Delna eins:<br />
Es ist verdammt existenziell.<br />
54 KURDISCHE GENTLEMEN<br />
Die Dandys von Erbil haben den feschesten<br />
Club Kurdistans gegründet.<br />
56 KAFFEE MIT PEITSCHE<br />
Michaela war in einem BDSM Café in Wien<br />
unterwegs und hat fesselnde Entdeckungen<br />
gemacht.<br />
68<br />
TRANSGENDER<br />
IN ISTANBUL<br />
Rojda ist Kurdin,<br />
gefangen im Körper<br />
eines Mannes<br />
und muss sich<br />
prostituieren, um<br />
sich die Geschlechtsumwandlung<br />
zu leisten.<br />
Christoph Liebentritt, Marko Mestrović, Alexandra Stanić, Sina Niemeyer; Cover - Alexandra Stanić<br />
KULTUR<br />
60 KULTURNEWS<br />
Jelena über den serbischen Hamlet, Fem-<br />
Literatur und Anders Hören im Konzerthaus.<br />
64 DER UNGARISCHE BÜRGER<br />
Marcelo Cake-Baly spielt in „The Citizen“ einen<br />
Afrikaner, der um ein neues Leben in Ungarn<br />
kämpft.<br />
OUT OF AUT<br />
66 TRANSGENDER IN ISTANBUL<br />
Rojda ist eine Transgender-Frau in der Türkei.<br />
Der Alltag: kein Kontakt zur Familie und<br />
Prostitution.<br />
70 DIE LEIDEN DES JUNGEN TODOR<br />
/ MIT SCHARF / 7
FACE<br />
OF THE MONTH<br />
ACE TEE<br />
Von Sara Mohammadi<br />
Fresh, dope, funky – so beschreibt Tarin Wilda alias Ace<br />
Tee ihren Sound. Das Video zu ihrem Lied “Bist du down?“<br />
hat bereits über 1,5 Millionen Aufrufe auf YouTube. Deutscher<br />
R’n’B ist allgemein ein besonderes Phänomen, doch<br />
dass man damit in den USA einen viralen Hit landet ist<br />
noch seltener. Gemeinsam mit dem Rapper Kwam.e, von<br />
dem sie begleitet wird, hat sie es in die US-amerikanischen<br />
Medien, inklusive Vogue geschafft. Dort wird sie mit 90’s<br />
R’n’B-Legenden wie TLC oder Aaliyah verglichen. Für sie<br />
sind diese Musikerinnen in ihrer Entwicklung nicht wegzudenken,<br />
weil sie eigen waren, Trends gesetzt haben und<br />
für sich selbst standen. Allgemein fühlt sie sich vom 90’s<br />
R‘nB beeinflusst, der für sie unterschiedlicher und facettenreicher<br />
war. Dennoch macht sie einen Sound, der auch<br />
20<strong>17</strong> modern klingt. Fresh eben. Positivität ist die wichtigste<br />
Message ihrer Musik. In ihren eigenen Worten: „Geb dir ‘ne<br />
Cup positiver Vibes und kein Kopfweh mehr.“ Ihr Sound ist<br />
hell, bunt und Deutsch. Die Hamburgerin mit ghanaischen<br />
Wurzeln will auch weiterhin ihre Musik auf Deutsch machen.<br />
Dennoch fühlt sie sich beiden Ländern zugehörig. Auch in<br />
ihrem Musikvideo steht sie zu ihren Wurzeln und trägt traditionelle,<br />
afrikanische Frisuren, die sie alle selbst gemacht<br />
hat. Zum umstrittenen Thema Cultural Appropriation, also<br />
die Aneignung bestimmter Aspekte einer Kultur, die nicht<br />
die eigene ist, meint sie: ,,Ich möchte, dass alle Menschen –<br />
egal welcher Hautfarbe oder Religion – das tragen, was sie<br />
möchten. Das ist mir am wichtigsten.“ Auch in ihrem Video<br />
sind Menschen unterschiedlicher Nationalitäten zu sehen,<br />
die gemeinsam feiern. „Bist du down?“ ist nicht das Einzige,<br />
was wir von der 22-Jährigen zu sehen bekommen. Dieses<br />
Jahr wird laut ihr noch viel passieren. Sie bastelt zurzeit an<br />
ihrem neuen Album. Was wir von diesem erwarten<br />
können? „Vibes! Ich glaube, Gefühl ist<br />
das Wichtigste.“<br />
Arnold Hammer<br />
8 / MIT SCHARF /
MIT SCHARF / 9
In Ivanas WELT berichtet biber-Redakteurin Ivana Martinović<br />
über ihr daily life – in dieser Ausgabe zum letzten Mal.<br />
IVANAS WELT<br />
Foto: Igor Minić<br />
„I MAG GRAD NIMMER!“<br />
Was schreibt man in seiner letzten Kolumne?<br />
Über meine Welt? Was bei mir so abgeht oder<br />
was mich bewegt? Vielleicht doch besser den<br />
Grund, warum es meine letzte ist und warum ich<br />
gerade ein Kapitel meines Lebens abschließe.<br />
Vorweg sage ich: Bye bye! Vielen Dank an meine<br />
Leser, an biber und an alle, die gerne meine Zeilen<br />
gelesen haben.<br />
SCHÖNE UNHEILE WELT<br />
Das Schreiben lag mir schon immer. Gut kannst<br />
du das, sagte man mir. Ein Gespür für die Geschichten<br />
hast du, erkennst sie, wenn du sie<br />
hörst. Ja, diese Welt ist voller Geschichten. Und<br />
wer in den Medien landet, lernt schnell, wie beschissen<br />
diese Welt ist. Ich sage es offen: Mich<br />
kotzt diese Welt an. Krisen, Kriege, Gewalt –<br />
nichts schockt mich wirklich mehr. Wie die negative<br />
Version von „Und täglich grüßt das Murmeltier“<br />
und du wartest nur darauf, was als nächstes<br />
in die Schlagzeilen kommt.<br />
Und während dieser ganzen Zeit als Schreiberling<br />
sah ich mich nie als Journalistin. Andere nannten<br />
mich so. Ich mich selbst nie. Weil mir nicht gefiel,<br />
worüber man in der Welt schreiben kann, um<br />
gelesen zu werden. „Bad news are good news“<br />
– Das ist es doch, was den Leser anlockt. Und<br />
ich soll solche Geschichten jagen? Ich! Eine, die<br />
so harmoniesüchtig ist und sich nur Ruhe und<br />
Frieden wünscht? Alles, was wir an Negativität<br />
zu lesen bekommen, schien mir eher als Entertainment,<br />
wie ein Unfall, an dem man nicht vor-<br />
martinovic@dasbiber.at<br />
beifahren kann, ohne gebannt hinzuschauen. Die<br />
Schlagzeile zählt. Je ärger desto besser. Die Jagd<br />
auf das Negative in dieser Welt. Damit man aufklärt<br />
und sich etwas bessert? Genau! Was ändert<br />
sich denn? Gar nichts.<br />
Massenaufreger, die wieder verfliegen, wenn wir<br />
durch andere Dinge abgelenkt werden. In einem<br />
Moment siehst du in der Facebook-Timeline einen<br />
geteilten Artikel über tote Flüchtlingskinder<br />
im Mittelmeer, im anderen Moment teilt derselbe<br />
Mensch seine Urlaubsfotos und fragt „Und ihr<br />
so?“<br />
Das bleibt hängen, enttäuscht und wirft die Frage<br />
auf: Was muss passieren, damit das endlich aufhört,<br />
wozu Menschen im Stande sind? Eine Antwort<br />
darauf hat man nicht und fühlt sich hilflos.<br />
Ich bin etwas müde von dieser Medienwelt,<br />
von Social Media, vom Teilen und Kommentieren,<br />
vom Bewertetwerden, von Meinungen über<br />
Meinungen, die dir egal sind und die im Grunde<br />
nichts an der Situation ändern. Vielleicht ist es<br />
nur eine Phase. Vielleicht nur ein Kapitel, in dem<br />
ich etwas Ruhe will und keine Lust habe, meine<br />
Gedanken über die Welt mitzuteilen oder über sie<br />
nachzudenken. Vielleicht aber ist es eine ganz<br />
neue Richtung, die ich einschlagen will. Eventuell<br />
das Positive in der Welt zu suchen und dadurch<br />
positiv überrascht zu sein. Mal schauen, wohin es<br />
mich führt. In den Journalismus bestimmt nicht<br />
mehr so bald. Vielleicht werde ich ja Tierpflegerin<br />
in Schönbrunn.<br />
10 / MIT SCHARF /
POLITIKA<br />
Nichts für’s schwache Geschlecht.<br />
Foto von Alexandra Stanić
DIE MIT DEN<br />
TSCHETSCHENEN<br />
SPRICHT<br />
Die ehemalige Kriegsberichterstatterin Maynat<br />
Kurbanova betreut traumatisierte tschetschenische<br />
Jugendliche in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf.<br />
12 / POLITIKA /
Ob Bandenkriege oder Austro-Dschihadismus:<br />
Junge Tschetschenen mischen an vorderster<br />
Front mit. Die Journalistin Maynat Kurbanova<br />
über Klischee und Wirklichkeit von Österreichs<br />
wohl unbeliebtester Migrantengruppe.<br />
Von Livia Klingl und Christoph Liebentritt (Fotos)<br />
Sie war Kriegsberichterstatterin in ihrer Heimat<br />
Tschetschenien, musste fliehen, nicht nur aus<br />
der kleinen Kaukasusrepublik, sondern auch<br />
aus Putins großem Russland. Fünf Jahre lebte<br />
Maynat Kurbanova in Deutschland, seit sechs<br />
Jahren ist sie in Österreich. In Tschetschenien hatte sie<br />
Philologie und Journalismus studiert. Hier kümmert sich die<br />
43-jährige Mutter einer Tochter um die traumatisierenden<br />
Folgen der grausigen Gemetzel in Tschetschenien, unter<br />
anderem in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf um Burschen,<br />
die der Gesellschaft entglitten sind, in Kriminalität<br />
oder Islamismus.<br />
Als Maynat Kurbanova nach Österreich kam<br />
und von Journalisten mit der Frage konfrontiert<br />
wurde, wie sie mit dem schlechten Image von<br />
Tschetschenen umgehe, verstand sie die Frage<br />
nicht. Denn in Deutschland waren die Tschetschenen<br />
die Helden im Kampf gegen die russische<br />
Armee. „Als ich 2005 nach Deutschland<br />
kam, war ich ständig bei Podiumsdiskussionen<br />
und auf Konferenzen, erzählte aus dem Krieg.<br />
Die Tschetschenen waren da die Freiheitskämpfer<br />
und die Opfer. Erst in Österreich wurde ich<br />
mit dem Bild des Tschetschenen als Täter konfrontiert. Das<br />
Netteste, was man mir sagt, ist: ‚Sie sehen aber nicht wie<br />
eine Tschetschenin aus!‘ Dann frage ich immer: ‚Haben Sie<br />
viele Tschetschenen gesehen?‘. Mit ihrem Aussehen und<br />
ihrer Art durch das Leben zu gehen, betreffe das Image der<br />
Tschetschenen sie nicht sonderlich, bedrückend sei es aber<br />
sehr wohl. „Ich mag nicht jeden Tag damit konfrontiert werden,<br />
zu einer verbrecherischen Nation zu gehören, in der alle<br />
davon träumen, in Syrien oder hier Kriminelles zu tun.“<br />
Diese Stigmatisierung sei anstrengend und wirke sich<br />
bereits bei Kindern aus. „Die häufigste Frage von 13-Jährigen<br />
ist, warum hassen alle die Tschetschenen, die Muslime,<br />
„Erst in<br />
Österreich<br />
wurde ich mit<br />
dem Bild des<br />
Tschetschenen<br />
als Täter<br />
konfrontiert.“<br />
die Ausländer?“ Die tschetschenische Community sei sehr<br />
sauer auf die Medien, „und sie wissen nicht, wie sie damit<br />
umgehen sollen. Andererseits liefern die tschetschenischen<br />
Jugendlichen hier auch genügend Stoff für negative Berichte<br />
wie die Radikalisierung, die vor einem Jahr in aller Munde<br />
war.“<br />
Einen Prozentsatz kann Maynat Kurbanova nicht nennen.<br />
Die Jugendlichen, die so radikalisiert sind, dass sie<br />
mit dem Gedanken spielen nach Syrien zu gehen, seien<br />
jedenfalls eine sehr kleine Gruppe, aber die lauteste und<br />
die sichtbarste. Und die, die sich im Umfeld<br />
des 2016 in Graz zu 20 Jahren Gefängnis<br />
verurteilten Hasspredigers Mirsad O. befunden<br />
haben, dessen unseliges Wirken jahrelang vom<br />
Staat stillschweigend toleriert worden sei, die<br />
seien nicht mehr erreichbar, „die sind Zombies.<br />
Viel problematischer sehe ich aber die an, die<br />
unglaublich stark mit dem Glauben, mit der<br />
Religion herumspielen und ihre Identität, oft ihre<br />
einzige Identität dort suchen.“<br />
Eigentlich seien das österreichische Jugendliche,<br />
österreichische Jugendliche tschetschenischer<br />
Abstammung, die hier geboren<br />
wurden oder als ganz kleine Kinder hergekommen und hier<br />
sozialisiert wurden. „Die sind hier in den Kindergarten, in die<br />
Schule gegangen. Dass sie sich hier so sehr nicht wohlfühlen,<br />
nicht als Teil der Gesellschaft empfinden, ist bitter. Die<br />
suchen ihre Identität in einer sehr seltsamen Mischung aus<br />
religiösen, oberflächlichen Floskeln wie haram und halal<br />
und dann noch in so ‚coolen‘ Wörtern wie Dschihad, ohne<br />
zu wissen, was dahinter steckt. Dschihad ist für viele etwas<br />
Romantisches, es ist so etwas wie Heimat verteidigen und<br />
Krieg romantisieren. Dabei ist im Krieg überhaupt kein Platz<br />
für Romantik, Krieg ist etwas Schmutziges. Der hat nichts<br />
Ästhetisches wie in diesen Propaganda-Clips. Aber die jun-<br />
/ POLITIKA / 13
gen Menschen wissen das nicht, fühlen sich hier<br />
entwurzelt und sehnen sich nach einer Heimat,<br />
nach einem Ort, wo sie dazugehören können.<br />
Das ist Syrien natürlich auch nicht. Aber es ist<br />
wie eine Verheißung. In ihrer Phantasie malen<br />
sie sich eine neue, schöne Welt aus.“<br />
Nicht alle, die mit solchen Wörtern spielen,<br />
ihre Zuflucht vermeintlich in der Religion suchen,<br />
seien dermaßen radikal, dass sie nach Syrien<br />
gingen. „Aber es ist ein Zeichen dafür, dass sie<br />
es hier nicht geschafft haben und nicht glauben,<br />
dass sie es jemals hier schaffen werden. Verschiedenste<br />
traurige Erfahrungen führen dazu,<br />
wie Alltagsrassismus und Ausgrenzung.“ Diese hat auch<br />
Kurbanovas Tochter erlebt. Da gab es einen Lehrer, der sei<br />
ständig mit den Gratisblättern in die Schule gekommen und<br />
habe, wenn wieder eine Geschichte über kriminelle Tschetschenen<br />
drinnen gestanden sei, zu ihrer Tochter gesagt: „Na,<br />
Amina, wieder etwas angestellt heute?!“<br />
Dazu komme, dass viele Tschetschenen, bevor sie<br />
in Österreich gelandet sind, während des Krieges in<br />
ihrer Heimat Binnenflüchtlinge in den Nachbarrepubliken<br />
Inguschetien und Dagestan waren, mitunter jahrelang in<br />
unerträglichen Flüchtlingslagern, in Zelten, zum Teil auch<br />
in Eisenbahnwagons gelebt haben. „Nach diesen Jahren<br />
kommen sie nach Österreich und haben dann noch eine endlose<br />
Wegstrecke vor sich. Ich kenne Familien,<br />
Die zum die haben nach neun Jahren einen positiven<br />
Nichtstun<br />
Asylbescheid bekommen. Jahrelang waren sie<br />
in Flüchtlingsheimen, oft in Pensionen ohne jegliche<br />
Bewegungsfreiheit. Ich habe gerade eine<br />
gezwungenen<br />
Männer werden Umfrage gemacht, wo es um Jobs und Bildung<br />
depressiv und<br />
der Flüchtlinge ging. Da erzählten die Menschen,<br />
was ihnen am meisten geholfen hat und was<br />
aggressiv und<br />
das größte Hindernis war, anzukommen. Diese<br />
schotten sich nur Zeiten in Heimen und Pensionen, wo sie nicht<br />
noch mehr ab.<br />
Herr über das eigene Schicksal gewesen sind,<br />
wo sie keine Deutschkurse besuchen durften,<br />
nicht arbeiten durften und es keine Kompetenzchecks<br />
gab, waren für sie fürchterlich. Die sind in den<br />
Unterkünften vor sich hinvegetiert. Und die Kinder sind so<br />
aufgewachsen. Die Tochter der Familie, die neun Jahre auf<br />
den positiven Bescheid gewartet hat, war ein kleines Kind<br />
bei der Ankunft, sie ist in einer Pension aufgewachsen,<br />
zu einer jungen Frau geworden. Jahrelang konnte sie die<br />
Schulfreundinnen nicht zu sich einladen in das eine Zimmer.<br />
Sie hat sich geschämt. Und die Burschen, die unter diesen<br />
Umständen aufwachsen, wie sollen sie sich hier heimisch,<br />
als Teil der Gesellschaft fühlen?“<br />
Die erwachsenen Männer, die in Tschetschenien Helden<br />
waren oder zumindest Versorger der Familien, die Jobs<br />
hatten, ihre Rolle im Leben, hatten hier nichts mehr. „Da<br />
Das Image tschetschenischer Jugendlicher könnte kaum schlechter sein.<br />
14 / POLITIKA /
kommt zum Kriegstrauma dazu, dass sie jahrelang nicht<br />
arbeiten durften, auf dem Sofa liegen mussten. Wie fühlen<br />
sie sich, wenn sie ihren Pflichten nicht nachgehen können?<br />
Diese zum Nichtstun gezwungenen Männer werden depressiv<br />
und aggressiv und schotten sich nur noch mehr von der<br />
Gesellschaft ab. Und die Buben, die da heranwachsen, die<br />
das alles sehen, die haben dann kein positives Männerbild.<br />
Dann kommen Dschihadisten und bieten eine Perspektive,<br />
zeigen denen, wo sie jemand sind. Wenn da selbstbewusste<br />
Männer kommen und vorgaukeln, hier ist eine neue Welt,<br />
wo du wer bist und diese Aufgabe hast und ein Teil von<br />
etwas Wichtigem, etwas Großem werden kannst, ist das sehr<br />
verlockend.“<br />
Die Attraktivität des so genannten Islamischen Staates<br />
habe nachgelassen. Aber, so meint Frau Kurbanova, hätten<br />
sie noch zwei, drei Jahre solche Erfolge vorzuweisen gehabt<br />
wie zu Beginn ihres Feldzuges, hätte dieses Problem mit den<br />
islamistischen Kämpfern in Europa noch viel größere Ausmaße<br />
angenommen.<br />
Wichtig sei festzuhalten, dass der Großteil der Tschetschenen<br />
in Österreich sein Leben lebt, arbeitet, Steuern<br />
zahlt. Aber die seien eben keine Story für die Boulevardmedien.<br />
„Demnächst haben wir ein Treffen tschetschenischer<br />
Studenten. Allein aus Wien sind das rund hundert. Das sei<br />
– gegen das gängige Narrativ – festgehalten. Aber natürlich<br />
gibt es Probleme mit Kriminalität. Was ich im Gefängnis feststelle<br />
und was mich selber erstaunt, ist, dass diese jungen<br />
Maynat Kurbanova ist selbst aus<br />
Tschetschenien geflüchtet.<br />
Foto: Christoph Liebentritt<br />
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Farago hat auf alle Fragen – ob Kontoeröffnung,<br />
Kreditantrag oder Vorsorge – eine<br />
passende Antwort. Und das nicht nur auf Deutsch,<br />
sondern auch auf Ungarisch. Die gebürtige Ungarin<br />
hat an der FH Eisenstadt studiert und ist die<br />
zentrale Ansprechpartnerin für alle Business- und<br />
Privatkunden aus dem Wiener Raum. Sie betreut<br />
rund 900 Kunden in Bank- und Geldangelegenheiten.<br />
Davon sind ungefähr ein Drittel Menschen,<br />
die aus Ungarn stammen und das mehrsprachige<br />
Beratungsangebot der Ersten Bank zu schätzen<br />
wissen. Um diesem Ansturm gerecht zu werden,<br />
berät Bianka ihre Kunden an mehreren Standorten.<br />
In Wien ist sie im 23. Bezirk tätig und auch in der<br />
Erste Bank Filiale Mödling nimmt sie sich gerne Zeit<br />
für Kundenanliegen. Ihr Profi-Tipp an alle, die zwischen<br />
Ungarn und Österreich pendeln: schnell zur<br />
Ersten Bank wechseln, denn über die Bankomaten<br />
der Erste Gruppe sind Behebungen in Ungarn am<br />
Bankomat gratis. Die Erste Bank Berater betreuen<br />
ihre Kunden nicht nur auf Deutsch, sondern neben<br />
Ungarisch auch in den Fremdsprachen Rumänisch,<br />
Serbisch, Kroatisch, Polnisch, Russisch, Slowakisch,<br />
Türkisch und Tschechisch.
Männer, die teilweise T-Shirts mit der Aufschrift Tschetschenien<br />
tragen, haben keine Ahnung, was Tschetschenien ist.<br />
Nicht einmal die Hauptstadt kennen sie. Sie haben in ihren<br />
Köpfen ein sehr ausgeprägtes Identitätsbild: ich bin ein<br />
Tschetschene. Aber wenn ich die frage, was heißt das, ein<br />
Tschetschene zu sein, dann kommt die Antwort: hart, cool,<br />
zuschlagen können. Dieses Bild entspricht dermaßen dem<br />
hiesigen Klischee, dass es fast lustig wäre, wenn es nicht so<br />
traurig wäre. Diese Burschen liefern mit diesem Selbstbild<br />
die Bestätigung des Fremdbildes.“<br />
Seit etwa zwei Jahren gibt es in der Jugendstrafanstalt<br />
Gerasdorf ein Projekt mit kaukasischen Jugendlichen, wo<br />
Maynat Kurbanova mit einem männlichen Kollegen und in<br />
Anwesenheit einer Sozialpädagogin aus der Anstalt versucht,<br />
an diesem Selbst- und Fremdbild der Jugendlichen zu<br />
arbeiten.<br />
„Wir haben noch keine Evaluierung, aber man merkt,<br />
wie uns diese Jugendlichen am Anfang wahrnahmen und<br />
wie sich das verändert. Man kann aus denen ganz leicht so<br />
genannte normale Menschen machen. Das sind Burschen,<br />
die genauso unsicher sind, die genauso Bestätigung brauchen,<br />
ein bisschen Wärme, ein bisschen Zuneigung, wie alle<br />
anderen jungen Leute. Diese harte Schale, dieses Bild, das<br />
sie nach außen liefern, das ist auch ein gewisser Versuch,<br />
sich selber zu schützen. Es gibt auch welche, für die das<br />
nach außen aggressiv oder hart sein nichts anderes ist, als<br />
dem Klischee entsprechen zu wollen. Denn: Was erwartet ein<br />
durchschnittlicher Mensch in Österreich von einem tschetschenischen<br />
Jugendlichen? Dass er hart ist, aggressiv ist,<br />
dass man dem am besten aus dem Weg geht. Die Medien,<br />
auch die sogenannten Qualitätsmedien, verbreiten dieses<br />
Bild. Was soll ein tschetschenischer <strong>17</strong>-Jähriger machen, der<br />
eigentlich körperlich schwächer ist, der vielleicht in Wahrheit<br />
gern Klavier spielen möchte? Der muss diesem Bild entsprechen,<br />
glaubt er. Ich sehe leider häufig, dass diese jungen<br />
Menschen in die Ecke der Aggressiven, Bösen, Radikalen<br />
gedrängt werden. Aber man kann sie, wie wir in diesem<br />
Gefängnisprojekt erleben, von dort auch wieder abholen.“ ●<br />
Du willst mehr über<br />
Maynat Kurbanova<br />
wissen?<br />
Dann lies das neue<br />
Buch von Livia Klingl,<br />
die diesen Artikel für<br />
biber geschrieben hat.<br />
Die Journalistin und<br />
Buchautorin zeigt mithilfe<br />
von 21 Porträts in „Lauter<br />
Fremde!“, dass wir uns<br />
trotz digitaler Vernetzung<br />
und Globalisierung<br />
fremd geworden sind in<br />
unserem Land – egal ob<br />
wir Österreicher oder<br />
Ausländer sind.<br />
Viele heranwachsende Tschetschenen haben kein positives Männerbild.<br />
16 / POLITIKA /
MEIN WIEN NACHRICHTEN<br />
Bezahlte Anzeige<br />
43-Jähriger gibt<br />
betagter Frau<br />
einen Ruck!<br />
Hier hört man immer<br />
wieder von Michael L.<br />
Na, mit einer schlechten Nachricht gerechnet?<br />
Diesmal nicht. Denn Michael L. (Name der Redaktion<br />
bekannt), 43, ist ehrenamtlich für Wien<br />
tätig und spielt jede Woche freiwillig Gitarre in<br />
einer Wohngemeinschaft für ältere Menschen<br />
mit Behinderung. So singt er zum Beispiel mit<br />
Monika, 66, für die Michaels Besuche der absolute<br />
Höhepunkt der ganzen Woche sind. Wir<br />
finden, das ist auch eine Schlagzeile wert.<br />
Können Sie auch ein Instrument spielen? Dann<br />
geben Sie sich doch selbst einen Ruck und<br />
machen älteren Menschen eine Freude.<br />
ACHTUNG:<br />
Musik kann die<br />
Stimmung aufhellen.<br />
Michael L. beim Musizieren<br />
Eine starke Zivilgesellschaft für ein starkes Wien.<br />
Möchten auch Sie sich engagieren?<br />
Dann schauen Sie auf<br />
www.freiwillig.wien.at
Frau Nöstlinger,<br />
welche Note<br />
geben Sie<br />
unserem Kanzler?<br />
Für wie viele<br />
Selfies haben<br />
Sie schon<br />
posiert?<br />
Wie viele<br />
muslimische<br />
Freunde<br />
haben Sie?<br />
Wie viele<br />
Zigaretten<br />
rauchen Sie<br />
am Tag?<br />
Interview in Zahlen:<br />
Es wird schon genug geredet.<br />
Biber fragt in Worten,<br />
Schriftstellerin Christine Nöstlinger<br />
antwortet in Zahlen.<br />
0<br />
3<br />
10<br />
Von Amar Rajković, Sarah Nadj<br />
Fotos: Christoph Liebentritt<br />
Christine Nöstlinger hat drei muslimische Freunde.<br />
Die Kinderbuchautorin hat noch nie für ein Selfie posiert.<br />
Wie oft<br />
wurden Sie von<br />
einem Mann<br />
alleingelassen?<br />
Sie sind 81. Wie<br />
viele Jahre<br />
möchten Sie<br />
noch leben?<br />
Wie viele Ihrer<br />
guten Freunde<br />
sind noch<br />
am Leben?<br />
Wie viele<br />
Bücher lesen<br />
Sie monatlich?<br />
Wie oft am Tag<br />
müssen Sie<br />
sich über die<br />
österreichische<br />
Politik ärgern?<br />
50<br />
3<br />
5<br />
4<br />
2<br />
18 / POLITIKA /
Wie oft trinken<br />
Sie Alkohol in<br />
der Woche?<br />
Wie viele<br />
Nummern<br />
haben Sie<br />
in ihrem<br />
Smartphone<br />
gespeichert?<br />
Wie oft die<br />
Woche klingeln<br />
wildfremde<br />
Leute an Ihrer<br />
Tür?<br />
Wie viel<br />
Euro haben<br />
Sie gerade<br />
eingesteckt?<br />
Wie viel Euro<br />
von dem mit<br />
540.000 €<br />
dotierten<br />
Astrid-Lindgren-<br />
Gedächtnispreis<br />
haben Sie noch?<br />
4<br />
30<br />
2<br />
420<br />
0<br />
Obwohl wir sie darauf hingewiesen haben, dass die Politiker<br />
nach dem Schulnotensystem zu beurteilen sind (1-5), beharrte<br />
Nöstlinger auf ihre strenge Einschätzung, die Note Zehn.<br />
Fünf von Nöstlingers engsten Freunden sind noch am Leben.<br />
Beurteilen Sie<br />
die Leistung<br />
von Kanzler<br />
Kern!<br />
(1 Sehr gut,<br />
5 Ungenügend)<br />
Beurteilen Sie<br />
die Leistung<br />
von Außenminister<br />
Kurz!<br />
(1 Sehr gut,<br />
5 Ungenügend)<br />
In wie vielen<br />
Jahren werden<br />
Frauen wie<br />
Männer<br />
behandelt?<br />
Wie viel Euro<br />
netto sollte ein<br />
Arbeiter in Österreich<br />
mindestens<br />
im Monat<br />
verdienen?<br />
Auf einer Skala<br />
von 0 bis 100:<br />
Wie viele Meter<br />
links von der<br />
Mitte stehen<br />
Sie politisch?<br />
1<br />
10<br />
Niemals<br />
1.800<br />
Netto<br />
80<br />
/ POLITIKA / 19
Kommentar<br />
zu Kopftuch<br />
& Kruzifix von<br />
Doron Rabinovici<br />
Politik der<br />
Verschleierung<br />
TIZIANA FABI / AFP / picturedesk.com, Reinhard Werner<br />
20 / POLITIKA /
Es geht um die Politik der<br />
Verschleierung und um eine<br />
Verschleierung von Politik.<br />
Sebastian Kurz forderte<br />
das Kopftuchverbot für alle<br />
öffentlich Bediensteten. Minister Kurz<br />
sprach von keinem anderen religiösen<br />
Zeichen. Er wollte ein Gesetz eigens für<br />
– oder eher gegen – orthodox gläubige<br />
Muslimas in allen Ämtern, ob in den<br />
Wasserwerken oder bei der Steuerbehörde.<br />
Kaum ausgesprochen, grenzte er<br />
seinen Vorstoß wieder auf Lehrerinnen<br />
und Richterinnen ein. Die Regierung<br />
einigte sich schließlich darauf, es mögen<br />
die Richterschaft, die Staatsanwälte und<br />
die Polizei kein religiöses Symbol tragen,<br />
denn sie hätten die weltanschauliche<br />
Neutralität des Rechtsstaates zu repräsentieren.<br />
Das klang einleuchtend. Das<br />
Recht darf nicht einer Konfession unterworfen<br />
sein; zumal in Zeiten fundamentalistischer<br />
Bewegungen.<br />
Aber das Kreuz, hieß es, soll weiterhin<br />
auf den Richtertischen stehen<br />
bleiben. Es ist, als könnte der ursprüngliche<br />
Wunsch ein Zeichen gegen den<br />
Islam schlechthin zu setzen, nicht ganz<br />
unterdrückt werden. Das Kruzifix gehöre<br />
einfach zum Land, sagte Kurz. Es sei in<br />
Österreich historisch gewachsen, wurde<br />
erklärt und das klang beinah, als wäre<br />
es Teil der heimischen Flora. So leicht<br />
kann der politische Kampf für Aufklärung<br />
in einen kulturalistischen Kreuzzug fürs<br />
Abendland abgleiten. Mit Integration und<br />
Säkularität hat das nichts mehr zu tun.<br />
Das Kreuz, das für viele Christen ein universales<br />
Symbol menschlichen Leidens<br />
ist, wird hier zu einem Hoheitszeichen<br />
von Identität und Unterwerfung. Das ist<br />
– Kruzitürken Herrschaftszeiten noch einmal!<br />
– unsere wahre Passion hierzulande:<br />
Die Hatz gegen die anderen.<br />
Um nicht missverstanden zu werden:<br />
Die Zwangsverhüllung durch den politischen<br />
Islamismus gilt es zu bekämpfen.<br />
Niqab und Burka machen Frauen zum<br />
blinden Flecken der Gesellschaft, und<br />
die Ideologie, die mit diesen Attributen<br />
einhergeht, erklärt mich, den ungläubigen<br />
Juden und freien Autor, zum<br />
Zielobjekt und zum Todfeind zugleich.<br />
Die Dschihadisten bejubeln den Mord an<br />
allen, die sie zum Ketzer erklären. Sicher<br />
entstammt auch der Hidschab grundsätzlich<br />
einer patriarchalen Überzeugung, die<br />
Weiblichkeit als sexuelle Gefahr diffamiert,<br />
doch die individuellen Gründe das<br />
Kopftuch zu tragen sind unterschiedlich.<br />
Nicht wenigen Frauen fällt es schwer,<br />
von einem Tag zum anderen den Schal,<br />
den Überwurf oder den Hidschab abzulegen.<br />
Manche Teenagerinnen, die ihr Haar<br />
im Einklang mit ihrer Konfession verbergen,<br />
drücken damit<br />
ihren Trotz gegen<br />
Assimilationszwang<br />
und Kulturdünkel<br />
der Mehrheitsgesellschaft<br />
aus.<br />
Wir sind Zeugen<br />
einer Politik, die sich<br />
islamistischen Staaten, die ihre Frauen<br />
entrechten, buckelnd andient, um ihren<br />
Mut an der muslimischen Minderheit<br />
hier zu kühlen. Die muslimischen Frauen<br />
geraten in eine Zwickmühle: Während<br />
die einen sie als Muslimas nur akzeptieren,<br />
wenn sie sich als Frauen verhüllen,<br />
achten sie die anderen als Frauen nur<br />
dann, wenn sie nicht als Muslimas kenntlich<br />
sind.<br />
KEINE VERSTELLUNG<br />
Bekannt ist, wie den Juden zu Beginn<br />
der Aufklärung versprochen wurde,<br />
sie könnten gleichberechtigte Bürger<br />
werden, wenn sie nur bereit wären, von<br />
ihren Traditionen abzulassen. Um das<br />
Ghetto endlich hinter sich zu lassen,<br />
waren viele bereit, ihr Judentum zu verstecken<br />
und besonders patriotisch aufzutreten.<br />
Es nutzte ihnen letztlich nichts.<br />
Im Gegenteil: Die antisemitischen Mörder<br />
hassten vor allem den angepassten<br />
Juden, weil ihm unterstellt wurde, sich<br />
heimtückisch zu verstellen.<br />
Nichts anderes geschieht, wenn<br />
heute unter dem Titel Integration nur<br />
Assimilation eingemahnt wird. Wer mit<br />
dem Kreuz Laizismus predigt, will die<br />
Säkularisierung, zu der die Mehrheit nicht<br />
bereit ist, allein auf Kosten der Minderheit<br />
durchsetzen.<br />
Die Situation heute ist anders, da es<br />
auch darum geht, gegen das massive<br />
Vordringen einer fundamentalistischen<br />
Politik des Islam zu handeln. Aber nicht<br />
hilfreich ist in dieser Auseinandersetzung<br />
die Hetze gegen alle Muslime pauschal<br />
zu befeuern. Im Gegenteil: Das nutzt nur<br />
jenen Eiferern, die vorgeben im Namen<br />
des wahren Islam zu sprechen.<br />
Religionsfreiheit ist Freiheit von der<br />
und für die Religion zugleich. Es geht<br />
darum, die Grenze zwischen sakralem<br />
und säkularem Raum gegen Übergriffe<br />
von beiden Seiten zu schützen. Zudem<br />
muss jede Maßnahme im richtigen<br />
Kontext beurteilt werden. Kritik an der<br />
jüdischen Orthodoxie bedeutet in Israel<br />
nicht dasselbe wie<br />
etwa in Kärnten.<br />
Unsere wahre Passion<br />
hierzulande: Die Hatz<br />
gegen die anderen.<br />
Ohne Schutz der<br />
Minderheiten kann<br />
Demokratie und<br />
Rechtsstaat nicht<br />
funktionieren.<br />
Wer ob im<br />
Gericht oder in der Schule den Laizismus<br />
ehrlich einführen will, muss bereit sein,<br />
wie in Frankreich auf das Kreuz zu verzichten.<br />
Wenn nicht, sollten alle Symbole<br />
wie in Kanada gleichermaßen erlaubt<br />
sein. Gegen den Islamismus braucht es<br />
hingegen einen gezielt politischen Kampf<br />
und nicht pauschale Diskriminierung.<br />
Wollen wir indes die chauvinistische<br />
Zwangsverhüllung bekämpfen, dann<br />
gilt es vor allem einen liberalen Islam<br />
zu fördern, doch ebenso selbstbewusst<br />
aufgeklärte oder säkulare Muslima zu<br />
unterstützen – ob nun mit oder ohne<br />
Kopftuch. ●<br />
Doron Rabinovici, 1961 in Tel<br />
Aviv geboren, lebt seit 1964<br />
in Wien und ist Schriftsteller<br />
und Historiker. Hat letztens im<br />
„Talk im Hangar“ mit Sebastian<br />
Kurz, Alice Schwarzer<br />
und Nadire Mustafi zum<br />
Thema „Burka, Kopftuch und<br />
Koran: Woran scheitert Integration?“<br />
diskutiert.<br />
/ POLITIKA / 21
INSIDE WERTEKURS<br />
Die Werte- und Orientierungskurse<br />
für Flüchtlinge<br />
sollen in Österreich bald<br />
verpflichtend sein. Nur, was<br />
lernt man da eigentlich? Biber<br />
hat an einem Unterrichtstag<br />
teilgenommen und dabei selbst<br />
viel erfahren: Zum Beispiel wer<br />
in Österreich beim 1. Date zahlt.<br />
Von Delna Antia. Fotos: Marko Mestrović<br />
Es ist knapp 9.15 Uhr, ein Mittwoch im Februar. Kurz<br />
wird noch der Stoff von gestern abgefragt: „Was<br />
ist der Steuertopf?“ – „Man zahlt rein und hinterher<br />
kommt etwas raus für alle anderen.“ Scheint zu sitzen.<br />
Dann beginnt der Unterricht.<br />
Mirela und Ahmed leiten durch den heutigen Werte-<br />
und Orientierungskurs für Flüchtlinge. Das geht so vor<br />
sich: Mirela spricht auf Deutsch, legt eine Pause ein, dann<br />
übersetzt Ahmed auf Arabisch und in diesem Rhythmus<br />
geht das 4 Stunden fort. Kontextbedingt bemerke ich<br />
natürlich sofort, dass die Trainerin ein schickes Businesskleid<br />
und Stiefel trägt. „Subtile Wertevermittlung?“, frage<br />
ich mich. Andererseits, in Anbetracht der anwesenden<br />
Frauen packe ich schnell meine eigenen Klischeevorstellungen<br />
wieder in die Handtasche. Da sitzen Zwanzigjährige<br />
in Fetzenjeans, mit Beyonce-Kreolen, blondierten Haaren<br />
und cooler Cap und erzählen, dass sie Controlling, Wirtschaft<br />
und Ingenieurwesen studiert haben.<br />
Das österreichische Schulsystem steht als erstes auf<br />
dem Stundenplan. „Welche Wege gibt es für eure Kinder?<br />
22 / POLITIKA /
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
gibt es für euch?“, leitet<br />
Mirela den Block ein. Sie zeichnet<br />
die verschiedenen Schulwege auf<br />
ein Flipchart. Ein Mann fragt, was<br />
mit seiner 16-jährigen Tochter<br />
passiert, die bald nach Österreich<br />
nachkommt. Mit 16 Jahren fällt<br />
sie immerhin aus der österreichischen<br />
Schulpflicht heraus.<br />
„Das ist oft ein Problem, dass die<br />
Schulen die Kinder ab 15 nicht<br />
mehr annehmen. Dann braucht<br />
es viel Eigeninitiative!“, erklärt<br />
Mirela, die selbst einst aus Bosnien<br />
geflüchtet ist.<br />
ÖSTERREICH: LAND DER<br />
EIGENINITIATIVE<br />
Stichwort Eigeninitiative: Das ist<br />
quasi der Ober-Wert, der hier<br />
vermittelt wird. Nicht als eigene<br />
Einheit, sondern als Mantra<br />
quer durch den Stoff: Wer sich<br />
in Österreich erfolgreich integrieren<br />
will, muss eigeninitiativ sein. Denn Job, Haus, Auto<br />
und Ehefrau regnet es nicht vom Himmel. Das sei nämlich<br />
oft die Erwartungshaltung von Neuankömmlingen, wird mir<br />
erklärt. Die Anwesenden heute sind jedenfalls eigeninitiativ<br />
hier. Noch ist die Teilnahme an einem Wertekurse nicht verpflichtend,<br />
sondern lediglich ein Angebot. Die 20 Besucher<br />
heute erhoffen sich Infos über Jobperspektiven, Schulsystem<br />
und Deutschkurse. Stellt sich die Frage, was mit jenen<br />
Flüchtlingen ist, die mehr traumatisiert als engagiert<br />
sind – fallen sie durchs Raster? Das neue Integrationsgesetz<br />
scheint in dieser Hinsicht greifen<br />
zu wollen. Anerkannte Flüchtlinge müssten<br />
dann verpflichtend sowohl Deutschkurse als<br />
auch einen Werte- und Orientierungskurs<br />
absolvieren.<br />
Ja, so sehen Flüchtlinge auch aus: Die Syrerinnen Midia, 21, Robina, 23 und Chahnaz,<br />
32 haben abgeschlossene Studien in Wirtschaft, Ingenieurwesen und Marketing.<br />
„Wenn<br />
Haschisch<br />
verboten ist,<br />
warum gibt es<br />
dann Hanf-<br />
Shops in<br />
Wien?“<br />
ÖSTERREICH: LAND DER ZEUGNISSE<br />
Zurück in die Schule. Weil viele Eltern anwesend<br />
sind, schärft Mirela ihnen ein: „Es ist<br />
nicht schlimm, wenn eure Kinder wiederholen<br />
müssen und die Ältesten in der Klasse sind. Auch<br />
genügend österreichische Kinder wiederholen – einfach<br />
weil sie nichts lernen.“ Dann erkundigt sie sich nach<br />
den Zeugnissen der Anwesenden. Immerhin, Österreich sei<br />
ein Land der Zeugnisse – sie bestimmen über die Zukunft.<br />
Ebenso wie Deutsch. Die Trainerin gibt ihnen Tipps: „Macht’s<br />
Hausübungen mit den Kindern! Macht’s Einkaufslisten auf<br />
Deutsch! Probiert die „Heute“ zu lesen – nicht wegen der<br />
Qualität, aber zum Deutsch lernen!“ Mit einem Zwinkern fügt<br />
sie noch hinzu: „Und eine Österreicherin heiraten, das hilft<br />
auch!“<br />
Wer sich unter dem „Wertekurs“ eine moralphilosophische<br />
Grunderziehung vorgestellt hat – so wie ich – wird<br />
überrascht sein. Es geht vor allem um praxisbezogene<br />
Orientierung: Geschichte, Geographie, eine Einführung<br />
in die Grundsysteme, also Gesundheit, Wohnen, Bildung<br />
und Arbeit. Mit Humor und Alltagsbezug werden Kulturunterschiede<br />
angesprochen, bedeutende Kleinigkeiten, wie<br />
zum Beispiel, dass man in Österreich Babys von fremden<br />
Personen nicht einfach anfasst, egal wie süß sie sind. Und,<br />
natürlich, es werden die großen Grundwerte durchgenommen:<br />
Gleich als erstes wurde am Vortag Österreich<br />
als Rechtsstaat und Demokratie behandelt.<br />
Auf einem Flipchart lese ich noch die Begriffe<br />
Menschenwürde, Meinungsfreiheit und<br />
Gleichberechtigung von Mann und Frau.<br />
ÖSTERREICH: LAND DES<br />
AUGENKONTAKTS<br />
Bei uns geht es praktisch weiter. „Wenn<br />
das Bewerbungsgespräch um 14 Uhr ist, um<br />
wie viel Uhr sollte man da sein?“, fragt Mirela.<br />
„13.50 Uhr?“, bietet ein Teilnehmer. „Zu spät! 13.45<br />
Uhr!“ Mirela führt in die Welt der Arbeitssuche ein: Was<br />
ist ein Motivationsschreiben? Was ziehe ich zum Gespräch<br />
an? Dass man keine Shorts trägt, nicht Kaugummi kauen<br />
sollte und seinem Gegenüber in die Augen schaut, scheint<br />
den anwesenden Syrern nicht gerade neu zu sein. Bei<br />
afghanischen Männern hätte die Trainerin als Frau allerdings<br />
schon andere Erfahrungen in Punkto Augenkontakt und<br />
Händedruck gemacht. Dann zeichnet sie die Steuerabgaben<br />
vom Lohnzettel auf. „Wie viele Gehälter bekommen wir?“,<br />
fragt Mirela die Runde. „14!“ Das weiß jeder. Anders als in<br />
Österreich sind die Menschen in Syrien allerdings häufiger<br />
/ POLITIKA / 23
Netto vom brutto: Trainerin Mirela zeichnet alles auf, was in<br />
Österreich wichtig ist. Zum Beispiel: wo das Gehalt hinfließt.<br />
Alkohol in der Öffentlichkeit!? Das ist für Gamel, 26, doch neu<br />
in Österreich. Dolmetscher Ahmed übersetzt für den Iraker.<br />
selbstständig. Das trifft auch auf die heutige Gruppe zu. Viele<br />
besitzen ein eigenes Geschäft: Kleider und Schuhe.<br />
ÖSTERREICH: LAND DES KÜSSENS<br />
Dann kommen wir zum letzten Block. Mirela hat einen Stapel<br />
Fotos mitgebracht. Auf dem ersten, das sie hochhält, ist eine<br />
Frau mit Kopftuch zu sehen. „Ist das gesetzlich erlaubt?“ Im<br />
Gespräch mit den Teilnehmern stellt sie klar: Ist erlaubt – aber<br />
soziale Diskriminierung gibt es trotzdem. Sie empfiehlt bei<br />
dummen Sprüchen darüber zu stehen, bei Übergriffen aber<br />
die Polizei zu verständigen. Dann präsentiert sie weitere Bilder.<br />
Mirela hält Fotos von roten Fußgängerampeln, Haschischrauchenden<br />
und Gewalt in der Familie hoch. Alles verboten<br />
natürlich. Dass Haschisch illegal ist, scheint einige Teilnehmer<br />
zu wundern. „Warum gibt es dann Geschäfte, die Pflanzen und<br />
Pfeifen verkaufen?“ Weitere Fotos thematisieren Promille, Mülltrennung,<br />
Tschick am Boden und die Telefonnummer der Feuerwehr.<br />
Ich staune, hier werden Flüchtlinge zu Musterbürgern<br />
herangezogen. Dann das Foto einer weiblichen Führungskraft!<br />
Die Message: In Österreich sitzen Frauen in Chefsesseln. (Naja,<br />
denke ich.) „Normal“, sagen die Syrer. Beim Punkt Scheidung<br />
stutzen sie allerdings doch. Dass theoretisch auch eine Frau<br />
ihrem Ex-Mann nach einer Scheidung Alimente zahlen müsste,<br />
finden sie schon komisch. Ernster wird ihr Blick erst, als Mirela<br />
ein Foto eines sich in der Öffentlichkeit küssenden Pärchens<br />
zeigt. „Ist das erlaubt?“ Ja, alle nicken. „Wer möchte das auf<br />
der Straße auch tun?“ Keiner nickt. Dann präsentiert sie das<br />
letzte Bild: Männer und Frauen im Kaffeehaus. „Wer zahlt beim<br />
ersten Date in Syrien?“, fragt sie. Alle kennen nur eine Antwort:<br />
Der Mann. „Und in Österreich?“ Ratloses Schweigen. „Bei<br />
uns ist das auch so: Da zahlt der Mann!“, klärt Mirela auf. Sie<br />
schaut zu mir, „Stimmt doch, oder?“ Ich sage mal: „Ja...“<br />
Dann ist der Kurs vorbei. Ich verabschiede mich. Gut, über<br />
die brenzligen Sachen haben wir nicht gesprochen: Etwa darüber,<br />
dass Frauen sich freizügig kleiden, junge Leute vor der Ehe<br />
Sex haben und selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden. Die<br />
Rechte von Homosexuellen wurden am Vortag thematisiert,<br />
versichert man mir vom ÖIF. Aber wie viel Verinnerlichung kann<br />
in acht Kursstunden stattfinden? Andererseits, auch als Piefkin<br />
bin ich jetzt besser orientiert als vorher. ●<br />
In Syrien besaß dieser Familienvater ein Geschäft für Schuhe.<br />
WAS SIND WERTEKURSE?<br />
Über 18.000 Flüchtlinge haben seit dem<br />
Start 2016 an einem Werte- und Orientierungskurs<br />
in ganz Österreich teilgenommen.<br />
Zentrale Bestandteile sind die Grundwerte<br />
der österreichischen Verfassung. Derzeit<br />
sind die (kostenlosen) Kurse ein Angebot<br />
des Österreichischen Integrationsfonds.<br />
Laut Integrationsgesetz, das zu Druck dieser<br />
Ausgabe noch in Begutachtung ist, soll<br />
die Teilnahme jedoch verpflichtend werden<br />
für AsylwerberInnen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit<br />
und Asylberechtigte. Bei<br />
Verstoß gegen die grundlegenden Werte<br />
der österreichischen Rechts- und Gesellschaftsordnung<br />
drohen Sanktionen.<br />
24 / POLITIKA /
RAMBAZAMBA<br />
Hauptsache jeder tanzt.<br />
Foto von Marko Mestrović
HEI<br />
TEN<br />
RA<br />
Brautstrauß von Brigitte Blumen,<br />
Westbahnstraße 5, 1070 Wien<br />
26 / RAMBAZAMBA /
ZWISCHEN PINTEREST UND<br />
HEIMATDORF-TRADITION<br />
Du dachtest, du kannst deine Hochzeit im Alleingang gestalten?<br />
Think again!<br />
Denn deine Eltern, Schwiegereltern und Dorfbewohner haben auch<br />
ein Wörtchen mitzureden. Wie setzt frau nun ihre Pinterest-Hochzeit<br />
um, wenn die Familie auf Traditionen aus der alten Heimat besteht?<br />
Von Jelena Pantić und Marko Mestrović (Fotos)<br />
Stell dir vor, du hast den passenden<br />
Bräutigam gefunden,<br />
deine Pinterest-Pinnwände sind<br />
zum Bersten voll mit Ideen für<br />
Blumengestecke und sogar das Budget<br />
für das Fest aller Feste ist schon festgesetzt.<br />
Wen du in deinem Hollywoodhochzeit-Masterplan<br />
aber nicht bedacht<br />
hast: deine Eltern, Schwiegereltern und<br />
Heimatdorfbewohner. Noch immer sitzen<br />
meistens Frauen im Hochzeitsplanungs-<br />
Kommitte. Sie kennen die Faustregeln:<br />
Je größer, je mehr Traditionen und je<br />
mehr Leute sich einmischen, desto<br />
stressiger. Bräute aus der Community<br />
haben in der Regel größere Familien und<br />
damit mehr Menschen, die eingeladen<br />
werden und auch mehr, die mitmischen<br />
wollen. Da die Eltern des Brautpaares<br />
oft die Hochzeit bezahlen, dürfen sie<br />
auch bestimmen, was mit ihrem Geld<br />
passiert. Oft gar nicht zur Freude der Tochter oder<br />
Schwiegertochter, die sich ihren „großen Tag“ natürlich<br />
ganz anders vorgestellt hat. Denn die Braut von heute<br />
sucht eher auf Pinterest als im Orthodoxie-Forum nach<br />
Inspiration für ihre Hochzeit. Sie will unter 300 Gäste,<br />
Brautjungfern, ein Haute Couture Kleid mit Ausschnitt<br />
und Pinterest-Deko. Schwiegermonster äh Mutter<br />
hingegen will ihren Sohn drei Tage lang unter Planenzelt<br />
mit Kieselboden in der Heimat verheiraten und natürlich<br />
darf der Cousin 13. Grades mit Frau und vier Kindern<br />
nicht fehlen. Schnell wird klar: Bräute von heute erwartet<br />
ein großer Spagat zwischen Tradition und Glamour-<br />
Hochzeit.<br />
Photostudio Zoran Mrdjenovic<br />
BRIDEZILLA-MODUS<br />
Für Ivana war die Planung ihrer Traumhochzeit<br />
beinahe traumatisch. Sie erzählt<br />
lachend, dass sie noch immer im Verarbeitungsprozess<br />
steckt. Sie sagt von sich<br />
selbst, dass sie eine Bridezilla war, denn<br />
an ihrem großen Tag sollte alles perfekt<br />
und bis ins kleinste Detail geplant sein –<br />
und das kostet Geld und Nerven. Einen<br />
Wedding Planner zu engagieren war ihre<br />
beste Entscheidung, dennoch konnte<br />
Ivana die Hochzeitszügel nicht ganz<br />
aus der Hand lassen. Denn das ganze<br />
Unterfangen war ihrem Kopf entsprungen<br />
und in ihren Händen auch am besten<br />
aufgehoben. Sechs Monate hat sie nach<br />
der perfekten Location gesucht, zwei<br />
Bands gebucht, damit alle zufrieden sind<br />
und die Anzahl der Hortensien im Blumenarrangement<br />
bestimmt. Der Druck<br />
und Stress von Micromanaging führte<br />
zu schlaflosen Nächten und verlorenen Kilos, sodass<br />
das auf den Millimeter angepasste Brautkleid am Tag<br />
der Hochzeit zu locker saß. Nach zwei Jahren Planung<br />
hat Ivana ihre perfekte Pinterest-Hochzeit bekommen,<br />
inklusive Haute Couture Robe aus Tel Aviv, Jimmy Choo<br />
Hochzeitsschuhen aus Mailand, Wedding Planner und<br />
Vera Wang Kristallgläsern. Der Weg dahin war aber ein<br />
ständiger Balanceakt zwischen dem, was das Brautpaar<br />
will und “was sich gehört”. Die größte Streitfrage: Wie<br />
soll die Erinnerung an den Hochzeitstag festgehalten<br />
werden? Ivana erklärt: “Ich wollte 20 Stunden ungeschnittenes<br />
Videomaterial, 14 DVDs und ein Fotoalbum<br />
voller verschwitzter Leute und offener Kaumünder<br />
/ RAMBAZAMBA / 27
Meine Hochzeit,<br />
meine Regeln!<br />
28 / RAMBAZAMBA /
vermeiden. Deshalb habe<br />
ich statt dem klassischen<br />
Balkan-Videografen einen<br />
Fineart-Wedding-Fotografen<br />
und ein dreiköpfiges Videoteam<br />
engagiert.” Das Ergebnis:<br />
Ein kinoreifer zweistündiger<br />
Film als Hochzeitsvideo, von<br />
dem ihre Familie immer noch<br />
nicht ganz begeistert ist. Aber<br />
da ließ Ivana nicht mit sich<br />
verhandeln. Wenn du als Braut<br />
deine Wünsche durchsetzen<br />
willst, musst du bereit sein<br />
dafür zu kämpfen.<br />
TRADITIONEN DELEGIEREN<br />
Die 25-jährige Tatjana musste hingegen keine Kampftechniken<br />
anwenden, um ihre Traumhochzeit durchzusetzen.<br />
Wie bei Ivana gab es in Dingen wie Deko und<br />
Brautkleid keinerlei Vorschriften, sie konnte ihre Wünsche<br />
voll und ganz einbringen. Ihre Hochzeit in Bosnien<br />
wurde von vielen Bräuchen geschmückt. Viele vor allem<br />
junge Bräute halten diese Bräuche aber für überholt,<br />
unnötig und auch sexistisch. Nicht so Tatjana, sie ist<br />
mit Traditionen aufgewachsen und hatte auch nicht vor<br />
Photostudio Zoran Mrdjenovic<br />
gegen sie zu rebellieren, im<br />
Gegenteil, sie hat sie begrüßt.<br />
Es war für sie selbstverständlich,<br />
dass ihr Bräutigam “den<br />
Apfel abschießt”. Wenn der<br />
Bräutigam die Braut aus dem<br />
Haus ihrer Eltern mit seiner<br />
Hochzeitsgesellschaft abholt,<br />
muss er mit dem Gewehr<br />
einen an einem hohen Mast<br />
befestigten Apfel abschießen,<br />
um seine Braut überhaupt<br />
mitnehmen zu dürfen. Zwei<br />
Versuche hat er, um zu beweisen,<br />
dass er seine Zukünftige<br />
verdient hat. Tatjanas Mann hat den Apfel souverän<br />
abgeschossen und seine Gäste durften zur Hochzeitsgesellschaft<br />
der Braut hinzustoßen und gemeinsam<br />
feiern. Auch wenn er den Apfel nicht abgeschossen<br />
hätte, hätten die beiden natürlich geheiratet, aber so<br />
war es weniger peinlich. Viele der Traditionen sind<br />
stark patriarchalisch geprägt, wie zum Beispiel, dass<br />
die Braut abgekauft wird und die Männer um den Preis<br />
für die Braut verhandeln. Heute ist das alles nur Spaß,<br />
früher war es vermutlich nicht so spaßig. Jedenfalls<br />
bringen die Bräute heute ihren eigenen Twist rein. Beispielsweise<br />
hat Tatjana sich nicht wie traditionell üblich<br />
von Bruder oder Cousin aus dem Haus begleiten lassen,<br />
sondern von ihren beiden jüngeren Schwestern. Tatjana<br />
hat als Braut einen besonders angenehmen Umgang<br />
mit Bräuchen und Traditionen gewählt: Sie hat diesen<br />
Bereich einfach voll und ganz ihren Eltern überlassen.<br />
Sie kannten die Bräuche besser und wussten was zu<br />
tun ist. An die Eltern delegiert hat sie auch die Kommunikation<br />
mit den Verwandten. Wer wann wo sein muss,<br />
haben Mama und Papa verlautet. So konnte sich Tatjana<br />
voll und ganz auf die passende Farbe der Blumendekoration<br />
und die Spitzendetails für ihren Bolero für die<br />
Kirche konzentrieren. Von ihrer serbisch-orthodoxen<br />
Hochzeit in Bosnien hatte sie diesen Eindruck: “Diese<br />
traditionellen Sachen auf der Hochzeit sind bei all<br />
meinen Freunden, also der jüngeren Generation, sehr<br />
gut angekommen und die Älteren haben sich darüber<br />
gefreut, die Bräuche wieder zu sehen.” Klingt nach<br />
einem guten Kompromiss.<br />
Photostudio Zoran Mrdjenovic<br />
Tatjana Trebovac, 25<br />
Hard facts: 2015, 330 Gäste, in Prijedor<br />
War am Tag der Hochzeit: hundemüde<br />
und in Trancezustand, empfiehlt jedem<br />
einen Wedding Planner<br />
Traditionsfaktor: hoch und an die Eltern delegiert<br />
Emotionalste Momente: als sie das erste Mal ihren<br />
Mann an dem Tag sah und die “Verabschiedung”<br />
von ihrem Vater<br />
/ RAMBAZAMBA / 29
ZUCKERL, REIS<br />
UND ALKOHOL<br />
Bahar musste einen großen<br />
Kompromiss eingehen.<br />
Sie wollte nie im Leben eine<br />
türkische Hochzeit mit 1000<br />
Gästen feiern. Ihre Mutter sah<br />
das anders: “Ich hab meine<br />
Mama gebeten nicht jeden,<br />
den sie kennt, auch einzuladen<br />
oder die Gästeanzahl zumindest<br />
etwas einzuschränken.”<br />
Letztendlich feierten sie mit<br />
800 Gästen. Und sie feierten<br />
drei Mal. Einmal gab es nach<br />
dem Standesamt eine kleine Agape mit 60 Leuten in<br />
Wien, danach die riesige Hochzeitsfeier mit 800 Gästen<br />
und zwei Wochen später eine im Verhältnis kleine Party,<br />
mit 350 Gästen in Istanbul. Bahar hat sich traditionell von<br />
ihrer Familie verabschiedet und wurde von der Familie<br />
ihres Mannes von ihrem alten Zuhause abgeholt. Vor der<br />
Tür wurde kurz gebetet und dann durfte sie mit “Davul<br />
und Zurna”, also unter Trommelwirbel und Oboen mit<br />
ihrem Mann ins Auto steigen. Als symbolisches Zeichen<br />
wurden dem Brautpaar Zuckerl und Reis für eine süße und<br />
Kleid von Berta Bridals, Foto von Thomas Steibl<br />
Photostudio Zoran Mrdjenovic<br />
schöne Ehe nachgeworfen.<br />
Bahar war also bereit, gewisse<br />
Bräuche einzuhalten und bei<br />
der Gästeanzahl aufzustocken,<br />
dafür konnte sie ihren<br />
Wunsch-DJ durchsetzen, der<br />
nicht nur traditionelle Musik<br />
spielte, sondern auch moderne.<br />
Bei türkischen Hochzeiten<br />
ist es außerdem üblich, dass<br />
ein Moderator die Geschenke<br />
der Gäste vor versammelter<br />
Hochzeitsgesellschaft<br />
per Mikrofon annonciert. Da<br />
wollten Bahar und ihr Mann<br />
wirklich nicht nachgeben. Bei der Hochzeit gab es also<br />
keine moderierte Geschenkeshow, dafür eine Menge<br />
Alkohol. Im Endeffekt war es so, dass Bahar bei<br />
manchen Dingen nachgegeben hat und bei anderen<br />
genau das bekommen hat, was sie wollte – ein schönes<br />
Gleichgewicht und ein paar Hochzeitstage, an die sie<br />
und ihr Mann immer gerne zurückdenken.<br />
DER (UN)GLÜCKLICHSTE<br />
TAG IM LEBEN<br />
Doch nicht alle Bräute haben das Glück, kompromissbereite<br />
Wedding Planner hinter sich zu haben. Marija*<br />
hat nicht die Traumhochzeit bekommen, die sie sich<br />
von klein auf gewünscht hat. Sie war nicht einmal nah<br />
dran. Ihre Schwiegereltern haben auf ihre ganz eigenen<br />
Bräuche und Traditionen bestanden und sind keinen<br />
Millimeter abgewichen.<br />
Marija würde mir gerne detailliert erzählen, bei<br />
welchen Bräuchen sie da nachgeben musste – sie hat<br />
jedoch praktisch nichts verstanden. Die Hochzeit war<br />
nämlich durchgehend auf einer Sprache, die sie nicht<br />
verstand, der serbischen Variante von Wallachisch,<br />
einer Mischung aus Serbisch und Alt-Rumänisch. Einer<br />
der Bräuche auf ihrer Hochzeit war, dass Braut und<br />
Bräutigam sich vor die Trauzeugen stellen und sich vor<br />
ihnen und der versammelten Hochzeitsgesellschaft<br />
übers Mikrofon für den Akt entschuldigen, der in dieser<br />
Nacht vollzogen wird. Ihr wisst schon. Vielleicht fanden<br />
ihre Schwiegereltern selbst diese Bräuche gar nicht so<br />
toll, aber es spielt ein ganz wichtiger Faktor mit: “Was<br />
werden die Leute sagen?” Das stellt die Schwiegertochter<br />
vor einen beinahe aussichtslosen Kampf. “Da kann<br />
die Braut nicht wirklich viel tun, außer sie möchte das<br />
Verhältnis schon zu Beginn zerstören. Dazu braucht es<br />
Ivana Cucujkić-Panić, 33<br />
Hard facts: Jahr 2014, <strong>17</strong>0 Gäste, in Wien<br />
inspiriert durch: Pinterest und iranische<br />
Hochzeiten<br />
Das hat sie durchgesetzt: Kinoreifes Video, Haute<br />
Couture Robe, Designerschuhe<br />
Das musste sie aufgeben: ihre Nerven<br />
Ivana - Kleid von Berta Bridals, Foto von Thomas Steibl, Tatjana - Photostudio Zoran Mrdjenovic, Bahar - Ceren Basol<br />
30 / RAMBAZAMBA /
Bahar Tugrul-Isik, 30<br />
Hard facts: Jahr 2016, insgesamt<br />
ca. 1200 Gäste, in Wien und Istanbul<br />
Besonderes: hat drei Mal gefeiert, einmal die Agape<br />
nach dem Standesamt, dann die 800-Leute-Party in<br />
Wien und dann die 350-Gäste-Feier in Istanbul<br />
Das hat sie durchgesetzt: Alkohol, moderner DJ,<br />
keine Mikrofonansage der Geschenke<br />
Da musste sie nachgeben: Anzahl der Gäste<br />
einen Mann, der sich gegen seine Eltern stellt und sich<br />
für seine Wünsche und die seiner Zukünftigen einsetzt.<br />
Aber nicht einmal das muss unbedingt erfolgreich<br />
sein und für alle gut ausgehen”, erzählt sie. Kürzlich<br />
sind Marija und ihr Mann Eltern geworden und leben<br />
ihr post-Hochzeit-Leben ohne die ständig wachenden<br />
Augen ihres Umfelds. Dennoch möchte Marija anonym<br />
bleiben, um ihre Schwiegereltern nicht zu verärgern und<br />
“naja, du weißt schon, des Dorfes wegen”.<br />
Der wichtigste Faktor bei so einer Hochzeit scheint<br />
dennoch Geld zu sein, wer es vorstreckt, hat die Macht.<br />
Bräute mit schwierigen und wenig verständnisvollen<br />
Elter und Schwiegereltern sind gut beraten, rechtzeitig<br />
genug Geld auf die Seite zu legen, um ihr Fest selbst<br />
zu bezahlen. Aber auch dann besteht die Gefahr, dass<br />
Beleidigung und Verrat so groß sind, dass gewisse<br />
Familienmitglieder nicht zur Hochzeit kommen. Hochzeit:<br />
Tradition oder Traum? Sieht aus, als wäre das mehr<br />
Glückssache als Verhandlungsgeschick. ●<br />
Ceren Basol<br />
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Jedes Mal, wenn Dario<br />
(29) sein Konto checkt,<br />
springt ihm sein Kreditbetrag<br />
ins Auge. „Vielleicht<br />
sollte ich das aus meinem<br />
Online Banking rausnehmen. Das<br />
ist nicht gut für den Blutdruck”,<br />
scherzt er. „Das ist echt viel Kohle,<br />
aber es war definitiv die richtige<br />
Entscheidung”, meint auch Esma<br />
(26), die sich vor zwei Jahren<br />
mit ihrem Mann eine Wohnung<br />
gekauft und seitdem einen Wohnkredit<br />
bei Raiffeisen laufen hat.<br />
SCHWITZEN VOR<br />
DER UNTERSCHRIFT<br />
Wohnungen in Wien kosten schnell<br />
ein paar Hunderttausend Euro. „Da<br />
kann einem echt schwindlig werden“,<br />
sagt Esma. „Aber was ist die<br />
Alternative? Die Miete schmeißt du<br />
Foto: Christoph Liebentritt
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nur zum Fenster raus – und das<br />
die nächsten 60 Jahre. Den Kredit<br />
zahl ich mir quasi in die eigene<br />
Tasche und irgendwann gehört<br />
die Wohnung dann mir.” Vor der<br />
Unterzeichnung des Wohnkredits<br />
kamen beide ordentlich ins<br />
Schwitzen. „Aber das hat sich<br />
schnell gelegt – da braucht man<br />
nur kurz mal nachrechnen und<br />
weiß, es macht absolut Sinn!“<br />
DAS GLÜCK DER<br />
BRUCHBUDE<br />
Danijel (38) ging es vor zehn Jahren<br />
auch so: „Miete zahlen ist in<br />
Wirklichkeit ja nicht gerade schlau<br />
- da bin ich langfristig mit eigener<br />
Wohnung und Wohnkredit besser<br />
dran. Dafür brauch ich kein Mathe-<br />
Genie sein, um mir das auszurechnen.“<br />
Dabei hatte Danijel<br />
echt noch Glück. Er fand damals<br />
eine günstige Immobilie – wobei<br />
günstig in der Immobilien-Branche<br />
oft den Umstand kaschiert, dass es<br />
sich um eine Bruchbude handelt.<br />
Mit viel handwerklichem Geschick<br />
verwandelte Danijel diese „Bruchbude”<br />
in eine coole Wohnung. „In<br />
15 Jahren habe ich meinen Kredit<br />
abbezahlt. Dann mach ich den<br />
Champagner auf.“<br />
NIX PASST AM ANFANG<br />
Aber wie finde ich überhaupt die<br />
richtige Wohnung? „Am Anfang ist<br />
es wirklich mühsam. Du siehst<br />
dir gefühlt 100 Wohnungen an<br />
und immer passt etwas nicht –<br />
Lage, Raumaufteilung, Infrastruktur,<br />
Verkehr, Nachbarn, aber<br />
meistens ist es der Preis, der<br />
einfach viel zu hoch ist”, erzählt<br />
uns Danijel. „Wichtig ist auch ein<br />
gut gefüllter Reparaturfonds des<br />
Wohnhauses, damit keine unerwarteten<br />
Kosten auf die Eigentümer<br />
zukommen.” Da kann man<br />
schnell mal den Überblick verlieren.<br />
Deswegen: Vor dem Kauf<br />
erst einen Experten die Wohnung<br />
checken lassen.<br />
MASSIVE WERT-<br />
STEIGERUNG MÖGLICH<br />
Darios Wohnung im 23. Bezirk hat<br />
150.000 Euro gekostet. Die<br />
Gesamtkosten waren jedoch<br />
höher, weil bei jedem Kauf rund<br />
10 Prozent an weiteren Ausgaben<br />
hinzukommen – für Makler, Grundbucheintragung,<br />
Bankspesen, etc.<br />
Dafür ist Darios Wohnung schon<br />
jetzt um einiges mehr wert. Wenn<br />
sich das so weiterentwickelt,<br />
könnte er sie nach Ende der Kreditlaufzeit<br />
sogar gewinnbringend<br />
verkaufen. „Meine Wohnung ist<br />
eine echte Wertanlage, da haben<br />
meine Kinder auch noch was<br />
davon“, erzählt er stolz.<br />
KREDITRECHNER<br />
CHECKEN<br />
Es hilft auch, wenn du das ganze<br />
Prozedere nicht alleine durchmachen<br />
muss. Ahmed (22) wurde<br />
von seinen Eltern unterstützt<br />
– auch mit einem Teil des notwendigen<br />
Kleingelds. Falls du<br />
niemanden hast, der dich dabei<br />
unterstützt oder die Kohle noch<br />
nicht ausreicht: nicht verzweifeln!<br />
Einfach mal informieren, wie<br />
viel Geld du für eine Wohnung<br />
brauchst. Der Raiffeisen Kreditrechner<br />
gibt dir einen ersten<br />
Überblick über die Rückzahlungsraten,<br />
die auf dich zukommen<br />
könnten. Vielleicht ist dein Weg<br />
zum Wohntraum gar nicht mehr<br />
so weit weg wie gedacht. Dario,<br />
Esma, Danijel und Ahmed haben<br />
ihn auch gefunden.<br />
www.rbgnoe.at/wohnmagazin
Instagram & Co. sind im Wandel – weg von<br />
Smoothiebowls und Detox-Tee hin zu<br />
Trauerbewältigung, Body Positivity und<br />
Feminismus. Modekonzerne haben den Trend<br />
erkannt, doch wo sind die Männer?<br />
GIRLPOWER<br />
Von Alexandra Stanić (Text und Fotos)<br />
Ich hab lange überlegt, ob ich das öffentlich<br />
machen will.“ Mit diesen Worten teilt Jaqueline<br />
Scheiber ein schweres Schicksal mit der<br />
Instagram-Welt. „Heute bin ich neben meinem<br />
leblosen Partner aufgewacht. Weil sein Herz einfach<br />
so zu schlagen aufhörte“, schreibt sie weiter. Auf dem<br />
Foto ist ein glückliches Pärchen zu sehen, das gerade<br />
Selfies macht. In kürzester Zeit reagieren über 200<br />
Instagram-User auf ihre Worte, der Großteil davon sind<br />
Frauen. Sie alle schicken Jaqueline Umarmungen, wünschen<br />
ihr Kraft, sprechen ihr Beileid aus. Sie erzählen<br />
von ihren Schicksalsschlägen, bieten Trost und schreiben<br />
von Tränen, die sie nicht zurückhalten konnten.<br />
„Mir folgen sehr sensible, emotionale und reflektierte<br />
Frauen auf Instagram“, erklärt die 23-Jährige. „Sie<br />
wollen nicht voyeuristisch sein, sondern bewusst an<br />
meinem Leben teilnehmen.“ Was in all dieser Trauer<br />
und Fassungslosigkeit schnell zum Vorschein kommt,<br />
ist die starke virtuelle Unterstützung, die Jaqueline von<br />
ihren LeserInnen erhält – aus Followerinnen werden<br />
Freundinnen.<br />
Geschichten wie die von Jaqueline machen eines<br />
klar: Social Media-Kanäle sind weitaus mehr als<br />
oberflächliche Plattformen, auf denen man sich selbst<br />
bestmöglich ablichtet und Emojis als Beschreibung seiner<br />
Bilder nutzt. Es kommt zwar darauf an, in welcher<br />
„Blase“ man sich befindet, aber Channels wie Facebook<br />
oder Instagram werden immer öfter als Netzwerke<br />
genutzt, um Trauer zu verarbeiten, Hilfe anzubieten<br />
oder um sich für ein besseres Frauenbild in der Gesellschaft<br />
einzusetzen. Eine große Gemeinsamkeit haben<br />
all diese Netzwerke: Es sind meist Frauen, die interagieren<br />
und Unterstützung suchen und finden.<br />
FREUNDE AUS DEM INTERNET<br />
Jaqueline schreibt seit über sieben Jahren auf ihrem<br />
Lyrik-Prosa-Blog minusgold. Die letzten Monate ging<br />
es in ihren Texten um die Verarbeitung ihrer Trauer, die<br />
sie fotografisch begleitet. Sie geht öffentlich mit ihrem<br />
Leid um, es ist nicht mehr nur persönlich, sondern ein<br />
offener Dialog. Der Preis, den sie dafür bezahlt? Unverständnis<br />
von alten Freunden und Bekannten. Aber wenn<br />
manche gehen, tauchen andere auf. Jaqueline schließt<br />
Freundschaften, die bisher auf Likes und Kommentaren<br />
beruhten. Sie erhält etliche Privatnachrichten von<br />
fremden Menschen. „Ich bin so weit weg von dir und<br />
34 / RAMBAZAMBA /
Junge Frauen solidarisieren sich auf sozialen<br />
Plattformen immer häufiger.<br />
/ RAMBAZAMBA / 35
Die Jungautorin Jaqueline Scheiber geht<br />
auf ihrem Instagram-Kanal offen mit ihrer<br />
Trauer um erreicht damit Tausende.<br />
36 / RAMBAZAMBA /
doch bist du mir so nahe“, schreibt eine junge Frau aus<br />
Deutschland. Eine andere tippt: „Deine Trauer trifft mich<br />
wie eine Kanonenkugel. Mitten in den Bauch, mitten ins<br />
Herz.“ Jaquelines Gedanken gehen Tausenden nahe. Sie<br />
selbst therapiert sich mit den Worten, die sie ins Internet<br />
stellt und versucht gleichzeitig anderen zu helfen.<br />
Eine von diesen vom-Internet-zur-Realität-Freundschaften<br />
ist mit Sophie Nawratil entstanden. Die 23-jährige<br />
Wienerin folgt Jaqueline schon länger auf Instagram. Es<br />
sind diese 20, 30 Follower, die man schon lange hat und<br />
kennt. Jeder, der auf Social Media aktiv ist, weiß, wovon<br />
die Rede ist. Die beiden Frauen treffen sich zu einem<br />
Spaziergang, beim ersten Mal ist noch eine gemeinsame<br />
Freundin dabei, in Zukunft werden sie sich auch alleine<br />
treffen. Jaqueline rutscht in einen neuen Freundeskreis.<br />
„Ich habe den Großteil meiner alten Freunde verloren,<br />
viele konnten nicht mit meiner Trauer umgehen“, erklärt<br />
sie. Für Sophie selbst ist es nichts Neues, eine Person, die<br />
sie „aus dem Internet kennt“, zu treffen. „Ich konnte auf<br />
diesem Weg viele enge Freundschaften schließen“, erzählt<br />
die Studentin. „Meine gute Menschenkenntnis leitet mich<br />
da zum Glück in die richtige Richtung.“<br />
WO BLEIBEN DIE MÄNNER?<br />
Sophie ist auch Teil der „Zero Waste“-Gruppe auf Facebook,<br />
die rund 3870 Mitglieder zählt. Hier werden täglich<br />
Fragen und Tipps zum Thema Minimalismus und Nachhaltigkeit<br />
gestellt. Interessant: Auch hier sind es, wie bei<br />
Jaquelines Instagram-Feed, größtenteils Frauen, die sich<br />
unterhalten. Sie besprechen, wo man verpackungsfreie<br />
Lebensmittel in Wien kauft, wie man Seife selber herstellt<br />
oder wie man alte Kleidung am besten wiederverwertet.<br />
„Ich bin ein großer Fan solcher Facebook-Gruppen,<br />
weil man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann“,<br />
erzählt Sophie. Auf die Frage, warum sie glaubt, dass es<br />
mehrheitlich Frauen sind, die einander helfen und interagieren,<br />
antwortet sie: „Wir Frauen sind es gewohnt, um<br />
Hilfe zu bitten. Frauen sind auch eher jene, die sich zu<br />
neuen Communities zusammentun oder sich mit ‚Fremden‘<br />
austauschen.“ Von Männern werde erwartet, stark<br />
zu sein, alles zu wissen und alles zu können. Das klinge<br />
ziemlich sexistisch, zeige aber nur, wie wichtig Feminismus<br />
ist. „So ungern sich eine Frau in die Rolle des schwachen<br />
Geschlechts drängen lässt, so sehr finden sich Männer in<br />
der Rolle des ‚Starken‘ nicht wieder.“<br />
In der Zero-Waste-Gruppe entsteht bei der Frage nach<br />
dem Fernbleiben von Männern eine angeregte Diskussion.<br />
„Ich denke, dass in vielen Haushalten einfach nach wie vor<br />
Frauen ‚Head of Einkauf‘ sind und sich deswegen mehr<br />
damit beschäftigen und ihre Partner da nur mitziehen“,<br />
schreibt eine Userin. Eine andere argumentiert, dass sie<br />
einige Männer kennt, die sich mit Umwelt und Müllvermeidung<br />
auseinandersetzen, aber keinen Facebook-Gruppen<br />
beigetreten sind. „Ich denke, das ist eher ein Frauending,<br />
würde aber nicht behaupten, dass Männer grundsätzlich<br />
weniger interessiert sind.“ Auch eine spannende Antwort:<br />
„Weil es hier hauptsächlich um Haushalt geht und Mäd-<br />
schultz+schultz · Foto: Carlos Ramos Foto: Lamia Lahbabi<br />
Oum<br />
«Zarabi»<br />
Fr, 7. April 20<strong>17</strong>, 19.30 Uhr, Mozart-Saal<br />
Mariza<br />
«Mundo»<br />
Di, 18. April 20<strong>17</strong>, 19.30 Uhr, Großer Saal
PUSSY POWER<br />
Den Trend hin zu Selbstbewusstsein, Akzeptanz des<br />
eigenen Körpers und Girlpower haben auch Modekonzerne<br />
für sich entdeckt. Labels, die bekannt für ihre<br />
Fotos mit Magermodels sind, nutzen das große Interesse<br />
an Girlpower bestmöglich. Sieht man sich in internationalen<br />
Fashion-Shops um, sind dort etliche, oft rosa<br />
Kleidungsstücke, die mit Sprüchen wie „believe in your<br />
female energy“ oder „support the girls“ zu finden. Es<br />
ist fragwürdig, inwieweit Frauenpower und -rechte für<br />
manch eines dieser Unternehmen wichtig sind, immerhin<br />
arbeiten ihre Girls, also ihren Näherinnen, oft unter<br />
prekären Bedingungen in Ländern wie Bangladesch.<br />
Dabei kämpft Feminismus um Gleichberechtigung und<br />
faire Chancen und Konditionen. Aber zumindest verbreiten<br />
sie die Girlpower-Message. Oder?<br />
Nadia Librowicz hat sich eines dieser vermeintlich<br />
feministischen Shirts zugelegt, ihres ziert der Spruch<br />
„Pussy Power“. „Mir gefällt, dass der Spruch das Klischee<br />
des ‚schwachen weiblichen Geschlechts‘ bricht“,<br />
erklärt die 23-jährige Deutschstudentin. „Er sagt mir,<br />
dass wir Frauen eine Vulva haben, ein wundervoll<br />
starkes Geschlecht, das uns allen Kraft verleiht.“ Ob<br />
es nicht problematisch sei, dass Modehäuser, die nicht<br />
nach ethischen Konditionen produzieren, von diesem<br />
Trend profitieren? „Ist es auf jeden Fall. Als kritische<br />
Sprüche wie „Support your local girl gang“ finden in den<br />
letzten Monaten großen Anklang. Hoffentlich stimmt der Spruch „the future is female“ .<br />
chen eingeimpft wird, dass sie dafür zuständig sind.“<br />
In der Diskussionsrunde meldet sich übrigens nur ein<br />
Mann zu Wort.<br />
Aber auch in anderen, derzeit trendigen, Bereichen<br />
mangelt es an männlichen Kollegen. Der Body Positivity-Hype,<br />
der gerade kursiert, ist wohl auch ein „Frauending“.<br />
Über zwei Millionen Mal wurde der Hashtag<br />
bodypositive bisher genutzt, ein kurzes Durchscrollen<br />
zeigt, dass dieses Thema größtenteils Frauen zu interessieren<br />
scheint. Die Bewegung „Body Positivity“ setzt<br />
sich dafür ein, dass jeder Körper, mit all seinen Narben,<br />
Dehnungen und Fett als schön empfunden wird.<br />
Die Plus Size-Bloggerin Justyna Ziarko hat eine simple<br />
Erklärung für die männliche Abstinenz. „Männer müssen<br />
sich im Gegensatz zu Frauen nicht abheben“, erklärt<br />
sie. „Es ist selbstverständlich, dass sie etwas ‚mehr‘<br />
haben, das lässt sie noch männlicher wirken.“ Männer<br />
seien eher von Bodyshaming betroffen, wenn sie dünner<br />
sind. Die 28-Jährige bemerkt einen Trend auf Social<br />
Media, der in Richtung Selbstakzeptanz und Selbstbewusstsein<br />
geht. „Body Positivity kommt langsam auch<br />
in Österreich an, Frauen haben keine Lust mehr, sich<br />
aufgrund ihrer Kurven zu verstecken“, so Justyna.<br />
Zuletzt war sie auf einem Plus-Size-Kleidertausch, der<br />
von der kürzlich entstandenen Community organisiert<br />
wurde.<br />
38
l<br />
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Entgeltliche Einschaltung<br />
Die Fotos sind in Kooperation mit Wiener Portraits entstanden,<br />
unter #VIEgirlgang gibt es auf Instagram mehr Bilder.<br />
Konsumentinnen obliegt es am Ende uns, ob und wie weit<br />
wir dieses Vorgehen unterstützen wollen.“ Grundsätzlich hält<br />
es Nadia für wichtig, dass das weibliche Geschlecht aus der<br />
dunklen Ecke herausgeholt wird. „Am besten wäre es, wenn<br />
alle auf den Girlpower-Zug aufspringen und mitfahren, bis<br />
es keinen Zug mehr braucht.“ Sie denkt bei der Macht von<br />
Mode vor allem an andere Beispiele, die auch ins Gewicht<br />
fallen. „Auf Mädchenshirts steht oft ‚cute‘ oder ‚sexy‘, während<br />
Jungenshirts mit ‚Superheld‘ oder ‚Genius‘ abgedruckt<br />
werden“, gibt sie zu bedenken. „Vielleicht sind modische,<br />
starke Statements wie ‚Pussy Power’ insofern wichtig, als<br />
dass sie hier eine Gegenposition zeigen.“<br />
Es ist gerechtfertigt, zu kritisieren, dass Girlpower derzeitig<br />
im Trend liegt und manche nur mitmachen, weil es<br />
gerade in ist. Die Arbeitsbedingungen vieler Fast Fashion-<br />
Konzerne sind inakzeptabel, dagegen muss man vorgehen.<br />
Aber vielleicht erwecken Sprüche wie „support your local<br />
girl gang“ ein Bewusstsein bei Frauen, die sich sonst nie<br />
für Feminismus interessiert hätten? Und womöglich sind<br />
es schlussendlich genau jene Frauen, die sich für faire und<br />
nachhaltige Produktion von Kleidung einsetzen? So gäbe es<br />
in all dieser Ungerechtigkeit doch noch einen kleinen Lichtblick.<br />
Betrachten wir also das große Ganze: Es ist gut, wenn<br />
eine wichtige Message Anklang findet. Außerdem ist an dem<br />
Spruch „The future is female“ hoffentlich auch etwas Wahres<br />
dran. ●<br />
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DAS<br />
SATIRE<br />
K A L I FAT<br />
Muslime sind unintegriert, radikal und humorlos? Mit diesem Klischee<br />
wollen die Satiriker „Datteltäter“ und Noktara.de aufräumen und<br />
beweisen: Humor und Islam sind eine echt fetzige Kombi.<br />
Von Nour Khelifi<br />
Younes Al-Amayra, Sam Khayari<br />
40 / RAMBAZAMBA /
Die „Datteltäter“ sind frech,<br />
erfolgreich, radikal lustig<br />
und rufen den Vorurteilen<br />
den „Bildungsdjihad“ aus.<br />
Mit bereits über 22.000 Abonnenten auf<br />
YouTube brechen die vier jungen Berliner<br />
mit ihren satirischen Videos kulturelle Klischees<br />
auf. Ob IS-Kämpfer, AfD-Boy oder<br />
klassischer „Das wird man ja wohl noch<br />
sagen dürfen“-Kommentator auf Facebook<br />
– bei den Datteltätern bekommt<br />
jeder Troll sein Fett ab.<br />
SHEIKH GOOGLE UND DIE NICHT<br />
VORHANDENE STEINIGUNG<br />
Was, wenn Google ein Imam wäre? Ein<br />
Mann in typisch arabischer Kleidung,<br />
weiße lange Robe und Kopfbedeckung,<br />
bekannt als der Google-Imam, stellt<br />
sich diversen Suchanfragen zum Islam.<br />
„Suche mir: Steinigung im Koran“, lautet<br />
die Anfrage eines Jungen. Der Google-<br />
Imam durchforstet seine Akten und<br />
Mappen, findet aber nichts: Die Steinigung<br />
wird im Koran nicht erwähnt. Etwas<br />
genervt versucht es der Junge mit anderen<br />
Keywords: „Koran. Ehebruch. Steine.<br />
Werfen.“ Und weil Google immer noch<br />
streikt: „Koran Steinigung ... Videos!“<br />
Sheikh Google wird in diesem Sketch<br />
von Datteltäter Fiete Aleksander gespielt.<br />
Überspitzte Rollen wie Trump oder<br />
Djihadi-Boys hat der 26-jährige Konvertit<br />
und Erzieher drauf. Er und der ebenfalls<br />
26-jährige Barbesitzer Marcel Sonneck<br />
sind die einzigen „Ur-Deutschen“ in der<br />
Gruppe und überzeugen vor der Kamera<br />
mit ihren Schauspiel-Skills. Obwohl<br />
Marcel der einzige Christ in der Gruppe<br />
ist, sind „Alhamdullilah“ und „Mashallah“<br />
schon fixe Vokabel in seinem Sprachgebrauch.<br />
Das ist dann wohl diese „Islamisierung<br />
des Abendlandes“.<br />
Der 31-jährige Younes Al-Amayra<br />
ist für Kamera und Schnitt zuständig.<br />
Der Islam-und Politikwissenschaftler hat<br />
syrisch-palästinensische Wurzeln und<br />
die meisten der Videos werden bei ihm<br />
zuhause gedreht. Farah Bouamar ist die<br />
gute Seele, das Brain und die einzige<br />
Madame in der Truppe, weitere weibliche<br />
Power wird aber bereits rekrutiert. Die<br />
Aktivistin und Studentin mit marokkanischem<br />
Background ist für die Organisation<br />
im Hintergrund zuständig. Wenn<br />
sie doch in einem Video vorkommt, reist<br />
sie extra aus Bielefeld an. Die Akteure<br />
Derya & Soufian: Gründer der muslimische Satire-News-Seite „noktara.de“<br />
kennen wir nun, aber welche Message<br />
steckt hinter den Datteltätern?<br />
DURCH PROVOKATION DEN<br />
SPIEGEL VORHALTEN<br />
Als 2015 die ersten Flüchtlinge in<br />
Österreich und Deutschland ankamen,<br />
ist die Debatte rund um den Islam, die<br />
Muslime und den IS wieder aufgeflammt.<br />
„In Deutschland gibt es Muslime seit fast<br />
60 Jahren und ich habe den Eindruck,<br />
dass man bis heute nicht viel dazu<br />
gelernt hat“, sagt Younes. „Millionen von<br />
Muslimen sind in den deutschen Medien<br />
immer noch unterrepräsentiert“, bemerkt<br />
Farah. „Wenn die Medien der Spiegel<br />
unserer Gesellschaft sind und Muslime<br />
nicht abgebildet werden, heißt es,<br />
Muslime werden nicht zur Gesamtgesellschaft<br />
mitgezählt“, kritisiert die 24-jährige<br />
Studentin.<br />
Deswegen wollen<br />
die Preisträger des<br />
deutschen Webvideopreises<br />
2016<br />
ein „Satire-Kalifat“<br />
errichten, erzählt<br />
Marcel. Die vier<br />
Deutschen setzen<br />
bewusst Reizwörter wie „Scharia“ und<br />
„Djihad“ ein. Begriffe, die selbst Marcel<br />
mittlerweile versteht und sogar Arabisch<br />
korrekt aussprechen kann. „Natürlich<br />
ist Provokation ein Stilmittel, wir wollen<br />
damit auf Schieflagen aufmerksam<br />
machen und zum Nachdenken anregen“,<br />
fügt er hinzu. „Unsere Videos beinhalten<br />
Kritik, aber auch mögliche Lösungsvorschläge.<br />
Nur Bashing alleine geht nicht“,<br />
stimmt ihm Kollege Fiete zu. Wichtige<br />
Muslime werden<br />
nicht zur<br />
Gesamtgesellschaft<br />
mitgezählt.<br />
Themen satirisch aufbereitet an den<br />
Mann bringen, das ist ihr Ziel.<br />
Es scheint zu funktionieren, denn<br />
die Reaktionen auf ihre Videos sind<br />
mehrheitlich positiv, die unzähligen<br />
Kommentare auf YouTube und Facebook<br />
singen davon ein Lied. Shitstorms<br />
gab es trotzdem einige. Vor allem beim<br />
ersten ging es so richtig ab. Die Poetry-<br />
Slammerin Nemi-El Hassan spricht im<br />
Video „Jetzt rede ich!“ auf dem Channel<br />
der Datteltäter über Sexismus und die<br />
Vorfälle am Kölner Bahnhof zur Silvesternacht<br />
2016. Daraufhin teilt der heiß<br />
umstrittene Politikwissenschaftler und<br />
Islam-Kritiker Hamed Abdel Samad das<br />
Video auf Facebook mit dem Statement,<br />
Muslime sollen endlich aufhören, sich<br />
hinter der typischen Rolle der Opfer zu<br />
verstecken. Das gab eine Extra-Portion<br />
Ruhm. Zu einer<br />
Reichweite von<br />
über einer Million<br />
Menschen sowie<br />
tausenden Likes<br />
und Shares können<br />
die Datteltäter<br />
nur eines sagen:<br />
„Danke!
Meine-SV-Sujets-A2.indd 3 08.09.16 13:33<br />
Die YouTube-Satiriker „Datteltäter“ bei der Arbeit<br />
aufbereiten und so „orientalische Würze<br />
in die Satirelandschaft bringen.“ Selbst<br />
der deutsche „Postillon“ kürte noktara.de<br />
zum „muslimischen Postillon“. Mit nahezu<br />
10.000 Likes auf Facebook hat die<br />
Seite bereits eine große Reichweite. Die<br />
ersten „Nachrichten aus dem Morgenland,<br />
schon heute“ gab es im April 2016<br />
online zu lesen.<br />
„WAS DARF SATIRE?“<br />
Genau wie den Datteltätern ist es auch<br />
Noktara ein Anliegen die eigene Community<br />
zu repräsentieren. „Wir sehen<br />
Noktara nicht nur als muslimische Plattform,<br />
sondern generell als Botschafter<br />
für religiöse und kulturelle Minderheiten<br />
im deutschsprachigen Raum. Man muss<br />
nämlich kein Muslim sein, um unterrepräsentiert<br />
zu werden, aber es hilft dabei<br />
sehr“, sagt Chefredakteur Soufian. Das<br />
Vorurteil, dass nur Muslime über sich<br />
selbst lachen dürfen, hält sich hartnäckig.<br />
„Ganz unbegründet ist dieser<br />
Standpunkt nicht, denn es gibt immer<br />
eine bestimmte Art von Humor, die nur<br />
jemand machen kann, der auch selbst<br />
betroffen ist“, meint Mitbegründer Derya.<br />
Der wesentlich größere Teil des Humors<br />
dient aber dazu Grenzen durch gemeinsames<br />
Lachen zu überwinden. Auch<br />
Datteltäter Younes ist klar, dass nicht<br />
alle muslimische Satire verstehen. „Es<br />
geht letztendlich auch darum Brücken<br />
zu schlagen. Nichtmuslime, die unsere<br />
Videos sehen, werden nicht jeden Lacher<br />
verstehen. Da können sie Fragen an die<br />
Community stellen und so kommt man<br />
ins Gespräch“, erklärt er.<br />
Auch die Diskussion, was Satire darf<br />
und was nicht, ist für die Islam-Satiriker<br />
schnell geklärt. „Solange eine ausreichende<br />
Auseinandersetzung da ist, passt<br />
alles“, meint Datteltäter Fiete. Wo die<br />
Grenzen liegen, müsse jeder Autor oder<br />
Künstler für sich selbst entscheiden,<br />
erklären die Noktara-Gründer. Für uns<br />
Ösis hat Noktara noch eine zusätzliche<br />
Botschaft: „Wir laden Österreich herzlich<br />
auf Noktara ein, sonst droht eine landesweite<br />
Steinigungstour!“ ●<br />
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Startseite Profil Konto<br />
Deniz “Türkeiexperte” Yücel<br />
Pinnwand<br />
Info Fotos Videos Gefällt mir<br />
Deniz Free Free Deniz:<br />
15. März 20<strong>17</strong> um 10:53 Uhr<br />
Werbeanzeige erstellen<br />
Liebe Freunde! Vielen Dank für das Autokorso “Free Deniz”.<br />
Ich habe gehört die Wiener Polizei hat sogar das Hupen erlaubt.<br />
Landespolizeidirektion Wien, Ronald Grant Archive, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com, Günther Pichlkostner / First Look / picturedesk.com, Karlheinz Schindler / dpa / picturedesk.com, DeFodi / Action Press / picturedesk.com,<br />
Maurizio Gambarini / dpa / picturedesk.com, ADEM ALTAN / AFP / picturedesk.com, OZAN KOSE / AFP / picturedesk.com, FETHI BELAID / AFP / picturedesk.com, rtn peter wuest / dpa Picture Alliance / picturedesk.com, bereitgestellt<br />
Informationen<br />
Informationen:<br />
Beziehungsstatus:<br />
gezwungenermaßen<br />
enthaltsam.<br />
Hobbys: Schreiben,<br />
Lesen, Kunst und Kultur<br />
momentan<br />
Motto: Never give up<br />
Freunde<br />
4.270 Alle anzeigen<br />
Florian<br />
Klenk<br />
Can<br />
Dündar<br />
Die Welt<br />
Redaktion<br />
El Chapo<br />
Redhackl<br />
Wentworth<br />
Miller<br />
Fotos<br />
2 von 5 Alben Alle anzeigen<br />
Deniz Free<br />
vor 82 Tagen<br />
aktualisiert<br />
Free Deniz<br />
vor 120 Tagen<br />
aktualisiert<br />
1259 und allen türkischen Hochzeitskorsos gefällt das<br />
Wiener Polizei: Mit eingsperrte Tschuschn haben mia genug<br />
zu tun. Wir kennen uns da aus. Wir san in gewisser Weise auch<br />
Türkeiexperten Herr Yücel gö<br />
Gefällt mir · Antworten · 14 · 2 Std.<br />
Wiener Polizei: Ps! Ihr Auto stand zu lange am selben Fleck.<br />
Des hamma abgeschleppt. Simmeringer Haide abholen bitte.<br />
Gefällt mir · Antworten · 87 ·2 Std.<br />
Deniz Yücel schaut Prison Break<br />
15. Jänner 20<strong>17</strong> um 16:05 Uhr<br />
48 anderen gefällt das gar nicht<br />
Recep Tayyip Erdogan: Deniz! Warum hast du scho wieder<br />
Internet herst? Ich hab das Internet ja wieder gesperrt oder?<br />
Gefällt mir · Antworten · 159 · 28 Std.<br />
Binali Yildirim: Na Chef. Kurze Sondergenehmigung, Weil sonst<br />
habe ich auch kein W-Lan mehr. Muss bei Candy Crush noch 5<br />
Level schaffen.<br />
Gefällt mir · Antworten · 58 · 28 Std.<br />
Angela Merkel<br />
14. März 20<strong>17</strong> um 15:05 Uhr<br />
Deniz zur Motivation hier ein Song von der BRD an dich:<br />
Halte durch! Wir stehen hinter dir.<br />
Xatar, Aziz Yildirim, Ulli Höneß und 182 anderen gefällt das<br />
Ulli Höneß: Deniz wennst da wieder draus bist, dann kriegst<br />
Würstel und Bayern München Spiele kostenlos auf Lebzeiten.<br />
Gefällt mir · Antworten · 88 · 50 Std.<br />
Helmut Elsner: Sag einfach du bist krank Bro.<br />
Gefällt mir · Antworten · 45 · 50 Std.<br />
Bald neue Staffel!<br />
Wer anderen eine<br />
Grube gräbt, braucht<br />
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Österreichs.<br />
Hier das „Fakebook“-<br />
Profil des Monats –<br />
voll fake versteht sich.<br />
Schreibt Teoman Tiftik,<br />
wessen Pinnwand<br />
ihr in der nächsten<br />
Ausgabe lesen wollt:<br />
tiftik@dasbiber.at<br />
/ FAKEBOOK / 43
TIPP:<br />
HeForShe Vienna ist ein Verein, der<br />
sich für die Gleichstellung der<br />
Geschlechter stark macht. Er hat es sich<br />
zur Aufgabe gemacht, Männer<br />
zu ermuntern, auch für gleiche<br />
Rechte einzustehen.<br />
http://www.heforshe.at/<br />
Studieren statt<br />
saunieren.<br />
Von Alexandra Stanić<br />
Karriere<br />
& Kohle<br />
Wichtig:<br />
Bei den Gründungen von Start-Ups gibt es in<br />
Österreich ein Gender-Gap. Dem will „Female<br />
Founders“ entgegenwirken. Ziel der Vernetzungsplattform<br />
ist es, an der Verbesserung der<br />
Situation von Gründerinnen zu arbeiten und den<br />
Austausch von Frauen zu fördern, unter anderem<br />
mit Networking-Events und Mentoring-<br />
Programmen. https://www.femalefounders.at/<br />
MEINUNG:<br />
Schwach, klein<br />
und weniger intelligent<br />
Uns Frauen wird zum Beispiel vorgeworfen, dass wir<br />
„zu emotional“ sind und mit anderen Frauen „ständig<br />
im Konkurrenzkampf stehen.“ Der polnische EU-Parlamentarier<br />
Janusz Korwin-Mikke setzte kürzlich einen<br />
drauf. Er hält uns für „schwächer, kleiner und weniger<br />
intelligent“. Deswegen sei es nachvollziehbar, dass wir<br />
weniger verdienen. Ich musste an die vielen Menschen<br />
denken, die meinen, wir bräuchten den Kampf<br />
um Gleichberechtigung nicht mehr. Und wie wir ihn<br />
brauchen! Frauen verdienen in Österreich weiterhin um<br />
etwa 25 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen<br />
- bei gleichen Kompetenzen. Eine AK Wien Studie hat<br />
ergeben, dass rund 22 Prozent der befragten jungen<br />
Frauen schon einmal mit anzüglichen Bemerkungen am<br />
Arbeitsplatz umgehen mussten, sieben Prozent berichten<br />
von sexueller Belästigung. Es ist noch ein langer<br />
Weg bis zur Gleichberechtigung. Laut dem Gleichstellungsbericht<br />
des Weltwirtschaftsforums wird es in<br />
Österreich noch <strong>17</strong>0 Jahre dauern, wenn sich nicht<br />
bald etwas ändert. Freundinnen, diese Veränderung<br />
können wir sein! Zeigen wir Männern wie Korwin-Mikke,<br />
dass wir nicht schwächer und schon gar nicht weniger<br />
intelligent als unsere männlichen Kollegen sind.<br />
stanic@dasbiber.at<br />
3 FRAGEN AN<br />
Romy Reis<br />
CEO von GridMusic<br />
Von David Slomo<br />
Was hat dich dazu bewegt,<br />
ein Label zu gründen?<br />
Ich wollte etwas in der<br />
österreichischen Musikszene<br />
verändern. Wir haben<br />
so viele KünstlerInnen, die<br />
keine Bühne bekommen.<br />
Mit meinen Kollegen Lukas<br />
Hillebrand und Alex Pohn<br />
wollte ich Künstler von 0<br />
auf aufbauen. Es war ein<br />
Risiko, aber es ist ja alles<br />
gut gegangen.<br />
Wie ist es als Frau mit<br />
so vielen Männern als<br />
Schützlingen? Fällt es dir<br />
da manchmal schwer dich<br />
durchzusetzen?<br />
Ich glaube, es geht mehr<br />
um den Charakter, als um<br />
das Geschlecht. Es gibt<br />
männliche, wie auch weibliche<br />
Künstler, mit denen es<br />
schwierig ist zu arbeiten.<br />
Ich habe ein großes Glück,<br />
ich kann mir heute schon<br />
aussuchen, mit wem ich<br />
arbeiten möchte. Diesen<br />
Luxus gönne ich mir.<br />
Wohin soll es mit<br />
GridMusic noch gehen?<br />
Das weiß ich nicht. Ich<br />
lebe im „Jetzt“. Wenn es<br />
irgendwann nicht mehr<br />
passen sollte, dann wird<br />
sich das zeigen. Die<br />
Motivation, etwas in der<br />
Musikszene zu verändern,<br />
bleibt.<br />
bereitgestellt, Marko Mestrović, Regina Aigner<br />
44 / KARRIERE /
VHS Wien<br />
DER WEG IN EINE<br />
BESSERE ZUKUNFT<br />
Der Einstieg ins Berufsleben ist nie einfach. Für manche<br />
ist er nochmal schwieriger. Deshalb haben die Wiener<br />
Volkshochschulen das Jugendcollege ins Leben gerufen,<br />
um jungen Geflüchteten eine Perspektive zu geben.<br />
Von David Slomo<br />
Manche Mädchen<br />
aus Syrien sind<br />
echte Talente,<br />
wenn es um Mathematik<br />
geht. Da steigen die meisten<br />
Erwachsenen schon aus“,<br />
sagt Maria Steidl, Leiterin des<br />
Projektes „Jugendcollege“.<br />
Die VHS Wien will damit<br />
jungen Menschen zwischen<br />
15 und 21 Jahren den Weg in<br />
eine bessere Zukunft ebnen.<br />
Zielgruppe sind vor allem<br />
AsylwerberInnen, Asylberechtigte<br />
und subsidiär Schutzberechtigte.<br />
Auch benachteiligte<br />
Jugendliche, die nicht mehr<br />
schulpflichtig sind, dürfen an<br />
dem modularen Bildungsangebot<br />
teilnehmen.<br />
Das System ist dreistufig<br />
und es wird individuell<br />
auf jeden eingegangen. Je<br />
nachdem wie hoch der Bildungsgrad<br />
ist, kann man erst<br />
bei Stufe 1 einsteigen oder<br />
auch schon bei Stufe 2, falls<br />
die Jugendlichen Vorwissen<br />
haben. Die Kernmodule Basisbildung<br />
(Mathematik, Englisch,<br />
IKT) und Deutschmodule<br />
werden mit Spezialmodulen<br />
(Pflicht- und Wahlpflichtmodule)<br />
kombiniert. Dazu<br />
kommen sozialintegrative<br />
Aktivitäten, Beratung zu<br />
Bildung und Beruf und diverse<br />
unterstützende Angebote wie<br />
Lernhilfe durch Ehrenamtliche<br />
oder sozialpädagogische<br />
Begleitung.<br />
Die Anzahl der Kursplätze<br />
ist auf 1000 begrenzt. In<br />
monatlichen Clearings, die ein<br />
bis zwei Tage dauern, wird<br />
jungen Menschen laufend<br />
die Aufnahme zum Jugendcollege<br />
ermöglicht. In diesen<br />
Clearings wird erhoben, auf<br />
welchem Bildungsstand sich<br />
die Jugendlichen befinden,<br />
um ihnen das passende<br />
Bildungsangebot anzubieten.<br />
„Manche müssen erst lesen<br />
und schreiben lernen, andere<br />
zeigen einen deutlich höheren<br />
Bildungsgrad auf. Das ist<br />
komplett unterschiedlich“, so<br />
Steidl. Hin und wieder gibt<br />
es Ausnahmefälle, wie ein<br />
junger Mann aus Afghanistan<br />
beweist. „Er war nie in der<br />
Schule und hat sich in Österreich<br />
das Lesen und Schreiben<br />
selbst beigebracht. Vor<br />
kurzem hat er seine Prüfung<br />
abgelegt und ist nun auf B1<br />
Niveau“, erzählt die Projektleiterin<br />
stolz. Die Jugendlichen<br />
bekommen für jeweils acht<br />
Wochen einen Stundenplan.<br />
„Es ist eine Herausforderung,<br />
aber gleichzeitig auch<br />
wichtig. Die meisten sind froh<br />
eine Schule zu besuchen und<br />
einen geregelten Tagesablauf<br />
oder eine Bezugsperson zu<br />
haben“, meint Steidl.<br />
Eine große Herausforderung<br />
ist die Sprache. „Die<br />
Sache mit den Artikeln ist ja<br />
immer ein Problem“, schmunzelt<br />
die Projektleiterin. „Vor<br />
allem bei Jugendlichen, die<br />
schon ausgesprochen gut<br />
Englisch können, ist das eine<br />
große Schwierigkeit. Die können<br />
sich in Österreich schon<br />
gut verständigen und da ist<br />
die Notwendigkeit eine neue<br />
Sprache zu lernen natürlich<br />
gering. Jetzt nach vier Monaten<br />
finden sie aber langsam<br />
zur Sprache.“<br />
Durchschnittlich bleiben<br />
die Jugendlichen neun<br />
Monate lang im College. Seit<br />
September 2016 wurden über<br />
100 Buben und Mädchen<br />
weitervermittelt. Manche<br />
machen nun ihren Pflichtschulabschluss,<br />
andere besuchen<br />
Übergangslehrgänge,<br />
die sie auf das Schulsystem<br />
vorbereiten und viele haben<br />
schon Lehrstellen bekommen.<br />
Die Berufswünsche sind<br />
individuell: „Von Bäckern und<br />
Apothekern bis hin zu Ärzten<br />
und Juristen ist alles dabei.“<br />
Ein Berufswunsch überrascht<br />
die Projektleiterin besonders:<br />
„Viele wollen tatsächlich<br />
Polizist werden. Wir bemühen<br />
uns natürlich das zu ermöglichen,<br />
doch wir wissen wie<br />
schwierig die Auflagen hier<br />
sind.“<br />
Steidl ist vom Projekt<br />
felsenfest überzeugt. Schon<br />
nach kurzer Zeit stellte sie<br />
fest, dass es unter den<br />
meisten jungen Menschen<br />
Potenzial gibt, auf dem man<br />
aufbauen kann: „Die Jugendlichen<br />
sind so lernwillig und<br />
wissbegierig. Die Lehrer sind<br />
manchmal selbst überrascht,<br />
wie begeistert die Schüler an<br />
die Sache herangehen.“ ●<br />
Weitere Infos unter: www.vhs.at/jugendcollege<br />
/ KARRIERE / 45
Selbermacher<br />
„Ex Rakia“ soll<br />
die Tradition des<br />
Schnapstrinkens am<br />
Balkan wiederbeleben<br />
und in die Wiener<br />
Clubs holen. Gründer<br />
Ivan Stefanovic erzählt<br />
von seiner Idee, den<br />
Schwierigkeiten und<br />
warum sein Produkt<br />
vor allem den Mädels<br />
schmecken muss.<br />
Text: Adriana Davidović<br />
Fotos: Susanne Einzenberger<br />
„Du musst dir<br />
selbst Druck<br />
machen!“<br />
Alles begann vor einigen Jahren<br />
bei einer International Night<br />
Party in Zagreb. Jeder Student<br />
brachte sein eigenes Nationalgetränk<br />
mit. Die Russen hatten ihren Vodka, die<br />
Deutschen ihren Jägermeister, die Türken<br />
ihren Yeni Raki. Nur die Jugos hatten<br />
kein Getränk mit einer international<br />
bekannten Marke. Da kam Ivan die Idee,<br />
„Ex Rakia“ zu gründen. „Ich wollte nicht<br />
ein Produkt, das auf ein Land spezialisiert<br />
ist, sondern eines, das als jugoslawisch<br />
angesehen wird – ein Produkt, das<br />
verbindet.“ In ex-jugoslawischen Ländern<br />
gibt es aber genug Rakija. Deshalb<br />
das Ziel: Ex-Rakia soll fixer Bestandteil<br />
der Getränkekarten von Wiener Clubs<br />
werden.<br />
„KEINER WAR BEEINDRUCKT.“<br />
Monatelang ist der 28-Jährige von<br />
Bank zu Bank gelaufen und hat seinen<br />
Businessplan vorgelegt, doch keiner<br />
war beeindruckt. Nach etlichen Hürden<br />
und Versuchen klappte es endlich. Ivan<br />
probierte über 30 Obstbrandhersteller<br />
in Serbien aus, um sicherzugehen, dass<br />
sie auch bei hoher Quantität den hohen<br />
Qualitätsansprüchen gerecht werden<br />
können. Letztendlich eröffnete er in Novi<br />
46 / KARRIERE /
Sad eine Produktionsstätte mit einer<br />
Destillieranlage aus Deutschland. Hier<br />
werden die Bio-Früchte des Balkans<br />
mehrfach gewaschen, die Körner entfernt<br />
und der Schnaps zweifach destilliert.<br />
Pro Liter werden 13 kg Früchte<br />
verwendet. „Daher kommt der richtig<br />
fruchtig aromatische Geschmack – ein<br />
bisschen würzig am Gaumen, abschließend<br />
wird er zum Genuss.“<br />
DIE NEUE ALTE TRADITION<br />
„Ich wollte das Rakijatrinken wiederbeleben.<br />
Ein Schluck beim Kaffeetrinken,<br />
vielleicht eine Zigarette dazu. Das war<br />
Tradition bei uns.“ Ivan wollte aus der<br />
alten Tradition etwas Neues, Innovatives,<br />
Elegantes und Modernes machen.<br />
Dafür tut er etwas, was Jugos sonst<br />
nie machen würden: Er mischt den<br />
Rakija. „Als damals der Trend mit den<br />
Longdrinks und Cocktails in Europa<br />
startete, zogen alle mit. Nur Rakija eben<br />
nicht. Jetzt wird es Zeit.“ Die köstlichen<br />
Mischungen aus Marillenbrand mit Orangensaft<br />
oder Pflaumenbrand mit Cranberry<br />
sind besonders gefragt. Vor allem<br />
war es Ivan wichtig, dass „Ex Rakia“ den<br />
Mädels schmeckt. „Auf der Ottakringer<br />
Straße läuft das so: Wenn es die Ladies<br />
mögen, kaufen es ihnen die Männer.“<br />
„DURCHHALTEVERMÖGEN IST DAS<br />
WICHTIGSTE.“<br />
Auch wenn das gesamte Konzept<br />
nun läuft, einfach war es nicht.<br />
„Eine gute Idee bringt nichts ohne den<br />
Versuch, sie umzusetzen. Viele Leute<br />
haben gute Ideen, doch leider gehen<br />
wenige das Risiko ein es zu probieren.“<br />
Ivan hat gelernt einen klaren Fokus zu<br />
setzen. „Man muss ein hohes Maß an<br />
Selbstmotivation haben und sich stetig<br />
persönlich weiterentwickeln. Ich liebe<br />
es, wenn einer sagt, das geht nicht,<br />
dann beweise ich ihm das Gegenteil.<br />
Wo andere Probleme sehen, suche ich<br />
nach Lösungen. Wörter wie „Stress“<br />
oder „Probleme“ sind längst aus meinem<br />
persönlichen Wortschatz gestrichen. Du<br />
musst dir selbst den Druck machen, weiterzukämpfen.<br />
Konstantes Lernen und<br />
Weiterbilden muss zum Alltag gehören,<br />
denn man kann dir alles wegnehmen<br />
– Geld, Haus, Auto. Doch niemals dein<br />
Know-how.“ Živeli! ●<br />
WKO-WIEN HILFT<br />
Im Gründerservice der WKO-Wien<br />
kann man bei einem Beratungsgespräch<br />
alle Fragen stellen, die<br />
die Gründung eines Unternehmens<br />
betreffen. Im Vorhinein kann man<br />
sich auch schon eigenständig<br />
online informieren. Ob generelle<br />
Tipps zur Selbstständigkeit,<br />
rechtliche Voraussetzungen, Amtswege<br />
oder Finanzierungs- und<br />
Förderungsmöglichkeiten: Auf der<br />
Website kommt man mit wenigen<br />
Klicks zu allen wichtigen Informationen.<br />
wko.at/wien<br />
www.gruenderservice.at<br />
Die Selbermacher-Serie ist eine<br />
redaktionelle Kooperation von das<br />
biber mit der Wirtschaftskammer<br />
Wien.<br />
DER ERSTE<br />
SCHRITT ZUM<br />
ERFOLG!<br />
»<br />
IHR SERVICEKONTAKT<br />
+43 1 514 50 - 1050<br />
Das WK Wien-Servicepaket ist randvoll mit Unterstützung, Beratung und<br />
ExpertInnenkontakten. Besonders bei der Beratung zur Unternehmensgründung.<br />
W wko.at/wien/gruenden<br />
/ RAMBAZAMBA / 47
WIRD DER DÖNER EINMAL 8 € KOSTEN?<br />
Immer mehr Menschen leben am Existenzminimum.<br />
Roman Hebenstreit, Vorsitzender der<br />
Gewerkschaft VIDA, will dagegen vorgehen.<br />
Sein Fokus: Mindestlohn.<br />
von David Slomo. Foto: Michaela Kobsa<br />
Die Gewerkschaft VIDA<br />
vertritt die Interessen von<br />
ArbeitnehmerInnen aus über<br />
100 Nationen. VIDA kämpft für<br />
gute Arbeitsbedingungen und<br />
Lebensqualität. Ein langfristiges Ziel<br />
ist der Mindestlohn von <strong>17</strong>00 Euro.<br />
Hilfe, Rat und Tat gibt es unter<br />
info@vida.at<br />
<strong>BIBER</strong>: Stellen Sie bitte VIDA in einem<br />
Satz vor.<br />
ROMAN HEBENSTREIT: Wir vertreten die<br />
Interessen der einfachen Arbeiter.<br />
Ihr Ziel ist ja zum Beispiel der Mindestlohn<br />
von 1500 Euro brutto. Wieso diese<br />
Summe?<br />
Leistung muss sich lohnen. Arbeit darf<br />
nicht eine zweite Mindestsicherung werden,<br />
sondern muss ein würdiges Leben<br />
ermöglichen. Unser eigentliches Ziel ist<br />
aber ein Bruttogehalt von <strong>17</strong>00 Euro.<br />
Bis wann wollen Sie das durchsetzen?<br />
Bis gestern.<br />
Wie viele Menschen sind unter dem<br />
Armutsschwellwert?<br />
Ungefähr 360.000 Leute, die hauptsächlich<br />
im Dienstleistungssektor arbeiten.<br />
Also Reinigungskräfte oder Friseure. Die<br />
Hälfte davon sind Migranten.<br />
Hat die Flüchtlingswelle nach dem<br />
Bosnienkrieg dazu beigetragen, dass die<br />
Gehälter so niedrig sind?<br />
Der Druck ist damit erhöht worden.<br />
Es ist eine Erpressbarkeit entstanden,<br />
denn die arbeitenden Menschen wurden<br />
geschwächt. Deshalb gibt es uns. Wir<br />
helfen bei Problemen. Die Menschen<br />
müssen sich organisieren und dürfen<br />
sich nicht alles gefallen lassen.<br />
Auch derzeit steigt der Druck wieder aufgrund<br />
der Flüchtlingskrise, denn mir ist<br />
bewusst, dass die Menschen, die ankommen,<br />
Geld brauchen und ein Mindestlohn<br />
ist ihnen egal.<br />
Nochmal zu Ihrem Ziel: Wird nach der<br />
Anhebung jeder Lohn steigen?<br />
Auf kurz oder lang, ja. Das wird aber<br />
nicht von heute auf morgen passieren.<br />
Es macht natürlich Sinn, denn die Menschen<br />
sind dann motivierter mehr für ihr<br />
Geld zu tun.<br />
Und woher würde das Geld für die Erhöhungen<br />
kommen?<br />
Ich wurde noch nie gefragt, woher das<br />
Geld für Managergehälter kommt. Wir<br />
können uns das leisten. Es ist auch nicht<br />
schwer, denn das Geld kommt durch<br />
Konsum wieder zurück.<br />
Kann es auch passieren, dass dann der<br />
Döner bei uns mal 8 Euro kosten wird?<br />
Möglich. Nur ist es ok, weil ich dann um<br />
100% mehr verdiene.<br />
Was wären Ihre nächsten Ziele, die Sie<br />
verwirklichen wollen?<br />
Arbeitszeitverkürzung zum Beispiel. Es<br />
wird an der Zeit Arbeit zu verteilen, um<br />
der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.<br />
Ob es weniger Stunden werden oder<br />
eine zusätzliche Urlaubswoche wird sich<br />
noch herausstellen.<br />
Was wollen Sie der biber Community<br />
noch sagen?<br />
Solidarisiert und organisiert euch. Wir<br />
sind für Fragen, aber auch für Ideen<br />
offen. Vielleicht gibt es Anliegen und<br />
Themen, die wir nicht im Visier haben. ●<br />
48 / KARRIERE /
EIN ANTRAG,<br />
DER SICH LOHNT<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer<br />
bekommen in vielen Fällen Geld vom<br />
Finanzamt zurück. Daher sollte man<br />
sich dieses Geld abholen.<br />
BEZAHLTE ANZEIGE<br />
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,<br />
die im Vorjahr unselbständig<br />
beschäftigt waren, bekommen vom<br />
Finanzamt Geld zurück. Allerdings müssen<br />
sie dafür die ArbeitnehmerInnenveranlagung<br />
durchführen. Aber keine<br />
Angst, das ist nicht schwierig, und es<br />
gibt Hilfe bei Fragen.<br />
WARUM BEKOMMT<br />
MAN GELD?<br />
In Österreich zahlt jemand, der höhere<br />
finanzielle Belastungen hat, weniger<br />
Steuern als jemand, der diese Belastungen<br />
nicht hat. Berücksichtigt werden<br />
beispielsweise die Ausgaben für<br />
die Kinderbetreuung, der Aufwand, den<br />
das Pendeln zur Arbeit verursacht oder<br />
die Kosten einer Ausbildung. Damit<br />
das Finanzamt von diesen Belastungen<br />
weiß, muss eine ArbeitnehmerInnenveranlagung<br />
durchgeführt werden.<br />
WIE MACHT MAN EINE<br />
ARBEITNEHMERINNEN-<br />
VERANLAGUNG?<br />
Der traditionelle Weg ist der, sich<br />
das entsprechende Formular beim<br />
Finanzamt zu besorgen, den Antrag<br />
auszufüllen und abzugeben. Oder man<br />
nützt – wie die Mehrheit der in Österreich<br />
Beschäftigten – FinanzOnline und<br />
wickelt die Steuererklärung elektronisch<br />
ab.<br />
„Auch wenn seit heuer in bestimmten<br />
Fällen die ArbeitnehmerInnenveranlagung<br />
automatisch vom Finanzamt<br />
durchgeführt wird, empfiehlt es sich,<br />
selbst einen Antrag zu stellen“, sagt<br />
AK Präsident Rudi Kaske. „Niemand<br />
hat etwas zu verschenken. Achten Sie<br />
darauf, dass Sie das, was Ihnen zusteht,<br />
auch bekommen.“<br />
Viele Fragen zu dem Thema werden<br />
im Internet unter<br />
wien.arbeiterkammer.at/steuer<br />
beantwortet. Zudem kann man AK<br />
Steuer-Ratgeber bestellen, entweder<br />
unter der Nummer 01/50165-402 oder<br />
unter bestellservice@akwien.at<br />
MEHR NETTO<br />
wien.arbeiterkammer.at/steuer<br />
Nichts verschenken: Machen Sie jetzt Ihre<br />
Arbeitnehmerveranlagung und holen Sie sich<br />
zuviel bezahlte Steuern zurück.<br />
GERECHTIGKEIT MUSS SEIN
Kartondrohne<br />
Das Unternehmen „Otherlab“ aus<br />
den USA baut Apsara-Drohnen aus<br />
Karton, die Medikamente in unwegsame<br />
Gebiete bringen sollen. Vorteile:<br />
Pappe verrottet, verpestet also<br />
nicht die Umwelt und ist in großen<br />
Stückzahlen günstig herzustellen.<br />
Nachteile: noch nicht im Einsatz.<br />
Technik<br />
Alt+F4 und der<br />
& Mobil<br />
Tag gehört dir.<br />
Von Adam Bezeczky<br />
Nintendo is Back!<br />
Mit dem Release der neuen Nintendo<br />
Switch Plattform geht das japanische<br />
Unternehmen neue Wege. Die Konsole<br />
kann sowohl über ein Dock zu Hause am<br />
Fernseher, als auch unterwegs mit „Joy-<br />
Controllern“ gesteuert werden und sieht<br />
dann aus wie ein Tablet mit Henkeln.<br />
MEINUNG:<br />
Smart gegen Dumm<br />
Auf dem Mobile World Kongress, der größten Handymesse<br />
der Welt, stiehlt Nokia der ganzen Smartphone-Konkurrenz<br />
die Show. Und zwar nicht mit einer weiteren Ausführung eines<br />
Smartphones, sondern mit der Wiederbelebung eines Kult-Klassikers.<br />
Das neue Nokia 3310 ist eine Hommage an das unzerstörbare<br />
Handy von damals. Mit Snake. Aber „Feature Phones“<br />
sind laut Wirtschaftsservice Bloomberg im Kommen. Mit einem<br />
32-prozentigen Anstieg 2016 in Schwellenländern verdrängen<br />
sie Smartphones im Wachstum. Eh klar, die Akkus der „Feature<br />
Phones“ halten tagelang durch und sind auch hart im Nehmen:<br />
Diesen Mobiles macht ein Absturz vom Tisch nichts aus. Möglicherweise<br />
können also die vielen „smarten“ Phones einiges von<br />
ihren „dummen“ Kollegen lernen. bezeczky@dasbiber.at<br />
GEMEINSAM HASSEN<br />
Tinder ist out. Mit der Dating-App „Hater“<br />
können wir unseren Traumpartner jetzt über<br />
eine weitere verbindende Emotion finden:<br />
dem Hass. Themen werden vorgeschlagen,<br />
mit einem Wisch nach unten bestätigen wir,<br />
dass wir zum Beispiel keine Techno Musik<br />
mögen. Wer also gerne seine schlechte<br />
Laune teilt, findet auf der Plattform sicherlich<br />
den/die Richtige/n. Ist das nicht romantisch?<br />
Marko Mestrović, bereitgestellt, Nokia, Microsoft, Nintendo<br />
50 / TECHNIK /
Geisterstunde in Bolivien<br />
In Ubisofts Open World Shooter „Ghost Recon: Wildlands“ schlüpfen wir in<br />
die Rolle einer Spezial-Einheit und kämpfen wahlweise alleine oder mit bis<br />
zu drei Freunden im Koop-Modus gegen das mächtige Santa Blanca Drogenkartell.<br />
Das macht viel Spaß: Entweder im Rambo- oder im Schleichmodus<br />
knöpfen wir uns Menschenhändler und Drogenbosse vor. Wer schleicht, hat<br />
aber bessere Karten: Solange unsere Mannen unentdeckt bleiben, sind auch<br />
die stärksten Gegner leichte Beute. Auch ohne Drogen sieht das Spiel extrem<br />
hübsch aus – die Entwickler haben unterschiedliche Klima- und Vegetationszonen<br />
detailverliebt nachgebaut. Verrostete Spanischkenntnisse werden<br />
durch die Dialoge aufgepeppt. Wer dazu noch Narcos schaut, fühlt sich<br />
mitten in die Serie versetzt. Suchtpotenzial entwickelt die Jagd nach neuen<br />
Waffenanbauteilen und Erfahrungspunkten, mit denen wir aus unseren Spezialeinheiten<br />
richtige Kampfmaschinen machen. Vamos Compañeros!<br />
Rettet Prinzessin Zelda<br />
Hyrule, Heimat von Prinzessin Zelda<br />
und ihrem edlen Bodyguard Link<br />
sieht mal wieder finsteren Zeiten<br />
entgegen. Ganon, das Übel aus<br />
einer alten Prophezeihung kam,<br />
sah und siegte. Doch er hat die<br />
Rechnung ohne unseren Helden<br />
Link gemacht. Dieser erwacht nach<br />
einer längeren Auszeit und nimmt<br />
sich, mit Hilfe eines Tablets – das<br />
nur ganz zufällig an die Nintendo<br />
Switch erinnert – den Kampf gegen<br />
das Böse auf. Mit Zelda: The Breath<br />
of the Wild wird der Spielserie ein<br />
Freiheitsgeist eingehaucht, denn<br />
in der offenen Spielewelt ist alles<br />
möglich - Kampf, Abenteuer und<br />
Rollenspiel. Die Liebe der Entwickler<br />
zum Zeldaversum ist unverkennbar<br />
und zaubert auch nach vielen Spielstunden<br />
ein Lächlen ins Gesicht der<br />
Gamer. So müssen unterhaltsame<br />
und familienfreundliche Spiele sein!<br />
ZEIT FÜR ECHTZEIT<br />
Mit Halo Wars 2 erscheint ein<br />
Echtzeitstrategiespiel, das diesen<br />
Namen auch verdient. Mit<br />
Halo Wars 2 lässt Entwickler 343<br />
Industries die Mannschaft der<br />
verloren geglaubten „Spirit of<br />
Fire“ gegen einen neuen Feind<br />
im Halo-Universum antreten.<br />
Die spannende Story wird mit<br />
epischen Schlachten effektvoll<br />
umgesetzt. Flammen lodern<br />
schön gelbrot, wenn unsere<br />
Hellbringers die Gegner ausräuchern<br />
und der Matsch fliegt<br />
förmlich durchs Wohnzimmer,<br />
wenn unsere Warthogs durch<br />
die Landschaft pflügen. Für die<br />
Soundeffekte wurden keine<br />
Kosten gescheut und das hört<br />
man: Dank der neuen Soundkulisse<br />
bebt nicht nur unser Trommelfell,<br />
sondern auch das der<br />
Nachbarn. Die Sammelwut packt<br />
uns spätestens im Multiplayer-<br />
Modus „Blitz“, wo wir nicht nur<br />
unser taktisches Geschick, sondern<br />
auch unsere Trading Cards<br />
richtig einsetzen müssen. Dank<br />
der ausführlichen Einleitung ist<br />
das Spiel auch für Newcomer<br />
ein guter Start ins umfangreiche<br />
HALO Universum. Ein Pflichtkauf<br />
für die XBox!<br />
/ TECHNIK / 51
HAAR-TIPP<br />
SCHNIPPSCHNAPP<br />
PIXIECUT<br />
Lange Haare sind was<br />
für Mädchen und kurze<br />
… natürlich auch! Der<br />
Pixiecut ist zurück, ob mit<br />
Undercut oder ohne. Man<br />
sieht ihn bei Katie Perry,<br />
am Laufsteg und bei uns<br />
in der Redaktion.<br />
Mache mir die Welt,<br />
wie sie mir gefällt.<br />
Von Delna Antia<br />
Life<br />
SCHUH-TIPP<br />
COWGIRL<br />
Der Westernstyle greift auf die<br />
Füße über. Ob mit Blümchenverzierung,<br />
in Rauleder oder mit langem<br />
Schaft, wer Cowboy-Boots trägt,<br />
braucht kein Lasso in der Prärie.<br />
Danke an Designerin Isabel Marant<br />
für dieses hübsche Exemplar.<br />
& Style<br />
MEINUNG<br />
Mit 30 wird es existenziell<br />
Eine Freundin hat Krebs. Gebärmutterhalskrebs. Ihre<br />
Haare sind ausgefallen und trotz Chemotherapie wird<br />
man ihr nun die Gebärmutter entfernen. Die Haare werden<br />
zurückkommen, schwanger wird sie nicht werden.<br />
Mit ihrem Freund denkt sie über eine Leihmutterschaft<br />
nach. Sie hatte sich im Vorhinein Eizellen entnehmen<br />
lassen und sie mit seinen Samen befruchten lassen. Im<br />
Zuge dessen mussten beide zum Notar: Was ist wenn?<br />
– Eine Freundin ist schwanger. Sie ist recht frisch mit<br />
ihrem Freund zusammen, es hat gleich geklappt. Weil<br />
sie Ende Dreißig ist, mussten sie sich entscheiden, ob<br />
sie einen Test machen, da die Wahrscheinlichkeit ein<br />
behindertes Kind zu bekommen größer ist. Und was<br />
wäre wenn? – Eine andere Freundin hat sich einen<br />
Termin bei einer „Eizellen-Bank“ ausgemacht. Sie ist<br />
35, frisch getrennt. Sie möchte den Druck loswerden<br />
und nicht gleich mit Hochzeits- und Kinder-erwartungen<br />
in die nächste Beziehung gehen. Eine andere heiratet<br />
dieses Jahr. Eine wünscht es sich und die andere fragt<br />
sich, warum sie schon so lange nicht schwanger wird.<br />
Bei anderen dreht es sich stattdessen oder zusätzlich<br />
um Hauskauf, Kredit und genug Geld für die Zukunft. Ich<br />
weiß nicht wie es euch geht, aber in meinem Kopf dreht<br />
es sich, oft bin ich sprachlos und noch öfter überfordert:<br />
Dreißigsein ist super, aber es ist verdammt nochmal<br />
existenziell! antia@dasbiber.at<br />
5 FRAGEN AN<br />
Brautschwestern.<br />
Das Atelier für Bräute von<br />
Flora Sutton & Sarah Neller<br />
Wer sind die Brautschwestern?<br />
Wir sind tatsächlich<br />
Schwestern – Flora ist<br />
gelernte Goldschmiedin und<br />
Sarah ist Tortendekorateurin.<br />
Im April feiern<br />
wir als „Brautschwestern“<br />
unser einjähriges Jubiläum.<br />
Zu uns kommt jede Braut nur<br />
mit Terminvereinbarung, so<br />
dreht sich in Wohnzimmeratmosphäre<br />
alles<br />
exklusiv um sie.<br />
Was findet Braut bei Euch?<br />
Vor allem natürlich Kleider!<br />
Die Designer kommen aus<br />
Weißrussland, Deutschland<br />
und London und sind in ganz<br />
Österreich nur bei uns<br />
erhältlich. Wir haben auch<br />
Schleier, Taschen und<br />
handgefertigte Accessoires<br />
wie Kopf- und Haarschmuck,<br />
der zum Teil aus<br />
antiken Stücken neu<br />
zusammengesetzt ist.<br />
Was braucht es, damit<br />
die Braut glücklich ist?<br />
Eine gute Beratung – in allen<br />
Bereichen, nicht nur beim<br />
Kleid. Als Begleit-person ist<br />
es wichtig, sich für sie<br />
einzusetzen und nicht den<br />
eigenen Traum durchsetzen<br />
zu wollen.<br />
Trends 20<strong>17</strong>?<br />
Feenartige Kleider, also<br />
leichte, fließende, natürliche<br />
Stoffe. Und: Der Rückenausschnitt<br />
ist das neue<br />
Dekolleté.<br />
Euer Tipp für Bräute?<br />
Nicht zu viele Begleitpersonen<br />
mitnehmen,<br />
sondern nur die wichtigsten<br />
zwei.<br />
Caterina Hoffmann Photography, Marko Mestrović, IsabelMarant, Brautschwestern, Pinterest<br />
52 / LIFESTYLE /
Du bist,<br />
was du isst.<br />
Von Artur Zolkiewicz<br />
Mann<br />
Fotos: Marko Mestrović, bereitgestellt<br />
MEINUNG<br />
Bauch, Beine, Po<br />
& Instagram<br />
& Body<br />
GRELL<br />
Zu viele Frauen versuchen nur bestimme Teile<br />
des Körpers zu trainieren. Kein Wunder, denn<br />
folgt man Fitness-Chics auf Instagram, sieht<br />
man in vielen Fällen Trainingsvideos, in denen<br />
sie nur drei Körperteile adressieren: Bauch,<br />
Beine und Po. Überdimensionale Hintern,<br />
straffe Beine und Sixpack scheinen der neue<br />
Frauen-Fitnesstrend zu sein. Als hätten sich<br />
viele von ihnen gedacht: Ich will/ kann zwar<br />
nicht wie ein viel zu dünnes Model aussehen,<br />
ich kann aber Hintern wie ein Pferd,<br />
Bauch wie ein Leichtathlet und Beine wie eine<br />
Gazelle haben. Spaß bei Seite. Aussehen ist<br />
nicht das primäre Trainingsziel. Glaube den<br />
Instagram-Chics nicht: Wer nur bestimmte<br />
Körperteile trainiert und die anderen vernachlässigt,<br />
wird muskuläre Dysbalancen entwickeln<br />
und alles andere als schön<br />
aussehen! Trainiere die gesamte<br />
Körpermuskulatur und mach dir<br />
keine Sorgen, dass du wie ein<br />
Bodybuilder aussehen wirst. Es ist<br />
nämlich nicht so einfach, vor allem<br />
als Frau, Muskelmasse aufzubauen!<br />
zolkiewicz@dasbiber.at<br />
ZAHL DES MONATS<br />
1:15:54<br />
hat Mieko Nagaoka<br />
gebraucht, um im Alter von<br />
100 in einem Schwimm-<br />
Wettkampf den Weltrekord<br />
der Altersklasse 100-104 im<br />
1500m Freistil aufzustellen.<br />
Tipp<br />
Adieu Cellulite<br />
Durch Training kannst du<br />
die Ausprägung von Orangenhaut<br />
verringern!<br />
FUN FACT<br />
Eine Studie fand heraus,<br />
dass Männer, die mit<br />
ihren Freundinnen<br />
trainieren, schwerere<br />
Gewichte heben und<br />
bessere Resultate<br />
erreichen.<br />
SCHICK DEINE<br />
KURZGESCHICHTE AN:<br />
WORTLAUT.FM4@ORF.AT<br />
EINSENDESCHLUSS: 7. MAI 20<strong>17</strong><br />
ALLE INFOS AUF<br />
FM4.ORF.AT/WORTLAUT<br />
THEMA: GRELL<br />
SCHICK UNS DEINE KURZGESCHICHTE!<br />
/ LIFESTYLE / 53
Die<br />
kurdischen<br />
Gentlemen<br />
von Aleksandra Tulej<br />
Auch bei Konflikten in der Region: das Stecktuch sitzt.<br />
Stecktücher, Anzüge<br />
und Man-Buns mitten in<br />
Kurdistan? Die Dandys<br />
von Erbil setzen sich mit<br />
ihrem gepflegten Aussehen<br />
für mehr als nur Mode ein.<br />
So sieht ein Mr. Erbil aus.<br />
Der Nahe Osten und<br />
Bärte gehören in<br />
unserer Vorstellung<br />
zusammen wie Pommes und<br />
Ketchup. Bärtige Männer in<br />
Kurdistan schockieren wohl<br />
keinen. Doch man ergänze<br />
zum sorgfältig gestutzten Bart<br />
noch ein buntes Seidenstecktuch,<br />
Fliegerbrille und einen<br />
schicken Anzug. Die Frisur<br />
sitzt, ob klassisch zurückgegelt<br />
oder als neumodischer<br />
Man-Bun. Wir befinden uns in<br />
Erbil, der Hauptstadt Kurdistans.<br />
Männer in diesem<br />
sogenannten „Dandy“-Look<br />
sind hier mittlerweile auch<br />
nichts Neues mehr. „Mr. Erbil“<br />
heißt der erste Gentlemen‘s<br />
Club Kurdistans, bestehend<br />
aus dreißig Mitgliedern.<br />
Gut frisiert und gut rasiert<br />
stehen die Dandys von Erbil<br />
nicht nur für Mut zur Mode,<br />
sondern auch für den Drang,<br />
die Lebenssituation in ihrer<br />
Region zu verbessern. Sie<br />
versuchen unter anderem<br />
durch Verbreitung regionaler<br />
Produkte die Wirtschaft<br />
anzukurbeln, und die Medienberichte<br />
über Kurdistan<br />
auf andere Themen als Krieg<br />
und Armut zu lenken. Und<br />
es scheint zu funktionieren.<br />
Die Instagramseite „Mr.Erbil“<br />
verfolgen mittlerweile fast<br />
69.000 Menschen. Hier findet<br />
man Bilder der kurdischen<br />
Dandy-Dudes und allerhand<br />
Fashion-Inspiration.<br />
DIE „MODS“ SIND<br />
WIEDER MODERN.<br />
Die Mode auf ein gepflegtes<br />
Image bei Männern<br />
nimmt übrigens auch auf der<br />
anderen Seite der Weltkugel<br />
zu. Auch in den USA und in<br />
Europa kriegt man wieder<br />
Lust auf Eleganz. Outfits im<br />
Stil des „Mod“-Looks, den<br />
man aus den 1960er Jahren<br />
kennt, feiern hier ihr Comeback.<br />
Was macht den Look<br />
aus? Bunte Anzüge, Lederschuhe,<br />
Stoffhosen oder auch<br />
Bomberjacken. Ein bisschen<br />
altmodischer Chic, aber auch<br />
ein bisschen wilde Muster.<br />
Der Mix aus Fein und Casual<br />
ist hier der Clue. Halt ein bisschen<br />
so, wie die Beatles oder<br />
The Who ihrerzeit durch die<br />
Straßen Londons strawanzt<br />
sind.<br />
Egal ob in Kurdistan oder<br />
in Großbritannien, schicke<br />
Männer erleben überall<br />
auf der Welt gerade wortwörtlich<br />
ein Comeback im<br />
großen Stil. ●<br />
www.instagram.com/mr.erbil<br />
54 / LIFESTYLE /
Mehr als nur Worte<br />
[Über das Poetische]<br />
8/3 – 7/5 20<strong>17</strong><br />
Museumsquartier<br />
#Poetics<br />
© Bruno Munari, 1963 – All rights reserved to Maurizio Corraini s.r.l.<br />
Camille Henrot<br />
If Wishes<br />
Were Horses<br />
22/3 – 28/5 20<strong>17</strong><br />
Karlsplatz<br />
#Henrot<br />
Kunsthalle Wien<br />
Camille Henrot, Tuesday, 20<strong>17</strong>, Image Research, Courtesy the artist, König Galerie, Berlin; kamel mennour, Paris/London and Metro Pictures, New York
HART<br />
In einem Wiener Café bestellen die Kunden zuerst Kaffee und greifen<br />
danach zur Peitsche. Redakteurin Michaela war in der Wiener<br />
ABER<br />
BDSM Szene unterwegs und hat gelernt: Für BDSM braucht es mehr<br />
Zustimmung und Kommunikation und weniger Fifty Shades of Grey.<br />
ZART<br />
von Michaela Kobsa (Text und Fotos)<br />
56 / LIFESTYLE /
Das sind die Basic-Utensilien: Fesseln, Peitschen, Flogger und Stöcke<br />
Im SMart Café in der Köstlergasse wird gepeitscht,<br />
gefloggt und gefesselt was das Zeug hält – ein Raum<br />
in dem sadistische und ungewöhnliche Fantasien nicht<br />
verurteilt werden. Es ist 22 Uhr und ich stehe vor der<br />
schwarzen Tür des SMart Cafés, Wiens erstem Fetisch<br />
und BDSM Lokal. BDSM steht für Bondage & Discipline, Dominance<br />
& Submission und Sadism & Masochism. Ich kenne mich<br />
halbwegs mit Fifty Shades of Grey aus, will aber sehen was in<br />
der BDSM-Szene wirklich abgeht. Also atme ich tief ein und<br />
betrete eine neue Welt.<br />
Innen sieht das BDSM-Café wie das Beiserl um die Ecke<br />
aus. Es ist aber so voll, dass man kaum durchkommt. Es<br />
herrscht trotz vielen Frauen ein Überschuss an Männern.<br />
Die Mehrheit ist vierzig bis fünfzig Jahre alt. Manche tragen<br />
Alltagskleidung, ab und zu erscheint auch ein Halsband oder<br />
Korsett auf der Bildfläche. Auf den ersten Blick sieht alles fast<br />
gewöhnlich aus. Außer, dass es im Fernsehen kein Fußball<br />
spielt, sondern zu sehen ist, wie eine ledertragende Domina<br />
mit einem massiven Strap-On ihr männliches Opfer foltert.<br />
Connie, der Besitzer, steht an der Bar und hält eine Zigarette<br />
zwischen seinen schwarz manikürten Fingern. Er erzählt,<br />
wie er 1999 wegen seines Cafés ständig vom FPÖ-Bezirksvorsteher<br />
und seinen Behörden gehetzt wurde. „Viele verstehen<br />
noch immer nicht, dass die Gewalt in BDSM einvernehmlich ist.<br />
Und weil es bei BDSM zu Schmerzen und Verletzung kommen<br />
kann, müssen alle Beteiligten viel bewusster mit Zustimmung,<br />
Kommunikation und Grenzen umgehen“, erklärt er. An der Bar<br />
werde ich von einer jüngeren Barista mit blonden Haaren und<br />
schwarzem Halsband begrüßt. Ich bestelle ein Getränk und<br />
schaue mich um. Ein älterer Herr mit weißem Bart starrt mich<br />
an und schnell kommen wir ins Gespräch. Nach zwei Sekunden<br />
korrigiert er mein Deutsch. Dann lacht er: „Tut mir leid, ich bin<br />
Deutschlehrer. Dürfte ich bitte Ihre Füße ablecken?“<br />
SEVERIN, DER FUSSVERWÖHNER, ROTKÄPPCHEN<br />
UND DER BÖSE WOLF<br />
Der fußverliebte Herr heißt Severin – tagsüber Deutschlehrer,<br />
nachtsüber Fußverwöhner und Prügelknabe. Er steht auf<br />
hübsche Frauen, blaue Flecken, und dreckige, haarige Füße. Er<br />
hatte sein ganzes Leben lang ungewöhnliche Vorlieben gehabt<br />
und sich tief dafür geschämt. In diesem Café kann er sich mit<br />
Gleichgesinnten unterhalten und seine Fantasien ausleben. Nur<br />
leider nicht mit mir.<br />
Links von mir sitzen ein Mann Ende fünfzig und eine Frau<br />
Mitte vierzig. Rotkäppchen und der böse Wolf soll ich sie<br />
nennen. Beide sprechen Wienerisch und prügeln ihre Devoten<br />
mit sadistischem Eifer. Der böse Wolf erklärt: „Wir sind nicht<br />
anders als alle anderen.“ Er nippt an seinem Schwarztee und<br />
fährt fort: „Toleranter san wir. Weil wir niemanden als pervers<br />
bezeichnen.“ Im Café treffen Menschen mit allen möglichen<br />
Vorlieben und sexuellen Orientierungen aufeinander: Sadisten<br />
und Masochisten, Trans und Cis, dominant und unterwürfig,<br />
Queer und Straight, Fessler und Fußverwöhner, und vieles<br />
andere jenseits der üblichen Vorstellungskraft.<br />
/ LIFESTYLE / 57
Zum BDSM Spiel gehören oft Fesseln, Bondage und Peitschen – die Schmerzgrenze muss jeder für sich selbst festsetzen.<br />
Aber warum eigentlich BDSM? Worin besteht der Reiz<br />
andere zu dominieren oder zu prügeln oder sich dominieren<br />
und prügeln zu lassen? Der böse Wolf antwortet blitzschnell:<br />
„Weil‘s geil ist!“ Ich frage weiter herum und suche Motive für<br />
diese Vorlieben. Alle bestehen darauf, dass sie schon ihr ganzes<br />
Leben lang so waren.<br />
Vor allem, fügt Rotkäppchen hinzu, ist BDSM auch eine<br />
intime Situation, in der man viel über seine Sexualität und Präferenzen<br />
kommunizieren und nachdenken muss. Ein Lebensstil,<br />
in dem nichts einen höheren Stellenwert hat als aktive Zustimmung.<br />
Der dominante Partner kontrolliert seinen Devoten, trägt<br />
aber auch die Verantwortung und beschützt ihn oder sie. Der<br />
böse Wolf beschreibt es so: „Wenn man einem Menschen in<br />
die Augen schaut, der dir voll vertraut, angebunden ist, sich<br />
nicht wehren kann, und sagt: Mach mit mir was du willst. Du<br />
wirst schon das Richtige machen. Diese völlige Hingabe – das<br />
ist BDSM.“<br />
Jetzt bin ich endgültig in den Bann gezogen und will mir<br />
die Spielkammer anschauen. Auf dem Weg dorthin komme ich<br />
am Youngblood Stammtisch vorbei. Hier sitzen circa zwanzig<br />
jüngere Männer und Frauen im Alter von achtzehn bis dreißig.<br />
Sie sind Neulinge in der BDSM-Welt und suchen eine Einführung.<br />
Sven, der Leiter des Stammtisches, begleitet mich zur<br />
Spielkammer.<br />
BLANKE HINTERN UND LANGE PEITSCHEN<br />
An der Tür der Spielkammer hängt ein neon blinkendes<br />
Stoppschild. Die Spielkammer an sich ist klein, dunkel und mit<br />
allerlei sadistischen Utensilien ausgestattet. Eine Multibank, ein<br />
Spank-Bock, Haken an der Decke, ein Eimer voller Stangen und<br />
Peitschen und eine zehn Zentimeter breite Bambus-Stange,<br />
die angeblich nur zur Deko dient. Vier Menschen sitzen auf der<br />
Couch und machen rum oder schauen zu.<br />
Inmitten des Zimmers fesselt ein junger Mann sorgfältig<br />
seine halbnackte Geliebte mit einem Seil. Er wickelt das Seil<br />
geschickt um ihre Brust herum und befestigt es an einem<br />
Haken an der Decke. Keiner von beiden spricht. Er konzentriert<br />
sich auf das Seil, sie senkt demütig den Blick. Ab und zu nimmt<br />
er die Hände von dem Seil ab, legt diese auf sie, überprüft ob<br />
sie glücklich ist und küsst sie zärtlich.<br />
Die Regeln in der Spielkammer sind klar: Die spielenden<br />
Parteien müssen aktiv zustimmen und die Grenzen des anderen<br />
respektieren. Die Zuschauer müssen leise sein, sich nicht<br />
in die Szene einmischen und ja niemanden begrapschen. Jetzt<br />
beginnt eine neue Szene. Ein Mann liegt mit blankem Hintern<br />
an eine schwarze Bank gefesselt, während eine Frau und ein<br />
Mann ihn mit 1,5 Meter langen Peitschen übelst zurichten. Er<br />
schreit, völlig erregt. Die zwei Doms lachen, halten manchmal<br />
an, um zu checken, ob er es genießt, und peitschen dann mit<br />
voller Lust weiter. Sven und ich setzen uns auf die Multibank<br />
und schauen zu.<br />
WAS, WENN WAS SCHIEF LÄUFT?<br />
Offensichtlich steht der Gepeitschte auf Schmerz, und die<br />
58 / LIFESTYLE /
BDSM:<br />
Bondage-Discipline, Dominance-Submission,<br />
Sado-Masochism. Eine Aktivität mit einem ungleichen<br />
Machtverhältnis, in der eine Partei dominiert<br />
und die andere unterwürfig ist.<br />
Spiel:<br />
beschreibt die Aktivität, in der das ungleiche<br />
Machtverhältnis ausgeübt wird, zum Beispiel durch<br />
Tätigkeiten wie Peitschen oder Fesseln.<br />
Dominant:<br />
Die Person, die im Machtverhältnis dominiert.<br />
Sub/Devot:<br />
Die unterwürfige Person im Machtverhältnis.<br />
Diese Person hat die Möglichkeit das<br />
Spiel jederzeit zu beenden.<br />
Zustimmung und Kommunikation:<br />
sind die wichtigsten Voraussetzungen für das Spiel.<br />
Beide (oder mehr) Parteien müssen ihre Vorlieben<br />
und Grenzen sehr präzise verdeutlichen. Vor dem<br />
Spielen müssen beide Seiten aktiv zustimmen und<br />
die Grenzen des anderen respektieren. Der oder die<br />
Sub darf ein Safe Word, zum Beispiel, „Mayday!“<br />
benutzen, um das Spiel abrupt zu beenden.<br />
Halsband:<br />
Ein Symbol für Unterwürfigkeit. Manchmal in einer<br />
Beziehung, manchmal in einer Meister/Sklaven-<br />
Beziehung. Das ungleiche Machtverhältnis wird dann<br />
nicht nur im Spiel, sondern auch im Alltag ausgeübt.<br />
Connie (oben) ist der Besitzer des SMart Cafè, Sven der „Papa“.<br />
beiden anderen genießen es ihm diesen Schmerz zuzufügen.<br />
In dieser Situation sind Zustimmung, Lust, und Kommunikation<br />
sehr präsent. Aber ich bezweifle, dass das immer der Fall<br />
ist. Sven stimmt mir zu. Es gäbe überall Menschen mit bösen<br />
Absichten, die andere manipulieren wollen. Sie denken, beim<br />
BDSM könne man dem anderen antun was man will, nicht was<br />
beiden Parteien gefällt. Aber auch ein gutgesinnter, jedoch<br />
unerfahrener und sich selbst überschätzender Dom ist genauso<br />
gefährlich. Ein Aufprall auf beispielwiese die Nieren kann<br />
lebensgefährlich sein. Es gibt einige Irrglauben zu BDSM und<br />
„Fifty Shades of Grey“ hat dabei wenig geholfen. In den Worten<br />
des bösen Wolfes: „Das ist der grässlichste Scheiß, den ich<br />
je gehört hab.“ In Fifty Shades werden nicht die Grundpfeiler<br />
des BDSM, Zustimmung, Kommunikation und positive Sexualität,<br />
vermittelt. Stattdessen geht es um einen psychisch Kranken<br />
und um eine Frau, die leidet, um ihn zu heilen. Aber schön,<br />
dass Mr. Grey reich ist. „Würde er in einem Anhänger wohnen,<br />
wäre es Vergewaltigung“, fügt ein Stammkunde hinzu.<br />
PAPA SVEN UND DER SICHERE RAUM<br />
Immer wieder kommt es zu Vergewaltigungen, in denen BDSM<br />
als Vorwand genommen wird, um sadistische Fantasien auszuleben.<br />
Wenn so ein BDSM-verbundener Fall in Österreich<br />
passiert, ruft die Polizei Sven an. Er berät die Polizei, wie man<br />
die Situation interpretieren soll, macht primäre Intervention,<br />
vermittelt Kontakte und empfiehlt den Betroffenen Therapeuten<br />
und Anwälte. Im SMart Café wird er als „Papa“ gesehen. Ihm<br />
vertrauen die Menschen und er schafft mit dem Café einen<br />
sicheren Raum. Besucher, die die Regeln nicht respektieren,<br />
werden von ihm entweder ermahnt oder rausgeschmissen.<br />
Wenn eine Szene im seltenen Fall schief läuft, greift er, oder<br />
einer der Zuschauer, ein. Im Großen und Ganzen verteidigen<br />
Papa Sven und die SMart Café Stammkunden ihren Boden vor<br />
Bösem. Alle dort fühlen sich wohl und sind sich einig, dass die<br />
Horror-Geschichten außerhalb des sicheren Raums des Cafés<br />
stattfinden.<br />
Sven steht auf, er muss zurück zum Stammtisch. Er verabschiedet<br />
sich mit den Worten: „Es gibt keine Spielart von<br />
Leben und Sexualität, die so anerkennend, rücksichtsvoll, und<br />
achtsam ist wie SM. Man ist gezwungen zu kommunizieren,<br />
das, was bei vielen nicht-BDSM Beziehungen und sexuellen<br />
Beziehungen schief läuft.“<br />
Es ist 3:30, und ich bin zurück im ersten Raum. Ein paar<br />
Gäste sitzen noch an den Tischen und unterhalten sich leise.<br />
Rotkäppchen und der böse Wolf sitzen noch an der Bar und<br />
trinken ihr letztes Glas. Es sieht alles ganz gewöhnlich aus. Ich<br />
erinnere mich an Svens Worte: „Letztendlich sind wir wie alle<br />
anderen, wir tun nur ein paar verrücktere Dinge.“ Das Knallen<br />
der Peitsche wirbelt noch in meinem Kopf. Und das Bild des<br />
Fesslers und seiner Geliebten, die freischwebend in der Luft<br />
hing. Im Endeffekt wollen hier alle nur mit anderen in Kontakt<br />
kommen. Manche durch das Zufügen von Schmerz, andere<br />
durch Unterwürfigkeit, andere durch haarige, stinkige schmutzige<br />
Füße. ●<br />
/ LIFESTYLE / 59
KulturaNews<br />
Verstaubte Museen sind Schnee von gestern.<br />
von Jelena Pantić<br />
SERBISCHER<br />
HAMLET IM<br />
VOLKSTHEATER<br />
Auch wenn ihr euch nicht für Theater interessiert,<br />
habt ihr vermutlich von Shakespeares berühmtester<br />
Dramenfigur Hamlet gehört. Was ihr aber nicht<br />
gesehen habt, ist die Version des renommierten<br />
Belgrader Theaters „Jugoslovensko Dramsko<br />
Pozorište“. Unter der Regie des serbischen Dramatikers<br />
Goran Stefanovski untersucht diese Version<br />
Hamlet aus der Sicht heutiger politischer Phänomene<br />
wie Kriegseuphorie und Macht-Paranoia. Während<br />
Hamlet seinen Vater rächen möchte und sich dabei in<br />
seine eigene Handlungsunfähigkeit verstrickt, sind<br />
schon die Truppen im Anmarsch, es herrscht Alarmstufe<br />
Rot, Soldaten stehen Wache. Lager gehen in<br />
Flammen auf, überall tauchen Militäruniformen und<br />
ausländische Aggressoren auf. Polizeieinheiten sind<br />
durch kugelsichere Westen geschützt, Rettungseinheiten<br />
sind im Dauereinsatz. Die Verrücktheit von<br />
Prinz Hamlet, gespielt vom Star-Schauspieler Nebojša<br />
Glogovac, ist in dieser Lage keine private Angelegenheit<br />
mehr, denn das ganze Land spielt verrückt.<br />
Gastspiel nur am 29. April 20<strong>17</strong> im Volkstheater!<br />
Neustiftgasse 1, 1070 Wien<br />
GRLPWR<br />
Es gibt zwei Lese-Typen auf dieser Welt. Die, die<br />
ein Buch nach dem anderen lesen, und jene, die<br />
mehrere Bücher gleichzeitig lesen. Ich bin größtenteils<br />
Typ Zwei, denn ich passe meine Buchwahl<br />
gerne meiner Stimmung an. Und da meine Stimmung<br />
über den Tag verteilt variiert, ändern sich<br />
auch die Bücher, auf die ich gerade Lust und Laune<br />
habe. Derzeit begeistere ich mich für feministische<br />
Literatur, die in meiner kleinen Bibliothek fast<br />
keinen Platz einnimmt, und das möchte ich<br />
dringend ändern. Gerade lese ich “How Remarkable<br />
Women Lead”. Tipps von meinen Kolleginnen sind<br />
alles von Laurie Penny, Chimamanda Ngozi Adichie<br />
und der Klassiker: Das andere Geschlecht von<br />
Simone Beauvoir. In der Buchhandlung ChickLit in<br />
der Kleeblattgasse 7 findet ihr eine große Auswahl<br />
an feministischer Unterhaltung. Schickt mir doch<br />
eure Vorschläge zu Büchern, Filmen und Serien an:<br />
pantic@dasbiber.at<br />
Nenad Petrovic, Marko Mestrovic, www.lukasbeck.com<br />
60 / KULTURA /
KONZERTHAUS<br />
Mehr als nur Konzerte: Anders Hören<br />
im Wiener Konzerthaus<br />
von Aleksandra Tulej<br />
Im Wiener Konzerthaus kann man sich nur<br />
hinsetzen und zuhören? Ganz und gar nicht!<br />
Gemeinsam mit den Wiener Symphonikern<br />
bietet das Konzerthaus mit seinen neuen<br />
Reihen ein ganz besonderes Hörerlebnis, das es so<br />
in Wien nicht nochmal gibt – für alle, die Lust<br />
haben, große Werke der klassischen Musik<br />
interaktiv kennenzulernen. Vorkenntnisse braucht’s<br />
keine, sondern nur Lust auf Musik.<br />
„Vorhören!“<br />
für Kinder<br />
Kinder für klassische Musik zu begeistern, kann<br />
eine ziemliche Herausforderung sein. Der Zyklus<br />
„Vorhören!“ im Wiener Konzerthaus, der im<br />
Oktober 20<strong>17</strong> losgeht, hat sich genau das zur<br />
Aufgabe gemacht. Auf altersgerechte Art und<br />
Weise wird hier Kindern und Jugendlichen die<br />
Kunst der Klassik nähergebracht. In zwei<br />
getrennten Altersgruppen, eine von 8 bis 12<br />
Jahren, die zweite von 13 bis 18 Jahren,<br />
entdecken die Kids bei kreativen Führungen,<br />
Workshops oder ähnlichem das Konzerthaus<br />
und die Welt der klassischen Musik, während im<br />
Großen Saal die erste Hälfte des Konzerts läuft.<br />
In der zweiten Hälfte sitzen die Kinder dann mit<br />
im Saal und hören die musikalische Umsetzung<br />
von dem, was sie vorher gelernt haben, von den<br />
Wiener Symphonikern. Da wird sogar Kulturbanausen<br />
nicht langweilig. Auf dem Programm<br />
stehen schließlich auch große eingängige<br />
Meisterwerke: Mozarts „Symphonie G-Moll“,<br />
Beethovens „Eroica“ und Rimski-Korsakows<br />
„Scheherazade“. Für Kinder und Jugendliche<br />
kostet das Abo für alle drei Termine zusammen<br />
36 €.<br />
TERMINE:<br />
Sonntag 15. 10. 20<strong>17</strong>, 11.00 Uhr<br />
Mozart: Symphonie g-moll K 550<br />
Sonntag 14. 1. 2018, 11.00 Uhr,<br />
Beethoven: „Eroica“<br />
Sonntag 11. 3. 2018, 11.00 Uhr<br />
Rimski-Korsakow: „Scheherazade“<br />
„Neu(es) Hören“<br />
für Erwachsene<br />
Auch für Musikbegeisterte ab 18 Jahren gibt es<br />
so einiges zu entdecken, und zwar im Musikzyklus<br />
„Neu(es) Hören.“ Eine etwas andere<br />
Konzerteinführung, die während der ersten<br />
Konzerthälfte stattfindet, gibt Einblicke in<br />
Hintergründe und Kontexte der Kompositionen<br />
und leitet historische Zusammenhänge her.<br />
„Anders hören, neu und Neues hören“ lautet<br />
hier das Motto. Die Werke, Beethovens „Symphonie<br />
Nr. 7“, Berlioz’ „Symphonie fantastique“<br />
oder Strauss’ „Ein Heldenleben“, hören die<br />
Teilnehmer dann jeweils in der zweiten Konzerthälfte<br />
im Konzertsaal. Dieses Abo ist für 18 –<br />
26-Jährige um 36 € zu haben. Für alle anderen<br />
geht es ab 47 € los.<br />
TERMINE:<br />
Mittwoch 10. 1. 2018, 19.30 Uhr<br />
Beethoven: Symphonie Nr. 7<br />
Mittwoch 14. 3. 2018, 19.30 Uhr<br />
Berlioz: „Symphonie fantastique“<br />
Montag 28. 5. 2018, 19.30 Uhr,<br />
Strauss: „Ein Heldenleben“<br />
WAS? Vorhören! und „Neu(es) Hören“<br />
WO? Wiener Konzerthaus,<br />
Lothringerstraße 20, 1<strong>03</strong>0 Wien<br />
WANN? Oktober 20<strong>17</strong>– Mai 2018<br />
KOSTEN: ab 36 €<br />
MEHR INFOS AUF: www.konzerthaus.at<br />
Dieser Artikel ist eine entgeltliche Einschaltung in Form einer<br />
Kulturkooperation mit dem Konzerthaus. Die redaktionelle<br />
Verantwortung liegt allein bei biber.<br />
/ KULTURA / 61
EINFACH MAL ABSCHALTEN<br />
VOM ALLTAG<br />
MEHR ALS BÜCHER<br />
VERSTAUBTE LEXIKA UND VERALTETE LANDKARTEN?<br />
DA MÜSSEN WIR EUCH LEIDER ENTTÄUSCHEN. WER HEUTE<br />
DIE BÜCHEREIEN WIEN BESUCHT, DEN ERWARTEN<br />
ZAHLREICHE COMPUTERPLÄTZE, KOSTENLOSES W-LAN<br />
UND MODERNE LESEZONEN.<br />
Wozu in eine Bücherei<br />
gehen? Im<br />
Internet finde ich<br />
doch eh alles, was<br />
ich brauche.“ Dass Büchereien<br />
nicht nur ein Ort des Wissens,<br />
sondern auch der Begegnung<br />
und der Entspannung sein können,<br />
wissen die Besucher der<br />
Büchereien Wien schon längst.<br />
Viele kommen her, um in Ruhe<br />
zu lernen oder Zeitung zu lesen,<br />
einige nutzen die Computerplätze<br />
und viele weitere Angebote in den<br />
insgesamt 40 Standorten. In den<br />
Büchereien Wien geht also weit<br />
über Nachschlagewerke und Wörterbücher<br />
hinaus. Ganz zu schweigen<br />
davon, dass Doktor Google<br />
auch nicht immer alles weiß.<br />
DRUNTER UND DRÜBER<br />
Die Bücherei Philadelphiabrücke<br />
im 12. Bezirk bezeichnet sich<br />
selbst als Jugendbücherei, was<br />
eigentlich nur die halbe Wahrheit<br />
ist, wenn man sieht, wie viel sie<br />
auch für Erwachsene zu bieten hat.<br />
Doch 4.200 Medien für Jugendliche<br />
zwischen 12 und 18 Jahren<br />
können sich schon sehen lassen.<br />
Foto: Eva Engelbert, Büchereien Wien
BEZAHLTE ANZEIGE<br />
IN DEN BÜCHEREIEN WIEN FINDEN REGELMÄSSIG LESUNGEN FÜR KINDER STATT<br />
Zusätzlich dazu gibt es CD-Hörstationen,<br />
kostenloses W-LAN und<br />
PCs mit Internetanschluss, die für<br />
Hausaufgaben verwendet werden<br />
können. – Wofür denn sonst? Für<br />
die jüngeren Besucher, die sich<br />
noch keine Sorgen über ihre Hausübungen<br />
machen müssen, finden<br />
hier regelmäßig Vorlesestunden<br />
statt. Da kann es schon manchmal<br />
drunter und drüber gehen.<br />
MEHRSPRACHIGE<br />
LESUNGEN<br />
Einen anderen Fokus hat die<br />
Bücherei Laxemburger Straße im<br />
10. Bezirk. Sie bezeichnet sich<br />
selbst als ‚Allround-Bücherei‘, hat<br />
aber einen interkulturellen Schwerpunkt.<br />
Genau wie fünf andere Fili-<br />
alen der Büchereien Wien führt sie<br />
einen vorzeigbaren Bestand von<br />
Medien in den Sprachen Türkisch<br />
und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch.<br />
Darüber hinaus werden regelmäßig<br />
mehrsprachige Leseabende und<br />
Vorlesestunden für Kinder veranstaltet.<br />
MEHR GREISSLER,<br />
WENIGER SUPERMARKT<br />
In der Bücherei Leystraße im 20.<br />
Bezirk stechen einem zwei Dinge<br />
besonders ins Auge: zum einen<br />
die hilfsbereiten Bibliothekarinnen<br />
und Bibliothekare, zum anderen<br />
die große Anzahl an Zimmerpflanzen.<br />
Beide führen dazu, dass man<br />
sich in den Räumlichkeiten sofort<br />
wohlfühlt. Natürlich gibt es hier<br />
vollautomatisierte Kundenabwicklungsvorrichtungen.<br />
Doch dieses<br />
unhandliche Wort werdet ihr in<br />
Wahrheit in keiner der Büchereien<br />
brauchen. Man setzt viel lieber auf<br />
persönliche Betreuung, anstatt<br />
einen Kunden nach dem anderen<br />
abzufertigen. Also mehr Greissler<br />
und weniger Supermarkt.<br />
40 STANDORTE IN<br />
GANZ WIEN<br />
Leider können wir euch hier nicht<br />
jeden Standort vorstellen. Auf<br />
buechereien.wien.at könnt ihr<br />
euch jedoch informieren, wo es<br />
die nächste Filiale in eurer Nähe<br />
gibt – und euch dann selbst davon<br />
überzeugen, ob wir hier nur<br />
Märchen erzählen.
„ICH KONNTE<br />
TROTZ DOKTORTITEL<br />
KEINEN JOB FINDEN.“<br />
Im ungarischen Film „The Citizen“ spielt Marcelo Cake-Baly<br />
einen afrikanischen Geflüchteten, der um die ungarische<br />
Staatsbürgerschaft und um ein neues Leben kämpft. Für Cake-Baly<br />
nichts Neues. Der Schauspieler über Ungarns Politik, Rassismus<br />
und Emotionen.<br />
von Jelena Pantić<br />
<strong>BIBER</strong>: Wie führte Sie Ihr Weg von Guinea-Bissau<br />
nach Ungarn?<br />
CAKE-BALY: 1974 wurde ich von der Freiheitsbewegung<br />
nach Europa zum Studieren geschickt. Ich<br />
hatte mehrere Optionen, ich hätte in die ehemalige<br />
DDR gehen können, aber als es Zeit war für<br />
mich loszufahren, gab es dort keine freien Plätze<br />
mehr. Ungarn bat aber noch welche an und so<br />
bekam ich ein Stipendium, um dort zu studieren.<br />
Haben Sie sich bei Ihrer Ankunft willkommen oder<br />
zurückgewiesen gefühlt?<br />
Als ich ankam, waren alle sehr gastfreundlich<br />
und ich habe mich auf jeden Fall willkommen<br />
gefühlt. Es gab keine rassistischen Vorfälle, denn<br />
ein solches Verhalten war im Sozialismus tabu.<br />
Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine<br />
Studienzeit. Nach meinem Abschluss hatte ich mit<br />
den üblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, einen<br />
Job zu finden. Erschwerend kam für mich dazu,<br />
als Schwarzer eine Stelle zu finden, die meiner<br />
Qualifikation entspricht. Ich konnte keine Stelle als<br />
Ökonom finden, also arbeitete ich als Kontrolleur<br />
und zeitweise als Straßenbahnfahrer.<br />
Und wie empfinden Sie die Situation heute?<br />
Die Grundhaltung hat sich seit dem Sozialismus<br />
verändert. Heute kann jeder öffentlich sagen, was<br />
Mozinet<br />
64 / KULTURA /
er will. Es ist mir schon widerfahren, dass ich auf<br />
der Straße beschimpft wurde. Aber<br />
dieses Problem gibt es in ganz Europa, nicht nur<br />
in Ungarn. Durch die Flüchtlingsthematik gab es<br />
europaweit Änderungen in der Einstellung der<br />
Menschen gegenüber Zuwanderern. Das betrifft<br />
nicht nur jene, die ankommen, sondern auch jene,<br />
die seit Jahrzehnten hier leben. Und das kann<br />
nicht gut sein. Die Atmosphäre, die seitens der<br />
Regierung zu spüren ist, bedeutet nichts Gutes.<br />
Nichtsdestotrotz sind die Menschen in meiner<br />
Umgebung unverändert freundlich zu mir.<br />
Wilson, ihr Charakter im Film, wünscht sich nichts<br />
sehnlicher als die ungarische Staatsbürgerschaft.<br />
Sind Sie ungarischer Staatsbürger?<br />
Ja, seit 1994. In diesem Jahr hab ich offiziell<br />
meinen Pass erlangt, dem Land meine Treue<br />
geschworen und ungarische Dokumente ausgestellt<br />
bekommen. Ich lebe mit meiner Familie in<br />
Budapest.<br />
Ihr Charakter muss sich den Schikanen der<br />
Behörden hingeben und beispielsweise<br />
schildern, wie seine schwangere Frau ausgeweidet<br />
wurde. Wie sehr erkennen Sie sich selbst in<br />
„The Citizen“ wieder?<br />
Um einen Charakter authentisch zu spielen, muss<br />
man in seine Haut schlüpfen. Ich war emotional<br />
an meine Rolle gebunden, denn sie durchlebt<br />
Situationen, die mir und Menschen in ganz Europa<br />
widerfahren und Spuren hinterlassen (Anm. d.<br />
Red.: bezieht sich auf die Schikanen der Behörden).<br />
Ich bin sehr froh, diese Rolle gespielt zu<br />
haben, denn so konnte ich mein Innerstes auf die<br />
Leinwand bringen.<br />
Das ist Ihr Schauspiel-Debüt. Wie hat sich<br />
das ergeben?<br />
Vor zwei Jahren ging ich im Zentrum von<br />
Budapest spazieren und wurde von einem Mann<br />
angesprochen. Er erzählte mir von seinen Plänen<br />
einen ganz besonderen Film zu drehen. Dieser<br />
Mann war Roland Vranik, der Regisseur. Ich habe<br />
sofort zugesagt, obwohl ich keinerlei schauspielerische<br />
Erfahrung hatte. Aber das Thema war mir<br />
so wichtig und mein Interesse so groß, dass ich<br />
nicht Nein sagen konnte. Für den Film nahm ich<br />
Schauspielunterricht bei meiner Schauspielkollegin<br />
Agnes Mahr. Letztendlich habe ich mich aber<br />
hauptsächlich auf meinen Instinkt verlassen.<br />
Erfüllt Sie das Schauspielen mehr als<br />
Wirtschaft?<br />
Ich trug für diesen Film eine große Verantwortung,<br />
weil mir der Regisseur von Anfang an vertraute.<br />
Ich wollte ihn keinesfalls enttäuschen, also<br />
gab ich mein Allerbestes. Ich versuche aber generell<br />
immer das Beste in allen Aspekten meines<br />
Lebens zu geben, ob als Manager, Straßenbahnfahrer<br />
oder Schauspieler. Ich bin überglücklich,<br />
dass der Film auf derart positive Rückmeldungen<br />
gestoßen ist.<br />
„The Citizen“ (Originaltitel: Az állampolgár)<br />
ist der Eröffnungsfilm des Let’s CEE Festival<br />
20<strong>17</strong>, das von 21. bis 27. März läuft.<br />
Spieltermine und weitere Infos unter: www.<br />
letsceefilmfestival.com/<br />
/ KULTURA / 65
Rojda in der Chianti Bar.<br />
Sie liebt Musik und singt auch<br />
gerne selbst. Am Liebsten<br />
hört sie Fasıl, die Musik der<br />
türkischen Roma.<br />
ROJDA<br />
Von Wiebke Nordenberg und Sina Niemeyer (Fotos)<br />
66 / OUT OF AUT /
Eine Zeit lang arbeitete Rojda in einem<br />
Bordell als „Puff-Mutter“, wie sie es selbst<br />
beschreibt. Sie kümmerte sich nicht<br />
nur um die Buchhaltung, sondern auch<br />
darum, dass es den Mädchen gut geht.<br />
Zwischen den<br />
Geschlechtern:<br />
Eine Fotoreportage<br />
über<br />
Transgender in<br />
Istanbul<br />
Rojda, das bedeutet Sonnenaufgang auf Kurdisch.<br />
Diesen Namen wählt Wuslat für sich nach dem Coming<br />
Out und träumt von einem Neuanfang: endlich in<br />
dem Körper leben, nach dem sie sich sehnt. Doch wie<br />
reagieren die Menschen in der Türkei, wenn ein Mann<br />
sich entscheidet als Frau zu leben?<br />
Zu ihren Eltern hat Rojda seit dieser Entscheidung<br />
keinen Kontakt mehr. Um sich die teure<br />
Geschlechtsoperation in Thailand leisten zu können,<br />
prostituiert sie sich. Erst danach wird sie – zumindest<br />
offiziell – als Frau anerkannt.<br />
Viele Transgender sehen sich in der Türkei gezwungen,<br />
als Prostituierte zu arbeiten, da sie in der Gesellschaft<br />
nicht akzeptiert sind und oft keinen anderen<br />
Job bekommen. Obwohl sich die kurdische Partei HDP<br />
und einzelne NGOs für die Rechte von LGBT (Lesbian,<br />
Gay, Bi-sexual, Trans*) – Individuen einsetzen, bleiben<br />
die meisten lieber in Beyoğlu oder Kadıköy – den<br />
beiden aufgeschlossensten und tolerantesten Bezirken<br />
Istanbuls. Angst vor gewaltsamen Übergriffen<br />
haben sie dort trotzdem. In ihrer Fotoreportage zeigen<br />
Wiebke Nordenberg und Sina Niemeyer das Leben zwischen<br />
den Geschlechtern in Istanbul<br />
/ OUT OF AUT / 67
Normalerweise sitzen die Prostituierten<br />
im Fenster des Bordells und locken so<br />
mögliche Freier an. Da die Straße mitten<br />
im Szeneviertel Beyoğlu liegt, verirren<br />
sich oft auch Tourist*innen hierher.<br />
An der Tarlabaşı Caddesi<br />
gibt es neben Sexshops<br />
zahlreiche Perückenläden,<br />
die vorwiegend von<br />
Transfrauen besucht werden.<br />
68 / OUT OF AUT /
Ein männlicher Bauchtänzer,<br />
„Zenne“ genannt, am Fähranleger<br />
in Kadıköy. Dies gehört zur<br />
osmanischen Tradition und ist<br />
gesellschaftlich akzeptiert.<br />
Ebru Kırancı im Büro des Vereins<br />
Istanbul LGBTT. Neben Rechtshilfe<br />
und Beratung organisiert der<br />
Verein regelmäßig Kundgebungen<br />
und Demonstrationen.<br />
/ OUT OF AUT / 69
„Die Leiden des jungen Todors“<br />
Von Todor Ovtcharov<br />
Gescheiterte Diäten<br />
Es wurde mir gesagt, dass ich abnehmen muss.<br />
Das ist ein hoffnungsloses Unternehmen, da<br />
alle Männer in meiner Familie dick sind. Eigentlich<br />
bin ich der dünnste von allen. Ihr müsst<br />
mal meinen Vater sehen. Von ihm weiß ich, dass wenn<br />
man abnehmen will, man gleichzeitig dick und hungrig<br />
ist. Da ich schon dick bin, warum soll ich auch noch<br />
hungrig sein? Mein Opa war auch dick. Meine Oma terrorisierte<br />
ihn ständig und ließ ihn nichts essen. Deshalb<br />
verließ er immer geheim die Wohnung, um in der Kneipe<br />
nebenan gut zu essen. Danach kam er nach Hause und<br />
verkündete, dass er keinen Hunger habe. So wurde der<br />
Frieden wieder hergestellt. Meine Oma war glücklich, weil<br />
Opa nichts aß und Opa war glücklich, weil Oma glücklich<br />
war. In der Kneipe waren sie auch glücklich, da mein Opa<br />
der treuste Stammkunde seit vielen Jahren war.<br />
Ich fing an verschiedene Abnehmmethoden zu studieren.<br />
Meine erste Wahl war eine Proteindiät. Ich stellte<br />
mir vor, wie ich mich mit Proteinen vollstopfe, das Fett<br />
in meinem Körper verschwand und ich wie einer dieser<br />
Athleten aussah, die um die Proteinshops und Fitnessstudios<br />
herumlauern. Ich kaufte mir ein riesiges Stück<br />
Rindfleisch. Ich stellte es ins Backrohr. Darunter stellte<br />
ich ein Kilo Champignons. Für das Aroma – ich weiß,<br />
dass Pilze nicht zur Proteindiät dazuzählen. Laut Rezept<br />
musste man es vier Stunden kochen. Nach zwei Stunden<br />
wurde ich ungeduldig und kaufte mir Eier und Käse. Es<br />
gibt nichts besseres als ein dickes Omelette mit Käse! So<br />
konnte ich besser auf das Rindfleisch warten. Als noch<br />
20 Minuten bis zu seinem Fertigwerden geblieben sind,<br />
ging ich zum Supermarkt, um mir zwei Bier zu kaufen.<br />
Um nicht noch mal hingehen zu müssen, kaufte ich mir<br />
fünf. Ich schnitt das Fleisch in dünne Scheiben. Ich wollte<br />
ja abnehmen. Um circa 12 Uhr war ich fertig mit dem<br />
Rindfleisch und ich hatte ein Bier übrig. Ich hatte auch<br />
sorgfältig ein Stück Käse zur Seite gelegt. Ich trank das<br />
Bier aus, aber ein bisschen Käse blieb übrig. Der Würstelstand<br />
nebenan hat mich gerettet. Für alle Fälle kaufte<br />
ich mir auch ein bisschen Chips. Kurz danach fiel mir ein,<br />
dass die Chips meine Proteindiät zerstört hatten… Mit<br />
Schuldgefühlen aß ich die Champignons auf.<br />
Am nächsten Tag fühlte sich mein Bauch wie ein Basketball<br />
an. Und so sah er auch aus. Ich entschied, dass<br />
die Proteindiät nichts für mich ist. Deshalb ging ich zum<br />
veganen Supermarkt. Komischerweise lag er genau<br />
gegenüber vom Proteinshop. Die Veganer haben mich<br />
mit Aufrufen empfangen, aus denen ich verstanden<br />
habe, dass „Nahrung meine Heilung“ sei und dass ich<br />
ein „Sonnenkind“ werden muss. Das konnte ich mir nicht<br />
richtig vorstellen, deshalb drehte ich eine Runde im Shop.<br />
Ich lauschte einem Gespräch von zwei Veganern, die<br />
streiteten, ob echte Veganer Pilze essen dürfen. Der eine<br />
war der Meinung, dass Pilze näher zu den Tieren stehen<br />
und das Essen von Pilzen genau so ist, als ob man kleine<br />
Kinder isst. Da ich am vorherigen Tag ein Kilo Champignons<br />
gegessen hatte, fühlte ich mich wie der Vernichter<br />
der menschlichen Zivilisation. Ich wollte aber nicht mit<br />
leeren Händen nach Hause gehen und kaufte mir eine<br />
Packung getrockneter Feigen. Einer der Kunden schaute<br />
mich mit Abscheu an. „Wissen Sie, dass in jeder Feige<br />
eine Biene gestorben ist? Sie dringen in die Früchte ein<br />
und werden absorbiert. Wenn Sie Feigen essen, dann<br />
essen Sie Bienen! Und Bienen sind die Grundlage unserer<br />
Existenz!“ Ich habe nicht nur meine Proteindiät vermasselt,<br />
heute erfuhr ich auch, dass ich schlimmer war, als<br />
die Hunnen, die das römische Reich zerstört haben.<br />
Auf der Straße fühlte ich mich schlecht. Ich dachte, dass<br />
mich alle schief anschauen. Deshalb freute ich mich, als<br />
ich eine Freundin auf der Straße traf. Ich schenkte ihr die<br />
Feigen, ohne ihr die Geschichte mit den Bienen zu erzählen.<br />
Sie dankte mir und sagte mir: “Weißt du, du musst<br />
ein bisschen abnehmen!“ ●<br />
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