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BIBER 03_17

Die biber Ausgabe vom März 2017

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P.b.b., Verlagspostamt 1070, Vetragsnummer 09Z<strong>03</strong>8106 M<br />

www.dasbiber.at<br />

MIT SCHARF<br />

MÄRZ<br />

APRIL<br />

20<strong>17</strong><br />

DIE GUTE<br />

TSCHETSCHENIN<br />

CHRISTINE<br />

NÖSTLINGER<br />

HEIRATEN<br />

WIE ICH WILL<br />

#GRLPWR<br />

DIE AUSGABE FÜR STARKE MÄDCHEN.


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3<br />

minuten<br />

mit<br />

Vilma<br />

Brandtner<br />

Studieren mit 73:<br />

Von wegen Dienstjahre<br />

beenden und Lebensabend<br />

genießen! Wilhelmine,<br />

liebevoll Vilma genannt,<br />

startet jetzt erst<br />

richtig durch.<br />

von David Slomo und<br />

Michaela Kobsa (Foto)<br />

<strong>BIBER</strong>: Erzähl uns mal von deinem Studentenleben.<br />

VILMA BRANDTNER: Ich habe 2000 mit Kunstgeschichte<br />

begonnen. 2012 habe ich dann meinen Doktortitel<br />

erhalten. Da war ich 68. Im Sommersemester<br />

beginne ich mit vergleichenden Religionswissenschaften.<br />

Gerade in der jetzigen Zeit sehr interessant.<br />

Wie ist es für dich zwischen all den jungen Menschen?<br />

Zwischen den Jungen fühle ich mich wohler als zwischen<br />

den Alten. Da geht es mal nicht nur um Enkerl<br />

und Krankheiten. Es sind Gespräche über die Zukunft,<br />

wie Berufswahl oder weitere Studien. Da kann ich<br />

dann immer wieder einen guten Rat mit auf den Weg<br />

geben. Habe ja in 35 Dienstjahren doch so einiges<br />

erlebt.<br />

Die meisten Jungen studieren, um einen guten Job zu<br />

bekommen. Was ist dein Beweggrund?<br />

Mit dem Pensionsantritt habe ich mir gesagt: „Jetzt<br />

machst du das, was dich interessiert.“ Ich wollte mich<br />

mit schönen Dingen beschäftigen, die ich zum Beispiel<br />

auf Reisen kennengelernt habe, wie etwa die „Italienische<br />

Renaissance“.<br />

Was halten die Leute davon, dass du so spät gestartet<br />

hast?<br />

Sehr wenige haben meine Beweggründe verstanden.<br />

Viele fragten mich, wieso ich mich so spät noch<br />

quälen lasse. Ich wollte das Studentenleben aber<br />

einmal zu spüren bekommen. Kinder habe ich ja keine,<br />

deshalb muss ich es so machen.<br />

Du hättest aber auch einfach in Vorlesungen gehen<br />

können und zuhören. Wieso musste es der Titel sein?<br />

Hätte ich können. Aber der Reiz der Vorbereitung, die<br />

Gruppenarbeiten und der Lernstress – das sind alles<br />

schöne Herausforderungen. Und dann der Titel als<br />

Sahnehäubchen. Ich muss zugeben, es erfüllt mich<br />

mit einem gewissen Stolz.<br />

Wie ist es, wenn du älter bist als die Professoren?<br />

Au weh, wie oft musste ich hören: „In der Uni gibt<br />

es keinen Altersbonus!“ Den wollte ich aber auch nie<br />

haben. Da muss man halt manchmal durch. Aber die<br />

meisten sind nett, und gehen ganz normal mit mir um.<br />

Als ob ich eine der jungen Studentinnen wäre.<br />

Wieso hast du nicht in der Jugend studiert?<br />

Früher war das ja nicht so, dass Mädchen einfach so<br />

studieren konnten. Man musste eine gute Hausfrau<br />

sein. Nähen und Kochen hat man lernen müssen.<br />

Nach meiner Matura war ich Ground Hostess bei einer<br />

Airline und man mag es mir nicht ansehen, aber ich<br />

war sehr begehrt. Danach war ich im Marketing tätig.<br />

Mein Chef und mein Gehalt haben mich von der Lust<br />

zu studieren abgehalten. Vieles blieb hinter der Karriere<br />

zurück, aber jetzt hole ich einiges wieder nach.<br />

Name: Dr. Wilhelmine Brandtner<br />

Alter: 73<br />

Alltagsmoment: ist bei jeder Gruppenarbeit die Älteste<br />

Besonderes: hat sich in der Pension entschieden zu studieren<br />

/ 3 MINUTEN / 3


7<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

IMPRESSUM<br />

MEDIENINHABER:<br />

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,<br />

Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />

HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR:<br />

Simon Kravagna<br />

für alle, die kein Girl mehr sind bzw. älter als 37 – unser Cover weist<br />

keinen Druckfehler auf: #GRLPWR heißt Girlpower!<br />

Genau deswegen ist dieser Text auch kein Editorial, sondern ein<br />

Liebesbrief. Gewidmet ist er jenen Kolleginnen bei biber, die den<br />

stressigen Arbeitsalltag erträglich machen. Ohne ihre Kompetenz,<br />

Kreativität, Verlässlichkeit und Humor gäbe es keine März-Ausgabe –<br />

oder sonst irgendeine Ausgabe unseres Magazins. Dafür möchte ich, im<br />

Namen aller Männer hier bei biber, ein herzliches „Danke“ sagen.<br />

Passend zum Frauenmonat März haben wir auch inhaltlich geballte<br />

Frauenpower: Die Kriegsberichterstatterin Maynat Kurbanova kümmert<br />

sich um junge Tschetschenen in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf und<br />

beschreibt, unter welchen Traumata, aber auch mit welchen Klischees<br />

die wohl unbeliebteste Migrantengruppe Österreichs zu kämpfen<br />

hat. Seite 12<br />

Mehr Frauenpower als Legende Christine Nöstlinger geht wohl kaum.<br />

Im Interview in Zahlen macht die Schriftstellerin klare Ansagen zu<br />

Österreichs Politstars Kurz & Kern. Seite 18<br />

Unsere Power-Chefica vom Dienst Jelena zeigt ab Seite 26 den<br />

schwierigen Spagat zwischen perfekter Pinterest-Hochzeit und<br />

Dorfhochzeit – denn die Schwiegermutter übernimmt nur all zu gerne<br />

die Rolle des „Wedding Planners“.<br />

Doch auch Instagram und Co. sind im Wandel: Detox-Tee und<br />

Smoothiebowls waren einmal, jetzt geht es hin zu ernsten Themen<br />

wie Trauerbewältigung, Body Positivity und Zero Waste. Redakteurin<br />

Alex fragt sich ab Seite 34, wo die Männer bei diesen wichtigen<br />

Angelegenheiten bleiben?<br />

Und natürlich, Sex darf nicht fehlen. SM steht nicht<br />

nur für Social Media! Redakteurin Michaela sah sich<br />

in Wiens erstem Fetisch- und Sadomaso Café um.<br />

Was den Reiz der Auspeitschung ausmacht und was<br />

das alles mit völliger Hingabe zu tun hat, erfahrt ihr<br />

auf Seite 56.<br />

Wir wünschen euch viel Spaß beim Schmökern,<br />

Bussi von<br />

Adam & der Redaktion<br />

P.b.b., Verlagspostamt 1070, Vetragsnummer 09Z<strong>03</strong>8106 M<br />

www.dasbiber.at<br />

mIt scharf<br />

März<br />

April<br />

20<strong>17</strong><br />

KAffee<br />

Mit Hieb<br />

girlpower<br />

trAnsgender<br />

in istAnbul<br />

#GIRLBOSS<br />

Wir trAuen uns Alles.<br />

Knapp war die Cover-<br />

Entscheidung!<br />

Dabei hat uns die Brautikone<br />

auch so gut gefallen.<br />

Was meint ihr?<br />

STV. CHEFREDAKTEUR:<br />

Amar Rajković<br />

STV. CHEFREDAKTEURIN:<br />

Delna Antia<br />

CHEFIN VOM DIENST:<br />

Jelena Pantić<br />

CHEFREPORTERIN:<br />

Melisa Erkurt<br />

ONLINECHEFIN:<br />

Alexandra Stanić<br />

KOLUMNIST/INNEN:<br />

Ivana Martinović, Todor Ovtcharov<br />

FOTOCHEF:<br />

Marko Mestrović<br />

REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />

Teoman Tiftik, Aleksandra Tulej, Artur<br />

Zolkiewicz, Nour Khelifi, Abdullah Bag,<br />

David Slomo, Michaela Kobsa, Emir<br />

Dizdarević, Christoph Liebentritt, Sara<br />

Mohammadi, Adriana Davidović, Šemsa<br />

Salioski<br />

ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />

LAYOUT: Dieter Auracher, Viktoria Platzer<br />

LEKTORAT: Christina Gaal<br />

MARKETING: Adam Bezeczky, Andrea<br />

Grman<br />

BUSINESS DEVELOPMENT:<br />

Andreas Wiesmüller<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />

Wilfried Wiesinger, Simon Kravagna<br />

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH<br />

Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />

E-1.4, 1070 Wien<br />

Tel: +43/1/ 9577528<br />

redaktion@dasbiber.at<br />

marketing@dasbiber.at<br />

abo@dasbiber.at<br />

INTERNET: www.dasbiber.at<br />

ÖAK GEPRÜFT 1. HJ 2015:<br />

Druckauflage 69.000 Stück<br />

verbreitete Auflage 68.760 Stück<br />

DRUCK: mediaprint<br />

4 / MIT SCHARF /


3 3 MINUTEN MIT<br />

VILMA BRANDTNER<br />

8 FACE OF THE MONTH<br />

Deutsch-R‘n‘B Star Ace Tee<br />

10 IVANAS WELT<br />

Ivana verabschiedet sich von der Medienwelt.<br />

POLITIKA<br />

12 DIE TSCHETSCHENEN<br />

Die tschetschenische Journalistin Maynat<br />

Kurbanova klärt das negative Image ihrer<br />

Landsleute auf.<br />

18 INTERVIEW IN ZAHLEN<br />

mit Christine Nöstlinger<br />

20 KOPFTUCH & KRUZIFIX<br />

Doron Rabinovicis Kommentar zur Politik der<br />

Verschleierung und Verschleierung von Politik.<br />

22 INSIDE WERTEKURS<br />

Delna lernt bei einem Wertekurs unter anderem<br />

wer in Österreich beim ersten Date zahlt.<br />

RAMBAZAMBA<br />

26 BRAUTPOWER<br />

Eltern, Schwiegereltern und Dorfbewohner<br />

wollen die Hochzeit mitplanen - sicher nicht!<br />

34 GIRLPOWER<br />

Trauerbewältigung, Body Positivity<br />

und Feminismus sind die neuen Social<br />

Media Trends.<br />

40 ISLAM-SATIRE<br />

Die Datteltäter und noktara.de haben Satire<br />

über ihre Community selbst in die Hände<br />

genommen.<br />

43 FAKEBOOK<br />

mit dem inhaftierten Journalisten Deniz Yücel<br />

26<br />

BOOTCAMP<br />

HOCHZEIT<br />

Bräute von<br />

heute meistern<br />

einen riesigen<br />

Spagat zwischen<br />

ihren Pinterest-<br />

Vorstellungen und<br />

den Traditionen aus<br />

der Heimat. Eltern,<br />

Schwiegereltern<br />

und Dorfbewohner<br />

wollen nämlich<br />

heftig mitmischen.<br />

IN<br />

KARRIERE<br />

44 KARRIERE NEWS<br />

Alex über Gründerinnen & sexistische Politiker.<br />

18<br />

INTERVIEW IN ZAHLEN<br />

Die Heldin unserer Kindheit<br />

Christine Nöstlinger erzählt wie<br />

lange sie noch leben will.<br />

6 / MIT SCHARF /


45 FÜR EINE BESSERE ZUKUNFT<br />

Das Jugendcollege der VHS gibt jungen<br />

Geflüchteten eine Perspektive.<br />

34<br />

GIRLPOWER<br />

Social Media<br />

steht für mehr<br />

als Smoothies<br />

und Mode,<br />

sondern auch<br />

für Feminismus,<br />

Trauerbewältigung<br />

& Zero Waste. Die<br />

Modekonzerne<br />

haben den Trend<br />

erkannt, fehlen<br />

eigentlich nur<br />

noch die Männer.<br />

HALT MÄRZ/APRIL<br />

20<strong>17</strong><br />

48 WIRD DER DÖNER<br />

8 EURO KOSTEN?<br />

Stefan Hebenstreit von der Gewerkschaft VIDA<br />

liefert Facts zum Mindestlohn.<br />

TECHNIK<br />

50 KONSOLENPOWER<br />

Adam über dumme und smarte Phones<br />

und die Spieletrends im Frühjahr.<br />

LIFE & STYLE<br />

52 AN DIE SUBSTANZ<br />

30 bedeutet für Delna eins:<br />

Es ist verdammt existenziell.<br />

54 KURDISCHE GENTLEMEN<br />

Die Dandys von Erbil haben den feschesten<br />

Club Kurdistans gegründet.<br />

56 KAFFEE MIT PEITSCHE<br />

Michaela war in einem BDSM Café in Wien<br />

unterwegs und hat fesselnde Entdeckungen<br />

gemacht.<br />

68<br />

TRANSGENDER<br />

IN ISTANBUL<br />

Rojda ist Kurdin,<br />

gefangen im Körper<br />

eines Mannes<br />

und muss sich<br />

prostituieren, um<br />

sich die Geschlechtsumwandlung<br />

zu leisten.<br />

Christoph Liebentritt, Marko Mestrović, Alexandra Stanić, Sina Niemeyer; Cover - Alexandra Stanić<br />

KULTUR<br />

60 KULTURNEWS<br />

Jelena über den serbischen Hamlet, Fem-<br />

Literatur und Anders Hören im Konzerthaus.<br />

64 DER UNGARISCHE BÜRGER<br />

Marcelo Cake-Baly spielt in „The Citizen“ einen<br />

Afrikaner, der um ein neues Leben in Ungarn<br />

kämpft.<br />

OUT OF AUT<br />

66 TRANSGENDER IN ISTANBUL<br />

Rojda ist eine Transgender-Frau in der Türkei.<br />

Der Alltag: kein Kontakt zur Familie und<br />

Prostitution.<br />

70 DIE LEIDEN DES JUNGEN TODOR<br />

/ MIT SCHARF / 7


FACE<br />

OF THE MONTH<br />

ACE TEE<br />

Von Sara Mohammadi<br />

Fresh, dope, funky – so beschreibt Tarin Wilda alias Ace<br />

Tee ihren Sound. Das Video zu ihrem Lied “Bist du down?“<br />

hat bereits über 1,5 Millionen Aufrufe auf YouTube. Deutscher<br />

R’n’B ist allgemein ein besonderes Phänomen, doch<br />

dass man damit in den USA einen viralen Hit landet ist<br />

noch seltener. Gemeinsam mit dem Rapper Kwam.e, von<br />

dem sie begleitet wird, hat sie es in die US-amerikanischen<br />

Medien, inklusive Vogue geschafft. Dort wird sie mit 90’s<br />

R’n’B-Legenden wie TLC oder Aaliyah verglichen. Für sie<br />

sind diese Musikerinnen in ihrer Entwicklung nicht wegzudenken,<br />

weil sie eigen waren, Trends gesetzt haben und<br />

für sich selbst standen. Allgemein fühlt sie sich vom 90’s<br />

R‘nB beeinflusst, der für sie unterschiedlicher und facettenreicher<br />

war. Dennoch macht sie einen Sound, der auch<br />

20<strong>17</strong> modern klingt. Fresh eben. Positivität ist die wichtigste<br />

Message ihrer Musik. In ihren eigenen Worten: „Geb dir ‘ne<br />

Cup positiver Vibes und kein Kopfweh mehr.“ Ihr Sound ist<br />

hell, bunt und Deutsch. Die Hamburgerin mit ghanaischen<br />

Wurzeln will auch weiterhin ihre Musik auf Deutsch machen.<br />

Dennoch fühlt sie sich beiden Ländern zugehörig. Auch in<br />

ihrem Musikvideo steht sie zu ihren Wurzeln und trägt traditionelle,<br />

afrikanische Frisuren, die sie alle selbst gemacht<br />

hat. Zum umstrittenen Thema Cultural Appropriation, also<br />

die Aneignung bestimmter Aspekte einer Kultur, die nicht<br />

die eigene ist, meint sie: ,,Ich möchte, dass alle Menschen –<br />

egal welcher Hautfarbe oder Religion – das tragen, was sie<br />

möchten. Das ist mir am wichtigsten.“ Auch in ihrem Video<br />

sind Menschen unterschiedlicher Nationalitäten zu sehen,<br />

die gemeinsam feiern. „Bist du down?“ ist nicht das Einzige,<br />

was wir von der 22-Jährigen zu sehen bekommen. Dieses<br />

Jahr wird laut ihr noch viel passieren. Sie bastelt zurzeit an<br />

ihrem neuen Album. Was wir von diesem erwarten<br />

können? „Vibes! Ich glaube, Gefühl ist<br />

das Wichtigste.“<br />

Arnold Hammer<br />

8 / MIT SCHARF /


MIT SCHARF / 9


In Ivanas WELT berichtet biber-Redakteurin Ivana Martinović<br />

über ihr daily life – in dieser Ausgabe zum letzten Mal.<br />

IVANAS WELT<br />

Foto: Igor Minić<br />

„I MAG GRAD NIMMER!“<br />

Was schreibt man in seiner letzten Kolumne?<br />

Über meine Welt? Was bei mir so abgeht oder<br />

was mich bewegt? Vielleicht doch besser den<br />

Grund, warum es meine letzte ist und warum ich<br />

gerade ein Kapitel meines Lebens abschließe.<br />

Vorweg sage ich: Bye bye! Vielen Dank an meine<br />

Leser, an biber und an alle, die gerne meine Zeilen<br />

gelesen haben.<br />

SCHÖNE UNHEILE WELT<br />

Das Schreiben lag mir schon immer. Gut kannst<br />

du das, sagte man mir. Ein Gespür für die Geschichten<br />

hast du, erkennst sie, wenn du sie<br />

hörst. Ja, diese Welt ist voller Geschichten. Und<br />

wer in den Medien landet, lernt schnell, wie beschissen<br />

diese Welt ist. Ich sage es offen: Mich<br />

kotzt diese Welt an. Krisen, Kriege, Gewalt –<br />

nichts schockt mich wirklich mehr. Wie die negative<br />

Version von „Und täglich grüßt das Murmeltier“<br />

und du wartest nur darauf, was als nächstes<br />

in die Schlagzeilen kommt.<br />

Und während dieser ganzen Zeit als Schreiberling<br />

sah ich mich nie als Journalistin. Andere nannten<br />

mich so. Ich mich selbst nie. Weil mir nicht gefiel,<br />

worüber man in der Welt schreiben kann, um<br />

gelesen zu werden. „Bad news are good news“<br />

– Das ist es doch, was den Leser anlockt. Und<br />

ich soll solche Geschichten jagen? Ich! Eine, die<br />

so harmoniesüchtig ist und sich nur Ruhe und<br />

Frieden wünscht? Alles, was wir an Negativität<br />

zu lesen bekommen, schien mir eher als Entertainment,<br />

wie ein Unfall, an dem man nicht vor-<br />

martinovic@dasbiber.at<br />

beifahren kann, ohne gebannt hinzuschauen. Die<br />

Schlagzeile zählt. Je ärger desto besser. Die Jagd<br />

auf das Negative in dieser Welt. Damit man aufklärt<br />

und sich etwas bessert? Genau! Was ändert<br />

sich denn? Gar nichts.<br />

Massenaufreger, die wieder verfliegen, wenn wir<br />

durch andere Dinge abgelenkt werden. In einem<br />

Moment siehst du in der Facebook-Timeline einen<br />

geteilten Artikel über tote Flüchtlingskinder<br />

im Mittelmeer, im anderen Moment teilt derselbe<br />

Mensch seine Urlaubsfotos und fragt „Und ihr<br />

so?“<br />

Das bleibt hängen, enttäuscht und wirft die Frage<br />

auf: Was muss passieren, damit das endlich aufhört,<br />

wozu Menschen im Stande sind? Eine Antwort<br />

darauf hat man nicht und fühlt sich hilflos.<br />

Ich bin etwas müde von dieser Medienwelt,<br />

von Social Media, vom Teilen und Kommentieren,<br />

vom Bewertetwerden, von Meinungen über<br />

Meinungen, die dir egal sind und die im Grunde<br />

nichts an der Situation ändern. Vielleicht ist es<br />

nur eine Phase. Vielleicht nur ein Kapitel, in dem<br />

ich etwas Ruhe will und keine Lust habe, meine<br />

Gedanken über die Welt mitzuteilen oder über sie<br />

nachzudenken. Vielleicht aber ist es eine ganz<br />

neue Richtung, die ich einschlagen will. Eventuell<br />

das Positive in der Welt zu suchen und dadurch<br />

positiv überrascht zu sein. Mal schauen, wohin es<br />

mich führt. In den Journalismus bestimmt nicht<br />

mehr so bald. Vielleicht werde ich ja Tierpflegerin<br />

in Schönbrunn.<br />

10 / MIT SCHARF /


POLITIKA<br />

Nichts für’s schwache Geschlecht.<br />

Foto von Alexandra Stanić


DIE MIT DEN<br />

TSCHETSCHENEN<br />

SPRICHT<br />

Die ehemalige Kriegsberichterstatterin Maynat<br />

Kurbanova betreut traumatisierte tschetschenische<br />

Jugendliche in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf.<br />

12 / POLITIKA /


Ob Bandenkriege oder Austro-Dschihadismus:<br />

Junge Tschetschenen mischen an vorderster<br />

Front mit. Die Journalistin Maynat Kurbanova<br />

über Klischee und Wirklichkeit von Österreichs<br />

wohl unbeliebtester Migrantengruppe.<br />

Von Livia Klingl und Christoph Liebentritt (Fotos)<br />

Sie war Kriegsberichterstatterin in ihrer Heimat<br />

Tschetschenien, musste fliehen, nicht nur aus<br />

der kleinen Kaukasusrepublik, sondern auch<br />

aus Putins großem Russland. Fünf Jahre lebte<br />

Maynat Kurbanova in Deutschland, seit sechs<br />

Jahren ist sie in Österreich. In Tschetschenien hatte sie<br />

Philologie und Journalismus studiert. Hier kümmert sich die<br />

43-jährige Mutter einer Tochter um die traumatisierenden<br />

Folgen der grausigen Gemetzel in Tschetschenien, unter<br />

anderem in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf um Burschen,<br />

die der Gesellschaft entglitten sind, in Kriminalität<br />

oder Islamismus.<br />

Als Maynat Kurbanova nach Österreich kam<br />

und von Journalisten mit der Frage konfrontiert<br />

wurde, wie sie mit dem schlechten Image von<br />

Tschetschenen umgehe, verstand sie die Frage<br />

nicht. Denn in Deutschland waren die Tschetschenen<br />

die Helden im Kampf gegen die russische<br />

Armee. „Als ich 2005 nach Deutschland<br />

kam, war ich ständig bei Podiumsdiskussionen<br />

und auf Konferenzen, erzählte aus dem Krieg.<br />

Die Tschetschenen waren da die Freiheitskämpfer<br />

und die Opfer. Erst in Österreich wurde ich<br />

mit dem Bild des Tschetschenen als Täter konfrontiert. Das<br />

Netteste, was man mir sagt, ist: ‚Sie sehen aber nicht wie<br />

eine Tschetschenin aus!‘ Dann frage ich immer: ‚Haben Sie<br />

viele Tschetschenen gesehen?‘. Mit ihrem Aussehen und<br />

ihrer Art durch das Leben zu gehen, betreffe das Image der<br />

Tschetschenen sie nicht sonderlich, bedrückend sei es aber<br />

sehr wohl. „Ich mag nicht jeden Tag damit konfrontiert werden,<br />

zu einer verbrecherischen Nation zu gehören, in der alle<br />

davon träumen, in Syrien oder hier Kriminelles zu tun.“<br />

Diese Stigmatisierung sei anstrengend und wirke sich<br />

bereits bei Kindern aus. „Die häufigste Frage von 13-Jährigen<br />

ist, warum hassen alle die Tschetschenen, die Muslime,<br />

„Erst in<br />

Österreich<br />

wurde ich mit<br />

dem Bild des<br />

Tschetschenen<br />

als Täter<br />

konfrontiert.“<br />

die Ausländer?“ Die tschetschenische Community sei sehr<br />

sauer auf die Medien, „und sie wissen nicht, wie sie damit<br />

umgehen sollen. Andererseits liefern die tschetschenischen<br />

Jugendlichen hier auch genügend Stoff für negative Berichte<br />

wie die Radikalisierung, die vor einem Jahr in aller Munde<br />

war.“<br />

Einen Prozentsatz kann Maynat Kurbanova nicht nennen.<br />

Die Jugendlichen, die so radikalisiert sind, dass sie<br />

mit dem Gedanken spielen nach Syrien zu gehen, seien<br />

jedenfalls eine sehr kleine Gruppe, aber die lauteste und<br />

die sichtbarste. Und die, die sich im Umfeld<br />

des 2016 in Graz zu 20 Jahren Gefängnis<br />

verurteilten Hasspredigers Mirsad O. befunden<br />

haben, dessen unseliges Wirken jahrelang vom<br />

Staat stillschweigend toleriert worden sei, die<br />

seien nicht mehr erreichbar, „die sind Zombies.<br />

Viel problematischer sehe ich aber die an, die<br />

unglaublich stark mit dem Glauben, mit der<br />

Religion herumspielen und ihre Identität, oft ihre<br />

einzige Identität dort suchen.“<br />

Eigentlich seien das österreichische Jugendliche,<br />

österreichische Jugendliche tschetschenischer<br />

Abstammung, die hier geboren<br />

wurden oder als ganz kleine Kinder hergekommen und hier<br />

sozialisiert wurden. „Die sind hier in den Kindergarten, in die<br />

Schule gegangen. Dass sie sich hier so sehr nicht wohlfühlen,<br />

nicht als Teil der Gesellschaft empfinden, ist bitter. Die<br />

suchen ihre Identität in einer sehr seltsamen Mischung aus<br />

religiösen, oberflächlichen Floskeln wie haram und halal<br />

und dann noch in so ‚coolen‘ Wörtern wie Dschihad, ohne<br />

zu wissen, was dahinter steckt. Dschihad ist für viele etwas<br />

Romantisches, es ist so etwas wie Heimat verteidigen und<br />

Krieg romantisieren. Dabei ist im Krieg überhaupt kein Platz<br />

für Romantik, Krieg ist etwas Schmutziges. Der hat nichts<br />

Ästhetisches wie in diesen Propaganda-Clips. Aber die jun-<br />

/ POLITIKA / 13


gen Menschen wissen das nicht, fühlen sich hier<br />

entwurzelt und sehnen sich nach einer Heimat,<br />

nach einem Ort, wo sie dazugehören können.<br />

Das ist Syrien natürlich auch nicht. Aber es ist<br />

wie eine Verheißung. In ihrer Phantasie malen<br />

sie sich eine neue, schöne Welt aus.“<br />

Nicht alle, die mit solchen Wörtern spielen,<br />

ihre Zuflucht vermeintlich in der Religion suchen,<br />

seien dermaßen radikal, dass sie nach Syrien<br />

gingen. „Aber es ist ein Zeichen dafür, dass sie<br />

es hier nicht geschafft haben und nicht glauben,<br />

dass sie es jemals hier schaffen werden. Verschiedenste<br />

traurige Erfahrungen führen dazu,<br />

wie Alltagsrassismus und Ausgrenzung.“ Diese hat auch<br />

Kurbanovas Tochter erlebt. Da gab es einen Lehrer, der sei<br />

ständig mit den Gratisblättern in die Schule gekommen und<br />

habe, wenn wieder eine Geschichte über kriminelle Tschetschenen<br />

drinnen gestanden sei, zu ihrer Tochter gesagt: „Na,<br />

Amina, wieder etwas angestellt heute?!“<br />

Dazu komme, dass viele Tschetschenen, bevor sie<br />

in Österreich gelandet sind, während des Krieges in<br />

ihrer Heimat Binnenflüchtlinge in den Nachbarrepubliken<br />

Inguschetien und Dagestan waren, mitunter jahrelang in<br />

unerträglichen Flüchtlingslagern, in Zelten, zum Teil auch<br />

in Eisenbahnwagons gelebt haben. „Nach diesen Jahren<br />

kommen sie nach Österreich und haben dann noch eine endlose<br />

Wegstrecke vor sich. Ich kenne Familien,<br />

Die zum die haben nach neun Jahren einen positiven<br />

Nichtstun<br />

Asylbescheid bekommen. Jahrelang waren sie<br />

in Flüchtlingsheimen, oft in Pensionen ohne jegliche<br />

Bewegungsfreiheit. Ich habe gerade eine<br />

gezwungenen<br />

Männer werden Umfrage gemacht, wo es um Jobs und Bildung<br />

depressiv und<br />

der Flüchtlinge ging. Da erzählten die Menschen,<br />

was ihnen am meisten geholfen hat und was<br />

aggressiv und<br />

das größte Hindernis war, anzukommen. Diese<br />

schotten sich nur Zeiten in Heimen und Pensionen, wo sie nicht<br />

noch mehr ab.<br />

Herr über das eigene Schicksal gewesen sind,<br />

wo sie keine Deutschkurse besuchen durften,<br />

nicht arbeiten durften und es keine Kompetenzchecks<br />

gab, waren für sie fürchterlich. Die sind in den<br />

Unterkünften vor sich hinvegetiert. Und die Kinder sind so<br />

aufgewachsen. Die Tochter der Familie, die neun Jahre auf<br />

den positiven Bescheid gewartet hat, war ein kleines Kind<br />

bei der Ankunft, sie ist in einer Pension aufgewachsen,<br />

zu einer jungen Frau geworden. Jahrelang konnte sie die<br />

Schulfreundinnen nicht zu sich einladen in das eine Zimmer.<br />

Sie hat sich geschämt. Und die Burschen, die unter diesen<br />

Umständen aufwachsen, wie sollen sie sich hier heimisch,<br />

als Teil der Gesellschaft fühlen?“<br />

Die erwachsenen Männer, die in Tschetschenien Helden<br />

waren oder zumindest Versorger der Familien, die Jobs<br />

hatten, ihre Rolle im Leben, hatten hier nichts mehr. „Da<br />

Das Image tschetschenischer Jugendlicher könnte kaum schlechter sein.<br />

14 / POLITIKA /


kommt zum Kriegstrauma dazu, dass sie jahrelang nicht<br />

arbeiten durften, auf dem Sofa liegen mussten. Wie fühlen<br />

sie sich, wenn sie ihren Pflichten nicht nachgehen können?<br />

Diese zum Nichtstun gezwungenen Männer werden depressiv<br />

und aggressiv und schotten sich nur noch mehr von der<br />

Gesellschaft ab. Und die Buben, die da heranwachsen, die<br />

das alles sehen, die haben dann kein positives Männerbild.<br />

Dann kommen Dschihadisten und bieten eine Perspektive,<br />

zeigen denen, wo sie jemand sind. Wenn da selbstbewusste<br />

Männer kommen und vorgaukeln, hier ist eine neue Welt,<br />

wo du wer bist und diese Aufgabe hast und ein Teil von<br />

etwas Wichtigem, etwas Großem werden kannst, ist das sehr<br />

verlockend.“<br />

Die Attraktivität des so genannten Islamischen Staates<br />

habe nachgelassen. Aber, so meint Frau Kurbanova, hätten<br />

sie noch zwei, drei Jahre solche Erfolge vorzuweisen gehabt<br />

wie zu Beginn ihres Feldzuges, hätte dieses Problem mit den<br />

islamistischen Kämpfern in Europa noch viel größere Ausmaße<br />

angenommen.<br />

Wichtig sei festzuhalten, dass der Großteil der Tschetschenen<br />

in Österreich sein Leben lebt, arbeitet, Steuern<br />

zahlt. Aber die seien eben keine Story für die Boulevardmedien.<br />

„Demnächst haben wir ein Treffen tschetschenischer<br />

Studenten. Allein aus Wien sind das rund hundert. Das sei<br />

– gegen das gängige Narrativ – festgehalten. Aber natürlich<br />

gibt es Probleme mit Kriminalität. Was ich im Gefängnis feststelle<br />

und was mich selber erstaunt, ist, dass diese jungen<br />

Maynat Kurbanova ist selbst aus<br />

Tschetschenien geflüchtet.<br />

Foto: Christoph Liebentritt<br />

VORTEILE DURCH<br />

MEHRSPRACHIGE<br />

BERATUNG<br />

Bianka Farago, BA<br />

Mail: bianka.farago@erstebank.at<br />

Telefon: 05 0100 6 - 23322<br />

Erste Bank Filiale Atzgersdorf<br />

Breitenfurterstraße 256<br />

1230 Wien<br />

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BERATUNGEN!<br />

Erste Bank Filiale Mödling<br />

Hauptstraße 56<br />

2340 Mödling<br />

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Zwei Sprachen, zwei Filialen, ein Ziel: die<br />

Kunden bestmöglich zu beraten. Bianka<br />

Farago hat auf alle Fragen – ob Kontoeröffnung,<br />

Kreditantrag oder Vorsorge – eine<br />

passende Antwort. Und das nicht nur auf Deutsch,<br />

sondern auch auf Ungarisch. Die gebürtige Ungarin<br />

hat an der FH Eisenstadt studiert und ist die<br />

zentrale Ansprechpartnerin für alle Business- und<br />

Privatkunden aus dem Wiener Raum. Sie betreut<br />

rund 900 Kunden in Bank- und Geldangelegenheiten.<br />

Davon sind ungefähr ein Drittel Menschen,<br />

die aus Ungarn stammen und das mehrsprachige<br />

Beratungsangebot der Ersten Bank zu schätzen<br />

wissen. Um diesem Ansturm gerecht zu werden,<br />

berät Bianka ihre Kunden an mehreren Standorten.<br />

In Wien ist sie im 23. Bezirk tätig und auch in der<br />

Erste Bank Filiale Mödling nimmt sie sich gerne Zeit<br />

für Kundenanliegen. Ihr Profi-Tipp an alle, die zwischen<br />

Ungarn und Österreich pendeln: schnell zur<br />

Ersten Bank wechseln, denn über die Bankomaten<br />

der Erste Gruppe sind Behebungen in Ungarn am<br />

Bankomat gratis. Die Erste Bank Berater betreuen<br />

ihre Kunden nicht nur auf Deutsch, sondern neben<br />

Ungarisch auch in den Fremdsprachen Rumänisch,<br />

Serbisch, Kroatisch, Polnisch, Russisch, Slowakisch,<br />

Türkisch und Tschechisch.


Männer, die teilweise T-Shirts mit der Aufschrift Tschetschenien<br />

tragen, haben keine Ahnung, was Tschetschenien ist.<br />

Nicht einmal die Hauptstadt kennen sie. Sie haben in ihren<br />

Köpfen ein sehr ausgeprägtes Identitätsbild: ich bin ein<br />

Tschetschene. Aber wenn ich die frage, was heißt das, ein<br />

Tschetschene zu sein, dann kommt die Antwort: hart, cool,<br />

zuschlagen können. Dieses Bild entspricht dermaßen dem<br />

hiesigen Klischee, dass es fast lustig wäre, wenn es nicht so<br />

traurig wäre. Diese Burschen liefern mit diesem Selbstbild<br />

die Bestätigung des Fremdbildes.“<br />

Seit etwa zwei Jahren gibt es in der Jugendstrafanstalt<br />

Gerasdorf ein Projekt mit kaukasischen Jugendlichen, wo<br />

Maynat Kurbanova mit einem männlichen Kollegen und in<br />

Anwesenheit einer Sozialpädagogin aus der Anstalt versucht,<br />

an diesem Selbst- und Fremdbild der Jugendlichen zu<br />

arbeiten.<br />

„Wir haben noch keine Evaluierung, aber man merkt,<br />

wie uns diese Jugendlichen am Anfang wahrnahmen und<br />

wie sich das verändert. Man kann aus denen ganz leicht so<br />

genannte normale Menschen machen. Das sind Burschen,<br />

die genauso unsicher sind, die genauso Bestätigung brauchen,<br />

ein bisschen Wärme, ein bisschen Zuneigung, wie alle<br />

anderen jungen Leute. Diese harte Schale, dieses Bild, das<br />

sie nach außen liefern, das ist auch ein gewisser Versuch,<br />

sich selber zu schützen. Es gibt auch welche, für die das<br />

nach außen aggressiv oder hart sein nichts anderes ist, als<br />

dem Klischee entsprechen zu wollen. Denn: Was erwartet ein<br />

durchschnittlicher Mensch in Österreich von einem tschetschenischen<br />

Jugendlichen? Dass er hart ist, aggressiv ist,<br />

dass man dem am besten aus dem Weg geht. Die Medien,<br />

auch die sogenannten Qualitätsmedien, verbreiten dieses<br />

Bild. Was soll ein tschetschenischer <strong>17</strong>-Jähriger machen, der<br />

eigentlich körperlich schwächer ist, der vielleicht in Wahrheit<br />

gern Klavier spielen möchte? Der muss diesem Bild entsprechen,<br />

glaubt er. Ich sehe leider häufig, dass diese jungen<br />

Menschen in die Ecke der Aggressiven, Bösen, Radikalen<br />

gedrängt werden. Aber man kann sie, wie wir in diesem<br />

Gefängnisprojekt erleben, von dort auch wieder abholen.“ ●<br />

Du willst mehr über<br />

Maynat Kurbanova<br />

wissen?<br />

Dann lies das neue<br />

Buch von Livia Klingl,<br />

die diesen Artikel für<br />

biber geschrieben hat.<br />

Die Journalistin und<br />

Buchautorin zeigt mithilfe<br />

von 21 Porträts in „Lauter<br />

Fremde!“, dass wir uns<br />

trotz digitaler Vernetzung<br />

und Globalisierung<br />

fremd geworden sind in<br />

unserem Land – egal ob<br />

wir Österreicher oder<br />

Ausländer sind.<br />

Viele heranwachsende Tschetschenen haben kein positives Männerbild.<br />

16 / POLITIKA /


MEIN WIEN NACHRICHTEN<br />

Bezahlte Anzeige<br />

43-Jähriger gibt<br />

betagter Frau<br />

einen Ruck!<br />

Hier hört man immer<br />

wieder von Michael L.<br />

Na, mit einer schlechten Nachricht gerechnet?<br />

Diesmal nicht. Denn Michael L. (Name der Redaktion<br />

bekannt), 43, ist ehrenamtlich für Wien<br />

tätig und spielt jede Woche freiwillig Gitarre in<br />

einer Wohngemeinschaft für ältere Menschen<br />

mit Behinderung. So singt er zum Beispiel mit<br />

Monika, 66, für die Michaels Besuche der absolute<br />

Höhepunkt der ganzen Woche sind. Wir<br />

finden, das ist auch eine Schlagzeile wert.<br />

Können Sie auch ein Instrument spielen? Dann<br />

geben Sie sich doch selbst einen Ruck und<br />

machen älteren Menschen eine Freude.<br />

ACHTUNG:<br />

Musik kann die<br />

Stimmung aufhellen.<br />

Michael L. beim Musizieren<br />

Eine starke Zivilgesellschaft für ein starkes Wien.<br />

Möchten auch Sie sich engagieren?<br />

Dann schauen Sie auf<br />

www.freiwillig.wien.at


Frau Nöstlinger,<br />

welche Note<br />

geben Sie<br />

unserem Kanzler?<br />

Für wie viele<br />

Selfies haben<br />

Sie schon<br />

posiert?<br />

Wie viele<br />

muslimische<br />

Freunde<br />

haben Sie?<br />

Wie viele<br />

Zigaretten<br />

rauchen Sie<br />

am Tag?<br />

Interview in Zahlen:<br />

Es wird schon genug geredet.<br />

Biber fragt in Worten,<br />

Schriftstellerin Christine Nöstlinger<br />

antwortet in Zahlen.<br />

0<br />

3<br />

10<br />

Von Amar Rajković, Sarah Nadj<br />

Fotos: Christoph Liebentritt<br />

Christine Nöstlinger hat drei muslimische Freunde.<br />

Die Kinderbuchautorin hat noch nie für ein Selfie posiert.<br />

Wie oft<br />

wurden Sie von<br />

einem Mann<br />

alleingelassen?<br />

Sie sind 81. Wie<br />

viele Jahre<br />

möchten Sie<br />

noch leben?<br />

Wie viele Ihrer<br />

guten Freunde<br />

sind noch<br />

am Leben?<br />

Wie viele<br />

Bücher lesen<br />

Sie monatlich?<br />

Wie oft am Tag<br />

müssen Sie<br />

sich über die<br />

österreichische<br />

Politik ärgern?<br />

50<br />

3<br />

5<br />

4<br />

2<br />

18 / POLITIKA /


Wie oft trinken<br />

Sie Alkohol in<br />

der Woche?<br />

Wie viele<br />

Nummern<br />

haben Sie<br />

in ihrem<br />

Smartphone<br />

gespeichert?<br />

Wie oft die<br />

Woche klingeln<br />

wildfremde<br />

Leute an Ihrer<br />

Tür?<br />

Wie viel<br />

Euro haben<br />

Sie gerade<br />

eingesteckt?<br />

Wie viel Euro<br />

von dem mit<br />

540.000 €<br />

dotierten<br />

Astrid-Lindgren-<br />

Gedächtnispreis<br />

haben Sie noch?<br />

4<br />

30<br />

2<br />

420<br />

0<br />

Obwohl wir sie darauf hingewiesen haben, dass die Politiker<br />

nach dem Schulnotensystem zu beurteilen sind (1-5), beharrte<br />

Nöstlinger auf ihre strenge Einschätzung, die Note Zehn.<br />

Fünf von Nöstlingers engsten Freunden sind noch am Leben.<br />

Beurteilen Sie<br />

die Leistung<br />

von Kanzler<br />

Kern!<br />

(1 Sehr gut,<br />

5 Ungenügend)<br />

Beurteilen Sie<br />

die Leistung<br />

von Außenminister<br />

Kurz!<br />

(1 Sehr gut,<br />

5 Ungenügend)<br />

In wie vielen<br />

Jahren werden<br />

Frauen wie<br />

Männer<br />

behandelt?<br />

Wie viel Euro<br />

netto sollte ein<br />

Arbeiter in Österreich<br />

mindestens<br />

im Monat<br />

verdienen?<br />

Auf einer Skala<br />

von 0 bis 100:<br />

Wie viele Meter<br />

links von der<br />

Mitte stehen<br />

Sie politisch?<br />

1<br />

10<br />

Niemals<br />

1.800<br />

Netto<br />

80<br />

/ POLITIKA / 19


Kommentar<br />

zu Kopftuch<br />

& Kruzifix von<br />

Doron Rabinovici<br />

Politik der<br />

Verschleierung<br />

TIZIANA FABI / AFP / picturedesk.com, Reinhard Werner<br />

20 / POLITIKA /


Es geht um die Politik der<br />

Verschleierung und um eine<br />

Verschleierung von Politik.<br />

Sebastian Kurz forderte<br />

das Kopftuchverbot für alle<br />

öffentlich Bediensteten. Minister Kurz<br />

sprach von keinem anderen religiösen<br />

Zeichen. Er wollte ein Gesetz eigens für<br />

– oder eher gegen – orthodox gläubige<br />

Muslimas in allen Ämtern, ob in den<br />

Wasserwerken oder bei der Steuerbehörde.<br />

Kaum ausgesprochen, grenzte er<br />

seinen Vorstoß wieder auf Lehrerinnen<br />

und Richterinnen ein. Die Regierung<br />

einigte sich schließlich darauf, es mögen<br />

die Richterschaft, die Staatsanwälte und<br />

die Polizei kein religiöses Symbol tragen,<br />

denn sie hätten die weltanschauliche<br />

Neutralität des Rechtsstaates zu repräsentieren.<br />

Das klang einleuchtend. Das<br />

Recht darf nicht einer Konfession unterworfen<br />

sein; zumal in Zeiten fundamentalistischer<br />

Bewegungen.<br />

Aber das Kreuz, hieß es, soll weiterhin<br />

auf den Richtertischen stehen<br />

bleiben. Es ist, als könnte der ursprüngliche<br />

Wunsch ein Zeichen gegen den<br />

Islam schlechthin zu setzen, nicht ganz<br />

unterdrückt werden. Das Kruzifix gehöre<br />

einfach zum Land, sagte Kurz. Es sei in<br />

Österreich historisch gewachsen, wurde<br />

erklärt und das klang beinah, als wäre<br />

es Teil der heimischen Flora. So leicht<br />

kann der politische Kampf für Aufklärung<br />

in einen kulturalistischen Kreuzzug fürs<br />

Abendland abgleiten. Mit Integration und<br />

Säkularität hat das nichts mehr zu tun.<br />

Das Kreuz, das für viele Christen ein universales<br />

Symbol menschlichen Leidens<br />

ist, wird hier zu einem Hoheitszeichen<br />

von Identität und Unterwerfung. Das ist<br />

– Kruzitürken Herrschaftszeiten noch einmal!<br />

– unsere wahre Passion hierzulande:<br />

Die Hatz gegen die anderen.<br />

Um nicht missverstanden zu werden:<br />

Die Zwangsverhüllung durch den politischen<br />

Islamismus gilt es zu bekämpfen.<br />

Niqab und Burka machen Frauen zum<br />

blinden Flecken der Gesellschaft, und<br />

die Ideologie, die mit diesen Attributen<br />

einhergeht, erklärt mich, den ungläubigen<br />

Juden und freien Autor, zum<br />

Zielobjekt und zum Todfeind zugleich.<br />

Die Dschihadisten bejubeln den Mord an<br />

allen, die sie zum Ketzer erklären. Sicher<br />

entstammt auch der Hidschab grundsätzlich<br />

einer patriarchalen Überzeugung, die<br />

Weiblichkeit als sexuelle Gefahr diffamiert,<br />

doch die individuellen Gründe das<br />

Kopftuch zu tragen sind unterschiedlich.<br />

Nicht wenigen Frauen fällt es schwer,<br />

von einem Tag zum anderen den Schal,<br />

den Überwurf oder den Hidschab abzulegen.<br />

Manche Teenagerinnen, die ihr Haar<br />

im Einklang mit ihrer Konfession verbergen,<br />

drücken damit<br />

ihren Trotz gegen<br />

Assimilationszwang<br />

und Kulturdünkel<br />

der Mehrheitsgesellschaft<br />

aus.<br />

Wir sind Zeugen<br />

einer Politik, die sich<br />

islamistischen Staaten, die ihre Frauen<br />

entrechten, buckelnd andient, um ihren<br />

Mut an der muslimischen Minderheit<br />

hier zu kühlen. Die muslimischen Frauen<br />

geraten in eine Zwickmühle: Während<br />

die einen sie als Muslimas nur akzeptieren,<br />

wenn sie sich als Frauen verhüllen,<br />

achten sie die anderen als Frauen nur<br />

dann, wenn sie nicht als Muslimas kenntlich<br />

sind.<br />

KEINE VERSTELLUNG<br />

Bekannt ist, wie den Juden zu Beginn<br />

der Aufklärung versprochen wurde,<br />

sie könnten gleichberechtigte Bürger<br />

werden, wenn sie nur bereit wären, von<br />

ihren Traditionen abzulassen. Um das<br />

Ghetto endlich hinter sich zu lassen,<br />

waren viele bereit, ihr Judentum zu verstecken<br />

und besonders patriotisch aufzutreten.<br />

Es nutzte ihnen letztlich nichts.<br />

Im Gegenteil: Die antisemitischen Mörder<br />

hassten vor allem den angepassten<br />

Juden, weil ihm unterstellt wurde, sich<br />

heimtückisch zu verstellen.<br />

Nichts anderes geschieht, wenn<br />

heute unter dem Titel Integration nur<br />

Assimilation eingemahnt wird. Wer mit<br />

dem Kreuz Laizismus predigt, will die<br />

Säkularisierung, zu der die Mehrheit nicht<br />

bereit ist, allein auf Kosten der Minderheit<br />

durchsetzen.<br />

Die Situation heute ist anders, da es<br />

auch darum geht, gegen das massive<br />

Vordringen einer fundamentalistischen<br />

Politik des Islam zu handeln. Aber nicht<br />

hilfreich ist in dieser Auseinandersetzung<br />

die Hetze gegen alle Muslime pauschal<br />

zu befeuern. Im Gegenteil: Das nutzt nur<br />

jenen Eiferern, die vorgeben im Namen<br />

des wahren Islam zu sprechen.<br />

Religionsfreiheit ist Freiheit von der<br />

und für die Religion zugleich. Es geht<br />

darum, die Grenze zwischen sakralem<br />

und säkularem Raum gegen Übergriffe<br />

von beiden Seiten zu schützen. Zudem<br />

muss jede Maßnahme im richtigen<br />

Kontext beurteilt werden. Kritik an der<br />

jüdischen Orthodoxie bedeutet in Israel<br />

nicht dasselbe wie<br />

etwa in Kärnten.<br />

Unsere wahre Passion<br />

hierzulande: Die Hatz<br />

gegen die anderen.<br />

Ohne Schutz der<br />

Minderheiten kann<br />

Demokratie und<br />

Rechtsstaat nicht<br />

funktionieren.<br />

Wer ob im<br />

Gericht oder in der Schule den Laizismus<br />

ehrlich einführen will, muss bereit sein,<br />

wie in Frankreich auf das Kreuz zu verzichten.<br />

Wenn nicht, sollten alle Symbole<br />

wie in Kanada gleichermaßen erlaubt<br />

sein. Gegen den Islamismus braucht es<br />

hingegen einen gezielt politischen Kampf<br />

und nicht pauschale Diskriminierung.<br />

Wollen wir indes die chauvinistische<br />

Zwangsverhüllung bekämpfen, dann<br />

gilt es vor allem einen liberalen Islam<br />

zu fördern, doch ebenso selbstbewusst<br />

aufgeklärte oder säkulare Muslima zu<br />

unterstützen – ob nun mit oder ohne<br />

Kopftuch. ●<br />

Doron Rabinovici, 1961 in Tel<br />

Aviv geboren, lebt seit 1964<br />

in Wien und ist Schriftsteller<br />

und Historiker. Hat letztens im<br />

„Talk im Hangar“ mit Sebastian<br />

Kurz, Alice Schwarzer<br />

und Nadire Mustafi zum<br />

Thema „Burka, Kopftuch und<br />

Koran: Woran scheitert Integration?“<br />

diskutiert.<br />

/ POLITIKA / 21


INSIDE WERTEKURS<br />

Die Werte- und Orientierungskurse<br />

für Flüchtlinge<br />

sollen in Österreich bald<br />

verpflichtend sein. Nur, was<br />

lernt man da eigentlich? Biber<br />

hat an einem Unterrichtstag<br />

teilgenommen und dabei selbst<br />

viel erfahren: Zum Beispiel wer<br />

in Österreich beim 1. Date zahlt.<br />

Von Delna Antia. Fotos: Marko Mestrović<br />

Es ist knapp 9.15 Uhr, ein Mittwoch im Februar. Kurz<br />

wird noch der Stoff von gestern abgefragt: „Was<br />

ist der Steuertopf?“ – „Man zahlt rein und hinterher<br />

kommt etwas raus für alle anderen.“ Scheint zu sitzen.<br />

Dann beginnt der Unterricht.<br />

Mirela und Ahmed leiten durch den heutigen Werte-<br />

und Orientierungskurs für Flüchtlinge. Das geht so vor<br />

sich: Mirela spricht auf Deutsch, legt eine Pause ein, dann<br />

übersetzt Ahmed auf Arabisch und in diesem Rhythmus<br />

geht das 4 Stunden fort. Kontextbedingt bemerke ich<br />

natürlich sofort, dass die Trainerin ein schickes Businesskleid<br />

und Stiefel trägt. „Subtile Wertevermittlung?“, frage<br />

ich mich. Andererseits, in Anbetracht der anwesenden<br />

Frauen packe ich schnell meine eigenen Klischeevorstellungen<br />

wieder in die Handtasche. Da sitzen Zwanzigjährige<br />

in Fetzenjeans, mit Beyonce-Kreolen, blondierten Haaren<br />

und cooler Cap und erzählen, dass sie Controlling, Wirtschaft<br />

und Ingenieurwesen studiert haben.<br />

Das österreichische Schulsystem steht als erstes auf<br />

dem Stundenplan. „Welche Wege gibt es für eure Kinder?<br />

22 / POLITIKA /


Welche Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

gibt es für euch?“, leitet<br />

Mirela den Block ein. Sie zeichnet<br />

die verschiedenen Schulwege auf<br />

ein Flipchart. Ein Mann fragt, was<br />

mit seiner 16-jährigen Tochter<br />

passiert, die bald nach Österreich<br />

nachkommt. Mit 16 Jahren fällt<br />

sie immerhin aus der österreichischen<br />

Schulpflicht heraus.<br />

„Das ist oft ein Problem, dass die<br />

Schulen die Kinder ab 15 nicht<br />

mehr annehmen. Dann braucht<br />

es viel Eigeninitiative!“, erklärt<br />

Mirela, die selbst einst aus Bosnien<br />

geflüchtet ist.<br />

ÖSTERREICH: LAND DER<br />

EIGENINITIATIVE<br />

Stichwort Eigeninitiative: Das ist<br />

quasi der Ober-Wert, der hier<br />

vermittelt wird. Nicht als eigene<br />

Einheit, sondern als Mantra<br />

quer durch den Stoff: Wer sich<br />

in Österreich erfolgreich integrieren<br />

will, muss eigeninitiativ sein. Denn Job, Haus, Auto<br />

und Ehefrau regnet es nicht vom Himmel. Das sei nämlich<br />

oft die Erwartungshaltung von Neuankömmlingen, wird mir<br />

erklärt. Die Anwesenden heute sind jedenfalls eigeninitiativ<br />

hier. Noch ist die Teilnahme an einem Wertekurse nicht verpflichtend,<br />

sondern lediglich ein Angebot. Die 20 Besucher<br />

heute erhoffen sich Infos über Jobperspektiven, Schulsystem<br />

und Deutschkurse. Stellt sich die Frage, was mit jenen<br />

Flüchtlingen ist, die mehr traumatisiert als engagiert<br />

sind – fallen sie durchs Raster? Das neue Integrationsgesetz<br />

scheint in dieser Hinsicht greifen<br />

zu wollen. Anerkannte Flüchtlinge müssten<br />

dann verpflichtend sowohl Deutschkurse als<br />

auch einen Werte- und Orientierungskurs<br />

absolvieren.<br />

Ja, so sehen Flüchtlinge auch aus: Die Syrerinnen Midia, 21, Robina, 23 und Chahnaz,<br />

32 haben abgeschlossene Studien in Wirtschaft, Ingenieurwesen und Marketing.<br />

„Wenn<br />

Haschisch<br />

verboten ist,<br />

warum gibt es<br />

dann Hanf-<br />

Shops in<br />

Wien?“<br />

ÖSTERREICH: LAND DER ZEUGNISSE<br />

Zurück in die Schule. Weil viele Eltern anwesend<br />

sind, schärft Mirela ihnen ein: „Es ist<br />

nicht schlimm, wenn eure Kinder wiederholen<br />

müssen und die Ältesten in der Klasse sind. Auch<br />

genügend österreichische Kinder wiederholen – einfach<br />

weil sie nichts lernen.“ Dann erkundigt sie sich nach<br />

den Zeugnissen der Anwesenden. Immerhin, Österreich sei<br />

ein Land der Zeugnisse – sie bestimmen über die Zukunft.<br />

Ebenso wie Deutsch. Die Trainerin gibt ihnen Tipps: „Macht’s<br />

Hausübungen mit den Kindern! Macht’s Einkaufslisten auf<br />

Deutsch! Probiert die „Heute“ zu lesen – nicht wegen der<br />

Qualität, aber zum Deutsch lernen!“ Mit einem Zwinkern fügt<br />

sie noch hinzu: „Und eine Österreicherin heiraten, das hilft<br />

auch!“<br />

Wer sich unter dem „Wertekurs“ eine moralphilosophische<br />

Grunderziehung vorgestellt hat – so wie ich – wird<br />

überrascht sein. Es geht vor allem um praxisbezogene<br />

Orientierung: Geschichte, Geographie, eine Einführung<br />

in die Grundsysteme, also Gesundheit, Wohnen, Bildung<br />

und Arbeit. Mit Humor und Alltagsbezug werden Kulturunterschiede<br />

angesprochen, bedeutende Kleinigkeiten, wie<br />

zum Beispiel, dass man in Österreich Babys von fremden<br />

Personen nicht einfach anfasst, egal wie süß sie sind. Und,<br />

natürlich, es werden die großen Grundwerte durchgenommen:<br />

Gleich als erstes wurde am Vortag Österreich<br />

als Rechtsstaat und Demokratie behandelt.<br />

Auf einem Flipchart lese ich noch die Begriffe<br />

Menschenwürde, Meinungsfreiheit und<br />

Gleichberechtigung von Mann und Frau.<br />

ÖSTERREICH: LAND DES<br />

AUGENKONTAKTS<br />

Bei uns geht es praktisch weiter. „Wenn<br />

das Bewerbungsgespräch um 14 Uhr ist, um<br />

wie viel Uhr sollte man da sein?“, fragt Mirela.<br />

„13.50 Uhr?“, bietet ein Teilnehmer. „Zu spät! 13.45<br />

Uhr!“ Mirela führt in die Welt der Arbeitssuche ein: Was<br />

ist ein Motivationsschreiben? Was ziehe ich zum Gespräch<br />

an? Dass man keine Shorts trägt, nicht Kaugummi kauen<br />

sollte und seinem Gegenüber in die Augen schaut, scheint<br />

den anwesenden Syrern nicht gerade neu zu sein. Bei<br />

afghanischen Männern hätte die Trainerin als Frau allerdings<br />

schon andere Erfahrungen in Punkto Augenkontakt und<br />

Händedruck gemacht. Dann zeichnet sie die Steuerabgaben<br />

vom Lohnzettel auf. „Wie viele Gehälter bekommen wir?“,<br />

fragt Mirela die Runde. „14!“ Das weiß jeder. Anders als in<br />

Österreich sind die Menschen in Syrien allerdings häufiger<br />

/ POLITIKA / 23


Netto vom brutto: Trainerin Mirela zeichnet alles auf, was in<br />

Österreich wichtig ist. Zum Beispiel: wo das Gehalt hinfließt.<br />

Alkohol in der Öffentlichkeit!? Das ist für Gamel, 26, doch neu<br />

in Österreich. Dolmetscher Ahmed übersetzt für den Iraker.<br />

selbstständig. Das trifft auch auf die heutige Gruppe zu. Viele<br />

besitzen ein eigenes Geschäft: Kleider und Schuhe.<br />

ÖSTERREICH: LAND DES KÜSSENS<br />

Dann kommen wir zum letzten Block. Mirela hat einen Stapel<br />

Fotos mitgebracht. Auf dem ersten, das sie hochhält, ist eine<br />

Frau mit Kopftuch zu sehen. „Ist das gesetzlich erlaubt?“ Im<br />

Gespräch mit den Teilnehmern stellt sie klar: Ist erlaubt – aber<br />

soziale Diskriminierung gibt es trotzdem. Sie empfiehlt bei<br />

dummen Sprüchen darüber zu stehen, bei Übergriffen aber<br />

die Polizei zu verständigen. Dann präsentiert sie weitere Bilder.<br />

Mirela hält Fotos von roten Fußgängerampeln, Haschischrauchenden<br />

und Gewalt in der Familie hoch. Alles verboten<br />

natürlich. Dass Haschisch illegal ist, scheint einige Teilnehmer<br />

zu wundern. „Warum gibt es dann Geschäfte, die Pflanzen und<br />

Pfeifen verkaufen?“ Weitere Fotos thematisieren Promille, Mülltrennung,<br />

Tschick am Boden und die Telefonnummer der Feuerwehr.<br />

Ich staune, hier werden Flüchtlinge zu Musterbürgern<br />

herangezogen. Dann das Foto einer weiblichen Führungskraft!<br />

Die Message: In Österreich sitzen Frauen in Chefsesseln. (Naja,<br />

denke ich.) „Normal“, sagen die Syrer. Beim Punkt Scheidung<br />

stutzen sie allerdings doch. Dass theoretisch auch eine Frau<br />

ihrem Ex-Mann nach einer Scheidung Alimente zahlen müsste,<br />

finden sie schon komisch. Ernster wird ihr Blick erst, als Mirela<br />

ein Foto eines sich in der Öffentlichkeit küssenden Pärchens<br />

zeigt. „Ist das erlaubt?“ Ja, alle nicken. „Wer möchte das auf<br />

der Straße auch tun?“ Keiner nickt. Dann präsentiert sie das<br />

letzte Bild: Männer und Frauen im Kaffeehaus. „Wer zahlt beim<br />

ersten Date in Syrien?“, fragt sie. Alle kennen nur eine Antwort:<br />

Der Mann. „Und in Österreich?“ Ratloses Schweigen. „Bei<br />

uns ist das auch so: Da zahlt der Mann!“, klärt Mirela auf. Sie<br />

schaut zu mir, „Stimmt doch, oder?“ Ich sage mal: „Ja...“<br />

Dann ist der Kurs vorbei. Ich verabschiede mich. Gut, über<br />

die brenzligen Sachen haben wir nicht gesprochen: Etwa darüber,<br />

dass Frauen sich freizügig kleiden, junge Leute vor der Ehe<br />

Sex haben und selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden. Die<br />

Rechte von Homosexuellen wurden am Vortag thematisiert,<br />

versichert man mir vom ÖIF. Aber wie viel Verinnerlichung kann<br />

in acht Kursstunden stattfinden? Andererseits, auch als Piefkin<br />

bin ich jetzt besser orientiert als vorher. ●<br />

In Syrien besaß dieser Familienvater ein Geschäft für Schuhe.<br />

WAS SIND WERTEKURSE?<br />

Über 18.000 Flüchtlinge haben seit dem<br />

Start 2016 an einem Werte- und Orientierungskurs<br />

in ganz Österreich teilgenommen.<br />

Zentrale Bestandteile sind die Grundwerte<br />

der österreichischen Verfassung. Derzeit<br />

sind die (kostenlosen) Kurse ein Angebot<br />

des Österreichischen Integrationsfonds.<br />

Laut Integrationsgesetz, das zu Druck dieser<br />

Ausgabe noch in Begutachtung ist, soll<br />

die Teilnahme jedoch verpflichtend werden<br />

für AsylwerberInnen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit<br />

und Asylberechtigte. Bei<br />

Verstoß gegen die grundlegenden Werte<br />

der österreichischen Rechts- und Gesellschaftsordnung<br />

drohen Sanktionen.<br />

24 / POLITIKA /


RAMBAZAMBA<br />

Hauptsache jeder tanzt.<br />

Foto von Marko Mestrović


HEI<br />

TEN<br />

RA<br />

Brautstrauß von Brigitte Blumen,<br />

Westbahnstraße 5, 1070 Wien<br />

26 / RAMBAZAMBA /


ZWISCHEN PINTEREST UND<br />

HEIMATDORF-TRADITION<br />

Du dachtest, du kannst deine Hochzeit im Alleingang gestalten?<br />

Think again!<br />

Denn deine Eltern, Schwiegereltern und Dorfbewohner haben auch<br />

ein Wörtchen mitzureden. Wie setzt frau nun ihre Pinterest-Hochzeit<br />

um, wenn die Familie auf Traditionen aus der alten Heimat besteht?<br />

Von Jelena Pantić und Marko Mestrović (Fotos)<br />

Stell dir vor, du hast den passenden<br />

Bräutigam gefunden,<br />

deine Pinterest-Pinnwände sind<br />

zum Bersten voll mit Ideen für<br />

Blumengestecke und sogar das Budget<br />

für das Fest aller Feste ist schon festgesetzt.<br />

Wen du in deinem Hollywoodhochzeit-Masterplan<br />

aber nicht bedacht<br />

hast: deine Eltern, Schwiegereltern und<br />

Heimatdorfbewohner. Noch immer sitzen<br />

meistens Frauen im Hochzeitsplanungs-<br />

Kommitte. Sie kennen die Faustregeln:<br />

Je größer, je mehr Traditionen und je<br />

mehr Leute sich einmischen, desto<br />

stressiger. Bräute aus der Community<br />

haben in der Regel größere Familien und<br />

damit mehr Menschen, die eingeladen<br />

werden und auch mehr, die mitmischen<br />

wollen. Da die Eltern des Brautpaares<br />

oft die Hochzeit bezahlen, dürfen sie<br />

auch bestimmen, was mit ihrem Geld<br />

passiert. Oft gar nicht zur Freude der Tochter oder<br />

Schwiegertochter, die sich ihren „großen Tag“ natürlich<br />

ganz anders vorgestellt hat. Denn die Braut von heute<br />

sucht eher auf Pinterest als im Orthodoxie-Forum nach<br />

Inspiration für ihre Hochzeit. Sie will unter 300 Gäste,<br />

Brautjungfern, ein Haute Couture Kleid mit Ausschnitt<br />

und Pinterest-Deko. Schwiegermonster äh Mutter<br />

hingegen will ihren Sohn drei Tage lang unter Planenzelt<br />

mit Kieselboden in der Heimat verheiraten und natürlich<br />

darf der Cousin 13. Grades mit Frau und vier Kindern<br />

nicht fehlen. Schnell wird klar: Bräute von heute erwartet<br />

ein großer Spagat zwischen Tradition und Glamour-<br />

Hochzeit.<br />

Photostudio Zoran Mrdjenovic<br />

BRIDEZILLA-MODUS<br />

Für Ivana war die Planung ihrer Traumhochzeit<br />

beinahe traumatisch. Sie erzählt<br />

lachend, dass sie noch immer im Verarbeitungsprozess<br />

steckt. Sie sagt von sich<br />

selbst, dass sie eine Bridezilla war, denn<br />

an ihrem großen Tag sollte alles perfekt<br />

und bis ins kleinste Detail geplant sein –<br />

und das kostet Geld und Nerven. Einen<br />

Wedding Planner zu engagieren war ihre<br />

beste Entscheidung, dennoch konnte<br />

Ivana die Hochzeitszügel nicht ganz<br />

aus der Hand lassen. Denn das ganze<br />

Unterfangen war ihrem Kopf entsprungen<br />

und in ihren Händen auch am besten<br />

aufgehoben. Sechs Monate hat sie nach<br />

der perfekten Location gesucht, zwei<br />

Bands gebucht, damit alle zufrieden sind<br />

und die Anzahl der Hortensien im Blumenarrangement<br />

bestimmt. Der Druck<br />

und Stress von Micromanaging führte<br />

zu schlaflosen Nächten und verlorenen Kilos, sodass<br />

das auf den Millimeter angepasste Brautkleid am Tag<br />

der Hochzeit zu locker saß. Nach zwei Jahren Planung<br />

hat Ivana ihre perfekte Pinterest-Hochzeit bekommen,<br />

inklusive Haute Couture Robe aus Tel Aviv, Jimmy Choo<br />

Hochzeitsschuhen aus Mailand, Wedding Planner und<br />

Vera Wang Kristallgläsern. Der Weg dahin war aber ein<br />

ständiger Balanceakt zwischen dem, was das Brautpaar<br />

will und “was sich gehört”. Die größte Streitfrage: Wie<br />

soll die Erinnerung an den Hochzeitstag festgehalten<br />

werden? Ivana erklärt: “Ich wollte 20 Stunden ungeschnittenes<br />

Videomaterial, 14 DVDs und ein Fotoalbum<br />

voller verschwitzter Leute und offener Kaumünder<br />

/ RAMBAZAMBA / 27


Meine Hochzeit,<br />

meine Regeln!<br />

28 / RAMBAZAMBA /


vermeiden. Deshalb habe<br />

ich statt dem klassischen<br />

Balkan-Videografen einen<br />

Fineart-Wedding-Fotografen<br />

und ein dreiköpfiges Videoteam<br />

engagiert.” Das Ergebnis:<br />

Ein kinoreifer zweistündiger<br />

Film als Hochzeitsvideo, von<br />

dem ihre Familie immer noch<br />

nicht ganz begeistert ist. Aber<br />

da ließ Ivana nicht mit sich<br />

verhandeln. Wenn du als Braut<br />

deine Wünsche durchsetzen<br />

willst, musst du bereit sein<br />

dafür zu kämpfen.<br />

TRADITIONEN DELEGIEREN<br />

Die 25-jährige Tatjana musste hingegen keine Kampftechniken<br />

anwenden, um ihre Traumhochzeit durchzusetzen.<br />

Wie bei Ivana gab es in Dingen wie Deko und<br />

Brautkleid keinerlei Vorschriften, sie konnte ihre Wünsche<br />

voll und ganz einbringen. Ihre Hochzeit in Bosnien<br />

wurde von vielen Bräuchen geschmückt. Viele vor allem<br />

junge Bräute halten diese Bräuche aber für überholt,<br />

unnötig und auch sexistisch. Nicht so Tatjana, sie ist<br />

mit Traditionen aufgewachsen und hatte auch nicht vor<br />

Photostudio Zoran Mrdjenovic<br />

gegen sie zu rebellieren, im<br />

Gegenteil, sie hat sie begrüßt.<br />

Es war für sie selbstverständlich,<br />

dass ihr Bräutigam “den<br />

Apfel abschießt”. Wenn der<br />

Bräutigam die Braut aus dem<br />

Haus ihrer Eltern mit seiner<br />

Hochzeitsgesellschaft abholt,<br />

muss er mit dem Gewehr<br />

einen an einem hohen Mast<br />

befestigten Apfel abschießen,<br />

um seine Braut überhaupt<br />

mitnehmen zu dürfen. Zwei<br />

Versuche hat er, um zu beweisen,<br />

dass er seine Zukünftige<br />

verdient hat. Tatjanas Mann hat den Apfel souverän<br />

abgeschossen und seine Gäste durften zur Hochzeitsgesellschaft<br />

der Braut hinzustoßen und gemeinsam<br />

feiern. Auch wenn er den Apfel nicht abgeschossen<br />

hätte, hätten die beiden natürlich geheiratet, aber so<br />

war es weniger peinlich. Viele der Traditionen sind<br />

stark patriarchalisch geprägt, wie zum Beispiel, dass<br />

die Braut abgekauft wird und die Männer um den Preis<br />

für die Braut verhandeln. Heute ist das alles nur Spaß,<br />

früher war es vermutlich nicht so spaßig. Jedenfalls<br />

bringen die Bräute heute ihren eigenen Twist rein. Beispielsweise<br />

hat Tatjana sich nicht wie traditionell üblich<br />

von Bruder oder Cousin aus dem Haus begleiten lassen,<br />

sondern von ihren beiden jüngeren Schwestern. Tatjana<br />

hat als Braut einen besonders angenehmen Umgang<br />

mit Bräuchen und Traditionen gewählt: Sie hat diesen<br />

Bereich einfach voll und ganz ihren Eltern überlassen.<br />

Sie kannten die Bräuche besser und wussten was zu<br />

tun ist. An die Eltern delegiert hat sie auch die Kommunikation<br />

mit den Verwandten. Wer wann wo sein muss,<br />

haben Mama und Papa verlautet. So konnte sich Tatjana<br />

voll und ganz auf die passende Farbe der Blumendekoration<br />

und die Spitzendetails für ihren Bolero für die<br />

Kirche konzentrieren. Von ihrer serbisch-orthodoxen<br />

Hochzeit in Bosnien hatte sie diesen Eindruck: “Diese<br />

traditionellen Sachen auf der Hochzeit sind bei all<br />

meinen Freunden, also der jüngeren Generation, sehr<br />

gut angekommen und die Älteren haben sich darüber<br />

gefreut, die Bräuche wieder zu sehen.” Klingt nach<br />

einem guten Kompromiss.<br />

Photostudio Zoran Mrdjenovic<br />

Tatjana Trebovac, 25<br />

Hard facts: 2015, 330 Gäste, in Prijedor<br />

War am Tag der Hochzeit: hundemüde<br />

und in Trancezustand, empfiehlt jedem<br />

einen Wedding Planner<br />

Traditionsfaktor: hoch und an die Eltern delegiert<br />

Emotionalste Momente: als sie das erste Mal ihren<br />

Mann an dem Tag sah und die “Verabschiedung”<br />

von ihrem Vater<br />

/ RAMBAZAMBA / 29


ZUCKERL, REIS<br />

UND ALKOHOL<br />

Bahar musste einen großen<br />

Kompromiss eingehen.<br />

Sie wollte nie im Leben eine<br />

türkische Hochzeit mit 1000<br />

Gästen feiern. Ihre Mutter sah<br />

das anders: “Ich hab meine<br />

Mama gebeten nicht jeden,<br />

den sie kennt, auch einzuladen<br />

oder die Gästeanzahl zumindest<br />

etwas einzuschränken.”<br />

Letztendlich feierten sie mit<br />

800 Gästen. Und sie feierten<br />

drei Mal. Einmal gab es nach<br />

dem Standesamt eine kleine Agape mit 60 Leuten in<br />

Wien, danach die riesige Hochzeitsfeier mit 800 Gästen<br />

und zwei Wochen später eine im Verhältnis kleine Party,<br />

mit 350 Gästen in Istanbul. Bahar hat sich traditionell von<br />

ihrer Familie verabschiedet und wurde von der Familie<br />

ihres Mannes von ihrem alten Zuhause abgeholt. Vor der<br />

Tür wurde kurz gebetet und dann durfte sie mit “Davul<br />

und Zurna”, also unter Trommelwirbel und Oboen mit<br />

ihrem Mann ins Auto steigen. Als symbolisches Zeichen<br />

wurden dem Brautpaar Zuckerl und Reis für eine süße und<br />

Kleid von Berta Bridals, Foto von Thomas Steibl<br />

Photostudio Zoran Mrdjenovic<br />

schöne Ehe nachgeworfen.<br />

Bahar war also bereit, gewisse<br />

Bräuche einzuhalten und bei<br />

der Gästeanzahl aufzustocken,<br />

dafür konnte sie ihren<br />

Wunsch-DJ durchsetzen, der<br />

nicht nur traditionelle Musik<br />

spielte, sondern auch moderne.<br />

Bei türkischen Hochzeiten<br />

ist es außerdem üblich, dass<br />

ein Moderator die Geschenke<br />

der Gäste vor versammelter<br />

Hochzeitsgesellschaft<br />

per Mikrofon annonciert. Da<br />

wollten Bahar und ihr Mann<br />

wirklich nicht nachgeben. Bei der Hochzeit gab es also<br />

keine moderierte Geschenkeshow, dafür eine Menge<br />

Alkohol. Im Endeffekt war es so, dass Bahar bei<br />

manchen Dingen nachgegeben hat und bei anderen<br />

genau das bekommen hat, was sie wollte – ein schönes<br />

Gleichgewicht und ein paar Hochzeitstage, an die sie<br />

und ihr Mann immer gerne zurückdenken.<br />

DER (UN)GLÜCKLICHSTE<br />

TAG IM LEBEN<br />

Doch nicht alle Bräute haben das Glück, kompromissbereite<br />

Wedding Planner hinter sich zu haben. Marija*<br />

hat nicht die Traumhochzeit bekommen, die sie sich<br />

von klein auf gewünscht hat. Sie war nicht einmal nah<br />

dran. Ihre Schwiegereltern haben auf ihre ganz eigenen<br />

Bräuche und Traditionen bestanden und sind keinen<br />

Millimeter abgewichen.<br />

Marija würde mir gerne detailliert erzählen, bei<br />

welchen Bräuchen sie da nachgeben musste – sie hat<br />

jedoch praktisch nichts verstanden. Die Hochzeit war<br />

nämlich durchgehend auf einer Sprache, die sie nicht<br />

verstand, der serbischen Variante von Wallachisch,<br />

einer Mischung aus Serbisch und Alt-Rumänisch. Einer<br />

der Bräuche auf ihrer Hochzeit war, dass Braut und<br />

Bräutigam sich vor die Trauzeugen stellen und sich vor<br />

ihnen und der versammelten Hochzeitsgesellschaft<br />

übers Mikrofon für den Akt entschuldigen, der in dieser<br />

Nacht vollzogen wird. Ihr wisst schon. Vielleicht fanden<br />

ihre Schwiegereltern selbst diese Bräuche gar nicht so<br />

toll, aber es spielt ein ganz wichtiger Faktor mit: “Was<br />

werden die Leute sagen?” Das stellt die Schwiegertochter<br />

vor einen beinahe aussichtslosen Kampf. “Da kann<br />

die Braut nicht wirklich viel tun, außer sie möchte das<br />

Verhältnis schon zu Beginn zerstören. Dazu braucht es<br />

Ivana Cucujkić-Panić, 33<br />

Hard facts: Jahr 2014, <strong>17</strong>0 Gäste, in Wien<br />

inspiriert durch: Pinterest und iranische<br />

Hochzeiten<br />

Das hat sie durchgesetzt: Kinoreifes Video, Haute<br />

Couture Robe, Designerschuhe<br />

Das musste sie aufgeben: ihre Nerven<br />

Ivana - Kleid von Berta Bridals, Foto von Thomas Steibl, Tatjana - Photostudio Zoran Mrdjenovic, Bahar - Ceren Basol<br />

30 / RAMBAZAMBA /


Bahar Tugrul-Isik, 30<br />

Hard facts: Jahr 2016, insgesamt<br />

ca. 1200 Gäste, in Wien und Istanbul<br />

Besonderes: hat drei Mal gefeiert, einmal die Agape<br />

nach dem Standesamt, dann die 800-Leute-Party in<br />

Wien und dann die 350-Gäste-Feier in Istanbul<br />

Das hat sie durchgesetzt: Alkohol, moderner DJ,<br />

keine Mikrofonansage der Geschenke<br />

Da musste sie nachgeben: Anzahl der Gäste<br />

einen Mann, der sich gegen seine Eltern stellt und sich<br />

für seine Wünsche und die seiner Zukünftigen einsetzt.<br />

Aber nicht einmal das muss unbedingt erfolgreich<br />

sein und für alle gut ausgehen”, erzählt sie. Kürzlich<br />

sind Marija und ihr Mann Eltern geworden und leben<br />

ihr post-Hochzeit-Leben ohne die ständig wachenden<br />

Augen ihres Umfelds. Dennoch möchte Marija anonym<br />

bleiben, um ihre Schwiegereltern nicht zu verärgern und<br />

“naja, du weißt schon, des Dorfes wegen”.<br />

Der wichtigste Faktor bei so einer Hochzeit scheint<br />

dennoch Geld zu sein, wer es vorstreckt, hat die Macht.<br />

Bräute mit schwierigen und wenig verständnisvollen<br />

Elter und Schwiegereltern sind gut beraten, rechtzeitig<br />

genug Geld auf die Seite zu legen, um ihr Fest selbst<br />

zu bezahlen. Aber auch dann besteht die Gefahr, dass<br />

Beleidigung und Verrat so groß sind, dass gewisse<br />

Familienmitglieder nicht zur Hochzeit kommen. Hochzeit:<br />

Tradition oder Traum? Sieht aus, als wäre das mehr<br />

Glückssache als Verhandlungsgeschick. ●<br />

Ceren Basol<br />

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Jedes Mal, wenn Dario<br />

(29) sein Konto checkt,<br />

springt ihm sein Kreditbetrag<br />

ins Auge. „Vielleicht<br />

sollte ich das aus meinem<br />

Online Banking rausnehmen. Das<br />

ist nicht gut für den Blutdruck”,<br />

scherzt er. „Das ist echt viel Kohle,<br />

aber es war definitiv die richtige<br />

Entscheidung”, meint auch Esma<br />

(26), die sich vor zwei Jahren<br />

mit ihrem Mann eine Wohnung<br />

gekauft und seitdem einen Wohnkredit<br />

bei Raiffeisen laufen hat.<br />

SCHWITZEN VOR<br />

DER UNTERSCHRIFT<br />

Wohnungen in Wien kosten schnell<br />

ein paar Hunderttausend Euro. „Da<br />

kann einem echt schwindlig werden“,<br />

sagt Esma. „Aber was ist die<br />

Alternative? Die Miete schmeißt du<br />

Foto: Christoph Liebentritt


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nur zum Fenster raus – und das<br />

die nächsten 60 Jahre. Den Kredit<br />

zahl ich mir quasi in die eigene<br />

Tasche und irgendwann gehört<br />

die Wohnung dann mir.” Vor der<br />

Unterzeichnung des Wohnkredits<br />

kamen beide ordentlich ins<br />

Schwitzen. „Aber das hat sich<br />

schnell gelegt – da braucht man<br />

nur kurz mal nachrechnen und<br />

weiß, es macht absolut Sinn!“<br />

DAS GLÜCK DER<br />

BRUCHBUDE<br />

Danijel (38) ging es vor zehn Jahren<br />

auch so: „Miete zahlen ist in<br />

Wirklichkeit ja nicht gerade schlau<br />

- da bin ich langfristig mit eigener<br />

Wohnung und Wohnkredit besser<br />

dran. Dafür brauch ich kein Mathe-<br />

Genie sein, um mir das auszurechnen.“<br />

Dabei hatte Danijel<br />

echt noch Glück. Er fand damals<br />

eine günstige Immobilie – wobei<br />

günstig in der Immobilien-Branche<br />

oft den Umstand kaschiert, dass es<br />

sich um eine Bruchbude handelt.<br />

Mit viel handwerklichem Geschick<br />

verwandelte Danijel diese „Bruchbude”<br />

in eine coole Wohnung. „In<br />

15 Jahren habe ich meinen Kredit<br />

abbezahlt. Dann mach ich den<br />

Champagner auf.“<br />

NIX PASST AM ANFANG<br />

Aber wie finde ich überhaupt die<br />

richtige Wohnung? „Am Anfang ist<br />

es wirklich mühsam. Du siehst<br />

dir gefühlt 100 Wohnungen an<br />

und immer passt etwas nicht –<br />

Lage, Raumaufteilung, Infrastruktur,<br />

Verkehr, Nachbarn, aber<br />

meistens ist es der Preis, der<br />

einfach viel zu hoch ist”, erzählt<br />

uns Danijel. „Wichtig ist auch ein<br />

gut gefüllter Reparaturfonds des<br />

Wohnhauses, damit keine unerwarteten<br />

Kosten auf die Eigentümer<br />

zukommen.” Da kann man<br />

schnell mal den Überblick verlieren.<br />

Deswegen: Vor dem Kauf<br />

erst einen Experten die Wohnung<br />

checken lassen.<br />

MASSIVE WERT-<br />

STEIGERUNG MÖGLICH<br />

Darios Wohnung im 23. Bezirk hat<br />

150.000 Euro gekostet. Die<br />

Gesamtkosten waren jedoch<br />

höher, weil bei jedem Kauf rund<br />

10 Prozent an weiteren Ausgaben<br />

hinzukommen – für Makler, Grundbucheintragung,<br />

Bankspesen, etc.<br />

Dafür ist Darios Wohnung schon<br />

jetzt um einiges mehr wert. Wenn<br />

sich das so weiterentwickelt,<br />

könnte er sie nach Ende der Kreditlaufzeit<br />

sogar gewinnbringend<br />

verkaufen. „Meine Wohnung ist<br />

eine echte Wertanlage, da haben<br />

meine Kinder auch noch was<br />

davon“, erzählt er stolz.<br />

KREDITRECHNER<br />

CHECKEN<br />

Es hilft auch, wenn du das ganze<br />

Prozedere nicht alleine durchmachen<br />

muss. Ahmed (22) wurde<br />

von seinen Eltern unterstützt<br />

– auch mit einem Teil des notwendigen<br />

Kleingelds. Falls du<br />

niemanden hast, der dich dabei<br />

unterstützt oder die Kohle noch<br />

nicht ausreicht: nicht verzweifeln!<br />

Einfach mal informieren, wie<br />

viel Geld du für eine Wohnung<br />

brauchst. Der Raiffeisen Kreditrechner<br />

gibt dir einen ersten<br />

Überblick über die Rückzahlungsraten,<br />

die auf dich zukommen<br />

könnten. Vielleicht ist dein Weg<br />

zum Wohntraum gar nicht mehr<br />

so weit weg wie gedacht. Dario,<br />

Esma, Danijel und Ahmed haben<br />

ihn auch gefunden.<br />

www.rbgnoe.at/wohnmagazin


Instagram & Co. sind im Wandel – weg von<br />

Smoothiebowls und Detox-Tee hin zu<br />

Trauerbewältigung, Body Positivity und<br />

Feminismus. Modekonzerne haben den Trend<br />

erkannt, doch wo sind die Männer?<br />

GIRLPOWER<br />

Von Alexandra Stanić (Text und Fotos)<br />

Ich hab lange überlegt, ob ich das öffentlich<br />

machen will.“ Mit diesen Worten teilt Jaqueline<br />

Scheiber ein schweres Schicksal mit der<br />

Instagram-Welt. „Heute bin ich neben meinem<br />

leblosen Partner aufgewacht. Weil sein Herz einfach<br />

so zu schlagen aufhörte“, schreibt sie weiter. Auf dem<br />

Foto ist ein glückliches Pärchen zu sehen, das gerade<br />

Selfies macht. In kürzester Zeit reagieren über 200<br />

Instagram-User auf ihre Worte, der Großteil davon sind<br />

Frauen. Sie alle schicken Jaqueline Umarmungen, wünschen<br />

ihr Kraft, sprechen ihr Beileid aus. Sie erzählen<br />

von ihren Schicksalsschlägen, bieten Trost und schreiben<br />

von Tränen, die sie nicht zurückhalten konnten.<br />

„Mir folgen sehr sensible, emotionale und reflektierte<br />

Frauen auf Instagram“, erklärt die 23-Jährige. „Sie<br />

wollen nicht voyeuristisch sein, sondern bewusst an<br />

meinem Leben teilnehmen.“ Was in all dieser Trauer<br />

und Fassungslosigkeit schnell zum Vorschein kommt,<br />

ist die starke virtuelle Unterstützung, die Jaqueline von<br />

ihren LeserInnen erhält – aus Followerinnen werden<br />

Freundinnen.<br />

Geschichten wie die von Jaqueline machen eines<br />

klar: Social Media-Kanäle sind weitaus mehr als<br />

oberflächliche Plattformen, auf denen man sich selbst<br />

bestmöglich ablichtet und Emojis als Beschreibung seiner<br />

Bilder nutzt. Es kommt zwar darauf an, in welcher<br />

„Blase“ man sich befindet, aber Channels wie Facebook<br />

oder Instagram werden immer öfter als Netzwerke<br />

genutzt, um Trauer zu verarbeiten, Hilfe anzubieten<br />

oder um sich für ein besseres Frauenbild in der Gesellschaft<br />

einzusetzen. Eine große Gemeinsamkeit haben<br />

all diese Netzwerke: Es sind meist Frauen, die interagieren<br />

und Unterstützung suchen und finden.<br />

FREUNDE AUS DEM INTERNET<br />

Jaqueline schreibt seit über sieben Jahren auf ihrem<br />

Lyrik-Prosa-Blog minusgold. Die letzten Monate ging<br />

es in ihren Texten um die Verarbeitung ihrer Trauer, die<br />

sie fotografisch begleitet. Sie geht öffentlich mit ihrem<br />

Leid um, es ist nicht mehr nur persönlich, sondern ein<br />

offener Dialog. Der Preis, den sie dafür bezahlt? Unverständnis<br />

von alten Freunden und Bekannten. Aber wenn<br />

manche gehen, tauchen andere auf. Jaqueline schließt<br />

Freundschaften, die bisher auf Likes und Kommentaren<br />

beruhten. Sie erhält etliche Privatnachrichten von<br />

fremden Menschen. „Ich bin so weit weg von dir und<br />

34 / RAMBAZAMBA /


Junge Frauen solidarisieren sich auf sozialen<br />

Plattformen immer häufiger.<br />

/ RAMBAZAMBA / 35


Die Jungautorin Jaqueline Scheiber geht<br />

auf ihrem Instagram-Kanal offen mit ihrer<br />

Trauer um erreicht damit Tausende.<br />

36 / RAMBAZAMBA /


doch bist du mir so nahe“, schreibt eine junge Frau aus<br />

Deutschland. Eine andere tippt: „Deine Trauer trifft mich<br />

wie eine Kanonenkugel. Mitten in den Bauch, mitten ins<br />

Herz.“ Jaquelines Gedanken gehen Tausenden nahe. Sie<br />

selbst therapiert sich mit den Worten, die sie ins Internet<br />

stellt und versucht gleichzeitig anderen zu helfen.<br />

Eine von diesen vom-Internet-zur-Realität-Freundschaften<br />

ist mit Sophie Nawratil entstanden. Die 23-jährige<br />

Wienerin folgt Jaqueline schon länger auf Instagram. Es<br />

sind diese 20, 30 Follower, die man schon lange hat und<br />

kennt. Jeder, der auf Social Media aktiv ist, weiß, wovon<br />

die Rede ist. Die beiden Frauen treffen sich zu einem<br />

Spaziergang, beim ersten Mal ist noch eine gemeinsame<br />

Freundin dabei, in Zukunft werden sie sich auch alleine<br />

treffen. Jaqueline rutscht in einen neuen Freundeskreis.<br />

„Ich habe den Großteil meiner alten Freunde verloren,<br />

viele konnten nicht mit meiner Trauer umgehen“, erklärt<br />

sie. Für Sophie selbst ist es nichts Neues, eine Person, die<br />

sie „aus dem Internet kennt“, zu treffen. „Ich konnte auf<br />

diesem Weg viele enge Freundschaften schließen“, erzählt<br />

die Studentin. „Meine gute Menschenkenntnis leitet mich<br />

da zum Glück in die richtige Richtung.“<br />

WO BLEIBEN DIE MÄNNER?<br />

Sophie ist auch Teil der „Zero Waste“-Gruppe auf Facebook,<br />

die rund 3870 Mitglieder zählt. Hier werden täglich<br />

Fragen und Tipps zum Thema Minimalismus und Nachhaltigkeit<br />

gestellt. Interessant: Auch hier sind es, wie bei<br />

Jaquelines Instagram-Feed, größtenteils Frauen, die sich<br />

unterhalten. Sie besprechen, wo man verpackungsfreie<br />

Lebensmittel in Wien kauft, wie man Seife selber herstellt<br />

oder wie man alte Kleidung am besten wiederverwertet.<br />

„Ich bin ein großer Fan solcher Facebook-Gruppen,<br />

weil man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann“,<br />

erzählt Sophie. Auf die Frage, warum sie glaubt, dass es<br />

mehrheitlich Frauen sind, die einander helfen und interagieren,<br />

antwortet sie: „Wir Frauen sind es gewohnt, um<br />

Hilfe zu bitten. Frauen sind auch eher jene, die sich zu<br />

neuen Communities zusammentun oder sich mit ‚Fremden‘<br />

austauschen.“ Von Männern werde erwartet, stark<br />

zu sein, alles zu wissen und alles zu können. Das klinge<br />

ziemlich sexistisch, zeige aber nur, wie wichtig Feminismus<br />

ist. „So ungern sich eine Frau in die Rolle des schwachen<br />

Geschlechts drängen lässt, so sehr finden sich Männer in<br />

der Rolle des ‚Starken‘ nicht wieder.“<br />

In der Zero-Waste-Gruppe entsteht bei der Frage nach<br />

dem Fernbleiben von Männern eine angeregte Diskussion.<br />

„Ich denke, dass in vielen Haushalten einfach nach wie vor<br />

Frauen ‚Head of Einkauf‘ sind und sich deswegen mehr<br />

damit beschäftigen und ihre Partner da nur mitziehen“,<br />

schreibt eine Userin. Eine andere argumentiert, dass sie<br />

einige Männer kennt, die sich mit Umwelt und Müllvermeidung<br />

auseinandersetzen, aber keinen Facebook-Gruppen<br />

beigetreten sind. „Ich denke, das ist eher ein Frauending,<br />

würde aber nicht behaupten, dass Männer grundsätzlich<br />

weniger interessiert sind.“ Auch eine spannende Antwort:<br />

„Weil es hier hauptsächlich um Haushalt geht und Mäd-<br />

schultz+schultz · Foto: Carlos Ramos Foto: Lamia Lahbabi<br />

Oum<br />

«Zarabi»<br />

Fr, 7. April 20<strong>17</strong>, 19.30 Uhr, Mozart-Saal<br />

Mariza<br />

«Mundo»<br />

Di, 18. April 20<strong>17</strong>, 19.30 Uhr, Großer Saal


PUSSY POWER<br />

Den Trend hin zu Selbstbewusstsein, Akzeptanz des<br />

eigenen Körpers und Girlpower haben auch Modekonzerne<br />

für sich entdeckt. Labels, die bekannt für ihre<br />

Fotos mit Magermodels sind, nutzen das große Interesse<br />

an Girlpower bestmöglich. Sieht man sich in internationalen<br />

Fashion-Shops um, sind dort etliche, oft rosa<br />

Kleidungsstücke, die mit Sprüchen wie „believe in your<br />

female energy“ oder „support the girls“ zu finden. Es<br />

ist fragwürdig, inwieweit Frauenpower und -rechte für<br />

manch eines dieser Unternehmen wichtig sind, immerhin<br />

arbeiten ihre Girls, also ihren Näherinnen, oft unter<br />

prekären Bedingungen in Ländern wie Bangladesch.<br />

Dabei kämpft Feminismus um Gleichberechtigung und<br />

faire Chancen und Konditionen. Aber zumindest verbreiten<br />

sie die Girlpower-Message. Oder?<br />

Nadia Librowicz hat sich eines dieser vermeintlich<br />

feministischen Shirts zugelegt, ihres ziert der Spruch<br />

„Pussy Power“. „Mir gefällt, dass der Spruch das Klischee<br />

des ‚schwachen weiblichen Geschlechts‘ bricht“,<br />

erklärt die 23-jährige Deutschstudentin. „Er sagt mir,<br />

dass wir Frauen eine Vulva haben, ein wundervoll<br />

starkes Geschlecht, das uns allen Kraft verleiht.“ Ob<br />

es nicht problematisch sei, dass Modehäuser, die nicht<br />

nach ethischen Konditionen produzieren, von diesem<br />

Trend profitieren? „Ist es auf jeden Fall. Als kritische<br />

Sprüche wie „Support your local girl gang“ finden in den<br />

letzten Monaten großen Anklang. Hoffentlich stimmt der Spruch „the future is female“ .<br />

chen eingeimpft wird, dass sie dafür zuständig sind.“<br />

In der Diskussionsrunde meldet sich übrigens nur ein<br />

Mann zu Wort.<br />

Aber auch in anderen, derzeit trendigen, Bereichen<br />

mangelt es an männlichen Kollegen. Der Body Positivity-Hype,<br />

der gerade kursiert, ist wohl auch ein „Frauending“.<br />

Über zwei Millionen Mal wurde der Hashtag<br />

bodypositive bisher genutzt, ein kurzes Durchscrollen<br />

zeigt, dass dieses Thema größtenteils Frauen zu interessieren<br />

scheint. Die Bewegung „Body Positivity“ setzt<br />

sich dafür ein, dass jeder Körper, mit all seinen Narben,<br />

Dehnungen und Fett als schön empfunden wird.<br />

Die Plus Size-Bloggerin Justyna Ziarko hat eine simple<br />

Erklärung für die männliche Abstinenz. „Männer müssen<br />

sich im Gegensatz zu Frauen nicht abheben“, erklärt<br />

sie. „Es ist selbstverständlich, dass sie etwas ‚mehr‘<br />

haben, das lässt sie noch männlicher wirken.“ Männer<br />

seien eher von Bodyshaming betroffen, wenn sie dünner<br />

sind. Die 28-Jährige bemerkt einen Trend auf Social<br />

Media, der in Richtung Selbstakzeptanz und Selbstbewusstsein<br />

geht. „Body Positivity kommt langsam auch<br />

in Österreich an, Frauen haben keine Lust mehr, sich<br />

aufgrund ihrer Kurven zu verstecken“, so Justyna.<br />

Zuletzt war sie auf einem Plus-Size-Kleidertausch, der<br />

von der kürzlich entstandenen Community organisiert<br />

wurde.<br />

38


l<br />

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Entgeltliche Einschaltung<br />

Die Fotos sind in Kooperation mit Wiener Portraits entstanden,<br />

unter #VIEgirlgang gibt es auf Instagram mehr Bilder.<br />

Konsumentinnen obliegt es am Ende uns, ob und wie weit<br />

wir dieses Vorgehen unterstützen wollen.“ Grundsätzlich hält<br />

es Nadia für wichtig, dass das weibliche Geschlecht aus der<br />

dunklen Ecke herausgeholt wird. „Am besten wäre es, wenn<br />

alle auf den Girlpower-Zug aufspringen und mitfahren, bis<br />

es keinen Zug mehr braucht.“ Sie denkt bei der Macht von<br />

Mode vor allem an andere Beispiele, die auch ins Gewicht<br />

fallen. „Auf Mädchenshirts steht oft ‚cute‘ oder ‚sexy‘, während<br />

Jungenshirts mit ‚Superheld‘ oder ‚Genius‘ abgedruckt<br />

werden“, gibt sie zu bedenken. „Vielleicht sind modische,<br />

starke Statements wie ‚Pussy Power’ insofern wichtig, als<br />

dass sie hier eine Gegenposition zeigen.“<br />

Es ist gerechtfertigt, zu kritisieren, dass Girlpower derzeitig<br />

im Trend liegt und manche nur mitmachen, weil es<br />

gerade in ist. Die Arbeitsbedingungen vieler Fast Fashion-<br />

Konzerne sind inakzeptabel, dagegen muss man vorgehen.<br />

Aber vielleicht erwecken Sprüche wie „support your local<br />

girl gang“ ein Bewusstsein bei Frauen, die sich sonst nie<br />

für Feminismus interessiert hätten? Und womöglich sind<br />

es schlussendlich genau jene Frauen, die sich für faire und<br />

nachhaltige Produktion von Kleidung einsetzen? So gäbe es<br />

in all dieser Ungerechtigkeit doch noch einen kleinen Lichtblick.<br />

Betrachten wir also das große Ganze: Es ist gut, wenn<br />

eine wichtige Message Anklang findet. Außerdem ist an dem<br />

Spruch „The future is female“ hoffentlich auch etwas Wahres<br />

dran. ●<br />

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DAS<br />

SATIRE<br />

K A L I FAT<br />

Muslime sind unintegriert, radikal und humorlos? Mit diesem Klischee<br />

wollen die Satiriker „Datteltäter“ und Noktara.de aufräumen und<br />

beweisen: Humor und Islam sind eine echt fetzige Kombi.<br />

Von Nour Khelifi<br />

Younes Al-Amayra, Sam Khayari<br />

40 / RAMBAZAMBA /


Die „Datteltäter“ sind frech,<br />

erfolgreich, radikal lustig<br />

und rufen den Vorurteilen<br />

den „Bildungsdjihad“ aus.<br />

Mit bereits über 22.000 Abonnenten auf<br />

YouTube brechen die vier jungen Berliner<br />

mit ihren satirischen Videos kulturelle Klischees<br />

auf. Ob IS-Kämpfer, AfD-Boy oder<br />

klassischer „Das wird man ja wohl noch<br />

sagen dürfen“-Kommentator auf Facebook<br />

– bei den Datteltätern bekommt<br />

jeder Troll sein Fett ab.<br />

SHEIKH GOOGLE UND DIE NICHT<br />

VORHANDENE STEINIGUNG<br />

Was, wenn Google ein Imam wäre? Ein<br />

Mann in typisch arabischer Kleidung,<br />

weiße lange Robe und Kopfbedeckung,<br />

bekannt als der Google-Imam, stellt<br />

sich diversen Suchanfragen zum Islam.<br />

„Suche mir: Steinigung im Koran“, lautet<br />

die Anfrage eines Jungen. Der Google-<br />

Imam durchforstet seine Akten und<br />

Mappen, findet aber nichts: Die Steinigung<br />

wird im Koran nicht erwähnt. Etwas<br />

genervt versucht es der Junge mit anderen<br />

Keywords: „Koran. Ehebruch. Steine.<br />

Werfen.“ Und weil Google immer noch<br />

streikt: „Koran Steinigung ... Videos!“<br />

Sheikh Google wird in diesem Sketch<br />

von Datteltäter Fiete Aleksander gespielt.<br />

Überspitzte Rollen wie Trump oder<br />

Djihadi-Boys hat der 26-jährige Konvertit<br />

und Erzieher drauf. Er und der ebenfalls<br />

26-jährige Barbesitzer Marcel Sonneck<br />

sind die einzigen „Ur-Deutschen“ in der<br />

Gruppe und überzeugen vor der Kamera<br />

mit ihren Schauspiel-Skills. Obwohl<br />

Marcel der einzige Christ in der Gruppe<br />

ist, sind „Alhamdullilah“ und „Mashallah“<br />

schon fixe Vokabel in seinem Sprachgebrauch.<br />

Das ist dann wohl diese „Islamisierung<br />

des Abendlandes“.<br />

Der 31-jährige Younes Al-Amayra<br />

ist für Kamera und Schnitt zuständig.<br />

Der Islam-und Politikwissenschaftler hat<br />

syrisch-palästinensische Wurzeln und<br />

die meisten der Videos werden bei ihm<br />

zuhause gedreht. Farah Bouamar ist die<br />

gute Seele, das Brain und die einzige<br />

Madame in der Truppe, weitere weibliche<br />

Power wird aber bereits rekrutiert. Die<br />

Aktivistin und Studentin mit marokkanischem<br />

Background ist für die Organisation<br />

im Hintergrund zuständig. Wenn<br />

sie doch in einem Video vorkommt, reist<br />

sie extra aus Bielefeld an. Die Akteure<br />

Derya & Soufian: Gründer der muslimische Satire-News-Seite „noktara.de“<br />

kennen wir nun, aber welche Message<br />

steckt hinter den Datteltätern?<br />

DURCH PROVOKATION DEN<br />

SPIEGEL VORHALTEN<br />

Als 2015 die ersten Flüchtlinge in<br />

Österreich und Deutschland ankamen,<br />

ist die Debatte rund um den Islam, die<br />

Muslime und den IS wieder aufgeflammt.<br />

„In Deutschland gibt es Muslime seit fast<br />

60 Jahren und ich habe den Eindruck,<br />

dass man bis heute nicht viel dazu<br />

gelernt hat“, sagt Younes. „Millionen von<br />

Muslimen sind in den deutschen Medien<br />

immer noch unterrepräsentiert“, bemerkt<br />

Farah. „Wenn die Medien der Spiegel<br />

unserer Gesellschaft sind und Muslime<br />

nicht abgebildet werden, heißt es,<br />

Muslime werden nicht zur Gesamtgesellschaft<br />

mitgezählt“, kritisiert die 24-jährige<br />

Studentin.<br />

Deswegen wollen<br />

die Preisträger des<br />

deutschen Webvideopreises<br />

2016<br />

ein „Satire-Kalifat“<br />

errichten, erzählt<br />

Marcel. Die vier<br />

Deutschen setzen<br />

bewusst Reizwörter wie „Scharia“ und<br />

„Djihad“ ein. Begriffe, die selbst Marcel<br />

mittlerweile versteht und sogar Arabisch<br />

korrekt aussprechen kann. „Natürlich<br />

ist Provokation ein Stilmittel, wir wollen<br />

damit auf Schieflagen aufmerksam<br />

machen und zum Nachdenken anregen“,<br />

fügt er hinzu. „Unsere Videos beinhalten<br />

Kritik, aber auch mögliche Lösungsvorschläge.<br />

Nur Bashing alleine geht nicht“,<br />

stimmt ihm Kollege Fiete zu. Wichtige<br />

Muslime werden<br />

nicht zur<br />

Gesamtgesellschaft<br />

mitgezählt.<br />

Themen satirisch aufbereitet an den<br />

Mann bringen, das ist ihr Ziel.<br />

Es scheint zu funktionieren, denn<br />

die Reaktionen auf ihre Videos sind<br />

mehrheitlich positiv, die unzähligen<br />

Kommentare auf YouTube und Facebook<br />

singen davon ein Lied. Shitstorms<br />

gab es trotzdem einige. Vor allem beim<br />

ersten ging es so richtig ab. Die Poetry-<br />

Slammerin Nemi-El Hassan spricht im<br />

Video „Jetzt rede ich!“ auf dem Channel<br />

der Datteltäter über Sexismus und die<br />

Vorfälle am Kölner Bahnhof zur Silvesternacht<br />

2016. Daraufhin teilt der heiß<br />

umstrittene Politikwissenschaftler und<br />

Islam-Kritiker Hamed Abdel Samad das<br />

Video auf Facebook mit dem Statement,<br />

Muslime sollen endlich aufhören, sich<br />

hinter der typischen Rolle der Opfer zu<br />

verstecken. Das gab eine Extra-Portion<br />

Ruhm. Zu einer<br />

Reichweite von<br />

über einer Million<br />

Menschen sowie<br />

tausenden Likes<br />

und Shares können<br />

die Datteltäter<br />

nur eines sagen:<br />

„Danke!


Meine-SV-Sujets-A2.indd 3 08.09.16 13:33<br />

Die YouTube-Satiriker „Datteltäter“ bei der Arbeit<br />

aufbereiten und so „orientalische Würze<br />

in die Satirelandschaft bringen.“ Selbst<br />

der deutsche „Postillon“ kürte noktara.de<br />

zum „muslimischen Postillon“. Mit nahezu<br />

10.000 Likes auf Facebook hat die<br />

Seite bereits eine große Reichweite. Die<br />

ersten „Nachrichten aus dem Morgenland,<br />

schon heute“ gab es im April 2016<br />

online zu lesen.<br />

„WAS DARF SATIRE?“<br />

Genau wie den Datteltätern ist es auch<br />

Noktara ein Anliegen die eigene Community<br />

zu repräsentieren. „Wir sehen<br />

Noktara nicht nur als muslimische Plattform,<br />

sondern generell als Botschafter<br />

für religiöse und kulturelle Minderheiten<br />

im deutschsprachigen Raum. Man muss<br />

nämlich kein Muslim sein, um unterrepräsentiert<br />

zu werden, aber es hilft dabei<br />

sehr“, sagt Chefredakteur Soufian. Das<br />

Vorurteil, dass nur Muslime über sich<br />

selbst lachen dürfen, hält sich hartnäckig.<br />

„Ganz unbegründet ist dieser<br />

Standpunkt nicht, denn es gibt immer<br />

eine bestimmte Art von Humor, die nur<br />

jemand machen kann, der auch selbst<br />

betroffen ist“, meint Mitbegründer Derya.<br />

Der wesentlich größere Teil des Humors<br />

dient aber dazu Grenzen durch gemeinsames<br />

Lachen zu überwinden. Auch<br />

Datteltäter Younes ist klar, dass nicht<br />

alle muslimische Satire verstehen. „Es<br />

geht letztendlich auch darum Brücken<br />

zu schlagen. Nichtmuslime, die unsere<br />

Videos sehen, werden nicht jeden Lacher<br />

verstehen. Da können sie Fragen an die<br />

Community stellen und so kommt man<br />

ins Gespräch“, erklärt er.<br />

Auch die Diskussion, was Satire darf<br />

und was nicht, ist für die Islam-Satiriker<br />

schnell geklärt. „Solange eine ausreichende<br />

Auseinandersetzung da ist, passt<br />

alles“, meint Datteltäter Fiete. Wo die<br />

Grenzen liegen, müsse jeder Autor oder<br />

Künstler für sich selbst entscheiden,<br />

erklären die Noktara-Gründer. Für uns<br />

Ösis hat Noktara noch eine zusätzliche<br />

Botschaft: „Wir laden Österreich herzlich<br />

auf Noktara ein, sonst droht eine landesweite<br />

Steinigungstour!“ ●<br />

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Startseite Profil Konto<br />

Deniz “Türkeiexperte” Yücel<br />

Pinnwand<br />

Info Fotos Videos Gefällt mir<br />

Deniz Free Free Deniz:<br />

15. März 20<strong>17</strong> um 10:53 Uhr<br />

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Liebe Freunde! Vielen Dank für das Autokorso “Free Deniz”.<br />

Ich habe gehört die Wiener Polizei hat sogar das Hupen erlaubt.<br />

Landespolizeidirektion Wien, Ronald Grant Archive, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com, Günther Pichlkostner / First Look / picturedesk.com, Karlheinz Schindler / dpa / picturedesk.com, DeFodi / Action Press / picturedesk.com,<br />

Maurizio Gambarini / dpa / picturedesk.com, ADEM ALTAN / AFP / picturedesk.com, OZAN KOSE / AFP / picturedesk.com, FETHI BELAID / AFP / picturedesk.com, rtn peter wuest / dpa Picture Alliance / picturedesk.com, bereitgestellt<br />

Informationen<br />

Informationen:<br />

Beziehungsstatus:<br />

gezwungenermaßen<br />

enthaltsam.<br />

Hobbys: Schreiben,<br />

Lesen, Kunst und Kultur<br />

momentan<br />

Motto: Never give up<br />

Freunde<br />

4.270 Alle anzeigen<br />

Florian<br />

Klenk<br />

Can<br />

Dündar<br />

Die Welt<br />

Redaktion<br />

El Chapo<br />

Redhackl<br />

Wentworth<br />

Miller<br />

Fotos<br />

2 von 5 Alben Alle anzeigen<br />

Deniz Free<br />

vor 82 Tagen<br />

aktualisiert<br />

Free Deniz<br />

vor 120 Tagen<br />

aktualisiert<br />

1259 und allen türkischen Hochzeitskorsos gefällt das<br />

Wiener Polizei: Mit eingsperrte Tschuschn haben mia genug<br />

zu tun. Wir kennen uns da aus. Wir san in gewisser Weise auch<br />

Türkeiexperten Herr Yücel gö<br />

Gefällt mir · Antworten · 14 · 2 Std.<br />

Wiener Polizei: Ps! Ihr Auto stand zu lange am selben Fleck.<br />

Des hamma abgeschleppt. Simmeringer Haide abholen bitte.<br />

Gefällt mir · Antworten · 87 ·2 Std.<br />

Deniz Yücel schaut Prison Break<br />

15. Jänner 20<strong>17</strong> um 16:05 Uhr<br />

48 anderen gefällt das gar nicht<br />

Recep Tayyip Erdogan: Deniz! Warum hast du scho wieder<br />

Internet herst? Ich hab das Internet ja wieder gesperrt oder?<br />

Gefällt mir · Antworten · 159 · 28 Std.<br />

Binali Yildirim: Na Chef. Kurze Sondergenehmigung, Weil sonst<br />

habe ich auch kein W-Lan mehr. Muss bei Candy Crush noch 5<br />

Level schaffen.<br />

Gefällt mir · Antworten · 58 · 28 Std.<br />

Angela Merkel<br />

14. März 20<strong>17</strong> um 15:05 Uhr<br />

Deniz zur Motivation hier ein Song von der BRD an dich:<br />

Halte durch! Wir stehen hinter dir.<br />

Xatar, Aziz Yildirim, Ulli Höneß und 182 anderen gefällt das<br />

Ulli Höneß: Deniz wennst da wieder draus bist, dann kriegst<br />

Würstel und Bayern München Spiele kostenlos auf Lebzeiten.<br />

Gefällt mir · Antworten · 88 · 50 Std.<br />

Helmut Elsner: Sag einfach du bist krank Bro.<br />

Gefällt mir · Antworten · 45 · 50 Std.<br />

Bald neue Staffel!<br />

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wessen Pinnwand<br />

ihr in der nächsten<br />

Ausgabe lesen wollt:<br />

tiftik@dasbiber.at<br />

/ FAKEBOOK / 43


TIPP:<br />

HeForShe Vienna ist ein Verein, der<br />

sich für die Gleichstellung der<br />

Geschlechter stark macht. Er hat es sich<br />

zur Aufgabe gemacht, Männer<br />

zu ermuntern, auch für gleiche<br />

Rechte einzustehen.<br />

http://www.heforshe.at/<br />

Studieren statt<br />

saunieren.<br />

Von Alexandra Stanić<br />

Karriere<br />

& Kohle<br />

Wichtig:<br />

Bei den Gründungen von Start-Ups gibt es in<br />

Österreich ein Gender-Gap. Dem will „Female<br />

Founders“ entgegenwirken. Ziel der Vernetzungsplattform<br />

ist es, an der Verbesserung der<br />

Situation von Gründerinnen zu arbeiten und den<br />

Austausch von Frauen zu fördern, unter anderem<br />

mit Networking-Events und Mentoring-<br />

Programmen. https://www.femalefounders.at/<br />

MEINUNG:<br />

Schwach, klein<br />

und weniger intelligent<br />

Uns Frauen wird zum Beispiel vorgeworfen, dass wir<br />

„zu emotional“ sind und mit anderen Frauen „ständig<br />

im Konkurrenzkampf stehen.“ Der polnische EU-Parlamentarier<br />

Janusz Korwin-Mikke setzte kürzlich einen<br />

drauf. Er hält uns für „schwächer, kleiner und weniger<br />

intelligent“. Deswegen sei es nachvollziehbar, dass wir<br />

weniger verdienen. Ich musste an die vielen Menschen<br />

denken, die meinen, wir bräuchten den Kampf<br />

um Gleichberechtigung nicht mehr. Und wie wir ihn<br />

brauchen! Frauen verdienen in Österreich weiterhin um<br />

etwa 25 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen<br />

- bei gleichen Kompetenzen. Eine AK Wien Studie hat<br />

ergeben, dass rund 22 Prozent der befragten jungen<br />

Frauen schon einmal mit anzüglichen Bemerkungen am<br />

Arbeitsplatz umgehen mussten, sieben Prozent berichten<br />

von sexueller Belästigung. Es ist noch ein langer<br />

Weg bis zur Gleichberechtigung. Laut dem Gleichstellungsbericht<br />

des Weltwirtschaftsforums wird es in<br />

Österreich noch <strong>17</strong>0 Jahre dauern, wenn sich nicht<br />

bald etwas ändert. Freundinnen, diese Veränderung<br />

können wir sein! Zeigen wir Männern wie Korwin-Mikke,<br />

dass wir nicht schwächer und schon gar nicht weniger<br />

intelligent als unsere männlichen Kollegen sind.<br />

stanic@dasbiber.at<br />

3 FRAGEN AN<br />

Romy Reis<br />

CEO von GridMusic<br />

Von David Slomo<br />

Was hat dich dazu bewegt,<br />

ein Label zu gründen?<br />

Ich wollte etwas in der<br />

österreichischen Musikszene<br />

verändern. Wir haben<br />

so viele KünstlerInnen, die<br />

keine Bühne bekommen.<br />

Mit meinen Kollegen Lukas<br />

Hillebrand und Alex Pohn<br />

wollte ich Künstler von 0<br />

auf aufbauen. Es war ein<br />

Risiko, aber es ist ja alles<br />

gut gegangen.<br />

Wie ist es als Frau mit<br />

so vielen Männern als<br />

Schützlingen? Fällt es dir<br />

da manchmal schwer dich<br />

durchzusetzen?<br />

Ich glaube, es geht mehr<br />

um den Charakter, als um<br />

das Geschlecht. Es gibt<br />

männliche, wie auch weibliche<br />

Künstler, mit denen es<br />

schwierig ist zu arbeiten.<br />

Ich habe ein großes Glück,<br />

ich kann mir heute schon<br />

aussuchen, mit wem ich<br />

arbeiten möchte. Diesen<br />

Luxus gönne ich mir.<br />

Wohin soll es mit<br />

GridMusic noch gehen?<br />

Das weiß ich nicht. Ich<br />

lebe im „Jetzt“. Wenn es<br />

irgendwann nicht mehr<br />

passen sollte, dann wird<br />

sich das zeigen. Die<br />

Motivation, etwas in der<br />

Musikszene zu verändern,<br />

bleibt.<br />

bereitgestellt, Marko Mestrović, Regina Aigner<br />

44 / KARRIERE /


VHS Wien<br />

DER WEG IN EINE<br />

BESSERE ZUKUNFT<br />

Der Einstieg ins Berufsleben ist nie einfach. Für manche<br />

ist er nochmal schwieriger. Deshalb haben die Wiener<br />

Volkshochschulen das Jugendcollege ins Leben gerufen,<br />

um jungen Geflüchteten eine Perspektive zu geben.<br />

Von David Slomo<br />

Manche Mädchen<br />

aus Syrien sind<br />

echte Talente,<br />

wenn es um Mathematik<br />

geht. Da steigen die meisten<br />

Erwachsenen schon aus“,<br />

sagt Maria Steidl, Leiterin des<br />

Projektes „Jugendcollege“.<br />

Die VHS Wien will damit<br />

jungen Menschen zwischen<br />

15 und 21 Jahren den Weg in<br />

eine bessere Zukunft ebnen.<br />

Zielgruppe sind vor allem<br />

AsylwerberInnen, Asylberechtigte<br />

und subsidiär Schutzberechtigte.<br />

Auch benachteiligte<br />

Jugendliche, die nicht mehr<br />

schulpflichtig sind, dürfen an<br />

dem modularen Bildungsangebot<br />

teilnehmen.<br />

Das System ist dreistufig<br />

und es wird individuell<br />

auf jeden eingegangen. Je<br />

nachdem wie hoch der Bildungsgrad<br />

ist, kann man erst<br />

bei Stufe 1 einsteigen oder<br />

auch schon bei Stufe 2, falls<br />

die Jugendlichen Vorwissen<br />

haben. Die Kernmodule Basisbildung<br />

(Mathematik, Englisch,<br />

IKT) und Deutschmodule<br />

werden mit Spezialmodulen<br />

(Pflicht- und Wahlpflichtmodule)<br />

kombiniert. Dazu<br />

kommen sozialintegrative<br />

Aktivitäten, Beratung zu<br />

Bildung und Beruf und diverse<br />

unterstützende Angebote wie<br />

Lernhilfe durch Ehrenamtliche<br />

oder sozialpädagogische<br />

Begleitung.<br />

Die Anzahl der Kursplätze<br />

ist auf 1000 begrenzt. In<br />

monatlichen Clearings, die ein<br />

bis zwei Tage dauern, wird<br />

jungen Menschen laufend<br />

die Aufnahme zum Jugendcollege<br />

ermöglicht. In diesen<br />

Clearings wird erhoben, auf<br />

welchem Bildungsstand sich<br />

die Jugendlichen befinden,<br />

um ihnen das passende<br />

Bildungsangebot anzubieten.<br />

„Manche müssen erst lesen<br />

und schreiben lernen, andere<br />

zeigen einen deutlich höheren<br />

Bildungsgrad auf. Das ist<br />

komplett unterschiedlich“, so<br />

Steidl. Hin und wieder gibt<br />

es Ausnahmefälle, wie ein<br />

junger Mann aus Afghanistan<br />

beweist. „Er war nie in der<br />

Schule und hat sich in Österreich<br />

das Lesen und Schreiben<br />

selbst beigebracht. Vor<br />

kurzem hat er seine Prüfung<br />

abgelegt und ist nun auf B1<br />

Niveau“, erzählt die Projektleiterin<br />

stolz. Die Jugendlichen<br />

bekommen für jeweils acht<br />

Wochen einen Stundenplan.<br />

„Es ist eine Herausforderung,<br />

aber gleichzeitig auch<br />

wichtig. Die meisten sind froh<br />

eine Schule zu besuchen und<br />

einen geregelten Tagesablauf<br />

oder eine Bezugsperson zu<br />

haben“, meint Steidl.<br />

Eine große Herausforderung<br />

ist die Sprache. „Die<br />

Sache mit den Artikeln ist ja<br />

immer ein Problem“, schmunzelt<br />

die Projektleiterin. „Vor<br />

allem bei Jugendlichen, die<br />

schon ausgesprochen gut<br />

Englisch können, ist das eine<br />

große Schwierigkeit. Die können<br />

sich in Österreich schon<br />

gut verständigen und da ist<br />

die Notwendigkeit eine neue<br />

Sprache zu lernen natürlich<br />

gering. Jetzt nach vier Monaten<br />

finden sie aber langsam<br />

zur Sprache.“<br />

Durchschnittlich bleiben<br />

die Jugendlichen neun<br />

Monate lang im College. Seit<br />

September 2016 wurden über<br />

100 Buben und Mädchen<br />

weitervermittelt. Manche<br />

machen nun ihren Pflichtschulabschluss,<br />

andere besuchen<br />

Übergangslehrgänge,<br />

die sie auf das Schulsystem<br />

vorbereiten und viele haben<br />

schon Lehrstellen bekommen.<br />

Die Berufswünsche sind<br />

individuell: „Von Bäckern und<br />

Apothekern bis hin zu Ärzten<br />

und Juristen ist alles dabei.“<br />

Ein Berufswunsch überrascht<br />

die Projektleiterin besonders:<br />

„Viele wollen tatsächlich<br />

Polizist werden. Wir bemühen<br />

uns natürlich das zu ermöglichen,<br />

doch wir wissen wie<br />

schwierig die Auflagen hier<br />

sind.“<br />

Steidl ist vom Projekt<br />

felsenfest überzeugt. Schon<br />

nach kurzer Zeit stellte sie<br />

fest, dass es unter den<br />

meisten jungen Menschen<br />

Potenzial gibt, auf dem man<br />

aufbauen kann: „Die Jugendlichen<br />

sind so lernwillig und<br />

wissbegierig. Die Lehrer sind<br />

manchmal selbst überrascht,<br />

wie begeistert die Schüler an<br />

die Sache herangehen.“ ●<br />

Weitere Infos unter: www.vhs.at/jugendcollege<br />

/ KARRIERE / 45


Selbermacher<br />

„Ex Rakia“ soll<br />

die Tradition des<br />

Schnapstrinkens am<br />

Balkan wiederbeleben<br />

und in die Wiener<br />

Clubs holen. Gründer<br />

Ivan Stefanovic erzählt<br />

von seiner Idee, den<br />

Schwierigkeiten und<br />

warum sein Produkt<br />

vor allem den Mädels<br />

schmecken muss.<br />

Text: Adriana Davidović<br />

Fotos: Susanne Einzenberger<br />

„Du musst dir<br />

selbst Druck<br />

machen!“<br />

Alles begann vor einigen Jahren<br />

bei einer International Night<br />

Party in Zagreb. Jeder Student<br />

brachte sein eigenes Nationalgetränk<br />

mit. Die Russen hatten ihren Vodka, die<br />

Deutschen ihren Jägermeister, die Türken<br />

ihren Yeni Raki. Nur die Jugos hatten<br />

kein Getränk mit einer international<br />

bekannten Marke. Da kam Ivan die Idee,<br />

„Ex Rakia“ zu gründen. „Ich wollte nicht<br />

ein Produkt, das auf ein Land spezialisiert<br />

ist, sondern eines, das als jugoslawisch<br />

angesehen wird – ein Produkt, das<br />

verbindet.“ In ex-jugoslawischen Ländern<br />

gibt es aber genug Rakija. Deshalb<br />

das Ziel: Ex-Rakia soll fixer Bestandteil<br />

der Getränkekarten von Wiener Clubs<br />

werden.<br />

„KEINER WAR BEEINDRUCKT.“<br />

Monatelang ist der 28-Jährige von<br />

Bank zu Bank gelaufen und hat seinen<br />

Businessplan vorgelegt, doch keiner<br />

war beeindruckt. Nach etlichen Hürden<br />

und Versuchen klappte es endlich. Ivan<br />

probierte über 30 Obstbrandhersteller<br />

in Serbien aus, um sicherzugehen, dass<br />

sie auch bei hoher Quantität den hohen<br />

Qualitätsansprüchen gerecht werden<br />

können. Letztendlich eröffnete er in Novi<br />

46 / KARRIERE /


Sad eine Produktionsstätte mit einer<br />

Destillieranlage aus Deutschland. Hier<br />

werden die Bio-Früchte des Balkans<br />

mehrfach gewaschen, die Körner entfernt<br />

und der Schnaps zweifach destilliert.<br />

Pro Liter werden 13 kg Früchte<br />

verwendet. „Daher kommt der richtig<br />

fruchtig aromatische Geschmack – ein<br />

bisschen würzig am Gaumen, abschließend<br />

wird er zum Genuss.“<br />

DIE NEUE ALTE TRADITION<br />

„Ich wollte das Rakijatrinken wiederbeleben.<br />

Ein Schluck beim Kaffeetrinken,<br />

vielleicht eine Zigarette dazu. Das war<br />

Tradition bei uns.“ Ivan wollte aus der<br />

alten Tradition etwas Neues, Innovatives,<br />

Elegantes und Modernes machen.<br />

Dafür tut er etwas, was Jugos sonst<br />

nie machen würden: Er mischt den<br />

Rakija. „Als damals der Trend mit den<br />

Longdrinks und Cocktails in Europa<br />

startete, zogen alle mit. Nur Rakija eben<br />

nicht. Jetzt wird es Zeit.“ Die köstlichen<br />

Mischungen aus Marillenbrand mit Orangensaft<br />

oder Pflaumenbrand mit Cranberry<br />

sind besonders gefragt. Vor allem<br />

war es Ivan wichtig, dass „Ex Rakia“ den<br />

Mädels schmeckt. „Auf der Ottakringer<br />

Straße läuft das so: Wenn es die Ladies<br />

mögen, kaufen es ihnen die Männer.“<br />

„DURCHHALTEVERMÖGEN IST DAS<br />

WICHTIGSTE.“<br />

Auch wenn das gesamte Konzept<br />

nun läuft, einfach war es nicht.<br />

„Eine gute Idee bringt nichts ohne den<br />

Versuch, sie umzusetzen. Viele Leute<br />

haben gute Ideen, doch leider gehen<br />

wenige das Risiko ein es zu probieren.“<br />

Ivan hat gelernt einen klaren Fokus zu<br />

setzen. „Man muss ein hohes Maß an<br />

Selbstmotivation haben und sich stetig<br />

persönlich weiterentwickeln. Ich liebe<br />

es, wenn einer sagt, das geht nicht,<br />

dann beweise ich ihm das Gegenteil.<br />

Wo andere Probleme sehen, suche ich<br />

nach Lösungen. Wörter wie „Stress“<br />

oder „Probleme“ sind längst aus meinem<br />

persönlichen Wortschatz gestrichen. Du<br />

musst dir selbst den Druck machen, weiterzukämpfen.<br />

Konstantes Lernen und<br />

Weiterbilden muss zum Alltag gehören,<br />

denn man kann dir alles wegnehmen<br />

– Geld, Haus, Auto. Doch niemals dein<br />

Know-how.“ Živeli! ●<br />

WKO-WIEN HILFT<br />

Im Gründerservice der WKO-Wien<br />

kann man bei einem Beratungsgespräch<br />

alle Fragen stellen, die<br />

die Gründung eines Unternehmens<br />

betreffen. Im Vorhinein kann man<br />

sich auch schon eigenständig<br />

online informieren. Ob generelle<br />

Tipps zur Selbstständigkeit,<br />

rechtliche Voraussetzungen, Amtswege<br />

oder Finanzierungs- und<br />

Förderungsmöglichkeiten: Auf der<br />

Website kommt man mit wenigen<br />

Klicks zu allen wichtigen Informationen.<br />

wko.at/wien<br />

www.gruenderservice.at<br />

Die Selbermacher-Serie ist eine<br />

redaktionelle Kooperation von das<br />

biber mit der Wirtschaftskammer<br />

Wien.<br />

DER ERSTE<br />

SCHRITT ZUM<br />

ERFOLG!<br />

»<br />

IHR SERVICEKONTAKT<br />

+43 1 514 50 - 1050<br />

Das WK Wien-Servicepaket ist randvoll mit Unterstützung, Beratung und<br />

ExpertInnenkontakten. Besonders bei der Beratung zur Unternehmensgründung.<br />

W wko.at/wien/gruenden<br />

/ RAMBAZAMBA / 47


WIRD DER DÖNER EINMAL 8 € KOSTEN?<br />

Immer mehr Menschen leben am Existenzminimum.<br />

Roman Hebenstreit, Vorsitzender der<br />

Gewerkschaft VIDA, will dagegen vorgehen.<br />

Sein Fokus: Mindestlohn.<br />

von David Slomo. Foto: Michaela Kobsa<br />

Die Gewerkschaft VIDA<br />

vertritt die Interessen von<br />

ArbeitnehmerInnen aus über<br />

100 Nationen. VIDA kämpft für<br />

gute Arbeitsbedingungen und<br />

Lebensqualität. Ein langfristiges Ziel<br />

ist der Mindestlohn von <strong>17</strong>00 Euro.<br />

Hilfe, Rat und Tat gibt es unter<br />

info@vida.at<br />

<strong>BIBER</strong>: Stellen Sie bitte VIDA in einem<br />

Satz vor.<br />

ROMAN HEBENSTREIT: Wir vertreten die<br />

Interessen der einfachen Arbeiter.<br />

Ihr Ziel ist ja zum Beispiel der Mindestlohn<br />

von 1500 Euro brutto. Wieso diese<br />

Summe?<br />

Leistung muss sich lohnen. Arbeit darf<br />

nicht eine zweite Mindestsicherung werden,<br />

sondern muss ein würdiges Leben<br />

ermöglichen. Unser eigentliches Ziel ist<br />

aber ein Bruttogehalt von <strong>17</strong>00 Euro.<br />

Bis wann wollen Sie das durchsetzen?<br />

Bis gestern.<br />

Wie viele Menschen sind unter dem<br />

Armutsschwellwert?<br />

Ungefähr 360.000 Leute, die hauptsächlich<br />

im Dienstleistungssektor arbeiten.<br />

Also Reinigungskräfte oder Friseure. Die<br />

Hälfte davon sind Migranten.<br />

Hat die Flüchtlingswelle nach dem<br />

Bosnienkrieg dazu beigetragen, dass die<br />

Gehälter so niedrig sind?<br />

Der Druck ist damit erhöht worden.<br />

Es ist eine Erpressbarkeit entstanden,<br />

denn die arbeitenden Menschen wurden<br />

geschwächt. Deshalb gibt es uns. Wir<br />

helfen bei Problemen. Die Menschen<br />

müssen sich organisieren und dürfen<br />

sich nicht alles gefallen lassen.<br />

Auch derzeit steigt der Druck wieder aufgrund<br />

der Flüchtlingskrise, denn mir ist<br />

bewusst, dass die Menschen, die ankommen,<br />

Geld brauchen und ein Mindestlohn<br />

ist ihnen egal.<br />

Nochmal zu Ihrem Ziel: Wird nach der<br />

Anhebung jeder Lohn steigen?<br />

Auf kurz oder lang, ja. Das wird aber<br />

nicht von heute auf morgen passieren.<br />

Es macht natürlich Sinn, denn die Menschen<br />

sind dann motivierter mehr für ihr<br />

Geld zu tun.<br />

Und woher würde das Geld für die Erhöhungen<br />

kommen?<br />

Ich wurde noch nie gefragt, woher das<br />

Geld für Managergehälter kommt. Wir<br />

können uns das leisten. Es ist auch nicht<br />

schwer, denn das Geld kommt durch<br />

Konsum wieder zurück.<br />

Kann es auch passieren, dass dann der<br />

Döner bei uns mal 8 Euro kosten wird?<br />

Möglich. Nur ist es ok, weil ich dann um<br />

100% mehr verdiene.<br />

Was wären Ihre nächsten Ziele, die Sie<br />

verwirklichen wollen?<br />

Arbeitszeitverkürzung zum Beispiel. Es<br />

wird an der Zeit Arbeit zu verteilen, um<br />

der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.<br />

Ob es weniger Stunden werden oder<br />

eine zusätzliche Urlaubswoche wird sich<br />

noch herausstellen.<br />

Was wollen Sie der biber Community<br />

noch sagen?<br />

Solidarisiert und organisiert euch. Wir<br />

sind für Fragen, aber auch für Ideen<br />

offen. Vielleicht gibt es Anliegen und<br />

Themen, die wir nicht im Visier haben. ●<br />

48 / KARRIERE /


EIN ANTRAG,<br />

DER SICH LOHNT<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer<br />

bekommen in vielen Fällen Geld vom<br />

Finanzamt zurück. Daher sollte man<br />

sich dieses Geld abholen.<br />

BEZAHLTE ANZEIGE<br />

Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,<br />

die im Vorjahr unselbständig<br />

beschäftigt waren, bekommen vom<br />

Finanzamt Geld zurück. Allerdings müssen<br />

sie dafür die ArbeitnehmerInnenveranlagung<br />

durchführen. Aber keine<br />

Angst, das ist nicht schwierig, und es<br />

gibt Hilfe bei Fragen.<br />

WARUM BEKOMMT<br />

MAN GELD?<br />

In Österreich zahlt jemand, der höhere<br />

finanzielle Belastungen hat, weniger<br />

Steuern als jemand, der diese Belastungen<br />

nicht hat. Berücksichtigt werden<br />

beispielsweise die Ausgaben für<br />

die Kinderbetreuung, der Aufwand, den<br />

das Pendeln zur Arbeit verursacht oder<br />

die Kosten einer Ausbildung. Damit<br />

das Finanzamt von diesen Belastungen<br />

weiß, muss eine ArbeitnehmerInnenveranlagung<br />

durchgeführt werden.<br />

WIE MACHT MAN EINE<br />

ARBEITNEHMERINNEN-<br />

VERANLAGUNG?<br />

Der traditionelle Weg ist der, sich<br />

das entsprechende Formular beim<br />

Finanzamt zu besorgen, den Antrag<br />

auszufüllen und abzugeben. Oder man<br />

nützt – wie die Mehrheit der in Österreich<br />

Beschäftigten – FinanzOnline und<br />

wickelt die Steuererklärung elektronisch<br />

ab.<br />

„Auch wenn seit heuer in bestimmten<br />

Fällen die ArbeitnehmerInnenveranlagung<br />

automatisch vom Finanzamt<br />

durchgeführt wird, empfiehlt es sich,<br />

selbst einen Antrag zu stellen“, sagt<br />

AK Präsident Rudi Kaske. „Niemand<br />

hat etwas zu verschenken. Achten Sie<br />

darauf, dass Sie das, was Ihnen zusteht,<br />

auch bekommen.“<br />

Viele Fragen zu dem Thema werden<br />

im Internet unter<br />

wien.arbeiterkammer.at/steuer<br />

beantwortet. Zudem kann man AK<br />

Steuer-Ratgeber bestellen, entweder<br />

unter der Nummer 01/50165-402 oder<br />

unter bestellservice@akwien.at<br />

MEHR NETTO<br />

wien.arbeiterkammer.at/steuer<br />

Nichts verschenken: Machen Sie jetzt Ihre<br />

Arbeitnehmerveranlagung und holen Sie sich<br />

zuviel bezahlte Steuern zurück.<br />

GERECHTIGKEIT MUSS SEIN


Kartondrohne<br />

Das Unternehmen „Otherlab“ aus<br />

den USA baut Apsara-Drohnen aus<br />

Karton, die Medikamente in unwegsame<br />

Gebiete bringen sollen. Vorteile:<br />

Pappe verrottet, verpestet also<br />

nicht die Umwelt und ist in großen<br />

Stückzahlen günstig herzustellen.<br />

Nachteile: noch nicht im Einsatz.<br />

Technik<br />

Alt+F4 und der<br />

& Mobil<br />

Tag gehört dir.<br />

Von Adam Bezeczky<br />

Nintendo is Back!<br />

Mit dem Release der neuen Nintendo<br />

Switch Plattform geht das japanische<br />

Unternehmen neue Wege. Die Konsole<br />

kann sowohl über ein Dock zu Hause am<br />

Fernseher, als auch unterwegs mit „Joy-<br />

Controllern“ gesteuert werden und sieht<br />

dann aus wie ein Tablet mit Henkeln.<br />

MEINUNG:<br />

Smart gegen Dumm<br />

Auf dem Mobile World Kongress, der größten Handymesse<br />

der Welt, stiehlt Nokia der ganzen Smartphone-Konkurrenz<br />

die Show. Und zwar nicht mit einer weiteren Ausführung eines<br />

Smartphones, sondern mit der Wiederbelebung eines Kult-Klassikers.<br />

Das neue Nokia 3310 ist eine Hommage an das unzerstörbare<br />

Handy von damals. Mit Snake. Aber „Feature Phones“<br />

sind laut Wirtschaftsservice Bloomberg im Kommen. Mit einem<br />

32-prozentigen Anstieg 2016 in Schwellenländern verdrängen<br />

sie Smartphones im Wachstum. Eh klar, die Akkus der „Feature<br />

Phones“ halten tagelang durch und sind auch hart im Nehmen:<br />

Diesen Mobiles macht ein Absturz vom Tisch nichts aus. Möglicherweise<br />

können also die vielen „smarten“ Phones einiges von<br />

ihren „dummen“ Kollegen lernen. bezeczky@dasbiber.at<br />

GEMEINSAM HASSEN<br />

Tinder ist out. Mit der Dating-App „Hater“<br />

können wir unseren Traumpartner jetzt über<br />

eine weitere verbindende Emotion finden:<br />

dem Hass. Themen werden vorgeschlagen,<br />

mit einem Wisch nach unten bestätigen wir,<br />

dass wir zum Beispiel keine Techno Musik<br />

mögen. Wer also gerne seine schlechte<br />

Laune teilt, findet auf der Plattform sicherlich<br />

den/die Richtige/n. Ist das nicht romantisch?<br />

Marko Mestrović, bereitgestellt, Nokia, Microsoft, Nintendo<br />

50 / TECHNIK /


Geisterstunde in Bolivien<br />

In Ubisofts Open World Shooter „Ghost Recon: Wildlands“ schlüpfen wir in<br />

die Rolle einer Spezial-Einheit und kämpfen wahlweise alleine oder mit bis<br />

zu drei Freunden im Koop-Modus gegen das mächtige Santa Blanca Drogenkartell.<br />

Das macht viel Spaß: Entweder im Rambo- oder im Schleichmodus<br />

knöpfen wir uns Menschenhändler und Drogenbosse vor. Wer schleicht, hat<br />

aber bessere Karten: Solange unsere Mannen unentdeckt bleiben, sind auch<br />

die stärksten Gegner leichte Beute. Auch ohne Drogen sieht das Spiel extrem<br />

hübsch aus – die Entwickler haben unterschiedliche Klima- und Vegetationszonen<br />

detailverliebt nachgebaut. Verrostete Spanischkenntnisse werden<br />

durch die Dialoge aufgepeppt. Wer dazu noch Narcos schaut, fühlt sich<br />

mitten in die Serie versetzt. Suchtpotenzial entwickelt die Jagd nach neuen<br />

Waffenanbauteilen und Erfahrungspunkten, mit denen wir aus unseren Spezialeinheiten<br />

richtige Kampfmaschinen machen. Vamos Compañeros!<br />

Rettet Prinzessin Zelda<br />

Hyrule, Heimat von Prinzessin Zelda<br />

und ihrem edlen Bodyguard Link<br />

sieht mal wieder finsteren Zeiten<br />

entgegen. Ganon, das Übel aus<br />

einer alten Prophezeihung kam,<br />

sah und siegte. Doch er hat die<br />

Rechnung ohne unseren Helden<br />

Link gemacht. Dieser erwacht nach<br />

einer längeren Auszeit und nimmt<br />

sich, mit Hilfe eines Tablets – das<br />

nur ganz zufällig an die Nintendo<br />

Switch erinnert – den Kampf gegen<br />

das Böse auf. Mit Zelda: The Breath<br />

of the Wild wird der Spielserie ein<br />

Freiheitsgeist eingehaucht, denn<br />

in der offenen Spielewelt ist alles<br />

möglich - Kampf, Abenteuer und<br />

Rollenspiel. Die Liebe der Entwickler<br />

zum Zeldaversum ist unverkennbar<br />

und zaubert auch nach vielen Spielstunden<br />

ein Lächlen ins Gesicht der<br />

Gamer. So müssen unterhaltsame<br />

und familienfreundliche Spiele sein!<br />

ZEIT FÜR ECHTZEIT<br />

Mit Halo Wars 2 erscheint ein<br />

Echtzeitstrategiespiel, das diesen<br />

Namen auch verdient. Mit<br />

Halo Wars 2 lässt Entwickler 343<br />

Industries die Mannschaft der<br />

verloren geglaubten „Spirit of<br />

Fire“ gegen einen neuen Feind<br />

im Halo-Universum antreten.<br />

Die spannende Story wird mit<br />

epischen Schlachten effektvoll<br />

umgesetzt. Flammen lodern<br />

schön gelbrot, wenn unsere<br />

Hellbringers die Gegner ausräuchern<br />

und der Matsch fliegt<br />

förmlich durchs Wohnzimmer,<br />

wenn unsere Warthogs durch<br />

die Landschaft pflügen. Für die<br />

Soundeffekte wurden keine<br />

Kosten gescheut und das hört<br />

man: Dank der neuen Soundkulisse<br />

bebt nicht nur unser Trommelfell,<br />

sondern auch das der<br />

Nachbarn. Die Sammelwut packt<br />

uns spätestens im Multiplayer-<br />

Modus „Blitz“, wo wir nicht nur<br />

unser taktisches Geschick, sondern<br />

auch unsere Trading Cards<br />

richtig einsetzen müssen. Dank<br />

der ausführlichen Einleitung ist<br />

das Spiel auch für Newcomer<br />

ein guter Start ins umfangreiche<br />

HALO Universum. Ein Pflichtkauf<br />

für die XBox!<br />

/ TECHNIK / 51


HAAR-TIPP<br />

SCHNIPPSCHNAPP<br />

PIXIECUT<br />

Lange Haare sind was<br />

für Mädchen und kurze<br />

… natürlich auch! Der<br />

Pixiecut ist zurück, ob mit<br />

Undercut oder ohne. Man<br />

sieht ihn bei Katie Perry,<br />

am Laufsteg und bei uns<br />

in der Redaktion.<br />

Mache mir die Welt,<br />

wie sie mir gefällt.<br />

Von Delna Antia<br />

Life<br />

SCHUH-TIPP<br />

COWGIRL<br />

Der Westernstyle greift auf die<br />

Füße über. Ob mit Blümchenverzierung,<br />

in Rauleder oder mit langem<br />

Schaft, wer Cowboy-Boots trägt,<br />

braucht kein Lasso in der Prärie.<br />

Danke an Designerin Isabel Marant<br />

für dieses hübsche Exemplar.<br />

& Style<br />

MEINUNG<br />

Mit 30 wird es existenziell<br />

Eine Freundin hat Krebs. Gebärmutterhalskrebs. Ihre<br />

Haare sind ausgefallen und trotz Chemotherapie wird<br />

man ihr nun die Gebärmutter entfernen. Die Haare werden<br />

zurückkommen, schwanger wird sie nicht werden.<br />

Mit ihrem Freund denkt sie über eine Leihmutterschaft<br />

nach. Sie hatte sich im Vorhinein Eizellen entnehmen<br />

lassen und sie mit seinen Samen befruchten lassen. Im<br />

Zuge dessen mussten beide zum Notar: Was ist wenn?<br />

– Eine Freundin ist schwanger. Sie ist recht frisch mit<br />

ihrem Freund zusammen, es hat gleich geklappt. Weil<br />

sie Ende Dreißig ist, mussten sie sich entscheiden, ob<br />

sie einen Test machen, da die Wahrscheinlichkeit ein<br />

behindertes Kind zu bekommen größer ist. Und was<br />

wäre wenn? – Eine andere Freundin hat sich einen<br />

Termin bei einer „Eizellen-Bank“ ausgemacht. Sie ist<br />

35, frisch getrennt. Sie möchte den Druck loswerden<br />

und nicht gleich mit Hochzeits- und Kinder-erwartungen<br />

in die nächste Beziehung gehen. Eine andere heiratet<br />

dieses Jahr. Eine wünscht es sich und die andere fragt<br />

sich, warum sie schon so lange nicht schwanger wird.<br />

Bei anderen dreht es sich stattdessen oder zusätzlich<br />

um Hauskauf, Kredit und genug Geld für die Zukunft. Ich<br />

weiß nicht wie es euch geht, aber in meinem Kopf dreht<br />

es sich, oft bin ich sprachlos und noch öfter überfordert:<br />

Dreißigsein ist super, aber es ist verdammt nochmal<br />

existenziell! antia@dasbiber.at<br />

5 FRAGEN AN<br />

Brautschwestern.<br />

Das Atelier für Bräute von<br />

Flora Sutton & Sarah Neller<br />

Wer sind die Brautschwestern?<br />

Wir sind tatsächlich<br />

Schwestern – Flora ist<br />

gelernte Goldschmiedin und<br />

Sarah ist Tortendekorateurin.<br />

Im April feiern<br />

wir als „Brautschwestern“<br />

unser einjähriges Jubiläum.<br />

Zu uns kommt jede Braut nur<br />

mit Terminvereinbarung, so<br />

dreht sich in Wohnzimmeratmosphäre<br />

alles<br />

exklusiv um sie.<br />

Was findet Braut bei Euch?<br />

Vor allem natürlich Kleider!<br />

Die Designer kommen aus<br />

Weißrussland, Deutschland<br />

und London und sind in ganz<br />

Österreich nur bei uns<br />

erhältlich. Wir haben auch<br />

Schleier, Taschen und<br />

handgefertigte Accessoires<br />

wie Kopf- und Haarschmuck,<br />

der zum Teil aus<br />

antiken Stücken neu<br />

zusammengesetzt ist.<br />

Was braucht es, damit<br />

die Braut glücklich ist?<br />

Eine gute Beratung – in allen<br />

Bereichen, nicht nur beim<br />

Kleid. Als Begleit-person ist<br />

es wichtig, sich für sie<br />

einzusetzen und nicht den<br />

eigenen Traum durchsetzen<br />

zu wollen.<br />

Trends 20<strong>17</strong>?<br />

Feenartige Kleider, also<br />

leichte, fließende, natürliche<br />

Stoffe. Und: Der Rückenausschnitt<br />

ist das neue<br />

Dekolleté.<br />

Euer Tipp für Bräute?<br />

Nicht zu viele Begleitpersonen<br />

mitnehmen,<br />

sondern nur die wichtigsten<br />

zwei.<br />

Caterina Hoffmann Photography, Marko Mestrović, IsabelMarant, Brautschwestern, Pinterest<br />

52 / LIFESTYLE /


Du bist,<br />

was du isst.<br />

Von Artur Zolkiewicz<br />

Mann<br />

Fotos: Marko Mestrović, bereitgestellt<br />

MEINUNG<br />

Bauch, Beine, Po<br />

& Instagram<br />

& Body<br />

GRELL<br />

Zu viele Frauen versuchen nur bestimme Teile<br />

des Körpers zu trainieren. Kein Wunder, denn<br />

folgt man Fitness-Chics auf Instagram, sieht<br />

man in vielen Fällen Trainingsvideos, in denen<br />

sie nur drei Körperteile adressieren: Bauch,<br />

Beine und Po. Überdimensionale Hintern,<br />

straffe Beine und Sixpack scheinen der neue<br />

Frauen-Fitnesstrend zu sein. Als hätten sich<br />

viele von ihnen gedacht: Ich will/ kann zwar<br />

nicht wie ein viel zu dünnes Model aussehen,<br />

ich kann aber Hintern wie ein Pferd,<br />

Bauch wie ein Leichtathlet und Beine wie eine<br />

Gazelle haben. Spaß bei Seite. Aussehen ist<br />

nicht das primäre Trainingsziel. Glaube den<br />

Instagram-Chics nicht: Wer nur bestimmte<br />

Körperteile trainiert und die anderen vernachlässigt,<br />

wird muskuläre Dysbalancen entwickeln<br />

und alles andere als schön<br />

aussehen! Trainiere die gesamte<br />

Körpermuskulatur und mach dir<br />

keine Sorgen, dass du wie ein<br />

Bodybuilder aussehen wirst. Es ist<br />

nämlich nicht so einfach, vor allem<br />

als Frau, Muskelmasse aufzubauen!<br />

zolkiewicz@dasbiber.at<br />

ZAHL DES MONATS<br />

1:15:54<br />

hat Mieko Nagaoka<br />

gebraucht, um im Alter von<br />

100 in einem Schwimm-<br />

Wettkampf den Weltrekord<br />

der Altersklasse 100-104 im<br />

1500m Freistil aufzustellen.<br />

Tipp<br />

Adieu Cellulite<br />

Durch Training kannst du<br />

die Ausprägung von Orangenhaut<br />

verringern!<br />

FUN FACT<br />

Eine Studie fand heraus,<br />

dass Männer, die mit<br />

ihren Freundinnen<br />

trainieren, schwerere<br />

Gewichte heben und<br />

bessere Resultate<br />

erreichen.<br />

SCHICK DEINE<br />

KURZGESCHICHTE AN:<br />

WORTLAUT.FM4@ORF.AT<br />

EINSENDESCHLUSS: 7. MAI 20<strong>17</strong><br />

ALLE INFOS AUF<br />

FM4.ORF.AT/WORTLAUT<br />

THEMA: GRELL<br />

SCHICK UNS DEINE KURZGESCHICHTE!<br />

/ LIFESTYLE / 53


Die<br />

kurdischen<br />

Gentlemen<br />

von Aleksandra Tulej<br />

Auch bei Konflikten in der Region: das Stecktuch sitzt.<br />

Stecktücher, Anzüge<br />

und Man-Buns mitten in<br />

Kurdistan? Die Dandys<br />

von Erbil setzen sich mit<br />

ihrem gepflegten Aussehen<br />

für mehr als nur Mode ein.<br />

So sieht ein Mr. Erbil aus.<br />

Der Nahe Osten und<br />

Bärte gehören in<br />

unserer Vorstellung<br />

zusammen wie Pommes und<br />

Ketchup. Bärtige Männer in<br />

Kurdistan schockieren wohl<br />

keinen. Doch man ergänze<br />

zum sorgfältig gestutzten Bart<br />

noch ein buntes Seidenstecktuch,<br />

Fliegerbrille und einen<br />

schicken Anzug. Die Frisur<br />

sitzt, ob klassisch zurückgegelt<br />

oder als neumodischer<br />

Man-Bun. Wir befinden uns in<br />

Erbil, der Hauptstadt Kurdistans.<br />

Männer in diesem<br />

sogenannten „Dandy“-Look<br />

sind hier mittlerweile auch<br />

nichts Neues mehr. „Mr. Erbil“<br />

heißt der erste Gentlemen‘s<br />

Club Kurdistans, bestehend<br />

aus dreißig Mitgliedern.<br />

Gut frisiert und gut rasiert<br />

stehen die Dandys von Erbil<br />

nicht nur für Mut zur Mode,<br />

sondern auch für den Drang,<br />

die Lebenssituation in ihrer<br />

Region zu verbessern. Sie<br />

versuchen unter anderem<br />

durch Verbreitung regionaler<br />

Produkte die Wirtschaft<br />

anzukurbeln, und die Medienberichte<br />

über Kurdistan<br />

auf andere Themen als Krieg<br />

und Armut zu lenken. Und<br />

es scheint zu funktionieren.<br />

Die Instagramseite „Mr.Erbil“<br />

verfolgen mittlerweile fast<br />

69.000 Menschen. Hier findet<br />

man Bilder der kurdischen<br />

Dandy-Dudes und allerhand<br />

Fashion-Inspiration.<br />

DIE „MODS“ SIND<br />

WIEDER MODERN.<br />

Die Mode auf ein gepflegtes<br />

Image bei Männern<br />

nimmt übrigens auch auf der<br />

anderen Seite der Weltkugel<br />

zu. Auch in den USA und in<br />

Europa kriegt man wieder<br />

Lust auf Eleganz. Outfits im<br />

Stil des „Mod“-Looks, den<br />

man aus den 1960er Jahren<br />

kennt, feiern hier ihr Comeback.<br />

Was macht den Look<br />

aus? Bunte Anzüge, Lederschuhe,<br />

Stoffhosen oder auch<br />

Bomberjacken. Ein bisschen<br />

altmodischer Chic, aber auch<br />

ein bisschen wilde Muster.<br />

Der Mix aus Fein und Casual<br />

ist hier der Clue. Halt ein bisschen<br />

so, wie die Beatles oder<br />

The Who ihrerzeit durch die<br />

Straßen Londons strawanzt<br />

sind.<br />

Egal ob in Kurdistan oder<br />

in Großbritannien, schicke<br />

Männer erleben überall<br />

auf der Welt gerade wortwörtlich<br />

ein Comeback im<br />

großen Stil. ●<br />

www.instagram.com/mr.erbil<br />

54 / LIFESTYLE /


Mehr als nur Worte<br />

[Über das Poetische]<br />

8/3 – 7/5 20<strong>17</strong><br />

Museumsquartier<br />

#Poetics<br />

© Bruno Munari, 1963 – All rights reserved to Maurizio Corraini s.r.l.<br />

Camille Henrot<br />

If Wishes<br />

Were Horses<br />

22/3 – 28/5 20<strong>17</strong><br />

Karlsplatz<br />

#Henrot<br />

Kunsthalle Wien<br />

Camille Henrot, Tuesday, 20<strong>17</strong>, Image Research, Courtesy the artist, König Galerie, Berlin; kamel mennour, Paris/London and Metro Pictures, New York


HART<br />

In einem Wiener Café bestellen die Kunden zuerst Kaffee und greifen<br />

danach zur Peitsche. Redakteurin Michaela war in der Wiener<br />

ABER<br />

BDSM Szene unterwegs und hat gelernt: Für BDSM braucht es mehr<br />

Zustimmung und Kommunikation und weniger Fifty Shades of Grey.<br />

ZART<br />

von Michaela Kobsa (Text und Fotos)<br />

56 / LIFESTYLE /


Das sind die Basic-Utensilien: Fesseln, Peitschen, Flogger und Stöcke<br />

Im SMart Café in der Köstlergasse wird gepeitscht,<br />

gefloggt und gefesselt was das Zeug hält – ein Raum<br />

in dem sadistische und ungewöhnliche Fantasien nicht<br />

verurteilt werden. Es ist 22 Uhr und ich stehe vor der<br />

schwarzen Tür des SMart Cafés, Wiens erstem Fetisch<br />

und BDSM Lokal. BDSM steht für Bondage & Discipline, Dominance<br />

& Submission und Sadism & Masochism. Ich kenne mich<br />

halbwegs mit Fifty Shades of Grey aus, will aber sehen was in<br />

der BDSM-Szene wirklich abgeht. Also atme ich tief ein und<br />

betrete eine neue Welt.<br />

Innen sieht das BDSM-Café wie das Beiserl um die Ecke<br />

aus. Es ist aber so voll, dass man kaum durchkommt. Es<br />

herrscht trotz vielen Frauen ein Überschuss an Männern.<br />

Die Mehrheit ist vierzig bis fünfzig Jahre alt. Manche tragen<br />

Alltagskleidung, ab und zu erscheint auch ein Halsband oder<br />

Korsett auf der Bildfläche. Auf den ersten Blick sieht alles fast<br />

gewöhnlich aus. Außer, dass es im Fernsehen kein Fußball<br />

spielt, sondern zu sehen ist, wie eine ledertragende Domina<br />

mit einem massiven Strap-On ihr männliches Opfer foltert.<br />

Connie, der Besitzer, steht an der Bar und hält eine Zigarette<br />

zwischen seinen schwarz manikürten Fingern. Er erzählt,<br />

wie er 1999 wegen seines Cafés ständig vom FPÖ-Bezirksvorsteher<br />

und seinen Behörden gehetzt wurde. „Viele verstehen<br />

noch immer nicht, dass die Gewalt in BDSM einvernehmlich ist.<br />

Und weil es bei BDSM zu Schmerzen und Verletzung kommen<br />

kann, müssen alle Beteiligten viel bewusster mit Zustimmung,<br />

Kommunikation und Grenzen umgehen“, erklärt er. An der Bar<br />

werde ich von einer jüngeren Barista mit blonden Haaren und<br />

schwarzem Halsband begrüßt. Ich bestelle ein Getränk und<br />

schaue mich um. Ein älterer Herr mit weißem Bart starrt mich<br />

an und schnell kommen wir ins Gespräch. Nach zwei Sekunden<br />

korrigiert er mein Deutsch. Dann lacht er: „Tut mir leid, ich bin<br />

Deutschlehrer. Dürfte ich bitte Ihre Füße ablecken?“<br />

SEVERIN, DER FUSSVERWÖHNER, ROTKÄPPCHEN<br />

UND DER BÖSE WOLF<br />

Der fußverliebte Herr heißt Severin – tagsüber Deutschlehrer,<br />

nachtsüber Fußverwöhner und Prügelknabe. Er steht auf<br />

hübsche Frauen, blaue Flecken, und dreckige, haarige Füße. Er<br />

hatte sein ganzes Leben lang ungewöhnliche Vorlieben gehabt<br />

und sich tief dafür geschämt. In diesem Café kann er sich mit<br />

Gleichgesinnten unterhalten und seine Fantasien ausleben. Nur<br />

leider nicht mit mir.<br />

Links von mir sitzen ein Mann Ende fünfzig und eine Frau<br />

Mitte vierzig. Rotkäppchen und der böse Wolf soll ich sie<br />

nennen. Beide sprechen Wienerisch und prügeln ihre Devoten<br />

mit sadistischem Eifer. Der böse Wolf erklärt: „Wir sind nicht<br />

anders als alle anderen.“ Er nippt an seinem Schwarztee und<br />

fährt fort: „Toleranter san wir. Weil wir niemanden als pervers<br />

bezeichnen.“ Im Café treffen Menschen mit allen möglichen<br />

Vorlieben und sexuellen Orientierungen aufeinander: Sadisten<br />

und Masochisten, Trans und Cis, dominant und unterwürfig,<br />

Queer und Straight, Fessler und Fußverwöhner, und vieles<br />

andere jenseits der üblichen Vorstellungskraft.<br />

/ LIFESTYLE / 57


Zum BDSM Spiel gehören oft Fesseln, Bondage und Peitschen – die Schmerzgrenze muss jeder für sich selbst festsetzen.<br />

Aber warum eigentlich BDSM? Worin besteht der Reiz<br />

andere zu dominieren oder zu prügeln oder sich dominieren<br />

und prügeln zu lassen? Der böse Wolf antwortet blitzschnell:<br />

„Weil‘s geil ist!“ Ich frage weiter herum und suche Motive für<br />

diese Vorlieben. Alle bestehen darauf, dass sie schon ihr ganzes<br />

Leben lang so waren.<br />

Vor allem, fügt Rotkäppchen hinzu, ist BDSM auch eine<br />

intime Situation, in der man viel über seine Sexualität und Präferenzen<br />

kommunizieren und nachdenken muss. Ein Lebensstil,<br />

in dem nichts einen höheren Stellenwert hat als aktive Zustimmung.<br />

Der dominante Partner kontrolliert seinen Devoten, trägt<br />

aber auch die Verantwortung und beschützt ihn oder sie. Der<br />

böse Wolf beschreibt es so: „Wenn man einem Menschen in<br />

die Augen schaut, der dir voll vertraut, angebunden ist, sich<br />

nicht wehren kann, und sagt: Mach mit mir was du willst. Du<br />

wirst schon das Richtige machen. Diese völlige Hingabe – das<br />

ist BDSM.“<br />

Jetzt bin ich endgültig in den Bann gezogen und will mir<br />

die Spielkammer anschauen. Auf dem Weg dorthin komme ich<br />

am Youngblood Stammtisch vorbei. Hier sitzen circa zwanzig<br />

jüngere Männer und Frauen im Alter von achtzehn bis dreißig.<br />

Sie sind Neulinge in der BDSM-Welt und suchen eine Einführung.<br />

Sven, der Leiter des Stammtisches, begleitet mich zur<br />

Spielkammer.<br />

BLANKE HINTERN UND LANGE PEITSCHEN<br />

An der Tür der Spielkammer hängt ein neon blinkendes<br />

Stoppschild. Die Spielkammer an sich ist klein, dunkel und mit<br />

allerlei sadistischen Utensilien ausgestattet. Eine Multibank, ein<br />

Spank-Bock, Haken an der Decke, ein Eimer voller Stangen und<br />

Peitschen und eine zehn Zentimeter breite Bambus-Stange,<br />

die angeblich nur zur Deko dient. Vier Menschen sitzen auf der<br />

Couch und machen rum oder schauen zu.<br />

Inmitten des Zimmers fesselt ein junger Mann sorgfältig<br />

seine halbnackte Geliebte mit einem Seil. Er wickelt das Seil<br />

geschickt um ihre Brust herum und befestigt es an einem<br />

Haken an der Decke. Keiner von beiden spricht. Er konzentriert<br />

sich auf das Seil, sie senkt demütig den Blick. Ab und zu nimmt<br />

er die Hände von dem Seil ab, legt diese auf sie, überprüft ob<br />

sie glücklich ist und küsst sie zärtlich.<br />

Die Regeln in der Spielkammer sind klar: Die spielenden<br />

Parteien müssen aktiv zustimmen und die Grenzen des anderen<br />

respektieren. Die Zuschauer müssen leise sein, sich nicht<br />

in die Szene einmischen und ja niemanden begrapschen. Jetzt<br />

beginnt eine neue Szene. Ein Mann liegt mit blankem Hintern<br />

an eine schwarze Bank gefesselt, während eine Frau und ein<br />

Mann ihn mit 1,5 Meter langen Peitschen übelst zurichten. Er<br />

schreit, völlig erregt. Die zwei Doms lachen, halten manchmal<br />

an, um zu checken, ob er es genießt, und peitschen dann mit<br />

voller Lust weiter. Sven und ich setzen uns auf die Multibank<br />

und schauen zu.<br />

WAS, WENN WAS SCHIEF LÄUFT?<br />

Offensichtlich steht der Gepeitschte auf Schmerz, und die<br />

58 / LIFESTYLE /


BDSM:<br />

Bondage-Discipline, Dominance-Submission,<br />

Sado-Masochism. Eine Aktivität mit einem ungleichen<br />

Machtverhältnis, in der eine Partei dominiert<br />

und die andere unterwürfig ist.<br />

Spiel:<br />

beschreibt die Aktivität, in der das ungleiche<br />

Machtverhältnis ausgeübt wird, zum Beispiel durch<br />

Tätigkeiten wie Peitschen oder Fesseln.<br />

Dominant:<br />

Die Person, die im Machtverhältnis dominiert.<br />

Sub/Devot:<br />

Die unterwürfige Person im Machtverhältnis.<br />

Diese Person hat die Möglichkeit das<br />

Spiel jederzeit zu beenden.<br />

Zustimmung und Kommunikation:<br />

sind die wichtigsten Voraussetzungen für das Spiel.<br />

Beide (oder mehr) Parteien müssen ihre Vorlieben<br />

und Grenzen sehr präzise verdeutlichen. Vor dem<br />

Spielen müssen beide Seiten aktiv zustimmen und<br />

die Grenzen des anderen respektieren. Der oder die<br />

Sub darf ein Safe Word, zum Beispiel, „Mayday!“<br />

benutzen, um das Spiel abrupt zu beenden.<br />

Halsband:<br />

Ein Symbol für Unterwürfigkeit. Manchmal in einer<br />

Beziehung, manchmal in einer Meister/Sklaven-<br />

Beziehung. Das ungleiche Machtverhältnis wird dann<br />

nicht nur im Spiel, sondern auch im Alltag ausgeübt.<br />

Connie (oben) ist der Besitzer des SMart Cafè, Sven der „Papa“.<br />

beiden anderen genießen es ihm diesen Schmerz zuzufügen.<br />

In dieser Situation sind Zustimmung, Lust, und Kommunikation<br />

sehr präsent. Aber ich bezweifle, dass das immer der Fall<br />

ist. Sven stimmt mir zu. Es gäbe überall Menschen mit bösen<br />

Absichten, die andere manipulieren wollen. Sie denken, beim<br />

BDSM könne man dem anderen antun was man will, nicht was<br />

beiden Parteien gefällt. Aber auch ein gutgesinnter, jedoch<br />

unerfahrener und sich selbst überschätzender Dom ist genauso<br />

gefährlich. Ein Aufprall auf beispielwiese die Nieren kann<br />

lebensgefährlich sein. Es gibt einige Irrglauben zu BDSM und<br />

„Fifty Shades of Grey“ hat dabei wenig geholfen. In den Worten<br />

des bösen Wolfes: „Das ist der grässlichste Scheiß, den ich<br />

je gehört hab.“ In Fifty Shades werden nicht die Grundpfeiler<br />

des BDSM, Zustimmung, Kommunikation und positive Sexualität,<br />

vermittelt. Stattdessen geht es um einen psychisch Kranken<br />

und um eine Frau, die leidet, um ihn zu heilen. Aber schön,<br />

dass Mr. Grey reich ist. „Würde er in einem Anhänger wohnen,<br />

wäre es Vergewaltigung“, fügt ein Stammkunde hinzu.<br />

PAPA SVEN UND DER SICHERE RAUM<br />

Immer wieder kommt es zu Vergewaltigungen, in denen BDSM<br />

als Vorwand genommen wird, um sadistische Fantasien auszuleben.<br />

Wenn so ein BDSM-verbundener Fall in Österreich<br />

passiert, ruft die Polizei Sven an. Er berät die Polizei, wie man<br />

die Situation interpretieren soll, macht primäre Intervention,<br />

vermittelt Kontakte und empfiehlt den Betroffenen Therapeuten<br />

und Anwälte. Im SMart Café wird er als „Papa“ gesehen. Ihm<br />

vertrauen die Menschen und er schafft mit dem Café einen<br />

sicheren Raum. Besucher, die die Regeln nicht respektieren,<br />

werden von ihm entweder ermahnt oder rausgeschmissen.<br />

Wenn eine Szene im seltenen Fall schief läuft, greift er, oder<br />

einer der Zuschauer, ein. Im Großen und Ganzen verteidigen<br />

Papa Sven und die SMart Café Stammkunden ihren Boden vor<br />

Bösem. Alle dort fühlen sich wohl und sind sich einig, dass die<br />

Horror-Geschichten außerhalb des sicheren Raums des Cafés<br />

stattfinden.<br />

Sven steht auf, er muss zurück zum Stammtisch. Er verabschiedet<br />

sich mit den Worten: „Es gibt keine Spielart von<br />

Leben und Sexualität, die so anerkennend, rücksichtsvoll, und<br />

achtsam ist wie SM. Man ist gezwungen zu kommunizieren,<br />

das, was bei vielen nicht-BDSM Beziehungen und sexuellen<br />

Beziehungen schief läuft.“<br />

Es ist 3:30, und ich bin zurück im ersten Raum. Ein paar<br />

Gäste sitzen noch an den Tischen und unterhalten sich leise.<br />

Rotkäppchen und der böse Wolf sitzen noch an der Bar und<br />

trinken ihr letztes Glas. Es sieht alles ganz gewöhnlich aus. Ich<br />

erinnere mich an Svens Worte: „Letztendlich sind wir wie alle<br />

anderen, wir tun nur ein paar verrücktere Dinge.“ Das Knallen<br />

der Peitsche wirbelt noch in meinem Kopf. Und das Bild des<br />

Fesslers und seiner Geliebten, die freischwebend in der Luft<br />

hing. Im Endeffekt wollen hier alle nur mit anderen in Kontakt<br />

kommen. Manche durch das Zufügen von Schmerz, andere<br />

durch Unterwürfigkeit, andere durch haarige, stinkige schmutzige<br />

Füße. ●<br />

/ LIFESTYLE / 59


KulturaNews<br />

Verstaubte Museen sind Schnee von gestern.<br />

von Jelena Pantić<br />

SERBISCHER<br />

HAMLET IM<br />

VOLKSTHEATER<br />

Auch wenn ihr euch nicht für Theater interessiert,<br />

habt ihr vermutlich von Shakespeares berühmtester<br />

Dramenfigur Hamlet gehört. Was ihr aber nicht<br />

gesehen habt, ist die Version des renommierten<br />

Belgrader Theaters „Jugoslovensko Dramsko<br />

Pozorište“. Unter der Regie des serbischen Dramatikers<br />

Goran Stefanovski untersucht diese Version<br />

Hamlet aus der Sicht heutiger politischer Phänomene<br />

wie Kriegseuphorie und Macht-Paranoia. Während<br />

Hamlet seinen Vater rächen möchte und sich dabei in<br />

seine eigene Handlungsunfähigkeit verstrickt, sind<br />

schon die Truppen im Anmarsch, es herrscht Alarmstufe<br />

Rot, Soldaten stehen Wache. Lager gehen in<br />

Flammen auf, überall tauchen Militäruniformen und<br />

ausländische Aggressoren auf. Polizeieinheiten sind<br />

durch kugelsichere Westen geschützt, Rettungseinheiten<br />

sind im Dauereinsatz. Die Verrücktheit von<br />

Prinz Hamlet, gespielt vom Star-Schauspieler Nebojša<br />

Glogovac, ist in dieser Lage keine private Angelegenheit<br />

mehr, denn das ganze Land spielt verrückt.<br />

Gastspiel nur am 29. April 20<strong>17</strong> im Volkstheater!<br />

Neustiftgasse 1, 1070 Wien<br />

GRLPWR<br />

Es gibt zwei Lese-Typen auf dieser Welt. Die, die<br />

ein Buch nach dem anderen lesen, und jene, die<br />

mehrere Bücher gleichzeitig lesen. Ich bin größtenteils<br />

Typ Zwei, denn ich passe meine Buchwahl<br />

gerne meiner Stimmung an. Und da meine Stimmung<br />

über den Tag verteilt variiert, ändern sich<br />

auch die Bücher, auf die ich gerade Lust und Laune<br />

habe. Derzeit begeistere ich mich für feministische<br />

Literatur, die in meiner kleinen Bibliothek fast<br />

keinen Platz einnimmt, und das möchte ich<br />

dringend ändern. Gerade lese ich “How Remarkable<br />

Women Lead”. Tipps von meinen Kolleginnen sind<br />

alles von Laurie Penny, Chimamanda Ngozi Adichie<br />

und der Klassiker: Das andere Geschlecht von<br />

Simone Beauvoir. In der Buchhandlung ChickLit in<br />

der Kleeblattgasse 7 findet ihr eine große Auswahl<br />

an feministischer Unterhaltung. Schickt mir doch<br />

eure Vorschläge zu Büchern, Filmen und Serien an:<br />

pantic@dasbiber.at<br />

Nenad Petrovic, Marko Mestrovic, www.lukasbeck.com<br />

60 / KULTURA /


KONZERTHAUS<br />

Mehr als nur Konzerte: Anders Hören<br />

im Wiener Konzerthaus<br />

von Aleksandra Tulej<br />

Im Wiener Konzerthaus kann man sich nur<br />

hinsetzen und zuhören? Ganz und gar nicht!<br />

Gemeinsam mit den Wiener Symphonikern<br />

bietet das Konzerthaus mit seinen neuen<br />

Reihen ein ganz besonderes Hörerlebnis, das es so<br />

in Wien nicht nochmal gibt – für alle, die Lust<br />

haben, große Werke der klassischen Musik<br />

interaktiv kennenzulernen. Vorkenntnisse braucht’s<br />

keine, sondern nur Lust auf Musik.<br />

„Vorhören!“<br />

für Kinder<br />

Kinder für klassische Musik zu begeistern, kann<br />

eine ziemliche Herausforderung sein. Der Zyklus<br />

„Vorhören!“ im Wiener Konzerthaus, der im<br />

Oktober 20<strong>17</strong> losgeht, hat sich genau das zur<br />

Aufgabe gemacht. Auf altersgerechte Art und<br />

Weise wird hier Kindern und Jugendlichen die<br />

Kunst der Klassik nähergebracht. In zwei<br />

getrennten Altersgruppen, eine von 8 bis 12<br />

Jahren, die zweite von 13 bis 18 Jahren,<br />

entdecken die Kids bei kreativen Führungen,<br />

Workshops oder ähnlichem das Konzerthaus<br />

und die Welt der klassischen Musik, während im<br />

Großen Saal die erste Hälfte des Konzerts läuft.<br />

In der zweiten Hälfte sitzen die Kinder dann mit<br />

im Saal und hören die musikalische Umsetzung<br />

von dem, was sie vorher gelernt haben, von den<br />

Wiener Symphonikern. Da wird sogar Kulturbanausen<br />

nicht langweilig. Auf dem Programm<br />

stehen schließlich auch große eingängige<br />

Meisterwerke: Mozarts „Symphonie G-Moll“,<br />

Beethovens „Eroica“ und Rimski-Korsakows<br />

„Scheherazade“. Für Kinder und Jugendliche<br />

kostet das Abo für alle drei Termine zusammen<br />

36 €.<br />

TERMINE:<br />

Sonntag 15. 10. 20<strong>17</strong>, 11.00 Uhr<br />

Mozart: Symphonie g-moll K 550<br />

Sonntag 14. 1. 2018, 11.00 Uhr,<br />

Beethoven: „Eroica“<br />

Sonntag 11. 3. 2018, 11.00 Uhr<br />

Rimski-Korsakow: „Scheherazade“<br />

„Neu(es) Hören“<br />

für Erwachsene<br />

Auch für Musikbegeisterte ab 18 Jahren gibt es<br />

so einiges zu entdecken, und zwar im Musikzyklus<br />

„Neu(es) Hören.“ Eine etwas andere<br />

Konzerteinführung, die während der ersten<br />

Konzerthälfte stattfindet, gibt Einblicke in<br />

Hintergründe und Kontexte der Kompositionen<br />

und leitet historische Zusammenhänge her.<br />

„Anders hören, neu und Neues hören“ lautet<br />

hier das Motto. Die Werke, Beethovens „Symphonie<br />

Nr. 7“, Berlioz’ „Symphonie fantastique“<br />

oder Strauss’ „Ein Heldenleben“, hören die<br />

Teilnehmer dann jeweils in der zweiten Konzerthälfte<br />

im Konzertsaal. Dieses Abo ist für 18 –<br />

26-Jährige um 36 € zu haben. Für alle anderen<br />

geht es ab 47 € los.<br />

TERMINE:<br />

Mittwoch 10. 1. 2018, 19.30 Uhr<br />

Beethoven: Symphonie Nr. 7<br />

Mittwoch 14. 3. 2018, 19.30 Uhr<br />

Berlioz: „Symphonie fantastique“<br />

Montag 28. 5. 2018, 19.30 Uhr,<br />

Strauss: „Ein Heldenleben“<br />

WAS? Vorhören! und „Neu(es) Hören“<br />

WO? Wiener Konzerthaus,<br />

Lothringerstraße 20, 1<strong>03</strong>0 Wien<br />

WANN? Oktober 20<strong>17</strong>– Mai 2018<br />

KOSTEN: ab 36 €<br />

MEHR INFOS AUF: www.konzerthaus.at<br />

Dieser Artikel ist eine entgeltliche Einschaltung in Form einer<br />

Kulturkooperation mit dem Konzerthaus. Die redaktionelle<br />

Verantwortung liegt allein bei biber.<br />

/ KULTURA / 61


EINFACH MAL ABSCHALTEN<br />

VOM ALLTAG<br />

MEHR ALS BÜCHER<br />

VERSTAUBTE LEXIKA UND VERALTETE LANDKARTEN?<br />

DA MÜSSEN WIR EUCH LEIDER ENTTÄUSCHEN. WER HEUTE<br />

DIE BÜCHEREIEN WIEN BESUCHT, DEN ERWARTEN<br />

ZAHLREICHE COMPUTERPLÄTZE, KOSTENLOSES W-LAN<br />

UND MODERNE LESEZONEN.<br />

Wozu in eine Bücherei<br />

gehen? Im<br />

Internet finde ich<br />

doch eh alles, was<br />

ich brauche.“ Dass Büchereien<br />

nicht nur ein Ort des Wissens,<br />

sondern auch der Begegnung<br />

und der Entspannung sein können,<br />

wissen die Besucher der<br />

Büchereien Wien schon längst.<br />

Viele kommen her, um in Ruhe<br />

zu lernen oder Zeitung zu lesen,<br />

einige nutzen die Computerplätze<br />

und viele weitere Angebote in den<br />

insgesamt 40 Standorten. In den<br />

Büchereien Wien geht also weit<br />

über Nachschlagewerke und Wörterbücher<br />

hinaus. Ganz zu schweigen<br />

davon, dass Doktor Google<br />

auch nicht immer alles weiß.<br />

DRUNTER UND DRÜBER<br />

Die Bücherei Philadelphiabrücke<br />

im 12. Bezirk bezeichnet sich<br />

selbst als Jugendbücherei, was<br />

eigentlich nur die halbe Wahrheit<br />

ist, wenn man sieht, wie viel sie<br />

auch für Erwachsene zu bieten hat.<br />

Doch 4.200 Medien für Jugendliche<br />

zwischen 12 und 18 Jahren<br />

können sich schon sehen lassen.<br />

Foto: Eva Engelbert, Büchereien Wien


BEZAHLTE ANZEIGE<br />

IN DEN BÜCHEREIEN WIEN FINDEN REGELMÄSSIG LESUNGEN FÜR KINDER STATT<br />

Zusätzlich dazu gibt es CD-Hörstationen,<br />

kostenloses W-LAN und<br />

PCs mit Internetanschluss, die für<br />

Hausaufgaben verwendet werden<br />

können. – Wofür denn sonst? Für<br />

die jüngeren Besucher, die sich<br />

noch keine Sorgen über ihre Hausübungen<br />

machen müssen, finden<br />

hier regelmäßig Vorlesestunden<br />

statt. Da kann es schon manchmal<br />

drunter und drüber gehen.<br />

MEHRSPRACHIGE<br />

LESUNGEN<br />

Einen anderen Fokus hat die<br />

Bücherei Laxemburger Straße im<br />

10. Bezirk. Sie bezeichnet sich<br />

selbst als ‚Allround-Bücherei‘, hat<br />

aber einen interkulturellen Schwerpunkt.<br />

Genau wie fünf andere Fili-<br />

alen der Büchereien Wien führt sie<br />

einen vorzeigbaren Bestand von<br />

Medien in den Sprachen Türkisch<br />

und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch.<br />

Darüber hinaus werden regelmäßig<br />

mehrsprachige Leseabende und<br />

Vorlesestunden für Kinder veranstaltet.<br />

MEHR GREISSLER,<br />

WENIGER SUPERMARKT<br />

In der Bücherei Leystraße im 20.<br />

Bezirk stechen einem zwei Dinge<br />

besonders ins Auge: zum einen<br />

die hilfsbereiten Bibliothekarinnen<br />

und Bibliothekare, zum anderen<br />

die große Anzahl an Zimmerpflanzen.<br />

Beide führen dazu, dass man<br />

sich in den Räumlichkeiten sofort<br />

wohlfühlt. Natürlich gibt es hier<br />

vollautomatisierte Kundenabwicklungsvorrichtungen.<br />

Doch dieses<br />

unhandliche Wort werdet ihr in<br />

Wahrheit in keiner der Büchereien<br />

brauchen. Man setzt viel lieber auf<br />

persönliche Betreuung, anstatt<br />

einen Kunden nach dem anderen<br />

abzufertigen. Also mehr Greissler<br />

und weniger Supermarkt.<br />

40 STANDORTE IN<br />

GANZ WIEN<br />

Leider können wir euch hier nicht<br />

jeden Standort vorstellen. Auf<br />

buechereien.wien.at könnt ihr<br />

euch jedoch informieren, wo es<br />

die nächste Filiale in eurer Nähe<br />

gibt – und euch dann selbst davon<br />

überzeugen, ob wir hier nur<br />

Märchen erzählen.


„ICH KONNTE<br />

TROTZ DOKTORTITEL<br />

KEINEN JOB FINDEN.“<br />

Im ungarischen Film „The Citizen“ spielt Marcelo Cake-Baly<br />

einen afrikanischen Geflüchteten, der um die ungarische<br />

Staatsbürgerschaft und um ein neues Leben kämpft. Für Cake-Baly<br />

nichts Neues. Der Schauspieler über Ungarns Politik, Rassismus<br />

und Emotionen.<br />

von Jelena Pantić<br />

<strong>BIBER</strong>: Wie führte Sie Ihr Weg von Guinea-Bissau<br />

nach Ungarn?<br />

CAKE-BALY: 1974 wurde ich von der Freiheitsbewegung<br />

nach Europa zum Studieren geschickt. Ich<br />

hatte mehrere Optionen, ich hätte in die ehemalige<br />

DDR gehen können, aber als es Zeit war für<br />

mich loszufahren, gab es dort keine freien Plätze<br />

mehr. Ungarn bat aber noch welche an und so<br />

bekam ich ein Stipendium, um dort zu studieren.<br />

Haben Sie sich bei Ihrer Ankunft willkommen oder<br />

zurückgewiesen gefühlt?<br />

Als ich ankam, waren alle sehr gastfreundlich<br />

und ich habe mich auf jeden Fall willkommen<br />

gefühlt. Es gab keine rassistischen Vorfälle, denn<br />

ein solches Verhalten war im Sozialismus tabu.<br />

Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine<br />

Studienzeit. Nach meinem Abschluss hatte ich mit<br />

den üblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, einen<br />

Job zu finden. Erschwerend kam für mich dazu,<br />

als Schwarzer eine Stelle zu finden, die meiner<br />

Qualifikation entspricht. Ich konnte keine Stelle als<br />

Ökonom finden, also arbeitete ich als Kontrolleur<br />

und zeitweise als Straßenbahnfahrer.<br />

Und wie empfinden Sie die Situation heute?<br />

Die Grundhaltung hat sich seit dem Sozialismus<br />

verändert. Heute kann jeder öffentlich sagen, was<br />

Mozinet<br />

64 / KULTURA /


er will. Es ist mir schon widerfahren, dass ich auf<br />

der Straße beschimpft wurde. Aber<br />

dieses Problem gibt es in ganz Europa, nicht nur<br />

in Ungarn. Durch die Flüchtlingsthematik gab es<br />

europaweit Änderungen in der Einstellung der<br />

Menschen gegenüber Zuwanderern. Das betrifft<br />

nicht nur jene, die ankommen, sondern auch jene,<br />

die seit Jahrzehnten hier leben. Und das kann<br />

nicht gut sein. Die Atmosphäre, die seitens der<br />

Regierung zu spüren ist, bedeutet nichts Gutes.<br />

Nichtsdestotrotz sind die Menschen in meiner<br />

Umgebung unverändert freundlich zu mir.<br />

Wilson, ihr Charakter im Film, wünscht sich nichts<br />

sehnlicher als die ungarische Staatsbürgerschaft.<br />

Sind Sie ungarischer Staatsbürger?<br />

Ja, seit 1994. In diesem Jahr hab ich offiziell<br />

meinen Pass erlangt, dem Land meine Treue<br />

geschworen und ungarische Dokumente ausgestellt<br />

bekommen. Ich lebe mit meiner Familie in<br />

Budapest.<br />

Ihr Charakter muss sich den Schikanen der<br />

Behörden hingeben und beispielsweise<br />

schildern, wie seine schwangere Frau ausgeweidet<br />

wurde. Wie sehr erkennen Sie sich selbst in<br />

„The Citizen“ wieder?<br />

Um einen Charakter authentisch zu spielen, muss<br />

man in seine Haut schlüpfen. Ich war emotional<br />

an meine Rolle gebunden, denn sie durchlebt<br />

Situationen, die mir und Menschen in ganz Europa<br />

widerfahren und Spuren hinterlassen (Anm. d.<br />

Red.: bezieht sich auf die Schikanen der Behörden).<br />

Ich bin sehr froh, diese Rolle gespielt zu<br />

haben, denn so konnte ich mein Innerstes auf die<br />

Leinwand bringen.<br />

Das ist Ihr Schauspiel-Debüt. Wie hat sich<br />

das ergeben?<br />

Vor zwei Jahren ging ich im Zentrum von<br />

Budapest spazieren und wurde von einem Mann<br />

angesprochen. Er erzählte mir von seinen Plänen<br />

einen ganz besonderen Film zu drehen. Dieser<br />

Mann war Roland Vranik, der Regisseur. Ich habe<br />

sofort zugesagt, obwohl ich keinerlei schauspielerische<br />

Erfahrung hatte. Aber das Thema war mir<br />

so wichtig und mein Interesse so groß, dass ich<br />

nicht Nein sagen konnte. Für den Film nahm ich<br />

Schauspielunterricht bei meiner Schauspielkollegin<br />

Agnes Mahr. Letztendlich habe ich mich aber<br />

hauptsächlich auf meinen Instinkt verlassen.<br />

Erfüllt Sie das Schauspielen mehr als<br />

Wirtschaft?<br />

Ich trug für diesen Film eine große Verantwortung,<br />

weil mir der Regisseur von Anfang an vertraute.<br />

Ich wollte ihn keinesfalls enttäuschen, also<br />

gab ich mein Allerbestes. Ich versuche aber generell<br />

immer das Beste in allen Aspekten meines<br />

Lebens zu geben, ob als Manager, Straßenbahnfahrer<br />

oder Schauspieler. Ich bin überglücklich,<br />

dass der Film auf derart positive Rückmeldungen<br />

gestoßen ist.<br />

„The Citizen“ (Originaltitel: Az állampolgár)<br />

ist der Eröffnungsfilm des Let’s CEE Festival<br />

20<strong>17</strong>, das von 21. bis 27. März läuft.<br />

Spieltermine und weitere Infos unter: www.<br />

letsceefilmfestival.com/<br />

/ KULTURA / 65


Rojda in der Chianti Bar.<br />

Sie liebt Musik und singt auch<br />

gerne selbst. Am Liebsten<br />

hört sie Fasıl, die Musik der<br />

türkischen Roma.<br />

ROJDA<br />

Von Wiebke Nordenberg und Sina Niemeyer (Fotos)<br />

66 / OUT OF AUT /


Eine Zeit lang arbeitete Rojda in einem<br />

Bordell als „Puff-Mutter“, wie sie es selbst<br />

beschreibt. Sie kümmerte sich nicht<br />

nur um die Buchhaltung, sondern auch<br />

darum, dass es den Mädchen gut geht.<br />

Zwischen den<br />

Geschlechtern:<br />

Eine Fotoreportage<br />

über<br />

Transgender in<br />

Istanbul<br />

Rojda, das bedeutet Sonnenaufgang auf Kurdisch.<br />

Diesen Namen wählt Wuslat für sich nach dem Coming<br />

Out und träumt von einem Neuanfang: endlich in<br />

dem Körper leben, nach dem sie sich sehnt. Doch wie<br />

reagieren die Menschen in der Türkei, wenn ein Mann<br />

sich entscheidet als Frau zu leben?<br />

Zu ihren Eltern hat Rojda seit dieser Entscheidung<br />

keinen Kontakt mehr. Um sich die teure<br />

Geschlechtsoperation in Thailand leisten zu können,<br />

prostituiert sie sich. Erst danach wird sie – zumindest<br />

offiziell – als Frau anerkannt.<br />

Viele Transgender sehen sich in der Türkei gezwungen,<br />

als Prostituierte zu arbeiten, da sie in der Gesellschaft<br />

nicht akzeptiert sind und oft keinen anderen<br />

Job bekommen. Obwohl sich die kurdische Partei HDP<br />

und einzelne NGOs für die Rechte von LGBT (Lesbian,<br />

Gay, Bi-sexual, Trans*) – Individuen einsetzen, bleiben<br />

die meisten lieber in Beyoğlu oder Kadıköy – den<br />

beiden aufgeschlossensten und tolerantesten Bezirken<br />

Istanbuls. Angst vor gewaltsamen Übergriffen<br />

haben sie dort trotzdem. In ihrer Fotoreportage zeigen<br />

Wiebke Nordenberg und Sina Niemeyer das Leben zwischen<br />

den Geschlechtern in Istanbul<br />

/ OUT OF AUT / 67


Normalerweise sitzen die Prostituierten<br />

im Fenster des Bordells und locken so<br />

mögliche Freier an. Da die Straße mitten<br />

im Szeneviertel Beyoğlu liegt, verirren<br />

sich oft auch Tourist*innen hierher.<br />

An der Tarlabaşı Caddesi<br />

gibt es neben Sexshops<br />

zahlreiche Perückenläden,<br />

die vorwiegend von<br />

Transfrauen besucht werden.<br />

68 / OUT OF AUT /


Ein männlicher Bauchtänzer,<br />

„Zenne“ genannt, am Fähranleger<br />

in Kadıköy. Dies gehört zur<br />

osmanischen Tradition und ist<br />

gesellschaftlich akzeptiert.<br />

Ebru Kırancı im Büro des Vereins<br />

Istanbul LGBTT. Neben Rechtshilfe<br />

und Beratung organisiert der<br />

Verein regelmäßig Kundgebungen<br />

und Demonstrationen.<br />

/ OUT OF AUT / 69


„Die Leiden des jungen Todors“<br />

Von Todor Ovtcharov<br />

Gescheiterte Diäten<br />

Es wurde mir gesagt, dass ich abnehmen muss.<br />

Das ist ein hoffnungsloses Unternehmen, da<br />

alle Männer in meiner Familie dick sind. Eigentlich<br />

bin ich der dünnste von allen. Ihr müsst<br />

mal meinen Vater sehen. Von ihm weiß ich, dass wenn<br />

man abnehmen will, man gleichzeitig dick und hungrig<br />

ist. Da ich schon dick bin, warum soll ich auch noch<br />

hungrig sein? Mein Opa war auch dick. Meine Oma terrorisierte<br />

ihn ständig und ließ ihn nichts essen. Deshalb<br />

verließ er immer geheim die Wohnung, um in der Kneipe<br />

nebenan gut zu essen. Danach kam er nach Hause und<br />

verkündete, dass er keinen Hunger habe. So wurde der<br />

Frieden wieder hergestellt. Meine Oma war glücklich, weil<br />

Opa nichts aß und Opa war glücklich, weil Oma glücklich<br />

war. In der Kneipe waren sie auch glücklich, da mein Opa<br />

der treuste Stammkunde seit vielen Jahren war.<br />

Ich fing an verschiedene Abnehmmethoden zu studieren.<br />

Meine erste Wahl war eine Proteindiät. Ich stellte<br />

mir vor, wie ich mich mit Proteinen vollstopfe, das Fett<br />

in meinem Körper verschwand und ich wie einer dieser<br />

Athleten aussah, die um die Proteinshops und Fitnessstudios<br />

herumlauern. Ich kaufte mir ein riesiges Stück<br />

Rindfleisch. Ich stellte es ins Backrohr. Darunter stellte<br />

ich ein Kilo Champignons. Für das Aroma – ich weiß,<br />

dass Pilze nicht zur Proteindiät dazuzählen. Laut Rezept<br />

musste man es vier Stunden kochen. Nach zwei Stunden<br />

wurde ich ungeduldig und kaufte mir Eier und Käse. Es<br />

gibt nichts besseres als ein dickes Omelette mit Käse! So<br />

konnte ich besser auf das Rindfleisch warten. Als noch<br />

20 Minuten bis zu seinem Fertigwerden geblieben sind,<br />

ging ich zum Supermarkt, um mir zwei Bier zu kaufen.<br />

Um nicht noch mal hingehen zu müssen, kaufte ich mir<br />

fünf. Ich schnitt das Fleisch in dünne Scheiben. Ich wollte<br />

ja abnehmen. Um circa 12 Uhr war ich fertig mit dem<br />

Rindfleisch und ich hatte ein Bier übrig. Ich hatte auch<br />

sorgfältig ein Stück Käse zur Seite gelegt. Ich trank das<br />

Bier aus, aber ein bisschen Käse blieb übrig. Der Würstelstand<br />

nebenan hat mich gerettet. Für alle Fälle kaufte<br />

ich mir auch ein bisschen Chips. Kurz danach fiel mir ein,<br />

dass die Chips meine Proteindiät zerstört hatten… Mit<br />

Schuldgefühlen aß ich die Champignons auf.<br />

Am nächsten Tag fühlte sich mein Bauch wie ein Basketball<br />

an. Und so sah er auch aus. Ich entschied, dass<br />

die Proteindiät nichts für mich ist. Deshalb ging ich zum<br />

veganen Supermarkt. Komischerweise lag er genau<br />

gegenüber vom Proteinshop. Die Veganer haben mich<br />

mit Aufrufen empfangen, aus denen ich verstanden<br />

habe, dass „Nahrung meine Heilung“ sei und dass ich<br />

ein „Sonnenkind“ werden muss. Das konnte ich mir nicht<br />

richtig vorstellen, deshalb drehte ich eine Runde im Shop.<br />

Ich lauschte einem Gespräch von zwei Veganern, die<br />

streiteten, ob echte Veganer Pilze essen dürfen. Der eine<br />

war der Meinung, dass Pilze näher zu den Tieren stehen<br />

und das Essen von Pilzen genau so ist, als ob man kleine<br />

Kinder isst. Da ich am vorherigen Tag ein Kilo Champignons<br />

gegessen hatte, fühlte ich mich wie der Vernichter<br />

der menschlichen Zivilisation. Ich wollte aber nicht mit<br />

leeren Händen nach Hause gehen und kaufte mir eine<br />

Packung getrockneter Feigen. Einer der Kunden schaute<br />

mich mit Abscheu an. „Wissen Sie, dass in jeder Feige<br />

eine Biene gestorben ist? Sie dringen in die Früchte ein<br />

und werden absorbiert. Wenn Sie Feigen essen, dann<br />

essen Sie Bienen! Und Bienen sind die Grundlage unserer<br />

Existenz!“ Ich habe nicht nur meine Proteindiät vermasselt,<br />

heute erfuhr ich auch, dass ich schlimmer war, als<br />

die Hunnen, die das römische Reich zerstört haben.<br />

Auf der Straße fühlte ich mich schlecht. Ich dachte, dass<br />

mich alle schief anschauen. Deshalb freute ich mich, als<br />

ich eine Freundin auf der Straße traf. Ich schenkte ihr die<br />

Feigen, ohne ihr die Geschichte mit den Bienen zu erzählen.<br />

Sie dankte mir und sagte mir: “Weißt du, du musst<br />

ein bisschen abnehmen!“ ●<br />

70 / MIT SCHARF /


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