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Intelligenter Pflanzenbau Teil II.1 - Grundlagen

Die Landwirtschaft nutzt die Umweltgüter Boden, Wasser und Luft und stellt kostengünstige Nahrungsmittel mit hoher Qualität her. Somit steht sie gegenüber der Natur in besonderer Verantwortung. Gefordert ist eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion.

Die Landwirtschaft nutzt die Umweltgüter Boden, Wasser und Luft und stellt kostengünstige Nahrungsmittel mit hoher Qualität her. Somit steht sie gegenüber der Natur in besonderer Verantwortung. Gefordert ist eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion.

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<strong>Intelligenter</strong><br />

<strong>Pflanzenbau</strong><br />

<strong>Teil</strong> <strong>II.1</strong><br />

<strong>Grundlagen</strong><br />

5. Auflage


Bodenbearbeitung aus Sicht der Wissenschaft<br />

140 | 141<br />

Inhalt<br />

<strong>Teil</strong> II<br />

Bodenbearbeitung aus Sicht der Wissenschaft<br />

PD Dr. habil. Joachim Brunotte<br />

Thünen-Institut für Agrartechnologie (TI, ehemals FAL Braunschweig),<br />

PD Dr. habil. Claus Sommer, Braunschweig<br />

1. <strong>Grundlagen</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

1.1 Die Leistungsfähigkeit der Böden erhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

1.2 Ziele und Aufgaben der Bodenbewirtschaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143<br />

1.3 Nebeneffekte der Bodenbearbeitung mit dem Pflug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

1.4 Die Systematik von Bodenbearbeitungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />

2. Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

2.1 Der Einstieg in die pfluglose Bodenbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

2.2 Grundsätze der Strohverteilung und Stoppelbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

2.2.1 Anforderungen an die Strohverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

2.2.2 Anforderungen an die Stroheinarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

2.2.3 Stroh-Einarbeitungsqualität bei unterschiedlicher Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />

2.2.4 Kraftstoffbedarf und Flächenleistung der Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

2.2.5 Empfehlungen zum Strohmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

2.3 Saatbettbereitung und Saat nach wendender Bodenbearbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154<br />

2.4 Effekte der nichtwendenden Bodenbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

2.4.1 Mulchsaat mindert Verschlämmung und Bodenerosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

2.4.2 Schonende Bodenlockerung reduziert Schadverdichtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 160<br />

2.4.3 Förderung der biologischen Aktivität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />

2.5 Der Boden bestimmt die Bearbeitungsintensität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />

3. Auswirkungen auf Düngung und Pflanzenschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

3.1 Anpassung von Düngestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

3.1.1 Stickstoffdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

3.1.2 Phosphat- und Kaliversorgung bei Mulchsaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

3.2 Bekämpfung von Unkräutern, Krankheiten und Schädlingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

3.2.1 Unkrautbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

3.2.2 Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />

3.2.2.1 Fusarienpilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />

3.2.2.2 DTR – Blattdürre bei Weizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172<br />

3.2.2.3 Virosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />

3.2.2.4 Ackerschnecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />

4. Kosten und Nutzen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

4.1 Verfahrenskosten im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

4.2 Kosten-Nutzen-Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176<br />

4.3 Wettbewerbsfähigkeit und Umweltverträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177<br />

4.4 Ökonomie und Ökologie im Einklang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

AMAZONE Maschinen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180<br />

Weiterführende Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184


<strong>Intelligenter</strong> <strong>Pflanzenbau</strong><br />

1.<br />

<strong>Grundlagen</strong><br />

1.1 Die Leistungsfähigkeit der<br />

Böden erhalten<br />

Die Landwirtschaft nutzt die Umweltgüter Boden, Wasser<br />

und Luft und stellt kostengünstige Nahrungsmittel<br />

mit hoher Qualität her. Somit steht sie gegenüber der<br />

Natur in besonderer Verantwortung. Gefordert ist eine<br />

nachhaltige landwirtschaftliche Produktion, die Folgendes<br />

gewährleistet:<br />

1. die Erhaltung und Verbesserung der Bodenfrucht barkeit,<br />

2. die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in Verbindung<br />

mit einer Stärkung der ländlichen Räume sowie<br />

3. die Erhaltung der Stabilität und Funktionssicherheit<br />

der sozialen Systeme in den ländlichen Räumen.<br />

Mit dem In-Kraft-Treten des Bundes-Bodenschutzgesetzes<br />

(BBodSchG) ist der vorsorgende Bodenschutz<br />

das wesentliche Leitbild heutiger Landbewirtschaftung<br />

in Deutschland. Das heißt: Die Leistungsfähigkeit der<br />

Böden (= Produktionsfunktion) und ihrer natürlichen<br />

Funktionen (= Lebensraum- und Regelungsfunktion) ist<br />

zu erhalten, weil Böden eine knappe und nicht erneuerbare<br />

Ressource sind.<br />

Dabei stellt die Bodenbearbeitung den wesentlichen<br />

mechanischen Eingriff in das komplexe System „Klima-<br />

Boden-Pflanze“ dar. Denn Aufbau und Ernte der Pflanzenbestände<br />

sind in der Regel ohne ein gewisses Maß an<br />

Bodenbearbeitung nicht möglich: Für Saat und Pflanzung<br />

sind günstige Keim- und Wachstumsbedingungen zu<br />

schaffen, die Pflege kann mechanisch erfolgen, das Ernten<br />

von Knollen- und Wurzelfrüchten ist ebenfalls mit<br />

einem Eingriff in die Bodenstruktur verbunden. Wenn<br />

die im Laufe der Vegetation durchgeführten Maßnahmen<br />

und Erntearbeiten zum <strong>Teil</strong> ein ungünstiges Bodengefüge<br />

hinterlassen, so ist für die Folgefrucht erneut<br />

eine Bodenbearbeitung notwendig.<br />

Bodenbearbeitung im weitesten Sinne ist demnach zur<br />

Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit – verstanden als die<br />

standortspezifische nachhaltige Ertragsfähigkeit – notwendig.<br />

Zugleich gilt es, im Hinblick auf den Einsatz<br />

heutiger Produktions- und Transporttechnik auch den<br />

Schutz weiterer, unverzichtbarer Bodenfunktionen (Puffer-<br />

und Filtervermögen) zu beachten.<br />

In der Vergangenheit bestimmten im Wesentlichen die<br />

mechanische Unkrautbekämpfung und die vorhandene<br />

Sätechnik die Ausgestaltung der Bodenbearbeitung: Um<br />

Unkräuter zu vergraben und einen „reinen Tisch“ für den<br />

störungsfreien Einsatz von Schleppscharen zu ermöglichen,<br />

war Jahr für Jahr der Einsatz des Pfluges erforderlich.<br />

Aus diesen Gründen wird auch heute noch der überwiegende<br />

<strong>Teil</strong> (> 50 %) der Ackerfläche in Deutschland<br />

gepflügt – wobei regional und fruchtfolgespezifisch<br />

große Unterschiede existieren.<br />

Während die pfluglosen Verfahren nach Blattfrüchten<br />

(Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln) je nach Region und Witterung<br />

schon Anteile von bis zu 90 % einnehmen, erfolgt


Bodenbearbeitung aus Sicht der Wissenschaft<br />

142 | 143<br />

die Vorbereitung z.B. zu Zuckerrüben in erosionsgefährdeten<br />

Gebieten bis zu 75 % ohne Pflug. Die pfluglose<br />

Bestellung von Getreide nach Getreide bleibt auf Einzelbetriebe<br />

beschränkt, umfasst aber inzwischen in Regionen<br />

mit mittleren Niederschlagsmengen und Stroherträgen<br />

durchaus bis zu 30 % der Ackerflächen. Und<br />

wenn Mulchsaatverfahren bisher vor allem auf Regionen<br />

beschränkt waren, wo Bodenerosion und Nitratverlagerung<br />

ein ernstzunehmendes Problem darstellten, so<br />

sind sie heute wegen geringerer Arbeitserledigungskosten<br />

sowie Prämienzahlungen für umweltgerechtes<br />

Wirtschaften auch für alle anderen Betriebe attraktiv.<br />

1.2 Ziele und Aufgaben der<br />

Bodenbewirtschaftung<br />

Der Bodenschutz, die Reduzierung von Krankheitspotenzialen<br />

und Kosteneinsparung sind heute die wichtigsten<br />

Anforderungen an die Bodenbewirtschaftung. Dort, wo<br />

Standort, Fruchtfolge, Infektionspotenzial und Bodenfeuchte<br />

es zulassen, wird der Pflug zukünftig weiter zurückgedrängt,<br />

dafür breiten sich die Mulchsaatverfahren<br />

stärker aus. Da hierbei oft große Mengen organischer<br />

Reststoffe der Vorfrucht oberflächlich einzuarbeiten<br />

sind, kommt bereits der optimalen Strohquerverteilung<br />

durch den Mähdrescher eine außerordentliche Bedeutung<br />

zu. Sie beeinflusst nicht nur die Qualität der Stroheinarbeitung,<br />

sondern auch den Feldaufgang sowie die<br />

Ertragsentwicklung der Folgefrucht.<br />

Um gute Wachstumsbedingungen zu erreichen, ist es<br />

ein Hauptziel von Bodenbearbeitung, ein physikalisch<br />

günstiges Bodengefüge in der Ackerkrume mit einem<br />

physikalisch ungestörten Übergang zum Unterboden zu<br />

schaffen.<br />

Der Widerspruch zwischen a.) dem Boden als Pflanzenstandort<br />

und b.) dem Boden als Fahrbahn für Maschinen<br />

und Transportfahrzeuge lässt die Beschreibung eines<br />

„optimalen“ Bodengefüges mit Hilfe quantitativer<br />

Angaben nur schwer zu. Unter den Parametern, die das<br />

Pflanzenwachstum beeinflussen, spielt vor allem die Bodenfeuchte<br />

eine wichtige Rolle. Denn der Boden kann<br />

insbesondere bei feuchten Erntebedingungen durch<br />

schwere Erntetechnik so verdichtet werden, dass das<br />

Wurzelwachstum der Folgefrucht beeinträchtigt wird.<br />

Die Grundbodenbearbeitung soll den Luft-, Wasser-,<br />

Wärmehaushalt und den Bodenwiderstand positiv beeinflussen.<br />

Vor dem Hintergrund von Kosteneinsparung<br />

und Bodenschutz ist das Ausmaß einer jährlich tiefen


<strong>Intelligenter</strong> <strong>Pflanzenbau</strong><br />

Abb. 1: Aufbau eines idealen Saatbetts von Zuckerrüben/Mais nach unterschiedlicher Bodenbearbeitung in erosionsgefährdeten<br />

Hanglagen (verändert nach lfL, Bonn)<br />

Bearbeitungshorizonte<br />

0 cm<br />

Bedeckungsschicht<br />

3 cm<br />

Saattiefe<br />

Luft, Wärme, Wasser<br />

Profil der Saatreihe<br />

Lagerungsdichte < 1,2 g/m 3<br />

Aggregatdurchmesser 5–40 mm<br />

Rückverfestigte<br />

Schicht<br />

Kapillarpotential > 60 cm WS<br />

Lagerungsdichte 1,2–1,6 g/m 3<br />

Aggregatdurchmesser 2–5 mm<br />

10 cm<br />

Bearbeitungstiefe der<br />

Sekundärbodenbearbeitung<br />

kapillarer Wasseraufstieg<br />

Lagerungsdichte bis 1,8 g/m 3<br />

25/35 cm<br />

Oberboden<br />

Unterboden<br />

Bearbeitungstiefe der<br />

Primärbodenbearbeitung<br />

Lockerung kritisch zu überdenken. So kann z.B. die Lockerung<br />

auf heterogenen Flächen heute sogar teilflächenspezifisch<br />

erfolgen. Außerdem korreliert der Pflanzenertrag<br />

am Ende einer Vegetationsperiode nicht mit<br />

der Intensität der Bodenbearbeitung.<br />

Keimendes Saat- und Pflanzgut benötigt eine verkrustungsfreie<br />

Bedeckung; die Keimwurzeln brauchen einen<br />

leicht zugänglichen, wasserführenden Saathorizont.<br />

Dementsprechende Anforderungen an die Bodenbearbeitung<br />

sind in Abb. 1 dargestellt. Mit der Saatbettbereitung<br />

müssen heute neben Krümelung, Einebnung und<br />

Rückverfestigung auch solche Ziele verfolgt werden, die<br />

vornehmlich den Bodenschutz berücksichtigen, indem<br />

organische Rückstände an der Oberfläche belassen oder<br />

nur flach eingearbeitet werden.<br />

1.3 Nebeneffekte der Bodenbearbeitung<br />

mit dem Pflug<br />

Bodenbearbeitung greift in das komplexe System des<br />

Bodens ein und versucht, physikalische, chemische und<br />

biologische Prozesse für das Wachstum der nachfolgenden<br />

Kulturpflanze positiv zu beeinflussen. Dabei hat<br />

der Landwirt heute die Wahl zwischen wendenden und<br />

nichtwendenden Bearbeitungssystemen.<br />

Traditionell bietet der Pflugeinsatz bestimmte Vorteile.<br />

So ermöglicht er es z.B. in einem nassen Herbst,<br />

trockenen Boden nach oben zu pflügen, was die<br />

zur Verfügung stehende Zeitspanne für die Bestellung<br />

verlängert. Ernterückstände werden untergepflügt<br />

und so das Infektionsrisiko für Pflanzenkrankheiten<br />

gemindert. Andererseits erfüllt der Pflug aber<br />

nicht die Anforderungen des Bodenschutzes. Bei allen<br />

Bemühungen, mit dem Pflug eine standort- und<br />

pflanzenangepasste Bodenbearbeitung durchzuführen,<br />

kommen nämlich verschiedene Problembereiche zum<br />

Tragen.<br />

Problembereich Bodenerosion: Standort (Hangneigung<br />

und -länge) und Klima (Eintrittswahrscheinlichkeit erosiver<br />

Niederschläge) sind für die Erosionsgefährdung<br />

von Böden verantwortlich, dies kann der Praktiker nicht<br />

beeinflussen. Darüber hinaus hängt die Bodenerosion<br />

aber direkt und indirekt von der Bodenbearbeitung<br />

ab. So fördert z.B. ein gepflügter, feinkrümelig bearbeiteter<br />

Acker, dass es bei heftigen Niederschlägen<br />

zu Oberflächenverschlämmung und damit zu Bodenabtrag<br />

kommt. Die hohe Energie der Regentropfen wird<br />

an die Oberflächenkrümel abgegeben und zerstört diese<br />

(Abb. 2a und 2b). Das abgesprengte Feinmaterial<br />

verstopft die wasserführenden Poren (Abb. 2c), so<br />

dass Niederschlagswasser oberflächlich ablaufen muss<br />

(Abb. 2d).


Bodenbearbeitung aus Sicht der Wissenschaft<br />

144 | 145<br />

Vorsorgende Abhilfe kann man hier nur durch Reststoffe<br />

an der Oberfläche schaffen, die die Energie der Regentropfen<br />

aufnehmen und damit die Oberflächenkrümel<br />

schonen. Auch Winderosion lässt sich nur durch Reststoffe<br />

an der Oberfläche verringern. Reststoffe kann<br />

man zum einen durch Bestellung von Zwischenfrüchten<br />

(Zwischenfruchtgemenge oder Reinsaaten: Phacelia,<br />

Senf, Ölrettich) schaffen oder, indem man Ernterückstände<br />

an der Oberfläche belässt.<br />

Problembereich Bodenverdichtung: Einerseits wird der<br />

Boden bearbeitet, um günstige physikalische Bedingungen<br />

zu schaffen, z.B. durch die Auflockerung von Bodenverdichtungen.<br />

Andererseits ist die Bodenbearbeitung<br />

immer mit einem Befahren des Bodens verbunden und<br />

kann somit möglicherweise zu Schadverdichtungen<br />

führen. Darüber hinaus werden im Zuge der wirtschaftlich<br />

erforderlichen Rationalisierungsmaßnahmen die<br />

Gesamtmassen von Ackerschleppern, Erntemaschinen<br />

und Transportfahrzeugen immer größer. Solche Belastungen<br />

verursachen im Boden mechanische Spannungen,<br />

die erst mit zunehmender Bodentiefe wieder abgebaut<br />

werden.<br />

Besonders kritisch ist das Befahren des Ackerbodens<br />

dann, wenn zuvor eine Überlockerung des Bodengefüges<br />

stattgefunden hat. Um entsprechend negative<br />

Auswirkungen nach einer Pflugfurche zu begrenzen,<br />

wird i.d.R. der Untergrundpacker zur Rückverfestigung<br />

eingesetzt. Auch das Onland-Pflügen mit großen Arbeitsbreiten<br />

(mehr als 8-scharig) mindert den Bodendruck<br />

im Bereich der Krumenbasis.<br />

Ein grundsätzlicher Ansatz, um Bodenverdichtungen<br />

vorzubeugen, beruht auf der Erhöhung der Bodentragfähigkeit.<br />

Dies gelingt durch den Einsatz nichtwendender<br />

Abb. 2: Ablauf des Erosionsprozesses (nach Derpsch et al., 1988)<br />

a<br />

b<br />

Geräte wie z.B. Grubber oder Parapflug. Der Boden lagert<br />

dann nach der Bearbeitung dichter als nach Einsatz des<br />

Pflugs, ohne dass Bodenfunktionen beeinträchtigt wären.<br />

So wird der Boden insgesamt gestärkt, hohe Lasten<br />

zu tragen. Unterstützt wird dies durch die Auswahl geeigneter<br />

Trägerfahrzeuge sowie durch den Einsatz breiter<br />

Radialreifen, die mit niedrigen Reifeninnendrücken gefahren<br />

werden können.<br />

Problembereich Stoffausträge: 70 % des Trinkwassers<br />

in Deutschland werden heute aus Grundwasser gewonnen,<br />

so dass die Filterung des Wassers die wichtigste<br />

Regelungsfunktion des Bodens ist. Stoffausträge (Nährstoffe,<br />

Pflanzenschutzmittel) von landwirtschaftlichen<br />

Flächen können die Trinkwasserqualität beeinträchtigen.<br />

Auf konventionell bewirtschafteten Flächen besteht<br />

die Gefahr, dass es durch Oberflächenabfluss und<br />

Bodenabtrag zu Stoffausträgen kommt. Mulchsaatverfahren<br />

hingegen mindern die Nährstoffanreicherung<br />

in Gewässern – wobei Pflanzenschutzmittel allerdings<br />

nicht vor Starkregen appliziert werden dürfen,<br />

damit sie nicht über den Makroporenfluss in die Gewässer<br />

gelangen.<br />

Biologische Aktivität: Um die natürliche Ertragsfähigkeit<br />

des Bodens zu erhalten, müssen Bakterien, Pilze<br />

und Bodentiere ihre Tätigkeit ungestört durchführen<br />

können. So bringt z.B. eine Pflugfurche im Herbst oder<br />

Frühjahr eine starke Minderung der Regenwurmdichte<br />

mit sich. Die starke Umschichtung des Bodens durch<br />

den Pflug gerade in einer Zeit mit hoher Regenwurmaktivität<br />

entzieht den Regenwürmern die Nahrungsgrundlagen<br />

in Stroh und anderen Reststoffen.<br />

Fazit: Auch wenn es verschiedene Vorteile (einfachere<br />

Sätechnik, mechanische Unkrautbekämpfung, geringeres<br />

Infektionspotenzial für Pflanzenkrankheiten an<br />

der Bodenoberfläche) gibt, die für den Einsatz des<br />

Pfluges sprechen, so stehen dem als Nachteile die höheren<br />

Kosten und die größeren Risiken durch Bodenerosion,<br />

Abschwemmung und Bodenverdichtungen<br />

gegenüber.<br />

c<br />

d<br />

Mulchsaatverfahren hingegen ermöglichen mehr Bodenschutz<br />

und Kosteneinsparungen zugleich. Sie zeigen<br />

einen Weg, wie man phytosanitäre Probleme durch<br />

den Einsatz neuester Stoppelbearbeitungstechnik in<br />

Kombination mit wenig anfälligen Sorten sowie der<br />

Auflockerung der Fruchtfolge lösen kann – ein Ansatz<br />

des „Integrierten <strong>Pflanzenbau</strong>s“.


<strong>Intelligenter</strong> <strong>Pflanzenbau</strong><br />

Abb. 3: Bodenbearbeitungs- und Bestellverfahren im Überblick (KTBL, 2013)<br />

Verfahren<br />

Grundbodenbearbeitung<br />

(intensive Lockerung)<br />

Saatbettbereitung Saat Ablauf der Arbeitsgänge<br />

Getrennt<br />

Wendende Bodenbearbeitung<br />

Kombiniert, Saatbettbereitung<br />

und Saat zusammengefasst<br />

Alle Arbeitsgänge<br />

zusammengefasst<br />

Getrennt<br />

Kombiniert, Saatbettbereitung<br />

und Saat zusammengefasst<br />

Nichtwendende Bodenbearbeitung<br />

mit Lockerung<br />

Alle Arbeitsgänge<br />

zusammengefasst<br />

Getrennt,<br />

partielle Bodenbearbeitung<br />

in den Saatreihen<br />

Kombiniert,<br />

partielle Bodenbearbeitung<br />

in den Saatreihen<br />

mit Saatgutablage<br />

Direktsaat<br />

ohne Lockerung<br />

Ohne Grundbodenbearbeitung,<br />

Saatbettbereitung<br />

und Saat kombiniert<br />

Ohne Bodenbearbeitung, bei der Saat<br />

werden weniger als 1/3 der Reihenweite<br />

bearbeitet, die Bearbeitungstiefe<br />

ist die Saatgutablagetiefe


Bodenbearbeitung aus Sicht der Wissenschaft<br />

146 | 147<br />

1.4 Die Systematik von Bodenbearbeitungsverfahren<br />

Weiterentwicklungen der Pflanzenproduktion und der<br />

Landtechnik sowie veränderte Rahmenbedingungen<br />

haben in den letzten Jahren zu einer grundsätzlichen<br />

Diskussion der gängigen Bodenbearbeitungsverfahren<br />

geführt. Damit einher ging die vielfältige Verwendung<br />

von Begriffen, die oft Überschneidungen und damit<br />

Missverständnisse provozierten.<br />

Wissenschaft, Beratung und Praxis in Deutschland haben<br />

sich auf die folgenden drei Definitionen geeinigt (KTBL,<br />

2013), die neben der Bearbeitungsintensität auch übergeordnete<br />

Zielsetzungen wie den Bodenschutz berücksichtigen<br />

(Abb. 3):<br />

Wendende Bodenbearbeitung mit Pflug: Wesentliches<br />

Kennzeichen ist die alljährliche Lockerung der Krume<br />

mit dem Pflug. Dabei werden Unkräuter und organische<br />

Reststoffe in den Boden eingewendet. Es entsteht<br />

eine lockere, von Reststoffen freie Ackeroberfläche, die<br />

den störungsfreien Einsatz herkömmlicher Sätechnik<br />

(Schleppschare) ermöglicht.<br />

Den Übergang zur Direktsaat bildet das neu definierte<br />

Verfahren der Streifenbearbeitung „Strip Till“, bei dem<br />

nicht ganzflächig sondern nur partielle Streifen bis auf<br />

maximal Krumentiefe gelockert werden. Dabei kann im<br />

bzw. seitlich am Streifen organischer oder mineralischer<br />

Dünger abgelegt werden und im gleichen oder einem<br />

folgenden Arbeitsgang die Saat platziert werden.<br />

Direktsaat: Sie ist definiert als Bestellung ohne irgendeine<br />

Form von Bodenbearbeitung seit der letzten Ernte.<br />

Zum Einsatz kommen Sämaschinen mit Scheiben-, Zinken-<br />

bzw. Meißelscharen.<br />

Die Abb. 3 zeigt auf Grundlage dieser Dreiteilung eine<br />

Maschinenauswahl für die Bodenbearbeitungsverfahren.<br />

Innerhalb der Arbeitsabschnitte Grundbodenbearbeitung,<br />

Saatbettbereitung und Saat zeigt sich der Trend, dass<br />

• die Bearbeitungsintensität abnimmt,<br />

• die Lagerungsdichte des Bodens zunimmt,<br />

• die Kosten abnehmen.<br />

Nichtwendende Bodenbearbeitung (auch als „Konservierende<br />

Bodenbearbeitung“ bzw. „conservation tillage“<br />

bezeichnet): Auf den Einsatz des Pfluges wird verzichtet,<br />

und die Reststoffe der Vor- und/oder Zwischenfrüchte<br />

werden an der Ackeroberfläche belassen. Nichtwendende<br />

Bodenbearbeitung ist damit von zwei<br />

Grundsätzen gekennzeichnet:<br />

1. Der Reduzierung der üblichen Intensität der Grundbodenbearbeitung<br />

nach Art, Tiefe und Häufigkeit des<br />

mechanischen Eingriffes: Die nichtwendende, schonende<br />

Lockerung soll ein stabiles, tragfähiges Bodengefüge<br />

schaffen und damit als vorbeugender Schutz<br />

gegen Verdichtungen dienen.<br />

2. Dem Verbleib von Pflanzenreststoffen nahe oder auf<br />

der Bodenoberfläche: Ziel ist eine möglichst ganzjährige<br />

Bodenbedeckung über einem intakten Bodengefüge<br />

als vorbeugender Schutz gegen Verschlämmung<br />

und Erosion. Dabei ist die Aussaat hier als Mulchsaat<br />

definiert, weil in eine vorhandene Mulchauflage bzw.<br />

in ein Gemisch aus Mulch und Boden gesät wird. Bei<br />

einer Arbeitstiefe von mehr als 10 cm spricht man<br />

von Mulchsaat mit Lockerung (MSmL), bei weniger<br />

als 10 cm Arbeitstiefe spricht man von Mulchsaat<br />

ohne Lockerung (MSoL).


<strong>Intelligenter</strong><br />

<strong>Pflanzenbau</strong><br />

<strong>Teil</strong> I:<br />

<strong>Teil</strong> I.1<br />

<strong>Teil</strong> I.2<br />

<strong>Teil</strong> I.3<br />

<strong>Teil</strong> I.4<br />

<strong>Teil</strong> I.5<br />

<strong>Teil</strong> I.6<br />

<strong>Teil</strong> I.7<br />

<strong>Teil</strong> I.8<br />

<strong>Teil</strong> I.9<br />

<strong>Teil</strong> II:<br />

<strong>Teil</strong> <strong>II.1</strong><br />

<strong>Teil</strong> II.2<br />

<strong>Teil</strong> II.3<br />

<strong>Teil</strong> II.4<br />

Das 3C-Ackerbau-Konzept<br />

Die Bodenbearbeitung im Fokus des Ackerbaus<br />

Worauf es ankommt: Die Grundregeln des 3C-Ackerbau-Konzepts<br />

AMAZONE Maschinen im 3C-Ackerbau-Konzept<br />

Hand in Hand: Theorie und Praxis für eine optimale Funktion<br />

AMAZONE – Verfahrenstechniken mit System<br />

Versuchsergebnisse zu Bodenbearbeitung und Saat<br />

Versuchsergebnisse aus Düngung und Pflanzenschutz.<br />

Praktiker berichten über Erfahrungen mit AMAZONE Maschinen<br />

Fazit: Anwendungsoptimierte Konzepte entwickeln<br />

sich weiter fort<br />

Bodenbearbeitung aus Sicht der Wissenschaft<br />

<strong>Grundlagen</strong><br />

Umsetzung in der Praxis<br />

Auswirkungen auf Düngung und Pflanzenschutz<br />

Kosten und Nutzen im Vergleich<br />

AMAZONEN-WERKE H. Dreyer GmbH & Co. KG • www.amazone.de

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