LayoutHeft 25-1.pmd - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design
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20 o.T. <strong>Design</strong><br />
Wer bin ich ?<br />
Die Visitenkarte im Zeitalter von Website-Visiten<br />
| „Caller-ID“ Visitenkarte: Vertrauliche Botschaft <strong>und</strong> haptisches Erlebnis aus einer Traditionellen Papiermühle<br />
Wer im Großbürgertum eine „Visite“ machte,<br />
gab zunächst beim Dienstpersonal zwei<br />
Karten ab – eine <strong>für</strong> die Dame, eine <strong>für</strong><br />
den Herrn des Hauses – um zu zeigen, dass<br />
er empfangswürdig war. Die Abgabe der<br />
Karte galt als Visite. Eine Art Türöffner,<br />
schon vor h<strong>und</strong>ert Jahren. Aus dieser Geste<br />
entwickelte sich die Visitenkarte <strong>und</strong><br />
wurde Standard in der Businesswelt. Ein<br />
Synonym <strong>für</strong> Corporate Identity <strong>und</strong> Sujet<br />
von <strong>Design</strong>ern, die Farben, Formen <strong>und</strong><br />
Typografie symbolhaft auf ihr sprechen<br />
lassen. Mittlerweile hat jeder, der zeigen<br />
will, wer er ist <strong>und</strong> was er kann, eine<br />
Website, auf der dieses viel ausführlicher<br />
zu sehen ist. Wozu also noch Karten ?<br />
Zumal sich fast alle welche leisten – günstig<br />
digital gedruckt.<br />
Für <strong>Design</strong>er heißt die Herausforderung,<br />
Visitenkarten neu zu erfinden, um Werte<br />
im digitalen Kosmos zu verteidigen. „Bei<br />
der Suche nach markanten, perfekt gearbeiteten<br />
Begleitern aus Papier stellt sich<br />
schnell heraus: Die gibt es einfach nicht<br />
mehr“, sagt der Hamburger <strong>Design</strong>er Olaf<br />
Stein (Factor <strong>Design</strong>), der kürzlich mit einer<br />
Gruppe von Papierliebhabern die Firma<br />
„Papiermeister“ gründete<br />
(www.papiermeister.de ). Sie sieht in ökologischen<br />
Papieren, hergestellt in einer<br />
traditionellen Papiermühle, bedruckt im<br />
hochwertigen Buchdruck- <strong>und</strong> Stahlstich-<br />
Verfahren eine neue Chance. Ihre „caller<br />
ID“-Visitenkarten etwa transportieren eine<br />
vertrauliche Botschaft. Sie sind ganz<br />
schlicht nur mit Namen <strong>und</strong> Mobil-Telefonnummer<br />
bedruckt – <strong>und</strong> fassen sich<br />
unglaublich gut an.<br />
Aus zerknittertem Altpapier mit einem<br />
Stempel bedruckt, hat der Hamburger <strong>Design</strong>er<br />
Jens Detmering eine Visitenkarte <strong>für</strong><br />
die Müllabfuhr entworfen <strong>und</strong> sagt: „Man<br />
muss unterscheiden, <strong>für</strong> wen man etwas<br />
gestaltet.“ Er präsentierte seine Idee auf<br />
www.designmadeingermany.de <strong>und</strong> erntete<br />
viel Lob aus der Fachwelt. Die Website<br />
haben <strong>25</strong> namhafte Grafikdesigner initiiert<br />
<strong>und</strong> sie zu einer Plattform mit Ranking<br />
System entwickelt. Hier soll potenziellen<br />
K<strong>und</strong>en die Auswahl eines <strong>Design</strong>ers erleichtert<br />
werden. Auch wenn Detmerings<br />
Idee nicht realisiert wurde, so steht sie<br />
auch <strong>für</strong> die Bedeutung von haptischen<br />
Qualitäten. Da kommt die beste Website<br />
nicht mit.<br />
| PETRA SCHWAB<br />
| Jens Detmering macht der Hamburger Müllabfuhr einen – inhaltlich – passenden Vorschlag <strong>für</strong> Visitenkarten.