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6 I Wirtschaft & Politik<br />

Berlin-Brandenburgisches Handwerk 5 I <strong>2017</strong><br />

„Fast jeder Handwerker fährt einen Diesel"<br />

Die Diskussion um drohende Fahrverbote in Stuttgart, Köln und München<br />

hat auch in Berlin für Unruhe gesorgt. In Berliner Handwerksbetrieben<br />

sind rund 20 000 Dieselfahrzeuge zugelassen, Unternehmer fahren<br />

damit zu Baustellen oder Kunden. Sie sorgen sich jetzt um die Alltagstauglichkeit<br />

ihrer teils neuen Autos.<br />

Blaue Plakette<br />

Das Bundesumweltministerium hatte<br />

den Aufkleber ins Spiel gebracht.<br />

Nur Fahrzeuge, die die Euro-6-Norm<br />

erfüllen, sollen die blaue Plakette<br />

erhalten. Diesel gelten als Hauptverursacher<br />

der Luftverschmutzung<br />

mit Stickoxiden. Rund 13 Millionen<br />

Dieselautos wären ausgesperrt –<br />

darunter auch fast neue, die erst<br />

2015 mit der Euro-5-Norm gekauft<br />

wurden.<br />

Alte Diesel mit Partikelfilter haben<br />

keine Chance auf die blaue Plakette.<br />

Nur Diesel der Klasse Euro<br />

6 würden sie bekommen, dafür ist<br />

aber eine aufwendige Abgasreinigung<br />

nötig, ein Partikelfilter genügt<br />

nicht.<br />

Aber auch viele Euro-6-Fahrzeuge<br />

halten die Grenzwerte nur auf dem<br />

Papier ein. Im Stadtverkehr werden<br />

regelmäßig hohe Stickoxidwerte<br />

freigesetzt.<br />

„Was<br />

soll aus<br />

unseren Transportern<br />

werden?“, fragen<br />

Berliner Unternehmer.<br />

Sie fürchten Wertverlust und<br />

hohe Kosten. Die Einführung<br />

der ersten Umweltzone 2010 weckt<br />

bei vielen schlechte Erinnerungen.<br />

Damals ist Berlin vorgeprescht und<br />

hat die grüne Plakette durchgesetzt.<br />

Handwerker anderer Bundesländer<br />

konnten später für die Nachrüstung von<br />

Partikelfiltern Fördergeld nutzen. Berliner<br />

Handwerker wurden zum vorzeitigen<br />

Fahrzeugwechsel gezwungen. Es wäre<br />

absurd, würden gerade erst erworbene<br />

Autos jetzt erneut wertlos.<br />

Augenmaß gefordert<br />

Sollte die Bundesregierung die blaue<br />

Umweltplakette per Verordnung erlassen,<br />

würde sie nach Ansicht der Deutschen<br />

Umwelthilfe in vielen Städten und Kommunen<br />

auch eingeführt werden. In Berlin<br />

warnen vor allem die Wirtschaftsverbände<br />

davor. Ohne Übergangsfristen und<br />

Ausnahmeregelungen für Betriebe gehe<br />

es nicht. „Das Handwerk beobachtet<br />

diese Diskussion mit großer Sorge und<br />

erwartet von der Politik, mit Augenmaß<br />

und Umsicht zu handeln. Fast jeder<br />

Handwerker fährt einen Diesel“, erklärt<br />

Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer<br />

der Handwerkskammer<br />

Berlin.<br />

Fahrzeughalter fordern<br />

Rechtssicherheit.<br />

Bundesweit sind rund<br />

13 Millionen Dieselfahrzeuge<br />

angemeldet.<br />

Auch Pendler, die zur Arbeit<br />

fahren müssen, wären hart getroffen.<br />

Bundesverkehrsminister Alexander<br />

Dobrindt (CSU) spricht sich nach wie<br />

vor gegen die blaue Plakette und gegen<br />

Diesel-Fahrverbote aus.<br />

Baden-Württembergs Ministerpräsident<br />

Winfried Kretschmann<br />

(Grüne) lenkt inzwischen ein: Das<br />

Dieselverbot bei Feinstaubalarm<br />

in Stuttgart sei „nicht in Stein<br />

gemeißelt“, wenn die Industrie nachrüsten<br />

könne und der Luftreinhalteplan<br />

eingehalten werde. Die Industrie habe<br />

signalisiert, dass dies möglich sei, sagte<br />

Kretschmann der Presse.<br />

Unterschiedliche Schadstoffe<br />

Während in Stuttgart wegen der Lage im<br />

Talkessel Feinstaub und Stickstoffdioxid<br />

(NO 2<br />

) über den EU-Grenzwerten liegt, ist<br />

in den meisten Ballungsräumen, wie auch<br />

in Berlin, Stickstoffdioxid das Problem.<br />

Dieser Schadstoff lässt sich am besten<br />

durch Harnstoff-Einspritzung (AdBlue)<br />

neutralisieren.<br />

Wie der Abgasskandal zuerst bei VW<br />

deutlich gemacht hat, sind viele Diesel-<br />

Pkw auf dem Papier und dem Prüfstand<br />

sauberer geworden – in der Realität<br />

allerdings nicht.<br />

Fazit: Es ist es Aufgabe der Politik, den<br />

Schadstoffausstoß rechtzeitig zu begrenzen<br />

– statt allein die Autofahrer in den<br />

Fokus zu nehmen. wo<br />

Fotos: FM2/Fotolia; rcfotostock/Fotolia

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