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Stahlreport 2016.11

Das Magazin des Bundesverbands Deutscher Stahlhandel für die Stahldistribution

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Interview<br />

Interview<br />

Warum Rainer Langelüddecke das Duale System verbessern will<br />

Nachgehakt: Stufenausbildung<br />

Die viel gelobte Duale Ausbildung in Deutschland kann/muss verbessert werden. Dieses Tabuthema<br />

hat Rainer Langelüddecke bewusst als Privatmann aufgegriffen (vgl. 10/16, S. 5) – mit neuen Lernzielen<br />

für junge Flüchtlinge und andere in ihrem Leistungspotenzial begrenzte Nachwuchskräfte. Für den<br />

<strong>Stahlreport</strong> war das Anlass, bei dem Geschäftsführer des Fachverbands Werkzeugindustrie in Sachen<br />

Stufen- bzw. Teilzeitausbildung noch einmal nachzuhaken.<br />

<strong>Stahlreport</strong>: Überall in der Welt<br />

wird das Duale System der Ausbildung<br />

im Betrieb einer- und in der<br />

Berufsschule andererseits gelobt.<br />

Und jetzt kommen Sie, um eine radikale<br />

Änderung zu fordern.<br />

Rainer Langelüddecke: Ja, denn<br />

die herkömmliche Ausbildung taugt<br />

nicht für die niedrige Qualifikation,<br />

die ein Großteil der Flüchtlinge mitbringt.<br />

Sie taugt aber auch nicht für<br />

die spezielle Situation der Migranten.<br />

Sie meinen Spracherwerb und Langeweile?<br />

Genau! Von den derzeit rund<br />

600.000 Flüchtlingen sind zwei Drittel<br />

funktionale Analphabeten. Sie<br />

besuchen deshalb vormittags entsprechende<br />

Kurse und sind nachmittags<br />

zum Nichtstun verdammt. Deshalb<br />

brauchen wir in Deutschland<br />

eine Teilzeitausbildung. Morgens lernen,<br />

nachmittags arbeiten – oder<br />

andersherum.<br />

Stoßen Sie denn die richtigen Ak -<br />

teure an? Wie reagieren Arbeitgeber<br />

und Gewerkschaften?<br />

Die Spitzenverbände der Arbeitgeber<br />

und die großen Industrieverbände<br />

reagieren positiv und sehen<br />

Veränderungsbedarf. Der Gewerkschaftsbund<br />

stärkt ausschließlich das<br />

tradierte Duale System. Das Handwerk<br />

hält sich mit Stellungnahmen<br />

stark zurück. Was zu bedauern ist,<br />

zeigt es doch Widerstände auf.<br />

Berufsschulen und Arbeitgeber sind<br />

wahrscheinlich von Ihrem Vorschlag<br />

ganz begeistert.<br />

Natürlich nicht. Es gibt zwar entsprechende<br />

Reformansätze, aber immer<br />

auch noch starke Widerstände.<br />

Und woran liegt das Ihrer Meinung<br />

nach?<br />

An mangelnder Flexibilität. Die<br />

Berufsschulen beispielsweise müssten<br />

sich flexibel neu organisieren.<br />

Es müssten Halbtagsklassen oder<br />

Lerngruppen für Wochenabschnitte<br />

eingerichtet werden. Außerdem ist<br />

der Spracherwerb deutlich stärker<br />

zu fordern und zu fördern. Entsprechend<br />

beweglich müssten sich natürlich<br />

auch die Ausbildungsbetriebe<br />

zeigen – und die anderen Akteure,<br />

insbesondere aus Politik und Gewerkschaften.<br />

Das ist die zeitlich-organisatorische<br />

Flexibilität. Dazu müsste aber auch<br />

noch die inhaltlich Variante kommen.<br />

Das stimmt. Zwar diskutiert man<br />

schon seit 40 Jahren eine Stufenausbildung,<br />

also einer Lehre mit einem<br />

ersten Abschluss nach einem Jahr<br />

und weiteren Leistungsnachweisen<br />

nach zwei bzw. drei Jahren. Aber<br />

Arbeitgeber und Gewerkschaften<br />

haben bisher die Chance vertan, auch<br />

Schwächere wenigstens ein wenig zu<br />

qualifizieren. Stattdessen hält man<br />

bis heute daran fest, jedem das gleiche<br />

Wissen in der gleichen Zeit beizubringen.<br />

Das bedeutet …<br />

…, dass die Einheitsausbildung<br />

kein Tabu mehr sein darf!<br />

Das sind wenige Worte für einen großen<br />

Schritt.<br />

Foto: Fachverband Werkzeugindustrie<br />

Rainer Langelüddecke ist Geschäftsführer<br />

des Fachverbands Werkzeugindustrie<br />

e.V. sowie im Verband der Deutschen<br />

Pinsel- und Bürstenhersteller e.V. Seine<br />

Ausführungen zu einer Ausbildungsreform<br />

für junge Flüchtlinge und Landzeitarbeitslose<br />

bezeichnet er allerdings bewusst als<br />

persönliche Überlegungen.<br />

Simmt! Trotzdem bin ich davon überzeugt,<br />

dass diese Reform aus modularen<br />

Ausbildungsteilen und Teilzeitausbildung<br />

in einem Zeitraum von<br />

zehn Jahren als Parallelsystem für<br />

Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose<br />

erfolgreich eingesetzt werden kann.<br />

Das bewährte Duale Ausbildungssystem<br />

wird dadurch übrigens nicht tangiert.<br />

Aber das neue System ist eine<br />

sinnvolle Ergänzung für die, die sonst<br />

scheitern.<br />

Danke für das Gespräch und dazu das<br />

Angebot, in zwei bis drei Jahren über<br />

Reformerfolge zu berichten …<br />

… oder über den erfolgreichen<br />

Widerstand des Systems.<br />

50 <strong>Stahlreport</strong> 11|16

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