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FINE Das Weinmagazin - 03/2008

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema: ANTINORI, GAJA & SANDRONE

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema: ANTINORI, GAJA & SANDRONE

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3 / <strong>2008</strong> Deutschland € 15<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Weinmagazin</strong><br />

Bordeaux 1990<br />

Biondi-Santi<br />

Alexander Margaritoff<br />

Paul Fürst<br />

Champagne<br />

Château Lafite 1812–20<strong>03</strong><br />

Antinori, Gaja & Sandrone


F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

Text: C G Fotos: O R<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

Reblandschaft im Piemont bei Barolo<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

Die goldgelbe Robe mit grünen<br />

Reflexen deutet es schon an: Dies ist<br />

ein Champagner für Geschicklichkeitskünstler,<br />

Illusionisten und<br />

andere Magier. Wie sie verleiht<br />

auch dieser Dom dem Leben etwas<br />

Geheimnis volles. In der Nase macht<br />

sich ein würziger, komplexer Duft<br />

breit, gefolgt von einer runden<br />

Ansprache und harmonischer Ausgewogenheit.<br />

Liegt es daran, dass ein<br />

Anteil der Chardonnay-Trauben aus<br />

den Reimser Bergen stammt, aus den<br />

Lagen Sillery und Verzenay, Lagen,<br />

die berühmt für ihre kräftigen Pinot-<br />

Noir-Trauben sind? Vielleicht, aber<br />

die wahren Illusionisten lächeln über<br />

diese Vermutung. Sie schauen lieber<br />

i n d e n S p i e g e l u n d w e n d e n s i c h d e m<br />

Leben zu. <br />

Text: Essi Avellan MW<br />

Fotos: Pekka Nuikki<br />

Text: Axel Nixdorf<br />

Es waren junge, zu allem entschlossene Weinmacher, die in den<br />

sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts den italienischen<br />

Weinbau revolutionierten – lange bevor etablierte Weingüter sich<br />

auf den Barrikaden einfanden. Bittere Armut in den Weinbaugebieten,<br />

Landflucht und eine völlig veraltete Gesetzgebung hatten<br />

in den Jahrzehnten zuvor die Preise für Wein und Rebland verfallen<br />

lassen. Klassische Weinbauregionen wie die Toskana oder<br />

Piemont waren tief in die Krise gestürzt.<br />

Doch inmitten dieser Tristesse schaffte es eine Handvoll Winzer,<br />

die Qualität italienischer Weine wieder zu verbessern und<br />

gegen überholte Gesetze zu kämpfen. Zu ihnen gehörten Piero<br />

Antinori, Paolo de Marchi, Angelo Gaja und Luciano Sandrone.<br />

Die jungen Wilden von damals sind heute respektierte Autoritäten<br />

des italienischen Weins. Hier erzählen sie ihre Geschichten und<br />

wagen Blicke in die Zukunft.<br />

Fotos: Johannes Grau<br />

F I N E<br />

F I N E<br />

F I N E<br />

P O R T R Ä T<br />

C H A M P A G N E<br />

I T A L I E N<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

68<br />

134<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

m Ende des Jahres 1756 kehrte Louis- François-<br />

Armand de Vignerot du Plessis, besser bekannt<br />

als Herzog von Richelieu und Fronsac, nach<br />

einem langen, siegreichen Feldzug heim nach<br />

Paris. Ihm war es durch die Eroberung der Festung<br />

San Felipe gelungen, die Engländer von der Insel<br />

Menorca zu vertreiben. König Ludwig XV. belohnte<br />

diesen Erfolg, indem er ihn zum Gouverneur von<br />

Bordeaux ernannte.<br />

Der Herzog von Richelieu, Neffe des berühmten<br />

Kardinals Richelieu – Mitbegründer der Académie<br />

française –, war ein feuriger Verehrer des weib lichen<br />

Geschlechts und großer Burgunder-Liebhaber. Auf<br />

Bordeaux-Weine hielt er bis dato nicht besonders<br />

viel. Daher ließ er sich und seiner Entourage die<br />

besten Burgunder – etwa Chambertin oder Clos<br />

de Vougeot – nach Bordeaux liefern. Die renommierten<br />

Winzer des Bordelais waren davon nicht<br />

sonderlich erbaut. Um den neuen Gouverneur<br />

Biondi-Santi ist Italiens faszinierendster und<br />

langlebigster Wein. <strong>Das</strong> Geheimnis seines<br />

›ewigen Lebens‹ beeindruckt mich genauso<br />

wie sein astronomischer Preis, dessen Höhe<br />

man heute allenfalls mit Romanée-Conti und<br />

Pétrus vergleichen kann. Verkaufte Biondi-<br />

Santi die Jahrgänge 1888 und 1891 seines ersten<br />

Gewächses noch vor einem Jahrzehnt für acht-<br />

bis zehntausend Euro, liegen die Preise für<br />

Text und Fotos: Pekka Nuikki<br />

Text: Essi Avellan MW Fotos: Pekka Nuikki<br />

Text und Fotos: Pekka Nuikki<br />

von ihren Kreszenzen zu überzeugen, griffen sie<br />

zu einer List: Sie ließen ihm ihre Weine in Flaschen<br />

mit Burgunderetiketten zukommen. Und nachdem<br />

Richelieus Leibarzt ihm beteuert hatte, dass die<br />

Weine von Château Lafite ein Elixier wären, das<br />

Männern Vitalität verleihe, begann sich sein Herz<br />

immer mehr für Bordeaux zu erwärmen.<br />

Fünfundzwanzig Jahre nach der Entsendung<br />

auf den Gouverneursposten lud ihn Ludwig XV.<br />

nach Paris ein. Als er Richelieu bei Hofe empfing,<br />

macht er ihm ein Kompliment, das weitreichende<br />

Folgen für die Weinwelt der Grande<br />

Nation haben sollte: Richelieu sehe fünfundzwanzig<br />

Jahre jünger aus als an dem Tag, an dem er ihn<br />

zum Gouverneur von Bordeaux ernannt hatte,<br />

sagte der König. Darauf verkündete der Herzog<br />

feierlich: »Eure Majestät, ich muss Ihnen gestehen,<br />

dass ich dort die Quelle ewiger Jugend entdeckt<br />

habe – Château Lafite.«<br />

F I N E<br />

F I N E<br />

gute Jahrgänge wie den 1955er Biondi-Santi<br />

oder den 1964er heute sogar höher als für den<br />

legendären Latour aus dem Jahr 1961 oder den<br />

1959er Pétrus. Im vorletzten Jahr erzielte eine<br />

Flasche Biondi-Santi Brunello di Montalcino<br />

Riserva vierzehntausend Euro. <strong>Das</strong> ist der<br />

höchste Preis, der jemals für einen italienischen<br />

Wein bezahlt wurde. Aber was macht<br />

diese Weine so wertvoll?<br />

F I N E<br />

B O R D E A U X<br />

C h a m p a g N E<br />

I t a l I E N<br />

<br />

69<br />

135<br />

<br />

94<br />

1<br />

Text: Jan-Erik Paulson<br />

Fotos: Pekka Nuikki<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

ie Experten für feine und seltene Weine, Jan­Erik Paulson und Pekka<br />

DNuikki, haben gemeinsam mit dem Fine­Magazin eine Pétrus­<br />

Vertikale organisiert. Zwanzig Jahrgänge wurden nebeneinander verkostet.<br />

Diese besondere Veranstaltung in Helsinki deckt genau den Zeitraum<br />

ab, in dem Château Pétrus seinen Durchbruch an den Weltmärkten<br />

erlebte: 1945 bis 1990. Einige Flaschen erwiesen sich als fehlerhaft oder<br />

schlecht, wie etwa 1945, 1947, 1949 und 1952 (37,5­cl­Flaschen). Wahrscheinlich<br />

resultierten die Probleme dieser Weine eher aus unsach gemäßer<br />

1945 Château Pétrus 89 P <strong>2008</strong>/jetzt<br />

Mitteltief entwickeltes Ziegelrot. Bukett mit Röstaromen, rotem Pfeffer,<br />

getrockneten Früchten, einem Hauch von Teer, Leder und Stall – etwas unbeständig.<br />

Die Nase ist gehoben und frisch, aber leider liegt der Wein etwas<br />

schlaff am Gaumen. Mangel an Konzentration. Lebendige Säure, rosinenartige<br />

Trockenfrüchte, Ledernoten. Tannine kaum mehr zu ver nehmen, sein<br />

Alkohol dagegen noch ziemlich präsent am Gaumen, verursacht ein leichtes<br />

Brennen im Nachgeschmack. Höchstwahrscheinlich ist diese Flasche nicht<br />

sachgemäß gelagert worden.<br />

1947 Château Pétrus Flasche in schlechtem Zustand<br />

1949 Château Pétrus Flasche in schlechtem Zustand<br />

1950 Château Pétrus 92 P <strong>2008</strong>/jetzt<br />

Tiefe bräunlich­rote Farbe. Elegante, komplexe Nase voller Verheißung: Paprika,<br />

Leder, Teer, Minze, Lakritz, schwarze Olive, erdige Töne, Rindsfond und<br />

Karamell. Am Gaumen indes verliert der mittelschwere Wein seine Frucht<br />

und seinen Charme. Sanft­müdes Mundgefühl mit vollreifen Tanninen. Jetzt<br />

noch angenehm zu trinken, wird sich aber nicht verbessern.<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

Ort: Helsinki, 24. Mai <strong>2008</strong><br />

Organisatoren: J a n ­Erik Paulson und Pekka Nuikki<br />

Verkosterin: Essi Avellan MW<br />

Text: Juha Lihtonen und Pekka Nuikki<br />

Château Smith-Haut-Lafitte<br />

Lagerung als aus einer schlechten Qualität. Dabei sollten wir auch erwähnen,<br />

dass Merlot aus Pomerol bei weitem nicht das Alterungspotenzial der<br />

Cabernet Sauvignons vom linken Ufer aufweist. Daher waren wir nicht<br />

überrascht, dass die 1970er und 1980er Jahrgänge in bestem Zustand waren.<br />

Die letzten Jahrgänge, nämlich 1988, 1989 und 1990, beeindruckten uns<br />

mit ihrer aktuellen Trinkbarkeit: Erfrischend und stabil, mit einer reifen<br />

Fruchtig keit und einer harmonischen Balance, die diese Weine schon jetzt<br />

sehr reizvoll macht.<br />

1952 Château Pétrus 87 P <strong>2008</strong>/2012<br />

Die erste Flasche, die wir von diesem Jahrgang probierten, war eine Châteauabfüllung.<br />

Schwaches Bukett mit Röstaromen, Erdtönen und einigen<br />

eleganten Holz­ und Gewürznoten. Mittelschwer am Gaumen, mit vollreifen<br />

Tanninen und einem kurzen Finale. Jetzt oder innerhalb der nächsten<br />

fünf Jahre trinken.<br />

1952 Château Pétrus 83 P <strong>2008</strong>/jetzt<br />

Diese halbe Flasche war von dem britischen Handelshaus Avery abgefüllt<br />

worden und war in dessen Keller bis zuletzt gelagert. Mit diesem Flaschenformat<br />

hat man dem Wein keinen Gefallen getan, auch wenn er deutlich<br />

besser entwickelt und kantiger war als die Châteauabfüllung. Im Bukett<br />

Röstaromen mit Teer, Pflaumen und flüchtigen Noten. Dieser Wein ist in<br />

halben Flaschen nicht empfehlenswert.<br />

1953 Château Pétrus 93 P <strong>2008</strong>/2017<br />

Mitteltief entwickelte Farbe. <strong>Das</strong> komplexe fleischige und vegetabile Bukett<br />

ist faszinierend, intensiv und lebhaft: Teer, roter Pfeffer, dunkle Schokolade,<br />

reife Pflaumen, Veilchen, Rauch, Pralinen, Gewürze und Stall­Noten.<br />

Am Gaumen immer noch schön fruchtig mit einer delikaten Säure und<br />

einem Rest von reifen Tanninen. In dem herrlich anhaltenden und eleganten<br />

Finale finden sich eigentümliche Aromen von dunkler Minzschokolade.<br />

Der Wein wird sich nicht mehr verbessern, aber er kann noch fünf bis zehn<br />

Jahre gelagert werden.<br />

Die italienische Weinkultur hat eine der längsten Traditionen der Welt. Wenn es aber um<br />

die Erzeugung feiner Weine geht, ist Italien einer der jüngsten Akteure der Alten Welt.<br />

Mit Ausnahme einiger weniger privater Winzer begann die Produktion feiner Weine nicht<br />

vor den 1960er Jahren. Dieser Zeitraum markiert auch den großen Umbruch in der italienischen<br />

Tradition: Nicht mehr Masse, sondern Klasse und vor allem Jahrgangsweine<br />

begannen, eine wichtige Rolle zu spielen. Heute gehören die italienischen Weine zu den<br />

begehrtesten der Welt. Dabei konzentriert sich die Nachfrage für Jahrgangsweine auf die<br />

Anbauregionen Piemont (Barolo und Barbaresco) und Toskana (Chianti Classico, Brunello<br />

und Super-Toskaner).<br />

Wir haben eine Übersicht über die letzten fünf Jahrzehnte zusammengestellt. Sie veranschaulicht,<br />

wie sich die Weinherstellung in diesen Jahren verändert hat, welche Jahrgänge<br />

dazugehören und wie groß das Potenzial der Flaschenreifung heute ist.<br />

Jahren per Gesetz erlassen wurden, waren eher eine Autorisierung schon<br />

bestehender Produktionsmethoden als dazu geeignet, die Güte der Weine<br />

tatsächlich zu bewerten. Die vorgegebenen Methoden konzentrierten sich<br />

nicht auf Qualität, sondern auf Quantität und die Rebsorten mit den höchsten<br />

Erträgen. Natürlich war auch die Qualität eines Jahrgangs Voraussetzung<br />

für die Herstellung eines erfolgreichen Weins. Dennoch wurde ein<br />

guter Jahrgang an den Ernten mit hohen Erträgen gemessen. Lange Zeit<br />

gab es nur wenige Winzer in Italien, die hochklassige und nicht hoch massige<br />

Weine erzeugten.<br />

Zu den ersten feinen Weinen des Landes zählt der Brunello von Biondi-<br />

Santi, der im Jahr 1888 den Grundstein für erstklassige Gewächse legte.<br />

Die nächste Generation edler Weine stammt von Giovanni Conterno, dem<br />

Erzeuger des legendären Barolo Montefortino 1920. Und 1928 präsentierte<br />

Niccolò Antinori der Welt seinen ersten feinen Wein aus dem Chianti, den<br />

Villa Antinori Chianti Classico Riserva. Die ersten weißen Qualitätsweine<br />

kamen im Jahr 1931 auf den Markt, als Antinori seinen Villa Antinori Bianco<br />

und Pieropan den ersten auf dem Weingut abgefüllten Soave vinifizierten.<br />

<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

Text: Uwe Kauss<br />

Fotos: Thomas Schauer<br />

F I N E<br />

P O R T R Ä T<br />

<br />

158<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

So still der Winzer, so glutvoll der Wein: Im Centgrafenberg hoch<br />

über dem nordfränkischen Bürgstadt produziert Paul Fürst einen<br />

Pinot Noir der Weltklasse. Sein Spätburgunder „R“ setzt Maßstäbe.<br />

Text: Martin Wurzer-Berger Fotos: Oliver Rüther<br />

F I N E<br />

W E I N g u t<br />

159<br />

E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />

Fine Inhalt<br />

Fine Inhalt<br />

<strong>FINE</strong> 3/<strong>2008</strong><br />

PERLENDEN<br />

LUXUS<br />

TRINKEN<br />

CHAMPAGNE PRESTIGE-CUVÉES<br />

»Allem kann ich widerstehen, nur der Versuchung nicht«,<br />

sagte einst der irische Schriftsteller Oscar Wilde und<br />

öffnete schon mittags eine Flasche Champagner. Eisgekühlt,<br />

und das gegen den Rat seiner Ärzte. Die Champagner-Versuchung<br />

par excellence präsentieren die<br />

Prestige-Cuvées: Weine, die nur aus den besten Lagen<br />

gewonnen und nur in den besten Jahren erzeugt werden;<br />

Weine, die für ihre zweite Gärung in der Flasche viele<br />

Jahre in den Kreidekellern lagern; Weine, die Zeit benötigen,<br />

um all ihr Potenzial und ihre Raffi nesse wirklich<br />

zu entfalten. Prestige-Cuvées sind Champagner der<br />

Versuchung: Sie bilden ein Marktsegment, in dem über<br />

Preise nicht diskutiert wird. Entweder man zahlt die<br />

150 Euro oder man lässt es bleiben. <strong>Das</strong> Besondere an<br />

diesen Cuvées ist nicht nur der Wein, sondern auch die<br />

exklusive und kostbare Form der Flaschen, die ebenso<br />

wie der Name oder die Gestaltung der Etiketten häufig<br />

an das 18. oder 19. Jahrhundert erinnern. Diese Cuvées<br />

sind Symbole des Luxus, die eng mit der Tradition<br />

und der Geschichte der Champagnerhäuser verbunden<br />

sind – wie etwa Dom Pérignon, Dom Ruinart oder<br />

William Deutz.<br />

Dreizehn Prestige-Cuvées haben wir für Sie ausgewählt:<br />

Zum Öffnen am zweiten Advent, zur Einstimmung<br />

auf den Weihnachtsabend oder für den Nachmittag<br />

vor Silvester. Einige von ihnen entstammen dem<br />

Jahrgang 1998, der bei Kennern wegen seiner Frische<br />

und Eleganz beliebt ist. Dreizehn Versuchungen, denen<br />

niemand widerstehen sollte.<br />

Champagne<br />

Dom Ruinart<br />

Blanc de Blancs<br />

1998<br />

Antinori, de Marchi, Gaja und Sandrone<br />

Vier Fahnenträger<br />

Alexander<br />

Margaritoff<br />

der Wein-Hanseat<br />

<br />

Mit visionärem Mut schuf der Hamburger<br />

Kaufherr das größte Weinhandelshaus Europas<br />

des italienischen Weins<br />

Über Tradition, Wandel und Zukunft einer Weinnation<br />

DAS GEHEIMNIS EWIGER JUGEND<br />

LAURENT-PERRIER<br />

GRAND SIÈCLE<br />

TRIUMPH DER ASSEMBLAGE<br />

Grand Siècle ist ein Champagner voller Geheimnisse. Weder die genaue Herkunft<br />

der Trauben dieser Prestige-Cuvée noch die Zusammensetzung ihrer Sorten bei der<br />

Assemblage oder ihr Alter ist bekannt. Selbst die Produktionsmengen sind seit Jahrzehnten<br />

wohlgehütetes Geschäftsgeheimnis. Was verbirgt sich noch hinter den Mauern<br />

des weltweit renommierten Champagnerhauses Laurent-Perrier, das mehr als einmal<br />

von energischen Frauen gerettet wurde, als sein Ende kaum noch abzuwenden schien?<br />

Der Inbegriff<br />

des Brunello<br />

Franco Biondi-Santi und das Mysterium eines grossen Weins<br />

1990<br />

Seite 18 Alexander Margaritoff Seite 26 Château Lafite<br />

Seite 36 Bordeaux 1990<br />

Seite 98 Der Großflaschenkeller von Adi Werner<br />

Seite 42 Prestige-Cuvées der Champagne<br />

Seite 114 Antinori, de Marchi, Gaja und Sandrone<br />

Seite 68 Champagne Laurent-Perrier<br />

Seite 134 Brunello Biondi-Santi<br />

Bordeaux<br />

Fine<br />

Château-Pétrus-Vertikale<br />

Jahrgänge 1945 bis 1990<br />

Ein Jahrgang –<br />

verführerisch<br />

und reich<br />

Seite 94 Pétrus-Vertikale<br />

Mehr als ein Jahrhundert<br />

italienischer<br />

spitzenweine<br />

Die Jahrgänge<br />

1891 – 2005<br />

erst kurze zeit Auch grosse weine<br />

m Vergleich zu seiner Jahrtausende alten Weinbautradition ist die Kultur<br />

ifeiner Weine in Italien erstaunlich jung. Die Qualitätsklassifikation war<br />

problematischer als in jedem anderen Land. Die Standards, die in den 1960er<br />

Seite 144 Italiens Top-Weine<br />

… und der<br />

Himmel<br />

hängt voller<br />

Weine<br />

ADI WERNER UND SEIN LEGENDÄRER GROSSFLASCHENKELLER<br />

13 Fine Editorial Thomas Schröder<br />

14 Fine Degustation Die Fine-Kriterien<br />

18 Fine Porträt Alexander Margaritoff<br />

26 Fine Bordeaux Château Lafite<br />

36 Fine Bordeaux Bordeaux 1990<br />

42 Fine Champagne Champagne Prestige-Cuvées<br />

58 Fine Reiner Wein Anne Zielke<br />

60 Fine Champagne Die Grandes Dames der Champagne<br />

68 Fine Champagne Laurent-Perrier<br />

74 Fine Wein & Speisen Die Dollase-Kolumne<br />

84 Fine Geschichte trinken Pekka Nuikki<br />

86 Fine Bordeaux Weinprobe & Kunst, 1952–1959<br />

94 Fine Degustation Pétrus-Vertikale<br />

98 Fine Porträt Adi Werner<br />

106 Fine Selbstgespräch Eva Demski<br />

110 Fine <strong>Das</strong> Große Dutzend Assmannshäuser Höllenberg<br />

114 Fine Italien Antinori, de Marchi, Gaja und Sandrone<br />

130 Fine Degustation Solaia<br />

134 Fine Italien Biondi-Santi<br />

144 Fine Degustation Italienische Spitzenweine<br />

158 Fine Weingut Paul Fürst<br />

170 Fine Abgang Ralf Frenzel<br />

Seite 158 Weingut Paul Fürst<br />

Paul Fürst<br />

und das schöne Rätsel des<br />

Spätburgunders<br />

10<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

I n h a l t<br />

11


Die Dollase-Kolumne<br />

Wein &<br />

Speisen<br />

Text: Jürgen Dollase<br />

Fotos: Guido Bittner<br />

In unserer Reihe geht es nicht um das Kritisieren der Leistungen<br />

von Köchen und Sommeliers, sondern ausschließlich um das Vertiefen<br />

von Arbeit und Genuss rund um die Kombination von Wein<br />

und Essen. Über den Wein wissen viele Spezialisten sehr viel. Alles<br />

andere hat noch einen enormen Spielraum und kann sehr viel differenzierter<br />

angegangen werden, als wir dies bisher kennen. Wie steht<br />

es denn um die Abstimmung zwischen Koch und Sommelier?<br />

74<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

W e i n & S p e i s e n<br />

75


Werfen wir in dieser Folge einmal einen kurzen Blick auf die Planungen<br />

der Weinbegleitung zwischen Koch und Sommelier. Auch in den<br />

besten Restaurants geht es dabei oft noch viel zu hektisch zu – wenn es denn<br />

überhaupt zu einer nennenswerten Abstimmung kommt. Selbst dann, wenn<br />

Koch und Sommelier gemeinsam über den Wein nachgedacht haben, kann<br />

es immer wieder geschehen, dass der Koch ohne Wissen des Sommeliers<br />

Veränderungen der Gerichte vornimmt und zum Beispiel mit einer überraschenden<br />

Currygabe oder einem aromatischen Kraut in der Sauce völlig<br />

andere Voraussetzungen für die Weinbegleitung schafft. Sinnvoll ist eigentlich<br />

nur ein ganz klares Verfahren: die sorgfältige gemeinsame Degustation<br />

der Gerichte mit gemeinsamer Abstimmung der Weinempfehlung. Unter<br />

»sorgfältig« sollte man allerdings nicht verstehen, dass man im Stehen und in<br />

der Küche ein wenig mit der Gabel auf dem Teller herum stochert und Wein<br />

dazu trinkt. <strong>Das</strong> mag bei einem Burgunder braten mit Wurzelgemüse funktionieren,<br />

ist aber für eine moderne, sensorisch differenzierte Küche ungeeignet.<br />

Alle Beteiligten sollten sich unbedingt in die Rolle des Gastes begeben<br />

und den angerichteten Teller in der Restaurant situation und in aller Ruhe<br />

genau untersuchen. Wie wird der Gast das Gericht essen? Provo ziert die<br />

Anrichteform eine bestimmte Art zu essen, und ist dies vielleicht ungünstig<br />

für den Wein? Gibt es Kombinationen, die nicht zum Wein passen? Nur aus<br />

dieser konkreten Erfahrung heraus lassen sich wirklich Fortschritte erzielen.<br />

Und: es sollte auch kein Tabu sein, dass der Koch unter Umständen einmal<br />

nach einer anderen Detaillösung sucht, um eine ansonsten ideale Kombination<br />

zum Wein nicht zu zerstören. Ob dann die Gäste ähnlich sensibel<br />

denken, ist wieder eine andere Frage, die von der Kommunikation zwischen<br />

Gast und Sommelier und dem Gast selber abhängt. Wichtig ist zunächst<br />

einmal, dass das Gesamtprodukt stimmt, also die Abstimmung zwischen<br />

Küche und Sommelier.<br />

<strong>Das</strong> Essen: Restaurant Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach,<br />

Bergisch Gladbach<br />

Koch: Nils Henkel<br />

Sommelier: Thomas Sommer<br />

Wir sind in dieser Folge zu Gast im Drei-Sterne-»Restaurant Dieter Müller<br />

im Schlosshotel Lerbach« in Bergisch Gladbach. <strong>Das</strong> Essen wurde von Nils<br />

Henkel (39) konzipiert und gekocht, der im Februar dieses Jahres auch offiziell<br />

die Leitung im »Restaurant Dieter Müller« übernommen hat. Henkel<br />

wurde über Jahre hinweg von Dieter Müller als Nachfolger aufgebaut und<br />

war schon seit längerer Zeit für die Küche und die Rezeptentwicklung des<br />

Hauses verantwortlich. Henkels Stil ist ausgesprochen differenziert. Gegenüber<br />

älteren Kreationen von Dieter Müller fällt eine puristischere, produktnahere<br />

Linie auf, bei der der Einsatz von Butter und Sahne deutlich reduziert<br />

ist. Zusammen mit seinem neuen Sommelier Thomas Sommer (30)<br />

präsentierte Henkel ein spannendes Menü mit vielen interessanten Details,<br />

darunter eine sensationell gute Kombination, die in ihrer Struktur Vorbildcharakter<br />

hat, und ein Gericht zu einem absoluten Spitzenwein.<br />

Cannellono vom Taschenkrebs mit Papaya-Relish<br />

und gegrillter Jakobsmuschel<br />

Der Wein<br />

Ein 2005er Riesling trocken, Dalsheimer Hubacker vom Weingut Keller in Flörsheim-<br />

Dalsheim/Rheinhessen.<br />

Der Wein wurde mit einer Temperatur von 9 Grad serviert. Die wichtigste<br />

Beobachtung zu Beginn ist die starke Entwicklung im Glas. Die Nase<br />

ist von mineralischen Noten geprägt und sehr komplex. Der erste Schluck<br />

schmeckt kurze Zeit noch ähnlich wie die Nase. Danach ergeben sich Fruchtnoten<br />

wie Pfirsich etc., und der Wein wirkt zunehmend trocken mit einer<br />

leicht herben Note. Nach vier Minuten hat man den Eindruck, als habe die<br />

Frucht einen Hauch von Botrytis. Erst nach zehn Minuten und bei 14 Grad<br />

»steht« das Bild mit einem zwischen dieser Note und einer leichten Herbheit<br />

geteilten ersten Eindruck und einer eingebundenen Riesling-Note in<br />

Finale und Nachhall.<br />

<strong>Das</strong> Essen<br />

In der Mitte des Tellers liegt der mit Taschenkrebsfleisch gefüllte Gelee-<br />

Cannellono auf einem krossen Plättchen und darunter Stücken von der<br />

Jakobsmuschel. Auf dem Cannellono eine Linie Kaviar. An beiden Enden<br />

ist eine gegrillte Jakobsmuschel mit einem Stück Taschenkrebsschere und<br />

etwas Schaum platziert. Parallel zum Cannellono liegt ein Streifen Papaya-<br />

Relish, auf der anderen Seite ein Streifen Basilikum-Creme mit Orange an.<br />

Aroma tisch ist der Cannellono mild, wirkt erfrischend und hat eine begrenzte<br />

Kaviar-Wirkung. Auch die Grillnote der Muscheln ist eher zurückhaltend.<br />

<strong>Das</strong> Relish hat von Piment d’Espelette einen deutlich scharfen Nachhall, die<br />

Basilikum-Creme wirkt klar und aromatisch verdichtet.<br />

Verursacher dieser Reaktion ist die Tatsache, dass die drei jodigen Elemente<br />

nicht so stark sind, um den Wein zu dominieren, aber stark genug<br />

und vor allem sensorisch unterschiedlich lang, um Weinreaktionen in vielen<br />

Schattierungen anzuregen. Im Gegensatz dazu ist die Reaktion zu den gegrillten<br />

Muscheln milder und verzahnter. Der Wein wird in seiner Struktur<br />

er halten und produziert – abermals über die jodigen Anteile, aber über lagert<br />

vom dominanten Muschelfleisch – lediglich einen milden, trockenen Nachhall.<br />

Mit dem Papaya-Relish schmuggeln sich einige neue exotische Fruchtnoten<br />

in den Wein ein. Der Vollakkord mit allen Elementen in sorgfältig<br />

abgestimmten Proportionen ist hervorragend strukturiert und liefert mehr<br />

als die Addition der Degustationen der Einzelelemente. Wieder kommt es<br />

zu der kräftigen Erstreaktion mit ihrer komplexen Herbheit. Die zweite<br />

Reaktion bringt über das Papaya-Relish deutliche, aber weinige Fruchtnoten.<br />

Dann folgt eine kurze und milde Erinnerung an die Botrytis-Note, bevor zur<br />

großen Verblüffung am Ende eine kräftige und in sich stabile Rieslingnote<br />

übrig bleibt, die deutlich klarer ist als beim Wein allein.<br />

Kommentar<br />

Diese Kombination ist ein Musterbeispiel für eine hochinteressante Verbindung<br />

von Wein und Essen. Beide Teile spielen ihre Qualitäten voll aus,<br />

sind aber gleichzeitig in der Lage, gemeinsam neue Aromen zu schaffen.<br />

Der Grund für die überraschend klare Riesling-Note im Nachhall des Vollakkordes<br />

ist, dass alle Nebennoten durch feinste Überlagerungen so reduziert<br />

werden, dass man nur eine reine Riesling-Note bemerkt.<br />

Die Reaktionen<br />

Eine dickere Scheibe von dem Cannellono löst eine enorme Reaktion beim<br />

Wein aus. Die jodigen Bestandteile von Muschel, Taschenkrebsfleisch und<br />

Kaviar provozieren dabei keinerlei Jod-Reaktion, sondern lassen den Wein<br />

trockener und komplex-herb schmecken. Der Nachhall wird ausgesprochen<br />

lang, die Fruchtnote spielt mit dem Cannellono keine besondere Rolle – wird<br />

aber auch wegen der differenzierten Reaktion kaum vermisst.<br />

Intensität<br />

Kontakt<br />

komplexe Reaktionen<br />

Frucht, »Botrytis«<br />

Rieslingnote<br />

Zeit<br />

76<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

W e i n & S p e i s e n<br />

77


… n der<br />

Himmel<br />

hängt voller<br />

Weine<br />

Adi Werner und sein legendärer Grossflaschenkeller<br />

Text: Uwe Kauss<br />

Fotos: Thomas Schauer<br />

98<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

P o r t r ä t<br />

99


Es ist still in St. Christoph. Die Hotels des<br />

bekannten österreichischen Skisport-Ortes<br />

am Arlberg sind geschlossen. Ende Oktober verirren<br />

sich höchstens ein paar Wanderer in den 1800<br />

Meter hoch gelegenen Ort, um die letzten warmen<br />

Herbsttage für Touren zu nutzen. In den Restaurants<br />

sind die Stühle hochgestellt, die Küchen<br />

geputzt und leer. Erst Ende November beginnt<br />

die Saison, und mit etwas Glück hat der Schnee<br />

die Gegend schon in ein weißes Berg paradies<br />

verwandelt. Seit den Zwanzigerjahren gilt der<br />

Arlberg mit den Orten St. Christoph, St. Anton<br />

und Lech als eine der besten und exklusivsten Skiregionen<br />

Österreichs. Doch Ende Oktober gibt es<br />

in St. Christoph keine Party, keine Piste, keinen<br />

glamour. Es ist ein ganz normales Bergdorf mit<br />

dreißig Einwohnern, ein paar Hotels, Skihütten<br />

und Handwerkern, die viel zu tun haben.<br />

Auch Adi Werner ist beschäftigt. Der 72-jährige<br />

Wirt des Fünf-Sterne-Hotels Arlberg Hospiz<br />

und des Restaurants Hospiz-Alm telefoniert im<br />

Gehen und hakt dabei seine selbst geschriebene<br />

Liste ab. Sie ist ziemlich lang. In einigen Tagen<br />

will er wieder ins Bordeaux fahren – Wein güter<br />

besuchen, verkosten, mit den Besitzern sprechen.<br />

Doch zuvor muss er sich kümmern. »Wenn du<br />

dich nicht kümmerst, passiert nix. <strong>Das</strong> geht so<br />

ja net«, sagt er. Er fährt mit seinem Audi Kombi<br />

an der gleich gegenüberliegenden Talstation der<br />

Sicher wie Fort Knox: Panzertür zum Keller<br />

Christophbahn vorbei, deren Lift die Skiläufer zu<br />

den Pisten auf knapp 2200 Metern Höhe bringt.<br />

Eine schmale Straße führt an Hotels entlang zum<br />

Restaurant, das er samt dem Hospiz-Hotel seit 44<br />

Jahren betreibt. Seit 1997 führt sein Sohn florian<br />

mit seiner Frau das Unternehmen mit über hundert<br />

Mitarbeitern, zu dem neben dem Arlberg<br />

Hospiz mit vom Gault Millau mit zwei Hauben<br />

und 15 Punkten bewerteten Restaurant sowie dem<br />

2000 Quadtratmeter großen Spa weiter die Vier-<br />

Sterne-Herberge »Hospiz Residenzen«, das Hotel<br />

»Goldener Berg« sowie das Restaurant »Alter<br />

Goldener Berg« in Oberlech gehört.<br />

Big Bottles im Atombunker<br />

Sie alle gelten als Top-Adressen der Region:<br />

Prominente, Könige und Politiker gehören wie<br />

selbstverständlich zu den Gästen. Doch nun stapeln<br />

sich Zementsäcke vor der rustikalen Hütte<br />

der Hospiz Alm aus dunklem Holz, das von<br />

ur alten Bauernhäusern der Umgebung stammt.<br />

Auf der leeren sonnigen Terrasse mit wunderschönem<br />

Bergblick lagern Klapptische. Der gewaltige<br />

Grill ist zugedeckt. Der Wirt trägt offenes Sporthemd<br />

und eine alte braune Lederjacke. Er schließt<br />

die Tür des Restaurants auf und schaltet das Licht<br />

ein. Mit dem Handy am Ohr dirigiert er weiter<br />

seine Mitarbeiter und die Handwerker. Es sind<br />

kurze Gespräche, die in ruhiger Stimme mit »Ich<br />

bin’s« oder »der Adi« beginnen und mit einem<br />

klaren Auftrag schnell enden. Manchmal ist Zeit<br />

für ein Witzchen, manchmal auch nicht. »Die<br />

Treppe muss noch mal ausgebessert werden, das<br />

kann so nicht bleiben.« Nächster Anruf. Unten<br />

im Weinkeller sind neue Flaschenhalterungen<br />

anzubringen. »Bitte versetzt, schön symmetrisch,<br />

damit das passt.« Er stürmt die halbdunkle Treppe<br />

hinab Richtung Keller, dreht an einem großen Rad<br />

an der Stahltür, die sich öffnet. »So, da sind wir«,<br />

sagt Werner und steckt das Telefon in die Jackentasche.<br />

<strong>Das</strong> Licht geht an, und wir stehen inmitten<br />

teuerster Bordeaux-Raritäten. Es ist seine legendäre<br />

Großflaschen-Sammlung, die uns nun buchstäblich<br />

umfängt. Denn nicht nur an den Wänden<br />

des weiß gestrichenen Raums lagern seine Preziosen,<br />

sondern auch an der Decke in massiven<br />

Stahlhalterungen.<br />

Die Sammlung umfasst fünftausend Magnums<br />

und Doppelmagnums und zudem 12, 15 und 18<br />

Liter fassende Flaschen feinster Jahrgänge und<br />

bester Châteaux. Mittlerweile fast zweitausend<br />

dieser extrem seltenen »Big Bottles« hat er in<br />

seinem Sammlerleben zusammengetragen. Diese<br />

Schätze lagern hier unten im ehemaligen Atombunker<br />

des Restaurants. In der Zeit des Kalten<br />

Krieges mussten die Österreicher solche Bunker<br />

zu ihrem Schutz bauen. Doch nach dem Ende<br />

der Blöcke hat ihn Werner einem sinnvolleren<br />

Zweck zugeführt, als darin dem baldigen Ende<br />

seiner Tage entgegenzusehen. Schnell wurde der<br />

Atombunker mit Wein gefüllt, und der Hospiz-<br />

Wirt ließ einen weiteren Raum anbauen. Diesmal<br />

nicht atombombensicher, aber mit viel Platz. So<br />

verfügt er nun über zweihundert Quadratmeter<br />

Fläche – allein für die großen Flaschen. Warum<br />

aber sammelt er ausgerechnet Flaschen, schwer<br />

wie Marmorstatuen? Was ist das Geheimnis? »Der<br />

Wein kann darin viel länger lagern, weil der Sauerstoff<br />

zwischen der Unterseite des Korkens und<br />

der Wein-Oberfläche in Relation zur Weinmenge<br />

fünf- bis sechsmal kleiner ist als bei einer normalen<br />

Flasche. So reift er viel besser, wird feiner, eleganter<br />

und weicher. Der Unterschied zum Wein<br />

in der normalen Flasche ist ganz deutlich erkennbar,<br />

wir haben das immer wieder beim Verkosten<br />

festgestellt.«<br />

Heute kann man sich oben im Restaurant so<br />

eine Flasche öffnen und ausschenken lassen. <strong>Das</strong><br />

Budget vorausgesetzt: Werners teuerster Wein<br />

ist eine Nebukadnezar Cheval Blanc 2000 mit<br />

15 Litern für 48.000 Euro. Die Weinkarte der<br />

Hospiz-Alm listet 650 Bordeaux-Positionen der<br />

Jahre 1924 bis 2002, dazu kommen 450 weitere<br />

Weine aus Österreich, Deutschland, Italien und<br />

anderen Anbaugebieten. Aber kein Rotwein ist<br />

jünger als 2002: »Von älteren Jahrgängen könnte<br />

ich zwei Flaschen trinken, von jungen bekomme<br />

ich nach einem Glas rasende Kopfschmerzen.«<br />

Zusammen mit den über sechzigtausend Bordeaux<br />

in normaler Flaschengröße gehört die<br />

Sammlung unter der Skihütte zu den größten der<br />

Welt. Die Weine lagern nicht nur im Atombunker,<br />

Schloss mit Bruderschaftswappen<br />

sondern auch in zwei weiteren Kellern – darunter<br />

dem Bruderschaftskeller von 1386, der sich<br />

unter der Kapelle des Hospiz-Hotels befindet –<br />

sowie in einem Lager einige Kilometer außerhalb<br />

von St. Christoph. Ihr Einkaufswert beträgt<br />

derzeit rund 7 Millionen Euro. Der Auktionswert:<br />

unschätzbar. Dreimal wurde die Sammlung<br />

vom Gastronomieverband als »bester Weinkeller<br />

Österreichs« ausgezeichnet, viele weitere internationale<br />

Preise kamen hinzu.<br />

Für diese Sammlung hat Adi Werner fast ein<br />

halbes Leben benötigt. Der gebürtige Wiener<br />

wuchs im Salzburger Land auf. Statt, wie von<br />

der Familie geplant, Tierarzt zu werden, jobbte<br />

er lieber als Kellner, entdeckte die Freude an der<br />

Gastro nomie und absolvierte eine Hotel fachschule<br />

in Lausanne. Später arbeitete er in Hotels auf<br />

Bermuda und in San Francisco und war der persönliche<br />

Assistent des New Yorker Reeders und<br />

Milliardärs Daniel K. Ludwig. 1964 übernahm<br />

er zusammen mit seiner Frau Gerda das Arlberg<br />

Hospiz-Hotel in St. Christoph. Bereits 1955 hatte<br />

Werners Schwiegervater Arnold Ganahl, ein wohlhabender<br />

Textil- und Papier-Industrieller, den<br />

alten Gasthof gekauft. Er ließ ihn herrichten. Doch<br />

zwei Jahre später brannte er in der Dreikönigsnacht<br />

bis auf die Grundmauern ab. Ein Kurzschluss.<br />

Doch Ganahl ließ das Hotel wieder aufbauen –<br />

größer, höher und breiter als zuvor. Weihnachten<br />

1959 wurde das neue hospiz eröffnet. Es war das<br />

modernste Hotel am Arlberg – alle Zimmer hatten<br />

Bad, Dusche und WC. Damals purer Luxus.<br />

»Der Arlberg war ja schon sehr bekannt. Hier<br />

oben wurden 1930 etwa Aufnahmen für den Skifahrerfilm<br />

‚Der weiße Rausch’ mit Leni Riefenstahl<br />

gedreht. <strong>Das</strong> hospiz-Hotel war ein Anziehungspunkt.<br />

Also kamen die Gäste, um auch das<br />

neue Hotel zu bewohnen«, erinnert sich Werner.<br />

Darunter waren die einflussreichsten Familien der<br />

jungen Bundesrepublik wie Flick, Quandt und<br />

Burda – oder der König von Spanien.<br />

<strong>Das</strong> ist bis heute so geblieben. Die niederländische<br />

Königsfamilie, König Harald von Norwegen,<br />

der russische Staatspräsident Wladimir Putin,<br />

der tschechische Staatspräsident Václav Klaus, der<br />

kanadische Ex-Premierminister Pierre Trudeau,<br />

Ex-Bundespräsident Walter Scheel, Scheich<br />

hassan von Jordanien sowie viele andere Prominente<br />

kamen und kommen ins hospiz-Hotel<br />

Arlberg. Wer lange genug Stammgast ist, den<br />

nimmt Werner in die von ihm wieder belebte<br />

hospiz-Bruderschaft auf, die bereits 1386 von<br />

Mönchen gegründet wurde. Sie sammelt spenden<br />

für in Not geratene Familien – mittlerweile kamen<br />

so 10 Millionen Euro zusammen, die ohne Verwaltungskosten<br />

direkt Bedürftigen helfen. In der<br />

hoteleigenen Kapelle werden die Neu-Brüder<br />

feier lich und mit einem Glas Rotwein in der Hand<br />

per Schwertschlag aufgenommen.<br />

Lynch-Bages für die Flicks<br />

In den ersten Jahren des neuen Hotels wurden<br />

die Gäste mit allem verwöhnt, nur nicht mit Wein.<br />

Adi Werner lächelt und erzählt: »Der Sommelier<br />

kam an den Tisch und fragte: Darf’s etwas zu<br />

trinken sein? Ja. Die nächste Frage lautete: Rot<br />

oder weiß? Die dritte Frage: Ein Glas, ein Viertel<br />

oder ein Halbes? Damit war das Verkaufs gespräch<br />

beendet.« Der Milliardär Karl-Friedrich Flick<br />

fragte ihn daher einmal: »Lieber Wirt, hast du<br />

nicht etwas anderes da? Einen Lafite-Rothschild<br />

zum Beispiel?« Adi Werner war zunächst etwas<br />

ratlos. »Den Namen kannte ich zwar theoretisch<br />

von der Hotelfachschule. Aber getrunken hatte ich<br />

noch keinen.« Er wandte sich an den Innsbrucker<br />

Weinhändler Alexander Gottardi. Der besorgte<br />

zwar keinen Lafite, dafür aber eine Kiste Wein, die<br />

heute zu den großen Raritäten der Welt gehört.<br />

Einen 1947-er Mouton-Rothschild. »Na ja, da<br />

nehmen wir mal eine Kiste«, sagte er zu gottardi.<br />

Die Flasche habe so um 90 Schillinge gekostet,<br />

heute etwa sechs Euro. »Den haben die Gäste gern<br />

getrunken«, erinnert er sich. Er verkaufte ihn im<br />

Restaurant für umgerechnet 18 Euro die Flasche.<br />

Doch das gab erst mal Ärger mit dem Schwiegervater.<br />

Der war streng zu seinem Schwieger sohn,<br />

lobte selten und führte ein eisernes Regiment. »Es<br />

ging keine einzige Rechnung ohne seine Unterschrift<br />

raus«, erzählt Adi Werner. Ganahl befand,<br />

niemand würde 18 Euro für eine Flasche Wein<br />

zahlen, da der Pensionspreis im Hotel pro Nacht<br />

nur bei 15 Euro gelegen habe. »Keiner zahlt mehr<br />

für eine Flasche Wein als für eine Tagespension«,<br />

beschied der strenge Patron und befahl: »Schick<br />

die Kiste zurück!« Doch Werner wollte nicht –<br />

und der Weinhändler hatte die rettende Idee: Er<br />

schrieb die Rechnung einfach auf zehn Kisten<br />

billigen St. Magdalener-Wein um. »Fürs abendliche<br />

Dancing in der Kellerbar«, erklärte er dem<br />

misstrauischen Schwiegerpapa. Nun hatte er den<br />

richtigen Wein für die Flicks und Quandts. »Als<br />

andere Gäste sahen, dass diese Familien diesen<br />

Wein tranken, fragten sie: Können wir den<br />

auch haben? Ich antwortete: Na sicher! So habe<br />

ich den 47er Mouton spielend ausverkauft. Ich<br />

wollte ihn nachbestellen, und, na ja, da gab’s ihn<br />

nicht mehr.«<br />

Werner war wie elektrisiert von diesen Weinen<br />

und lernte schnell Bordeaux, die hießen nicht nur<br />

Mouton, sondern auch Lafite und Margaux. Und<br />

er kaufte und kaufte. Sein Weinkeller entstand.<br />

»Immer wieder kamen neue Weine dazu, weil einer<br />

der Flicks mir noch unbekannte Namen nannte:<br />

Besorg doch mal einen Lynch-Bages! Nimm<br />

doch mal einen Pichon-Lalande! Bald konnte ich<br />

55er Mouton kriegen, auch den berühmten 59er<br />

Mouton habe ich gekauft. So hat meine Sammelleidenschaft<br />

begonnen. Ich habe oft mittrinken<br />

Warten auf mehr Wein: Noch Platz im zweiten Keller<br />

100<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

P o r t r ä t<br />

101


Selbstgespräch<br />

Eva Demski allein mit einer Flasche 1993 Mazy-Chambertin Grand Cru von Armand Rousseau<br />

EinWein<br />

voller<br />

Weine<br />

Der verlangt einiges, so wie er da steht, das sieht man gleich. Wie lang ist es<br />

her, dass ich mir so was habe gefallen lassen? Egal. Ich bin jedenfalls in den<br />

Keller gegangen und habe die Großmutterkaraffe mit dem dicken Bauch<br />

gesucht und diese blöden Gläser, die nicht in die Spülmaschine passen. Man<br />

hat ja alles. Man braucht es bloß nicht. Schon fängt die Sache an, nach Auserwähltheit<br />

zu riechen.<br />

Er hört auf den Namen Mazy-Chambertin Grand Cru und kommt aus Burgund,<br />

von der Domaine Armand Rousseau. Geboren ist er 1993, das war das<br />

Jahr, in dem ich mit dem Weißweintrinken aufgehört habe. Weißwein war<br />

das Getränk meiner Mutter, wir tranken zusammen Weißwein bis zu ihrem<br />

plötzlichen Tod im Dezember 92, wir mochten die gleichen Weine. Ohne<br />

sie schmeckte er mir nicht mehr. Mir wurde schlecht davon, und nervös war<br />

ich sowieso. Plötzlich verstand ich damals das böse kleine Verslein der österreichischen<br />

Kaiserin Elisabeth, genannt Sisi – Für mich keine Liebe / Für mich<br />

keinen Wein / Die eine macht übel / Der andere macht spei´n.<br />

Indessen habe ich den Burgunder aus der Flasche mit dem altmodischen<br />

Etikett langsam in die Karaffe laufen lassen. Am Flaschenboden bleibt<br />

dunkler Satz zurück. Ich halte die Karaffe gegen das Licht. Sonderbare<br />

Farbe. Wie Herbstblätter. Er ist nicht hell und klar, wie seine jüngeren<br />

Nachfolger beschrieben werden. Er duftet auch nicht nach Johannisbeeren.<br />

Wie er duftet, weiß ich noch nicht genau. Weinbeschreibungen<br />

sind, Geschmack und Geruch begreiflich machen wollend, nicht selten ja<br />

ziemlich komisch.<br />

In einem Hofladen irgendwo in der Nähe von Neustadt in der Pfalz habe<br />

ich damals ein paar Flaschen simplen Bio-Rotwein gekauft, denn wenn<br />

man schon elternlos ist, will man nicht auf Dauer auch noch weinlos bleiben,<br />

zumal, wenn man aus einer Winzersippe stammt. Und der harmlose<br />

Dornfelder erwies sich als Segen, ein wärmendes Deckchen, das sich über<br />

meine Unruhe und Traurigkeit legte. Schlafen konnte ich auch wieder. Nie<br />

zuvor hatte ich mir etwas aus Rotwein gemacht, obwohl meine Urgroßmutter<br />

eine Bordelaise gewesen war. Man hatte damals sehr umsichtig geheiratet,<br />

die Rotweinfrau aus Bordeaux den Rieslingmann vom Rhein.<br />

Jetzt habe ich das erste Glas vom Burgunder eingeschenkt, ich lasse ihn ein<br />

bisschen kreisen, mein Weinkennerfreund Dr. P. würde jetzt seine Nase<br />

ins Glas halten, dann schlürfen und ziepschen und wälzen und kauen und<br />

schlabbern, es wäre ein schreckliches Getöse. Ich trinke einfach und warte.<br />

Er schmeckt irgendwie braun.<br />

Bordeauxweine mag ich nicht. Ich mag überhaupt offenbar das nicht gern,<br />

was man große Weine nennt. Wie oft habe ich, um Gastgeber nicht zu enttäuschen,<br />

die gängige Genussprosa von mir gegeben und mir als Gegenleistung<br />

sterbenslangweilige Geschichten über Fundort, Entdeckung, Erwerb,<br />

Verkostung und sonstige Weinfolklore angehört. Vor allem Rotwein setzt in<br />

vielen Menschen die Angebermaschinerie in Gang, weiß der Himmel, warum.<br />

Selbst über Geld reden sie in dem Zusammenhang ungeniert.<br />

Jetzt bin ich beim zweiten Glas und versuche, dem Geschmack auf die Schliche<br />

zu kommen. Dunkle, etwas matschige Brombeeren. Die Farbe braun fällt<br />

mir aber immer wieder ein, etwas Herbstliches, nicht mehr Vitales legt sich<br />

mir auf die Zunge. Kann man Alter trinken? Macht einen das jünger? Burgunder<br />

macht etwas mit einem, hat Sch. gesagt. Daran muss ich jetzt denken,<br />

obwohl er es sicher anders gemeint hat.<br />

Meine Winzersippe in Rheinhessen gibt es schon lang nicht mehr. Sie waren<br />

allesamt ungestüm feiernde, leidenschaftliche und unernste Menschen,<br />

temperamentvoll und bezaubernd. Meine Mutter, die ihnen entstammte,<br />

wünschte sich Zeit ihres Lebens etwas von diesem leichten Binger Blut. <strong>Das</strong><br />

hatte sie nicht geerbt. Nur die Kurzlebigkeit all dieser wunderbaren Leute,<br />

meiner Mutter gelang es als einziger von ihnen, wenigstens die sechzig zu<br />

überschreiten.<br />

Ich weiß gar nicht, ob sie dort überhaupt Rotwein anbauten. Der kam damals<br />

aus Ingelheim oder von der Ahr und sollte bei unerfülltem Kinderwunsch<br />

helfen.<br />

Mein Onkel Battist behauptete, dass das klappe. Man müsse die Frauen nur<br />

für ein Wochenende zum Rotweintrinken dorthin schicken. Die Winzer<br />

würden schon für Erfolg sorgen. Damals wusste ich nicht, wovon die Rede<br />

war. Aber Wein kannte ich, den weißen, der ohne Etikett auf der grünen<br />

Flasche oder gleich im Glaskrug auf dem Tisch stand. Ein Schluck kann dem<br />

Kind nichts schaden. <strong>Das</strong>s ich von Anfang an keinen süßen Wein mochte,<br />

gefiel der Sippe. Die wird’s zu was bringen!<br />

106<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

S e l b s t g e s p r ä c h<br />

107


Paul Fürst<br />

und das schöne Rätsel des<br />

Spätburgunders<br />

So still der Winzer, so glutvoll der Wein: Im Centgrafenberg hoch<br />

über dem nordfränkischen Bürgstadt produziert Paul Fürst einen<br />

Pinot Noir der Weltklasse. Sein Spätburgunder „R“ setzt Maßstäbe.<br />

Text: Martin Wurzer-Berger Fotos: Oliver Rüther<br />

158<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

W e i n g u t<br />

159


er Weg steigt mäßig. Links und rechts Eigenheime aus den<br />

1980er Jahren, weiter oben scheinen sie jüngeren Datums.<br />

Ein Sträßchen geht links ab. »Centgrafenweg«. Die Richtung<br />

stimmt, aber wo sind die Reben? Ein Stückchen weiter nur<br />

sind sie oberhalb der Häuser und unterhalb des mächtigen<br />

Waldes zu sehen, der den lang gestreckten Höhenzug krönt. Ein Panoramablick<br />

aber, wie häufig im Weinland, will sich nicht einstellen.<br />

Es geht noch ein Stück den Hohenlindenweg bergan, bevor sich hinter<br />

bunt belaubten Ästen die Gauben eines Hauses zeigen. Der Weg zieht links<br />

weiter hoch, rechts führt er an der Front des Hauses entlang auf den Hof.<br />

<strong>Das</strong> spitze Dreieck zwischen aufsteigender Straße und waagerechter Zufahrt<br />

ist dicht mit Reben bestockt. Der rote Buntsandstein des Spessarts prägt<br />

die Fassade des gesetzten Gebäudes, das sich an den flachen Hang schmiegt.<br />

An der Kopfseite der Zufahrt steht ein mit rottönernen Biberschwänzen<br />

gedecktes Wirtschaftsgebäude. <strong>Das</strong> Weinlaub an seiner Fassade verdeckt<br />

fast einen Sandstein mit der Aufschrift »Trias« und einem handtellergroßen<br />

Ammoniten in der Mitte. Es ist das Signet einer Vereinigung von fünf<br />

Winzern, die die Böden Frankens in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit<br />

rücken: Keuper, Muschelkalk und Buntsandstein. Ein Emailleschildchen mit<br />

der Aufschrift »Entrée des Artistes« ziert die Tür zum Flaschenlager. Soll<br />

man eintreten – oder gerade nicht?<br />

Paul Fürst hat den Besucher durch die fast bodentiefen Fenster schlitze seines<br />

Büros bereits erblickt. Er wirft sich seine gut durchgearbeitete grüne<br />

Wachsjacke über und kommt zur Begrüßung auf den Hof. <strong>Das</strong> feine Lächeln,<br />

die hochgewölbte Stirn mit dem curligen Haarkranz, die dunkel geränderte<br />

Brille, dazu die sanfte, ruhige Stimme mit ihrem milden fränkischen Dialekt<br />

– alles spiegelt seine Warmherzigkeit, seine Gelassenheit.<br />

Fürst hat nichts von einem Visionär an sich. Er ist ein Mann mit starkem<br />

Gestaltungswillen und reicher Gestaltungskraft. Er hat das Potenzial<br />

seiner Heimat, die »hitzigen« Buntsandsteinböden und das Klima, früh<br />

richtig gelesen. Er sammelte geduldig Jahr für Jahr das Wissen, was wie und<br />

wann in Weinberg und Keller zu tun ist. Er hat dem deutschen Spätburgunder<br />

neues Leben eingehaucht. Jetzt ist Paul Fürst – fast zwangsläufig – der<br />

»Fürst des Pinot«.<br />

Es war in den vorherigen Tagen bedeckt und in der Nacht kalt. Vereinzelte<br />

Nebelfetzen ziehen noch durch das Erftal, in das sich der Centgrafenberg<br />

neigt. Nun scheint die Sonne, weiße Wolken treiben über den Himmel.<br />

Der Hof, in dem wir stehen und reden, ist ein längliches Viereck zwischen<br />

den Gebäuden. Er öffnet sich nach Süden. Von einem Freisitz mit Sonnensegel<br />

fällt der Blick hinunter auf einen übersichtlichen Weinberg mit flacher<br />

Neigung. Geschäftiges Treiben kündigt an: heute soll dieser Wingert<br />

gelesen werden. Seine Trauben sind für den Fürst-Spätburgunder »Tradition«<br />

bestimmt. Doch zunächst wandert der Blick über den Weinberg hinaus.<br />

Ganz rechts, noch hinter Bürgstadt, sind in den steilen Hängen auf der<br />

anderen Mainseite die Rebflächen der Mainhölle zu sehen. Auf beiden Seiten<br />

eines ehemaligen Steinbruchs sind Gevierte akkurat wie Fenster in den<br />

Hang geschnitten. Weiter links der weite Talkessel von Miltenberg. Hier<br />

stoßen Odenwald und Spessart aufeinander, schützen vor kalten Winden<br />

und sorgen für äußerst günstige klimatische Bedingungen. Östlich verliert<br />

sich der Blick in den Wäldern des Odenwalds. Auf der Straße schnurrt<br />

ein Mittelklasse-Kombi vorbei. Auf seinem aluglänzenden Anhänger steht,<br />

ordentlich mit Spanngurten verzurrt, eine volle Bütte. Es ist Freitag. Da hat<br />

wohl ein Nebenerwerbswinzer einen Urlaubstag genommen; der Tag lädt<br />

einfach zur Lese ein.<br />

Hinter Miltenberg wendet sich der Main ein letztes Mal nach Nordwesten.<br />

Auf seinem langen Lauf begleiten ihn die berühmtesten Weinberge<br />

Frankens, in Volkach, Escherndorf, Würzburg, Thüngersheim und Homburg.<br />

Aber zwei Lagen mit Weltklasse-Potenzial sind gerade an seinem südwestlichen<br />

Zipfel zu finden: der Bürgstadter Centgrafenberg und der Klingenberger<br />

Schlossberg. Dorthin zieht es Paul Fürst zuerst. Der dunkelgrüne<br />

Range Rover ist offensichtlich kein Spielzeug, sondern ein Arbeitsgerät.<br />

Ein Spaßvogel hat auf der Innenseite der Frontscheibe hinter dem Rückspiegel<br />

ein kleines Schildchen angebracht. Der Text »Forstbetrieb« ist durch<br />

eine leichte Bearbeitung des »o« und unter Hinzufügung zweier Pünktchen<br />

modifiziert: »Fürstbetrieb«.<br />

Fürst, Sohn und Klon: Ein spezifischer Pinot-Klon<br />

hilft Paul Fürst und seinem Sohn und Partner Sebastian<br />

zu unerhörten Qualitätserfolgen in seinen Rebgärten<br />

Zur Orientierung dreht Fürst dann doch zuerst eine Schleife im Centgrafenberg.<br />

Kein überwältigendes Rebenmeer, sondern ein kleinteilig gegliederter<br />

Garten Eden. In Wellen dreht der Berg in östliche und westliche Richtung.<br />

Mehrere Rinnen ziehen sich oben vom Wald kommend den Hang hinab. Hier<br />

und da stehen Baumgruppen und Sträucher, vereinzelt sind Parzellen mit<br />

Obstbäumen bepflanzt. Äpfel im besten Teil des Centgrafenbergs? Ein Personenwagen<br />

aus Frankfurt hält hinter uns, ein Pärchen steigt aus und wechselt<br />

mit Paul Fürst einige Sätze. Ihnen und ihrer aus Bürgstadt stammenden<br />

Familie gehört die Parzelle. Sie wollen den schönen Tag nutzen, das Obst zu<br />

ernten. Richtig Spaß scheint es ihnen nicht zu machen, es ist halt so, wie es<br />

ist, und die Parzelle zu verkaufen kommt nicht in Frage. Weinbergflächen<br />

zu erwerben ist schwierig. Man muss Geduld haben und langfristig denken.<br />

Den Centgrafenberg mit seiner heutigen Größe von etwa 68 Hektar gibt es<br />

erst seit 1971. Damals wurden der ursprünglichen Lage die Lagen Bischof,<br />

Gries, Hohenlinden und Walzrain angefügt.<br />

Die Kleinteiligkeit des Centgrafenbergs hat historische Gründe. Auch<br />

wenn es hier schon sehr lange Weinbau gibt, gab es früher kaum Haupterwerbswinzer<br />

oder größere Domainen. Die praktizierte Erbteilung führte<br />

dazu, dass Parzellen wieder und wieder geteilt wurden. Weinberge liefen im<br />

landwirtschaftlichen Spektrum eines Bauernhofs einfach mit. Erschwerend<br />

kam hinzu, dass die Buntsandsteinbrüche des Spessarts die kräftigen jungen<br />

Männer anzogen. Schon im 15. Jahrhundert und erneut Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

blühte dieser Erwerbszweig; halb Frankfurt ist aus Miltenberger<br />

Buntsandstein erbaut. In den Brüchen und bei der Verarbeitung war gutes<br />

Geld zu verdienen, auch wenn den Arbeitern kein langes Leben beschieden<br />

war. Der hohe Quarzanteil im Stein ist bei der trockenen Bearbeitung lungengängig<br />

und verantwortlich für die Silikose. Arbeitskräftemangel bei der<br />

beschwerlichen Arbeit im Weinberg führt nicht zu einer prosperierenden<br />

Entwicklung. Es braucht Menschen mit Vorstellungskraft, Unternehmergeist<br />

und Risikobereitschaft, die die Möglichkeiten im Vorgegebenen sehen.<br />

160<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

W e i n g u t<br />

161


<strong>Das</strong> Grosse Dutzend<br />

Assmannshäuser Höllenberg<br />

Deutscher Rotwein? Nur zögerlich erkennt die weltweite Gemeinschaft<br />

der Weinfreunde, dass in Deutschlands Reblandschaften<br />

Rotweine entstehen, die nicht nur spontanen Trinkgenuss bereiten<br />

können, sondern über immer beträchtlichere Entwicklungspotentiale<br />

verfügen.<br />

<strong>Das</strong> hat Geschichte: In der Rheingauer Domaine Assmannshausen<br />

der Hessischen Staatsweingüter versammelten sich zwölf Weinenthusiasten,<br />

um weltexklusiv eine absolute Rarität zu verkosten.<br />

<strong>Das</strong> zweite »Große Dutzend« von Fine <strong>Das</strong> <strong>Weinmagazin</strong> stellte<br />

Deutschlands legendäre Spätburgunder-Lage in den Mittelpunkt,<br />

den Assmannshäuser Höllenberg aus den Jahrgängen von 1928<br />

bis 1959. <strong>Das</strong> Ergebnis: Ungläubiges, ehrfürchtiges Staunen über<br />

Weine, die nach dem Abklingen der unerwarteten Verblüffung<br />

keiner der Kenner nicht begeistert als groß klassifizieren wollte!<br />

Fotos: Guido Bittner<br />

110<br />

F I N E 3 / <strong>2008</strong><br />

F I N E<br />

E E N <br />

111


ich habe im leben viel<br />

erreicht. jetzt freue ich<br />

mich darauf, mein<br />

vermögen zu genießen.<br />

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