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Premiere Das Rheingold Herbert Wernicke und Nike Wagner ...

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TAKT4<br />

Februar/März 2002<br />

Bayerische<br />

Staatsoper<br />

Bayerisches<br />

Staatsballett<br />

<strong>Premiere</strong> <strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong> <strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Nike</strong> <strong>Wagner</strong> Portrait Max Keller Zur Person Fragen<br />

an Zubin Mehta Boulevard Ein <strong>Rheingold</strong>krimi<br />

Ballett Karin von Aroldingen probt Balanchine<br />

<strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong>


<strong>Premiere</strong><br />

Eine Neuproduktion von <strong>Wagner</strong>s Ring-Tetralogie wird am Ort ihrer halben<br />

Uraufführung mit besonderer Spannung erwartet. Am Pult steht – <strong>und</strong> das hat<br />

in München Tradition – der Generalmusikdirektor. <strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong> (Photo<br />

links) ist für Inszenierung, Bühne <strong>und</strong> Kostüme verantwortlich, Max Keller für<br />

das Licht. Wotan ist John Tomlinson (Photo, rechts). <strong>Premiere</strong> von <strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong><br />

wird am 24. Februar sein. Die Walküre steht am Beginn der Opern-Festspiele<br />

2002, Siegfried <strong>und</strong> Götterdämmerung folgen nächste Spielzeit.<br />

Indien in München<br />

Am 26.1.2002 überreichte Zubin Mehta im Münchner<br />

Künstlerhaus den Bayerischen Jugendpreis<br />

des Indien-Instituts“. 2001 war dieser Preis zum<br />

ersten Mal im Fach Komposition vergeben worden.<br />

Der Wettbewerb wurde in Zusammenarbeit mit<br />

der Hochschule für Musik <strong>und</strong> Theater ins Leben<br />

gerufen, um junge Menschen mit der Vielfalt der<br />

indischen Musik <strong>und</strong> Musiktradition vertraut zu<br />

machen. Die Preisträgerin ist Karola Obermüller<br />

aus Nürnberg. Der Jury gehörten neben Zubin Mehta u.a. die Komponisten<br />

Reinhard Febel <strong>und</strong> Giselher Klebe an.<br />

Im Rahmen der internationalen Frühjahrsbuchwoche der Stadt<br />

München, die in diesem Jahr „Indien“ zum Thema hat, diskutiert<br />

Zubin Mehta am 12. März, 11 Uhr, in der Musikhochschule mit<br />

Focus-Kulturchef Stephan Sattler. Thema: Nachdenken über das<br />

Eigene <strong>und</strong> das Fremde.<br />

Kulturelles Engagement braucht Partner<br />

Die Bayerische Staatsoper schließt Sponsorpartnerschaft mit Audi<br />

Als Auftakt eines vor kurzem von der Bayerischen Staatsoper erarbeiteten<br />

Sponsoring-Konzeptes wurde ein Sponsoringvertrag mit<br />

der Audi AG besiegelt. Audi, der in Ingolstadt ansässige Automobilhersteller,<br />

der die Unterstützung von Kunst <strong>und</strong> Kultur als Teil<br />

seiner Unternehmensphilosophie betrachtet, hat sich bereit erklärt,<br />

die Tetralogie Der Ring des Nibelungen, die einen Schwerpunkt der<br />

Arbeit der Bayerischen Staatsoper in den nächsten Spielzeiten<br />

darstellt, als exklusiver Hauptsponsor zu unterstützen.<br />

Prix Benois 2002 <strong>und</strong> Dornröschen in Rom<br />

Maria Eichwald, Erste Solistin des Staatsballetts, wurde für den Prix<br />

Benois de la Danse nominiert, der alljährlich von einer international<br />

besetzten Jury vergeben wird. Vorsitzender der Jury<br />

ist diesmal John Neumeier. Maria Eichwald wird aus<br />

diesem Anlaß am 26. April im Bolschoi Theater in<br />

Moskau mit Alen Bottaini einen Pas de deux aus<br />

Manon tanzen.<br />

Lisa-Maree Cullum wurde von Carla Fracci eingeladen,<br />

im Opernhaus in Rom im Februar die Vorstellungen<br />

Dornröschen zu tanzen. Ihr Partner ist<br />

Roberto Bolle.<br />

Inhalt<br />

Aktuelles<br />

Nicht global, sondern lokal 2<br />

<strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong> <strong>und</strong> <strong>Nike</strong> <strong>Wagner</strong><br />

über die Neuinszenierung des Ring<br />

Im Dienst von Licht <strong>und</strong> Schatten 8<br />

Der Lightdesigner Max Keller<br />

CD-Tip 12<br />

Der Ring des Nibelungen<br />

Fragen über Gott <strong>und</strong> die Welt 14<br />

Generalmusikdirektor Zubin Mehta<br />

gibt Auskunft<br />

Sex andCrime aus Nibelheim 16<br />

Ein <strong>Rheingold</strong>krimi<br />

Die Stimme 20<br />

Aus Sicht der CD-Industrie<br />

Er lebt noch <strong>und</strong> er hilft 22<br />

uns jeden Tag<br />

Karin von Aroldingen im Gespräch<br />

über George Balanchine<br />

Momentaufnahme 26<br />

Menschen in der Oper 28<br />

Johann Bohdansky<br />

Spielplan 30<br />

Impressum 31<br />

Zehn Fragen an … 32<br />

… Roger Willemsen<br />

TAKT 4 1


premiere im gespräch<br />

<strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong>: „Es ist immer<br />

beeindruckend, ein Werk an einem<br />

Theater zu inszenieren, an dem die<br />

Uraufführung stattgef<strong>und</strong>en hat.“<br />

2 TAKT 4<br />

NICHT<br />

GLOBAL,<br />

SONDERN<br />

LOKAL<br />

Regisseur <strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong> <strong>und</strong> Produktionsdramaturgin <strong>Nike</strong> <strong>Wagner</strong><br />

im TAKT-Gespräch über die Neuinszenierung des Ring des Nibelungen.<br />

Der Vorabend <strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong> hat am 24. Februar <strong>Premiere</strong>.<br />

TAKT 4 3


München hat zu <strong>Wagner</strong>s Ring des<br />

Nibelungen eine ganz besondere<br />

Beziehung. Die ersten beiden Werke<br />

sind, wenn auch gegen den Willen<br />

<strong>Wagner</strong>s, hier am Königlichen Hof<strong>und</strong><br />

Nationaltheater uraufgeführt<br />

worden. Spielen diese Überlegungen<br />

eine Rolle, wenn man einen Ring für<br />

München vorbereitet?<br />

<strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong>: Natürlich. Es ist<br />

immer beeindruckend, ein Werk an<br />

einem Theater zu inszenieren, an dem<br />

die Uraufführung stattgef<strong>und</strong>en hat.<br />

Man forscht dann auch noch genauer<br />

nach. Aber man muß sich deshalb nicht<br />

verpflichtet fühlen, sich in irgendeiner<br />

Weise „museal“ zu verhalten – auch<br />

wenn mich die große <strong>Wagner</strong>-Tradition<br />

hier in München fasziniert.<br />

<strong>Nike</strong> <strong>Wagner</strong>: Ich finde es auch ganz<br />

wichtig, daß man, wenn man in München<br />

den Ring macht, dessen Geschichte<br />

auf die eine oder andere<br />

Weise reflektiert. <strong>Das</strong> hat mit Musealität<br />

gar nichts zu tun, sondern mit<br />

Geschichtsbewußtsein. Insofern ist es<br />

etwas ganz anderes, in München den<br />

Ring zu machen, als in Bayreuth oder<br />

Paris oder London oder irgendwo. Und<br />

diesem Bewußtsein versucht auch<br />

<strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong> mit seiner Inszenierung<br />

gerecht zu werden.<br />

HW: Rein bühnenräumlich ist unsere<br />

Inszenierung die Erfüllung von <strong>Wagner</strong>s<br />

Vision von einem festlichen Rahmen für<br />

sein Bühnenfestspiel. Diese Vision vom<br />

Gesamtkunstwerk wollen wir nachvollziehen<br />

in der Stadt, die er sich eigentlich<br />

dafür erträumt hat. Ansonsten<br />

kommen wir ohne bebilderndes Bühnenbild<br />

aus.<br />

Kein Bühnenbild also. Dann wende<br />

ich mich jetzt gezielt an den Regisseur:<br />

Welche Aspekte interessieren<br />

Es wird sozialkritisch,<br />

zeitgeschichtlich <strong>und</strong><br />

mythologisch, aber auch<br />

gesellschaftskritisch.<br />

4 TAKT 4<br />

Sie beim Ring am meisten? <strong>Das</strong> sozialkritische<br />

oder das zeitgeschichtliche<br />

Element, oder betonen Sie eher<br />

den Mythos?<br />

HW: Es wird sozialkritisch, zeitgeschichtlich<br />

<strong>und</strong> mythologisch, reflektiert<br />

in der Festspielhaus-Architektur. Und<br />

da wir uns in einem gesellschaftlichen<br />

Raum befinden, in dem sich Menschen<br />

wie du <strong>und</strong> ich tummeln, wird dieser<br />

Ring auch gesellschaftskritisch.<br />

NW: Genauer gesagt sind wir in einem<br />

Innenraum; ein Zuschauerraum spiegelt<br />

den anderen. Die Gesellschaft sitzt sich<br />

gegenüber. <strong>Das</strong> ergibt auch ein sehr kritisches<br />

Bild unserer heutigen Gesellschaft,<br />

die sich permanent selbst inszeniert.<br />

Insofern ist diese Ring-Deutung<br />

sehr aktuell, obwohl sie, vollgesogen<br />

mit Geschichte, in zwei geschichtlichen<br />

Räumen stattfindet, die sich aneinanderschließen<br />

wie eine geschlossene<br />

Muschel.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong> ist der Vorabend zu<br />

den drei sogenannten Tagen der<br />

Ring-Tetralogie. Warum diese Sonderbezeichnung,<br />

warum wurde aus<br />

dem <strong>Rheingold</strong> nicht gleich der erste<br />

Tag? Immerhin geschieht in diesem<br />

Stück eine Menge, es werden die<br />

Karten gemischt für den ganzen<br />

Ring – das ist doch mehr als nur ein<br />

einfacher Auftakt, was die Bezeichnung<br />

Vorabend gerne suggeriert?<br />

HW: Ich glaube, der erste Tag ist der,<br />

an dem das von Wotan initiierte Drama<br />

wirklich losgeht. Vorher steckt er in einer<br />

ziemlichen Krise <strong>und</strong> hat ein großes<br />

Problem mit seiner Frau <strong>und</strong> seiner Familie.<br />

In der Walküre betritt dann jemand<br />

die Bühne, der durch ihn verursacht<br />

wird, nämlich der Mensch. <strong>Das</strong><br />

ist der erste Tag des Ring: der erste Tag<br />

der Menschheit, nachdem der Gott<br />

kreiert hat <strong>und</strong> seine Macht durch den<br />

Raub manifestiert ist.<br />

NW: Außerdem gibt es diesen netten<br />

Ausspruch <strong>Wagner</strong>s, den er, glaube ich,<br />

an Liszt geschrieben hat: „Jetzt bin ich<br />

an der Walküre, jetzt geht’s erst richtig<br />

los.“ <strong>Das</strong> ist natürlich noch einmal ein<br />

neuer Anfang.<br />

Aber ist das <strong>Rheingold</strong> nicht der<br />

eigentliche Beginn, der Anfang der<br />

Schöpfung sozusagen?<br />

NW: <strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong> ist der Beginn vor<br />

dem Beginn. Der Beginn ist die<br />

Walküre, der Vorbeginn ist das <strong>Rheingold</strong>.<br />

Der berühmte Anfang ist das<br />

Inbild, das Gleichnis der Schöpfung:<br />

Es-Dur, es geht langsam nach oben,<br />

das ist für jedermann leicht hörbar <strong>und</strong><br />

sehbar. Dieser Beginn begibt sich dann<br />

allerdings sehr schnell auf die Ebene<br />

von Gesellschaft, <strong>und</strong> schon befinden<br />

wir uns mitten in der Zivilisation, die<br />

Leute haben Verträge, sie halten sie<br />

nicht ein, Prestigedenken, Neid, Liebe,<br />

Gewalt, alles ist da.<br />

HW: <strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong> ist die Exposition<br />

für das ganze Ring-Drama. Es ist sehr<br />

komprimiert <strong>und</strong> enthält zugleich mehr<br />

individuelle Figuren als später die Walküre<br />

oder Siegfried. Und wir haben es<br />

im <strong>Rheingold</strong> sofort mit richtig ekelhaften<br />

Leuten zu tun. Die einzige wirklich<br />

positive Figur, die ich überhaupt<br />

erkennen kann, ist Fasolt, weil er tatsächlich<br />

eine menschliche Regung wie<br />

Liebe zeigt.<br />

Wer nach positiven oder sympathischen<br />

Figuren im <strong>Rheingold</strong> sucht,<br />

landet üblicherweise nicht bei Fasolt,<br />

sondern eher bei Loge.<br />

HW: Loge ist eine vielschichtige Figur,<br />

<strong>und</strong> im heutigen Sinn ist er auch ein<br />

schmieriger <strong>und</strong> zynischer Entertainer.<br />

Eine Figur, die von Shakespeare erf<strong>und</strong>en<br />

sein könnte. Aber bei Shakespeare<br />

sind ja gerade die unsympathischen<br />

Figuren die interessantesten Charaktere,<br />

während Lichtgestalten doch eher<br />

langweilig sind.<br />

NW: Loge entwickelt alle Eigenschaften<br />

von Leuten, die – wie er – halb<br />

geknechtet <strong>und</strong> unterdrückt sind: Die<br />

werden witzig, verschlagen, fintenreich<br />

<strong>und</strong> halten sich letztlich aus allem raus.<br />

Damit ist Loge mindestens so vielschichtig<br />

wie Wotan.<br />

Sie haben angedeutet, daß im <strong>Rheingold</strong><br />

Menschen wie du <strong>und</strong> ich den<br />

Blicken zu Richard <strong>Wagner</strong> auf:<br />

Produktionsdramaturgin <strong>Nike</strong> <strong>Wagner</strong><br />

<strong>und</strong> Regisseur <strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong> vor<br />

der Büste des Komponisten im Foyer<br />

des Nationaltheaters.


Im gesellschaftlichen<br />

Raum: <strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Nike</strong> <strong>Wagner</strong><br />

6 TAKT 4<br />

Wir brauchen keine<br />

aus alten Theaterkisten<br />

herausgezogenen<br />

germanischen Gottheiten.<br />

Bühnenraum bevölkern. Wie funktioniert<br />

das, da es doch im Vorabend<br />

noch keine richtigen Menschen gibt,<br />

dafür jedoch Riesen, Zwerge, Götter<br />

<strong>und</strong> Rheintöchter?<br />

HW: Ich wehre mich gegen eine Kategorisierung<br />

der Figuren, zum Beispiel<br />

durch Kostüme. Die Figuren sind ambivalent,<br />

jeder kann jeden darstellen. Die<br />

Musik illustriert das sehr anschaulich,<br />

man muß sie nicht noch zusätzlich bebildern.<br />

Wir inszenieren keine Allegorien,<br />

<strong>und</strong> wir brauchen auch keine aus<br />

alten Theaterkisten herausgezogenen<br />

germanischen Gottheiten, die später<br />

mit Menschen konfrontiert werden. Alle<br />

Figuren im Ring – das ist das Großartige<br />

an diesem Werk – sind von Anfang<br />

an ganz plastische, vielschichtige<br />

menschliche Charaktere, oder anders<br />

ausgedrückt: Gleichnisse für menschliches<br />

Verhalten. Wir haben in der zweiten<br />

<strong>Rheingold</strong>-Szene mit Göttervater<br />

Wotan, seiner Frau <strong>und</strong> ihrer Schwester<br />

gleich ein Strindberg-Drama par<br />

excellence. Wir sind konfrontiert mit einem<br />

großbürgerlichen Ehedrama. Und<br />

mit einer gottlosen Götter-Gesellschaft.<br />

NW: Die Verbindung von Mythos <strong>und</strong><br />

Psychologie ist eine von <strong>Wagner</strong>s<br />

Spezialitäten. <strong>Das</strong> hat Thomas Mann<br />

schon richtig gesehen: zum einen der<br />

allgemeine Appell an unsere archaischen<br />

Strukturen, an das, was immer<br />

bleibt, <strong>und</strong> zum anderen die moderne<br />

Psychologie, Ibsen, Strindberg, Ehedrama,<br />

Sexualdrama, alles. Eine raffinierte<br />

Mischung...<br />

HW: ...an der sich nichts verändert hat.<br />

Die Mißstände, die aufgeschält werden,<br />

sind bis heute unverändert, im<br />

politischen wie im gesellschaftlichen<br />

Bereich.<br />

Womit wir wieder bei Shakespeare<br />

wären, dessen Werke ja auch zeitlos<br />

gültig sind.<br />

HW: Absolut.<br />

NW: Auch das Typenarsenal findet<br />

man heute überall wieder: Wotan als<br />

Konzernboß; die drei Rheintöchter, das<br />

sind Disco-Girlies, wie man sie überall<br />

auf der Straße sieht; <strong>und</strong> Loge ist der<br />

gewiefte Manager.<br />

HW: Ich habe vorhin erst so einen gesehen<br />

auf der Maximilianstraße...<br />

Soll ich das erwähnen?<br />

HW: Aber unbedingt! Wir sind in München,<br />

<strong>und</strong> ich reagiere auch auf München.<br />

Es wird ein Münchner Ring, nicht<br />

global, sondern lokal.<br />

Und unter welchen Zeitgenossen finden<br />

wir Alberich?<br />

HW: <strong>Das</strong> ist auch so ein machtbesessener<br />

Kerl. Im Gr<strong>und</strong>e könnten Wotan<br />

<strong>und</strong> Alberich am gleichen Stammtisch<br />

sitzen, sie befinden sich auf gleicher<br />

Ebene. <strong>Das</strong> Furchtbare ist: Nachdem in<br />

der Götterdämmerung alles zusammengekracht<br />

ist, ist Alberich derjenige,<br />

der überlebt.<br />

NW: Er ist ja auch der Verursacher des<br />

Ganzen. Der Verursacher bleibt, <strong>und</strong> alles<br />

könnte wieder von vorne anfangen.<br />

Kaum hat im <strong>Rheingold</strong> die Ring-<br />

Geschichte begonnen, wird durch<br />

Erda bereits ihr gewaltsames Ende<br />

prophezeit: „Alles, was ist, endet“.<br />

Beeinflußt diese Mahnung irgendwie<br />

das Handeln der Figuren? Ahnen sie<br />

die Ragnarök, den Weltenuntergang<br />

in der Götterdämmerung, voraus?<br />

HW: Wotan denkt nicht so nihilistisch.<br />

Er wischt Erdas Warnung weg, er will<br />

sie nicht hören. Ich glaube nicht, daß<br />

Wotan im <strong>Rheingold</strong> schon Angst vor<br />

seinem Ende hat. Symbolisch gesehen<br />

ist schließlich ohnehin Erda diejenige,<br />

die zerstört wird. Aber die schlimmste<br />

Ruine am Schluß des Ring ist Brünnhilde<br />

mit ihrem Freitod, dieser Selbstverbrennung<br />

auf dem Scheiterhaufen.<br />

NW: Für mich ist das zumindest eine<br />

merkwürdige Regression – im Gr<strong>und</strong>e<br />

ein Rückfall in die Theatralität der<br />

Wotanwelt. Nach all den Emanzipationsstufen,<br />

die sie vollzogen hat, wäre<br />

sie wirklich imstande gewesen, einen<br />

Neuanfang einzuleiten.<br />

HW: Und das gerade ist die Tragödie,<br />

daß sie es nicht tut. In bezug auf<br />

Brünnhilde besteht der Schluß der<br />

Götterdämmerung aus zwei Teilen:<br />

Zuerst gibt sie den Raben die Fackel,<br />

damit sie Walhall anzünden, das heißt:<br />

Sie rottet ihr ganzes Geschlecht aus.<br />

Auch wenn sie ihm nicht mehr zugehörig<br />

ist als Göttin, da sie ja jetzt sterblich<br />

ist. <strong>Das</strong> ist eine tolle, eine revolutionäre<br />

Tat. Und unmittelbar darauf<br />

diese unglaubliche Untat sich selbst<br />

gegenüber, dieser Freitod!<br />

NW: Aber vielleicht geschieht das ja<br />

auch nur aus Gründen des theatralischen<br />

Effekts: Die Ästhetik des Untergangs<br />

hat nun mal etwas Faszinierendes.<br />

<strong>Das</strong> findet man zu allen Zeiten <strong>und</strong><br />

bei allen Völkern der Welt: Wo immer<br />

ein Weltentstehungsmythos formuliert<br />

wird, da ist auch der Weltuntergangsmythos<br />

dabei. Die Ragnarök kommt<br />

unweigerlich. Wenn man kein Ende hat,<br />

dann war’s ja auch kein Anfang.<br />

Ist da der Gedanke nicht deprimierend,<br />

daß im Ring ausgerechnet das<br />

Böse überlebt?<br />

HW: Was ist denn daran deprimierend?<br />

Für das Theater ist das gut. Und<br />

in der Wirklichkeit ist es ja nicht anders.<br />

Es kann immer wieder einer kommen<br />

<strong>und</strong> sagen: „Den Ring muß ich<br />

haben.“ In der Geschichte wurden<br />

Machtsymbole stets von einem Herrscher<br />

an den nächsten weitergegeben<br />

<strong>und</strong> oft mißbraucht. Dennoch überlebt<br />

nicht nur das Böse. Die Welt aus Gesetzen,<br />

Verträgen, Hierarchien <strong>und</strong><br />

Intrigen geht in Flammen auf. In der<br />

Vision der Zerstörung sieht <strong>Wagner</strong><br />

einen erlösenden Neubeginn. Nach<br />

dem Weltenbrand überlebt die Natur.<br />

Der Ring, das Gold kehren zurück in<br />

den Rhein. Nach dieser Tabula rasa<br />

aus Feuer <strong>und</strong> Wasser könnte ein besseres<br />

Leben möglich werden.<br />

DAS GESPRÄCH MODERIERTE<br />

INGRID ZELLNER<br />

TAKT 4 7


„Rot ist die Liebe, Gelb ist<br />

der Neid, Blau ist Italien“ -<br />

Lichtzauberer Max Keller<br />

8 TAKT 4<br />

im dienst von licht<br />

<strong>und</strong> schatten<br />

premiere portrait<br />

Seit bald 40 Jahren arbeitet er für das<br />

Theater – Max Keller. Als Lightdesigner hat<br />

er seinen eigenen Licht-Stil entwickelt <strong>und</strong><br />

ihn von den Münchner Kammerspielen in<br />

die ganze Welt importiert. Seine Kunstfertigkeit,<br />

Bühnenbilder, Kostüme <strong>und</strong> vor allem<br />

die Menschen darin ins rechte Licht zu<br />

setzen, hat eine eigene Ästhetik von Lichtgestaltung<br />

geprägt. In München beleuchtete<br />

er zuletzt Bernarda Albas Haus, jetzt<br />

kehrt er an der Seite von <strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong><br />

zurück – als Lichtgestalter für den Ring.<br />

e<br />

itel ist er nicht – der weit gereiste Lichtkünstler<br />

Max Keller. In Sweatshirt <strong>und</strong> Cordhose, ganz<br />

leger, sitzt er in seinem Atelier <strong>und</strong> plaudert<br />

von der Faszination Licht. Schon mit 18<br />

Jahren, gleich nach der Lehre, hat es ihn<br />

gepackt. Da saß er im Zuschauerraum<br />

<strong>und</strong> sah ein Stück mit vielen Diaprojektionen.<br />

Völlig fasziniert ging er hinter die<br />

Bühne <strong>und</strong> wußte sofort, das ist es:<br />

Theater. Die Bühne, die Atmosphäre, der<br />

Duft. „Im Theater riecht es völlig anders als<br />

überall sonst auf der Welt“, schmunzelt er in<br />

sich hinein, während er sich auf dem Bürostuhl hin<br />

<strong>und</strong> her dreht. So wurde er Beleuchter am Baseler Stadttheater,<br />

später Beleuchtungsmeister, ging nach Berlin <strong>und</strong><br />

schließlich an die Münchner Kammerspiele. Seit 1978 ist er<br />

dort Leiter der Beleuchtung.<br />

In der „Kammer“ hat er viele wichtige Dinge erf<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

ausprobiert. Hat geforscht <strong>und</strong> wieder verworfen. Zum Beispiel<br />

das schattenfreie Leuchten: Denn wo Licht ist, ist auch<br />

Schatten. Die kann man herausstellen, als dramatischen<br />

Akzent, wie bei Bernarda Albas Haus, oder man kann sie<br />

„wegleuchten“, wie in Le nozze di Figaro. Nach einem Entwurf<br />

von Adolphe Appia, der bereits Anfang des zwanzigsten<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts mit Licht experimentierte, hat Max Keller die<br />

Idee des schattenfreien Leuchtens mit modernen Mitteln umgesetzt.<br />

Zusammen mit Jürgen Rose hat er einen geschlossenen,<br />

weißen Innenraum gestaltet, der nur durch indirektes<br />

Leuchten erhellt wird. <strong>Das</strong> Licht wird auf ein Zelt um diesem<br />

Raum geworfen, <strong>und</strong> die Reflexion gibt einen diffusen Schein,<br />

der die Menschen im Raum erleuchtet, aber keine Schatten<br />

wirft. Eine luftige <strong>und</strong> magische Welt entsteht. Auch für <strong>Das</strong><br />

<strong>Rheingold</strong> ließ Max Keller sich etwas Neues einfallen. Wochenlang<br />

überlegte er, wie der Regenbogen über Walhalla<br />

aussehen sollte. Eines wußte er mit Sicherheit: Er wollte<br />

keine Projektion haben, kein Dia vom Naturschauspiel, auch<br />

ein gemalter Prospekt kam nicht in Frage. Er ließ ein Prisma<br />

schleifen, das wirklichkeitsgetreu das Licht wie in der Natur<br />

zu einem Regenbogen bricht. Doch die Lichtstärke des so<br />

entstandenen Regenbogens reichte für die große Bühne des<br />

TAKT 4 9


Schatten kann man herausstellen als dramatischen Akzent, wie bei Bernarda Albas Haus...<br />

Nationaltheaters nicht aus. Frustriert war er deswegen nicht.<br />

Max Keller dachte weiter <strong>und</strong> redete viel mit dem Bühnenbildner<br />

<strong>und</strong> Regisseur <strong>Herbert</strong> <strong>Wernicke</strong>, den er außerordentlich<br />

schätzt. Nach fünf gemeinsamen Flaschen Bier<br />

war etwas Neues gef<strong>und</strong>en. Farbiges Licht auf Dunst: Ein<br />

Regenbogen aus Materie.<br />

Wenn seine Konzepte aufgehen, ist das eine Sternst<strong>und</strong>e für<br />

den Tüftler Max Keller. Als Schweizer ist er vielleicht zu einem<br />

solchen geboren. Und auch sonst bringt er alle Eigenschaften<br />

mit, die es an Vorurteilen zu dem Bergvölkchen gibt: Genauigkeit,<br />

Pünktlichkeit <strong>und</strong> Präzision. Mit eben dieser macht<br />

Max Keller nun seit vier Jahrzehnten Licht.<br />

Dabei ist ihm das Handwerk ebenso wichtig wie das Kunstverständnis.<br />

Nur wer die physikalischen Gesetze von Licht<br />

versteht, wer die Technik der Scheinwerfer kennt <strong>und</strong> weiß,<br />

wo die Apparate platziert werden müssen, um Bühnenbild<br />

<strong>und</strong> Menschen darin optimal auszuleuchten, der darf in Kellers<br />

Augen Licht machen. <strong>Das</strong> Künstlerische <strong>und</strong> Dramaturgische<br />

hat er sich autodidaktisch angeeignet. Inspiriert wird<br />

er immer wieder durch Filme, Bücher <strong>und</strong> Bilder. „Mann, am<br />

Tisch sitzend“ von Rembrand war so eine ganz persönliche<br />

Impression für den Lichtgestalter: „<strong>Das</strong> Bild ist quasi<br />

schwarz-weiß gemalt, die eine Hälfte schwarz, die andere<br />

Hälfte weiß, dazwischen ein Mann im Schattenriß. Ich habe<br />

mir das angeschaut <strong>und</strong> gesagt: So möchte ich leuchten“.<br />

Ob er denn als Handwerker ein Pragmatiker sei? Nein! Entfährt<br />

es Max Keller ganz spontan. Wenn er Lichtkonzepte<br />

10 TAKT 4<br />

entwirft, dann tut er das aus dem Bauch heraus. Wochenlang<br />

kann er manchmal mit einer Produktion schwanger<br />

gehen. Er hört sich bei einer Oper die Musik wieder <strong>und</strong><br />

wieder an, trifft sich mit dem Bühnenbildner oder dem<br />

Regisseur <strong>und</strong> geht spazieren. Irgendwann macht es „Zing“,<br />

<strong>und</strong> die zündende Idee ist geboren. Dann setzt sich Max<br />

Keller an den Schreibtisch <strong>und</strong> zeichnet seine Konzeptidee,<br />

in einer Viertelst<strong>und</strong>e. „Für die Oper arbeiten ist für mich<br />

eine Erholung, man hat die Musik, da ist viel schon festgelegt.<br />

Im Schauspiel ist alles viel unklarer, da wird auch viel<br />

mehr probiert. In der Oper plant man viel mehr im Voraus,<br />

<strong>und</strong> dann muß es passen“.<br />

Früher arbeitete man am Theater ausschließlich mit Glühlicht,<br />

einem warmen Weiß-Ton. Die Scheinwerfer haben<br />

Lampen mit einem Glühwendel, wie man ihn von der Glühbirne<br />

kennt. Max Keller hat, als einer der ersten, vor mehr<br />

als 30 Jahren begonnen, mit Industrielicht <strong>und</strong> damit einem<br />

kalten Weiß zu arbeiten. <strong>Das</strong> war eine der bahnbrechenden<br />

Erkenntnisse in seiner Theaterlaufbahn, wie er zugibt.<br />

Straßenlaternen <strong>und</strong> Natriumdampf einzusetzen <strong>und</strong> auch<br />

die Regisseure von dieser Ästhetik zu überzeugen, das hat<br />

ihn <strong>und</strong> seinen Lichtstil geprägt. Mittlerweile arbeitet Max<br />

Keller viel mit sogenanntem HMI-Scheinwerfern. Diese erzeugen<br />

Licht, indem sie ein Leuchtgas in der Lampe entzünden.<br />

<strong>Das</strong> Weiß hat dabei einen leichten Blaustich. Vom Weiß<br />

des Lichts schreibt Max Keller auch in seinen Büchern.<br />

„Faszination Licht“ heißt sein letztes, das auch in englisch<br />

...oder wegleuchten, wie in Le nozze di Figaro, als Beispiel des von Max Keller entwickelten schattenfreien Leuchtens.<br />

erschienen ist <strong>und</strong> für das er den „Golden Pen Award“ erhalten<br />

hat. Die Andrucke der Titelseiten hängen über seinem<br />

Schreibtisch. Ein Mann mit Hut im Schattenriß vor einem<br />

rot ausgeleuchteten Türspalt. <strong>Das</strong> hat Kraft <strong>und</strong> Poesie.<br />

Farben sind nämlich ein ganz entscheidendes Merkmal<br />

seines Stils, kräftige Farben. In seinem Atelier hängen Fotos<br />

von der umjubelten Inszenierung von Tristan <strong>und</strong> Isolde an<br />

der MET in New York. Eine feuerrote beleuchtete Wand, dann<br />

eine gelbe, schließlich eine blaue. „Rot ist die Liebe, Gelb ist<br />

der Neid, <strong>und</strong> Blau ist Italien“, schwärmt der Lichtzauberer.<br />

Und mit dieser Psychologie kann er die Zuschauer dramaturgisch<br />

führen. Er erinnert sich noch gut, wie er in seinen<br />

frühen Jahren mit einem Bühnenbildner gestritten hat, welche<br />

Farbe für eine Szene die richtige sei. „Der Bühnenbildner<br />

sagte diese <strong>und</strong> ich, nein diese. Wir haben beide ausprobiert,<br />

<strong>und</strong> ich hatte dann recht. Ich hatte Glück, daß es ein Bühnenbildner<br />

war, der seinen Irrtum auch zugab.“<br />

Ums „recht haben“ geht es Max Keller nie. Wichtig für ihn ist<br />

es, die gleiche Sprache wie der Regisseur <strong>und</strong> der Bühnenbildner<br />

zu sprechen, sich auseinanderzusetzen auch aneinander<br />

zu reiben. Deswegen unterrichtet er auch Lichtgestaltung<br />

am „Mozarteum“ in Salzburg, <strong>und</strong> zwar Bühnenbild<strong>und</strong><br />

nicht etwa Lightdesignstudenten. Denn die Hochschüler<br />

sollen wissen, wie Licht funktioniert, <strong>und</strong> sie sollen lernen,<br />

sich auszudrücken: Nur im Dialog mit dem Lightdesigner,<br />

den der Bühnenbildner ja auch braucht, um sein Opus wirken<br />

zu lassen, kann Theater funktionieren.<br />

Alles auf der Bühne ist ein Gemeinschaftswerk. <strong>Das</strong> schätzt<br />

Max Keller an seiner Arbeit: <strong>Das</strong> gemeinsame Entwickeln in<br />

Gesprächen <strong>und</strong> durch Probieren. <strong>Das</strong> bedeutet auch oft,<br />

nachgeben zu müssen. „Theater ist Kompromiß“, das sagt<br />

er ohne Bedauern. Er setzt auf Teamwork. Deswegen ist er<br />

schließlich ans Theater gegangen. Und wegen seiner Beleuchtungsmannschaft<br />

ist er auch an den Münchner Kammerspielen<br />

geblieben, als Dorn <strong>und</strong> Rose die Straßenseite<br />

gewechselt haben...<br />

Freizeit hat er als Chef einer Abteilung <strong>und</strong> Lichtgestalter<br />

kaum. Aber wenn, dann kocht Max Keller gerne. Ein Tag in<br />

der Küche zwischen „Schweizer Röschti“ <strong>und</strong> ausländischen<br />

Experimenten ist für ihn Erholung pur. Oder er fährt mit<br />

seinem Motorrad einfach raus. Um ganz abzuschalten von<br />

künstlichem Licht im schwarzen Raum, geht er Bergsteigen.<br />

Auf dem Gletscher, eins mit der Natur, holt er sich dann<br />

Inspirationen für die nächsten Produktionen. Überhaupt<br />

scheint er sehr in sich selbst zu ruhen. Bereitwillig beantwortet<br />

er jede Frage: Nur sein Alter bleibt ein Geheimnis.<br />

Von Beginn der Beleuchtungsproben für die Neuinszenierung<br />

<strong>Rheingold</strong> Anfang Februar bis zur <strong>Premiere</strong> von Götterdämmerung<br />

nächste Spielzeit wird Max Keller 16 St<strong>und</strong>en<br />

Musik in Licht getaucht haben. Zu leuchten, ohne sich zu<br />

wiederholen, das wird schwierig, gibt er zu. Aber er hat genug<br />

in seiner Trickkiste: Farben, Licht <strong>und</strong> Schatten <strong>und</strong> sogar<br />

alles auf einmal: weißes Licht mit farbigem Schatten.<br />

TANJA GRONDE<br />

TAKT 4 11


premiere CD-tip<br />

Richard <strong>Wagner</strong>:<br />

Der Ring des Nibelungen<br />

Anläßlich der Neuinszenierung der Tetralogie bietet es<br />

sich an, die umfangreiche Diskographie des Riesenwerks<br />

genauer zu betrachten. So wollen wir Ihnen für jeden der<br />

vier Teile eine unseres Erachtens besonders herausragende<br />

Einzelaufnahme vorstellen, daneben aber auch auf die<br />

Gesamteinspielungen des Rings eingehen.<br />

Vorabend: <strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong><br />

Es gibt in der Schallplattengeschichte nur eine Handvoll<br />

Operngesamtaufnahmen, über deren singulären Rang sich<br />

Experten <strong>und</strong> Liebhaber weitgehend einig sind – Victor de<br />

Sabatas Tosca zählt dazu, Wilhelm Furtwänglers Tristan,<br />

Bruno Walters Don Giovanni-Livemitschnitt von 1942, André<br />

Cluytens’ Faust – <strong>und</strong> <strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong> unter Leitung von Sir<br />

Georg Solti (Decca, 2 CD). Die Einspielung entstand in den<br />

Wiener Sofiensälen im Jahre 1958, zu einem Zeitpunkt, den<br />

man aus der Distanz von 44 Jahren nur als äußerst glücklich<br />

bezeichnen kann: zum einen stand Solti noch die Crème de<br />

la crème der großen <strong>Wagner</strong>-Sänger der fünfziger Jahre zur<br />

Verfügung, zum anderen kreierte der legendäre Produzent<br />

John Culshaw im Verein mit den Decca-Tonmeistern ein<br />

damals revolutionäres Klangbild, dessen Klarheit <strong>und</strong> räumliche<br />

Durchhörbarkeit bis zum heutigen Tag ihresgleichen<br />

suchen. Die Aufnahme zählt auch in technischer Hinsicht<br />

bis heute noch zu den besten Platteneinspielungen, die je<br />

entstanden sind.<br />

Daß die Wiener Philharmoniker nicht nur eines der besten<br />

Konzertorchester der Welt sind, sondern durch allabendlichen<br />

Dienst in der Staatsoper auch über immense Opernerfahrung<br />

verfügen, kommt Soltis <strong>Wagner</strong>-Aufnahmen besonders<br />

zugute. Die ersten vier Minuten seiner <strong>Rheingold</strong>-<br />

Einspielung, dieses harmonisch so genial einfache, aus dem<br />

Nichts entstehende Riesen-Crescendo, entwickelt sich<br />

organisch <strong>und</strong> natürlich, das Orchester entfaltet dabei eine<br />

unnachahmliche Klangkultur. Im gesamten weiteren Verlauf<br />

wahren die Wiener Musiker perfekt die Balance zwischen<br />

Begleitung <strong>und</strong> Kommentar – die perfekte Umsetzung von<br />

<strong>Wagner</strong>s Forderung nach der unendlichen Melodie. Sängerisch<br />

überzeugt die Produktion durch ihre Geschlossenheit –<br />

12 TAKT 4<br />

Zwei einzigartige Einspielungen:<br />

<strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong><br />

unter Solti <strong>und</strong><br />

unter Furtwängler<br />

da alle Partien durchgefeilte Charakterstudien erfordern <strong>und</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>Rheingold</strong> keine Nebenrollen kennt, die Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />

einer gelungenen Darstellung. George London in<br />

der zentralen Wotan-Partie ragt dennoch heraus: wie der<br />

kanadische Ausnahmesänger alle Facetten der Rolle mit<br />

vorbildlicher Textverständlichkeit zur Einheit formte, dürfte<br />

unerreicht bleiben. Gustav Neidlingers Darstellung seines<br />

Gegenspielers Alberich wurde ebenso legendär wie Kurt<br />

Böhmes furchterregende Fafner-Gestaltung. Auch Jean<br />

Madeira (Erda), Paul Kuën (Mime), Walter Kreppel (Fasolt)<br />

stellen Idealbesetzungen dar. Wie damals üblich, wurde<br />

Loge von einem Heldentenor verkörpert, Set Svanholm entledigt<br />

sich der schwierigen Aufgabe mit charaktertenoraler<br />

Abgefeimtheit. Als Fricka schließlich erleben wir letztmals<br />

Kirsten Flagstad, die mit noch vollkommen intakter Stimme<br />

die Summe ihrer einzigartigen <strong>Wagner</strong>-Erfahrung zieht.<br />

Gesamtaufnahmen<br />

Die älteste offiziell erhältliche Gesamtaufnahme der Tetralogie<br />

verdanken wir Wilhelm Furtwängler (1950 Teatro alla<br />

Scala, Mailand, Urania, 12 CD). Auch wenn dieser Mitschnitt<br />

der RAI technisch heute veraltet klingt, so wird doch deutlich,<br />

was Furtwänglers einzigartigen Rang als (nicht nur<br />

<strong>Wagner</strong>-) Dirigent ausmachte: als einzigem gelang es ihm,<br />

die so vielfältigen strukturalen Elemente der Partituren des<br />

Riesenwerks wahrhaft zur Einheit zu formen, den vielbeschworenen<br />

„großen Bogen“ zu erkennen. Verlassen sich<br />

andere Dirigenten allzu oft auf die großen Höhepunkte, die –<br />

nicht organisch aus dem Zusammenhang entwickelt – nur<br />

hohl <strong>und</strong> leer klingen, so entfalten gerade diese bei ihm ihre<br />

gewaltige Kraft ohne auftrumpfende Geste – unerreichbar.<br />

Daß Furtwängler dabei eine illustre Sängerbesetzung zur<br />

Verfügung stand (Flagstad, Konetzni, Höngen, Lorenz,<br />

Frantz, Svanholm, Weber u.v.a.), r<strong>und</strong>et dieses einzigartige<br />

Dokument ab. Wenn man bereit ist, CDs informativ zu hören,<br />

sie nicht als Ersatz eines Opernabends mißzuverstehen,<br />

wird man an diesem Ring nicht vorbeikommen.<br />

DAS KLASSIKTEAM VON LUDWIG BECK


premiere zur person<br />

Wo fühlen Sie sich eigentlich zu<br />

Hause, Herr Mehta?<br />

Es gibt ein paar h<strong>und</strong>ert Künstler, die<br />

sind echte Weltenbürger – auch Sportler<br />

gehören zu der Gruppe der Weltenbürger,<br />

aber das Sportlerleben ist kürzer.<br />

Künstlerleben dauern im Sinne des<br />

Weltbürgerseins länger. Was mich anbelangt,<br />

fühle ich mich als Weltbürger,<br />

konzentriere mich aber vorwiegend auf<br />

die Länder: Indien, Israel, Zentraleuropa<br />

<strong>und</strong> USA. <strong>Das</strong> sind meine Stützpunkte.<br />

In jeder dieser Regionen bin<br />

ich auch ein Experte im geopolitischen<br />

Sinne, d.h. ich interessiere mich dafür,<br />

was in diesen Ländern politisch passiert,<br />

was die Menschen bewegt, welche<br />

Beziehungen zu den Nachbarn<br />

gepflegt werden usw. Ich lese viel über<br />

diese Länder, weil ich mich als Botschafter<br />

dieser Länder fühle. Israel ist<br />

fast mein Land, ich bin sehr interessiert,<br />

was geopolitisch dort passiert<br />

<strong>und</strong> was dort wird, ob es wieder Frieden<br />

gibt, oder ob alles zugr<strong>und</strong>e geht.<br />

Was Zentraleuropa betrifft, interessieren<br />

mich mehr die künstlerische Szene<br />

<strong>und</strong> ihre Entwicklungen. Ich verstehe<br />

nicht soviel von der deutschen Innenpolitik,<br />

oder der italienischen. Aber was<br />

in den zentraleuropäischen Opernhäusern<br />

passiert, in Italien im Vergleich zu<br />

Deutschland, die verschiedenen Systeme,<br />

da kenne ich mich sehr gut aus,<br />

da bin ich auch zu Hause. Aber das gilt<br />

auch für Amerika. Ich bin ein Weltbürger,<br />

konzentriert auf seine Lieblingsorte.<br />

Ich bin Inder, Israeli, Zentraleuropäer<br />

<strong>und</strong> Nordamerikaner. Meine<br />

Familie, meine Kinder sind kanadisch.<br />

Fühlen Sie sich als Star?<br />

Meine Welt besteht aus Einfühlung,<br />

Familie, meiner Arbeit. Wir Künstler<br />

sollten eigentlich die glücklichsten<br />

Menschen der Welt sein, weil wir umgeben<br />

sind vom Genie der Komponisten,<br />

Dichter <strong>und</strong> Maler. Wir versuchen,<br />

diese Genies zu interpretieren. Dabei<br />

geraten wir gelegentlich in verschiedene<br />

Fallen. Die Handschrift des Komponisten<br />

kann unterschiedlich gelesen<br />

werden. Aber bei diesem Interpretieren<br />

des Komponisten besitze ich immer<br />

noch genug Demut. Ich sage nie „meine<br />

Eroica“. Die Dirigenten, von denen<br />

14 TAKT 4<br />

FRAGEN ÜBER<br />

GOTT UND DIE WELT<br />

Seit 1998 ist Zubin Mehta Bayerischer Generalmusikdirektor<br />

<strong>und</strong> verbringt viele Monate im Jahr in München.<br />

<strong>Wagner</strong>s Ring-Tetralogie hat er bereits an der Lyric Opera<br />

in Chicago <strong>und</strong> beim Maggio Musicale Fiorentino neu einstudiert,<br />

doch am eigenen Haus, an dem der halbe Ring<br />

uraufgeführt wurde, bedeutet eine neue Produktion eine<br />

besondere Herausforderung. In einer Probenpause stellte<br />

Siegfried Höfling dem Dirigenten einige prinzipielle Fragen.<br />

„Mein Lieblingsinstrument ist<br />

das Orchester“ – Zubin Mehta<br />

wir gelernt haben, brachten uns bei,<br />

daß das Ego des Dirigenten am Ende<br />

nicht so wichtig sein darf. Ein bißchen<br />

Ego haben wir natürlich alle, das läßt<br />

sich nicht bestreiten <strong>und</strong> wahrscheinlich<br />

auch nicht vermeiden. Aber ein<br />

Ego im Dienste des Genies, wie<br />

Beethoven, Schönberg, Strauss ist<br />

etwas anderes. Diesen Leuten dienen<br />

wir. Wenn ich meinen Namen auf einem<br />

Programm oder einem CD-Label<br />

größer als den des Komponisten sehe,<br />

versuche ich, das zu korrigieren. Bei<br />

den New Yorker Philharmonikern <strong>und</strong><br />

hier bei uns an der Staatsoper werden<br />

die Namen der Interpreten alle gleich<br />

groß geschrieben. Der Komponist dagegen<br />

wird größer geschrieben. Die<br />

Marketingleute glauben, der Sänger<br />

oder der Dirigent ist marktfähiger als<br />

der Komponist. <strong>Das</strong> ist falsch. <strong>Das</strong><br />

Ego des Dirigenten ist wichtig, in dem<br />

Sinne, daß man ohne Ichstärke <strong>und</strong><br />

Autorität ein Orchester möglicherweise<br />

nicht überzeugen könnte. Aber um das<br />

Orchester überzeugen zu können, muß<br />

der Dirigent erst sich selbst überzeugen.<br />

Hat man jedoch das Orchester<br />

einmal überzeugt, dann fließt die Sprache<br />

des Komponisten frei.<br />

<strong>Das</strong> Thema Ego ist sehr gefährlich.<br />

Ein Dirigent, der den 2. Akt von Tosca<br />

dirigiert, muß das Drama führen, er<br />

muß den großartig aufspielenden Scarpia<br />

führen, obwohl Scarpia derjenige<br />

ist, der das Publikum überzeugen muß.<br />

Puccini unterstützt diese Szenen mit<br />

intensiver Instrumentation, mit Polyphonie,<br />

<strong>und</strong> das muß der Dirigent im<br />

Griff haben. Sein Ego, im positiven<br />

Sinn, verhilft dazu. Wenn er zu „unterwertig“<br />

dirigiert <strong>und</strong> den Sänger führen<br />

läßt, mit dem Orchester nur folgt, dann<br />

gelingt der 2. Akt nicht. Wenn der Sänger<br />

spürt, daß nichts aus dem Orchestergraben<br />

kommt, dann kompensiert<br />

er im Sängerischen oder Schauspielerischen<br />

<strong>und</strong> macht zuviel. Dann wirkt<br />

er wiederum für das Publikum nicht<br />

überzeugend.<br />

Wenn man beobachtet, wie Sie sich<br />

vor dem Vorhang verbeugen, hat<br />

man immer den Eindruck, Sie seien<br />

etwas befangen oder sogar distanziert.<br />

Wie kommt das?<br />

Ich bin ehrlich scheu, wenn ich alleine<br />

vor dem Vorhang dem Publikum entgegentrete.<br />

Ich sehe zuvor die Sänger<br />

freudig herausstürzen, das machen alle<br />

<strong>und</strong> das ist auch etwas Gutes, denn<br />

das Theater endet nicht mit der letzten<br />

Note. Aber wenn ich herauskomme,<br />

bin ich nicht der Schlußakkord, ich bin<br />

ich selber, ich bin bei mir. Ich freue<br />

mich mit meinem Orchester, den Applaus<br />

entgegenzunehmen, ich nehme<br />

das nie für mich in Anspruch. <strong>Das</strong> Orchester<br />

steht mit mir auf. Besonders<br />

gerne habe ich es, wenn das Orchester<br />

mit mir auf die Bühne tritt, um den<br />

Applaus zu empfangen. Mitten im<br />

Orchester auf der Bühne zu stehen ist<br />

wie nach einem Symphoniekonzert.<br />

Ganz allein vor dem Vorhang dagegen<br />

ist ein kühles, ein nüchternes Gefühl.<br />

Ich stehe da nicht lang, sondern suche<br />

die Sänger so schnell wie möglich hinzu<br />

zu bitten.<br />

Was sind für Sie die wichtigsten<br />

Werte, Herr Mehta?<br />

Die Liebe. Was ist Liebe? Und wo ist<br />

Gott? Gott ist Liebe im wahren Sinn.<br />

Es ist heute ein Konzept, das verloren<br />

geht. Aber das war auch gestern <strong>und</strong><br />

vor 500 Jahren schon so. Wir lernen<br />

nicht genug von unseren Propheten.<br />

Jeder Prophet, ob Christus oder<br />

Buddha, Mohammed <strong>und</strong> andere, hat<br />

stets verkündet: Gott ist Liebe. Liebe<br />

für einander, Respekt für einander, das<br />

wäre Eutopia. Eutopia kommt nicht<br />

weil das Materielle wichtiger als Liebe<br />

ist. Und wir sind alle daran schuld. Wir<br />

machen Liebe zu etwas Materiellem.<br />

Wir haben alle geglaubt, daß nach<br />

dem Fall des Kommunismus die Welt<br />

in grünen Farben strahlen wird. Stimmt<br />

nicht. Nicht erst seit dem 11. September<br />

finden wir in 20 verschiedenen<br />

Regionen der Welt Menschen, die nicht<br />

miteinander leben wollen. Hindus wollen<br />

nicht mit Mohammedanern in<br />

Kaschmir zusammenleben <strong>und</strong> umgekehrt,<br />

Juden nicht mit Arabern,<br />

Armenier in Ascherbeidschan nicht mit<br />

Moslems, in Ruanda Hutu nicht mit<br />

Tuzi, in Bosnien will niemand mit dem<br />

anderen leben. Es gibt nur Hypokriten.<br />

Es fehlt die Liebe. Man muß nur wollen<br />

<strong>und</strong> man könnte miteinander leben.<br />

Derjenige, der die Welt von der Liebe<br />

überzeugt, wird ihr neuer Prophet.<br />

Musik ist keine Rettung, sie bringt zwar<br />

Menschen zusammen, aber nur für<br />

kurze Zeit. Ist die Musik verklungen,<br />

bricht Haß wieder aus.<br />

Was ist für Sie das Schönste?<br />

Frauen sind die schönsten Wesen der<br />

Welt. Frauen haben für mich keine<br />

Nationalität. Männer unterscheiden<br />

sich je nach nationaler Zugehörigkeit.<br />

Ich bew<strong>und</strong>ere Frauen, die berufstätig<br />

sind. Die Musikerinnen in unserem<br />

Orchester zum Beispiel leisten den<br />

gleichen Dienst wie ihre männlichen<br />

Kollegen, versorgen aber frühmorgens<br />

nach einer langen Vorstellung ihre<br />

Kinder, beaufsichtigen die Hausaufgaben,<br />

kochen das Essen <strong>und</strong> leisten<br />

damit doppelt so viel Arbeit wie die<br />

meisten Männer.<br />

Was ist Ihr Lieblingsinstrument?<br />

Mein Lieblingsinstrument ist das Orchester.<br />

Es ist ein gigantischer Fehler,<br />

aber ich denke beim Dirigieren immer<br />

noch, daß ich im Orchester mitspiele.<br />

Es ist eine Illusion, aber diese Illusion<br />

hilft mir bei der Kontrolle. Ich spiele<br />

geistig im Orchester.<br />

Was bedeutet Erfolg für Sie?<br />

Vor 40 Jahren war Erfolg für mich sehr<br />

wichtig. Der erste Erfolg brachte das<br />

zweite Engagement. Ein Künstler wird<br />

immer zum ersten Mal eingeladen.<br />

Ohne Erfolg wird er kein zweites Mal<br />

eingeladen. Nach dem zweiten oder<br />

dritten Mal ist es leichter. Hätten mich<br />

die israelischen Philharmoniker nach<br />

meinem ersten Konzert nicht mit offenen<br />

Armen aufgenommen, wäre ich nie<br />

wieder eingeladen worden. Ich spreche<br />

nicht vom Publikumserfolg, sondern<br />

vom Erfolg bei den Orchesterkollegen.<br />

Welches ist Ihr Lieblingspublikum?<br />

Wenn man das Orchester überzeugt<br />

in Bezug auf die eigenen Intentionen,<br />

von denen man wiederum glaubt, es<br />

sind die Intentionen des Komponisten,<br />

dann wird das vom Publikum akzeptiert.<br />

Mein Lieblingspublikum lebt in<br />

Zentraleuropa. Hier spürt man als Musiker,<br />

daß die Musik, die man spielt,<br />

diesen Völkern gehört, ob in Ungarn,<br />

Italien, Deutschland, Österreich oder<br />

Frankreich.<br />

TAKT 4 15


premiere boulevard<br />

sex+crime<br />

In Kneipen dieser Art gehen Männer, um zu vergessen.<br />

Feucht-fröhliche Spiele, ein bißchen Tabledance, sexuelle<br />

Gier wird da geschürt, Freier werden angemacht <strong>und</strong> abgeschleppt<br />

– doch schon beim Grapschen gibt's eins auf<br />

die Finger. Alles Nepp! Hier ist’s nicht anders. „Heile Welt“<br />

heißt diese Rheinbar. Ausgerechnet „Heile Welt“! Man<br />

kennt das Milieu – wenigstens aus dem Fernsehen. Aber<br />

dafür muß man nicht der Derrick sein, um zu wissen, daß<br />

die Spuren des Verbrechens hier in diesem Sumpf beginnen<br />

<strong>und</strong> hierher zurückführen. Später liegt der ermordete<br />

Maurer in der Grünwalder Villa, <strong>und</strong> die Gattin w<strong>und</strong>ert<br />

sich. Überall gibt’s Grünwalder Villen <strong>und</strong> überall Eckkneipen,<br />

die „Heile Welt“ heißen. Aber nun mal der Reihe nach.<br />

erste szene:<br />

Heute Nacht ist nicht viel los in der „Heile Welt“-Bar. Vielleicht<br />

liegt’s am Montag. „Montag ist Schontag“ sagen<br />

Huren, da laufen die Geschäfte traditionell schlecht. Auch<br />

die drei jungen Frauen in dieser Kneipe langweilen sich:<br />

Woglinde, Wellg<strong>und</strong>e, Flosshilde. Verrückte Namen, kommt<br />

Woglinde:<br />

Margarita De Arellano<br />

Wellg<strong>und</strong>e:<br />

Ann-Katrin<br />

Naidu<br />

16 TAKT 4<br />

aber bei den Freiern vielleicht<br />

besser an als Linde, G<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

Hilde. O.k., Tresen <strong>und</strong> Tresor<br />

sind nah in dieser Kneipe, aber<br />

für den Tresor hat sich ja schon<br />

lange keiner mehr interessiert.<br />

Was soll man ihn also noch<br />

besonders bewachen. Endlich:<br />

ein K<strong>und</strong>e schleppt sich in die<br />

„Heile Welt“-Bar. Nein, Männer,<br />

die sich hierher verirren, werden<br />

„Gast“ <strong>und</strong> nicht „K<strong>und</strong>e“ genannt.<br />

Nutten-Ethos. Dieser<br />

Floßhilde:<br />

Hana Minutillo<br />

aus nibelheim<br />

Ein <strong>Rheingold</strong>krimi von Pascal Morché<br />

Alberich:<br />

Franz-Josef Kapellmann<br />

„Gast“ heißt Alberich <strong>und</strong> hat übrigens Schnupfen. Er will<br />

das, was Mann hier will: Sex! Ein bißchen Fummeln, heißt<br />

das bei ihm. Liebe auch, oder was er dafür hält.<br />

Die drei Mädchen baggern ihn an, um ihn gleich wieder abblitzen<br />

zu lassen. Ein fieses Spiel, <strong>und</strong> das gefällt Alberich<br />

gar nicht. Wer geil ist, der hat auch Kraft. Und wenn solche<br />

geilen Männer wie Alberich wütend werden, dann hauen sie<br />

auf den Tisch, daß die Wände wackeln. Dann erschrecken<br />

die Goldfische im Aquarium, das Fernsehbild flackert <strong>und</strong><br />

die Gläser rollen vom Tresen. Ja, bei dem Wutausbruch muß<br />

es passiert sein: Alberichs Blick fällt auf den Safe. Vielleicht<br />

ist irgend eine blöde Lampe umgefallen <strong>und</strong> beleuchtet ihn.<br />

Die Mädchen sagen Alberich, daß darin Gold liegt. Jede<br />

Menge Gold, <strong>und</strong> wer daraus einen Ring schmiedet, der<br />

wird der Boss sein. Der wird immer der Boss sein! Der<br />

Mächtigste überhaupt <strong>und</strong> überall zu jeder Zeit. Weltherrschaft,<br />

alles ist möglich, man muß nur aus dem Gold einen<br />

Ring schmieden. „Nur“? Die Mädchen glauben sich sicher,<br />

denn den Ring kann nur jemand schmieden, der auf Liebe<br />

verzichtet. Da Alberich von Liebe aber eh nicht viel hält,<br />

sagt er sich, daß er auf sie auch verzichten kann, zumal er<br />

sich Lust <strong>und</strong> Sex en masse verschaffen wird; wenn er erstmal<br />

den Ring <strong>und</strong> die Macht hat, dann wird er sowieso alle<br />

Frauen dieser Welt ins Bett kriegen. „Weltherrschaft“ ist ein<br />

Zauberwort für so brutale, plumpe Typen wie Alberich.<br />

Er bricht den Safe auf, raubt ihn aus, sagt „fuck off“ zur<br />

Liebe – oder zu dem, was er dafür hält – <strong>und</strong> verschwindet.<br />

Zurück bleiben drei, von den Ereignissen völlig überrollte,<br />

übertölpelte Mädchen.<br />

zweite szene:<br />

Wenn du eine Antwort auf ein Verbrechen <strong>und</strong> seine Täter<br />

suchst, frage dich, wer ein Motiv hat! Fast immer sind es<br />

Schulden, die Leute zu Verbrechern werden lassen. Hier<br />

auch: Ein Mann hat ein Haus gebaut <strong>und</strong> kann es nicht<br />

bezahlen. Von Hypothekenlast gedrückt, flieht er am liebsten<br />

in den Schlaf oder berauscht sich an der Angeberei<br />

mit der Immobilie. Wotan heißt dieser Mann <strong>und</strong> seine Frau<br />

Fricka. Sie führen, wie viele in schönen Häusern, eine trostlose<br />

Ehe. Zur Immobilie hat ihm die Gattin geraten, damit<br />

der Mann mit „herrlicher Wohnung <strong>und</strong> wonnigem Hausrat“<br />

beschäftigt sei, abgelenkt werde, denn auch er geht gern<br />

mal in die „Heile Welt“-Bar.<br />

Wotan:<br />

John Tomlinson<br />

Fricka:<br />

Marjana Lipovsek<br />

Wer ein großes Haus hat, der hat auch schnell viele Parasiten,<br />

die donnern hohl herum oder bauen froh Regenbogen<br />

im Garten, wie Donner <strong>und</strong> Froh das tun. Und dann ist da<br />

noch Freia. Eine schöne Frau, eines jener Luxusweibchen,<br />

mit denen ein Mann in der Öffentlichkeit nicht alt aussieht.<br />

Ja, ewige Jugend ist garantiert, wenn Männer sich mit solchen<br />

Frauen schmücken. Ausgerechnet diese Freia aber hat<br />

Wotan den Erbauern seines Hauses, Fafner <strong>und</strong> Fasolt, als<br />

Lohn versprochen. Eine ziemlich blöde Situation für ihn,<br />

denn von Freia will Wotan nicht lassen, <strong>und</strong> Fafner <strong>und</strong><br />

Fasolt wollen sie jetzt abholen. Ist ja schließlich ihr Lohn.<br />

Leute vom Bau haben bekanntlich eine Affinität zu schönen<br />

Frauen, egal ob sie sich Playmates im Baucontainer aufhängen<br />

oder mit ihnen auf dem Opernball in Wien abhängen.<br />

Freia:<br />

Anja Harteros<br />

Aus dem Dilemma jedenfalls kann nur einer helfen: Loge!<br />

Er ist ein ziemlich verrückter Typ inmitten dieser bürgerlichen<br />

Leute, die sich so göttlich schön <strong>und</strong> stark fühlen. Clever<br />

<strong>und</strong> listig wie Loge ist, hat er Wotan schon ein paar Mal aus<br />

der Klemme geholfen. Wird er es diesmal wieder schaffen?<br />

Loge erzählt vor allen Anwesenden, daß ein gewisser Alberich<br />

in der Rheinbar „Heile Welt“ das Gold geraubt hat, daß<br />

er es geschafft hat, daraus einen Ring zu schmieden. Er<br />

erzählt, daß der Mann gefährlich mächtig geworden ist <strong>und</strong><br />

es überhaupt das beste wäre, Gold <strong>und</strong> Ring wieder in die<br />

„Heile Welt“ zu bringen <strong>und</strong> zu vergessen.<br />

Auch Fafner <strong>und</strong> Fasolt sind davon fasziniert, Macht zu<br />

haben. Wäre das ideale Kompensationsmittel für ihre Kraft.<br />

So beschließen sie, Freia erstmal als Geisel mitzunehmen<br />

<strong>und</strong> akzeptieren Gold <strong>und</strong> Ring als Lösegeld für die Frau.<br />

Kaum ist Freia von den Bauleuten entführt, sehen Wotan<br />

<strong>und</strong> die Mitbewohner seines Protzpalasts, ziemlich alt aus.<br />

Loge empfiehlt Wotan, gemeinsam den Verbrecher Alberich<br />

aufzusuchen, um ihm Gold <strong>und</strong> Ring abzujagen <strong>und</strong> so das<br />

Lösegeld für die gekidnappte Freia aufzubringen.<br />

Froh:<br />

Jon Ketilsson<br />

Donner:<br />

Hans-Joachim Ketelsen<br />

TAKT 4 17


Mime:<br />

Helmut Pampuch<br />

18 TAKT 4<br />

dritte szene:<br />

<strong>Das</strong> Milieu, in dem Wotan <strong>und</strong> Loge<br />

Alberich vorfinden, ist übel. Unterwelt,<br />

Nibelheim. Alberich hat einen<br />

Bruder, Mime. Ein armer Typ, den<br />

Alberich längst umgebracht hätte,<br />

wenn er nicht ein so perfekter Handwerker<br />

wäre: Spezialist für komplizierteste<br />

Schmiedearbeiten wie den<br />

Ring. Solche willenlosen, entrechteten<br />

Leute wie die anderen Nibelun-<br />

gen aber braucht Alberich. Sie werden gezwungen, Gold<br />

<strong>und</strong> noch mehr Gold zu schmieden, seine Macht zu mehren.<br />

Mime hat Alberich einen Helm gebaut, der es diesem erlaubt,<br />

jede x-beliebige Gestalt anzunehmen. Loge will das<br />

Ding vorgeführt bekommen. Und Alberich, trunken vor Angabe,<br />

verwandelt sich in eine fürchterliche Wurmgestalt. Loge,<br />

eiskalt, heuchelt Staunen <strong>und</strong> fragt Alberich, ob diese Show,<br />

die er da abzieht, auch andersherum funktioniert; ob er sich<br />

also auch in etwas ganz kleines verwandeln könnte: Alberich<br />

führt denn nochmals den Tarnhelmtrick vor. Diesmal verwandelt<br />

er sich in eine Kröte, was zumindest auf ein gewisses<br />

Maß an realistischer Selbsteinschätzung schließen läßt. Und<br />

als Kröte wird er nun gefangen, gefesselt <strong>und</strong> seiner Welt<br />

entführt, um sich bei Wotan im Palast wiederzufinden.<br />

vierte szene:<br />

Wotan <strong>und</strong> Loge zwingen ihr Opfer, Alberich, das Gold abzuliefern,<br />

sonst gäbe es für ihn keine Freiheit mehr. Auch die Superwaffe<br />

Tarnhelm fordert Wotan <strong>und</strong> den Ring an Alberichs<br />

Finger, das Symbol der Macht. Von dem Ring trennt sich<br />

Alberich am schwersten: grölend <strong>und</strong> fluchend verschwindet<br />

er <strong>und</strong> wird erst viel später in einem Wald wieder gesehen.<br />

Froh, Donner <strong>und</strong> Fricka bestaunen das Gold <strong>und</strong> auch Fafner<br />

<strong>und</strong> Falsolt kommen bald mit ihrer Geisel Freia zur vereinbarten<br />

Goldübergabe. Wotan will behalten, was ihm selber<br />

nicht gehört, denn der ganze Schatz wäre eben am besten<br />

Fafner:<br />

Kurt Rydl<br />

Fasolt:<br />

Jan-Hendrik Rootering<br />

dort, wo er herkommt: unangetastet in der „Heile Welt“-Bar<br />

auf dem Kiez. Vom Tarnhelm trennt sich Wotan noch widerwillig.<br />

Doch Fasolt will absolut nicht von Freia lassen <strong>und</strong> so<br />

fordert Fafner auch den Ring an Wotans Hand. Den will er<br />

nicht hergeben. Dieses Symbol der Macht, nein, das nicht!<br />

Unangemeldet steht eine Frau namens Erda im Raum. Urmutter,<br />

allwissend <strong>und</strong> das personifizierte Unterbewußtsein<br />

des Herrn Wotan. Mit theatralischer Geste verkündet sie<br />

Wotan das Ende, die Götterdämmerung, <strong>und</strong> sie empfiehlt<br />

dringend, von dem Ring die Finger zu lassen, beziehungsweise<br />

diesen nicht an selbige zu stecken.<br />

Erda, Top-Psychiaterin, verschwindet wie sie gekommen<br />

ist. Wotan, sichtlich beeindruckt, wirft den Ring zu dem<br />

aufgetürmten Lösegold. Freia ist somit frei <strong>und</strong> Fafner <strong>und</strong><br />

Fasolt beginnen sofort das Lösegeld zu teilen. <strong>Das</strong> ist auch<br />

möglich, bis auf den Ring. Den kann nur einer tragen.<br />

Fafner, der Brutalere der beiden, erschlägt seinen Bruder<br />

<strong>und</strong> nimmt sich den Ring. Später wird man sehen, daß dies<br />

Loge:<br />

Philip Langridge<br />

Erda:<br />

Anna Larsson<br />

Totschlag war <strong>und</strong> kein Mord.<br />

Der Bau ist bezahlt, doch wie <strong>und</strong><br />

um welchen Preis. Donner <strong>und</strong> Froh<br />

veranstalten eine effektvolle Lightshow<br />

zur Homewarming-Party eines<br />

Hauses, in dem keine Wärme herrschen<br />

wird. Walhall solle dieser<br />

Palast heißen <strong>und</strong> Schutz solle er<br />

bieten, erklärt Wotan seiner Frau<br />

Fricka. Daß man beim Einzug über<br />

einen toten Maurer auf dem Parkett<br />

stolpert, damit hatte noch niemand<br />

beim Bau der Burg gerechnet. Man kann deutlich hören,<br />

daß Wotan eine folgenschwere Idee hat.<br />

Loge verabschiedet sich <strong>und</strong> ahnt, daß dieser Personenkreis<br />

seinem Ende zueilt. Aus dem „Heile Welt“-Establishment im<br />

Redlightdistrict hört man indessen das Gejammer der drei<br />

betrogenen <strong>und</strong> bestohlenen Huren.<br />

Was weiß Wotan, was hat er vor? Wohin führt die Spur? Was<br />

macht Fafner mit dem Gold <strong>und</strong> dem Ring? Viele Tatorte,<br />

viele Täter, ein Toter. „Harry, fahr den Wagen vor.“


die stimme IV<br />

20 TAKT 4<br />

STREBEN NACH TECHNISCHER<br />

VOLLKOMMENHEIT<br />

AUS SICHT DER CD-INDUSTRIE<br />

WA(H)RE STIMME?<br />

Prägnanter als mit unserem etwas frivolen Titel kann man<br />

die beiden gr<strong>und</strong>sätzlichen Problemkreise im Verhältnis<br />

Musik/Tonträger kaum benennen: Wie kommerziell darf<br />

Kunst sein? Wie authentisch kann eine CD das Original<br />

wiedergeben? In einer Zeit, in der wir alle permanent von<br />

„konservierter“ Musik umgeben sind, hat sich wohl jeder<br />

schon mit diesen beiden Fragen auseinandergesetzt. Ein<br />

Beitrag von Ludwig Robeller im Rahmen unserer TAKT-<br />

Reihe „Die Stimme“.<br />

1Gerade was die humanste <strong>und</strong> tiefstgehende musikalische Äußerung, den<br />

Gesang, anbelangt, sollte man sich keinen Illusionen hingeben. In dem<br />

Augenblick, in dem ein Sängerporträt, eine Opern- oder Liedaufnahme als<br />

CD, DVD, Schallplatte oder Musikkassette über den Ladentisch wandert,<br />

wird die Stimme selbst zur Ware – mit allen Konsequenzen, die sich daraus<br />

ergeben: Jede junge Sängerin, jeder junge Sänger stellt sich nolens<br />

volens der Konkurrenz von h<strong>und</strong>ert Jahren Aufnahme-Geschichte. Natürlich sollte<br />

es klar sein, daß ein aufstrebender Stern am Gesangshimmel, auch wenn er meist<br />

schon den großen Opernhäusern zur bejubelten Zierde gereicht, im direkten Vergleich<br />

mit Aufnahmen, die ein Caruso, eine Birgit Nilsson in gesegneten Momenten<br />

ihrer Karriere gemacht haben, den Kürzeren ziehen muß. Die gnadenlosen Gesetze<br />

des „Markts“ fordern andererseits seine Tonträger-Präsenz – wer nicht aufnimmt,<br />

dem bleiben die Möglichkeiten einer großen Laufbahn verschlossen, er findet nicht<br />

statt. Ausnahmen wie Neil Shicoff, der seine Weltkarriere seinen Auftritten, kaum<br />

seinen (spärlichen) Produktionen verdankt, bestätigen diese Regel leider nur.<br />

Jeder von uns hat sich während eines weniger gelungenen Opern- oder Konzertabends<br />

wohl schon bei dem Gedanken „plattenreif ist das nicht gerade“ ertappt –<br />

als ob das ein Kriterium wäre! Haben wir wirklich schon das Gefühl für den Reiz<br />

des Unvollkommenen, für die Magie des Augenblicks verloren? Sind unsere Ohren<br />

durch die (falsche) „Perfektion“ einer oft aus H<strong>und</strong>erten von Takes zusammengebastelten<br />

Studio-Aufnahme schon gänzlich verdorben? Sollten wir nicht unsere<br />

Werteskala neu einstellen? Daß sich allein an der Bayerischen Staatsoper jeden<br />

Abend über zweitausend Menschen dem „Wagnis Gesang“ aussetzen, gibt Hoffnung<br />

– <strong>und</strong> doch, hören wir wirklich frei <strong>und</strong> unbefangen, streben wir nicht mehr<br />

nach „technischer“ Vollkommenheit als nach der immanenten Wahrheit <strong>und</strong><br />

Menschlichkeit der Musik?<br />

Natürlich kann man das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, aber citius, altius,<br />

fortius gehört in die Welt des Sports <strong>und</strong> Sensationen sollten in der Zirkusmanege<br />

stattfinden. Der Tonträger ist aus unserem Leben nun einmal nicht mehr wegzudenken<br />

– seine Aufgabe sollte es sein, abseits von mit den Werbestrategien des Pop-<br />

Business vermarkteten Events <strong>und</strong> der damit zusammenhängenden Desavouierung<br />

der daran beteiligten Künstler (einschlägige Namen darf ich als bekannt voraussetzen!)<br />

eine Ergänzung <strong>und</strong> Weiterführung des Musiklebens darzustellen. Er darf<br />

nicht zum Surrogat des Live-Erlebnisses werden. Es ist in den letzten Jahren so<br />

weit gekommen, daß viele Menschen ihre ersten Opernarien von den Stimmbändern<br />

eines früheren Schlagersängers oder Popstars vermittelt bekommen – das<br />

traurige Ergebnis skrupelloser Geschäftemacherei.<br />

Wie kann man all diesen Teufelskreisen entkommen? Im Bereich der klassischen<br />

Musik, speziell in der Welt der Stimme, gibt es drei Möglichkeiten: zum einen bietet<br />

der Tonträger die Chance, wenig oder gar nicht bekannte Werke, an die sich<br />

kein Opernintendant oder Konzertveranstalter herantrauen würde, vorzustellen<br />

<strong>und</strong> sie mit jungen Kräften zu besetzen, die man damit aus der Schußlinie einer<br />

Aida- oder Winterreise-Aufnahme nimmt. Diesen Weg gehen etliche unabhängige<br />

Plattenfirmen, der immense Erfolg des gesamten Bereichs der sogenannten „Alten<br />

Musik“ wäre andernfalls ebenso wenig zustande gekommen wie die Wiederentdeckung<br />

eines Stimmfachs, das vor einigen Jahrzehnten noch gänzlich unbekannt<br />

war – des Countertenors. Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Musik unserer<br />

Zeit einem breiteren Publikum vorzustellen, der Musica viva aus ihrem Ghettodasein<br />

herauszuhelfen. Auch dieser Weg wird mit zum Teil überraschendem Erfolg<br />

(auch kommerziell, was in diesem Fall niemandem schadet!) beschritten. Schließlich<br />

gibt es dann noch so etwas wie die Quadratur des Kreises: den Live-Mitschnitt.<br />

Auch er kann das unmittelbare Erleben nicht ersetzen – aber ergänzen,<br />

wie eine schöne Fotografie, eine schöne Erinnerung. Man hört, daß auch die Allergrößten<br />

nicht unfehlbar sind, daß wahre Kunst erst aus der Gefahr des Scheiterns<br />

entsteht – menschlich wie das Leben selbst. Die Anti-Perfektion einer Live-Aufnahme<br />

stellt zudem eine vernünftige Relation zum wahren Stellenwert des Tonträgers<br />

her – man erliegt nie der Illusion, ein „Original“ zu hören.<br />

2Wie „wahr“ ist die Stimme eines Plácido Domingo noch, wenn sie<br />

aus dem Lautsprecher kommt? Aus Sicht des Akustikers gar nicht.<br />

Ohne Mikrophon kann man nicht aufnehmen, jedes Mikrophon<br />

erzeugt aber eigene Schwingungen <strong>und</strong> fügt damit eine eigene<br />

Obertonreihe zur bereits vorhandenen hinzu. An diesem Gr<strong>und</strong>problem<br />

konnten auch alle technischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte<br />

nichts ändern. Alles andere ist eine ethische Frage: Sobald eine Aufnahme<br />

„im Kasten“ ist, kann man sie nahezu beliebig manipulieren (man denke nur an die<br />

hohen C’s, die Elisabeth Schwarzkopf ihrer Kollegin Kirsten Flagstad für Furtwänglers<br />

Tristan-Einspielung „lieh“). Im Falle eines Sängers vom Range Domingos<br />

mag die Kosmetik bescheiden bleiben, bei manch anderen sah man sich genötigt,<br />

schon etwas kräftiger nachzuhelfen! Live-Eindrücke rücken in diesen Fällen die<br />

Verhältnisse zurecht, zumindest bei denjenigen, die an der Garderobe nur ihre<br />

Mäntel abgeben.<br />

Wenn Sie sich zuhause nacheinander den „Liebestod“ <strong>und</strong> „Una voce poco fa“<br />

anhören, dazwischen den Lautstärkeregler nicht betätigen, klingt Cecilia Bartolis<br />

Stimme genau so laut <strong>und</strong> groß wie die von Birgit Nilsson – wie absurd! Zu welchen<br />

Mißverständnissen, zu welcher Unfairneß dies führt, erfährt man, wenn sich<br />

einmal wieder jemand über die „kleine Stimme“ der Bartoli beklagt – in einer nichtnivellierten<br />

Musikwelt <strong>und</strong>enkbar.<br />

Die Oper lebt, <strong>und</strong> schöne Stimmen gibt es heute ebenso wie vor fünfzig oder<br />

h<strong>und</strong>ert Jahren – wenn Sie diese Zeilen in der Pause oder nach einem der vielen<br />

großen Abende in der Bayerischen Staatsoper lesen, stimmen Sie mir sicher<br />

darin zu. Die Aufgabe des Tonträgers kann es nur sein, zum Erhalt dieses Lebens<br />

beizutragen <strong>und</strong> schöne Stimmen zu fördern, nicht zu zerstören. Tröstlich, daß es<br />

auch in einer so stark kommerziell orientierten Zeit wie unserer noch Idealisten<br />

gibt, denen diese Förderung am Herzen liegt – die Voraussetzung dafür ist, mit<br />

der CD das Musikleben bereichern, nicht ersetzen zu wollen. Wie gesagt, ein<br />

ethisches Problem...<br />

VON STIMMBÄNDERN UND<br />

GESCHÄFTEMACHEREI<br />

MUSICA VIVA AUF DEM WEG<br />

AUS DEM GHETTO<br />

EIN HOHES C FÜR<br />

KOLLEGIN FLAGSTAD<br />

Zum Autor: Ludwig Robeller, geboren<br />

1959 in München, theoretische <strong>und</strong><br />

praktische Musikstudien; von 1995<br />

bis 2001 in der Abteilung Klassische<br />

Musik eines führenden Fachhändlers<br />

tätig, zuletzt als Co-Autor der Musik-<br />

Website des Unternehmens. Seit<br />

2001 Mitarbeiter eines Unternehmens<br />

in der CD-Industrie.<br />

TAKT 4 21


allett<br />

22 TAKT 4<br />

„er lebt noch<br />

<strong>und</strong> er hilft uns<br />

jeden tag“<br />

Karin von Aroldingen, einzige Deutsche unter den<br />

Balanchine-Musen, studiert mit dem Bayerischen Staatsballett<br />

das Brahms-Schönberg-Quartett als Eröffnungspremiere<br />

der Ballettwoche 2002 ein.<br />

<strong>Das</strong> Bayerische Staatsballett<br />

fühlt sich immer mehr im<br />

Balanchine-Stil zu Hause –<br />

immerhin sieben große Ballette<br />

wechseln sich im Repertoire ab.<br />

Hier ein Photo aus Apollo mit<br />

Lisa-Maree Cullum <strong>und</strong> Oliver<br />

Wehe. Oben: Karin von Aroldingen<br />

<strong>und</strong> George Balanchine<br />

waren auch privat ein Paar.<br />

George Balanchine, 1904 in St.<br />

Petersburg geboren, gilt als der<br />

wichtigste Choreograph des vorigen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts. Mit Serge Diaghilev<br />

emigrierte er nach Paris, ehe er 1934<br />

in die Vereinigten Staaten ging <strong>und</strong><br />

das klassische Ballett nach Amerika<br />

brachte. „Erst eine Schule, dann die<br />

Company“, lautete seine Antwort an<br />

Lincoln Kirstein, der ihn, den letzten<br />

Chefchoreographen der Ballets Russes,<br />

eingeladen hatte, in New York all<br />

seine Ideen zu verwirklichen. Mit der<br />

Gründung der School of American<br />

Ballet legte Balanchine das F<strong>und</strong>ament<br />

für das legendäre New York City<br />

Ballet, für das er fast alle seine Ballette<br />

choreographierte <strong>und</strong> das er bis<br />

zu seinem Tod im Jahre 1983 leitete.<br />

Obwohl er es selbst am wenigsten<br />

für möglich hielt, dass er mit 79<br />

Jahren sterben werde, verfügte er<br />

testamentarisch, dass seine Werke<br />

persönliches Eigentum seiner Musen<br />

werden sollten. Balanchines Musen<br />

sind Tänzerinnen, denen seine Leidenschaft<br />

so zugewandt war, dass<br />

sie ihn zu Balletten inspirierten. Sie<br />

kreierten sie mit ihm, <strong>und</strong> er hat sie<br />

ihnen auf den Leib geschneidert.<br />

Sie erbten ein Werk, das die Emanzipation<br />

des männlichen Tänzers<br />

wieder zurücknimmt, um die Schönheit<br />

der Ballerina herauszustellen.<br />

Von 425 (!) Choreographien sind 75<br />

erhalten geblieben, die die international<br />

führenden Kompanien wohl<br />

auch in Zukunft aufführen werden.<br />

Balanchine-Musen haben die Bühnenrechte<br />

an jeweils etwa einem<br />

halben Dutzend seiner Ballette. Als<br />

Erben Balanchines wachen sie über<br />

dessen Werk. Sie reisen um die Welt<br />

<strong>und</strong> erhalten die Authentizität <strong>und</strong><br />

Integrität seiner Stücke.<br />

Unter ihnen gilt auch Karin von Aroldingen,<br />

die für Balanchines Brahms-<br />

Schönberg-Quartett verantwortlich<br />

zeichnet, als vorzügliche Ballettmeisterin.<br />

Im Herbst 2001 besuchte sie im<br />

Prinzregententheater das Gastspiel<br />

des Kirov-Balletts mit Jewels, das sie<br />

in St. Petersburg einstudiert hatte,<br />

<strong>und</strong> kurz darauf den Vierteiler Van<br />

Manen/Balanchine/Robbins/Forsythe<br />

des Bayerischen Staatsballetts in<br />

München, schaute sich Training <strong>und</strong><br />

Proben der Münchner Companie an.<br />

TAKT 4 23


Frau von Aroldingen, Ihre Karriere<br />

hat in Frankfurt begonnen. Wie kamen<br />

Sie eigentlich nach New York?<br />

Es war in meiner zweiten Spielzeit, als<br />

Tatjana Gsovsky in Frankfurt unbedingt<br />

Die Sieben Todsünden mit Lotte Lenya<br />

aufführen wollte. Die hatte das als Sängerin<br />

mit Kurt Weill kreiert <strong>und</strong> lebte<br />

damals schon in New York. Sie war 60,<br />

<strong>und</strong> ich als Anna II war 18 <strong>und</strong> hatte als<br />

Tänzerin niemanden mehr vor mir, an<br />

den ich mich hätte anlehnen können,<br />

um noch zu wachsen. Als sie mich<br />

fragte, ob ich kommen wolle (nach New<br />

York), sagte ich: „Ja, aber wie?“ – „Gib<br />

mir mal ein paar Fotos mit, ich werde<br />

sie Balanchine weitergeben.“ Dann<br />

schrieb sie mir eines Tages, Balanchine<br />

werde in Hamburg sein <strong>und</strong> mich dort<br />

erwarten. Ich bin beim Vortanzen von<br />

der Spitze gefallen, aber er hat durch<br />

meine Nervosität hindurchgesehen <strong>und</strong><br />

mir ein paar Wochen später angeboten,<br />

Mitglied des New York City Ballett zu<br />

werden.<br />

In Frankfurt waren Sie Erste Solistin,<br />

<strong>und</strong> in New York mussten Sie sich<br />

wieder von einer Gruppentänzerin<br />

nach oben arbeiten. Wie war das,<br />

<strong>und</strong> kamen Sie schnell voran?<br />

Ich dachte: Besser ein kleiner Fisch in<br />

einer großen Company als ein großer<br />

Fisch in einer kleinen. Obwohl ich in<br />

Berlin eine sehr gute, vielseitige Ausbildung<br />

bekommen hatte, empfand ich<br />

die Erweiterung der klassischen Technik<br />

durch Balanchine als einen Unterschied<br />

wie Tag <strong>und</strong> Nacht: das Strecken,<br />

die Länge <strong>und</strong> das Hervorgehen in<br />

der Bewegung. Ich habe schnell verstanden,<br />

was Balanchine meinte, aber<br />

für den Körper ist es schwer, etwas zu<br />

lassen, was man sich über Jahre antrainiert<br />

hat. So war ich zehn Jahre lang in<br />

der Company, bis ich zur Ersten Solistin<br />

ernannt wurde, gleichzeitig mit<br />

Gelsey Kirkland, die damals ein Jahr<br />

bei uns war.<br />

Bitte erzählen Sie über die künstlerischen<br />

Qualitäten von Balanchine.<br />

Dadurch, dass er uns täglich selbst<br />

trainierte, bekamen wir mehr Geschmeidigkeit<br />

als viele andere Companien,<br />

indem wir z. B. beim Absenken<br />

langsam durch den Fuß abrollten <strong>und</strong><br />

nicht von der Spitze direkt auf die Verse<br />

fielen. Und die Schnelligkeit. Er hat uns<br />

auch musikalisch erzogen. In der Art,<br />

24 TAKT 4<br />

Karin von<br />

Aroldingen<br />

Balanchines<br />

Lieblingsballerinen<br />

bürgen für<br />

sein Werk<br />

wie Balanchine die Musik ausdrückt,<br />

sind Tiefen angelegt, die müssen im<br />

Tanz da sein, sonst nivelliert sich in<br />

seinen Balletten alles. Als Strawinsky<br />

einmal auf eine Probe kam <strong>und</strong> sein<br />

Ballett sah, sagte er: „Ich wusste nicht,<br />

dass meine Musik so aussieht.“ Im<br />

Anschluss daran hat man über Balanchines<br />

Ballette gesagt, dass man den<br />

Tanz hört <strong>und</strong> die Musik sieht. Balanchines<br />

Inspiration beim Choreographieren<br />

kam hauptsächlich aus der Musik.<br />

Außerdem hatte er einen phantastischen<br />

Blick für Menschen. Er hat vieles<br />

aus uns herausgeholt, von dem wir<br />

nicht dachten, dass wir es in uns hätten.<br />

Ein Ballett zu tanzen, das er für<br />

einen selbst geschaffen hatte, war wie<br />

eine zweite Haut!<br />

Sie haben diese Erfahrung, denn in<br />

der zweiten Hälfte der 22 Jahre, die<br />

Sie unter Balanchine getanzt haben,<br />

hat er auch für Sie choreographiert.<br />

Ja, das erste war eine kleine, spaßige<br />

„Tagesreise“ mit dem Titel: P.A.M.G.G.<br />

- Pan Am Makes the Going Great – das<br />

kam nichtmal ins Repertoire. Anschließend<br />

hat er Theme and Variations wieder<br />

aufgenommen <strong>und</strong> den 1. Satz für<br />

mich neu choreographiert. Dann kam<br />

schon Who Cares, das Sie in München<br />

auch haben – alles in einem Jahr. Mein<br />

Durchbruch war 1972, als wir das<br />

Stravinsky-Festival hatten, einen Monat<br />

nach dessen Tod, zu seinem 90. Ge-<br />

burtstag. Balanchine hat ja viel mit ihm<br />

zusammengearbeitet <strong>und</strong> plante eine<br />

Hommage an Strawinsky. Nicht ein<br />

oder zwei, nein, 36 Ballette von ihm<br />

wurden in einer Woche getanzt! Damals<br />

hat er das Violinconcerto für mich<br />

choreographiert, das habe ich in der<br />

Eröffnungsnacht zusammen mit Feuervogel<br />

getanzt. Ein weiterer Höhepunkt<br />

war das Tschaikovsky-Festival 1982.<br />

Bald darauf ist Balanchine gestorben.<br />

Welche Vorkehrungen hatte er<br />

für sein Werk getroffen?<br />

Oh, er hat im Hinblick auf seine georgische<br />

Familie immer behauptet, dass er<br />

120 Jahre alt werde! Tatsächlich wurde<br />

er nur 79. Aber ich sage immer: Er lebt<br />

heute noch. Er ist mit uns, jeden Tag, er<br />

lebt <strong>und</strong> hilft sehr viel.<br />

Soweit ich weiß, hat er seine Ballette<br />

auf 14 Personen verteilt.<br />

Damit hat er einen Wendepunkt in der<br />

Weitergabe von Choreographien eingeleitet.<br />

Viele haben gefragt: Warum geht<br />

dieses Vermächtnis nicht ans New York<br />

City Ballet? Nun, jetzt haben wir Peter<br />

Martins als Direktor <strong>und</strong> immerhin 20<br />

Balanchine-Stücke im Repertoire,<br />

mehr als alle anderen Werke, die jedes<br />

Jahr von Peter Martins, Jerome Robbins<br />

oder vielen jungen Choreographen<br />

hinzukommen. Wenn der nächste<br />

Direktor kein Balanchine-Fan wäre,<br />

könnte sein Werk verloren gehen. Aber<br />

bei den individuellen Erben, denen er<br />

vertraut hat, wusste er, dass seine Ballette<br />

gepflegt werden. Deshalb haben<br />

wir um Barbara Horgan, die seine<br />

rechte Hand war, den Balanchine-Trust<br />

als eine Dachorganisation gebildet,<br />

durch die sein Werk in guten Händen<br />

bleibt <strong>und</strong> sein wird. Wenn ich weggehe,<br />

gebe ich die sechs Ballette, die<br />

er mir hinterlassen hat, in den Trust<br />

zurück, damit sie weiter leben.<br />

Haben Sie mittlerweile selber schon<br />

mit bestimmten Tänzern gearbeitet,<br />

um zu beeinflussen, wer dieses Erbe<br />

künftig weiterführt?<br />

O ja! Wir haben die große Verantwortung,<br />

jetzt die zweite Generation anzulernen,<br />

die Balanchine nie kannte,<br />

obwohl sie Balanchine-Ballette tanzt.<br />

Neben der Musikalität sind zwei Dinge<br />

bei dieser Aufgabe am wichtigsten: Der<br />

Stil <strong>und</strong> die Energie!<br />

Welchen Freiraum haben Sie als<br />

Ballettmeisterin, um auf die unter-<br />

schiedlichen personellen Gegebenheiten<br />

zu reagieren, <strong>und</strong> wie finden<br />

Sie die Balance zwischen Freiheit<br />

<strong>und</strong> Bewahren?<br />

Balanchines Choreographieren war immer<br />

eine Zusammenarbeit mit uns. Er<br />

hat unsere physischen Stärken berücksichtigt<br />

<strong>und</strong> immer gewusst, was wir für<br />

die Musik bedeuten können. Was man<br />

dann mit der Musik durch seine Choreographie<br />

erfuhr, war ein Erlebnis. Als<br />

ob man ein Instrument sei <strong>und</strong> Musik<br />

mache mit seinem Körper. Und das ist<br />

für mich wahrer Tanz! – Ich muss also<br />

sehen, was ich mit einem Tänzer machen<br />

kann. Denn wie etwas wirkt, das<br />

ist individuell ganz verschieden. Balanchine<br />

mochte das Wort „change“ nicht,<br />

obwohl er immer sagte, er müsse noch<br />

etwas ändern <strong>und</strong> verbessern. Aber da<br />

ist ein Unterschied zwischen „change“<br />

<strong>und</strong> „adjustments“. Manchmal machen<br />

schon Kleinigkeiten den Unterschied<br />

aus, wie Tänzer einen Schritt fühlen,<br />

was ihr Körper dazu sagt. Es kommt<br />

hinzu, dass dem Tanz eine visuelle<br />

Logik innewohnt. Wenn ich die herausarbeiten<br />

kann, kommt das Gefühl, dass<br />

die Bewegung stimmig ist.<br />

Hat Balanchine, als abzusehen war,<br />

dass Sie für bestimmte Ballette verantwortlich<br />

sein werden, mit Ihnen<br />

darüber gesprochen, wie man seine<br />

Ballette vermittelt?<br />

Nie! Er sagte: „Du wirst es selbst herausfinden.“<br />

Worte sagen dazu nichts.<br />

Gefühle, Emotionen sind höher als<br />

Worte – es sei denn, man ist ein Dichter.<br />

Wir sind so limitiert! Im Tanz sind<br />

wir nicht limitiert.<br />

Ich möchte Sie angesichts ihrer<br />

internationalen Arbeit fragen,: Wie<br />

hat Ihnen gestern das Bayerische<br />

Staatsballett mit VanManen/Balanchine/Robbins/Forsythe<br />

gefallen?<br />

Ich bin erst zum zweiten Mal in<br />

Deutschland, um etwas einzustudieren,<br />

<strong>und</strong> ich muss sagen: Die Company<br />

ist einmalig, ihre Diversifikation<br />

bew<strong>und</strong>erswert. Ich freue mich auf<br />

diese Arbeit. Allerdings ist man in<br />

Deutschland, glaube ich, mehr auf<br />

Intellekt <strong>und</strong> Avantgarde aus. Unser<br />

Brahms-Schönberg-Quartett ist<br />

handlungslos, hat vier Sätze, w<strong>und</strong>erschöne<br />

Musik. Aber es ist Brahms<br />

<strong>und</strong> deshalb neoromantisch.<br />

Ist es ein Ballett, in dem das ganze<br />

Ensemble besetzt ist?<br />

Ich habe gestern zwei Besetzungen mit<br />

neun Solisten <strong>und</strong> einigen Halbsolisten<br />

gemacht, doch Namen möchte ich<br />

noch nicht sagen. Es ist jedenfalls ein<br />

großes Werk mit 55 Tänzern, das erst<br />

zum zweiten Mal außerhalb New Yorks<br />

aufgeführt wird.<br />

Wie weit sollen die Tänzer vorbereitet<br />

sein, wenn Sie kommen?<br />

Gar nicht! Denn der Stil ist sehr wesentlich.<br />

Man sagt häufig: „<strong>Das</strong> ist typisch<br />

Balanchine.“ Aber es ist ja nicht nur ein<br />

Stil, nein, jedes seiner Ballette hat seinen<br />

eigenen Stil. Den gebe ich, wenn<br />

ich ein Ballett einstudiere, von der ersten<br />

Stellprobe an mit, kombiniert mit<br />

den Schritten. Natürlich erwarte ich von<br />

professionellen Tänzern, dass sie das<br />

umsetzen können. Wenn dann alles<br />

einstudiert ist, ist da eine Freiheit, die<br />

ich den Tänzern geben möchte, da gibt<br />

es, auch wenn der Stil schon da ist,<br />

noch so viele Feinheiten für jeden einzelnen,<br />

das ist Coaching-on-top.<br />

Nach allem, was Sie gesagt haben,<br />

halte ich fest, dass die Arbeit vom<br />

Training über die Proben bis zur Vollendung<br />

in einer Rolle <strong>und</strong> schließlich<br />

der Weitergabe der Ballette für seine<br />

langjährigen Tänzerinnen <strong>und</strong> Mitglieder<br />

des Balanchine-Trusts ein<br />

komplettes Erziehungssystem ist,<br />

sodass Ihre ganze Existenz, wenn<br />

ich es provozierend formulieren darf,<br />

durch diesen Mann geformt ist.<br />

Wir haben alle das ABC gelernt, <strong>und</strong> er<br />

hat uns erweitert, bis zum Ende.<br />

Sodass es kein Gefühl ist, sozusagen<br />

ein Leben aus zweiter Hand zu<br />

führen, sondern durch den eigenen<br />

Anteil daran ist es eher so, dass<br />

Sie glauben, durch ihn zum Gipfel<br />

Ihrer Möglichkeiten geführt worden<br />

zu sein?<br />

Danke, dass Sie das so formuliert ha-<br />

Mit Balanchine<br />

zu arbeiten,<br />

hieß, ihm das<br />

ganze Leben<br />

widmen.<br />

ben! Man wird vom Schüler zum Gesellen<br />

<strong>und</strong> zum Meister. Wenn man ans<br />

Ziel gekommen ist, hat er gesagt: „Du<br />

bist allein. Du musst jetzt entscheiden.“<br />

Sie arbeiten also mit den heutigen<br />

Tänzern nicht aus einer statischen<br />

Erinnerung heraus, sondern aus der<br />

Intuition der Gegenwart mit einer<br />

gewissen Freiheit. Befähigt Sie das<br />

auch dazu, Neues zu schaffen?<br />

Ja, als Ballettmeister kann man immer<br />

noch mehr herausholen. Vor allem ist<br />

das technische Potential der Tänzer<br />

heute viel weiter entwickelt als zu unserer<br />

Zeit. Aber es kommt nicht nur auf<br />

die technischen Möglichkeiten an. <strong>Das</strong><br />

andere darf nicht verloren gehen, <strong>und</strong><br />

da liegt meine große Verantwortung.<br />

Balanchine hat uns die Zeit gegeben, in<br />

einem Ballett aufzugehen, es zu leben.<br />

In seinen Balletten, die in der Regel<br />

keine Handlung haben, muss man<br />

sofort alles instinktiv bereithaben. Die<br />

Bedeutung, die Aussage, zu der man<br />

vielleicht erst im Verlauf einer Vorstellung<br />

findet, muss von Anfang an da<br />

sein. Bis man das hat, dauert es Jahre.<br />

Ich habe zehn Jahre lang dasselbe Ballett<br />

getanzt, bis ich darin – perfekt war<br />

ich nie! – in die Richtung der Vollkommenheit<br />

ging. So zu arbeiten ist heute<br />

durch die schnellen Wechsel von Programmen<br />

<strong>und</strong> Besetzungen nicht mehr<br />

möglich. Dennoch habe ich bis jetzt immer<br />

sehr gute Ergebnisse bekommen.<br />

Wenn Sie nun als einzige Deutsche<br />

im Balanchine-Trust eine so verantwortliche<br />

Funktion ausüben: Empfinden<br />

Sie das als besondere Auszeichnung?<br />

Ich kann es heute noch nicht begreifen,<br />

wie es alles gekommen ist. Natürlich<br />

habe ich viele Jahre lang arbeiten müssen,<br />

auch mit Schmerzen, bis ich überhaupt<br />

dorthin ging. Weil ich auch die<br />

andere Seite gesehen habe, habe ich<br />

heute mehr Verständnis, wenn ich nach<br />

Europa gehe, denn da bin ich groß geworden.<br />

Ich würde alles noch einmal so<br />

wiederholen, auch mit den Schmerzen.<br />

<strong>Das</strong>s ich mit diesem Meister gearbeitet<br />

habe, dass ich eine von seinen Musen<br />

war, ist eine solche Ehre. <strong>Das</strong> ist für<br />

mich das größte Geschenk.<br />

Ich bin sicher, auch die Tänzer, mit<br />

denen Sie arbeiten, werden es als ein<br />

Geschenk empfinden.<br />

INTERVIEW KARL-PETER FÜRST<br />

TAKT 4 25


momentaufnahme<br />

Rheintöchter in Flußlandschaft<br />

oder Der Griff nach dem Gold –<br />

Detail der Neuproduktion <strong>Das</strong><br />

<strong>Rheingold</strong> in Nahaufnahme.<br />

26 TAKT 4


Herr Bohdansky, waren Sie in der Schule Klassensprecher?<br />

Nein, aber wenn es eine Klassenmannschaft gab, habe ich<br />

immer freiwillig die B-Mannschaft betreut.<br />

Nach fünf Jahren Arbeit als Personalratsvorsitzender<br />

treten Sie nun nicht mehr zur Wiederwahl an, sondern<br />

kehren als Chorsänger auf die Bühne zurück. Warum?<br />

<strong>Das</strong> hat vor allem persönliche Gründe: Personalratsvorsitzender<br />

ist eine klassische Ganztagstätigkeit, man arbeitet<br />

am Stück. Meine Frau dagegen ist, ebenso wie ich es eigentlich<br />

bin, Mitglied des Staatsopern-Chores, <strong>und</strong> dieser<br />

Beruf ist geteilt in Vormittags- <strong>und</strong> Abenddienste. Dadurch<br />

läuft das Familienleben allzusehr auseinander.<br />

Wieviel Mitglieder hat der Personalrat <strong>und</strong> nach welchen<br />

Kriterien werden sie gewählt?<br />

<strong>Das</strong> richtet sich nach der Anzahl der Beschäftigten. Da wir<br />

über 1.000 Mitarbeiter haben, besteht der Personalrat aus 13<br />

Mitgliedern, wovon 2 freigestellt sind. Fünf kommen aus dem<br />

Bereich der Arbeiter <strong>und</strong> acht aus dem der Angestellten. Ich<br />

bin allerdings der Meinung, daß man im Personalvertretungsgesetz<br />

diese unzeitgemäße Trennung zwischen Arbeitern<br />

<strong>und</strong> Angestellten aufheben sollte. <strong>Das</strong> eigentlich Interessante<br />

an der Oper ist, daß es sich bei ihr um ein kleines Sozialwesen<br />

handelt. Die Spanne reicht von Beschäftigten, die für<br />

ganz einfache, aber wichtige Arbeiten zuständig sind, bis hin<br />

zu solchen, die sich nur mit Hochgeistigem beschäftigen.<br />

Und die alle muß man vertreten, wenn sie Probleme haben.<br />

Wie sehen Sie persönlich die Bilanz Ihrer Arbeit als<br />

Personalratsvorsitzender?<br />

Ich habe einen erheblichen Teil meiner Freizeit in diese Tätigkeit<br />

investiert <strong>und</strong> immer versucht, ein gutes Einvernehmen<br />

<strong>und</strong> eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Intendanz<br />

zu haben, so wie es das Gesetz ja auch vorsieht. Meine<br />

Arbeit war darauf ausgerichtet, dazu beizutragen, daß das<br />

Publikum am Haus Vorstellungen von Weltklasse-Niveau erlebt.<br />

Ich war auf der einen Seite bemüht, eine positive Gr<strong>und</strong>einstellung<br />

für unsere künstlerische Arbeit auf die Beschäftigten<br />

auszustrahlen. Andererseits habe ich versucht, dem Intendanten<br />

<strong>und</strong> dem Verwaltungsdirektor Probleme im Hause<br />

sozusagen aus der Froschperspektive zu verdeutlichen. Denn<br />

der Personalrat bekommt durch Kollegen vieles mitgeteilt,<br />

was ansonsten nicht unbedingt bis ganz nach oben durchdringen<br />

würde. Insofern ist das eine sehr gute Mittlerposition<br />

im Interesse des Hauses <strong>und</strong> im Interesse der Kunst.<br />

Wenn man, wie Sie, aus dem künstlerischen Bereich<br />

kommt, gerät man sicherlich auch manchmal in Gewissenskonflikte<br />

angesichts von Divergenzen, die diesen<br />

Bereich betreffen?<br />

<strong>Das</strong> gibt es durchaus. Gerade wenn es um die Nichtverlängerung<br />

von Künstlerverträgen geht, ist man sehr oft in der<br />

Zwickmühle, weil man natürlich seine eigenen künstlerischen<br />

menschen in der oper<br />

Johann Bohdansky, Personalratsvorsitzender<br />

Auffassungen hat, die nicht unbedingt mit denen der Intendanz<br />

oder der Ballettdirektion übereinstimmen. Aber es ist<br />

auch eine ganz wichtige Aufgabe des Personalrates, den<br />

Künstlern, die einen aufsuchen – wenn man schon nicht arbeitsplatzerhaltend<br />

wirken konnte –, den Übergang in eine<br />

andere Berufswelt zu erleichtern, zumindest psychologisch.<br />

Gibt es auch Fälle, in denen sich der Personalrat auf die<br />

Seite des Arbeitgebers stellen muß?<br />

Es gibt Leute, deren Vorstellungen mit einer ordnungsgemäßen<br />

Arbeitsauffassung nicht konform gehen. Hier sind<br />

dann oft die anderen Arbeitskollegen die Leidtragenden, <strong>und</strong><br />

es gilt abzuwägen zwischen den Interessen des Einzelnen,<br />

denen des Arbeitgebers <strong>und</strong> denen der anderen Kollegen,<br />

die in solch einem Falle durchaus Druck auf den Personalrat<br />

ausüben. Entscheidet man dann im Interesse der Kollegen,<br />

kann es schon passieren, daß der einzelne Betroffenen<br />

einem vorwirft, „intendantenfre<strong>und</strong>lich“ zu sein <strong>und</strong> nicht auf<br />

Seiten des Vorgeladenen zu stehen. Aber damit muß man<br />

leben, <strong>und</strong> das wird ganz sicher in jedem Betrieb so sein.<br />

Mit welchem Gefühl werden Sie zurück in die Reihen der<br />

Chorsänger treten?<br />

Also, ich freue mich wieder auf die Tätigkeit im Chor. Ich<br />

habe ja auch als Personalratsvorsitzender freiwillig in einer<br />

ganzen Reihe von Stücken gesungen. Ich brauche Singen,<br />

diese musikalische Ganzkörperbetätigung. Nach meinem<br />

Schulabschluß stand ich vor der Alternative, Gesang oder<br />

Theologie zu studieren. Mir brannten damals viele philosophisch-theologische<br />

Fragen unter den Nägeln, <strong>und</strong> deshalb<br />

habe ich mich zunächst für die Theologie entschieden. Nach<br />

dem Studium <strong>und</strong> einigen Jahren bei einer katholischen Akademie<br />

habe ich dann umgesattelt <strong>und</strong> bin über ein intensives<br />

Studium bei Kammersänger Fehenberger schließlich doch<br />

zum Gesang <strong>und</strong> am Ende hier zum Staatsopern-Chor gekommen,<br />

was ich nie bereut habe.<br />

Hat die theologische Schulung Ihren Blick auf die<br />

Gattung Oper geprägt?<br />

<strong>Das</strong> Religiöse als solches, das Religiöse als eine allgemeine<br />

Veranlagung in vielen Menschen, als eine Komponente, die<br />

den Menschen über das Irdische hinaushebt. Und hier ist die<br />

Parallele zur Kunst. Die Oper bietet ein Forum, in dem der<br />

Mensch individuell Klänge hört, die wieder verschwinden<br />

<strong>und</strong> sozusagen nur über den Hertzzähler physikalisch greifbar<br />

sind, die aber Dinge in ihm zum Sprechen bringen, die<br />

eigentlich metaphysisch sind. Der Einfluß der institutionalisierten<br />

Kirchen geht mehr <strong>und</strong> mehr zurück. Damit schwinden<br />

in unseren Breiten die Räume, in denen Menschen angeregt<br />

werden, metaphysisch zu empfinden. Die Oper ist da<br />

eine Institution, in der diese zutiefst menschliche Erfahrung,<br />

das Metaphysische, weiterlebt. Insofern bin ich von meinem<br />

Denken gerade in der Oper genau am richtigen Platz.<br />

INTERVIEW DETLEF EBERHARD<br />

TAKT 4 29


24. Februar bis 20. März<br />

Spielplan<br />

Helga<br />

Dernesch<br />

in Bernarda<br />

Albas Haus<br />

Nationaltheater<br />

24. Februar PREMIERE<br />

28. Februar, 6., 10., 14. März<br />

DAS RHEINGOLD<br />

Zubin Mehta;<br />

Marjana Lipovsek, Anja<br />

Harteros, Anna Larsson, Margarita<br />

De Arellano, Ann-Katrin<br />

Naidu, Hana Minutillo; John<br />

Tomlinson, Hans-Joachim<br />

Ketelsen, Jon Ketilsson, Philip<br />

Langridge, Franz-Josef Kapellmann,<br />

Helmut Pampuch, Jan-<br />

Hendrik Rootering, Kurt Rydl<br />

26. Februar, 2. März<br />

TOSCA<br />

Zubin Mehta;<br />

Daniela Dessi; Neil Shicoff,<br />

Sergei Leiferkus, Taras Konoshchenko,<br />

Alfred Kuhn, Ulrich<br />

30 TAKT 4<br />

Reß, Rüdiger Trebes, Gerhard<br />

Auer, Francesco Petrozzi; Solist<br />

des Tölzer Knabenchores<br />

27. Februar, 3., 7., 9. März<br />

BERNARDA ALBAS HAUS<br />

Zubin Mehta;<br />

Helga Dernesch, Inge Keller,<br />

Anne Pellekoorne, Jennifer<br />

Trost, Margarita De Arellano,<br />

Claudia Barainsky, Anna<br />

Korondi, Isoldé Elchlepp,<br />

Chariklia Mavropoulou<br />

4., 5. März: 20.00 Uhr<br />

4. AKADEMIEKONZERT<br />

DES BAYERISCHEN<br />

STAATSORCHESTERS<br />

Zubin Mehta<br />

Peter Frey: zwei, 0 <strong>und</strong> 1 (Uraufführung<br />

des Auftragswerks)<br />

Gustav Mahler: Symphonie<br />

Nr. 9, D-Dur<br />

Einführung zur Uraufführung<br />

am 4. <strong>und</strong> 5. März, 19.15 Uhr,<br />

in der ehemaligen Abendkasse<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

8., 11. März<br />

A CINDERELLA STORY<br />

Oliver von Dohnányi;<br />

Maria Eichwald (8.3.)/Lisa-Maree<br />

Cullum (11.3); Alen Bottaini<br />

(8.3.)/Lukas Slavicky (11.3.)<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

15. März<br />

MANON<br />

Valeri Ovsianikov;<br />

Maria Eichwald; Alen Bottaini<br />

16., 18., 20. März<br />

MADAMA BUTTERFLY<br />

Jacques Delacôte;<br />

Catherine Malfitano, Elena<br />

Cassian (16./18.3.)/Mihaela<br />

Ungureanu (20.3.), Victoria<br />

Safronov; Zoran Todorovich,<br />

Paolo Gavanelli, Ulrich Reß,<br />

Jan Zinkler, Karl Helm, Rüdiger<br />

Trebes, Hermann Sapell,<br />

Gerhard Auer<br />

17., 19. März<br />

CARMEN<br />

Jacques Delacôte;<br />

Béatrice Uria-Monzon, Krassimira<br />

Stoyanova, Julia Rempe;<br />

Taras Konoshchenko, Erik<br />

Nelson Werner, Mario Malagnini,<br />

Jean-Luc Chaignaud,<br />

Jan Zinkler, Ulrich Reß<br />

Cuvilliés-Theater,<br />

Bühne<br />

12. März: 20.00 Uhr<br />

XX/XXI – NEUE<br />

KAMMERMUSIK<br />

Ungarn plus<br />

1. Konzert<br />

Zoltán Kodály: Duo für Violine<br />

<strong>und</strong> Violoncello, op. 7<br />

Hanna Kulenty: Crossing lines<br />

für Violine, Klarinette <strong>und</strong><br />

Klavier (Uraufführung des<br />

Auftragswerks)<br />

Béla Bartók: Contrasts für<br />

Violine, Klarinette <strong>und</strong> Klavier<br />

Mitglieder des Bayerischen<br />

Staatsorchesters<br />

17. März: 11.00 Uhr<br />

19. März: 20.00 Uhr<br />

4. KAMMERKONZERT<br />

DES BAYERISCHEN<br />

STAATSORCHESTERS<br />

Robert Fuchs: Sonate für<br />

Kontrabaß <strong>und</strong> Klavier, op. 97<br />

Hermann Goetz: Quintett für<br />

Klavier, Violine, Viola, Violoncello<br />

<strong>und</strong> Kontrabaß, op. 16<br />

Wolfgang Amadeus Mozart:<br />

Sinfonia concertante, Es-Dur,<br />

KV 364. Bearbeitung für<br />

Streichsextett von Anton<br />

Reicha<br />

Platzl 7<br />

3. März: 11.00 Uhr<br />

BALLETT EXTRA<br />

Aller Anfang ist schwer<br />

Ballettmeister des Balanchine-<br />

Trusts arbeiten mit Staatsballett-Solisten<br />

an Brahms-<br />

Schönberg Quartett<br />

12. März: 20.00 Uhr<br />

Neil Shicoff in Tosca<br />

BALLETT EXTRA<br />

Tradition <strong>und</strong> Avantgarde<br />

Bettina <strong>Wagner</strong>-Bergelt über<br />

die Programmkonzeption der<br />

<strong>Premiere</strong> zur Eröffnung der<br />

Ballettwoche<br />

Ballettsaal<br />

Nationaltheater<br />

6. März: 11.30 Uhr<br />

THEATER UND SCHULE,<br />

STUDIO<br />

Jacopo Godani – Eine neue<br />

Tanzsprache aus der Frankfurter<br />

Schule<br />

Solisten <strong>und</strong> Ensemble des<br />

Bayerischen Staatsballetts<br />

Leitung: Ivan Lisˇka<br />

Impressum<br />

TAKT 4 Februar / März 2002<br />

<strong>Das</strong> Magazin der Bayerischen Staatsoper<br />

<strong>und</strong> des Bayerischen Staatsballetts.<br />

Spielzeit 2001/2002<br />

Herausgeber:<br />

Bayerische Staatsoper München<br />

Staatsintendant Sir Peter Jonas<br />

Ballettdirektor Ivan Lisˇka<br />

Max-Joseph-Platz 2, 80539 München<br />

Redaktion:<br />

Dr. Ulrike Hessler (verantwortlich);<br />

Detlef Eberhard, Wilfried Hösl,<br />

Bayerische Staatsoper<br />

Bettina <strong>Wagner</strong>-Bergelt,<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

Anschrift wie Herausgeber;<br />

takt@st-oper.bayern.de<br />

Gestaltung:<br />

Anzinger | Wüschner | Rasp<br />

Agentur für Kommunikation<br />

Titelfoto:<br />

Wilfried Hösl<br />

Fotos:<br />

Alle Fotos von Wilfried Hösl außer:<br />

S. 1: Tandy Dance Photographie (1);<br />

Geänderte Anfangszeiten:<br />

BERNARDA ALBAS HAUS<br />

3. März: 19.00 Uhr<br />

(statt 18.00 Uhr)<br />

DAS RHEINGOLD<br />

10. März: 20.00 Uhr<br />

(statt 19.00 Uhr)<br />

Führungen durch das Nationaltheater<br />

finden an folgenden<br />

Tagen jeweils um 14.00<br />

Uhr statt: 24., 26. Februar;<br />

3., 7., 8., 9., 11., 17., 21.,<br />

25., 26., 27. <strong>und</strong> 30. März<br />

Ausgangspunkt ist der<br />

Opernladen/Kassenhalle Nationaltheater,<br />

am Wochenende<br />

der Haupteingang des<br />

Nationaltheaters<br />

S. 18: Per B. Adolphson; S. 22: Tandy<br />

Dance Photographie S. 23,24: Balanchine<br />

Trust; S. 30: Theateragentur Dr. Germinal<br />

Hilbert; S. 32: WDR<br />

Lithographie:<br />

MXM Digital Service<br />

Alpenstr. 12a, 81541 München<br />

Druck:<br />

Color-Offset GmbH<br />

Geretsrieder Straße 10, 81379 München<br />

Anzeigen:<br />

G. o. MediaMarketing GmbH<br />

Verdistr. 116, 81247 München<br />

Telefon: 089/89 12 88 - 0, Fax: - 90<br />

<strong>Das</strong> Magazin TAKT erscheint achtmal pro<br />

Saison <strong>und</strong> kann zu einem Preis von 28 DM<br />

abonniert werden bei: Marketingbüro der<br />

Bayerischen Staatsoper, Max-Joseph-Platz<br />

2, 80539 München<br />

Die Bayerische Staatsoper dankt allen<br />

Firmen, die durch ihre Inserate die Publikation<br />

ermöglicht haben. Namentlich<br />

gekennzeichnete Beiträge unserer Mitarbeiter<br />

stellen nicht unbedingt die Meinung<br />

der Herausgeber dar.<br />

VKZ: B31146<br />

Redaktionsschluß 5. November 2001


zehn fragen an ...<br />

...Roger<br />

Willemsen,<br />

Autor <strong>und</strong><br />

Fernsehproduzent<br />

32 TAKT 4<br />

1. Was war Ihr aufregendstes Opernerlebnis?<br />

- Mein erster Wozzeck, in Wien, Regie: Schuh<br />

(glaube ich)<br />

- Die Uraufführung der komplettierten Lulu mit<br />

Teresa Stratas<br />

- Il trovatore an der Scala, Regie: L. Visconti<br />

2. Wie sähe Ihr ideales Publikum aus?<br />

Frisch gebadet.<br />

3. Bitte vervollständigen Sie folgenden Satz:<br />

Modernes Regietheater ist für mich ...<br />

... wie gemacht, denn ich spüre sie gerne, die<br />

gestaltende Hand der Regisseure. Oft finde ich<br />

Radikalität weniger anstößig als Harmlosigkeit.<br />

4. Wenn mich ein Kind fragt: „Was ist Oper?“,<br />

dann sage ich ihm?<br />

Eine umständliche Form, nicht zu Potte zu kommen<br />

<strong>und</strong> dürftige Texte in großer Musik zu verklappen.<br />

5. Wozu brauchen wir Oper?<br />

Zur Erinnerung an das Menschenmögliche<br />

6. Wie lange wird es noch Opern geben?<br />

Wie lange wird es noch Orang-Utans geben? Wir<br />

möchten sagen: Immer. Aber insgeheim wissen wir,<br />

ihre Tage sind gezählt, <strong>und</strong> Opern <strong>und</strong> Affen kommen<br />

vielleicht bald aus der Retorte ins Museum.<br />

7. Dauern die Opern im Zeitalter der Videoclips<br />

nicht zu lange?<br />

Gemessen an einem Videoclip ist schon Die Bürgschaft<br />

eine Zumutung. Nein, gemessen an der Oper<br />

sind Videoclips zu kurz!<br />

8. Gehört es für Sie dazu, in der Oper gut<br />

angezogen zu sein?<br />

Ja, aber vielleicht vor allem, weil man so weniger<br />

auffällt. Schlecht angezogen in die Oper – das ist ja<br />

schon fast klassenkämpferisch.<br />

9. Was hören Sie beim Essen?<br />

Nur Kaugeräusche.<br />

10. Schon mal „Buh“ gerufen? Wann? Wenn nein,<br />

warum nicht?<br />

Mehrfach. Meist für Regisseure. Denen verzeihe ich<br />

irgendwie weniger leicht als Sängern. Buh-würdig<br />

aber finde ich auch bei Regisseuren allenfalls Oberflächlichkeit.

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