15-16_Stadionmagazin_Nr4_Bayern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
In den Herzen 27<br />
BLICK<br />
ZURÜCK<br />
Talent und ihrem jüngsten Star: Yoshinori<br />
Muto, erst 22 Jahre alt, Eigengewächs,<br />
Publikumsliebling und Topscorer seines<br />
Teams.<br />
Die Fans feiern ihn und zaubern eine<br />
Gänsehautstimmung ins Stadion. Eine<br />
Choreographie, die sonst nur Legenden und<br />
verdienten Veteranen zuteil wird, tunkt das<br />
weite Rund in rot-blau, die Vereinsfarben<br />
des japanischen Hauptstadtclubs. In der<br />
Fankurve bilden weiße Pappschilder vier<br />
riesige Buchstaben M-U-T-O, daneben seine<br />
Rückennummer 14, die er in Tokio seit Beginn<br />
seiner Profilaufbahn trägt. Die legendäre 14,<br />
wie einst Johann Cruyff und Thierry Henry.<br />
Genau vier Wochen zuvor war sein<br />
Wechsel in die Bundesliga verkündet worden,<br />
nach wochenlangen Spekulationen,<br />
wohin es ihn ziehen würde. In die englische<br />
Premier League zum FC Chelsea? Oder in<br />
die Bundesliga zu den Champions-League-<br />
Teilnehmern Borussia Mönchengladbach oder<br />
Bayer Leverkusen? Am Ende hatte Mainz die<br />
Nase vorn im Wettrennen um Muto. Sicherlich<br />
auch, weil 05-Manager Christian Heidel eigens<br />
nach Tokio flog, um Muto von Mainz zu<br />
überzeugen.<br />
Doch Mutos Wechsel nach Rheinhessen<br />
statt ins Rheinland oder nach London passt<br />
auch sonst zum inzwischen 23-Jährigen, der<br />
mitten in Tokio mit zwei älteren Schwestern<br />
und zwei jüngeren Brüdern aufgewachsen<br />
ist. Voller Leidenschaft auf dem Platz, aber<br />
grundständig solide und durchdacht, was die<br />
Planung seines Lebensweges angeht. Um<br />
seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen, nimmt er<br />
nicht immer den spektakulärsten Weg.<br />
So wie im Jahr 2011, als er bereits<br />
Profi hätte werden können, sich aber für<br />
ein Studium der Wirtschaftswissenschaft an<br />
der renommierten Keio-Universität in Tokio<br />
entschied. Deren Gründer Fukuzawa Yukichi<br />
hatte seinen japanischen Landsleuten Ende<br />
MUTOS<br />
MOMENTE<br />
Yoshi Muto als Coverboy des Tokioter<br />
<strong>Stadionmagazin</strong>s und auf dem<br />
Sommerfest der 05er.<br />
des 19. Jahrhunderts empfohlen, das „rückständige<br />
Asien“ zu verlassen und sich am<br />
„modernen Europa“ zu orientieren. Eine<br />
Devise, die im japanischen Fußball heute nicht<br />
aktueller sein könnte. Bei Japans jüngsten<br />
WM-Qualifikationsspielen gegen Kambodscha<br />
und Afghanistan standen gerade einmal<br />
drei Spieler der heimischen J-League in der<br />
Startformation, alle anderen spielen in der<br />
Bundesliga, in Italien oder England.<br />
Diese Erfahrung – in einer europäischen<br />
Topliga spielen – sollte für Muto unbedingt<br />
der nächste Schritt sein; auch deshalb lieber<br />
Mainz als Chelsea, wo bereits vor seinem<br />
möglichen Wechsel über ein Leihgeschäft nach<br />
Belgien spekuliert wurde. Das sehen auch<br />
die Fans so. „Ich bin sehr glücklich für ihn,<br />
dass er diese Chance im Ausland bekommt“,<br />
sagt Takahiro Yoshida (38), seit seinem <strong>15</strong>.<br />
Lebensjahr eingefleischter Fan des FC Tokio.<br />
„Es wäre wunderbar, wenn Muto eines Tages<br />
ein Starspieler eines europäischen Topclubs<br />
werden würde, aber jetzt muss er sich erst<br />
einmal in Mainz beweisen.“<br />
Weniger als zwei Jahre spielt Muto für<br />
sein Uniteam und ist kurz davor, alle Rekorde<br />
zu brechen, als ihn eine Meniskusverletzung<br />
zur Pause zwingt. Kurze Zeit später meldet<br />
sich der FC Tokio wieder, für den er bereits seit<br />
seinem zwölften Lebensjahr in verschiedenen<br />
Jugendteams gespielt hatte. Eigens für Muto<br />
beantragt der Club eine Sondergenehmigung,<br />
die es Spielern von Universitätsmannschaften